Bau Fit Report 38 - AUVA
Bau Fit Report 38 - AUVA
Bau Fit Report 38 - AUVA
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REPORT<br />
BAU fit<br />
Beratungs- und Trainingsprogramme<br />
für <strong>Bau</strong>firmen<br />
<strong>AUVA</strong>-Projekt 1999 - 2000<br />
Endbericht<br />
Nummer <strong>38</strong><br />
Allgemeine Unfallversicherungsanstalt
BAUfit<br />
Beratungs- und Trainingsprogramme für<br />
<strong>Bau</strong>firmen<br />
E n d b e r i c h t<br />
Ein Projekt der <strong>AUVA</strong> 1999 – 2000
I n s t i t u t i o n e n ,A u t o ren und Mitarbeiter<br />
<strong>AUVA</strong>, Wien: DI Erich Bata, Dr. Michael Nikl • Mag. Johann Beran, Klinischer Psychologe & Arbeitspsychologe,<br />
Wien • IBO GmbH, Wien: DI Dr. Bernhard Lipp, DI Dr. Gabriele Rohregger • Institut für Nichtinvasive<br />
Diagnostik, Joanneum Research, Weiz, mit Institut für Physiologie, Karl Franzens-Universität Graz:<br />
Vincent Grote, Matthias Frühwirth, DI Helmut Lackner, Univ. Prof. Dr. Maximilian Moser, Dr. Franziska<br />
Muhry, DI Bernhard Puswald, Ilona Semler • Institut für Psychologie, Karl Franzens-Universität Graz, mit<br />
Institut für Begleitforschung, Würzburg: Dipl.-Psych. A. Dittmann, Heidelinde Hahn, Prof. Dr. Wolfgang<br />
Kallus, Hubert Langmann • Fanny Kneucker, Eurythmy for Business, Forest Row, East Sussex, UK • Georg<br />
Mikesch, Trainer, Wien • Jürgen Seifried, Trainer, Graz • Dr. Tobias Waltjen, Dienstleistungen für Interdisziplinäre<br />
Forschung, Wien • Wellcon Arbeitsmedizin GmbH, Wien: Dr. Paul Scheibenpflug
I n h a l t s v e rz e i c h n i s S e i t e<br />
Kurzfassung / Einführung 3<br />
B e r a t u n g s ko n z e p t 1 1<br />
M a g . Johann Bera n<br />
Konzept der Bewegungsprogramme 1 9<br />
D r. Paul Scheibenpflug<br />
H e r z - K r e i s l a u f - Koordinationstraining 4 5<br />
D i p l . E u r. Fanny Kneucke r<br />
Stress am <strong>Bau</strong> – am Herzschlag sichtbar gemacht 5 5<br />
U n i v. P r o f. D r. Maximilian Moser & MitarbeiterInnen<br />
Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 7 1<br />
DI Dr. Bernhard Lipp / DI Dr. Gabriele Rohregger<br />
Stressprävention für <strong>Bau</strong>arbeiter: Psychologische Begleitforschung 9 3<br />
P r o f. D r. Wolfgang Kallus & MitarbeiterInnen<br />
T ä t i g keitsbericht der Projektleitung oder Geschichte der Entscheidungen 1 3 1<br />
D r. Tobias Wa l t j e n<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungs- und Trainingsprogramme für <strong>Bau</strong>firmen 3
K u rz f a s s u n g<br />
Das BAUfit-Projekt hat Beratungs- und Trainingsprogramme für <strong>Bau</strong>firmen entwickelt, die sich bewährt<br />
haben.<br />
Zeitlich und systematisch am Beginn stehen eine persönlichen Beratung und ein tiefgehendes Coaching<br />
für Führungskräfte, an das sich ein Kommunikationstraining und schließlich eine Organisationsberatung<br />
anschließen.<br />
Darauf folgen drei Trainingsprogramme, die sowohl für die <strong>Bau</strong>stelle als auch für Büroarbeitsplätze geeignet<br />
sind.<br />
• Das Programm Körpergerecht Arbeiten greift die Bewegungsabläufe der täglichen Arbeit auf<br />
und leitet zu Verbesserungen an.<br />
• Das Programm Ausgleichsübungen gleicht jene unvermeidlichen Bewegungsabläufe aus, die sich<br />
nicht verbessern oder vermeiden lassen. Die Übungen regen dazu an, die eigene Befindlichkeit<br />
w a h rzunehmen. Sie fungieren auch nach dem Ende des Programms als „persönliche<br />
Hausapotheke“, die die Teilnehmer selbstverantwortlich weiter nutzen können.<br />
• Das Programm Eurythmie vermittelt ein nonverbales, kinetisches Erlebnis des eigenen<br />
Zusammenwirkens mit einer Gruppe von Kollegen.<br />
Das BAUfit-Projekt hat seine Tätigkeit vielseitig evaluiert: die Liste der Methoden umfasst<br />
• die arbeitsmedizinische Eingangs- und Ausgangsuntersuchung<br />
• die „Bewegungsstraße“ zur Evaluation der Bewegungsmuster vor und nach dem Programm<br />
Körpergerecht Arbeiten<br />
• die Charakterisierung von Stresszuständen durch EKG-Messungen mit dem „Heartman“ und<br />
A u s w e rtung nach der Methode des Autonomen Bildes sowie mittels nichtlineare r<br />
Zeitreihenanalyse<br />
• die Erfassung von Stresszuständen durch fragebogengestützte psychologische Verfahren<br />
• die psychologischen Arbeitsanalysen nach dem Verfahren „REBA_AS“<br />
Alle Verfahren haben sich als geeignet und ausbaubar erwiesen.<br />
Ein weiteres Hauptziel des Projekts wurde erreicht: ein Team, das gemeinsam Know-How erworben hat,<br />
steht bereit die begonnene Arbeit weiterzuführen.<br />
E i n f ü h ru n g<br />
<strong>Bau</strong>arbeiter gehören zu der am stärksten von Arbeitsunfällen betroffenen Bevölkerungsgruppe. Im BAUfit-Projekt<br />
wurde ein komplexes Interventions- und Messprogramm zur Senkung der Stressbelastung<br />
und der Unfallzahlen für <strong>Bau</strong>arbeiter entwickelt und direkt am Arbeitsplatz durchgeführt. An dem interdisziplinären<br />
Projekt arbeiteten Sport- und Kunsttherapeuten sowie Betriebsberater ebenso mit wie Arbeitsmediziner,<br />
Psychologen, Elektroniker, Statistiker und Physiologen. Das Projekt wurde von der <strong>AUVA</strong><br />
finanziert und stellt einen einzigartigen Versuch dar, ein komplexes Interventionsprogramm durch wissenschaftliche<br />
Messungen zu untermauern und zu begleiten. Dazu wurden miniaturisierte Messgeräte<br />
und modernste Elektronik verwendet, die zuvor noch nie unter den rauen Bedingungen einer <strong>Bau</strong>stelle<br />
eingesetzt worden waren. Im folgenden wird das Projekt kurz dargestellt.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungs- und Trainingsprogramme für <strong>Bau</strong>firmen 5
6<br />
H i n t e rg ru n d<br />
„Die <strong>Bau</strong>arbeiter in Österreich sind jene Beru f s g ruppen, die der höchsten Unfallgefährdung ausgesetzt<br />
sind, was die Unfallstatistik mit jährlich rund 600.000 Krankenstandstagen belegt. Das durc h s c h n i t t l i c h e<br />
Pensionsalter von <strong>Bau</strong>arbeitern liegt bei 57 Jahren, wobei rund 60 Prozent der <strong>Bau</strong>arbeiter in die Invaliditätspension<br />
gehen müssen. Die Hauptursachen sind die Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates,<br />
H e rz - K reislauferkrankungen, Hautschäden, Stress, Lärm und die oft zu schweren <strong>Bau</strong>stoffgewichte.“ (P.<br />
Moser et al., 1999).<br />
Jüngste Studien haben gezeigt, dass Stress einen mindestens ebenso hohen Risikofaktor bei der Genese<br />
von Schäden darstellt, wie die Schwere der Lasten oder die Art des Hebens, weil Stress das Koord i n a t i o n sv<br />
e rmögen massiv beeinträchtigt. (Bongers, de Wi n t e r, Kompier, & Hildebrandt, 1993; Holmström, 1992)<br />
Stress, Über- und Fehlbeanspruchungen stellen multikausale Prozesse dar, die durch isolierte Maßnahmen<br />
nicht oder nur kurzfristig positiv beeinflusst werden können.<br />
Das BAUfit-Projekt verwendete daher einen interdisziplinären ganzheitlichen Ansatz.<br />
Z i e l<br />
Das Projekt hatte zum Ziel, ein Programm auszuarbeiten und wissenschaftlich abzusichern, das die Unfallshäufigkeit<br />
und das Auftreten von Über- und Fehlbeanspruchung bei <strong>Bau</strong>arbeiten vermindert.<br />
M e t h o d e n<br />
1. Führungs- und Kommunikationstraining<br />
Abb. 1: <strong>Bau</strong>arbeiter auf einer Grazer <strong>Bau</strong>stelle. An der Brust sind die Elektroden befestigt, mit<br />
denen das EKG während der Arbeit abgeleitet wurde. Später wurde ein BAUfit-Leibchen entwikkelt,das<br />
es erlaubte, die Kabel ohne Verwicklungsgefahr zu tragen (Foto:Gubisch).<br />
Psychologische Trainingsmethoden, die der Firmenleitung und den Polieren angeboten wurden, schaffen<br />
ein geändertes Betriebsklima. Dies wirkt auf die organisatorischen Ursachen von Stress zurück.<br />
2. Bewegungstraining<br />
Einfach erlern b a re Übungsprogramme (Körperg e rechtes Arbeiten, Ausgleichstraining und Stre s s a b b a u übungen)<br />
und Bewegungstipps, die auf die realen Bewegungsabläufe auf der <strong>Bau</strong>stelle eingehen, helfen,<br />
s i c h e rheits- und gesundheitsgefährdende Fehl- und Überbeanspruchungen zu vermeiden. Über die Them<br />
a t i s i e rung von Bewegungsqualität bei der Arbeit wird das Körper- und Gefahrenbewusstsein geförd e rt.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungs- und Trainingsprogramme für <strong>Bau</strong>firmen
Abb. 2:Ausgleichsübungen wurden meist vor der Pause durchgeführt.Auch<br />
hier ist die soziale Komponente wichtig,wenn der Polier mit seinen Arbeiter<br />
„Hackl zieht“.(Foto: Scheibenpflug)<br />
3 . H e r z - K re i s l a u f - Ko o rdinationsübungen (Eurythmie)<br />
Eurythmische Gruppenübungen, welche die körperliche und psychische Selbstwahrnehmung und<br />
gleichzeitig die Wahrnehmung der Anderen in der Gruppe stärken, wurden mit den <strong>Bau</strong>arbeitern geübt.<br />
Damit kann das soziale Verhalten auf einer tiefliegenden nonverbalen Ebene geschult werden und<br />
Stress, der aus der sozialen Interaktion der Gruppe resultiert, beeinflusst werden. Auf physiologischer<br />
Ebene spiegeln sich diese Effekte in einer Verbesserung der Herz-Kreislauf-Koordination wieder, die<br />
durch die physiologische Begleitforschung im Rahmen des Projekts laufend ermittelt wurde. Wie die<br />
Chronobiologie gezeigt hat, erzeugt der Organismus Rhythmen, die der Erholung dienen. Diese Rhythmen<br />
werden durch bestimmte Bewegungs- und Atemmuster, wie sie in der Eurythmie oder in der<br />
Sprachtherapie vorkommen, verstärkt und gefördert (Bonin, Frühwirth, Heusser, & Moser, 2001; Rheingans,<br />
1983).<br />
Abb. 3:Eurythmie - eine der Interventionen,die einerseits durch Vorgabe von<br />
Rhythmen auf das Kreislaufsystem abzielt,andererseits durch spielerische<br />
Interaktionen das Zusammenarbeiten der Gruppe fördern soll.(Foto:<br />
Scheibenpflug)<br />
4 . Physiologische Begleitforschung und Evaluation<br />
Ein miniaturisiertes Gerät, der „HeartMan“, diente zur Überwachung von Herz-Kreislauf-Parametern.<br />
Die Auswertungsmethoden wurden zum Teil im Rahmen des österreichischen Weltraumprojekts Austromir<br />
entwickelt und erfolgreich in zahlreichen Weltraummissionen eingesetzt. Die Auswertung der Herzratenvariabilität<br />
mit modernen Signalanalyseverfahren ermöglicht Einblicke in den Zustand des vegetativen<br />
Nervensystems und erfasst Stresszustände an ihrer physiologischen Basis.<br />
In der BAUfit-Studie wurde eine Bestandsaufnahme der koordinativen Funktionen im Kreislauf bei <strong>Bau</strong>arbeitern<br />
durchgeführt und die Auswirkung eines integrierten Erholungsprogrammes auf wesentliche<br />
Körperfunktionen untersucht. Moderne Forschungsergebnisse der Chronomedizin und Chronodiagnostik<br />
im Bereich biologischer Rhythmen wurden angewendet und umgesetzt.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungs- und Trainingsprogramme für <strong>Bau</strong>firmen 7
5 . Psychologische Begleitforschung und Evaluation<br />
Die psychologische Analyse der Arbeitsbedingungen und die Analyse der Effekte der geplanten Trainingsmaßnahmen<br />
auf den Beanspruchungszustand der Arbeitenden, die Arbeitstätigkeit und den Arbeitsablauf,<br />
das Erholungsverhalten sowie die Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit waren<br />
Gegenstand der psychologischen Begleitforschung.<br />
8<br />
Abb. 4: Übersicht über das komplexe Mess- und Interventionsprogramm des BAUfit-Projektes. Die Interventionen wurden in drei Blöcke zu je 4<br />
Wochen gegliedert, unterbrochen von je einer Zwischenwoche. Während in den ersten beiden Blöcken die Arbeiter zu verschiedenen<br />
Interventionstypen eingeteilt wurden, war ihnen die Wahl für den dritten Block freigestellt.Die sechswöchige Nachbeobachtungsphase diente der<br />
Beurteilung der Nachhaltigkeit möglicher Interventionswirkungen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungs- und Trainingsprogramme für <strong>Bau</strong>firmen
Die unmittelbaren Auswirkungen von BAUfit auf Unfallszahlen und Krankenstände<br />
Die Auswirkungen des multidisziplinären Projektes fanden in wesentlichen Parametern wie der Unfallhäufigkeit<br />
auf den betreuten <strong>Bau</strong>stellen oder in der Krankenstandsdauer ihren Niederschlag. Die Unfallszahlen<br />
fielen gleich vom Projektbeginn vom langjährigen Durchschnitt von 5% pro Quartal auf 0%!<br />
Abb. 5: Langjähriger Durchschnitt (links) und Unfallszahlen während des BAUfit-Projektes. Die Unfälle sanken mit<br />
Projektbeginn auf Null und blieben auch nach Projektende dort – ein Hinweis auf die Langzeitwirkung des Projekts!<br />
Aufgrund der statistischen Zahlen wären allein in den beiden beobachteten Quartalen etwa zehn meldepflichtige<br />
Unfälle auf den betreuten <strong>Bau</strong>stellen zu erwarten gewesen.<br />
Insgesamt kann gesagt werden, dass die <strong>Bau</strong>arbeiter an den physiologischen Messungen vorbildhaft<br />
teilgenommen haben. Dadurch wurden objektive Messungen von Belastung und Erholung am <strong>Bau</strong><br />
überhaupt erst möglich, und es konnte ein einzigartiges Projekt, an dem eine Versicherungsanstalt (AU-<br />
VA) ebenso aktiv mitwirkte wie <strong>Bau</strong>handwerker, Mediziner, Sportwissenschaftler, Kunsttherapeuten,<br />
Psychologen und Physiologen, erfolgreich durchgeführt und aus der Wissenschaft Gewinn für die Praxis<br />
gezogen werden.<br />
Abb. 6:Krankenstandszahlen der <strong>Bau</strong>firma vor, während und nach dem BAUfit-Projekt.Die Krankenstände gingen deutlich<br />
zurück.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungs- und Trainingsprogramme für <strong>Bau</strong>firmen 9
10<br />
D u rc h f ü h ru n g<br />
Das Projekt BAUfit wurde von Juli bis November 2000 durchgeführt. 27 <strong>Bau</strong>arbeiter und 11 Angestellte<br />
der Zentrale der Fa. Universale <strong>Bau</strong>, Graz, nahmen daran teil.<br />
D a n k s a g u n g<br />
Wir danken den Mitarbeitern der Fa. Universale<strong>Bau</strong> für die tatkräftige und sorgfältige Mitarbeit bei allen<br />
Messungen und beim Ausfüllen der Fragebögen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungs- und Trainingsprogramme für <strong>Bau</strong>firmen
Beratungskonzept<br />
Mag. Johann Beran<br />
Klinischer Psychologe & Arbeitspsychologe, Wien<br />
Beratungskonzept für Leitung und Ve rw a l t u n g<br />
Einleitung<br />
In Österreich stehen zwischen 28,5% und 36,6% der Berufstätigen unter Stress.<br />
Die längere Einwirkung von Stress auf Menschen bewirkt eine wissenschaftlich gesicherte Kettenreaktion:<br />
Stress -- depressive Verstimmung -- Angststörungen -- Depressionen -- Denkstörungen -- somatische<br />
Erkrankungen (Schlafstörungen nehmen stark zu, Herz- Kreislauferkrankungen sind im Steigen, Erkrankungen<br />
des Gelenks- und Stützapparates stehen an 1. Stelle der Erkrankungen in Österreich). All<br />
diese Zustände sind selbstverständlich von stetigem Leistungsabfall begleitet, in ungünstigen Fällen begleitet<br />
von burn out und verschärft durch fehlgeleitete Selbstbehandlungsversuche wie Alkoholund/oder<br />
Medikamentenmissbrauch.<br />
Ausgangslage für ein Beratungskonzept bei <strong>Bau</strong>firmen ist die Tatsache, dass Stress ursächlich und zeitlich<br />
im Bereich Management und Verwaltung beginnt und auch vermehrt dort zu finden ist, mehr jedenfalls<br />
als bei den Mitarbeitern auf den <strong>Bau</strong>stellen. Dies hängt mit den unterschiedlichen Aufgaben zusammen.<br />
Aufgabenklarheit und Zielerreichung sind auf der <strong>Bau</strong>stelle klar und für alle Beteiligten leicht und einfach<br />
nachvollziehbar und überprüfbar. Teamarbeit und funktionierende interne Kommunikation sind daher<br />
physische und psychische Überlebensfragen.<br />
Allerdings wirken Zeitdruck, schlechte oder ungenaue Planung, Wetterbedingungen, Lieferverzögerungen<br />
und Mängel bei unterschiedlichen Ressourcen auf Mitarbeiter der <strong>Bau</strong>stellen genauso als Stressoren,<br />
wie auf Mitarbeiter von Leitung und Verwaltung.<br />
Dazu kommen noch all die Faktoren, die emotionale, psychische Befindlichkeiten von Menschen betreffen<br />
und beeinflussen, wie individuelle und interindividuelle Stimmungslagen, Konflikte, unterschiedliche<br />
Interessen, nicht adäquate Mitarbeiterführung und viele mehr.<br />
Im Leitungs- und Verwaltungsbereich ist die Palette der möglichen Stressoren ungleich größer. Hier sind<br />
Bedingungen und Zusammenhänge für den einzelnen Mitarbeiter nie so klar und deutlich zu sehen oder<br />
zu spüren wie auf einer <strong>Bau</strong>stelle oder in der Produktion.<br />
Restrukturierungen und Übernahmen hinterlassen nur zu oft verunsicherte Mitarbeiter in den einzelnen<br />
Organisationseinheiten, weil die Organisationsentwicklung den realen Geschehen hinterherläuft, oder<br />
gar nicht vorhanden ist.<br />
Organisationsentwicklung und Personalentwicklung werden in vielen Organisationen noch immer viel<br />
zu wenig beachtet oder recht oft mit „nachvollziehender Verwaltung von Mitarbeitern“ verwechselt.<br />
Prozessmanagement (speziell im HR-Management) ist so gut wie nicht vorhanden.<br />
Das positive Zusammenspiel von Arbeitspsychologie, Arbeitsmedizin, Sicherheitsbeauftragten und anderen<br />
Fachgruppen ist kaum bekannt und wird jedenfalls selten beauftragt.<br />
Unkontrollierter Wildwuchs zwischenmenschlicher Arbeitsbeziehungen in und zwischen allen Hierarchien,<br />
wildgewachsene und ungeordnete Organisations- und Personalentwicklung werden nicht einmal<br />
registriert.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungskonzept 11
12<br />
Zeitdruck, Gewinnmaximierung, Shareholders Value, Marktdruck, Globalisierung, Konkurrenzkampf,<br />
Überlebenskampf sind Schlagworte einer entmenschten, de-sozialisierten Wirtschaft, die den Wert des<br />
Human Capitals immer noch negiert oder ausschließlich als Kostenfaktor interpretiert.<br />
Leistungsverluste durch Burn-out, steigende Krankenstände, steigende Mitarbeiterfluktuation, Mobbing,<br />
höhere Unfallhäufigkeit sowie vermehrte White Collar Crimes sind die Antwort auf diese Miß-Management-Strategien.<br />
Übliche Reaktionen auf diese Zustandsbilder sind verstärkte Kontrolle und erhöhter Druck.<br />
Effekt: das Rad dreht sich noch schneller in seiner Negativspirale.<br />
Diagnose und Analyse folgender Bereiche<br />
• Untersuchung und Rückmeldung von Arbeits- und Organisationsstrukturen.<br />
• Untersuchung der Internen Kommunikation. Beratung zu Verbesserungen.<br />
• Analyse der Arbeitsabläufe und Zeitgestaltung.<br />
• Analyse der psychosozialen Verträglichkeit der Arbeitsbedingungen.<br />
• Arbeitspsychologische Evaluation der Arbeitsplätze.<br />
• Ermittlung und Analyse von Stressoren aus der Arbeit, den Arbeitsbedingungen, den zwischenmenschlichen<br />
Bedingungen und dem Privatleben mittels geeigneter Messinstru m e n t e<br />
(Fragebögen, Heartman, Interviews, etc.).<br />
• Analyse des individuellen beruflichen und privaten Stressverhaltens.<br />
• Analyse der Organisationskultur (auch Stressverhalten der Organisation).<br />
• Ausarbeiten von Ergebnissen der Analysen und Interpretation der Daten.<br />
Wi c h t i g :<br />
Alle Erhebungen und Auswertungen unterliegen der strengsten Schweigepflicht. Jede Interpretation der<br />
Daten die Organisation oder ihre Einheiten betreffend kann nur anonymisiert und zusammengefasst erfolgen.<br />
Sowohl Anamnesen als auch Auswertungen und Interventionen bei den Mitarbeitern werden streng<br />
vertraulich behandelt. Nur mit schriftlichem Einverständnis werden nicht anonymisierte Daten offen behandelt.<br />
Ausgangsbedingungen und Diagnose<br />
Situation der teilnehmenden Firma (Beran)<br />
Eine erste Diagnose und Analyse der Organisationsstruktur und deren Einfluss auf Stress bei den Mitarbeitern<br />
zeigte die negativen Folgen von jahrelanger, unkontrollierter Organisationsentwicklung.<br />
Die Regionalgruppe Steiermark war innerhalb von 10 Jahren durch fünfmaligen Wechsel der Person des<br />
Leiters sehr unterschiedlichen Führungsstilen unterworfen.<br />
Diese Führungsstile waren weder mit den Zielen der Gesamtorganisation abgestimmt -(weil diese bis<br />
heute nicht klar definiert sind)-, noch in irgendeiner Art aufeinander aufbauend gehalten.<br />
Jeder Leiter versuchte die Organisation innerhalb kürzester Zeit in seinem Sinn umzustrukturieren, beziehungsweise<br />
ausschließlich eigene Ideen zur Veränderung der Organisation raschest durchzusetzen.<br />
So ergab sich keinerlei Kontinuität in der Organisationsentwicklung, unterschiedliche, oft unbekannte<br />
Werte und Ziele wechselten unabgesprochen, überfallsartig, ohne Mitarbeiterbeteiligung und lediglich<br />
repressiv durchgesetzt.<br />
Diese Vorgangsweise hat zu einer Verunsicherung bei Mitarbeitern und zu erheblichen negativen Veränderungen<br />
der Zusammenarbeit geführt.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungskonzept
So kannten die Mitarbeiter nur von unmittelbar in gemeinsame Arbeitsprozesse eingebundenen Mitkollegen<br />
Arbeitsgebiet und Umfang, sowie Belastung der jeweiligen Tätigkeiten. Die Kontakte zu Mitarbeitern<br />
anderer, aber direkt benachbarter Abteilungen fanden so gut wie nicht statt. Dabei handelt es sich<br />
um eine eher kleine und gut überschaubare Zahl von Mitarbeitern (etwa 20 Personen) im Verwaltungsgebäude.<br />
Die finanzielle Situation der Universale Graz hat sich seit dem Beginn der Übernahme der Leitungsfunktion<br />
durch den jetzigen Leiter soweit verbessert, dass erstmals ausgeglichen bis positiv bilanziert werden<br />
kann. Bis dahin und auch durch eine zu Lasten der steirischen Unternehmung gehenden Trennung von<br />
der Regionalstelle Kärnten, waren die Auftrags- und Gewinnlage negativ. Dies wiederum hat zu einem<br />
permanent steigendem Erfolgsdruck durch die Wiener Hauptverwaltung geführt und ist in negativer<br />
Auswirkung auf die Mitarbeitersituation bemerkbar.<br />
Zeit und personelle Ressourcen waren, da Kostenfaktoren, außerordentlich knapp bemessen, was<br />
schließlich bemerkbar zu einem ständigen Auseinanderdriften der persönlichen Kontakte geführt hat.<br />
Die negativen Auswirkungen auf die Stimmungslage der Mitarbeiter wurden durch hauptsächlich unklare<br />
und inoffizielle Informationsweitergabe verstärkt. Da die interne Kommunikation nur mehr in der<br />
Weitergabe von Arbeit oder aus Arbeitsanweisungen bestand, ersetzten Unklarheiten, Phantasien, Vermutungen<br />
und Gerüchte die Interne Kommunikation und auch folgend waren unterschwellige Konflikte<br />
bis hin zu Mobbing - Attacken zu beobachten.<br />
Dieser Zustand wurde und wird durch einen bewusst eingesetzten repressiven Führungsstil von der Konzernmutter<br />
in Richtung Graz immer wieder verstärkt. Auch wenn sich der Leiter selbst bemühte, ein<br />
Gegengewicht zu bilden und den Druck auf die Mitarbeiter abzuschwächen, waren weder er selbst,<br />
noch seine Mitarbeiter unbeeinflusst von der Intensität des stetig steigenden Drucks.<br />
Auswirkungen waren sicht- und messbare Belastungen von Leitung und Mitarbeitern. Die Erschöpfung<br />
der Belegschaft führte dazu, dass notwendige Veränderungen überhaupt nicht umgesetzt werden<br />
konnten, da diese einen eindeutigen Mehraufwand an Kraft für die Mitarbeiter bedeutet hätten. Genau<br />
diese Kraft war aber auf Grund fehlender Ressourcen nicht verfügbar. Den täglichen Anforderungen zu<br />
entsprechen, war bereits Belastung genug.<br />
Die Anamnese der speziellen psychischen Situation der Mitarbeiter zeigte bereits fortgeschrittene negative<br />
Beeinflussungen der Befindlichkeiten. Schlafstörungen, Angststörungen, depressive Verstimmungen<br />
und somatoforme Erkrankungen konnten psychologisch und medizinisch erhoben werden.<br />
B e reits die ersten verw e rt b a ren Messdaten durch Heartman und autonomes Bild zeigten die überaus hohe<br />
