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DIE TRÄUME<br />
DER KINDHEIT.<br />
Aus Sand gefertigtes Mandala ? ein Highlight des Museums.<br />
Der wohl weltweit<br />
berühmteste Kärntner<br />
des letzten Jahrhunderts,<br />
Prof. Heinrich Harrer,<br />
hätte am 6. Juli <strong>2012</strong><br />
seinen hundertsten<br />
Geburtstag gefeiert.<br />
Text Stefan Zoltan<br />
Kärnten magazin 54<br />
?Truth is always stranger than fiction?,<br />
beliebte Heinrich Harrer stets zu sagen,<br />
wenn er auf seine fantastischen und<br />
doch auf realem Hintergrund beruhenden<br />
Erzählungen als Weltbestsellerautor<br />
angesprochen worden war. Wie<br />
recht er doch hatte. Die besten Geschichten<br />
schreibt nun mal das Leben.<br />
Es gibt wohl kaum mehr etwas,<br />
worüber im Zusammenhang mit dem<br />
berühmten Bergsteiger, Autor und Forschungsreisenden<br />
noch nicht geschrieben<br />
worden ist. Sogar Hollywood hat<br />
1997 mit ?Seven Years in Tibet? dem<br />
Kärntner ein unauslöschliches Denkmal<br />
gesetzt, und das nicht nur, weil kein<br />
Geringerer als Brad Pitt ihn in diesem<br />
Streifen verkörpert hat. Heinrich Harrer<br />
knapp zu beschreiben, ist ein unmögliches<br />
Unterfangen. Zu viele Facetten ergeben,<br />
wie bei einem Brillanten, zu<br />
viele Bilder und Eindrücke, vor allem<br />
aber ein Funkeln und Schimmern, welches<br />
unmöglich zu beschreiben ist.<br />
Alles, was er getan hat, ist bemerkenswert<br />
und allzu oft begleitet von Superlativen,<br />
angefangen von Erstbesteigungen<br />
bis hin zu vielen Erstentdeckungen.<br />
Ich wage nun eine persönliche<br />
Annäherung an ein Phänomen, an<br />
den Menschen, weniger an die weltberühmte<br />
Persönlichkeit, indem ich von<br />
unserer allerersten Begegnung berichte.<br />
Schmunzeln, das konnte er wie<br />
kein anderer. Er stand damals im Garten,<br />
mitten in einer unvorstellbaren<br />
Blütenpracht, und wies mich an, den<br />
Wagen hereinzustellen. ?Schließlich<br />
wollen wir nicht gestört werden, weil Sie<br />
einem Traktor den Weg versperren.?<br />
Hinter dem Haus erstreckte sich ein<br />
dichter, dunkler Fichtenwald, vor ihm<br />
stapelte sich eine Unmenge Brennholz,<br />
stand ein beschaulich plätschernder<br />
Brunnen. ?Zusperren brauchen Sie<br />
nicht.? Auf meinen Hinweis, dass ich es<br />
so gewohnt sei, schließlich wurden mir<br />
schon mehrmals Autos ausgeräumt,<br />
Der Zeremoniensaal ? außerhalb Tibets einzigartig.<br />
meinte er bloß: ?Vielleicht gerade deshalb,<br />
weil Sie sie versperrt hatten. Alles,<br />
was man zu verbergen trachtet, macht<br />
andere neugierig. Wenn Sie zum Beispiel<br />
etwas nicht verzollen möchten,<br />
dann lassen Sie es an der Grenze für<br />
alle sichtbar am Rücksitz liegen. Und<br />
wenn Sie sich von Ihrem Auto entfernen,<br />
dann schauen Sie niemals zurück<br />
und sperren Sie es auch gar nicht ab.?<br />
Ehefrau Carina, bildhübsch und ein<br />
Mädchen aus bestem Hause, empfing<br />
uns zum Tee und feinstem Gebäck.<br />
Während sie das verkörperte, was man<br />
gemeinhin unter höchst kultiviert verstand,<br />
verzauberte er durch seine<br />
Spitzbübigkeit, die er sich bis zu seinem<br />
Tod bewahren sollte. Small Talk<br />
konnte man es nicht nennen, diese Ouvertüre<br />
gegenseitigen Kennenlernens.<br />
Ich tauchte ein in eine mir bis dahin unbekannte,<br />
höchst faszinierende Welt,<br />
und ich begegnete offenen, gebildeten<br />
und charmanten Menschen, wie man<br />
sie eher in einer Weltmetropole vermutet<br />
hätte, weniger auf einer über 1.000<br />
Meter hoch gelegenen Alm am Waldesrand.<br />
Demut und Bescheidenheit<br />
erfuhren durch ihn eine neue Dimension<br />
in meinem Leben, die zu erfahren<br />
ich danach nur noch selten das Vergnügen<br />
hatte. Nie werde ich vergessen,<br />
dass er mir damals nicht den leisesten<br />
Vorwurf gemacht hatte, keines seiner<br />
Bücher gelesen und keine seiner Filmdokumentationen<br />
gesehen zu haben.<br />
?Sie gehören ja auch einer anderen Generation<br />
an ??, meinte er bloß, als er<br />
mir eine Ausgabe von ?7 Jahre in Tibet?<br />
überreichte, ?? Wenn Sie mal Lust<br />
haben, dann können Sie es ja lesen.? Ein<br />
knappes Jahr später war ich Direktor<br />
seines neu errichteten Museums in Hüttenberg.<br />
Wenn die Bezeichnung Cosmopolit<br />
auf jemanden genau zutraf,<br />
dann auf ihn, den Weltreisenden. Sein<br />
Museum ist ein Geschenk an die<br />
Menschheit, ein einzigartiges Denkmal<br />
Freunde für?s Leben: Heinrich Harrer<br />
und der 14. Dalai Lama.<br />
Mit König Leopold von<br />
Belgien im Dschungel.<br />
für Verständnis und Toleranz. Mir persönlich<br />
hat er die Erkenntnis vermacht,<br />
nichts als selbstverständlich zu betrachten,<br />
dankbar zu sein und vor allem<br />
darauf zu vertrauen, dass es sich immer<br />
lohnt, den Träumen der Kindheit zu folgen.<br />
Im Erwachsenenalter entsprechen<br />
diese kaum mehr einem selbst, sondern<br />
eher der Gesellschaft, in der man<br />
lebt. Damals, bei unserer ersten Begegnung,<br />
verabschiedete er mich vor dem<br />
Haus und meinte noch lapidar: ?Wissen<br />
Sie, das Holz zum Heizen, das Wasser<br />
zum Trinken, ich erhalte sie gratis von<br />
der Gemeinde. Das weiß ich mehr zu<br />
schätzen als alles andere.? Und bis<br />
heute gab es keinen Moment, an dem<br />
ich dies je bezweifelt hätte.<br />
Heinrich-Harrer-Museum Hüttenberg<br />
geöffnet von April bis Oktober<br />
www.harrermuseum.at<br />
Kärnten magazin 55