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Sommer Magazin 2012

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LILITHS TAUFE ODER:<br />

VOM WAHREN JAZZ.<br />

?Ich überlasse es dem Moment, in dem meine Musik entsteht,<br />

wohin es geht!?, sagt einer der bedeutendsten Jazzsaxofonisten<br />

Kärntens. Während unserer Fahrt ins Gurktal, seine Heimat,<br />

machten wir Halt auf der Hochebene von St. Filippen.<br />

Es schien mir, als suchten sich Michael Erians<br />

subtile Töne den Weg bis hinein in die Nockberge ...<br />

Lilith ist heute acht. Vor sechs Jahren<br />

wurde sie hier heroben getauft. In dieser<br />

Kirche. St. Filippen. Droben über Pisweg,<br />

auf einer Hochebene, von der aus man<br />

bis hinüber zu den Nockbergen sieht.<br />

Das Gegenlicht eines Spätsommernachmittags.<br />

Michael packt sein Selmer-<br />

Saxophon aus, das er eines Tages in<br />

Köln gebraucht gefunden hat und das<br />

ihn seither begleitet. Er spielt nur einen<br />

Titel an. Ein paar beiläufige Fingerübungen<br />

auf dem Sax. Es sind diese<br />

heißesten Tage eines Kärntner <strong>Sommer</strong>s<br />

und doch spüre ich, wie mir die<br />

Gänsehaut aufsteigt. Michael Erian gehört<br />

zu den drei ganz großen Saxofonisten<br />

dieses Landes. Er, in seiner<br />

Bescheidenheit, würde sich nie laut an<br />

die Seite Wolfgang Puschnigs und<br />

Karlheinz Miklins stellen. Er würde zumindest<br />

noch drei, vier Kollegen aufzählen<br />

und vor allem auf den ?ganz<br />

großartigen Nachwuchs? hinweisen,<br />

der heranwächst: Dennis Brandner aus<br />

Wolfsberg, Lukas Gabri? und Felician<br />

Honsig-Erlenburg aus Villach ... Michi<br />

Erian, wie ihn seine engeren Freunde<br />

nennen, hat den Überblick: Er ist nicht<br />

nur ein begnadeter Jazzer. Seit sich<br />

das Klagenfurter Konservatorium zu<br />

einem Schmelztiegel für Jazztalentierte<br />

aus dem Alpen-Adria-Raum profiliert<br />

hat, unterrichtet er auch. Und es<br />

macht ihm Freude. ?Man muss nur das<br />

Gleichgewicht zwischen Unterrichten<br />

und Spielen halten!?, sagt er, und erinnert<br />

sich noch einmal an die Taufe<br />

seiner bezaubernden Tochter:<br />

Kärnten magazin 22<br />

?Ich hatte damals ein paar Musiker hierher<br />

eingeladen. Und plötzlich kommt<br />

der Bauer von daneben mit seiner<br />

Quetschn daher und wir haben es laufen<br />

lassen bis spät in den Abend ...?<br />

Von Pisweg lassen wir uns die Bergstraße<br />

hinunterfallen nach Gurk, wo<br />

Michael groß wurde. Fast noch im<br />

Schatten des Doms steht der Gasthof<br />

Erian, den, als Michael noch Kind war,<br />

dessen Vater dem Onkel übergeben<br />

hat. ?Mein Vater ist immer hinter mir<br />

gestanden?, sagt einer, den die Musik<br />

von klein auf angezogen hat. Mit zwölf,<br />

dreizehn Jahren spielte er Klarinette<br />

in der Bauernkapelle Isopp. ?Das war<br />

der wahre Jazz?, schmunzelt er, ?die<br />

haben vielfach keine Noten gekannt<br />

und gespielt wie die Götter. Das ist die<br />

urwüchsige Form der Volksmusik.?<br />

Michaels ?Jugendsünde? war eine<br />

Bluesband mit dem sinnigen Namen<br />

?Delirium tremens?.<br />

Erian ging hinaus in die Welt: von Gurk<br />

nach Straßburg in die Hauptschule.<br />

Von Straßburg nach Klagenfurt. Von<br />

Klagenfurt nach Graz zum Studieren.<br />

Von Graz nach Den Haag ins Königliche<br />

Konservatorium. Zu Auftritten nach<br />

Mexiko, New York, Montreaux, in die<br />

Türkei, nach Jordanien, nach Moskau ...<br />

Er kam aber immer wieder zurück und<br />

lebt heute in Klagenfurt. Und er spürt,<br />

welches musikalische Potenzial immer<br />

noch in Kärnten liegt. Mit dem Pianisten<br />

Ton? Feinig hat er slowenische<br />

Volkslieder aufgenommen. Erian geht<br />

mit der Tradition kreativ um. ?Wenn<br />

sich etwas zu Tode bewährt, so ist das<br />

das Schlimmste. Weil es nicht mehr<br />

lebendig ist!?, mahnt er. Schon sein<br />

über alles geschätzter Lehrer in Holland,<br />

der Italo-Amerikaner John Ruocco,<br />

trug ihm auf: ?Vergiss nicht, wo du<br />

herkommst und was du in dir trägst!?<br />

Das Michael diesen Auftrag erfüllt,<br />

erkennt man bald, hört man ihn spielen:<br />

Ob als Solist, im ?Couch-Ensemble?, im<br />

?Alpe-Adria-Jazz-Ensemble? in ?Johnson<br />

3? oder in jeder anderen Formation.<br />

Michi Erian sagt zum Abschied<br />

noch zwei einfache Sätze, so einfach<br />

und gewichtig wie sein Spiel:<br />

Der eine Satz: ?Ich versuche die Musik<br />

organisch zu halten? ? und der andere<br />

Satz: ?Spielt man mit anderen guten<br />

Musikern, so ist das sehr spannend:<br />

Man kann sich selbst überraschen!?<br />

Eine großartige Definition von Jazz.<br />

Michael Erian verrät auf seiner Website sogar seine Telefonnummer. Das hat was Gutes. Ganz Musiker, ist er nicht immer völlig verlässlich,<br />

wenn?s darum geht, alle seine zahlreichen Konzerttermine publik zu machen. Im Zweifelsfall kann man Michael ja anrufen ;-) www.erian.org<br />

Kärnten magazin 23

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