Belastung von einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Eine später erfolgte Zusammenfassung<br />
der Daten von zusammenwirkenden Personengruppen bestätigte den ersten Eindruck einer massiven Reduktion<br />
der Leistungsfähigkeit und einer sich daraus noch verstärkenden Belastung einzelner Mitarbeiter.<br />
Die arbeitspsychologischen Untersuchungen ergaben:<br />
• das Fehlen von interner Kommunikation.<br />
Die Mitarbeiter kamen morgens an ihren persönlichen Arbeitsplatz im Raum ihrer Abteilung und<br />
hatten fast nur mit den im Raum anwesenden Personen direkten Gesprächskontakt, mit anderen<br />
Personen im Haus teilweise überhaupt nicht, auch wenn deren Arbeitsräume im gleichen<br />
Stockwerk untergebracht waren. Eine spezielle Untersuchung über kommunikative- und Arbeits-<br />
Abläufe zeigte, dass von einigen Mitarbeitern sogar der tägliche Kontakt mit den Mitarbeiterinnen<br />
des Sekretariats nicht mehr bewusst wahrgenommen wurde und auch die Verrechnung<br />
und Gegenverrechnung von Kontaktnahmen im Haus zeigten sehr unterschiedliche Auffassungen<br />
über die Intensität von Kontakten bei immer wieder miteinander agierenden Personen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungskonzept 13
14<br />
• das Fehlen einer zentralen Plattform für wichtige Informationen sowohl intern als auch<br />
extern.<br />
So konnte das Sekretariat internen und externen (Kunden!) Anrufern nicht oder nur in wenigen<br />
Fällen mitteilen, wo sich bestimmte Mitarbeiter (<strong>Bau</strong>leiter, Oberbauleiter) aufhielten und für wie<br />
lange sie nicht erreichbar waren. Trotz eines bestehenden Intranets gabt es keine zentrale<br />
Terminverwaltung und viel Zeit wird mit der Suche nach Personen sowie mit nachträglicher<br />
Abstimmung von Terminen verbracht. Der Stellenwert des Sekretariats, das auch als Chefsekretariat<br />
und Erstanlaufstelle von externen Kontakten fungiert, wurde auch von der Leitung<br />
jahrelang völlig unterschätzt. Dass das Sekretariat auf Grund seiner Mehrfachfunktion eine wichtige<br />
Instanz und Drehscheibe mit starker Verteilerfunktion von sachlichen und emotionalen Informationen<br />
dient, war wenigen Mitarbeitern bewußt.<br />
• Das Fehlen von genauen Arbeitsplatzbeschreibungen, Tätigkeitsprofilen und persönlichen<br />
Entwicklungsplänen.<br />
Der organisatorische Wildwuchs der letzten Jahre, die unkontrollierte und eher zufällige Organisationsentwicklung<br />
durch eine Aneinanderreihung unterschiedlicher Führungsstile, die unterlassene<br />
Klärung von Organisationswerten und die Vernachlässigung von klaren und deutlichen<br />
Zielen, sowie die fortwährenden repressiven Steuerungen aus der Zentralverwaltung, haben die<br />
Organisation weit von modernen Methoden des Human Ressources Managements entfernt.<br />
Wissen über Bildungsstand und Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern war zufällig, ungeplant und<br />
selten mit der zukünftigen Entwicklung der Organisation und ihrer Aufgabenstellungen koordiniert.<br />
Weder Ausgangsbasis noch Entwicklungs- oder Ausbildungsschritte waren systematisch<br />
erfasst und wenn überhaupt dann unter totaler Vernachlässigung von Persönlichkeitsprofilen<br />
und/oder Persönlichkeitsentwicklung, Teamentwicklung, Time Management, Arbeitsprozessen,<br />
Zielentwicklung und modernen Management Methoden wie gezielter Mitarbeiterführung und -<br />
motivation.<br />
Akzeptanz, Polier, <strong>Bau</strong>arbeiter (Beran)<br />
• Die Gespräche mit den <strong>Bau</strong>arbeitern zeigten generell positive Erinnerungen an das Projekt,<br />
jedoch wurden einige Verbesserungswünsche an das Projektteam geäußert: So waren die<br />
Morgenmessungen über die Gesamtdauer des Projekts ein großer Störfaktor. Speziell an den<br />
Wochenenden wurde das Einhalten des Meßrhythmus als Stressor genannt.<br />
• Die Feedbacks der Auswertungen wären schon von Anfang an ein sinnvoller Motivator gewesen<br />
und alle Teilnehmer wären an Informationen ihren eigenen Gesundheitszustand betreffend, sehr<br />
interessiert gewesen.<br />
• Die persönliche Betreuung der <strong>Bau</strong>arbeiter war anfangs nicht ausreichend genug, es gab zu wenig<br />
Möglichkeit jemanden zur Beantwortung von Fragen zu direkt auf der <strong>Bau</strong>stelle zu erreichen.<br />
• Die Übungen und deren Umsetzung wurde generell als positiv gesehen, wenngleich die<br />
Sinnhaftigkeit der Eurhythmie nur von denen verstanden wurde, die damit auch befasst waren.<br />
Conclusio: mehr Information in Zukunft vor Ort.<br />
Die Poliere waren mit den Effekten sehr zufrieden, mehr allerdings damit, dass das Projekt die Erreichung<br />
der <strong>Bau</strong>ziele nicht wesentlich behindert hat.<br />
Die Arbeit mit dem Polier der Hauptbaustelle war hauptsächlich klinische Psychologie gewesen, um bereits<br />
aufgetretene Störungen durch Stress zu behandeln und waren positiv abgeschlossen worden.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungskonzept
Methodik und Arbeitspro g r a m m<br />
Beratungsprogramm<br />
A r b e i t s p s y c h o l o g i s c h e, u n t e r n e h m e n s b e ratende und klinisch psychologische Methoden:<br />
• Intensive Gespräche mit allen Mitarbeitern beginnend bei der Führung und dann mit allen<br />
Mitarbeitern von Führung und Verwaltung.<br />
• Belastungs- und Leistungsmessung von Personen und Abteilungen, mittels Heartman und<br />
rasches persönliches Feedback der ermittelten Daten. Interpretation und Planen von<br />
Interventionen im individuellen Bereich, sowie im organisatorischen Zusammenhang.<br />
• Kurze und begrenzte Supervisionen/Coachings der Mitarbeiter (Freiwilligkeit!), um berufliche<br />
und private Problemzonen zu klären und mit jede(m/r) Person Lösungsstrategien zu entwickeln.<br />
• Rascher Einsatz unterstützender Interventionen zum Stressabbau durch morg e n d l i c h e s<br />
Anturnen, Körper- und Mentalübungen im Tagesablauf, sowie den Einsatz von Eurythmie zum<br />
Tagesausklang.<br />
• Genaue Arbeitsplatzanalysen zum Erheben von möglichen Stressoren aus allen wirksamen (auch<br />
subjektiven) Bedingungen und Beratung zu Ve r b e s s e rungen inklusive erg o n o m i s c h e r<br />
Gesichtspunkte.<br />
• Job descriptions (Arbeits- und Arbeitsablaufbeschreibung) zur Erfassung des Ist-Zustands.<br />
• Beratung zum Verbessern von allgemeinen Personalentwicklungszielen- und persönlichen<br />
Weiterbildungsplänen.<br />
• Analyse der Zusammenarbeit durch Erstellen von Ablaufdiagrammen und Feedback sowie<br />
Beratung zu Verbesserungsstrategien.<br />
• Erheben und Sichtbarmachen von Arbeits-Beziehungsdiagrammen und direkte Feedbacks an die<br />
Leitung und bestimmte Mitarbeiter.<br />
• Sichtbar machen von Werte- und Zielsystemen bei Organisation und Mitarbeitern um die<br />
Reflexionsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhöhen, fördern oder zu unterstützen. Abstimmung dieser<br />
Systeme aufeinander wurde angeregt.<br />
• Beratungen zur Veränderung von Organisationsabläufen und Führungsverhalten.<br />
• Beratung zur Verbesserung der internen Kommunikation.<br />
• Beratung zum Aufbau einer zentralen Kalenderverwaltung für alle Mitarbeiter.<br />
• Ausarbeiten von anzupeilenden Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter und Planung von<br />
Organisationsentwicklungsschritten mit den dafür Verantwortlichen der Organisation.<br />
• Beratung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über geeignete Coping-strategien zur<br />
Vermeidung von Stressoren und Verringerung der Wirkung von Stress.<br />
• Beratung der Organisation zur Verbesserung von organisatorischen Gegebenheiten und betrieblichen<br />
Abläufen zur Stressreduktion.<br />
• Beratung der Organisation und der einzelnen Mitarbeiter zu Gestaltung aktiv nutzbarer Pausen<br />
zum Stressabbau<br />
• Beratung des Managements zur Ve r b e s s e rung der Internen Kommunikation und von<br />
Führungsstrategien.<br />
• Kurzberatung bei individuellen psychischen und psychosomatischen Belastungen.<br />
Die Reihenfolge ist variabel, bis auf die 3 folgenden Methodenschritte:<br />
• Die Gespräche mit der ersten und zweiten hierarchischen Ebene, zum Kennenlern e n ,<br />
Ve rtrauensaufbau und zu einer ersten Analyse von organisatorischen und individuellen<br />
Gegebenheiten.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungskonzept 15
16<br />
• Darauf aufbauend die Gestaltung der messbegleitenden Protokolle, je nach zu erhebenden<br />
Problemlagen zum genauen Screening.<br />
• Die Messungen und Auswertungen mitttels Heartman und autonomem Bild, zur schnellen<br />
Diagnose und direkten Feedbacks zur Führung des Unternehmens.<br />
Da es dringend notwendig war, Unterstützung des Gesamtprozesses durch die Leitung und führende<br />
Mitarbeiter des Unternehmens zu erwirken, hat sich diese Vorgangsweise als notwendig und sinnvoll<br />
zum Ziel führend gezeigt.<br />
Da Führungspersonen (und dies schließt Poliere mit ein) die Modelle sind, an denen sich die Mitarbeiter einer<br />
Organisationen in ihrem Ve rhalten und damit wohl auch in gelebtem Ve rhalten orientieren und Führungskräfte<br />
daher die Unternehmenskultur direkt prägen, bzw. vorgeben, war es notwendig gerade diese<br />
Personen zuerst zu messen und sie durch die rasche, genaue und auch klinisch gut fundierte Interpretation<br />
der Messergebnisse von der Sinnhaftigkeit von Messungen und Interventionen zu überz e u g e n .<br />
Das rasche Herstellen von angenehmen und tragfähigen sozialen Beziehungen zwischen Leitung und<br />
Arbeitspsychologen war damit Voraussetzung, Kontrollinstanz und Rückkoppelungsstrategie zur Unterstützung<br />
aller sonst in Messung und Interventionen tätigen und eingebundenen Kollegen.<br />
Das Spektrum der einzusetzenden Tätigkeiten der Arbeitspsychologie war sehr groß und umfasste zusätzlich<br />
und notwendigerweise auch Kenntnisse und Methoden der klinischen Psychologie.<br />
Die Auswirkungen von Stress liegen oft im klinischen Bereich (Schlafstörungen, Angststörungen und<br />
Depressionen können gut im autonomen Bild erfasst werden) und mußten während der arbeitspsychologischen<br />
Arbeit begleitend eingesetzt werden. Idealerweise wurden beide Tätigkeiten aus Vertrauensgründen<br />
(basierend auf vielen Erfahrungen) von ein und derselben Person durchgeführt.<br />
Dringend notwendig und sinnvoll war in all diesen Gegebenheiten die enge Zusammenarbeit mit dem<br />
vor Ort tätigen Arbeitsmediziner und dessen Arbeitsmedizinischem Zentrum. Diese Kontakte wurden<br />
sinnvollerweise bereits vor Beginn der Tätigkeit in der Organisation hergestellt.<br />
E rf a h rungen und Erg e b n i s s e<br />
Arbeiten mit dem Verwaltungspersonal<br />
Der wichtigste Teil der Arbeit mit dem Verwaltungspersonal war der Aufbau von Vertrauen, um guten<br />
Zugang zu den einzelnen Personen zu bekommen. Wie immer waren Skepsis und Ängste die Schwellen,<br />
die abgebaut werden mussten. Da die hauseigene Organisations-Kultur Gespräche nicht selbst unterstützte,<br />
war eine Unterstützung zum angenehm erlebten Gespräch notwendig. Dann allerdings öffnete<br />
sich eine Flut an Informationen, Wünschen, Beschwerden, Ängsten und Fragen.<br />
Dies erforderte viel Zeit und Anwesenheit vor Ort. Fast ein Teil der Belegschaft zu werden.<br />
Die Integration in die Organisation selbst war einfach und wurde auch vom Leiter der Einrichtung persönlich<br />
sehr unterstützt.<br />
Ratschläge und Verbesserungsvorschläge wurden gerne angenommen, auch wenn die notwendigen<br />
Veränderungen in Organisation und individuellem Verhalten nicht leicht umzusetzen waren. Allerdings<br />
ist dabei zu bedenken, dass es insgesamt nur dreißig Berater-Tage für gut 25 Personen waren und viele<br />
klinisch-psychologische Kurzinterventionen notwendig waren.<br />
Die Gestaltungen der Arbeitsplätze waren schlichtweg katastrophal, ergonomisches Wissen für Büround<br />
Bildschirmarbeitsplätze waren bis dahin schlichtweg unbekannt, ebenso das Wissen über die Schädigungen<br />
aus Fehlhaltungen und Fehlverhalten.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungskonzept
Manche Mitarbeiter befolgten die Verbesserungsvorschläge sofort, die Weiterführung wurde an den zuständigen<br />
Arbeitsmediziner weitergegeben.<br />
Die notwendigen Organisationsentwicklungsmassnahmen wurden mit dem Leiter, dessen Stellvertreter<br />
und dem Arbeitsmediziner in der Schlussbesprechung diskutiert und werden in zukünftige Entwikklungsmaßnahmen<br />
einfließen.<br />
Generell kann gesagt werden, dass der Prozentsatz der Akzeptanz bei den Mitarbeitern des Hauses<br />
recht hoch war und auch die Personen, die Anfänglich leichte Bedenken hatten, oder aus unterschiedlichen<br />
Ängsten heraus einer Zusammenarbeit auswichen, nach etwa der Hälfte der Projektdauer von<br />
selbst die Integration in die individuelle Beratung wünschten.<br />
Alle Mitarbeiter wollten genaue Feedbacks über ihren Messstatus und nahmen Auswertungen und Ergebnisse<br />
der Autonomen Bilder sehr wichtig.<br />
Die schnellen Feedbacks erleichterten die Beratertätigkeit enorm und waren die perfekten Türöffner zu<br />
den Befindlichkeiten der einzelnen Personen und ihrer Beziehungen zueinander.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Beratungskonzept 17
Konzept der Bewegungspro g r a m m e<br />
Dr. Paul Scheibenpflug<br />
Wellcon, Wien<br />
P ro b l e m a u f r i s s<br />
Hohe Zahl an MSD-Erkrankungen<br />
Die steigende Zahl der Arbeitnehmerinnen, die unter Muskel-Skelett-Erkrankungen leiden, erinnert in<br />
Europa und anderswo an eine wahre Epidemie. Gemeinsam mit Stress entwickeln sich Muskel-Skelett-<br />
Erkrankungen zu den häufigsten arbeitsbedingten Krankheiten. 1<br />
Gerade auf die <strong>Bau</strong>wirtschaft trifft diese Tendenz im verstärkten Maße zu. 2<br />
Es ist davon auszugehen, dass jene Krankenstände, die direkt mit MSD-Beschwerden in Zusammenhang<br />
gebracht werden, nur die Spitze eines Eisberges darstellen.<br />
Hohe Anforderungen unter Zeitdruck, eingeschränkte Handlungsspielräume, belastende Arbeitsbedingungen<br />
(z.B. hohe Temperatur, Lärm) und oft auch geringe Anerkennung und Kommunikation führen<br />
zu hohen Beanspruchungen und in Folge zu Fluktuation und Krankenständen.<br />
Bewegungsqualität – Körperbewusstsein – Sicherheit<br />
Es ist aus verschiedenen Gründen3 davon auszugehen, dass die Bewegungsqualität bei der Arbeit die<br />
Befindlichkeit bzw. das Auftreten von Beschwerden (von Verspannungen über Gelenksschmerzen bis zu<br />
Haltungsschäden) mit beeinflusst. Dabei hängt die Qualität der Arbeitsbewegung bzw. -haltung nicht<br />
nur von den jeweiligen Arbeitsbedingungen, sondern auch vom Körperbewusstsein des arbeitenden<br />
Menschen, seinen Bewegungsstereotypen und seiner psychischen und konditionellen Verfassung ab.<br />
Für gewöhnlich wird die Qualität der Arbeitsbewegung von den Beteiligten an der erfolgreichen Erledigung<br />
einzelner Arbeitsaufgaben gemessen. Mittel- und langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit<br />
und die Motivation werden nicht berücksichtigt.<br />
Die Leute am <strong>Bau</strong> sind geschickt, ihre Gleichgewichtsfähigkeiten sind überdurchschnittlich, aber das Zusammenspiel<br />
von Witterung, Zeitdruck, Unterlage, fehlenden Kompensationsmöglichkeiten (Seitstellschritt,<br />
Gewichtsverteilung, Anhalte- und Abstützmöglichkeiten) kann das Gleichgewichtsvermögen auf<br />
eine harte Probe stellen.<br />
Die verschiedenen Arbeitssituationen werden mit unterschiedlichem sensomotorischen Kontrollaufwand<br />
bewältigt. Dabei setzt die Kontrolle des Gleichgewichts Beweglichkeit voraus, vor allem die Fähigkeit,<br />
schwere Körperteile in eine Gegenposition zu verlagern. Präzisionsbewegungen mit hoher Haltearbeit<br />
im Rumpfbereich beeinträchtigen die Reaktionsmöglichkeiten, weil die entsprechende Muskulatur<br />
keinen Bereitschaftstonus hat.<br />
Jeder Mensch besitzt einen Pool an Handlungsalternativen, auf die er in einzelnen Situationen zurükkgreifen<br />
kann. Je größer dieser Pool ist, um so eher wird man eine situationsadäquate Handlungsalternative<br />
finden und auswählen können. Der Pool muss allerdings gewartet werden, d.h. man muss regelmäßig<br />
gefordert werden.<br />
1) Vgl. Facts 3 der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, S. 1,http://osha.eu.int<br />
2) MOSER, P. u.a. : Muß Arbeit die Gesundheit kosten.Wien 1999, S. 17<br />
3) Ungleiche Verteilung von Belastungen auf Gelenke, Bewegungsstereotype, Muskeldysbalancen,Muskeltonus, ....<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 19
20<br />
Schließlich spielt auch das Körpergefühl eine Schlüsselrolle für Sicherheit: Je feiner seine eigene Eigenwahrnehmungsfähigkeit<br />
ist, desto früher kann sich der <strong>Bau</strong>arbeiter aus der beanspruchenden Situation<br />
herausnehmen bzw. in Krisensituationen reagieren. Diese Eigenwahrnehmungsfähigkeit ist in Stresssituationen<br />
reduziert. 4<br />
Zielsetzungen und Ansätze<br />
Die Zielstellungen der „Bewegungsgruppe“ waren:<br />
• Bewegungsabläufe optimieren<br />
• Fehlerquellen ausfindig machen<br />
• Bewegungsqualität verbessern, damit bei gleicher Belastung weniger Beanspruchung auftreten<br />
ist<br />
Salutogenetischer Zugang<br />
• Gesundheit ist ein dynamischer Prozess, in dem mit Spannung unter Einsatz verschiedener<br />
Widerstandquellen5 mit der Beanspruchung konstruktiv umgegangen werden kann.<br />
• Das erfolgreiche Auseinandersetzen mit Problemen setzt Entwicklungsreize in Gang, die den als<br />
Vorbereitung für weitere Bewährungen nötig sind.<br />
• Dieses Prinzip, das weit über die physiologischen Aspekte6 hinausgeht, ist im Grunde ein handlungs-<br />
und erlebnisorientiertes:<br />
• <strong>Bau</strong>arbeiter, aber auch Arbeitgeber, müssen Strategien, gegen MSD-Gefährdungen in ihrer<br />
Arbeitswirklichkeit erproben und erleben können. Diese Begegnung bzw. Auseinandersetzung<br />
mit Strategien stärkt das Vertrauen, dass Beanspruchungen im Alltag verstehbar sind, dass man<br />
gegensteuern kann bzw. dass es sich auszahlt, eine – unbequeme, weil ungewohnte – Verhaltensänderung<br />
vorzunehmen.<br />
Der salutogenetische Ansatz ergänzt den beanspruchungstheoretischen<br />
Zugang (vgl. dort) insofern,<br />
als er Orientierung bietet, wie grundlegend<br />
methodisch vorgegangen werden soll. Erfahrungsmöglichkeiten<br />
müssen auch so inszeniert<br />
werden, dass die Eigeninitiative gestärkt werden<br />
kann.<br />
Aus beiden Zugängen resultiert die Forderung,<br />
Belastungen zu reduzieren, indem die Bedingungen<br />
optimiert werden.<br />
4) Die Reaktion wird inadäquater, die Intensität der Reaktion,z.B. Balancebewegungen,nicht mehr so fein steuerbar, möglicherweise werden sie auch<br />
später eingleitet.Je später aber der Körperschwerpunkt aber korrigiert wird,um so aufwendiger und schwieriger sind die Gegenmaßnahmen.<br />
5) Zu diesen Widerstandsquellen u.a.zählen<br />
• biologische (Erholungsfähigkeit,Muskelkorsett,Beweglichkeit,Kraft,Ausdauer)<br />
• psychische (Aufmerksamkeit,Arbeitsklima,Stress (Zeitdruck,Anerkennung)<br />
• kognitive (Wissen um Gefahren,Bewegungsbewusstheit)<br />
• soziale (Akzeptanz von Gesundheitsengagement,Anerkennung,...)<br />
• rechtliche (Arbeitnehmerschutzgesetz,Dienstrecht,..)<br />
5) V g l .R O U X - L A N G E , Gesetz der funktionellen A n p a s s u n g . Eine nahezu 100 Jahr alte Grundlage der Physiologie, mit deren Hilfe beispielweise auch der<br />
russische Trainingswissenschafter MATVEEV unter dem Begriff „Superkompensation“ das wesentliche Erfolgsmoment jeden Trainings beschrieben hatte.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
Beanspruchungstheoretischer Zugang<br />
Das beanspruchungstheoretische Modell folgt dem arbeitsmedizinischen Belastungs-Beanspruchungs-<br />
Konzept und begreift die aktuelle Kondition als momentanes Produkt aus Grundkondition und momentaner<br />
Verfassung. Das Produkt aus Fähigkeiten und Fertigkeiten bildet die Grundkondition.<br />
Die Grundkondition ist jene Kondition, die ein Mensch aufgrund seines Trainingszustandes hat. Zu den<br />
Fähigkeiten zählen Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination (z.B. Präzision, Gleichgewicht). Sie<br />
sind das notwendige Rüstzeug für die Fertigkeiten, wie Stehen, Hocken, Klettern bzw. speziell ausgebildete<br />
Fertigkeiten, wie Schweißen, Hämmern, Schrauben usw., also Bewegungseigenschaften, die auf<br />
die erworbene Erfahrung zurückgreifen.<br />
Die momentane Verfassung hängt davon ab, wie lange man bereits belastet wird und inwieweit Erholungsprozesse<br />
bereits abgeschlossen sind (was ja wiederum von der Fähigkeit zu Homöostase abhängt).<br />
Objektiv messbare Belastungen, die in ihrer Kombination eine höhere Gesamtwirkung aufweisen, rufen<br />
- individuell gefiltert durch die aktuelle Kondition – psychophysische Reaktionen des Organismus hervor.<br />
Beanspruchungen sind die individuellen<br />
Reaktionen des Organismus auf Belastungen.<br />
Entsprechend der verschiedenen<br />
Komponenten des Modells gibt es auch<br />
verschiedene Ansatzpunkte für Interventionen.<br />
Im Rahmen dieses Projekts wurde das<br />
Hauptaugenmerk auf die Verbesserung der<br />
Bewegungsqualität, als eine Ausprägung<br />
der Grundkondition, bzw. auf die momentane<br />
Verfassung gelegt. Begleitend dazu<br />
wurden auch Belastungen, die die momentane<br />
Verfassung beeinträchtigen können,<br />
wie Arbeitsabläufe, Arbeitsmittel und Arbeitsorganisation,<br />
ins Auge gefasst.<br />
Unberücksichtigt blieben mögliche<br />
Maßnahmen außerhalb des<br />
Betriebes, wie physiotherapeutische<br />
Betreuung.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 21
22<br />
B e i s p i e l : Schonhaltungen<br />
Im Gegensatz zu Entlastungsstellungen sind Schonhaltungen mehr oder weniger unbewusst eingenommene<br />
Positionen zur Entlastung beanspruchter Muskelgruppen. Allerdings gehen solche Schonhaltungen<br />
(z.B. Ausweichen in der Hüfte bei längerem Stehen, amuskulärer Stand) meistens Hand in Hand mit<br />
Mehrbelastungen passiver Strukturen, wie Bänder und Gelenke. Diese reagieren viel später mit Schmerz<br />
und dieser Umstand macht Schonhaltungen auch so attraktiv für körperlich beanspruchte Arbeitnehmer.<br />
In der Diktion unseres Modells gesprochen: Aus der Kombination von Expositionsdauer (repetitive<br />
Bewegungen beim Einschlichten), Restmüdigkeit (Tätigkeitswechsel aus belastungsähnlichen Arbeitsabläufen),<br />
schlechter Momentanverfassung (Schlafmangel, psychische Probleme, Schmerzen,...) und mangelnden<br />
konditionellen Fähigkeiten (Kraftniveau, Ausdauer, Beweglichkeit) entstehen Beanspruchungssituationen,<br />
die nur mehr mit die beanspruchte Muskulatur entlastenden Ausweichbewegungen bzw.<br />
–haltungen gemeistert werden können.<br />
9 Gedankenschritte<br />
1. Die Bewegungsqualität hängt wesentlich davon ab, in welcher aktuellen Kondition man sich<br />
befindet.<br />
2. Die aktuelle Kondition läßt unmittelbar verbessern durch Pausen oder Tätigkeitswechsel<br />
3. Der Erholungswert von Pausen hängt weniger von der Länge als von der Art der Gestaltung ab.<br />
4. Ökonomisches Arbeiten ist in der <strong>Bau</strong>wirtschaft ein Qualitätskriterium. 7 Die aktuelle Kondition<br />
hängt mittelbar auch wesentlich davon, wie ökonomisch gearbeitet wird.<br />
5. Die Ökonomie der Arbeit hängt von der Arbeitsorganisation, den zu Verfügung stehenden<br />
Arbeitsmitteln bzw. Arbeitsverfahren, wesentlich aber auch von der Qualität der Bewegung ab.<br />
6. In der <strong>Bau</strong>wirtschaft gibt es einen ganzen Schatz an „Inpertenwissen“ 8 , den es lohnt zu bergen,<br />
d.h. zu thematisieren und systematisieren. Dieses Inpertenwissen kann während der Betreuung<br />
vor Ort bewusst gemacht und gefördert werden.<br />
7. Über wenige Einheiten lässt sich die Arbeitsqualität thematisieren und das Körperbewußtsein<br />
