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DIE EISERNEN<br />
VOM WÖRTHERSEE.<br />
Was um alles in der Welt treibt einen vernünftigen<br />
Menschen dazu, 3,86 km zu schwimmen, hinterher<br />
180,2 km am Rennrad zu strampeln und zum<br />
Drüberstreuen einen Marathon (42,195 km) zu laufen?<br />
Und wer tut sich das an?<br />
Text Mike Diwald<br />
1<br />
Kärnten magazin 82<br />
Zumindest letztere Antwort ist denkbar<br />
einfach: All jene, die einmal als<br />
Finisher des Ironman Kärnten gelten<br />
wollen, und besagte Distanzen in<br />
maximal 17 Stunden schaffen.<br />
17 Stunden? So wie zwei Arbeitstage<br />
plus eine Überstunde, nur ohne Schlafen<br />
dazwischen? Yessir!<br />
Wobei?s auch schneller geht: Der Rekord,<br />
im letzten Jahr vom 6-fach-Sieger<br />
Marino Vanhoenacker aus Holland<br />
aufgestellt, liegt bei 7 h 45 min 58 sec.<br />
Und zwischen dieser Zeit und besagten<br />
17 Stunden ereignen sich die kleineren<br />
und größeren Tragödien von 2.349 Finishern,<br />
und die ganz großen von jenen<br />
146 Unglücklichen, die die Checkpoints<br />
zu spät passieren oder aufgeben.<br />
Zweieinhalbtausend Spinner, sagen die<br />
einen, zweieinhalbtausend Helden, die<br />
anderen!<br />
3-fach-Finisher: Birgit Morelli.<br />
Dabei sind sie weder das eine noch das<br />
andere, sondern ganz normale Menschen,<br />
die ihre Grenzen ausloten, und<br />
sich auf eine Abenteuerreise begeben.<br />
Menschen wie Birgit Morelli:<br />
Die damals 26-jährige beschloss 2004,<br />
endlich regelmäßig Sport zu betreiben,<br />
und engagierte einen Personal Trainer,<br />
der ihr ?in den Hintern treten sollte?.<br />
Das tat der Mann offensichtlich mit Erfolg,<br />
denn bereits zwei Jahre später<br />
nahm die Kärntnerin am Ironman in<br />
Klagenfurt teil, den sie in 13 h 48 min<br />
auch finishte. ?Der Bewerb?, sinniert<br />
sie, ?ist nur die Belohnung für das<br />
Training, das die eigentliche Herausforderung<br />
darstellt.? 8 bis 10 Stunden<br />
wöchentlich habe sie im Schnitt dafür<br />
über 10 Monate investiert. ?Arbeiten,<br />
trainieren, schlafen, das war mein<br />
Tagesablauf.? Und zwischendurch ?<br />
beim Training ebenso wie beim Bewerb<br />
? immer wieder die Frage nach dem<br />
Sinn dieses Tuns. Eine Frage, auf die sie<br />
nach drei erfolgreichen Teilnahmen am<br />
Ironman Kärnten ihre Antwort gefunden<br />
zu haben glaubt. ?Ich hab viel für<br />
mein Berufs- und Privatleben gelernt:<br />
das Durchhalten, das Bewältigen von<br />
Krisen, das Durchtauchen von Wellentälern.<br />
Das kann mir niemand mehr<br />
nehmen!?<br />
Von Velden zur Klagenfurter Ostbucht:<br />
?Kärnten läuft?-Halbmarathon.<br />
Gegen die Ironman-Strapazen muten<br />
die 21,0975 km beim ?Kärnten läuft?-<br />
Halbmarathon von Velden nach Klagenfurt<br />
beinahe wie ein Kirchenchor-<br />
Ausflug an. Aber Vorsicht! Auch diese<br />
Distanz ist nicht zu unterschätzen,<br />
zumal sie in einem ganz anderen<br />
Tempo als die volle Marathon-Distanz<br />
am Ende des Ironman angegangen<br />
wird. Der Kenianer Kipsang Wilson<br />
siegte im vergangenen Jahr mit der<br />
Zeit von 1 h 02 min 25 sec, das bedeutet<br />
eine Durchschnittsgeschwindigkeit von<br />
20,28 km/h. Zum Vergleich: Selbst gute<br />
Hobbyläufer bringen?s im Sprint über<br />
ein paar Meter maximal auf 18 km/h.<br />
Aber das sind Zahlenspielereien für<br />
ehrfürchtige Hobbysportler. Genau an<br />
die richtet sich ?Kärnten läuft? in erster<br />
Linie: Wer regelmäßig ? sprich: mehrmals<br />
pro Woche ? sein Laufpensum absolviert,<br />
für den stellt die Halbmarathon-Distanz<br />
keinen allzu großer Auftrag<br />
dar.<br />
Schönste Laufstrecke der Welt.<br />
Der sollte während des Laufens die<br />
Muße finden, das Nordufer des Wörthersees<br />
in einer ganz ungewohnten<br />
Gemächlichkeit zu erleben: Er sieht<br />
prächtige Wörthersee-Villen, die pittoreske<br />
Kirche von Maria Wörth am gegenüberliegenden<br />
Seeufer, die alten<br />
Badehäuser beim Friedlstrand und die<br />
vielen Segelboote am tiefblauen See.<br />
Und endlich wallen die Endorphine<br />
hoch, gelangt der Läufer in jenen mystischen<br />
Bereich des ?Runner?s High?,<br />
das ihm ein glückliches Lächeln ins Gesicht<br />
zaubert.<br />
2<br />
3<br />
4<br />
1) 6-fach-Sieger Marino Vanhoenacker<br />
bei seinem Ironman-Klagenfurt<br />
Triumph 2011. Im letzten Jahr war er<br />
noch mal um 20 Sekunden schneller.<br />
2) Die Wasserdusche kurz vor dem Ziel<br />
des ?Kärnten läuft?-Halbmarathon<br />
gibt Kraft für den Endspurt.<br />
3) Vor dem Schlosshotel Velden<br />
erfolgt der Start zum ?Kärnten läuft?-<br />
Halbmarathon.<br />
4) Birgit Morelli auf der 180,2 km langen<br />
Radstrecke des Ironman Kärnten.<br />
Immer lauter werden die Anfeuerungsrufe<br />
und die Publikumsreihen dichter<br />
auf diesen letzten Kilometern vor dem<br />
Ziel. Bio-Doping für die bereits bleischweren<br />
Beine, die sich verselbstständigen<br />
und ausgerechnet den<br />
letzten Kilometer in knapp 5 Minuten<br />
förmlich überfliegen.<br />
Und im ersten Rausch nach dem Passieren<br />
der Ziellinie fragt man sich, ob<br />
man nicht auch einmal zu jenen Eisernen<br />
gehören will, die sich ?Finisher des<br />
Ironman? nennen dürfen. Naja, nächstes<br />
Jahr vielleicht ...<br />
Kärnten magazin 83