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LILITHS TAUFE ODER:<br />
VOM WAHREN JAZZ.<br />
?Ich überlasse es dem Moment, in dem meine Musik entsteht,<br />
wohin es geht!?, sagt einer der bedeutendsten Jazzsaxofonisten<br />
Kärntens. Während unserer Fahrt ins Gurktal, seine Heimat,<br />
machten wir Halt auf der Hochebene von St. Filippen.<br />
Es schien mir, als suchten sich Michael Erians<br />
subtile Töne den Weg bis hinein in die Nockberge ...<br />
Lilith ist heute acht. Vor sechs Jahren<br />
wurde sie hier heroben getauft. In dieser<br />
Kirche. St. Filippen. Droben über Pisweg,<br />
auf einer Hochebene, von der aus man<br />
bis hinüber zu den Nockbergen sieht.<br />
Das Gegenlicht eines Spätsommernachmittags.<br />
Michael packt sein Selmer-<br />
Saxophon aus, das er eines Tages in<br />
Köln gebraucht gefunden hat und das<br />
ihn seither begleitet. Er spielt nur einen<br />
Titel an. Ein paar beiläufige Fingerübungen<br />
auf dem Sax. Es sind diese<br />
heißesten Tage eines Kärntner <strong>Sommer</strong>s<br />
und doch spüre ich, wie mir die<br />
Gänsehaut aufsteigt. Michael Erian gehört<br />
zu den drei ganz großen Saxofonisten<br />
dieses Landes. Er, in seiner<br />
Bescheidenheit, würde sich nie laut an<br />
die Seite Wolfgang Puschnigs und<br />
Karlheinz Miklins stellen. Er würde zumindest<br />
noch drei, vier Kollegen aufzählen<br />
und vor allem auf den ?ganz<br />
großartigen Nachwuchs? hinweisen,<br />
der heranwächst: Dennis Brandner aus<br />
Wolfsberg, Lukas Gabri? und Felician<br />
Honsig-Erlenburg aus Villach ... Michi<br />
Erian, wie ihn seine engeren Freunde<br />
nennen, hat den Überblick: Er ist nicht<br />
nur ein begnadeter Jazzer. Seit sich<br />
das Klagenfurter Konservatorium zu<br />
einem Schmelztiegel für Jazztalentierte<br />
aus dem Alpen-Adria-Raum profiliert<br />
hat, unterrichtet er auch. Und es<br />
macht ihm Freude. ?Man muss nur das<br />
Gleichgewicht zwischen Unterrichten<br />
und Spielen halten!?, sagt er, und erinnert<br />
sich noch einmal an die Taufe<br />
seiner bezaubernden Tochter:<br />
Kärnten magazin 22<br />
?Ich hatte damals ein paar Musiker hierher<br />
eingeladen. Und plötzlich kommt<br />
der Bauer von daneben mit seiner<br />
Quetschn daher und wir haben es laufen<br />
lassen bis spät in den Abend ...?<br />
Von Pisweg lassen wir uns die Bergstraße<br />
hinunterfallen nach Gurk, wo<br />
Michael groß wurde. Fast noch im<br />
Schatten des Doms steht der Gasthof<br />
Erian, den, als Michael noch Kind war,<br />
dessen Vater dem Onkel übergeben<br />
hat. ?Mein Vater ist immer hinter mir<br />
gestanden?, sagt einer, den die Musik<br />
von klein auf angezogen hat. Mit zwölf,<br />
dreizehn Jahren spielte er Klarinette<br />
in der Bauernkapelle Isopp. ?Das war<br />
der wahre Jazz?, schmunzelt er, ?die<br />
haben vielfach keine Noten gekannt<br />
und gespielt wie die Götter. Das ist die<br />
urwüchsige Form der Volksmusik.?<br />
Michaels ?Jugendsünde? war eine<br />
Bluesband mit dem sinnigen Namen<br />
?Delirium tremens?.<br />
Erian ging hinaus in die Welt: von Gurk<br />
nach Straßburg in die Hauptschule.<br />
Von Straßburg nach Klagenfurt. Von<br />
Klagenfurt nach Graz zum Studieren.<br />
Von Graz nach Den Haag ins Königliche<br />
Konservatorium. Zu Auftritten nach<br />
Mexiko, New York, Montreaux, in die<br />
Türkei, nach Jordanien, nach Moskau ...<br />
Er kam aber immer wieder zurück und<br />
lebt heute in Klagenfurt. Und er spürt,<br />
welches musikalische Potenzial immer<br />
noch in Kärnten liegt. Mit dem Pianisten<br />
Ton? Feinig hat er slowenische<br />
Volkslieder aufgenommen. Erian geht<br />
mit der Tradition kreativ um. ?Wenn<br />
sich etwas zu Tode bewährt, so ist das<br />
das Schlimmste. Weil es nicht mehr<br />
lebendig ist!?, mahnt er. Schon sein<br />
über alles geschätzter Lehrer in Holland,<br />
der Italo-Amerikaner John Ruocco,<br />
trug ihm auf: ?Vergiss nicht, wo du<br />
herkommst und was du in dir trägst!?<br />
Das Michael diesen Auftrag erfüllt,<br />
erkennt man bald, hört man ihn spielen:<br />
Ob als Solist, im ?Couch-Ensemble?, im<br />
?Alpe-Adria-Jazz-Ensemble? in ?Johnson<br />
3? oder in jeder anderen Formation.<br />
Michi Erian sagt zum Abschied<br />
noch zwei einfache Sätze, so einfach<br />
und gewichtig wie sein Spiel:<br />
Der eine Satz: ?Ich versuche die Musik<br />
organisch zu halten? ? und der andere<br />
Satz: ?Spielt man mit anderen guten<br />
Musikern, so ist das sehr spannend:<br />
Man kann sich selbst überraschen!?<br />
Eine großartige Definition von Jazz.<br />
Michael Erian verrät auf seiner Website sogar seine Telefonnummer. Das hat was Gutes. Ganz Musiker, ist er nicht immer völlig verlässlich,<br />
wenn?s darum geht, alle seine zahlreichen Konzerttermine publik zu machen. Im Zweifelsfall kann man Michael ja anrufen ;-) www.erian.org<br />
Kärnten magazin 23