während der Arbeit steigern. 9<br />
8. Bewegungsbewusstsein muss kontinuierlich und in immer neuer Form thematisiert werden. Das<br />
Perpetuum mobile gibt es (gerade) im Bereich Verhaltensprävention nicht, daher wird sich der<br />
Effekt der Intervention verflüchtigen.<br />
9. Die Bewegungstipps müssen sich an die aktuelle Arbeitssituation anlehnen, <strong>Bau</strong>arbeiter müssen<br />
Zusammenhänge zu den aktuellen Problemen herstellen können.<br />
Für die Konzeption der Bewegungsprogramme ergab sich daraus Folgendes:<br />
1. Arbeiten mit kleinen Gruppen<br />
2. über mehrere Einheiten verteilt<br />
3. direkt am <strong>Bau</strong><br />
4. bezugnehmend auf Arbeitsbewegungen<br />
5. sowie einbeziehend die aktuelle Situation<br />
7) Wir gehen davon aus, dass <strong>Bau</strong>leute muskulär nicht unterfordert sind,sodass sie Arbeitsbewegungen zu Trainingszwecken „unökonomischer“ durchführen<br />
müssten (im Gegensatz dazu sollten im Bürobereich Arbeitssituationen als „Trainingsanlässe“ genutzt werden).<br />
8) Kunstwort als Gegensatz zu Expertenwissen<br />
9) Um koordinierte Bewegungen zu ermöglichen, müssen Muskeln auf beiden Seiten der Gelenke als Agonisten und Antagonisten harmonisch<br />
zusammenwirken.<br />
Ist die Muskelaktivität zu hoch, so wird die Bewegungen holprig und steif. Zu geringe Muskelaktivität überstrapaziert den Kapsel-Band-Appara t .<br />
Eine Grundlage der Haltungsschulung ist die Stabilisation. D. h . die aktive Fixierung der Gelenke in einer bestimmten Stellung.<br />
Die Intensität der ökonomischen Aktivität hängt von den Gewichten ab, die gehoben, bewegt oder gebremst werden müssen. Bei der Realisierung der einzelnen<br />
Aktivitätszustände muss eine hohe Wahrnehmungsleistung vollbracht werden. Diese kann in einer einzelnen Einheit nicht (!) erarbeitet werden!<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
Entsprechend der Interventionsziele wurde unterschieden zwischen<br />
• „Körpergerecht Arbeiten“, wo es vordergründig um die Bewegungsqualität, implizit aber auch<br />
um das Körperbewusstsein bei der Arbeit geht<br />
• Ausgleichsübungen, mit dem Ziel sowohl psychischer wie muskulärer Entspannung, angereichert<br />
mit Gleichgewichtsübungen und Wahrnehmungsübungen in der Gruppe<br />
Beidseitigkeit<br />
Die Beidseitigkeit<br />
• hilft Muskeldysbalancen und einseitige Gelenksabnutzungen zu vermeiden<br />
• ist die einfachste Möglichkeit, Montonie, auch in sensorisch-informativer Hinsicht, zu mildern<br />
• setzt positive koordinative Impulse, weil die nervale Ansteuerung über die Kreuzung der<br />
Körpermitte und Beidseitigkeit erfolgt.<br />
Beidseitigkeit kann daher als eine Grundform von Tätigkeitswechsel verstanden werden, die dazu beitragen<br />
kann, Ermüdungsprozesse und deren Symptome hintanzuhalten. Menschengerechte Gestaltung<br />
der Arbeitsbedingungen, die die individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen angemessen<br />
berücksichtigt, hat auch den Grundsatz gleicher Chancen für Linkshänder zu gewährleisten.<br />
Erweitert man den Ansatz der Beidseitigkeit über den Aspekt der Händigkeit hinaus, so lassen sich weitere<br />
Standardsituationen ausmachen, die einseitige Beanspruchungen, vor allem im Rumpf- und Bekkenbereich,<br />
damit aber auch im Beinbereich nach sich ziehen. Diese oft auch ergonomisch gar nicht<br />
zwingenden Einseitigkeiten lassen sich unter dem Begriff Alltagsfallen10 subsumieren. Dazu zählen z.B.:<br />
• ausschließliches Positionieren der Behälter, aus denen Arbeitsmittel, Arbeitsstoffe, Werkstücke<br />
usw. zu entnehmen sind, auf der rechten Seite<br />
• Aufstellen von Aufstiegshilfen so, dass man sich stets nur nach rechts drehen muß<br />
• Knien immer auf dem selben Knie.<br />
Alltagsfallen schaffen freie Ressourcen, weil man sich nicht auf neue Situationen einstellen muß;<br />
Ressourcen die zur internen Ablenkung genutzt werden können. Sie ermöglichen Flow-Erlebnisse. Bewegungsabläufe<br />
sind leichter zu optimieren als in Verbund mit Variationen. Automatismen laufen<br />
schneller ab, der Krafteinsatz vermag feiner justiert werden als bei ungewohnten Bewegungen. 11<br />
Vo rgefundene Situation<br />
Kontaktpersonen<br />
Po l i e r, B ü ro m i t a r b e i t e r<br />
Der Polier und seine Mitarbeiter standen dem Projekt am Anfang kritisch mit „angeordneter Kooperationsbereitschaft“<br />
gegenüber. Zentraler Gegenstand seiner Kritik war allerdings der mit dem Projekt verbundene<br />
Zeitaufwand seiner Mitarbeiter.<br />
Verfügbarkeit der Versuchspersonen<br />
B a u s t e l l e n d y n a m i k<br />
<strong>Bau</strong>stellen sind Arbeitsstätten, denen eine permanente Änderung von Bedingungen, Arbeitsaufgaben<br />
und damit der Zahl der eingesetzten Mitarbeiter immanent ist.<br />
Bei Projektbeginn waren die auf dieser <strong>Bau</strong>stelle vorgesehenen Mitarbeiter noch gar nicht in vollem Um-<br />
10) In Alltagsfallen fällt man aus Gewohnheit und Bequemlichkeit.Salutogenetisch gesehen erfüllen auch sie einen Zweck:<br />
Sie reduzieren Komplexität und können unbewusst bzw. automatisiert ablaufen:<br />
11) Dies gilt vor allem vor bzw. bei der Umstellung auf variantenreicheres Arbeiten.Mit fortschreitender Gewöhnung an<br />
die neuen Bewegungsabläufe können auch diese automatisiert werden.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 23
24<br />
fang bekannt. Ständig bestand die Gefahr, dass Mitarbeiter während der Interventionszeit von der <strong>Bau</strong>stelle<br />
abgezogen sein konnte, die Urlaube wurden erst nach der Gruppeneinteilung bekannt.<br />
D i s p e rs i t ä t<br />
Vor allem in der ersten Phase waren die in das Projekt eingebundenen Mitarbeiter noch auf vier verschiedene<br />
<strong>Bau</strong>stellen verstreut.<br />
U r l a u b e<br />
Diese wurden kurzfristig im Laufe der ersten und zweiten Interventionsphase vereinbart und reduzierten<br />
die ohnehin in Kleinstgruppen zersplitterten Gruppen nochmals fallweise empfindlich.<br />
Arbeitsverteilung<br />
Gerade in Zeiten der höchsten Beanspruchung (also zu Zeiten, wo stressreduzierende Maßnahmen besonders<br />
nützlich wären), waren Mitarbeiter und Poliere aus Zeitgründen am wenigsten bereit, an den<br />
Interventionen teilzunehmen. Manche Interventionen wurden um Stunden verschoben.<br />
Parallel laufende Interventionen<br />
Die parallel laufenden Interventionen Körpergerecht Arbeiten, Ausgleichsübungen und Eurythmie ergaben<br />
in Summe einen schwer vertretbaren Gesamtaufwand. Sie erzeugten gemeinsam mit den wöchentlichen<br />
24-Stunden-Messungen auch ein zeitliches Korsett, das eine flexible Terminvereinbarung (Stichwort<br />
„Arbeitsverteilung“) von vornherein beschränkte.<br />
Neuland gab es zu betreten bei der Verbindung von Eurythmie mit Bewegungsergonomie. Neuland insofern,<br />
weil ja die Übungsabsicht bei diesen Interventionsformen, obgleich sie beide über die Bewegungsebene<br />
agieren, recht unterschiedlich war. Hier galt es, die Komplementarität herauszuarbeiten.<br />
Öffentliches Interesse<br />
Die Wirkung der Resonanz in der Öffentlichkeit auf die Akzeptanz unserer Versuchspersonen war letztlich<br />
über alle Erwartungen. Die Medienarbeit wurde eine ungeplante , hoch wirksame Intervention. Eine<br />
konkrete Auswirkung war jedenfalls eine bessere Akzeptanz unseres Expertenstatus.<br />
Strategie, um in der gegebenen Situation mein Ziel zu erre i c h e n<br />
Gruppeneinteilung<br />
Die Gruppeneinteilung erfolgte einerseits nach pragmatischen Gesichtspunkten: Für die Eurythmieintervention,<br />
die organisatorisch nicht so flexibel wie Körpergerechtes Arbeiten und Ausgleichsübungen gehandhabt<br />
werden konnte, wurden die Mitarbeiter, die schon zu Beginn an der <strong>Bau</strong>stelle waren, zusammengezogen.<br />
Die zweite Hälfte der Gruppe wurde in der ersten Phase Kleingruppen von zwei bis vier Personen geschult.<br />
Einen Tag vor jeder Intervention wurde beim Polier erhoben, wo die jeweiligen Mitarbeiter gerade<br />
arbeiteten bzw. zu welcher Zeit es günstig war, vorbei zu kommen. Darauf aufbauend wurde ein Einsatzplan<br />
zusammengestellt und die verschiedenen Bereiche abgefahren.<br />
Zeitlicher Ablauf<br />
Unter Berücksichtigung der vom Messteam vorgegebenen Zeitstrukturen (3 x 4 Wochen Intervention<br />
mit jeweils einer Woche Pausen und der Absicht, dass das Interventionsprogramm nicht allzu zeitauf-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
wendig werden sollte, wurden zwei mal wöchentlich in Einheiten zwischen 20 – 30 Minuten die Interventionsmodule<br />
durchgeführt.<br />
Im Laufe des Projekts entwickelten auch die Mitarbeiter im Verwaltungsbereich Interesse an einer Teilnahme<br />
an Schulungen. Diese „Ausgleichsübungseinheiten“ wurden mit dem Trainer Jürgen Seifried akkordiert<br />
und fanden ab Ende der 2.Phase regelmäßig statt. Sie erfreuten sich eines dermaßen massiven<br />
Interesses, dass dieses Übungsprogramm auch nach Projektabschluß, von der Firma weiterfinanziert,<br />
fortgesetzt werden konnte.<br />
Großgruppenkoordination<br />
Um den Informationsfluss zwischen den verschiedenen an dem Projekt teilhabenden Gruppen in Gang<br />
zu halten, musste ein a priori unvorhergesehenes Ausmaß an Zeit investiert werden. Die Anpassung des<br />
gesamten Projekts an die wechselnden Umstände des Projektbetriebs machte dies erforderlich.<br />
Unter diesen Umständen erwies sich die Bestellung eines externen Projektleiters als äußerst sinnvoll.<br />
Aufgabenverteilung<br />
Eine Herausforderung war der Übergang von der ersten zur zweiten Interventionsphase, also der Wechsel<br />
der Interventionen Eurythmie zu Körpergerecht Arbeiten/Ausgleichsübungen und umgekehrt. Dieser<br />
gelang in beiden Gruppen, indem ich Eurythmieübungen in einen bewegungsergonomischen Kontext<br />
stellte, bzw. in den letzten Einheiten der anderen Gruppe bewusst auch Gruppenaufgaben einflocht.<br />
Was habe ich getan<br />
Motivation der <strong>Bau</strong>arbeiter<br />
Mit einem Einstieg, der sich auf die Beschwerden der <strong>Bau</strong>arbeiter bezog, konnte recht erfolgreich die<br />
Aufmerksamkeit und die Bereitschaft zur Mitarbeit hergestellt werden. Dabei war aber umgekehrt darauf<br />
zu achten, dass nicht uneinlösbare Erwartungen geweckt werden.<br />
Körpergerecht Arbeiten:<br />
In den vier Einheiten wurde jeweils ein Schwerpunkt gesetzt.<br />
1. Grundlagen anschaulich erklärt; Wirbelsäule, Bandscheibe; Richtig Bücken und (Heben), Knie<br />
schonen<br />
2. Kurze Replik auf die wichtigsten Prinzipien, Schrittstellung, Ziehen und Schieben, Überkopfarbeit<br />
3. Wiederholung; Knie schonen, Arbeiten am Boden mit Haltungsvarianten, Knieschutz, Heben aus<br />
der Schrittstellung<br />
4. Wiederholung; Umschlichten, Überkopf, Beidseitigkeit<br />
Da gerade in der ersten Phase mit mehreren Kleingruppen auf unterschiedlichen <strong>Bau</strong>stellen gearbeitet<br />
wurde, kam es unter Berücksichtigung der oben angeführten Prinzipien zu unwesentlichen inhaltlichen<br />
Abweichungen.<br />
Die wesentlichen Aussagen wurden auf A3-Plakaten zusammengefasst und am Arbeitsplatz befestigt.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 25
26<br />
In der dritten Phase begleitete das Bewegungsteam<br />
die <strong>Bau</strong>arbeiter auch auf der<br />
<strong>Bau</strong>stelle, um ihnen praktische Tipps direkt<br />
vor Ort während der Arbeit zu geben.<br />
Bewegungsstrasse<br />
Obgleich im Zentrum des Projekts die<br />
Auswirkung von Interventionen auf die<br />
Stresssituation der Arbeitenden stand, sollte auch erhoben werden, inwieweit die Interventionstipps verhaltensändernd<br />
im Sinne einer Verbesserung der Bewegungsqualität wirken.<br />
Aus diesem Grunde wurden folgende sechs Standardsituationen inszeniert, die die Versuchspersonen<br />
vor Beginn der Interventionen und bei Projektende durchzuführen hatten.<br />
• Ziegelmauer versetzen<br />
• Scheibtruhe anfüllen<br />
• Anrödeln<br />
• Isospanziegel heben<br />
• Pfählen, pflocken<br />
• Schalungsanker einschrauben<br />
Die Durchführung wurde mittels Video festgehalten. Über VideoanaIyse wurden die Ausführungen vorher<br />
und nachher gegenübergestellt und ausgewertet.<br />
An Hand der Videoanalysen konnten über 100 Fehlerquellen bzw. Ausführungsweisen festgehalten<br />
werden, die in einem zweiten Arbeitsgang auf 37 verschiedene Kriterien zusammengefasst wurden.<br />
An Hand dieser Kriterien konnten bei sechs12 <strong>Bau</strong>arbeitern Veränderungen der Bewegungsqualität<br />
untersucht und Qualitätsunterschiede herausgearbeitet werden.<br />
12) Nicht in die Untersuchung einbezogen wurden jene Teilnehmer an der Bewegungsstrasse, die nicht besondere Aufgaben auf der <strong>Bau</strong>stelle einnehmen,wie<br />
Kranführer und Poliere, jene <strong>Bau</strong>arbeiter, die mit unterschiedlicher Bekleidung (Arbeitskleidung – Freizeitkleidung) den Test durchgeführt hatten.Ausgeschieden<br />
sind auch jene <strong>Bau</strong>arbeiter, denen während eines Tests mit unvorhergesehenen Problemen konfrontiert wurden (Schalenteil oder<br />
Pflock zerbrach) bzw. jene <strong>Bau</strong>arbeiter, die durch längeren Urlaub nur an einem Teil der Interventionsprogramme teilgenommen hatten.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
Ziegelmauer versetzen<br />
Die häufigsten Fehler waren Seitversetzt nach Ziegelstein greifen, aus dem Brustwirbelsäulenbereich die<br />
Bückbewegung einleiten13 und – was besonders belastend auf den Stützapparat wirkt – Rumpfdrehung<br />
im Rundrückenbereich traten nach den Interventionen seltener auf. Gänzlich vermieden wurden Fehler,<br />
die aufgrund der Kombination aus Beugung und Drehung für den Stützapparat besonders gefährlich<br />
sind (Bücken mit gestreckten Beinen und Bücken in der Fortbewe -<br />
gung) sowie körperfernes Arbeiten. Fehler, die immerhin vor den Interventionen<br />
jeder zweite machte.<br />
Wesentliche Prinzipien, wie Rücken gerade halten, in die Knie gehen<br />
und Kombination aus Beugen und Drehen vermeiden wurden durchwegs<br />
beherzigt. 14<br />
Beim Durchlauf der Bewegungsstrasse vor den Interventionen wurde<br />
die Aufgabe „Ziegelsteinmauer versetzen“ ziemlich einheitlich wie<br />
rechts abgebildet gelöst: Die Arbeiter bückten sich nach den Steinen<br />
(einzeln mit abstützen oder beidhändig) und bauten sie seitlich um 90°<br />
versetzt neu auf.<br />
Bei der 2.Bewegungsstrasse wurde erfreulicherweise nicht nur die Bewegungsqualität<br />
verbessert, ein Mitarbeiter fand neue Wege, indem<br />
er die Anordnung der Steine so verbesserte,<br />
• dass er keine Richtungswechsel durchführen musste<br />
• einen Seitenwechsel durchführen konnte<br />
• Entlastungsstellungen einnehmen konnte<br />
13) Statt aus der Hüfte, was die Aufrechterhaltung einer u.a.bandscheibenschonenden Gelenkmittelstellung<br />
14) Ein Mitarbeiter ging nach den Interventionen sogar zu tief in die Knie.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 27
28<br />
S c h a u f e l n<br />
Die Änderung der Bewegungsqualität der Schaufeltätigkeit ist vor allem beim Einsatz der Beine feststellbar.<br />
Ansonsten ist sogar eine marginale Verschlechterung der Bewegungsqualität feststellbar. So wird<br />
zum Beispiel mehr aus den Handgelenken gearbeitet. Dies ist u.a. damit erklärbar, dass das Schaufeln als<br />
Fertigkeit in den Interventionen nicht explizit angesprochen wurde.<br />
Die in der 2.Bewegungsstrasse feststellbaren Variationen können nicht als Transferleistungen interpretiert<br />
werden.<br />
Die Bewegungsstudien während der Bewegungsstrasse bei der Station Schaufeln haben ergeben, dass<br />
die auch in der Öffentlichkeit hinreichend thematisierte Haltungskorrektur Gerader Rücken für sehr<br />
wichtig genommen und konsequent umgesetzt wird. Beim Schaufeln allerdings auf Kosten der Knie<br />
bzw. des Schulterbereich. Dies soll nachstehend erläutert werden.<br />
Exkurs: Schaufeln - Bewegungsstudie<br />
Die Einstichbewegung wird bei der Mehrzahl der <strong>Bau</strong>arbeiter aus den Beinen und dem Becken initiiert.<br />
Durch abruptes Verlagern des Schwerpunkts in die Einstichrichtung kommt es bei gleichzeitiger statischer<br />
Haltearbeit (Kraftübertragung) der oberen Extremitäten zum Kraftimpuls (Einstich).<br />
Im Rahmen der Kraftübertragung auf die Stoßhand (rechts) kommt es<br />
zur einseitigen Belastung der Schultermuskulatur und exzentrischen<br />
Bewegung im Schulterbereich. Zuerst kommt es zu einer nach innen<br />
geführten Rotation in der Schulter, zur Retroversion (Ellbogen geht zurück)<br />
bei Aufnahme der Last und Abduktion beim Entleeren.<br />
Da der Einstich nicht senkrecht erfolgt, wird die kinetische Kraftentwicklung<br />
in der Längsachse (Beugen in den Kniegelenken) kombiniert<br />
mit einer Beckenvorkippung und gleichzeitiger Schubbewegung in der<br />
Tiefenachse.<br />
Im Anschluss daran wird in verschiedenen Varianten (Hebel über den<br />
Oberschenkel, oder Hebel über die Drehpunkt vordere Hand, selten<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
über Heben der vorderen Hand) die nunmehr mit Erde befüllte Schaufel hochgehoben und vorwiegend<br />
in einer Rotationsbewegung ohne Umsteigen in die Scheibtruhe gefüllt.<br />
Die Entleerung erfolgt entweder aus einem Impuls in der Schulter oder aus der rechten Stoßhand.<br />
B e l a s t u n g e n<br />
Rechtes Bein: Außenrotation und Vorbeugung belastet das innere Seitenband. Supinierender Fußdruck<br />
mit Mehrbelastung des unteren Sprunggelenks.<br />
Linkes Bein: Belastung des lateralen Meniskus bzw. Seitenband, Flexion mit Belastung der Kniescheibe.<br />
Rechte Schulter: Abhängig vom Muskelkorsett; wiederholte abrupte Druckbelastung der Schultergelenksflächen<br />
in Endstellung.<br />
Facies glenoidalis: Gelenksfläche des Schulterblattes, darauf dreht sich das Caput humeri. Angelagerte<br />
bindegewebige Flächenvergrößerung. Rotatorenmaschette sind die Muskeln zwischen Caput und Kapsel.<br />
(Supraspinatus, Infraspinatus, Subscapularis)<br />
Beanspruchung und Gefährd u n g<br />
Rechtes Bein:<br />
• durch Valgisierung (X-Stellung) erhöht sich der Druck auf das laterale Kompartment und den<br />
Außenmeniskus<br />
• Bänderdehnung, Innenseitenband mit Instabilitätsförderung<br />
• Gefahr der Überlastung des unteren Sprunggelenks durch chronische Supination<br />
Linkes Bein:<br />
• Femuro Patellararthose (vorher: Chondropathie)<br />
• Durch wenig Muskelspannung im Oberschenkel bei gleichzeitiger Beckeninitiierung fehlt die<br />
Gelenksführung, die eine Schutzfunktion übernehmen müsste<br />
Es ist daher damit zu rechnen, dass diese Ausführungsart<br />
des Schaufelns zu einer Früharthrose im Kniegelenk,<br />
insbesondere des femuropatellaren Gleitlagers,<br />
führt.<br />
Wirbelsäule:<br />
Die wiederholte Rotationsbewegung mit Gewichtsbelastung<br />
ohne Umsteigen (respektive bei Kyphosierung)<br />
belastet den thorako-lumbalen Übergang (Th 11/12, L<br />
1/2). Folgen: Facettengelenksüberlastung, Spondylarthrose<br />
und Bandscheibenabnutzung<br />
Schulter:<br />
Wiederholte Stöße auf die abduzierte bzw. retrovertierte<br />
Schulter belasten den Bandapparat und begünstigen<br />
eine Früharthrose in der rechten Schulter.<br />
Lösungen:<br />
• Arbeitablauf ändern: Einstich mit Hilfe des auf das Schaufelblatt drückenden Fußes<br />
• Vorübergehender Einsatz von Kniebandagen<br />
• Sprunggelenkstabilisierendes Schuhwerk<br />
• Füße zeigen in Arbeitsrichtung<br />
• Optimierte Positionierung zwischen Scheibtruhe und Last, um Rotationsbewegungen zu reduzieren<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 29
30<br />
• Haltungs- und Bewegungswechsel<br />
• Seitenwechsel<br />
• Beinstellungswechsel<br />
• Arbeitswinkel<br />
• Einstichart<br />
• Ausgleichende Übungen (öffnende Bewegungen, leere Bewegungen 15 )<br />
A n r ö d e l n<br />
Beim Anrödeln wurden durchwegs weniger Ausführungsfehler durchgeführt, was zum Teil auch an der<br />
Aufgabenstellung lag. An mehreren Items16 lässt sich belegen, dass auch hier die Rundrückenhaltung<br />
völlig aufgegeben wurde, indem weit mehr in die Knie gegangen wurde.<br />
15) Mobilisierungsübungen Fremdbelastung mit kleinen Bewegungsumfang,mit Integration von Atmung (Rhythmisierung, Vertiefung)<br />
16) Keine gestreckten Beine, zwei Teilnehmer winkeln die Knie sogar zu stark ab. Die tiefe Arbeitshöhe wurde auch über einen beckenbreiten Stand<br />
kompensiert.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
Pflock einschlagen<br />
Laienfehler, die die Hammerführung aus den Handgelenken, schiefe Aufstellung zum Pflock und infolge<br />
dessen eine Rotationsbewegung, traten bei den <strong>Bau</strong>leuten kaum auf. 17 Eine deutliche Veränderung der<br />
Durchführung zeigt sich hinsichtlich der Bewegungsinitiierung. Hatte die Hälfte vor Projektbeginn die<br />
Bewegung isoliert aus den Armen eingeleitet, teilen nunmehr alle diesen Impuls auf viele Muskelgruppen<br />
(ganzkörperliche Initiierung) auf. Auch das Heben des Hammers aus dem Hohlkreuz wurde aufgegeben,<br />
genauso wie die zuvor bei zwei Mitarbeitern beobachtbare seitliche Ausweichbewegung. Lediglich<br />
einer stellte sich etwas zu weit vom Pflock auf. 18<br />
Isospansteine heben<br />
17) Vgl.Item Schulter/Beckenachse verwrungen<br />
18) Vgl.Item Körperfernes Arbeiten<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 31
32<br />
Das Heben der Isospansteine war eine komplexere Bewegungsaufgabe: Zwei Steine mussten nacheinander<br />
vom Boden aufgenommen werden, auf einer Höhe von 1,30 m abgestellt und dann wieder am<br />
Boden abgestellt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Qualität der Bückbewegung<br />
bei der Lastaufnahme unten ganz eklatant verbessert hat, die Versuchpersonen standen direkter zu Last,<br />
setzten sich also geringeren Scherkräften aus. Auch beim 2.Durchgang ging die Hälfte der Teilnehmer<br />
bei der Lastaufnahme etwas zu tief in die Knie. 19<br />
S c h a l u n g s a n ker schra u b e n<br />
Beim Schalungsanker schrauben ergaben sich wiederum andere überprüfbare Fehlergruppen: Es zeigte<br />
sich, dass bereits von Beginn an keiner der <strong>Bau</strong>arbeiter die Bewegung aus den Handgelenken, sondern<br />
alle aus den Armen durchführen. Selbst diese Bewegung wurde aus dem Körper initiiert, was allerdings<br />
ebenso dem Umstand zuzuschreiben ist, dass der Schalungsanker recht hoch (über 2,40 m) festzuschrauben<br />
war, wie die Tatsache, dass keiner körperfern die Aufgabe löste. Alle (!) hatten diese Aufgabe<br />
vor Projektbeginn in einer Hohlkreuzhaltung gelöst. Nach dem Projekt lediglich noch die Hälfte. 20<br />
Auch die Verlängerung der Griffhöhe über Seitausweichen wurde als belastende Ausführungsweise erkannt<br />
und vermieden. Letztlich wurde auch weniger mit überstrecktem Kopf gearbeitet.<br />
Zusammenfassende Ergebnisse<br />
Die Veränderung der Bewegungsqualität an Hand von Qualitätskriterien konnte zum Teil an Hand mehrerer<br />
Stationen geprüft werden. Bewegungsinitiierung aus den Beinen: Abgesehen vom Heben der Isospansteine<br />
wurde diese entlastende21 Ausführungsart überall stärker eingesetzt.<br />
Bewegungsinitiierung aus dem Brustwirbelsäulenbereich: Dieses Kriterium ist respektive bei den Stationen<br />
mit Arbeiten in tiefer Haltung (Mauern, Anrödeln, bzw. Heben der Isospansteine vom Boden) relevant.<br />
Hier zeigt sich ein im Summe starker Trend, diese die Wirbelsäule destabilisierende22 Ausführungsart<br />
zu vermeiden. Beim Anrödeln ließen sich die <strong>Bau</strong>arbeiter durch die Vorbereitung des Drahts<br />
auch beim zweiten Mal ablenken. Es zeigte sich, dass nur diejenigen, die sich dazwischen kurz abstützen,<br />
die Beckenstellung während des Anrödelns korrigierten.<br />
19) Die Entscheidung,ob man nun die Knie auf Kosten des Rückens bzw. umgekehrt entlasten solle, kann durch drei Strategien gemildert werden:<br />
