Topic 4 Verpackungsdesign für Schmuck, Susanne Lippitsch
DIE GESTALTUNG DER DINGE – UND DAS DRUMHERUM Der Begriff „Design“ hat in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts seinen Weg aus dem Englischen ins Deutsche gefunden. Er bezeichnet die Gestaltung von Gegenständen aller Art nach den Kriterien von Funktionalität – bestes Beispiel ist die Ergonomie eines Bürosessels – und Ästhetik. Selbst wenn der britische (Staubsauger-) Erfinder und Designer James Dyson sagt: „Für mich geht es beim Design darum, wie etwas funktioniert – nicht darum, wie es aussieht.“ Womit er die Funktionalität klar über die Ästhetik stellt. Aber auch das Aussehen spielt eine Rolle, denn kaum jemand würde behaupten, Dysons Geräte, etwa sein Akkusauger „Dyson Root 6“, der irgendwie an einen Schlagbohrer erinnert, wären eine Beleidigung für das Auge. L’ART POUR L’ART. Dennoch spricht der Brite hier ein kaum bestrittenes Design-Dogma an: das viel zitierte „form follows function“. Dieser Gestaltungsleitsatz postuliert, dass sich die Form eines Gegenstands aus seiner Funktion, das heißt dem Nutzzweck ableiten soll. James Dyson stellt fest: „Wirkliche Schönheit kann man nur erreichen, wenn man stets die Funktion des Objekts in den Vordergrund stellt.“ Es soll letztendlich sichergestellt werden, dass bei noch so kunstvollem Design die Benutzbarkeit – oder Neu-Deutsch: die „Usability“ – nicht verloren geht. Denn was nützt der am aufwändigsten gestaltete Kaffee-Automat, wenn für den User nicht auf Anhieb klar ist, welchen Knopf er drücken muss, um zu seinem Capuccino zu gelangen. Und hier kommt man zwangsläufig zum wichtigsten Unterscheidungsmerkmal zwischen Kunst und Design, das wiederum im Bonmot „l’art pour l’art“ einen treffenden Ausdruck findet: „Die Kunst um der Kunst willen“. Damit ist gemeint, dass die Kunst sich selbst genügt und somit keines Zweckes bedarf – im Gegensatz zum Design. Dennoch: Auch hier sind die Grenzen fließend. Design ohne künstlerische Impulse erscheint oft wenig reizvoll. KUNST TRIFFT INDUSTRIE. Im heutigen Sinn ist Design fast immer Industriedesign, dessen Geschichte mit der Moderne beginnt. „Kunst und Technik – eine Einheit“ heißt es etwa 1919, als Walter Gropius das Bauhaus in Weimar gründet. Design wird zum Programm. Nicht mehr die individuelle Topic Design ist überall. Schon der Begriff wird inflationär gebraucht und hat einen Fixplatz, nicht nur in der Sprache des Marketing. Auch sonst sind wir von Design geradezu umzingelt. Manchmal fällt es auf, weil der Anblick eines Gegenstandes ein gutes Gefühl auslöst oder weil etwas unglaublich hässlich ist. Oftmals wird es gar nicht mehr wahrgenommen. Aber es ist einfach da – Design. Was heißt eigentlich „Design“? Jenes Wörtchen, das so gerne als Attribut für mittlerweile alles Mögliche herangezogen wird – meist um das Beworbene etwas interessanter zu machen. Kunstfertigkeit einzelner Handwerker ist für das Aussehen eines Gegenstandes verantwortlich, sondern eine gestalterische Intelligenz, die neben Schönheit und Funktion auch den Prozess der massenhaften Reproduzierbarkeit im Auge behält. Mit industrieller Produktion und Standardisierung wird es möglich, sowohl den funktionalen als auch sozialen Ansprüchen vieler Menschen gerecht zu werden. James Dysons Landsmann Stephen Bayley, er hat als Design Consultant globale Marken wie Absolut Vodka und Marks & Spencer beraten, drückt es folgendermaßen aus: „Design ist das, was geschieht, wenn Kunst auf Industrie trifft.“ In Hinblick auf die Marktchancen eines Produkts zielt der Designer daher auf eine optimale Verquickung von Ästhetik und Funktionalität. STILLE VERKÄUFER. In keinem anderen Bereich im weiten Feld der Gestaltung ist der Designer kommerziellen Zwängen mehr unterworfen als beim Verpackungsdesign, das Andrew Doyle – Geschäftsführer der englischen Brand- Identity-Agentur HMI – in einem Interview mit dem Magazin Rondo „als höchste Kunstform in der Designwelt“ bezeichnete. In keinem Bereich der Alltagskultur manifestieren sich industrieller Erfindergeist und wirtschaftliche Dynamik konkreter als hier. Erst die verpackte Ware wird zum eigentlichen Medium zwischen Produzent und Konsument. Verpackungen sind deshalb so etwas wie ein Spiegel der Konsumgesellschaft. „Eine gute Verpackung erfüllt viele Funktionen“, erklärt Designerin Susanne Lippitsch, „sie schützt vor Manipulation, vor äußeren Einflüssen, sie erleichtert den Transport, die Lagerung. Und was besonders wichtig ist: Sie kommuniziert.“ Das ist es, worauf es schließlich ankommt: „Eine Verpackung muss Emotionen auslösen und sollte im Gebrauch funktionieren.“ Ohne Erklärung und auf Anhieb. All die bunten Sackerln, Schachteln, Dosen und Packerln sind somit ein wichtiges Element des Produkts, das an den Kunden gebracht werden soll. Lippitsch, die an der FH Joanneum in Graz Package Design lehrt, drückt es so aus: „Das Ins-Auge-Stechen, das Für-sich-Sprechen ist sicher am wichtigsten, weil die Verpackung der stille Verkäufer ist.“ Fortsetzung auf Seite 6 5