trennt 4/2006 - Altstoff Recycling Austria
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Lab<br />
SCHÖN VS. BRAUCHBAR<br />
Don’t make me think! So lauten Titel und erstes Gesetz eines Buches zum Thema Usability von Websites,<br />
das den Kern der Sache wie kein anderes trifft. Nicht umsonst handelt es sich bei der Publikation von<br />
Steve Krug um einen Bestseller mit 120.000 verkauften Exemplaren und Übersetzungen in zwölf Sprachen.<br />
Usability interessiert. Denn fast jeder saß schon vor einem<br />
geöffneten Browser-Fenster und brach nach einem unergiebigen<br />
Aufenthalt in der virtuellen Welt die frustrierende<br />
Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen ab.<br />
So verbreitet sich immer mehr der Wunsch nach einfachen<br />
Strukturen, eindeutigen Hinweisen und Sucherfolgen ohne<br />
große geistige Anstrengungen. Durchdachtes Design, das<br />
dem Nutzer das Denken schon bei der Entwicklung<br />
abnimmt. Gutes Design statt „Verbiegungen“. Angelehnt an<br />
die griechischen Sagen des Altertums könnte man es auch<br />
anders ausdrücken und sagen: Wir wollen kein Prokrustisches<br />
Design! Prokrustes, auch Damastes und „der Strecker“<br />
genannt, war nämlich ein Riese, Räuber und Unhold in<br />
der Gegend von Eleusis, außerdem Sohn des Poseidon.<br />
Prokrustes bot Reisenden ein eisernes Bett an, auf das er sie<br />
legte. Wenn sie zu groß für das Bett waren, hackte er ihnen<br />
die Füße und Gliedmaßen ab, waren sie zu klein, hämmerte<br />
und reckte er ihnen die Glieder auseinander, indem er sie auf<br />
einem Amboss streckte. Niemals kam ein Gast, der „passte“,<br />
und keiner verließ den Riesen heil. Davon abgeleitet nennen<br />
Fachleute Design, das den Anwender quält und ihn zwingt<br />
sich anzupassen, „Prokrustisches Design“. Usability soll dem<br />
Benutzer helfen, sich nicht länger „verbiegen“ zu müssen, um<br />
sich mit Gebrauchsgegenständen, elektronischen Geräten<br />
oder auf Websites zurechtzufinden.<br />
DIE BEZIEHUNG MENSCH UND MASCHINE. Die Wurzeln<br />
dieser benutzerfreundlichen Tendenzen liegen aber viel tiefer<br />
und stammen aus einer Zeit, in der man von Computern und<br />
Websites noch nichts wusste. In den Anfängen des letzten<br />
16<br />
Jahrhunderts wurden erste Maßnahmen zum Arbeitsschutz<br />
unternommen. Diese frühe ergonomische Arbeitsplatzgestaltung<br />
war zunächst weniger aus Freundlichkeit gegenüber<br />
den Menschen entwickelt worden, sondern aus wirtschaftlichen<br />
Gründen. Die Arbeiter in Fabriken und Werken<br />
litten in Zeiten der Industrialisierung zunehmend an körperlichen<br />
Leiden und konnten nicht das Optimum an Leistung<br />
bringen. Durch die Einführung von ergonomischen Maßnahmen<br />
kam es zu einer Verbesserung der Schnittstelle<br />
zwischen Mensch und Maschine beziehungsweise Benutzer<br />
und Objekt.<br />
Ziel der Ergonomie ist es also, handhabbare und komfortabel<br />
zu benutzende Produkte herzustellen, wobei heute oft<br />
fälschlicherweise von ergonomischen Gegenständen gesprochen<br />
wird, zum Beispiel ergonomische Tastatur, ergonomischer<br />
Arbeitsplatz – es gibt aber nur ergonomische Systeme,<br />
bestehend aus Menschen und ihrer Umwelt.<br />
Usability hat eine entsprechend kürzere Historie, da sie mit<br />
dem verbreiteten Aufkommen von Computersystemen<br />
zusammenhängt. Während der rasch fortschreitenden technologischen<br />
Entwicklung am Computersektor wurde klar,<br />
dass auch in dieser Sparte die ergonomischen Richtlinien<br />
Platz finden müssen. Hinter Usability steckt allerdings mehr<br />
als nur die „menschengerechte“ Gestaltung von Ein- und<br />
Ausgabegeräten, denn sie berücksichtigt auch die kognitiven<br />
und wahrnehmungspsychologischen Fähigkeiten des<br />
Menschen. Im Bereich des Web-Designs bedeutet das, dass<br />
wir gewisse Dinge einfach schlecht wahrnehmen können,<br />
wie kleine gelbe Schrift auf weißem Hintergrund, oder dass