1.Lasten möglichst wenig auf den Boden ablegen (30 cm Erhöhung wäre bereits ein beträchtlicher Gewinn)<br />
2. Von dem Lastgewicht abhängig machen:z.B. Bei Lasten unter 6- 10 kg eher die Knie auf Kosten des Rückens entlasten.<br />
3.Bei höheren Wiederholungszahlen die Ausführungsart so variieren,dass immer andere Bereiche des Bewegungs- und Stützapparats beansprucht<br />
werden<br />
20) Diese kompensierten ihre geringere Körpergröße bzw. Probleme in den Schultern.<br />
21) Überbeanspruchungen lassen sich vermeiden,wenn man viele bzw. große Muskelgruppen einsetzt.<br />
22) Mit der Einleitung der Bewegung im BWS-Bereich wird die vordere Muskelschlinge auf Kosten der stabilisierenden Rückenmuskulatur aufgegeben.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
Arbeiten in tiefer Kniebeuge: Beim Anrödeln begannen zwei <strong>Bau</strong>arbeiter in der Absicht, es besonders<br />
richtig zu machen, die Knie auf weniger als 90° zu beugen. Deshalb ist diese Unnützbelastung tendenziell<br />
leicht gestiegen. Die <strong>Bau</strong>arbeiter gingen auch beim Heben der Isospansteine vom Boden nach den<br />
Interventionen im selben Umfang in die Knie.<br />
Körperfern arbeiten: Dieses Qualitätsmerkmal ist das vielleicht bekannteste und einleuchtendste (Hebelgesetze).<br />
Daß es nicht von vornherein berücksichtigt wird, zeigt die nachstehende Tabelle. Nach der<br />
Interventionsphase wurde bei allen Stationen darauf Bedacht genommen.<br />
Seitausweichen: Diese Schonhaltung, die vornehmlich bei Überkopfarbeit eingenommen wird um den<br />
M.deltoideus auf Kosten des Stützapparats zu entlasten. Im Rahmen der Stationen war dieses Kriterium<br />
vor allem beim Anschrauben des Schalungsankers bzw. beim Heben des Hammers (Pflock einschlagen)<br />
relevant. In beiden Fällen reduzierte sich die Zahl.<br />
Es konnte an mehreren Stationen nachgewiesen<br />
werden, dass Bewegungsqualität auf arbeiten mit<br />
geradem Rücken reduziert wird. Es besteht die<br />
Gefahr, dass die <strong>Bau</strong>arbeiter diesem Kriterium<br />
Rechnung tragend die Bewegungsvielfalt reduzieren<br />
oder vermehrt andere Gelenke (z.B. Knie und<br />
Schultern) beanspruchen.<br />
Bewegungsqualität hängt stark vom flexiblen Umgang mit der Arbeitssituation zusammen – hier sind<br />
auch die größten Potentiale. „Ziegel verlegen“ und „Schalensteine heben“ sind Arbeitsaufgaben, die<br />
solche Gestaltungsfreiräume zulassen. Zur Prüfung der Bewegungsqualität empfiehlt es sich in Zukunft,<br />
diese beiden Aufgaben zu vereinfachen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 33
34<br />
Eisenbieger<br />
Die Eisenbieger sind ein Spezialistenteam (Fremdfirmenauftrag), das teilweise weit extremeren Belastungen<br />
ausgesetzt ist. Auf ihr massives Interesse hin wurde gegen Ende der 2.Phase eine Kurzbetreuung angeboten,<br />
indem die neuesten Projekterfahrungen integriert werden konnten.<br />
Beispiel einer Intervention<br />
Ausgangssituation<br />
Bewehren der Bodenplatte durch acht Eisenbinder. Diese haben die Arbeit von zwölf Leuten zu machen,<br />
damit morgen in der Früh betoniert werden kann. In einem ersten Vorgespräch die Woche zuvor hatte<br />
ich die beiden maßgeblichen Mitarbeiter motiviert und mich angekündigt. Es ist sehr heiß und eine langersehnte<br />
Kurzpause („wir gehen nicht rauf in den Container, das zahlt sich nicht aus.“ wird eingelegt.<br />
Der Leiter der Eisenbieger beginnt über die hohen Beanspruchungen beim Auflegen der Eisen auf den<br />
Rücken zu erzählen...<br />
Intervention<br />
• Hinweis auf Sinnhaftigkeit eines beidseitigen Wechsel<br />
• Eisenbiegerchef entgegnet, dass er immer nur mit der rechten<br />
Hand gearbeitet habe und es nicht möglich sei, zu wechseln,<br />
weil sie dafür keine Zeit hätten.<br />
• Ich lasse mir erklären, was bei der anstrengendsten Arbeit zu<br />
tun sei<br />
• Probiere selbst und werde ausgebessert<br />
• Ersuche den Leiter, mich bei der Erprobung der Varianten aufzunehmen<br />
• Greife das Gegenargument „Zeit“ auf<br />
• Ein Dritter stoppt mich während ich die Eisenstangen einmal<br />
mit der rechten, dann mit der linken Hand auflege. Ergebnis:<br />
17“ bzw. 15“. Die beiden Sekunden sind zu vernachlässigen,<br />
nicht aber der Belastungswechsel !<br />
• Der Chef der Eisenbieger will nun auch gestoppt werden. Er triumphiert mit „7“ bzw. 11“.<br />
• Ich gratuliere ihm, dass er mit seiner „patscherten“ Hand schneller ist, als ich mit meiner<br />
Besseren.<br />
• Vier Sekunden „Zeitverlust“ bei ihm sind ebenfalls zu vernachlässigen.<br />
• Vereinbarung bis nächste Woche: er wird bei der nächsten Aufgabe (300 Stück verlegen) mit seiner<br />
besseren Seite beginnen und nur die letzten drei Stangen mit links machen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
• Wenn er sich sicher fühlt, dann mit die letzten vier und sich so bis zu den letzten sieben „hinaufhangeln“.<br />
• Sein Kollege bekommt einen Dehnungstipp für die Mm. piriformis, glutaeus und das<br />
Iliosacralgelenk. Die Übung soll er jeden Tag am Abend machen und mir nächste Woche erzählen,<br />
welche Fortschritte er gemacht hat.<br />
Wirkung<br />
• Der Leiter der Eisenbiegergruppe hat die Bereitschaft, mit seiner Arbeitsbewegung zu experimentieren<br />
und diese zu variieren. Er hat ein jahrzehntelanges Dogma „ich bin und bleibe<br />
Rechtshänder“ weitgehend abgebaut. Zur eigenen Bestärkung hat er dies auch an seine<br />
Mitarbeiter weitergeben.<br />
• Er wurde bei seinem Hauptproblem abgeholt. Er wurde gewonnen - und en passant auch seine<br />
Gruppe. Einige haben Rückenübungen bekommen, die sie nun täglich bis zum nächsten<br />
Dienstag üben und dann berichten sollten, wie sie wirken.<br />
• Sie wirkten und wurden konsequent geübt. Die Kollegen wurden die eifrigsten Unterstützer<br />
unseres Projekts.<br />
• Zwei Wochen später berichtete er über Besserungen im Rückenbereich wie auch in der<br />
Befindlichkeit, bzw. dass er die Hand nicht nur beim Bewehren der Bodenplatten, sondern auch<br />
bei anderen Tätigkeiten gewechselt habe.<br />
B e w e rtung der Erg e b n i s s e<br />
Nicht erreichte Ziele und unvorhergesehene Schwierigkeiten<br />
K l e i n g r u p p e n b e t re u u n g<br />
Die Betreuung in Kleingruppen stand unter der Notwendigkeit, bei möglichst allen Versuchspersonen zu<br />
intervenieren. Vorbereitungszeit und Fahrtzeiten überwogen die tatsächlichen Interventionszeiten.<br />
Der Vermittlung von Informationen zu Körpergerecht Arbeiten stand sie von Beginn an recht positiv<br />
gegenüber. Auch waren sie prinzipiell den Ausgleichsübungen offen, doch schien es mir, dass sie den<br />
gedanklichen Sprung von den angeleiteten Übungen zur eigenständigen Durchführung im Bereich der<br />
Bewegungsqualität eher nachvollziehen konnten als bei den Ausgleichsübungen.<br />
Erreichte Ziele und was sonst als Erfolg zu bewerten ist<br />
B e w e g u n g s s t ra s s e<br />
Die Ergebnisse der Bewegungsstrasse:<br />
• Gerader Rücken ist wichtigstes Thema und wird konsequent umgesetzt, fallweise auch auf<br />
Kosten anderer Gelenke (Knie, Hohlkreuz)<br />
• <strong>Bau</strong>arbeiter machen sich mehr Gedanken darüber, wie sie gelenkschonender arbeiten könnten<br />
• <strong>Bau</strong>arbeiter nutzen vereinzelt auch das Gelände als Erleichterung<br />
• Bewegungsqualität hängt stark vom flexiblen Umgang mit der Arbeitssituation zusammen – hier<br />
sind auch die größten Potentiale zu orten<br />
• Arbeitssituationen müssen so gestaltet werden, dass Bewegungsqualität leichter möglich wird<br />
Po l i e r w o r k s h o p<br />
Der Polierworkshop wurde genutzt, den Polieren ihre zentrale Rolle bewusst zu machen und sie als Experten<br />
in das Projekt einzubinden. U.a. wurden die einzelnen <strong>Bau</strong>abschnitte durchgegangen und Verbesserungsvorschläge<br />
entwickelt.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 35
36<br />
Vorschläge im Rahmen des <strong>Bau</strong>verlaufs<br />
Ankalken<br />
Mit Kübel und Kalk, Belastung gering<br />
Aushubarbeit – Bagger<br />
Höhenpflöcke einschlagen (Betonierer, Helfer)<br />
Verbesserungsvorschlag: Mit Laser Höhen schauen: dabei benötigt man einen Mann (Facharbeiter)<br />
weniger, der auch weniger Augenbelastungen und Zwangshaltungen einnehmen muß<br />
Planum herstellen<br />
• Mit Schaufel und Rechen eine Ebene ziehen<br />
• Mit Bagger<br />
Dafür benötigt man zwar mehr Beton, aber 5 m3 Beton zählt weniger als die Zeitersparnis.<br />
S a u b e r ke i t s c h i c h t<br />
Dünne Betonschicht, Schaufel, Rechen, Pracken (Holzbretter mit Stiel)<br />
Verbesserungsvorschlag Wenn K1 Beton23 verwendet wird,dann kann man auch mit einer Walze planen<br />
(mit dem Brett erspart man sich aber 5 – 8 cm)<br />
• Pracker:<br />
Seit 15 Jahren üblich, aber nicht handelsüblich. Wi rd aus der Situation heraus in verschiedenenGrößen<br />
und Stärken angefertigt. Je größer der Benutzer, desto steilerer Winkel ist nötig.<br />
Verbesserungsvorschlag: Was noch fehlt,wäre ein Pracker mit verstellbaren Höhenwinkel<br />
• Flügelglätter<br />
Sofern nötig, wird die Betonfläche geschliffen (Sitzhaltung, Vibrationen)<br />
Anlegen der Gebäudeumrisse<br />
Mit Schlagschnur zu zweit (Schnur gespannt)<br />
Der Anleger ist ein richtiger Spezialist. Er muss sich wiederholt (> 50 x) bücken und dazwischen auf den<br />
Plan schauen.<br />
Verbesserungsvorschlag Spezielle Thematisierung der Bückbewegung (und Entlastungsstellungen für<br />
diesen Bereich<br />
Schalung der Bodenplatte<br />
In gebückter Haltung Pflöcke einschlagen, Schalungselemente einrichten<br />
Bewehren der Bodenplatte<br />
Eisen verlegen, Eisen verrödeln, Distanzhalterschlangen (DS-Streifen)<br />
verlegen, Obere Lage verlegen<br />
Erschwernis: ungleiche Eisenstangen müssen abgezwickt werden<br />
Verbesserungsvorschlag Melkschemel mit Teleskopstange24 Beim Nachlegen gut,bei der nächsten Lage hängt er aber in jedem Loch<br />
Verbesserungsvorschlag Tipp: Beidseitig arbeiten, mit der linken Hand<br />
beginnend.<br />
Anmerkung: bei Bodenarbeiten haben die kleineren Mitarbeiter Vorteile.<br />
23) B80 K1 Beton enthält weniger Zement (geht von B80 – B120)<br />
24) Wurde vom Projektmitarbeiter Erich Bata entwickelt und zum Patent angemeldet.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
Beton einbringen<br />
Lange Dauer, aber sehr beliebte Tätigkeit<br />
• Mit Krankübel.<br />
Kübel führen (2 t), Belastung hängt sehr stark vom Können der Kranfahrer ab<br />
Kübel entleeren<br />
• Beton rütteln<br />
Mit Rüttelflasche, die in den frischen Beton eingetaucht und gezogen wird. Es besteht die Tendenz,<br />
für diese Präzisionsarbeit Spezialisten einzusetzen, denn wenn zu lange gerüttelt wird, entstehen<br />
Luftblasen und es kommen Feinteile des Betons an die Oberfläche<br />
• verteilen mit Schaufel und Rechen und mit Pracker Ebene herstellen<br />
(Steckeisen in den frischen Beton setzen)<br />
Verbesserungsvorschlag Prackerläge verstellbar optimieren, Handgriff zum Erleichtern des Ziehens.<br />
Verbesserungsvorschlag Tipp: Haltungswechsel: beidseitig arbeiten, Schrittstellung wechseln. Handgelenke<br />
in Mittelstellung halten.<br />
• Austrocknen lassen<br />
Vorbereitung der Schalungsaufstellung<br />
Anlegen der Wände und Säulen<br />
Verbesserungsvorschlag Schulung bezüglich richtigem Bücken und Heben für Anleger und Zimmerer<br />
• Distanzklötze werden mit Stahlnägeln angenagelt oder mit Bolzensetzgerät angeschossen<br />
Knien, gebückte Haltung, weil diese Schalungsteile erst am Boden vormontiert werden, dann werden<br />
sie mit dem Kran in Position gebracht, für gewöhnlich eine Dreierpartie<br />
Vorbereiten der Schalung<br />
• Nachreinigen und ölen der Schalhaut<br />
Verbesserungsvorschlag mit dem – im Vergleich zur Druckluft – leiseren Hochdruckwasserstrahl<br />
Wand- und Säulenschalungsarbeit<br />
Stellen der ersten Schalung (Schalhaut + Rahmen)<br />
Wichtige Voraussetzung ist ein Gerüst<br />
Manchmal mit Kran, manchmal händisch<br />
• Genaues Einrichten der Schalung<br />
Wird fix montiert mit Schrauben und dem Hammer<br />
Bewehrungsarbeiten<br />
Leichter als Bodenarbeiten<br />
Eisen in die Schalung hinein, Verrödeln und Verhängen der Eisen untereinander.<br />
Optional gebückt, stehend, Gerüstarbeit<br />
Verbesserungsvorschlag aus Sicherheitsgründen Leiterarbeit verbieten;die Leiter ist nur eine provisorische<br />
Verbindung zu einer anderen Höhenlage<br />
Schließen der Schalung<br />
Manchmal mit Kran, manchmal händisch<br />
• Genaues Einrichten der Schalung<br />
• Ankern<br />
Schalungsanker durchfädeln und anspannen. Eine Reihe unten, eine oben<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 37
<strong>38</strong><br />
• Betonierbühnen in die Schalungsrahmen einhängen<br />
Mit Kran<br />
• Bühnenbelag und Wehren herstellen<br />
Pfostenbelag wird immer seltener. Stattdessen fertige Bühne und Haken zum Einhängen<br />
• Höhe in der Schalung markieren, bzw. Dreikantleiste<br />
Wenn die erste Wand gesetzt wurde<br />
• Wand betonieren<br />
Mit Krankübel, Kübel führen, Kübel entleeren<br />
Eventuell mit Hosenrohr (z.B. Säulen)<br />
Wenn um zehn Zentimeter z.B. zu hoch betoniert wurde – was von der Qualität des Vorarbeiters<br />
abhängt -, muß ein Hilfsarbeiter das Ganze wieder wegprammen, eine extrem belastende Tätigkeit<br />
auf wackeligem Untergrund.<br />
Verbesserungsvorschlag Voraussetzungen schaffen, dass nicht zu hoch betoniert wird (klare Sicht,<br />
kein Zeitdruck)<br />
• Beton rütteln<br />
Mit Rüttelflasche, die in den frischen Beton eingetaucht und gezogen wird,<br />
• Austrocknen lassen<br />
Ausschalarbeiten<br />
• Anker öffnen<br />
• Schalelemente abheben<br />
• Schalung reinigen<br />
Arbeitsmittel: Schöpser: ein Blechlöffel wie eine gerade Spachtel, bis 3 kg schwer und mit einem Stiel<br />
analog einem Besen<br />
Verbesserungsvorschlag Schalungselement statt auf dem Boden liegend vom Kran in Schräglage gehalten,<br />
was einen ergonomischeren Arbeitsablauf ermöglicht<br />
Unterzüge schalen und bewehren<br />
Stellen der Rüstung<br />
Deckenstützen händisch aufstellen, darüber die Längsträger (H20), darauf in rechtem Winkel die Querträger<br />
und die Schalhaut. Die genormte Breite bewirkt, dass<br />
die Querträger (Absenkköpfe) genau passen.<br />
Schalen der Unterzugseiten<br />
In Zwangshaltung (Mit Drehbewegung und Seitneigung)<br />
Verbesserungsvorschlag Schulung bezüglich richtigem Bücke n<br />
und Heben im Rahmen dieser <strong>Bau</strong>phase<br />
Vorbereitete Bewehrungskörbe einheben<br />
Mit Kran werden zusammengestrickte Eisenstangen eingehoben,<br />
die Eisenbieger stricken Fehlendes dazu<br />
Verbesserungsvorschlag Dafür sorgen, dass Arbeiter ausreichend<br />
Platz und festen Untergund haben,Schulung bezüglich<br />
richtigem Bücken und Heben im Rahmen dieser <strong>Bau</strong>phase<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
Unterzüge betonieren<br />
Mit Krankübel, Kübel führen, Kübel entleeren<br />
Eventuell mit Hosenrohr (z.B. Säulen)<br />
• Beton rütteln<br />
Mit Rüttelflasche, die in den frischen Berton eingetaucht und gezogen wird<br />
• Austrocknen lassen<br />
Deckenschalung<br />
• Schaltisch umsetzen mit Umsetzwagen oder Kran<br />
Kran beim ersten Mal, bzw. wenn geschlossener Raum verschieben verhindert.<br />
Prinzipiell auch mit Motor.<br />
• Ränder und Zwischenbereiche konventionell zuschalen<br />
Arbeiten mit der Kreissäge und Nägeln: Anfertigen von Passstücken, die dazu dienen, die<br />
Deckenschalung zu vervollflächigen<br />
• Bewehren der Deckenplatte<br />
Eisen verlegen, Eisen verrödeln, Distanzhalterschlangen verlegen, Obere Lage verlegen,<br />
Belastung wie bei Bodenplatte, nur weit weniger Eisen<br />
Beton einbringen<br />
• Mit Krankübel.<br />
Kübel führen (2 t), Kübel entleeren<br />
• Beton rütteln<br />
Mit Rüttelflasche, die in den frischen Beton eingetaucht und gezogen wird,<br />
verteilen mit Schaufel und Rechen und mit Pracker Ebene herstellen<br />
Austrocknen lassen<br />
Deckenausschalungsarbeiten<br />
Sind schwieriger und anstrengender als Zwischenschalung<br />
Ist auch eine taktische Frage, wo man beginnt, und dadurch bilden sich bei den <strong>Bau</strong>trupps richtige Spezialisten<br />
aus:.<br />
Körperliche Belastung, weil mit Hacke Überkopf gearbeitet werden muß<br />
• Tisch absenken und herausziehen<br />
Bei Großflächen mit Gestell umsetzen oder wegheben<br />
Wenn weder Platz zum Herausheben noch herausfahren besteht, dann gezwungen den Tisch zu zerlegen<br />
und zu tragen !<br />
Balkone sind insofern eine Erleichterung, als man von dort aus Schalungsteile leicht herausgeben kann<br />
• Schalung reinigen<br />
Mauern<br />
Vorarbeiten<br />
• Schutzgerüstmontage<br />
• Wände anlegen<br />
Analog den Betonarbeiten<br />
• Palette mit Ziegeln (Kran) bringen<br />
Man sollte sich schon überlegt haben, wo diese am besten hinkommen, weil man sich dadurch viele<br />
Wege ersparen kann<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 39
40<br />
• Mörtelkästen mit Kran<br />
Erleichterung (Beine auf Mörtelkasten annageln)<br />
Mauern<br />
Am Boden beginnend setzen.<br />
Bis ein Meter (ca. 4 Scharen) wird einmal gemauert. Ab einem Meter sind die Scharen schwieriger zu<br />
machen (Ziegel haben derzeit 19,5 kg)<br />
• Maurertisch<br />
Insgesamt sind 12 Scharen nötig. Die seit jeher eingesetzten Maurertische werden mit dem Kran hingesetzt,<br />
müssen wieder abgebaut und erhöht werden<br />
Wackeln mitunter sehr stark, was Kreuzprobleme (vom Abstützen) verursacht<br />
Zum Schluß müssen die Mitarbeiter auch runterspringen<br />
• Mauererlift<br />
Scherentisch, kostet ca ÖS 80.000.—<br />
Bis 5 Meter lang und geht elektrisch bis zwei Meter hoch<br />
• Sackgewicht<br />
Der Übergang auf 25 kg Säcke war auch von Vorteil, weil diese Säcke weniger leicht brechen, sie<br />
benötigen auch nur doppelt, statt dreifaches Papier<br />
Decken<br />
Werden wie bei den Schalungsarbeiten gemacht<br />
Weitere Ansatzpunkte für Arbeitsbedingungen<br />
Kranführer<br />
Entscheidender Mann, der wissen muß, was wann passiert, der rechtzeitig informiert wird, wenn jemand<br />
etwas braucht, der mitdenkt und die Dinge dorthin bringt, wo es für den Mitarbeiter am günstigsten<br />
ist.<br />
Dieser kann z.B. 6 t Fertigteilstiegen genau einpassen. Wenn die Last schwankt, bekommt dies auch der<br />
<strong>Bau</strong>arbeiter unten voll zu spüren.<br />
Witterung<br />
Abdecken bei Schneefall mit billiger PVC-Folie, weil auch teure Folien durch die Eisen und dem Schneedruck<br />
Löcher bekommen.<br />
Problem, den Schnee wieder weg zu bekommen: Dampfstrahler bei Minusgraden, und die Sache friert,<br />
beim Gasstrahler ist die Gefahr, dass Alles anbrennt.<br />
Ordnung ist wichtig, denn Schalungsteile, die unter dem Schnee liegen, müssen extra neu angefordert<br />
werden, wenn man sie nicht findet.<br />
Ziegel<br />
Trend geht immer mehr dazu, dass diese leichter werden (Schalungsziegel 19 kg, Porotherm <strong>38</strong> Objekt<br />
19,5 kg). Früher waren die Ziegel wesentlich schwerer.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
S c h l u s s f o l g e rung für die weitere Arbeit<br />
Betreuung von <strong>Bau</strong>firmen<br />
Zeitliche Flexibilität<br />
Nicht zusammengespielte <strong>Bau</strong>gruppen können nicht vor Beginn einer <strong>Bau</strong>stelle informiert werden, sondern<br />
nur während, am besten, dann wenn die <strong>Bau</strong>stelle voll angelaufen ist. Dabei ist zu beachten, dass<br />
die Teams je nach Aufgabenbereichen (Schalungsarbeiten -> Mauern) unterschiedlich besetzt sind. Das<br />
bedeutet, dass es Sinn machen würde, einmal bei den Schalungsarbeitern und in einer späteren Phase<br />
bei den Maurern zu intervenieren. Dies setzt voraus, dass die Intervenierenden über den <strong>Bau</strong>stand informiert<br />
werden von einem entsprechend sensibilisierten <strong>Bau</strong>koordinator/Polier und relativ kurzfristig ihrer<br />
Interventionsaufgabe nachkommen können. Dies ist aber organisatorisch nur dann möglich, wenn ihr<br />
Aufgabenfeld nicht ausschließlich termingebundene Interventionsmaßnahmen umfasst.<br />
Mit anderen Worten: Diese Interventionisten müssen auch Branchen/Bereiche (z.B. auch die Verwaltung<br />
von <strong>Bau</strong>firmen) betreuen, wo sie zeitlich flexibler agieren können.<br />
I n s i d e r- k n o w - h o w<br />
Die Kenntnis von Arbeitsabläufen und Sicherheit auf der <strong>Bau</strong>stelle steigert die Beratungseffizienz: die<br />
Berater werden eher akzeptiert, sie können sich auf konkrete Probleme beziehen und wissen, wann kritische<br />
Situationen anfallen, an denen sie anwesend sein sollten.<br />
Arbeitsabläufe lassen sich durch intensive Einbindung von Polieren und Kranführer optimieren.<br />
Vorgesetzte (Polier, <strong>Bau</strong>leiter) mit ihrem Insiderwissen und ihrem Ansehen sollten an den Interventionen<br />
auch teilnehmen. Die Teilnahme muss so inszeniert werden, dass sie ihre Insiderkompetenz auch einbringen<br />
können, z.B. Relevanz herstellen lassen, Lösungen artikulieren lassen.<br />
Die Integration bietet auch Gelegenheit, Zusammenhänge zwischen Bewegungsqualität und Leistungsfähigkeit<br />
(Poliere) bzw. Wohlbefinden (<strong>Bau</strong>arbeiter) sichtbar zu machen.<br />
Arbeitsbedingungen müssen als gestaltbare, veränderbare erkannt werden. Dies ist selbst im <strong>Bau</strong>, dessen<br />
Kerngeschäft ja die Veränderung von (Arbeits)umgebung ist, nicht immer so selbstverständlich. Daraus<br />
folgt, dass es vorteilhaft ist, Varianten von Bewegungsabläufen, Arbeitsgestaltung und Haltungswechsel<br />
direkt vor Ort erlebbar zu machen.<br />
Stufenaufbau der Interventionspro g ra m m e<br />
An den leidensorientierten Erwartungen der Mitarbeiter ansetzen und auf die konkreten Arbeitsbewegungen<br />
ansetzen.<br />
Aufbauend auf der Bewegungsqualität, Vorschläge zu Arbeitsabläufen bzw. zu ausgleichenden Übungen<br />
herstellen.<br />
Verallgemeinernde Zusammenhänge herstellen, die in eine „persönliche Hausapotheke“ einfließen.<br />
Dieses Anbieten einer „persönlichen Hausapotheke“ hat sich als Orientierungshilfe mit hoher Akzeptanz<br />
bewährt. Diese enthält zwei bis drei Tipps, die die <strong>Bau</strong>arbeiter jederzeit umsetzen können. Weiter<br />
gegeben werden diese am besten in Einzel- bzw. Kleingruppengesprächen vor Ort.<br />
Reihenfolge der Interventionen<br />
Tipps zur Bewegungsqualität erhöhen die Akzeptanz für kompensatorische Bewegungsprogramme.<br />
Mitarbeiter wollen zu allererst einmal wissen, wie man sich „richtig“ bewegt. Es ist aber darauf hinzuweisen,<br />
dass es keine richtige Bewegung gibt, die sich über Stunden nicht ändert. Daher ist - immer<br />
noch unter dem Aspekt der Bewegungsqualität - Haltungswechsel nötig. Ausgleichsübungen stellen eine<br />
Sonderform von Tätigkeitswechsel dar. Tätigkeitswechsel ist aber im Gegensatz zu Haltungswechsel<br />
eine keineswegs so einfache Lösungsebene. Die Bereitschaft, etwas Anderes zu machen als die Arbeits-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 41
42<br />
situation vorgibt, ist nicht ausgebildet, weil „Arbeitssituation“ auf „Arbeitsaufgabe“ reduziert ist. Die<br />
Beanspruchungen (siehe Einleitung) sind in diesen Überlegungen ausgeblendet.<br />
Diese einzublenden, indem man die Bewegungsqualität als wesentlich, aber nicht ausreichend darstellt,<br />
ist nötig.<br />
Umfang und Org a n i s a t i o n<br />
Bewegungstipps können nicht in einer einmaligen Schulung vermittelt werden, sie erfordern Aufbau<br />
und Wiederholung. Dabei ist die Kombination von Gruppenschulung und anschließendem teilnehmenden<br />
Coaching zu favorisieren.<br />
Wenn schon geblockte Maßnahmen, dann in drei Tagesblöcken (Donnerstag bis Samstag)<br />
Besser, wenn die Schulung nicht vor Ort ist (weniger Ablenkung)<br />
Noch besser: am Tag miteinander arbeiten und am Abend noch zusammen sitzen, weil da viele Fragen<br />
noch beantwortet werden können (allerdings Erfahrung aus Konfliktmanagementseminar)<br />
Ein Grund liegt z.B. in der einfachen Tatsache, dass Informationen in kleinen Dosen gegeben werden<br />
müssen, d.h. nicht mehr als zwei wesentliche Aussagen treffen.<br />
In vier Einheiten à 30 Minuten können die wesentlichen Aspekte des körpergerechten Arbeitens an den<br />
Mann weiter gegeben werden.<br />
Das perpetuum mobile gibt es nicht, daher müssen immer neue Verpackungen gefunden werden, Bewegungsergonomie<br />
zu thematisieren. So haben auch die Poliere im Rahmen des Projekts deutlich Bedarf<br />
angemeldet, dass die Mitarbeiter hin und wieder unterwiesen werden. Dies entspricht auch den Bestimmungen<br />
des Arbeitnehmerschutzgesetzes (vgl. AschG § 14).<br />
Manche Lösungsvorschläge, wie z.B. Tätigkeitswechsel bzw. Aufgabenrotation, greifen nicht über direkte<br />
Arbeitnehmerberatung sondern erfordern Organisationsentwicklungsmaßnahmen. Deshalb ist es<br />
vorteilhaft, wenn vorbereitend bzw. begleitend auch der Bürobereich betreut wird.<br />
Begleitendes Informationsmaterial<br />
Schriftliche Unterlagen (in Plakatform) sollten sich möglichst direkt auf die Situation auf der konkreten<br />
<strong>Bau</strong>stelle beziehen.<br />
Plakate mit konkreten Tipps vor Ort sollen direkt an der <strong>Bau</strong>stelle aufgehängt werden. Günstig ist es,<br />
den Polier für die Pflege dieser Medien zu gewinnen.<br />
Schulung der Kranführer<br />
In der Verordnung über den Nachweis der Fachkenntnisse für bestimmte Arbeiten (BGBl Nr 441/1975 in<br />
der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 450/199425 ), § 3 wird der Nachweis der Fachkenntnisse für<br />
das Führen von Kranen rein sicherheitstechnisch beschrieben. Nicht ausdrücklich angeführt sind Kenntnisse<br />
von Arbeitsabläufen, Organisation und Ergonomie, wo gerade diese Berufsgruppe eine Schlüsselgruppe<br />
wäre.<br />
Stressabbauendes Zeitmanagement<br />
Dann, wenn die Mitarbeiter Ausgleichsübungen am meisten benötigen würden (Zeit- und Arbeitsdruck),<br />
sind sie am wenigsten bereit, diese zu machen. Daher sollten gerade unter Zeitdruck Rituale entwickeln,<br />
um sich mit Hilfe kurzer stressabbauender Bewegungsübungen zu entspannen . Dennoch entstehende,<br />
informelle Pausen müssen bewusst gemacht werden und als Frei-Zeit-Nischen genutzt werden.<br />
25) gelten gemäß § 113 Abs 2 ASchG bis zum Inkrafttreten einer Vdg nach dem ASchG über den Nachweis der Fachkenntnisse.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme
Durch gute Planung lassen sich viele Stressherde a priori bereits vermeiden. Daher sollten <strong>Bau</strong>gruppen<br />
am Beginn auch die Zeit gelassen werden, Arbeitsabläufe ökonomisch vorzuplanen.<br />
Inhalte einer Bewegungsergonomie<br />
Bewegungsprogramme sollten möglichst an konkreten Alltagssituationen ansetzen.<br />
Es besteht die Gefahr, dass Bewegungsqualität auf „arbeiten mit geradem Rücken“ reduziert wird. Ein<br />
kontraproduktiver Effekt, wenn die <strong>Bau</strong>arbeiter die Bewegungsvielfalt reduzieren oder vermehrt andere<br />
Gelenke (z.B. Knie und Schultern) beanspruchen.<br />
Mit adäquaten Arbeitsmittel (z.B. Scherentisch beim Mauern) bei entsprechender Planung (Umsetzen<br />
von Schalentisch bzw. Schalungsteilen mit Hilfe des Krans) und Materialeinsatz (5 bis 8 cm mehr K1 Beton<br />
verwenden und mit Walze planen) können mitunter Belastungen vermieden werden.<br />
Ausblick – weitere Maßnahmen<br />
R ü c ke n s c h u t z b e k l e i d u n g<br />
Wie die HZK - Krankenkasse für <strong>Bau</strong>- und Holzberufe in Deutschland in einer Langzeitstudie über fünf<br />
Jahre nachweisen konnte, unterstützt ein Schutz für Nieren und Rücken („Rückenwärmer“) auf der <strong>Bau</strong>stelle<br />
die Vermeidung von Rückenschmerzen.<br />
In ihrem neuen Modellvorhaben „Mein Rücken: top fit“ möchte die HZK daher jetzt bundesweit mit Hilfe<br />
ihrer Mitglieder überprüfen, inwieweit der Rückenwärmer als persönliche Vorsorgemaßnahme gegen<br />
Rückenbeschwerden akzeptiert und genutzt wird. Insbesondere junge Menschen am Beginn ihres Berufslebens<br />
will die HZK dafür gewinnen, ihren Rücken besonders zu schützen, um ernsthafte Rückenprobleme<br />
durch die berufliche Tätigkeit zu vermeiden.<br />
Die HZK stellt ihren Mitgliedern daher kostenlos eine neue Form des Rückenwärmers zur Verfügung, der<br />
speziell für Menschen in Außenberufen entwickelt wurde.<br />
Dieser BODY GUARD, wie die HZK diesen Rückenschutz nennt, ist ganzjährig zu tragen, da die Feuchtigkeit<br />
nach außen transportiert wird, Kälte und Zugluft jedoch abgewiesen werden und könnte sich gut<br />
als flankierende Maßnahme von <strong>Bau</strong><strong>Fit</strong> eignen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Konzept der Bewegungsprogramme 43
H e rz - K re i s l a u f - K o o rdinationstraining<br />
Dipl. Eur. Fanny Kneucker<br />
Eurythmy for Business, Forest Row, East Sussex, UK<br />
Z i e l e<br />
Der von Dr. Rudolf Steiner beschriebene „Eigenbewegungssinn“ war für mich ein Schlüssel zu der Problematik,<br />
mit der wir es hier zu tun haben. Durch ihn erfährt der Mensch sich selbst und seinen Alltag im<br />
bewegten Rhythmus des Lebens. – Eurythmie aus dem Griech.: Rhythmische Ordnung der Bewegung (=<br />
Leben, Lebenskräfte) folgt einem ganzheitlichen System, welches immer mit den drei Kräften des Menschen<br />
arbeitet: Denken, Fühlen (Sinn für Ästhetik), Wollen.<br />
Es folgt nun eine Aufzählung der Themen und Übungen, die ich mit den Arbeitern und dem Verwaltungspersonal<br />
der Firma erüben wollte und erübt habe.<br />
Es war mein Ziel, mit den Übungen vor allem das Herz-Kreislauf-System zu stimulieren und rhythmische<br />
Schwingungen zu unterstützen, etwa durch Übungen basierend auf dem Rhythmus 1:4, 12teilige Stabübung.<br />
Außerdem ging es mir darum, durch die Eurythmie folgendes in den Klienten zu erwecken:<br />
Innere Ruhe, vertieften Atem, Entspannung, um so dem Arbeitsstress entgegen zu wirken. Das tritt bei<br />
der für die Übungen notwendigen Konzentration sowie bei den diesen Zustand fördernden Übungen<br />
wie dem „Atmenden Kreis“ und dem sogenannten „Eurythmischen Gehen“ auf, wobei der Schritt in<br />
seine einzelnen Phasen zerlegt wird: Heben, Tragen, Stellen. Der Konzentration selbst half dieses Gehen<br />
auch, da die Hände mit der Kugel zugleich eine Form beschreiben. Inneres Hören, Inneres Sehen: diese<br />
entstehen durch das Vorstellen der inneren Bilder (z.B. die abzulaufende räumliche Form), während man<br />
die Form läuft – man lernt dadurch „Vorgreifen“ und im Handeln denkend tätig zu sein. Beides sind<br />
wichtige Fähigkeiten, die den Arbeitsalltag erleichtern und bewusster machen und daher helfen können,<br />
die Unfallgefahr herabzusenken. Das innere Hören bezeichnet auch die Fähigkeit, den Gruppenimpuls<br />
wahrzunehmen. In diesem Zustand herrscht im Team Vertrauen, alle sind gleich verantwortlich für<br />
das, was als nächstes kommt. Übungen dazu: 12teilige Stabübung und Sechsstern, „Alle Werfen“,<br />
„Wasserfall“ in der Zeile, jede Gruppenform. Diese Übungen schulen ein neues Gruppen-, Körper-, und<br />
Raumbewusstein, und zwar ein lebendig schwingendes. Diese Fähigkeiten helfen, Stress abzubauen,<br />
das Team zusammenzuschweißen, also Unfälle zu vermeiden. Letztlich ging es auch darum, sich als im<br />
Körper hausend zu erleben, die eigenen Maße in der Bewegung und im Räumlichen kennenzulernen,<br />
etwas, dass nicht nur bei der Dimensionsübung, den Stabübungen „Messübung“ und Wasserfall, sondern<br />
auch wieder beim „Sechsstern“ geübt wurde. Den abzulaufen erfordert, ein objektives Maß selbstständig<br />
im Raum erstellen zu können. Dieses Bewusstsein soll aber nicht erst zu Schluss entstehen, sondern<br />
soll Anfang und Teil des Ganzen sein. Die eigenen Maße zu kennen, diese in der Bewegung räumlich<br />
zu erleben, trägt auch dazu bei, der Alltagssituation neu, bewusster entgegentreten zu können, und<br />
somit Unfällen, die durch „Eingeschlafensein“ entstehen können, entgegenzuwirken.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Herzkreislauf-Koordinationstraining 45
46<br />
Vo rgefundene Situation<br />
Zuerst möchte ich erwähnen, dass die Initiative des Poliers Hr. Tuscher, sofort einen Container für die Eurythmie<br />
zu bestellen, zentral für das Gelingen der Intervention war.<br />
Die Umstände, die wir vorfanden, waren für das Training sehr gut. Ich konnte mein Programm mehr<br />
oder weniger uneingeschränkt durchführen. Natürlich kann man aus der jetzigen Erfahrung versuchen,<br />
einiges anders zu machen, um organisatorischen Problemen auszuweichen (siehe Verbesserungsvorschläge).<br />
Angepasstes Übungspro g r a m m<br />
Ich konnte die Übungen, die ich mitgebracht hatte und schlussendlich auswählte, beinahe uneingeschränkt<br />
durchführen. Ich musste nur wenig ausfallen lassen, hauptsächlich aus Zeitgründen, da ich oft<br />
das Wiederholen der Übungen dem Erlernen neuer Übungen vorzog. Ich musste mich natürlich einarbeiten,<br />
d.h. Übungen manchmal umstellen oder anders bringen, je nach Gruppenbedürfnis. Es wurde<br />
mir schnell klar, dass ein Paket von Übungen, wie die Übungen für „Körpergerecht Arbeiten“ und für<br />
Bewegungsausgleich, bei der Eurythmie für die <strong>Bau</strong>arbeiter nicht möglich war. Aus Zeitgründen haben<br />
wir es z.B. nicht geschafft, das „Stabprogramm“ vollständig zu erüben, welches so ein Paket hätte werden<br />
sollen. In der Zentrale hat eine Teilnehmerin allerdings ein Programm erarbeitet, das sie selbständig<br />
weiter üben kann, obwohl auch hier die Übungen nicht „stehen bleiben“ sollten. Es war dies allerdings<br />
eine Einzelarbeit (keine Gruppenübung), was einen Unterschied macht (siehe Verbesserungsvorschläge).<br />
E rg e b n i s s e<br />
Trotz der geringen Anzahl der Übungseinheiten kann ich von einigen „Sternstunden“ sprechen. Um einen<br />
tiefgreifenden Prozess auszulösen (damit das bessere soziale Miteinander nicht schon nach 10 Min.<br />
wieder vorbei ist) hätte man intensiver oder länger arbeiten müssen (siehe Verbesserungsvorschläge).<br />
Es gab Aha-Erlebnisse, wenn etwas erkannt wurde („Alle werfen“-Übung, Dimensionsübung), oder<br />
wenn man „berührt“ wurde von einem Übungsprozess. Beispiel: Alle Stäbe können tatsächlich aneinander<br />
vorbeifliegen, wenn der Impuls wirklich von allen gemeinsam kommt, oder man erlebt bei der Dimensionsübung,<br />
wie sich der Kanon von alleine zu tragen scheint, aus dem „musikalischen“ Zusammenspiel<br />
der Einzelnen; beides Erlebnisse, die davon zeugen, wie wichtig jeder Einzelne für das Gelingen<br />
der gemeinsamen Aufgabe ist. Es wurde erlebt, wie sich das soziale Klima verändern kann, und<br />
zum Teil entstand sehr schön das innere Hören und Sehen (siehe oben), in unterschiedlichem Maß, je<br />
nach Gruppe.<br />
Diese Erlebnisse, wenn durch oftmaliges Wiederholen der Übungen vertieft, bleiben tief im menschlichen<br />
Gefüge verankert, der Mensch wird sich seines Selbsts, seiner Bewegung und des Raumes bewusster.<br />
Um das zu erreichen, war das Projekt und die Intensität der Einheiten leider zu gering. Ich bin<br />
jedoch der Meinung, das die essentiellen „Samenkörner“ für diese Prozesse während des Projektes sehr<br />
wohl gepflanzt wurden. Es wurde von den Arbeitern z.B. erlebt, wie eine Übung nach einer Pause keineswegs<br />
vergessen ist, sondern sogar weiterwächst (Befragung, Berichte und Erläuterung, 1. Abschnitt).<br />
Ich würde dennoch sagen, dass ich mein Ziel sogar übertroffen habe. Kommentare am letzten Tag in der<br />
Firma: „Das wird mir abgehen“ (Stressabbau), und „Das tut mir so gut“ (Eurythmisches Gehen, von<br />
Forschungsbericht BAUfit – Herzkreislauf-Koordinationstraining
dem ich dachte, das kommt ja gar nicht an) und „Jetzt, wo ich endlich kapiert habe, worum es geht<br />
und's mir so richtig taugt, gehn Sie weg“ (eine Teilnehmerin in der Zentrale); eine Teilnehmerin wollte<br />
meine Übungen auf Kur mitnehmen. Mein Eindruck, dass sogar die Schalungstischler, mit denen ich die<br />
letzten Tage in einer sehr kleinen Gruppe gearbeitet habe, jetzt so richtig loslegen könnten, haben mich<br />
nicht nur überrascht, sondern bestätigen, dass die Eurythmie es doch geschafft hat, den Menschen etwas<br />
ganz spezielles zu bieten, bei dem sie sich im tiefsten Innern angesprochen und gefordert fühlten.<br />
Es ist eine Tatsache, dass man sich auf die Übungen voll und ganz einlassen muss (Denken, Fühlen, Wollen),<br />
damit sie greifen können. Einerseits fehlte die Möglichkeit, sich so einzulassen, wie es nötig wäre.<br />
Das lag nicht an der räumlichen Situation, sondern an der mangelnden Einführung der Intervention (siehe<br />
Verbesserungsvorschläge). Andererseits führte die Intervention selbst anfangs oft zu innerem Widerstand,<br />
weil die Übungen viel vom Menschen verlangen. Nun kommen wir zum Thema Misserfolg: Ich<br />
würde diesen Widerstand nicht als solchen bewerten. Die Eurythmie trifft den Menschen in seinem tiefsten<br />
Wesenskern. Natürlich muss es Widerstand geben. Dennoch sind wir da durchgekommen, wie die<br />
kleineren Gruppen bewiesen haben (siehe Verbesserungsvorschläge). Im Grunde ist so ein Widerstand<br />
ein positiver Teil eines Prozesses, der sehr tief greifen kann, der aber nötig ist, denn alles, was unsere Angewohnheiten<br />
(die in diesem Fall zu Unfällen führen können) grundlegend verändern will, ist unangenehm.<br />
Ebenfalls erwähnen möchte ich hier, dass die Auswahl von „klassischen“ Dichtern ganz bewusst<br />
geschah. Bitte meinen Bericht vom 1. Abschnitt diesbezüglich zu lesen, wo ich das genau erkläre. Da Eurythmie<br />
„sichtbare Sprache“ ist, sind Worte, Laute und Rhythmus alle wichtig für die Übungen. Ich sah<br />
die Texte aber nicht als ein Problem, welches mich bei der Arbeit behindert hätte. Hr. Tuscher und Hr.<br />
Fröhlich haben beide Kopien von allen Gedichten verlangt. Aus Zeitgründen haben wir es nicht geschafft<br />
das komplette Stabprogramm zu erarbeiten (4 Übungen, die ich als komplettes <strong>Fit</strong>nessprogramm<br />
bezeichne). Allerdings kann jeder die „Dimensionsübung“ alleine üben, auch als Gruppenkanon. Ich<br />
weiß nicht, ob das so wichtig ist, da die Wirkung der Übungen vor allem nachher eintritt (siehe Verbesserungsvorschläge).<br />
Die Sekretärin wird auf jeden Fall in der Lage sein, alleine ihr Büroprogramm während<br />
der Arbeitszeit auszuführen.<br />
Ve r b e s s e rungsvorschläge und Ausblick<br />
Ich würde vorschlagen, nächstes Mal den Interventionsplan offen zu lassen und ihn eher mit den Betroffenen<br />
vor Ort (am <strong>Bau</strong>) gemeinsam zu erstellen. Somit sind sie sofort miteinbezogen und engagiert. Den<br />
abgeschlossenen Raum – Container – würde ich beibehalten.<br />
Da man die „Herz-Kreislauf-Koordination“ nicht wirklich verbal verständlich machen kann, würde ich,<br />
auf der Führungsebene beginnend, zwei Wochen Einführungszeit anbieten, die verpflichtend ist (wenn<br />
die Zahl der Einheiten über 4 mal liegt, reichen 2 Wochen) und danach die Teilnahme freistellen. Den Arbeitern<br />
würde ich diese Einführung dann ebenfalls anbieten. Sie wissen dann aber, dass die Führung bereits<br />
dahinter steht, und somit eröffne ich eine Situation, in der jeder weiß, worauf er sich einlässt und<br />
weshalb (er hat's ja schon erlebt). Dadurch ist ein guter Boden bereitet, auf dem man mit dem „Herz-<br />
Kreislauf-Koordinations-Training“ ein Optimum erreichen kann.<br />
Wegen der Wichtigkeit, Umstände zu schaffen, unter denen das Training voll aufblühen kann (damit wir<br />
nicht in Zeitmangel etc. geraten), und der Wichtigkeit des Übens und Wiederholens, damit sich das Geübte<br />
„einschleifen“ kann, und des Weiterentwickelns der Übungen würde ich einen Blockunterricht vorschlagen,<br />
der jährlich in derselben Firma wiederholt wird, bis diese neuen Impulse gegriffen haben. Die<br />
Pausen dazwischen sind von gleichwertiger Bedeutung (Rhythmus des Prozesses).<br />
Forschungsbericht BAUfit – Herzkreislauf-Koordinationstraining 47
48<br />
Ich beobachtete, dass in kleineren Gruppen, sowohl auf dem <strong>Bau</strong>stelle als auch in der Verwaltungszentrale<br />
der Firma, eine höhere Arbeitsintensität und Offenheit herrschte. Ich wollte anfangs größere Gruppen,<br />
weil man da mehr in Richtung Teambildung machen kann, sah aber, dass es den Klienten leichter<br />
fiel, sich zu öffnen, wenn die Gruppe aus 2–4 Leuten bestand. Dann bekam ich auch das Feedback, welches<br />
mir half, die Übungen an die Menschen anzupassen. In der größeren Gruppe wurde meistens<br />
nichts gesagt. Vor allem in dieser Branche wäre es daher in Zukunft vielleicht anzuraten, die Gruppen<br />
kleiner zu halten.<br />
Zu bedauern ist, dass ich das „Büroprogramm“, welches ein in sich selbst geschlossenes „Paket“ ist, nur<br />
bei einer Person (der Sekretärin) anwenden konnte. Dieses Programm kann – mit einer wöchentlichen<br />
Kontrolle – alleine während des Arbeitstages geübt werden und dauert ca. 10 Min.<br />
Bericht und Erläuterung / 1. Abschnitt<br />
Was ist Eurythmie (Herz-Kreislauf-Koordinationstraining)?<br />
• Entstand am Beginn des 20. Jhds., entwickelt von Rudolf Steiner<br />
• Eine Kunstform, die zuerst als Bühnenkunst entwickelt wurde, sich aber bald zusätzlich in folgende<br />
Zweige aufspaltete: Pädagogik, Therapie.<br />
• Am Arbeitsplatz setzt man Übungen aus dem pädagogischen (auch hygienischen) Zweig ein.<br />
Eurythmie wird in diesem Zusammenhang normalerweise in der Gruppe gemacht.<br />
• Sie ist „sichtbare Sprache, sichtbarer Gesang“ (wird mit Musik oder Rezitation begleitet). Mit der<br />
Übung „Eurythmisches Gehen“ z.B., kann man gut erleben, was das bedeutet: „sichtbare<br />
Sprache“.<br />
Wirkung der Eurythmie:<br />
• Eurythmie hat eine harmonisierende, ausgleichende Wirkung auf den Menschen.<br />
• Sie bringt den Körper zum „Klingen, Schwingen“ durch Beanspruchung der menschlichen<br />
Vorstellungskraft, Konzentration und körperlichen Koordination (und nicht durch mechanischphysische<br />
Bewegungen.<br />
Bei Fragen zur Wirbelsäule: Diese wird quasi von „außen“ gehalten, durch Vorstellungs- und<br />
Raumbewusstseinsschulung.<br />
Anwendung der Eurythmie im BAUfit-Projekt<br />
• Es wurde ein 30 m2 großer <strong>Bau</strong>container (mit Fenstern, beheizbar) zur Verfügung gestellt. Der<br />
schützende Raum war zentral für das Gelingen der Intervention.<br />
• Übzeiten waren 2 mal pro Woche, insgesamt 1,5 Stunden, über 4 Wochen. Ideal wären: 3 bis 5<br />
mal pro Woche, aber kürzer und über einen Zeitraum von 6 Wochen, mit jährlicher<br />
Wiederholung des Blocks, um Erfolg zu garantieren: damit auch tatsächlich in den Alltag einfließt,<br />
was geübt wird.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Herzkreislauf-Koordinationstraining
Bedeutung der Eurythmie für das BAUfit-Projekt<br />
• Eurythmie, in der Gruppe gemacht, schult nicht nur Vorstellungskraft, Konzentration und<br />
Körperkoordination, sondern zugleich räumliche Wahrnehmung, den Umgang mit der räumlichen<br />
Dimension und den in ihr vorhandenen Menschen und Gegenständen.<br />
• Oftmaliges Wiederholen führt über das rein physische Erleben der Übung („was man als nächstes<br />
tun muss“) hinaus, man kann sich selbst in der Situation beobachten lernen, sich im<br />
Räumlichen erleben. (Das wurde auch von einem Arbeiter erlebt.) Das bedeutet: sich frei gemacht<br />
haben in einer Lebenssituation, nicht „untergebuttert“ worden zu sein von den Anforderungen.<br />
Das bringt Entspannung und ein erhöhtes Lebensgefühl. Die Eurythmie tut all das,<br />
indem sie dennoch in voller Interaktion mit der Welt steht. Sie ist also keine Meditation, obwohl<br />
sie eine innere Aktivität verlangt.<br />
• Geübt werden muss mit Konzentration und Genauigkeit (Disziplin). Dann erst erlebt man<br />
Genugtuung, Schönheit (es wird künstlerisch), und man empfängt dadurch Lebenskräfte.<br />
Beispiel: Die Stimmung am Ende der Stunde ist „leicht“ und fröhlich, nicht mehr schwerfällig.<br />
• Man muss auch Abschalten, um sich konzentrieren zu können. Darin erleben die Arbeiter eine<br />
„Erfrischung“. Diese Konzentration bringt innerliche Ruhe, die sich in tatsächlicher Stille ausdrückt.<br />
Dies wurde von den Arbeitern immer mit Erstaunen wahrgenommen.<br />
• Nicht nur mental wird konzentriert, sondern ganzheitlich. Die Aufgabe muss räumlich gelöst<br />
werden, mit der Vorstellungskraft, den Gliedmassen, dem Seh- und Hörsinn, dem Denken, dem<br />
Willen und dem Herzen (man muss sich anpassen an Kollegen, trotz Fehler soll die Übung weitergetragen<br />
werden – „das Leben geht weiter“). Diese Ganzheitlichkeit, der Rhythmus und Fluss<br />
der Übungen wirken auf körpereigene Rhythmen und Gruppenrhythmen entspannend und anregend.<br />
• Vordenken, Vorstellen und denkend Handeln machen die Arbeit für den Einzelnen leichter, ebenso<br />
wie die Zusammenarbeit in der Gruppe – ein inneres Aufeinanderhören wird dabei ausgebildet.<br />
• Eurythmie ist und soll auch, erhebend sein. Die Schönheit einer Übung erleben, hebt auch<br />
Lebenskräfte, bewirkt Freude. Der Mensch wird hier auf vielen Ebenen zugleich gefordert: verschiedene<br />
Zeitabläufe, Dimensionen laufen nicht linear, sondern synchron ab. Der Mensch im<br />
Zentrum dieser Aktivität wird erhoben. Gedichte geben dazu Form, Rhythmus, sind auch neutraler<br />
Rahmen (statt des Zählens durch den Lehrer). Sie wurden sofort akzeptiert. Man kann allerlei<br />
Gedichte wählen, Inhalt, Form, Rhythmus und Laute („Sichtbare Sprache“) müssen allerdings<br />
zur Übung passen. Beispiel: „Im Atemholen“ (Goethe): Es wurde sofort verstanden: Ich atme –<br />
der Kreis atmet – das Gedicht handelt vom Atem. Also ein künstlerisches Ganzes.<br />
• Die Eurythmie übt Qualitaten – nicht physische Abläufe. Diese Qualitäten sind im Alltag, im persönlichen-<br />
und im Arbeitsbereich brauchbar. Das wurde auch erkannt. Ich erlebe mich neu, in<br />
Bezug zu meinen Tätigkeiten und meinem Umfeld. Neue Tore werden mir geöffnet. Ich kann zu<br />
Altem eine neue Einstellung entwickeln, werde flexibler und selbstverantwortlicher (persönlich,<br />
im Arbeits- und im sozialen Bereich).<br />
Ausblick<br />
Die Übungen, obwohl manche, wenn gut einstudiert, auch alleine gemacht werden<br />
können, brauchen den Trainer und eine regelmäßige „Kontrolle“. Übungen, falsch gemacht, sind nutzlos,<br />
konnen sogar schädlich sein. Übungen sollen auch weiterentwickelt werden.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Herzkreislauf-Koordinationstraining 49
50<br />
Ich schlage vor: Eurythmie-Blocks, 1 mal pro Jahr in derselben Firma über einen Zeitraum von 2–4 Jahren.<br />
Damit sollte ein guter Boden für die Zukunft gelegt sein. Die Arbeiter selbst zeigten Interesse und<br />
Willigkeit, tiefer in die Materie einzusteigen, damit sie im Alltag „nicht mehr auseinander fallen“. Neue<br />
Kollegen können jederzeit mit eingeschult werden und „mitwachsen“.<br />
Leseanregung: „Eurythmie am Arbeitsplatz“, Hg. Brater/Buchele/Herzer, Verlag<br />
Freies Geistesleben, ISBN 3-7725-0862-6.<br />
Fragebogen <strong>Bau</strong>stelle / 1. Abschnitt<br />
Wie empfanden Sie:<br />
1 das räumliche Bewegen? Wurde es Ihnen bewusst?<br />
2 wenn es „still“ wurde?<br />
3 wenn es geklappt hat?<br />
4 wenn es nicht geklappt hat?<br />
5 das Konzentrieren?<br />
6 die Texte? (Rolle und Inhalt des Textes) Was hat er für Sie (Gruppe), Ihre (Gruppen-)Bewegung<br />
bedeutet?<br />
7 Wenn man die Übung „mit links“ kann?<br />
Haben Sie einen Sinn gesehen:<br />
8a im Zusammenhang mit dem Arbeitsalltag (nicht Handgriffe, sondern Einstellung zur Arbeit)?<br />
8b für Sie persönlich, die Gruppe, bei folgendem<br />
•Vordenken (Ablauf)?<br />
•Vorstellen (Bild)?<br />
• Koordination üben?<br />
• Konzentration üben?<br />
• „Stille“?<br />
•Wenn's klappt (Erfolg)?<br />
9 Würden Sie die Herz-Kreislauf-Koordination weiter machen wollen?<br />
Diese Fragen bin ich im Gespräch mit den Arbeitern durchgegangen.<br />
A u s w e rtung der Fragen / 1. Abschnitt<br />
1 Räumliches Erleben, und Raum be- und ausnutzen: neues Erlebnis. Daheim achtet man nicht darauf.<br />
– Der Raum hat die Beweglichkeit einerseits begrenzt, andererseits Schutz geboten. –<br />
Draussen (anlässlich der Fernsehaufnahmen) freier, daher ging es besser, mehr Platz. –<br />
Räumliches Empfinden nicht so bewusst, eher drarauf geschaut: klappt die Übung. – Je länger,<br />
desto bewusster.<br />
2 Super. – Man hat die Konzentration gemerkt. – Ruhe erlebt, war entspannend. – Perfekt. – Man<br />
hört aufeinander, wohltuend. – Die Konzentration wird gefordert.– Jeder hat nachgedacht zu<br />
den Übungen. – Nicht immer angenehm (Stab). – Eher erfrischend.– Ruhig, gelöst.<br />
3 Befriedigend, mit sich selbst zufrieden. – Super. – Erleichtert. – Nicht so schlecht, zufriedenstellend.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Herzkreislauf-Koordinationstraining
4 Deprimierend, geniert.– Gut, dass kein Ausschluss stattfand, sondern dass wiederholt wurde, bis<br />
es klappte; dass Verständnis da war und alle mitgetragen wurden. – Fehler okay, aber zu oft<br />
„zipft an“. – Fehler gehören dazu, man bemüht sich halt dann mehr. – Keiner will Fehler<br />
machen. – Peinlich.<br />
5 Interessant. – Lustig, nicht anstrengend, aufgeheitert. – Befriedigender (als Zählen). – Mitdenken<br />
müssen. – Nicht lästig. – Ein bissl anders wird man. – Je länger, desto einfacher.<br />
6 Erfreulich. – Mitschwingen. – Sensibilisiert. – Anfangs: Sekte, Kirche? – Mit der Zeit war zählen<br />
störend. – Führte zu Gleichklang in der Gruppe. – Reden (Text) angenehm. – Gepasst. – Witzig,<br />
seltsam. – Übung gut gepasst und erleichtert. – Goethe: wie Kind, das einschläft. – Hilfe. –<br />
Rhythmus, Wärme, Sinn.<br />
7 Man fühlt sich überlegen; anfangs noch Konkurrenz, dann Andere mitgenommen. – Eher sich<br />
auf anderes konzentrieren können: Text, Umgebung, Soziales (Andere mittragen). – Wenn's<br />
nicht so gut geht, beim Anderen Hilfe suchen. – Mit sich zufrieden.<br />
8a,b Gemeinschaft fällt draußen (<strong>Bau</strong>stelle) auseinander. – Vordenken: immer bei der Arbeit, aber<br />
man hat nur generell ein Ziel, nicht im Detail. – Wenn's klappt, wäre es besser. – Konzentration<br />
und Koordination: völlig neu, es so zu üben.– Beim Gehen denken, was ich tue, auch völlig neu.<br />
– Das alles (Neues) mit Bewusstsein machen, wäre gut, fällt im Alltag aber weg. – Länger üben,<br />
dann bringt's was. – Besser aufgelegt. – „Nixtun“ gut. – Sozialer Austausch wird angeregt. –<br />
Konzentrationsschulung, Vordenken im Alltag ganz wichtig. – Vorausdenken hilft sparen (auch<br />
vor Sonnenhitze). – Mitdenken auf ganzer <strong>Bau</strong>stelle angeregt. – Perfekt: Ruhe (Sammeln) vor<br />
dem Tun. – Inneres Bild: der Konzentrationsschulung wird geholfen. – Erleichtert Vorgänge:<br />
Arbeitsplanung, Bild machen, wichtig. – Im Gegensatz zu anderen Trainings (Management):<br />
Konzentration macht es leichter, mehr durch/mit Gruppe lernen, nicht einzeln. – Abschalten vom<br />
<strong>Bau</strong>: im Endeffekt doch Stress reduziert. – Durch räumliche Bewegung, leichter das Ziel zu erreichen.<br />
– Ruhe nicht so wahrgenommen, weil nicht wusste, worum es geht. – Besser sofort erklären<br />
und Ziel setzen. – Zu kurz. – Bissl was gebracht. – Zeit zu kurz, um ordentlich zu lernen. –<br />
Bei Arbeit auch vordenken müssen. – Abschalten nötig: gut getan. – Problem lag mehr an mangelnder<br />
Erklärung, als an den Bewegungen.<br />
9 Nur weil während der Arbeitszeit. – Wenn nicht alleine, ja. – 10 dafür, weiter zu machen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Herzkreislauf-Koordinationstraining 51
52<br />
Bericht und Erläuterung / 2. Abschnitt<br />
<strong>Bau</strong>stelle Heinrichstrasse und Zentrale Resselgasse.<br />
Dieser Abschnitt war für mich sehr kurz. Dennoch gab es im Kleinen wichtige Momente mit dieser Gruppe<br />
und ein Ergebnis, das mich sehr erstaunt hat.<br />
Dieser Bericht beinhaltet: Eine Gruppenbeschreibung, eine Inhalts-und Übungsbeschreibung, eine kleine<br />
Befragung und die Ergebnisse.<br />
Gruppenbeschreibung<br />
Diese zweite Gruppe war viel homogener als die erste. Es waren alles Zimmerleute. Der Altersunterschied<br />
schien mir nicht so groß. Es gab keine klaren „Rädelsfuhrer“ (im Unterschied zur ersten Gruppe),<br />
und daher ergriff keiner die Initiative, was oft zu Wartezeiten im Unterricht führte. Es war auch anfangs<br />
ein größerer Widerstand zu erleben, obwohl ich Erläuterungen diesmal voraus- statt hinterdrein schickte.<br />
Es kam anfangs auch die Frage, ob ich Zeugin Jehovas sei? (Bei ihnen im Dorf scheinen sie damit ein<br />
Problem zu haben). Die Frage wurde durch den Text „Im Wandern zu singen“ (Christian Morgenstern)<br />
ausgelöst, obwohl das Wort „Gott“ gar nicht vorkam. Ich bin der Meinung, es war eine Provokation, die<br />
mit dem innerlichen Widerstand zu tun hatte. Das andere Schlagwort war Konzentration („Ich konzentriere<br />
mich jetzt schon viel besser“) und kam von derselben Person, die die vorige Frage gestellt hatte.<br />
Andererseits war auch dieselbe Person zutiefst enttauscht, als ich die schwere Konzentrationsübung<br />
(siehe Übungsbeschreibung), die sie schon fast beherrschte (3. Abschnitt!) aus Zeitmangel fallen lassen<br />
musste. Die größte Geschicklichkeit dieser Gruppe lag eindeutig in den räumlichen Gruppenübungen,<br />
die Spaß zu machen schienen, wobei ihnen die Konzentrationsübung sehr schwer fiel. Sie sagten, sie<br />
seien damit überfordert.<br />
Die Texte erregten in dieser Gruppe anfangs ebenso Widerstand: „Es kommt uns witzig vor.“ Dabei lag<br />
es ganz und gar nicht an einem mangelnden Sinn für Ästhetik. Hier darf ich eine Anmerkung machen:<br />
Eine Gruppenübung, schön gemacht, berührte mich zutiefst, da ich dabei einen Sinn für Feinheit in der<br />
Gruppe erlebte, der in der 1. Gruppe nicht zu bemerken war (Verbindung mit Holz?).<br />
Ein Drittel der gesamten Zeit ging wohl damit verloren, die Männer dazu zu bringen, sich zu konzentrieren<br />
und sich mit den Übungen einzulassen. In den anderen zwei Dritteln wurde äußerst schön gearbeitet.<br />
Einer der Arbeiter wußte alle Holzarten der Holzkugeln, die wir verwendeten, was von einer wirklichen<br />
Verbindung mit dem Material zeugte. – Es war mit einer inneren Sicherheit gesagt worden.<br />
Inhalts - und Übungsbeschreibung<br />
Hauptsächlich arbeiteten wir an folgenden Übungen:<br />
1 Atmender Kreis, mit geraden und runden Formelementen – Perspektivenwechsel – und Kugeln<br />
– Koordination. Text: „Im Wandern zu singen“ (Chr. Morgenstern). Die Gruppe hatte im<br />
Unterschied zur ersten hier keine Probleme, den „Rückenraum“ zu erfassen. Rückenbewusstsein<br />
schulen, Überlick haben: runde Form. Und dabei die Verbindung zum Zentrum (Team) nicht zu<br />
verlieren. Die Übung ging schnell sehr gut. Das Koordinieren mit den Kugeln war anfangs allerdings<br />
nicht leicht.<br />
2 Stabübungen,<br />
a) 7-teilige Übung, – „Messen“, Erfassen der eigenen Gestalt. Diese schafften wir nur im Stehen,<br />
wobei ein Gegenüber uns das Spiegelbild vorstellen half. Bei dieser Übung ist es wichtig, das<br />
Forschungsbericht BAUfit – Herzkreislauf-Koordinationstraining
Spiegelbild in der Vorstellung zu erstellen. Dabei wird ein räumliches Erleben der eigenen<br />
Körpermaße geschult. Dieses Bild gibt dem Menschen dann Form und stärkt den Rücken.<br />
b) Wasserfall. Dies ist ebenfalls eine Rückenübung, mit der man allerdings den Umraum erfasst, das<br />
Vorne – Hinten. Der Stab wird von vorne nach hinten über den Kopf auf die Schultern geführt,<br />
dann losgelassen, hinten unten aufgefangen und von links nach rechts vorne genommen. In der<br />
Vorstellung wird der Kreis, der hier beschrieben wird, „fertiggestellt“ – mit der Vorstellung den<br />
Raum ergreifen. – Dabei fällt es vor allem den Männern gar nicht leicht, den Stab herunterdonnern<br />
zu lassen, sozusagen zu „versagen“, denn man soll immer aufrecht stehen bleiben und den<br />
Stab der Schwerkraft überlassen. Die Übung fordert Mut und Vertrauen und Loslassen-Können.<br />
Diese Übung wurde auch räumlich im Kreis mit nach innen laufender Kurve gemacht. Es fiel nur<br />
einem Teilnehmer schwer, diese Kurve zu gehen, beim dritten Mal schaffte er es dann immer, den<br />
Kollegen zugewandt zu bleiben. Der Text dazu war „Der Römische Brunnen“ von C. F. Meyer.<br />
Die Vorstellung, gemeinsam dieser Springbrunnen zu werden, führte zu wunderschönen fließenden,<br />
bewußten, aber entspannten Bewegungen, und das als Team!<br />
3 Die Konzentrationsübung, in der man eine Schrittfolge von 4 großen Schritten in immer mehr<br />
kleinere schnellere umwandeln sollte, wobei die Kugel gegenläufige Bewegungen durchzuführen<br />
hat, wurde im Grunde als zu schwer empfunden – außer von der vorher erwähnten Person.<br />
Das Problem lag meines Erachtens an mangelndem Konzentrationswillen. Aus Zeitgründen ließ<br />
ich sie derweil fallen, musste in diesem Zusammenhang aber auch anmerken: Ein Brett, das 2<br />
Meter lang sein soll ist 2 Meter lang! Genauso ist es eine Realität: 4 Schritte sind 4 Schritte, die<br />
kurzen halb so lang und doppelt so schnell. Diese Dinge für real zu nehmen, schult eine wirkliche<br />
Verbindung zum Alltag, zu dem, was man tut.<br />
4 We rfen – Fangen der Stäbe. Dies geschah paarweise im Kreis. Kurz wurden dabei<br />
Rhythmusabfolgen angelegt (Herz-Kreislauf). Im Wesentlichen haben wir in den letzten drei<br />
Stunden das „Alle Werfen“ geübt. Dabei werfen alle zugleich den Stab zu ihrem Partner und<br />
fangen mit der freien Hand – die linke und rechte Hand werden gleichmäßig beansprucht, keine<br />
„Zuckerseite“! Die Stäbe wiegen 670 Gramm. Kein leichtes Unterfangen. Zu Tage treten hier<br />
die Zuversichtlichen und die Zweifler. Ein Aha-Erlebnis hatte einer der Männer, als er plötzlich<br />
erlebte: Wenn wir alle den gemeinsamen Impuls finden, dann klappt's (Der Impuls muss von<br />
alleine aus dem Team kommen.). Er wurde daraufhin sehr ehrgeizig. Ein Kollege sagte einem<br />
Zweifler: „Man soll niemals aufgeben“. Zu viert in der Gruppe schafften wir es. Zu acht noch<br />
nicht. Die Übung brachte Schwung und Gelächter (Entspannung).<br />
5 Aufgrund der Konzentrationsprobleme beschloss ich, die Runde mit Kugeln zu eröffnen und zu<br />
beenden. Man bildet zuerst vom Zentrum ausgehend einen Kreis, den man zum Schluss hereingehend<br />
wieder schließt. Ersteres bewirkt ein Konzentrieren, letzteres ein Zu-sich-Kommen.<br />
Befragung, Ergebnisse:<br />
Nachdem sie sich eingelassen hatten, kam auch Freude auf. Es schaffen wollen. Da es keine Rädelsführer<br />
gab, blühten die Menschen individuell auf ihre Art auf. Ein Mitarbeiter hatte mehrmals eine Ostermeditation<br />
gemacht. Er fand, obwohl er nur 2 mal dabei war, sofort Zugang zu den Übungen und hat-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Herzkreislauf-Koordinationstraining 53
54<br />
te keine Probleme, die Qualitäten, auf die es ankam, zu erfassen.Trotz der kurzen Zeit beschloss ich, in<br />
der letzten Einheit ein Gespräch zu führen und vier Fragen zu stellen.<br />
1) Haben Sie Fragen zum Unterricht?<br />
Es folgte Stille. Die Fragen kamen dann im Laufe der Unterhaltung auf: Wie viele Übungen gibt es insgesamt?<br />
Meine Antwort: Basiselemente werden je nach Gruppe variiert. Sollen wir eine andere Tageszeit<br />
finden? Die Gruppe kam zu dem Schluss: Vor der Arbeit sind sie zu verschlafen und wollen anfangen,<br />
nach der Arbeit wollen sie nach Hause gehen. Mein Kommentar dazu: Stress entsteht durch die<br />
Unterbrechung, es ist schwierig, das richtige Verhältnis Arbeit/Üben zu finden. Anfangs Texte und<br />
Übungen „witzig“.– Es wurde viel gelacht, aber mit Konzentration ging alles besser. Abschalten war<br />
gut, aber schwierig (Verhältnis Arbeit/Üben).<br />
2) Wie haben Sie die drei Wochen erlebt? Hat es Ihnen was gebracht?<br />
Nach der Stunde is alles aus und vorbei (was wir erlebt haben), aber vergessen werden wir die Übungen<br />
nicht. – Beim ersten Mal hat es mich angezipft, beim zweiten Mal schon besser, danach hab' ich was davon<br />
gehabt.– Diese Art von Gruppenarbeit geht halt nicht alleine. – Fordert Gruppengefühl. – Konzentration<br />
war gut. – Es war zu kurz.<br />
3) Haben Sie etwas sehr blöd/gut empfunden?<br />
Texte am Anfang blöd, viel darüber gelacht, „witzig“, dann besser, weil gewusst, wer sie geschrieben<br />
hat. Extrem gut: Werfen und Gruppenübungen im Kreis. Extrem blöd: Konzentrationsübung mit den 4<br />
Schritten, zu schwer, und „Alle werfen“ beim ersten Mal.<br />
4) Was nehmen Sie mit? W ü rden Sie wieder mitmachen?<br />
Wenn alle mitmachen, ja. – Wir sind ja ein Team.– Alle sagten, sie würden wieder mitmachen.<br />
Kommentare zu meiner Arbeit in der Zentrale (Verwaltung), Resselgasse<br />
Das Erfreulichste war hier meine Arbeit mit der Sekretärin. Sie war die einzige, mit der ich die Möglichkeit<br />
hatte, konstant an einem Programm zu arbeiten: Füße, Beine beleben, Raum ergreifen. Es handelt<br />
sich um ein Schreibtischprogramm, welches ich für Hannes Beran zusammenstellte, und das ca. 10 Min.<br />
dauert (wenn man die Übungen beherrscht). Die Teilnehmerin arbeitet viel am Computer. Ansonsten ist<br />
die Sache eher zerfleddert. Das wurde vom Kernteam (etwa 5 bis 6 Männer) auch so erlebt. Einige<br />
Übungen laufen schon ganz flüssig und gut. Wir haben uns eher auf Teamaufbau konzentriert. Aber im<br />
Großen und Ganzen ist es schwer, eine gemeinsame, konstante Arbeit aufzubauen, obwohl zumindest<br />
die Kerngruppe gerne mitmacht. Ich muss wieder ganz neu überlegen, wie ich's anstelle. Ich musste sie<br />
auch mitunter schon gehen lassen, weil sie einfach nicht abschalten konnten (Stress). Einmal ist es ganz<br />
fantastisch gelungen auch Ärger abzubauen, aber in der nächsten Stunde konnte man darauf nicht aufbauen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Herzkreislauf-Koordinationstraining
S t ress am <strong>Bau</strong> – am Herzschlag sichtbar gemacht<br />
Univ. Prof. Dr. Maximilian Moser, Matthias Frühwirth, DI Helmut Lackner,<br />
Dr. Franziska Muhry, Ilona Semler, DI Bernhard Puswald, Vincent Grote<br />
Institut für Nichtinvasive Diagnostik, JOANNEUM RESEARCH, Weiz, Österreich<br />
Physiologisches Institut der Universität der Graz, Österreich<br />
G rundlagen und Methodik der physiologischen Messungen<br />
Physiologische Grundlagen – Das autonome Nervensystem<br />
Das Herz-Kreislaufsystem versorgt alle Organe des menschlichen Organismus mit Sauerstoff und Nährstoffen<br />
und verbindet sie durch den Transport von Botenstoffen. Der Organismus wird bei Stress besonders<br />
beansprucht, und vor allem der Herzschlag reagiert darauf empfindlich – nämlich durch eine Erhöhung<br />
der Herzfrequenz und, wie man neuerdings weiß, auch durch Verringerung bestimmter Anteile<br />
der Herzfrequenz-variabilität. Der Herzschlag selbst wird durch das Vegetativum gesteuert – jenes System,<br />
das alle Körperfunktionen einschließlich der biologischen Rhythmen miteinander koordiniert. Es<br />
ist sozusagen unser zentrales Regel- und Steuerorgan. Beides, Kreislaufsystem und Vegetativum, können<br />
mit Hilfe der Herzfrequenzvariabilität (Malik et al., 1996; Moser et al., 1995; Moser et al., 1994)<br />
überwacht werden.<br />
Das autonome Nervensystem wird auch vegetatives Nervensystem genannt und wird in der Peripherie in<br />
zwei Subsysteme unterteilt, das sympathische und das parasympathische Nervensystem. Ein wichtiger<br />
Gehirnnerv des Parasympathikus ist der Nervus vagus, der „herumvagabundierende“ Nerv. Er fasert sich<br />
vielfach auf und innerviert besonders viele Organe, unter anderem das Herz.<br />
Das autonome Nervensystem reguliert jene Funktionen, auf die wir willentlich nur sehr bedingt Einfluss<br />
nehmen können. Es stimmt die Systeme der Versorgung und der Entsorgung aufeinander ab und sorgt<br />
für ein geordnetes Zusammenwirken. Dadurch werden die verschiedenen Funktionskreise koordiniert<br />
und zu einer leistungsfähigen Ganzheit zusammengefasst. Es reguliert unter anderem<br />
• Herztätigkeit, Blutdruck, Verteilung der Blutströme<br />
• Atemtiefe und Atemfrequenz<br />
• Thermoregulation<br />
• Drüsensekretion (z.B. Speichel und Verdauungssäfte)<br />
• Magen- und Darmmotorik, Blasenentleerung<br />
Es steht über dem Hypothalamus als übergeordnete Steuerungsebene in enger Verbin-dung mit dem<br />
limbischen System, das Emotionen und Gefühle vermittelt, sowie mit dem endokrinen System.<br />
An den Synapsen am Ende der postganglionären Leitungsstrecke setzt das sympathische System Noradrenalin,<br />
das parasympathische Acetylcholin frei. Acetylcholin wird durch ein Enzym, die Acetylcholinesterase,<br />
sehr schnell abgebaut, die Synapse ist wieder für eine weitere Signalübertragung frei. Noradrenalin<br />
hingegen wird erst durch eine Wiederaufnahme in die präsynaptische Membran entfernt. Deshalb<br />
laufen auch alle Veränderungen von Variablen, die durch den Nervus Vagus zustande kommen, schnell<br />
ab, sympathisch vermittelte Vorgänge langsamer.<br />
Sympathikus und Parasympathikus haben großteils antagonistische Wirkungen auf die einzelnen Organe:<br />
Bei sympathischer Dominanz sind die Pupillen geweitet, Atem- und Herzfrequenz gesteigert, Luftröhre<br />
und Bronchien geweitet und der Großteil des Blutes strömt in die Muskulatur, ins Gehirn und in<br />
die Lunge. Man spricht von einer ergotropen (εργον = Tat, Arbeit; τροποσ = Richtung) Reaktion, d.h. der<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht 55
56<br />
Abb. 1:Schematische Übersicht des Autonomen (vegetativen) Nervensystems (aus<br />
Silbernagl & Despo-poulos, 1991, S. 51)<br />
Organismus ist auf wache Leistungsbereitschaft ausgerichtet. Wenn die parasympathischen Einflüsse<br />
vor-herrschen, sind Atem- und Herzfrequenz ruhig, die Muskeln sind entspannt, die Blutströme werden<br />
in den Magen-Darm-Trakt geleitet. Es ist dies die trophotrope Reaktion (τροϕοσ =Ernährung). Viele Organe<br />
werden sowohl von sympathischen wie auch von parasympathischen Nerven innerviert.<br />
Abb. 2: Zeitverlauf der Herzfrequenzreaktion bei Sympathikus- und Vagusreizung (aus K. Kirchheim:<br />
Kreislaufregulation, S.176)<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht
Herzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität<br />
Für die Messung der vegetativen Einstellung wurde in den letzten Jahrzehnten eine Methode entwikkelt,<br />
die die nichtinvasive Untersuchung des autonomen Nervensystems ermöglicht — die Analyse der<br />
Herzfrequenzvariabilität. Die Herzfrequenz ist nämlich die wichtigste Stellgröße des komplexen Regelnetzwerkes,<br />
an dem Herz, Kreislauf, At-mung, Temperatur, Stoffwechsel und psychomentale Einflüsse<br />
beteiligt sind. Dies ver-leiht der Herzfrequenz ihre typische zeitliche Struktur, die als Herzfrequenzvariabilität<br />
messbar wird.<br />
Deren prominentester Anteil ist die respiratorische Sinusarrhythmie (RSA), die hoch-frequente Variabilität<br />
der Herzfrequenz, welche die Modulation des Herzrhythmus durch die Atmung widerspiegelt. Sie<br />
ist gleichzeitig ein Maß für die Aktivität (den To-nus) des Vagus. Die niederfrequenten Komponenten der<br />
Herzfrequenzvariabilität korre-spondieren mit der Blutdruckrhythmik bei einer Frequenz von ca. 0,1 Hz.<br />
Sie werden sowohl sympathisch als auch parasympathisch moduliert.<br />
Um den Tonus der einzelnen Äste des autonomen Nervensystems zu beschreiben, kann man eine Spektralanalyse<br />
durchführen. Die Messdaten werden beispielsweise mit Hilfe der Fouriertransformation vom<br />
Zeitbereich in den Frequenzbereich übertragen und als Leistungsspektrum dargestellt.<br />
Ein vergleichbarer Vorgang ist die spektrale Aufspaltung des weißen Lichts mit Hilfe eines Glasprismas in<br />
die Regenbogenfarben. Die unterschiedlichen Farben entsprechen verschiedenen Frequenzen elektromagnetischer<br />
Wellen.<br />
Abb. 3:Aufzeichnung der Originalherzfrequenz (oben) einer liegenden,gesunden,30jährigen Frau mit<br />
Frequenzanalyse (Mitte) und Filterung (unten);(nach Moser et al.,1995).<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht 57
58<br />
Folgende Frequenzbänder wurden genutzt:<br />
TOT (total frequency): Die Leistung im gesamten Frequenzbereich von 0.033–0.4 Hertz.<br />
HF (high frequency): Der HF-Bereich umfasst Schwankungen einer Frequenz von 0.15–0.4 Hz (Periodendauer<br />
von 2.5 Sekunden bis 7 Sekunden). Somit entspricht die Leistung im HF-Band der Aktivität des Parasympathikus<br />
und spiegelt hauptsächlich Herzfrequenzvariationen wieder, die auf die Atmung zurükkzuführen<br />
sind.<br />
LF (low frequency): Das LF-Band umfasst den Frequenzbereich von 0.04–0.15 Hz (Pe-riodendauer ca. 7 -<br />
25 Sekunden). Die Leistung in diesem Band wird sowohl vom Para-sympathikus (z.B. durch tiefe Atemzüge)<br />
als auch vom Sympathikus beeinflusst. In diesem „Barorezeptorbereich“ wirkt über druckempfindliche<br />
Nervenendigungen an Ar-terien, die Barorezeptoren, der Blutdruck auf die Herzschlagfrequenz<br />
zurück.<br />
LF/HF (vegetativer Quotient, VQ): Der Quotient aus den beiden vorangehenden Parametern spiegelt die<br />
momentane Grundstimmung des Organismus wieder und ist das derzeit beste verfügbare Maß der<br />
„autonomen Balance“. Höhere Werte zeigen eine aktive, leistungsorientierte Einstellung des Körpers,<br />
tiefe Werte eine auf Erholung ausgerichtete.<br />
Von diesen Parametern wird jeweils der natürliche Logarithmus aufgetragen. Weitere Parameter wurden<br />
ebenfalls stets berechnet:<br />
SDNN (standard deviation of normal-to-normal intervals): Die Standardabweichung über je 5 Minuten<br />
artefaktbereinigte RR-Intervall-Serien ist ein Maß für die Gesamtvariabilität über alle Frequenzbereiche.<br />
logRSA: Der Median der absoluten ersten Differenzen der Momentanherzfrequenzfolge misst, ähnlich<br />
der HF, vorrangig die raschen, atmungsinduzierten Änderungen, ohne jedoch eine strikte Grenze bei einer<br />
bestimmten Frequenz zu ziehen (Moser et al., 1994).<br />
QPA: Der Puls-Atem-Quotient ist das Verhältnis der Herzschläge zu den Atmungszyklen. Während der<br />
Nacht und in Ruhe konnte beobachtet werden, dass es bei Gesunden zu einer Einstellung des Quotienten<br />
auf ein Verhältnis von etwa 4:1 kommt, unabhängig vom Quotienten unter ergotropen Bedingungen<br />
am Tag, der zwischen 2:1 und 22:1 liegen kann (Hildebrandt, Moser, & Lehofer, 1998).<br />
Autonomes Bild<br />
Das Autonome Bild (M. Moser et al., 1999) ist eine visuell rasch erfassbare Form der Darstellung der<br />
komplexen Informationen, die in der Herzfrequenz bzw. Herzfrequenz-variabilität enthalten sind. Dabei<br />
wird das Signal in 3 Dimensionen (Abszisse = Zeit, Ordinate = Frequenz, Farbe = Amplitude) dargestellt.<br />
Jede Zeile ist das Ergebnis der Frequenzanalyse (vgl. Abb. 3 Mitte) eines kurzen Abschnitts einer Zeitreihe,<br />
z.B. einer Herzschlagfolge. Die Amplitude des Signals wird dabei farbig codiert. Eine geringe Amplitude<br />
ergibt blau, eine höhere weiß, eine sehr hohe rot. Das Bild wird Zeile für Zeile zusammengesetzt –<br />
man erhält eine zeitabhängige Darstellung aller in der Herzschlagfolge enthaltenen Rhythmen, z.B. über<br />
24 Stunden. Folgende wichtige physiologische Parameter werden daraus visuell bestimmt:<br />
Herzfrequenzvariabilität, Atemfrequenz, Pulsatemquotient, Vagustonus, Sympathikustonus, autonome<br />
Balance.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht
A b b. 4 : Erzeugung des Autonomen Bildes zur Darstellung verschiedener<br />
Kreislaufrhythmen im Zeitverlauf.<br />
Das folgende Beispiel (Abb. 5) zeigt eine typische Auswertung und illustriert die Übereinstimmung des<br />
Autonomen Bildes, das ausschließlich aus dem EKG berechnet wird, mit der multiparametrischen Schlafklassifikation,<br />
wie sie in Schlaflabors durchgeführt wird.<br />
Abb. 5:Daten aus einem Schlaflabor:Autonome Bilder ein- und desselben Versuchsteilnehmers, wenn er schlecht schläft (links) bzw. gut schläft<br />
(rechts). Der Unterschied zeigt sich insbesondere in der Schlafar-chitektur. Der gute Schlaf verläuft zyklisch (rechts), wobei sich die<br />
Ruhigschlafphasen deutlich vom REM-Schlaf (Traumschlaf) unterscheiden.Der schlechte Schlaf ist fragmentiert und vegetativ unruhig.Der vegetative<br />
Quotient (grau) ist beim guten Schlaf vagotoner (rechtes Bild) als beim schlechten Schlaf (linkes Bild).Zum Vergleich die Schlag-zu-Schlag<br />
Herzfrequenz (rot) und die Standard-Schlafphasenklassifikation nach Rechtschaffen und Kales, die anhand von EEG-, EOG- und EMG-<br />
Aufzeichnungen vorgenommen wird (jeweils unterstes Diagramm).<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht 59
60<br />
Messung der Herzfrequenzvariabilität<br />
Zur Messung der Herzfrequenzvariabilität wurden Technologien des Austromir-Projektes (Gallasch, Moser,<br />
Kozlovskaya, Kenner, & Noordergraaf, 1997; Moser & Baevsky, 1991; Moser et al., 1992; Rafolt,<br />
Moser, Jernej, Gallasch, & Kenner, 1992) in ein zigarettenschachtelgroßes Gerät verpackt, welches von<br />
den Arbeitern am Gürtel oder in der Brusttasche getragen wurde. Dieses Gerät, der „HeartMan“, zeichnete<br />
Herzfrequenz und atmungskorrelierte Parameter über 24 Stunden exakt auf. Aus diesen Messwerten<br />
kann der Verlauf der Stressbelastung untertags und die Erholung während der Nacht gemessen und<br />
verschiedene Schlafphasen differenziert werden. Diese Messungen wurden während der gesamten Projektdauer<br />
für 15 Minuten jeden Morgen und einmal wöchentlich 24 Stunden lang durchgeführt, womit<br />
der Verlauf von nahezu zwanzig physiologischen Parametern während der Arbeit und in Ruhe ermittelt<br />
werden konnte.<br />
E rg e b n i s s e<br />
A b b. 6 : Mit diesem Gerät, dem HeartMan, wurde der Stress während der Arbeit und die<br />
Erholung während Ruhephasen gemessen.<br />
Mit den oben angeführten Methoden werden Rhythmen des Kreislaufsystems im Verlauf eines Tages<br />
übersichtlich in einem Bild dargestellt. Belastung, aber auch Schlaf- und Ruhephasen sind auf einen Blick<br />
erkennbar. Die Arbeiter zeichneten zusätzlich ihren Tagesablauf in handschriftlichen Protokollen auf. Damit<br />
waren die gemessenen Daten gut interpretierbar. Beispiele für Autonome Bilder einzelner <strong>Bau</strong>arbeiter<br />
und deren Interpretation folgen auf den nächsten Seiten, danach eine Zusammenfassung nach<br />
Gruppen unterschiedlicher Interventionen oder Interventionsintensität.<br />
Einzelbeispiele von 24-Stunden-Messungen<br />
In Abb. 7 sind die über 24 Stunden gemessenen vegetativen Rhythmen bei zwei <strong>Bau</strong>arbeitern gezeigt.<br />
Die eine Versuchsperson (Abb. 7a) arbeitet tagsüber mit mittlerer Belastung, kann sich jedoch in der<br />
Nacht wieder gut regenerieren, erkennbar an den gut ausgeprägten Rhythmen der autonomen Balance<br />
(VQRR graue Kurve) und der Kreislaufschwingungen (oberster Bildteil, Mitte). Dagegen sieht das Bild bei<br />
schlecht bewältigtem Stress wesentlich anders aus (Abb. 7b): Auch nachts tritt keine Beruhigung und<br />
Regeneration ein, die Bilder von Tag und Nacht unterscheiden sich kaum. Die vegetative Balance (VQRR,<br />
graue Kurve) zeigt eine geringe Strukturierung der zirkadianen Rhythmik.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht
Abb. 7 a,b:Analog zur Methode in Abb. 5,jedoch jeweils von Daten eines gesamten Tages, werden zwei Messungen an <strong>Bau</strong>arbeitern gezeigt.Abb. 7a<br />
zeigt ein Beispiel mit guter Nachterholung,Abb. 7b mit schlechter Nachterholung und geringer Absenkung des vegetativen Quotienten (graue Kurve)<br />
sowie wenig strukturierter Schlafarchitektur. In den untersten kleinen Diagrammen sind Herzfrequenz und vegetativer Quotient nochmals stark geglättet<br />
aufgetragen,zur besseren Visualisierung der Tagesrhythmik zweimal hintereinander. Die hell getönten,breiten Bereiche zeigen den Streifen von +/einer<br />
Standardabweichung vom Gruppenmittelwert weiterer Versuchsteilnehmer mit ähnlicher Arbeitscharakteristik.<br />
Abb. 8:Diese Beispiele zeigen,dass auch Freizeit wenig erholsam sein kann.Während in Abb. 8a ein normaler Arbeitstag mit akzeptabler Schlaferholung<br />
zu beobachten ist, ist in Abb. 8b ein Freizeittag des gleichen <strong>Bau</strong>arbeiters dargestellt.Am Abend wird Alkohol konsumiert, was zu einem ungewöhnlichen<br />
Anstieg der Herzfrequenz und Verringerung der Variabilität führt. Die Tagesrhythmik (unterste kleine Diagramme) ist gegenüber den<br />
Gruppenreferenzwerten im rechten Bild stark gestört.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht 61
62<br />
Nicht nur schlecht kompensierter Arbeitsstress, auch Freizeit kann Körperrhythmen aus dem Takt bringen.<br />
Ein Beispiel dafür liefert Abb. 8. Derselbe <strong>Bau</strong>arbeiter wurde dabei an einem normalen Arbeitstag<br />
(Abb. 8a), dann an einem Freizeittag gemessen. Während die vegetative Rhythmik am Arbeitstag relativ<br />
deutlich ausgeprägt ist, und in der Nacht (Mitte der linken Abb.) ein Absinken des vegetativen Quotienten<br />
zu bemerken ist (VQRR, graue Kurve), ist während des Gasthausbesuches (rechtes Bild) ein Anstieg<br />
der Herzfrequenz zur ungewohnten Zeit (20 Uhr bis Mitternacht) zu bemerken, der die gesamte Tagesstruktur<br />
stört. In den kleineren Abbildungen unten ist die Störung der Einzelrhythmen von Herzfrequenz<br />
(rot) und vegetativen Quotienten (grau) gegenüber den Gruppenwerten (helles, der Kurve hinterlegtes<br />
Band) im rechten Bild deutlich erkennbar.<br />
Morgenmessungen<br />
Die 15minütigen Morgenmessungen (10 min Liegen, 5 min Stehen unmittelbar nach dem Erwachen)<br />
waren in früheren Projekten erfolgreich eingesetzt worden (Muhry, 2001; Seebauer, 1999). Sehr deutlich<br />
reagierten bei den Messungen dieses Projekts vor allem die Herzfrequenzwerte auf die morgendliche<br />
Uhrzeit der Messungen, das heißt, die Lage des Messzeitpunktes innerhalb der normalen tageszyklischen<br />
Schwankung ist von großer Bedeutung. Dies war die bei weitem größte, aber über die Versuchsteilnehmer<br />
uneinheitliche Quelle der Variabilität. Andere Gruppeneffekte waren nicht feststellbar,<br />
insbesondere konnten keine Aufschlüsse hinsichtlich spezifischer Interventionswirkungen gewonnen<br />
werden.<br />
Da gerade diese Messungen von den Versuchsteilnehmern als sehr belastend empfunden wurden, ist<br />
der Einsatz in zukünftigen Projekten in Frage zu stellen.<br />
Interventionswirkungen im Einzelfall<br />
Die Wirkung der Interventionen im Einzelfall konnte durch Autonome Bilder in Serie dokumentiert werden.<br />
Abb. 9 zeigt die Veränderung des Autonomen Bildes (links) bzw. des vegetativen Quotienten<br />
(rechts) im Verlauf des BAUfit-Projektes bei einer Versuchsperson, einem <strong>Bau</strong>zimmerer. Beim vegetativen<br />
Quotienten (rechts) ist vor Interventionsbeginn (a-c), trotz zwischengeschaltetem Urlaub (zwischen a<br />
und b), keine deutliche Schlafarchitektur zu beobachten, d. h. der Wechsel zwischen Tag (12-20 Uhr<br />
und 4-12 Uhr) und Nacht (20-4 Uhr) bzw. die Nachtruhe selbst, ist nicht durch einen zyklischen Wechsel<br />
gekennzeichnet. Mit dem Beginn der Eurythmie (d) prägt sich die Schlafarchitektur jedoch deutlich aus<br />
und bleibt auch nach Interventionsende (g-i) noch erhalten.<br />
Interessanterweise stellte sich auch heraus, dass das Management der <strong>Bau</strong>firma physiologisch wesentlich<br />
gestresster als die <strong>Bau</strong>arbeiter vor Ort waren.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht
Abb. 9a-i: Die Auswirkung einer Interventionsreihe ist in dieser Abbildung an einem Einzelbeispiel dargestellt. Während vor der<br />
Intervention (a-c) die Schlafarchitektur wenig ausgeprägt und damit die Schlaferholung gering ist, nimmt diese im Verlauf der<br />
Interventionen (d-f; im gezeigten Zeitraum nur Eurythmie, an anderen Interventionen wurde wegen des Urlaubs nur zweimal teilgenommen)<br />
zu und bleibt auch nach Interventionsende (g-i) trotz weiterer Belastungen gut.<br />
Interventionswirkung in der Gruppe<br />
Die an der Studie teilnehmenden <strong>Bau</strong>arbeiter wurden in drei Gruppen eingeteilt: Ohne bzw. nahezu ohne<br />
Interventionen (n=9, im folgenden schwarz dargestellt) und nach der Abfolge, in der sie in den drei<br />
Projektphasen an den verschiedenen Interventionen teilnahmen. Ursprünglich war vorgesehen, dass alle<br />
Versuchsteilnehmer in gleicher Intensität an den Interventionen teilnehmen sollten, doch konnte dies<br />
aus organisatorischen Gründen (Tätigkeit auf anderen <strong>Bau</strong>stellen oder im Lager, Dienstreisen etc.) nicht<br />
eingehalten werden, wodurch sich eine nicht zufällige Kontrollgruppe ergab, deren Einsatzprofil von<br />
dem der anderen Gruppen abwich. Von den Interventionsgruppen hatte eine zuerst mit „körpergerech-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht 63
64<br />
tem Arbeiten“ (KA) im ersten Interventionsblock begonnen und dann in zwei Blöcken Eurythmie (EU,<br />
n=5, blaue Kurven) gemacht. Die andere Gruppe nahm zuerst an Eurythmie teil und dann an KA und<br />
Ausgleichsübungen (AÜ, n=12, rote Kurven).<br />
(%)<br />
80.0<br />
70.0<br />
60.0<br />
50.0<br />
-1<br />
Anteil guter Nachterholung<br />
(aus Herzfreq. und Veg. Quot.)<br />
1<br />
INT1 INT2 INT3<br />
3<br />
5<br />
Projektwoche<br />
7<br />
9<br />
sign. Verschlechterung (p=.02) bei keiner Intervention<br />
sign. Zusammenhang (p=.00) Anfang-Ende bei EU/KA+AÜ/AÜ<br />
Anhand der Einzelnächte wurden in weiterer Folge die Mittelwerte der Nachterholung berechnet und<br />
für die verschiedenen Gruppen getrennt dargestellt (Abb. 10). Bei <strong>Bau</strong>arbeitern, die keine oder kaum<br />
Interventionen besucht hatten (n=9, schwarze durchgezogene Linie) zeigte sich initial die beste Nachterholung<br />
- etwa 80% der Nacht konnte aus vegetativer Sicht als erholsam klassifiziert werden. Bei den<br />
beiden Gruppen mit Interventionen war die Nachterholung anfänglich geringer - ca. 70% bzw. 60% der<br />
Nachtruhe konnten als erholsam klassifiziert werden. Bereits nach 4 Wochen hatte sich das Bild geändert:<br />
Die Gruppe ohne Interventionen hatte die gleichen Werte wie die anfänglich schlechtere Gruppe,<br />
die körpergerechte Arbeit praktizierte (Abb. 10, blaue strichlierte Linie) und sank im Laufe des Projektes<br />
kontinuierlich ab. Ein vergrößerte vegetative Belastung war also bei der Gruppe ohne Interventionen zu<br />
beobachten, während die Interventionsgruppen gleich blieben (rote punktierte Linie) oder sich sogar<br />
verbesserten (blaue strichlierte Linie).<br />
Dieses Ergebnis der unterschiedlichen Entwicklung von Indikatoren der Erholungsfähigkeit zwischen<br />
Interventions- und Nicht-Interventionsgruppen konnte auch in anderen Parametern aufgefunden werden.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht<br />
11<br />
13<br />
15<br />
17<br />
19<br />
21<br />
Interventionen<br />
KA/EU/EU (n=5)<br />
EU/KA+AÜ/AÜ (n=12)<br />
keine (n=9)<br />
Abb. 10:Zeitanteil des Nachtschlafes, der bei Werten der Herzfrequenz sowie des vegetativen Quotienten im<br />
unteren Drittel des individuellen Tagesmittels verbracht wurde. Dargestellt sind jeweils die Mittelwerte über<br />
die Gruppen für jede Messwoche und der Verlauf des Lowess-Estimators über den Beobachtungszeitraum als<br />
Kurve. Größere Werte bedeuten, dass mehr Zeit in der Nacht in einer erholungsbereiten Einstellung des<br />
Organismus verbracht wird.Beide Interventionsgruppen bleiben zumindest gleich oder verbessern sich sogar<br />
im Lauf der Saison.Arbeiter ohne Interventionen zeigen im Verlauf der Saison eine sinkende Werte (von 80%<br />
auf 60%).Am Ende der Saison ist diese, anfänglich beste, Gruppe auf das Niveau der schlechtesten abgesunken.
(S/min)<br />
80.0<br />
78.0<br />
76.0<br />
74.0<br />
72.0<br />
70.0<br />
68.0<br />
66.0<br />
64.0<br />
-1<br />
mittlere Nachtherzfrequenz<br />
1<br />
INT1 INT2 INT3<br />
3<br />
5<br />
Projektwoche<br />
7<br />
9<br />
11<br />
13<br />
sign. Zusammenhang (p=.00) Anfang-Ende bei EU/KA+AÜ/AÜ<br />
sign. Zusammenhang (p=.01) Anfang-Ende bei KA/EU/EU<br />
Ähnliche Tendenzen zeigten sich bei der mittleren Nachtherzfrequenz, bei der die Gruppe ohne Interventionen<br />
einen kontinuierlichen Anstieg um 10 % zeigte, während die Gruppen mit Interventionen ihre<br />
Nachtherzfrequenz reduzierten oder beibehielten.<br />
15<br />
17<br />
19<br />
21<br />
Interventionen<br />
KA/EU/EU (n=5)<br />
EU/KA+AÜ/AÜ (n=12)<br />
keine (n=9)<br />
Abb. 11: Gruppeneinteilung wie in Abb. 10. Die mittlere Nachtherzfrequenz, ein Indikator für den<br />
Erholungswert der Nacht,steigt in der Gruppe ohne Interventionen im Verlauf der Saison kontinuierlich an,<br />
ein Zeichen für immer schlechtere Erholungswerte und immer größere Kreislaufbelastung. In den Gruppen<br />
mit Intervention ist ein leichtes Absinken zu beobachten - die Nachterholung wird sogar etwas besser.<br />
(%)<br />
34.0<br />
32.0<br />
30.0<br />
28.0<br />
26.0<br />
24.0<br />
22.0<br />
20.0<br />
-1<br />
Ganzzahliges Puls/Atemverhältnis<br />
1<br />
INT1 INT2 INT3<br />
3<br />
5<br />
Projektwoche<br />
7<br />
9<br />
11<br />
13<br />
15<br />
17<br />
19<br />
21<br />
Interventionen<br />
KA/EU/EU (n=5)<br />
EU/KA+AÜ/AÜ (n=12)<br />
keine (n=9)<br />
Abb. 12:Gruppeneinteilung wie in Abb. 10.Der Anteil ganzzahliger Puls-Atemquotienten in der Nacht - ein<br />
weiterer Indikator für optimale Schlafqualität - sinkt in der Gruppe ohne Interventionen (schwarze Linie),<br />
während er in den Interventionsgruppen vor allem nach Ende der Interventionen ansteigt. Dies ist ein<br />
Indikator für den Langzeiteffekt der Interventionen.Wie bei Kuren, ist ein Teil der Wirkung erst nach dem<br />
Ende der Interventionen zu beobachten.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht 65
66<br />
Auch das Zusammenspiel zwischen Herzschlag und Atmung - ein Indikator für optimale vegetative Steuerung<br />
- zeigte im Projektverlauf eine Verschlechterung in der Gruppe ohne Interventionen (Abb. 12,<br />
schwarze Kurve), während sich die Interventionsgruppen verbesserten. Die Wirkung der Interventionen<br />
zeigte sich hier vor allem nach Ende des Interventionsprogramms, ähnlich wie bei Kuren.<br />
Als letzter Parameter wurde der Basalschlafanteil in Abhängigkeit von der Interventionszahl untersucht<br />
(Abb. 13). Auch hier konnte die Wirkung der Interventionen eindrucksvoll bestätigt werden: Je mehr<br />
Interventionen von den <strong>Bau</strong>arbeitern mitgemacht wurden, desto weniger sank der Basalschlafanteil im<br />
Verlauf der fünf Projektmonate ab. Etwa ab 10 Interventionen schliefen die Versuchsteilnehmer am Projektende<br />
gleich gut wie am Anfang.<br />
Abb. 13:Die Veränderung des Basalschlafanteils (Zeitanteil des Schlafes, der bei größeren Werten der logRSA<br />
als das individuelle Tagesmittel zugebracht wurde) vom Anfang (die ersten drei Messungen) zum Ende (die<br />
letzten drei Messungen) der gesamten Messperiode in Abhängigkeit von der Interventionszahl:Mit zunehmender<br />
Anzahl an Interventionen wird die negativ zu bewertende Abnahme des Basalschlafanteils ausgeglichen<br />
(Null = keine Veränderung) und es kann sogar eine Vergrößerung des Basalschlafanteils beobachtet<br />
werden (positive Werte).<br />
Einzelberatung der <strong>Bau</strong>arbeiter<br />
Über die laufende Betreuung hinaus wurde mit jedem einzelnen Versuchsteilnehmer ein Beratungsgespräch<br />
zu seinen persönlichen Messergebnissen durc h g e f ü h rt. Das Autonome Bild erwies sich als wertvoll,<br />
sowohl um die aktuelle physiologische Erholungs-Belastungs-Situation zu beurteilen als auch um dieses<br />
Ergebnis den Ve r s u c h s t e i l n e h m e rn in anschaulicher und nachvollziehbarer Weise zu erkläre n .<br />
Weiters wurde für die Einzelberatung der <strong>Bau</strong>arbeiter ein Ve rf a h ren entwickelt, das jede Nacht als farbiges<br />
Kästchen sichtbar machte (Abb. 14 und Abb. 15). Blaue Farbgebung wurde mit guter Erholung in<br />
Verbindung gesetzt, rote Farbgebung mit Stress oder schlechter Nachterholung. Jede Zeile stellt dabei einen<br />
<strong>Bau</strong>arbeiter im Projektverlauf dar. Mit dieser Methode konnten aufgrund der Codierung jedem Arbeiter<br />
seine We rte im Ve rgleich zu allen anderen gezeigt werden, ohne die Anonymität aufzugeben. Phasen<br />
mit roter Farbgebung konnten sofort identifiziert und besprochen werden und Tipps für bessere Gestaltung<br />
des Tages, der Pausen oder der Freizeit wurden gegeben. Bei Dauer-Rot wurde eindringlich zu einer<br />
Stre s s reduktion geraten, bei anderen konkreten Gesundheitsproblemen ein Arztbesuch empfohlen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht
Abb. 14:Zeitanteil des Nachtschlafes, der bei Werten der Herzfrequenz sowie des vegetativen Quotienten im unteren Drittel<br />
des individuellen Tagesmittels verbracht wurde. Dargestellt sind jeweils die Mittelwerte über die Gruppen für jede<br />
Messwoche und der Verlauf des Lowess-Estimators über den Beobachtungszeitraum als Kurve. Größere Werte bedeuten,<br />
dass mehr Zeit in der Nacht in einer erholungsbereiten Einstellung des Organismus verbracht wird. B e i d e<br />
Interventionsgruppen bleiben zumindest gleich oder verbessern sich sogar im Lauf der Saison.Arbeiter ohne Interventionen<br />
zeigen im Verlauf der Saison eine sinkende Werte (von 80% auf 60%).Am Ende der Saison ist diese, anfänglich beste,<br />
Gruppe auf das Niveau der schlechtesten abgesunken.<br />
Abb. 15:Anteil des Vagustonus im Schlaf. Der Aufbau der Darstellung erfolgte wie in Abb. 14.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht 67
68<br />
Review der Ziele<br />
Welches Ziel wollte/sollte ich erreichen?<br />
• Entwicklung und Evaluation eine Stressminderungsprogrammes für <strong>Bau</strong>arbeiter<br />
• Erstellung eine umfassenden Zustandsbildes von Stress- und Erholungssituation<br />
• Wirkungsnachweis der Interventionen, Differenzierung nach Art und Intensität<br />
• Nachweis der Anwendbarkeit von Geräten, Mess- und Auswertemethoden in einem komplexen<br />
Arbeitsumfeld<br />
• Wissenstransfer in die Praxis, entwickeln angewandter Hilfestellungen<br />
• Bewusstseinsschulung bei Versuchsteilnehmern und Sensibilisierung der Körperwahrnehmung<br />
Welche Situation habe ich vorgefunden?<br />
Der Start der Messungen verlief ausgesprochen schwierig: Die Verteilung der Versuchsteilnehmer auf 5<br />
<strong>Bau</strong>stellen und zahlreiche unvorhergesehene Urlaube der Versuchsteilnehmer forderten erhöhten Arbeits-<br />
und Materialeinsatz unseres Messteams.<br />
Das ursprünglich klare Versuchsdesign mit 2 Gruppen, die an verschiedenen Interventionsarten homogen<br />
teilnehmen, war binnen 3 Wochen völlig zerstört. Die Realität erfordert sehr flexible Messpläne, um<br />
den Dispositionen der Firma folgen zu können.<br />
Welche Strategie, welchen Plan habe ich erstellt, um in der gegebenen Situation mein<br />
Ziel zu erreichen?<br />
Der Messaufwand ist gegenüber der Planung gestiegen, zusätzliche Personal- und Geräteressourcen<br />
wurden vom IND situationsbedingt bereitgestellt.<br />
In der Auswertung sind statistische Gruppenvergleiche einer stärkeren Betonung von Individualergebnissen<br />
gewichen. Trotz teilweiser Auftrennung in Interventionsgruppen bzw. Auftrennung nach Häufigkeit<br />
von Interventionen muss bedacht werden, dass die Grenzen unscharf und willkürlich gezogen sind.<br />
Die interventionsspezifischen Aussagen haben deshalb nicht die Stärke, die eigentlich gewünscht war,<br />
ebenso der Vergleich zur in hohem Maße inhomogenen Nichtinterventionsgruppe.<br />
In der Zentrale wurden die Messungen auf eine zweite Phase erweitert, um die Arbeit der Betriebsberatung<br />
unterstützen zu können und zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen.<br />
Was habe ich getan?<br />
Ein Stressminderungs- und Interventionsprogramm wurde in mehreren Iterationsschritten entworfen<br />
und erarbeitet.<br />
Insgesamt wurden 43 Versuchsteilnehmer/innen betreut, 15 in der Zentrale, 28 auf der <strong>Bau</strong>stelle. 4 Versuchsteilnehmer/innen<br />
beendeten die Messungen vorzeitig. Insgesamt konnten 554 24h-Messungen<br />
und 3451 Morgenmessungen verwertet werden. Die Rate der verwertbaren Messungen lag bei 84 %<br />
bei 24h-Messungen und 82,1 % bei den Morgenmessungen (alle Ausfallsgründe zusammengenommen,<br />
z.B. tech. Artefakte, Organisation, Compilance etc.).<br />
Was ist das Ergebnis und wie ist es zu bewerten?<br />
s. Ergebnisbericht.<br />
E r reichte Ziele und was sonst als Erfolg zu bewerten ist<br />
Messdaten konnten in einem großen Umfang gewonnen und ausgewertet werden. Die Anwendbarkeit<br />
von Geräten, Mess- und Auswertemethoden in einem schwierigen Arbeitsumfeld – keinesfalls selbstverständlich!<br />
– ist damit belegt.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht
Die Messdisziplin der <strong>Bau</strong>arbeiter war außerordentlich hoch und hat wenig Probleme gemacht.<br />
Die Zusammenarbeit mit den anderen Projektpartnern erfolgte weitgehend reibungslos – ein umfassendes<br />
Zustandsbild der Situation auf der <strong>Bau</strong>stelle konnte gezeichnet werden.<br />
Die als Begleit- und Motivationsmessungen gedachte Arbeit in der Zentrale erwies sich als wissenschaftlich<br />
sehr interessant und wichtig für die weitere Arbeit. Überraschend aussagekräftig erwies sich das<br />
Autonome Bild in der Unterstützung der Arbeit des Betriebsberaters Mag. Hannes Beran in der Zentrale.<br />
Mit den laufenden Gesprächen im Rahmen der Datenübernahme und den Einzelberatungen wurde eine<br />
Bewusstseins- und zum Teil auch allgemeine Gesundheitsschulung bei den Versuchsteilnehmern erreicht,<br />
die zumindest über die Nachbeobachtungsphase hinweg anhielt.<br />
Ein Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis ist zufriedenstellend gelungen. Besonders der<br />
Einsatz des Autonomen Bildes in der Betriebsberatung war unerwartet erfolgreich, ein neues spannendes<br />
Anwendungsfeld ist eröffnet.<br />
Nicht erreichte Ziele und unvorhergesehene Schwierigke i t e n<br />
Die Dynamik in der Entwicklung der Fragestellungen bei der Auswertung war sehr hoch. Die Kontrollierbarkeit<br />
und Beobachtbarkeit von Einflussfaktoren wurde zu optimistisch geschätzt.<br />
Die Analyse der Interventionswirkungen ist nicht so detailliert möglich, wie es ursprünglich geplant war.<br />
Die Abänderung des Messplanes zwang uns, eine ganze Anzahl von Methoden anzuwenden, die noch<br />
nicht bis zur Publikationsreife entwickelt worden sind, sondern eher experimentellen Charakter haben.<br />
Daher finden sich leider einige Zwischenergebnisse, die in den laufenden Projektsitzungen präsentiert<br />
wurden, nicht im Endbericht, da die Validierung nicht ausreichend erschien. Die zusätzlichen Komplexität<br />
sprengte den knapp gefassten Auswerterahmen. Es ergaben sich im Laufe der Arbeit viele neue<br />
interessante Aspekte aus dem vorhandenen Datenmaterial, die noch höchst untersuchenswert aber bisher<br />
unbearbeitet sind. Die weitere Vorgangsweise zur Aufarbeitung der Fülle des Datenmaterials – Analyse<br />
„nebenbei“ oder Vergabe von Diplomarbeiten o.ä. – ist noch nicht geklärt.<br />
Schlussfolgerungen für die weitere Arbeit<br />
Bei weiteren Projekten wird möglicherweise nicht mehr so viel Gewicht auf dem Nachweis spezifischer<br />
Einzelinterventionswirkungen liegen, dazu sind die „Störeinflüsse“ in einem realen Firmen-Organismus<br />
bzw. die Interaktionen verschiedener Interventionen zu groß. Die Evaluierung kann nur für das Gesamtprogramm<br />
effizient erfolgen. Mit wenigen Messungen können jedoch gut differenzierte Zustandsbilder<br />
erstellt werden, die die „Diagnose“ unterstützen.<br />
Die gesamte Firma sollte mit einem einheitlichen Messprotokoll erfasst werden. Zentrale und <strong>Bau</strong>stelle<br />
wurden nicht mit gleicher Intensität und Messdauer erfasst. Diese Trennung erlaubt keine detaillierten<br />
Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Tätigkeitsgruppen, gerade dabei könnten aber wertvolle<br />
Hinweise für Belastungen aufgrund ungünstiger Zeitstrukturen und gezielte Verbesserungsmaßnahmen<br />
gewonnen werden, weil die Auswirkungen unterschiedlicher Ausprägungen im Tagesrhythmus am<br />
deutlichsten herausgearbeitet werden können.<br />
Mess- und Auswerteplänen müssen künftig dennoch flexibler gestaltet werden, um die Auswirkungen<br />
von plötzlichen Urlauben, Krankenständen oder anderen Organisationsbedingten Ereignissen abzufedern.<br />
Methoden aus der statistischen Prozesskontrolle sind ein Ansatzpunkt. Mehr Gewicht ist auf ein<br />
iteratives Vorgehen mit definierten Entscheidungspunkten über die weitere Arbeit zu legen.<br />
Danksagung<br />
Wir danken den Mitarbeitern der Fa. Universale für die tatkräftige und sorgfältige Mitarbeit bei allen<br />
Messungen und beim Ausfüllen der Versuchsfragebögen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht 69
70<br />
L i t e r a t u r<br />
Bongers, P. M., de Winter, C. R., Kompier, M. A. J., & Hildebrandt, V. H. (1993). Psychosocial factors at<br />
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Bonin, D. v., Frühwirth, M., Heusser, P., & Moser, M. (2001). Wirkungen der Therapeutischen Sprachgestaltung<br />
auf Herzfrequenz-Variabilität und Befinden. Forschende Komplementärmedizin und Klassische<br />
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Gallasch, E., Moser, M., Kozlovskaya, I. B., Kenner, T., & Noordergraaf, A. (1997). Effects of an eight-day<br />
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Moser, M., & Baevsky, R. M. (1991). Pulstrans - Kreislaufforschung in Schwerelosigkeit, AUSTROMIR-<br />
Handbuch. Wien: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung.<br />
Moser, M., Frühwirth, M., von Bonin, D., Cysarz, D., Penter, R., Heckmann, C., & Gunther, H. (1999). Das<br />
autonome Bild als Methode zur Darstellung der Rhythmen des menschlichen Herzschlags. In P. Heusser<br />
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Heart Rate Variability as a Prognostic Tool in Cardiology. Circulation, 90(2), 1078-1082.<br />
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Silbernagl, S., & Despopoulos, A. (1991). Taschenatlas der Physiologie (4 ed.). Stuttgart: Thieme.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Stress am <strong>Bau</strong> am Herzschlag sichtbar gemacht
N i c h t l i n e a re Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen<br />
DI Dr. Gabriele Rohregger, DI Dr. Bernhard Lipp<br />
IBO – Österreichisches Institut für <strong>Bau</strong>biologie und -ökologie GmbH, Wien<br />
1. Einleitung<br />
Einen wichtigen Teil des BAUfit-Projekts stellte die physiologische Begleitforschung dar. Durch die während<br />
des gesamten Projektverlaufs regelmäßig vorgenommenen physiologischen Messungen wurde eine<br />
Dokumentation von Stressbelastung und Regenerationsfähigkeit der untersuchten <strong>Bau</strong>arbeiter unter<br />
dem Einfluss des Interventionsprogramms möglich.<br />
Ein physiologischer Indikator für Stressbelastung und Erholungsfähigkeit ist die Herzratenvariabilität, in<br />
der sich Aktivitätsmuster des autonomen Nervensystems abbilden. Die Herzrate ist die wichtigste Stellgröße<br />
eines komplexen Regelnetzwerkes, an dem unter anderem Herz, Kreislauf, Atmung, Temperatur,<br />
Stoffwechsel und psychomentale Einflüsse (z.B. Stress) beteiligt sind. Das autonome Nervensystem steuert<br />
und moduliert durch sympathische und parasympathische Aktivität die Rhythmen der Herzrate und<br />
gibt ihr dadurch ihre typische zeitliche Struktur, die als Herzratenvariabilität messbar ist.<br />
Die Analyse der Herzratenvariabilität ermöglicht, Aussagen über den Zustand des autonomen Nervensystems<br />
und die autonome Regulation des menschlichen Organismus – beispielsweise die Steuerung und<br />
Modulation der biologischen Rhythmen oder die Adaptation an äußere Anforderungen (z.B. Reaktion<br />
auf eine Stresssituation) – zu treffen ([1], [2], [3], [4]).<br />
Die Evaluierung der Stressbelastung, Erholungsfähigkeit und Schlafqualität anhand von gemessenen<br />
physiologischen Herzratenzeitreihen erfolgt durch die Anwendung von numerischen Zeitreihenanalysemethoden<br />
([5], [6], [7]). Die nichtlineare Zeitreihenanalyse der Herzratenvariabilität mit Hilfe von Recurrence-Plots<br />
und deren Kennzahlen wurde an einer repräsentativen Gruppe von Versuchspersonen als Ergänzung<br />
zur linearen Zeitreihenanalyse auf Basis des Autonomen Bildes (vorgenommen von Joanneum<br />
Research) durchgeführt.<br />
Ziel der hier vorliegenden Recurrence-Plots-Analyse war, anhand der Untersuchung der Herzratenvariabilität<br />
der <strong>Bau</strong>arbeiter einerseits den Einfluss von Stressbelastung am Arbeitsplatz und andererseits die<br />
Wirkung des Interventionsprogramms auf die autonome Regulation qualitativ und quantitativ zu erfassen.<br />
2. Methoden der nichtlinearen Zeitreihenanalyse – Recurre n c e - P l o t s - A n a l y s e<br />
Die Recurrence-Plots-Analyse ist ein Verfahren zum Auffinden versteckter dynamischer Strukturen in Zeitreihen<br />
([8], [9]). Das Konzept entstammt der Theorie der nichtlinearen dynamischen Systeme. Durch die<br />
graphische Darstellung der Struktur einer Zeitreihe in einem zweidimensionalen Recurrence-Plot und die<br />
Berechnung der entsprechenden numerischen Kennwerte, stellt die Recurrence-Plots-Analyse eine geeignete<br />
qualitative und quantitative Methode zur Untersuchung der nichtlinearen Abhängigkeiten und<br />
Strukturen in physiologischen Zeitreihen, wie z.B. dem Herzratenverlauf, dar ([4]).<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 71
72<br />
2.1. Recurrence-Plots<br />
Die nichtlineare Zeitreihenanalyse charakterisiert und quantifiziert die Dynamik einer Zeitreihe. Sie lokalisiert<br />
Zustandsänderungen und identifiziert sich wiederholende, ähnliche Strukturen und deren zeitlichen<br />
Verlauf ([8], [9], [10], [11], [12]). Der Recurrence-Plot ist eine graphische Darstellung dieses Vorgangs.<br />
Jeder Teilabschnitt der Zeitreihe wird anderen Teilabschnitten der Zeitreihe gegenübergestellt:<br />
kehrt eine bestimmte Struktur oder Reihenfolge von Ereignissen zu einem anderen Zeitpunkt wieder, so<br />
wird im Recurrence-Plot ein farbiger Punkt an der Stelle eingetragen, an dem der ähnliche Verlauf auftritt.<br />
Wird keine Ähnlichkeit im Teilabschnitt gefunden, so bleibt der Punkt weiß. Dadurch entsteht eine<br />
zweidimensionale Punktmenge, die ein bestimmtes Muster aufweist. Dieses Muster repräsentiert die dynamische<br />
Teilabschnittsähnlichkeiten der Zeitreihe. Die Koordinaten der Punkte des Recurrence-Plots repräsentieren<br />
kurze Zeitabschnitte. Daher lässt sich aus dem Recurrence-Plot eine Aussage über die zeitliche<br />
Korrelation von ähnlichen Verläufen in der Zeitreihe machen.<br />
Abb.1: Recurrence-Plot einer 24 Stundenmessung:Entlang der Achsen ist die Herzrate<br />
als Zeitreihe von 12 Uhr mittags bis 12 Uhr mittags des nächsten Tages aufgetragen.<br />
Der Nachmittag (NM),die Nacht (N) und der darauffolgende Vormittag (VM) bilden sich<br />
als farbige, spiegelsymmetrische blockartige Flächen entlang der Diagonale ab.<br />
In dem in Abb.1 dargestellten Recurrence-Plot bilden sich die unterschiedlichen Abschnitte der 24-Stundenmessung<br />
– Nachmittag/Arbeitsbelastung – Nacht/Schlaf – Vormittag/Arbeitsbelastung – als blockartige<br />
strukturierte Flächen (NM – N – VM) entlang der Diagonale ab, der zeitliche Verlauf ist an den parallel<br />
zu den Achsen (waagrecht und senkrecht) aufgetragenen Herzraten-Zeitreihen abzulesen. Die Phasenübergänge<br />
zwischen Wachzustand (Tag) und Schlafzustand (Nacht) sind in den scharfen Abgrenzungen<br />
der einzelnen Flächen deutlich erkennbar.<br />
Im Zeitabschnitt von 12 Uhr mittags bis zur Schlafengehzeit der Versuchsperson (repräsentiert durch die<br />
Fläche NM um die Diagonale im Recurrence-Plot) und im Zeitabschnitt vom Aufstehen am nächsten<br />
Morgen bis 12 Uhr mittags (Fläche VM) finden sich viele ähnliche Strukturen in der Zeitreihe – dies zeigt<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen
sich in relativ dichten, kompakten Färbungen. Die Herzratenvariabilität folgt hier häufig bestimmten<br />
Mustern und diese Muster wiederholen sich innerhalb der Tages-Block-Strukturen (NM und VM). Dieses<br />
„Tages“-Muster ist im Idealfall während der Nacht nicht zu finden. Umgekehrt gibt es während der<br />
Nacht bestimmte Muster, die in der Nacht-Fläche (N) häufig auftreten, fast nie aber während des Tages.<br />
Daher bleiben die Bereiche im Recurrence-Plot, in denen Tagesphasen gegen die Nachtphase aufgetragen<br />
sind – (N : NM), (N : VM) – weiß.<br />
Dichte Linienstrukturen im Plot weisen auf deterministisches Verhalten hin: an diesen Stellen, in diesem<br />
Zeitraum, tritt eine Folge von sehr ähnlichen Herzraten auf. Das ist der Fall, wenn die Regulationsmöglichkeit<br />
des Herzens eingeschränkt ist, d.h. die Herzrate sehr gleichförmig ist und kaum Variabilität zeigt.<br />
Das ist tagsüber beispielsweise bei anstrengender körperlicher Arbeit oder bei hoher Stressbelastung der<br />
Fall. Nachts (Fläche N um die Diagonale) deuten dichte Linien/Bänder, die sich mit Linien/Bändern geringer<br />
Punktdichte abwechseln, auf strukturierten Schlaf – dem Wechselspiel zwischen Tiefschlaf und<br />
REM-Schlaf – hin. Unregelmäßig verteilte, weniger dicht liegende Punkte sind ein Hinweis auf stochastische<br />
Eigenschaften der Zeitreihe: hier treten selten ähnliche Herzratenverläufe auf, das vegetative System<br />
kann in der Ansteuerung des Herzens gut auf die sich ständig ändernden Bedingungen reagieren.<br />
2.2. Recurrence-Plots-Kennzahlen<br />
Die optische Information des Recurrence-Plots lässt sich durch Kennzahlen, die bestimmte Eigenschaften<br />
der Dynamik des Systems repräsentieren, quantifizieren. Recurrence-Plots-Kennzahlen sind also jene<br />
Maßzahlen, welche die Punktmenge aus farbigen und weißen Punkten des Recurrence-Plots statistisch<br />
quantifizieren ([6], [8], [9]). Zu den Recurrence-Plots-Kennzahlen zählen unter anderen %Recurrence,<br />
%Determinismus, Entropie, Divergenz und Ratio.<br />
Die Kennzahl %Recurrence ist das Verhältnis der farbigen Punkte zu allen möglichen Punkten des Recurrence-Plots.<br />
Bei periodischen Systemen fällt dieser Wert höher aus als bei aperiodischen Systemen.<br />
Die Maßzahl %Determinismus ist das Verhältnis der farbigen Punkte, die kurze Diagonalen bilden, zur<br />
Gesamtzahl der farbigen Punkte im Plot. Determinismus liegt vor, wenn Verläufe in der Zeitreihe sich<br />
über einen größeren Zeitabschnitt sehr ähnlich sind. Dieses Verhalten zeigt sich im Recurrence-Plot als<br />
kürzere oder längere Linien, die parallel zur Hauptdiagonale des Recurrence-Plots sind. Viele solcher Linien<br />
zeichnen eine deterministische Struktur der Zeitreihe aus.<br />
Die Entropie des Histogramms der Linienverteilung ist ein Maß für die Komplexität eines Recurrence<br />
Plots. Je komplexer die deterministische Struktur der Recurrence-Plots ist, umso größer ist die Entropie.<br />
Der Parameter ‚Divergenz‘ ist das Inverse der Länge der längsten Linie. Die längste Linie ist die Dauer jener<br />
beiden Verläufe, die sich über die längste Zeit hinweg ähnlich sind.<br />
Das Verhältnis von %Determinismus zu %Recurrence stellt die Kennzahl Ratio dar, mit dem man Änderungen<br />
im dynamischen Zustand der Zeitreihe aufspürt.<br />
Zur Berechnung der Recurrence-Plots-Kennzahlen wird über die gesamte Zeitreihe eine sogenannte<br />
„gefensterte“ Recurrence-Plots-Analyse durchgeführt. Dabei wird die Zeitreihe in kleine, sich überlappende<br />
Teilabschnitte (=Fenster) zerlegt, die jeweils nur eine bestimmte Anzahl von Datenpunkten enthalten:<br />
für jeden dieser Abschnitte der Zeitreihe werden ein Recurrence-Plot erstellt und die zugehörigen<br />
Kennzahlen berechnet. Dadurch erhält man eine (Zeit)-Reihe von Recurrence-Plots-Kennzahlen, die jeweils<br />
einem bestimmten Abschnitt der Zeitreihe zugeordnet sind.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 73
74<br />
3. Methoden<br />
3.1. Analyse der Herzraten mittels Recurrence-Plots und Recurrence-Plots-Kennzahlen<br />
Die Datengrundlage der Recurrence-Plots-Analyse bildeten die Herzratenzeitreihen der 24-Stunden-<br />
Messungen, die über 21 Wochen hinweg einmal wöchentlich, jeweils am selben Wochentag, mit dem<br />
HeartMan aufgezeichnet wurden. Durch die von den <strong>Bau</strong>arbeitern aufgezeichneten Protokolle ihres Tagesablaufes<br />
waren die gemessenen Daten und deren Analysen gut interpretierbar.<br />
Die Analyseergebnisse wurden schließlich mit den subjektiven Bewertungen von Qualität und Erholungswert<br />
des Schlafes aus den Protokollen der Fragebögen, die von den Versuchspersonen täglich zur<br />
Bewertung ihrer Befindlichkeit ausgefüllt wurden, verglichen.<br />
Für eine schnelle, qualitative Beurteilung der Dynamik der gemessenen Zeitreihen wurden Recurrence-<br />
Plots der Herzraten über die 24-Stunden-Messung erstellt. Diese Plots ermöglichten zunächst einen<br />
Überblick über die Entwicklung der autonomen Regulation unter Stressbelastung und Interventionswirkung<br />
der einzelnen Versuchspersonen während des gesamten Projekts. Untersucht wurde eine Auswahl<br />
von Versuchspersonen aus der Gruppe der <strong>Bau</strong>arbeiter, von der die Hälfte an den Interventionen teilgenommen<br />
hatte und von denen relativ vollständige Messdaten vorlagen. Weiters wurde eine Versuchsperson<br />
aus der <strong>Bau</strong>leitung untersucht.<br />
Bei der quantitativen Analyse lag das Hauptaugenmerk auf der Untersuchung der Herzratenvariabilität<br />
während der Nacht – der Erholungs- und Regenerationsphase. Dabei interessierte besonders die Information,<br />
die in den schnellen Änderungen der Herzraten (> 0,15 Hz) enthalten ist, also jenem Teil der<br />
Herzrate, der hauptsächlich vom Parasympathikus gesteuert bzw. beeinflusst wird. Zur Berechnung der<br />
Recurrence-Plots-Kennzahlen wurden die Herzratenzeitreihen daher mit einem Hochpassfilter bearbeitet<br />
([16]). Die so gefilterten Zeitreihen enthalten nur noch die schnellen Herzratenänderungen.<br />
Die Ergebnisse der nichtlinearen Recurrence-Plots- Kennzahlen für die zwei Versuchsgruppen (Interventionsteilnehmer<br />
und Referenzgruppe ohne Interventionen) wurden zusammengefasst und im Vergleich<br />
dargestellt.<br />
Grundsätzlich gestaltete es sich schwierig, die Ergebnisse verschiedener Versuchspersonen miteinander<br />
zu vergleichen. Dies lag einerseits daran, dass die untersuchte Personengruppe altersmässig relativ weit<br />
gestreut war: bestimmte physiologische Parameter hängen jedoch stark vom Lebensalter ab und sind<br />
daher bei unterschiedlich alten Versuchspersonen nur schwer vergleichbar. Andererseits waren die Messungen<br />
von unvermeidbaren Randbedingungen begleitet: beispielsweise beeinflusst Urlaub während<br />
des Projekts nachhaltig die Gesamtverfassung der Versuchsperson.<br />
Dennoch ist es gelungen, auch aus der verbliebenen, relativ kleinen Gruppe von Versuchspersonen die<br />
Interventionswirkung zu dokumentieren bzw. statistische Trends dazu aufzuzeigen.<br />
4. Erg e b n i s s e<br />
4.1. Qualitative Auswertung durch Recurrence-Plots<br />
Im Folgenden werden für einige Versuchspersonen die Recurrence-Plots von jeweils drei 24-Stundenmessungen<br />
aus typischen Projektphasen dargestellt. Anhand dieser Plots können bestimmte typische<br />
Verläufe, wie beispielsweise schlechte und wenig erholsame Nächte, besonders anstrengende Tage, Urlaubstage<br />
bzw. arbeitsfreie Tage im Vergleich zu „normalen“ Arbeitstagen ersehen werden.<br />
In den Abbildungen ist unter jedem Recurrence-Plot die zugehörige Herzraten-Zeitreihe dargestellt, der<br />
von der Versuchsperson im Tätigkeitsprotokoll als „Schlaf“ ausgewiesene Zeitraum ist als grauer Balken<br />
unterhalb der Zeitreihe eingezeichnet.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen
4.1.1. Recurrence-Plots einer 20-30 jährigen Versuchsperson<br />
Die Versuchsperson zeigt im ersten Recurrence-Plot (1) eine gute Schlafstruktur – innerhalb des mittleren<br />
Blocks wechseln helle und dunkle Strukturen, dh. Tiefschlafphasen und REM-Schlafphasen, ab. Die<br />
Nacht bildet sich gegenüber der Tagesstruktur gut ab. In (2) fällt auf, dass sich entlang der Diagonale<br />
mehrere Blöcke abbilden, wobei der mittlere grosse Block zwischen etwa 20 Uhr und 5 Uhr früh keine<br />
typische Nachtstruktur aufweist, sondern mehr einer üblichen Tagesstruktur mit beachtlichem Stresspotential<br />
gleicht. Dagegen finden sich vor und nach dieser Blockstruktur zwei kleine Blöcke im Recurrence-<br />
Plot, die sofort als Schlafstrukturen interpretiert werden können. Die Aufzeichnungen der Versuchsperson<br />
bestätigen dies: zwischen etwa 18 Uhr und 20 Uhr hat die Versuchsperson geschlafen, die folgende<br />
Nacht wurde mit Gesprächen verbracht, am Morgen zwischen 5 Uhr früh und 8 Uhr liegt eine weitere<br />
kurze Schlafperiode. Die folgenden Tagesstruktur zeigt eine dichte Punkt- und Linienstruktur, was auf<br />
starke Belastung und geringe Regulationsfähigkeit hinweist, der Erholungswert der vorangegangenen<br />
Nacht kann nur als gering eingestuft werden.<br />
(1)<br />
(2) (3)<br />
Abb.2:Recurrence-Plots und Herzratenverlauf von 24 Stundenmessungen einer 20-30 jährigen Versuchsperson,die nicht an den Interventionen teilgenommen<br />
hat: (1) während einer Arbeitswoche in der ersten Projektphase, (2) während einer Arbeitswoche zur Projekthalbzeit mit einer Nacht ohne<br />
Schlaf, (3) während einer Arbeitswoche am Ende der Beobachtungszeit.<br />
Die zu Beginn des Beobachtungszeitraums (1) gute Nachtstruktur verliert sich aber bis zum Ende des<br />
Projekts (3). Die in den Recurrence-Plots (1) und (3) auftretende geringe Dichte und die Homogenität der<br />
farbigen Plot-Punkte lassen aber auf eine insgesamt gute Regulationsfähigkeit und einen guten Allgemeinzustand<br />
der Versuchsperson schließen.<br />
Die Angaben der Versuchsperson zum Erholungswert der Nächte in den Fragebogen-Protokollen bestätigt<br />
diese Ergebnisse: die Nacht von (2) wird als nur „schwach erholsam“ (Wert 2 auf Skala von 0-6) beschrieben,<br />
wohingegen die Nächte von (1) und (3) von der Versuchsperson als „stark erholsam“ (Wert 5<br />
auf Skala von 0-6) eingestuft werden. Die Versuchsperson gibt dabei an, in (2) und (3) „sehr stark“<br />
(Wert 6 auf Skala von 0-6) gut, in (1) „stark“ (Wert 5 auf Skala von 0-6) gut geschlafen zu haben.<br />
4.1.2. Recurrence-Plots einer 20-30 jährigen Versuchsperson<br />
In (1) zeigt sich eine gute Nachtstruktur, die Tagesstruktur ist allerdings sehr kompakt, die hohe Punktdichte<br />
deutet auf starke (körperliche) Arbeitsbelastung hin. Auch in (2) ist die Tagesbelastung am Nachmittag<br />
sehr groß: die Struktur der darauffolgende Phase, die sich bis zum Ende der 24-Stundenmessung<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 75
76<br />
(1)<br />
Abb. 3:Recurrence-Plots und Herzratenverlauf von 24 Stundenmessungen einer 20-30 jährigen Versuchsperson,die an den Interventionen teilgenommen<br />
hat: (1) während einer Arbeitswoche zu Beginn der Beobachtungszeit, (2) an einem Arbeitstag gegen Ende der Beobachtungszeit mit Schlaf<br />
(Erkrankung) am Vormittag,(3) an einem Arbeitstag gegen Ende der Beobachtungszeit mit freiem Nachmittag.<br />
erstreckt, ist ungewöhnlich: die Versuchsperson ist erkrankt und schläft auch am Vormittag. (3) ist der<br />
Recurrence-Plot einer 24-Stunden-Messung, die mit einem freien Nachmittag beginnt: das Bild der<br />
Blockstruktur, die diesen Nachmittag repräsentiert, unterscheidet sich deutlich von dem der Blockstruktur<br />
des darauffolgenden Arbeits-Vormittag: dieser weist eine weit höhere Punktedichte und stärkere<br />
Strukturiertheit auf, die eine hohe Arbeits- und Stressbelastung belegen.<br />
Die Versuchsperson selbst bewertet ihren Schlaf in den Fragebogen-Protokollen für die drei angeführten<br />
Messungen gleich: „ziemlich“ (Wert 4 auf Skala von 0-6) erholsam, gut und ruhig, mit derselben Bewertung<br />
werden von der Versuchsperson mehr als 95% aller Nächte des gesamten Projekts eingestuft.<br />
4.1.3. Recurrence-Plots einer 45-55 jährigen Versuchsperson<br />
(1)<br />
(2) (3)<br />
(2) (3)<br />
Abb. 4:Recurrence-Plots und Herzratenverlauf von 24 Stundenmessungen einer 45-55 jährigen Versuchsperson,die an den Interventionen teilgenommen<br />
hat:(1) während einer Arbeitswoche während der ersten Interventionsphase, (2) während einer Arbeitswoche zur Projekthalbzeit,(3) während einer<br />
Arbeitswoche in der Nach-Interventionszeit.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen
Während zu Beginn der Interventionen (1) kaum eine grobe Strukturierung von Tag- und Nachtphasen<br />
zu bemerken ist, ändert sich das im Verlauf des Projekts für die Versuchsperson, die an den Interventionen<br />
teilgenommen hat. Die Nächte sind zwar kurz, grenzen sich aber deutlich gegen die Tagesphasen<br />
ab (2) und (3). Der Versuchsperson gelingt es zunehmend besser, sich während der Nacht vom Arbeitsstress<br />
abzugrenzen, die Nächte gewinnen an Erholungswert.<br />
In den Fragebogen-Protokollen bewertet die Versuchsperson den Erholungswert ihres Schlafs in allen<br />
Fragebögen durchwegs als mittelmäßig bis schlecht, dh. mit den Werten 3 und 4, selten 2 und 1, niemals<br />
5 oder 6 auf einer Skala von 0-6. Für (1) und (2) wird der Schlaf als „ziemlich“ (Wert 4 auf Skala von<br />
0-6) gut, erholsam und ruhig, für (3) als „etwas“ (Wert 3 auf Skala von 0-6) gut, erholsam und ruhig angegeben.<br />
4.1.4. Recurrence-Plots einer 30-40 jährigen Versuchsperson<br />
(1)<br />
(2) (3)<br />
Abb.5:Recurrence-Plots und Herzratenverlauf von 24 Stundenmessungen einer 30-40 jährigen Versuchsperson, die an den Interventionen teilgenommen<br />
hat: (1) während einer Arbeitswoche vor Interventionsbeginn, (2) während einer Urlaubswoche, (3) während einer Arbeitswoche in der letzten<br />
Interventionsphase.<br />
Der Vergleich der Nächte (Schlaf) der drei Recurrence-Plots (jeweils mittlere Blockstruktur), lässt ähnliche<br />
Strukturen bei (2), einer Messung während einer Urlaubswoche, und (3), einer Messung während der<br />
letzten Phase des Interventionsprogramms erkennen. Die Blockstruktur des Schlafes in (1) grenzt sich zur<br />
Struktur des Vormittags unscharf ab, der morgendliche Schlaf scheint an Erholungsqualität zu verlieren.<br />
Die Versuchsperson selbst bewertet ihren Schlaf in den Fragebogen-Protokollen für die Messungen (1),<br />
(2) als „stark“ (Wert 5 auf Skala von 0-6) (3) als „ziemlich“ (Wert 4 auf Skala von 0-6) erholsam, gut und<br />
ruhig. Angemerkt werden muß dabei, dass in den Fragebögen nur während der ersten Projekthälfte die<br />
Nächte unterschiedlich bewertet werden, während in der zweiten Projekthälfte der Schlaf in jeder Nacht<br />
gleich ( „ziemlich“) erholsam und gut eingestuft wird.<br />
4.1.5. Recurrence-Plots einer 30-40 jährigen Versuchsperson aus der <strong>Bau</strong>leitung<br />
Die Versuchsperson aus der <strong>Bau</strong>leitung zeigt über die gesamte Beobachtungs- und Interventionszeit hinweg<br />
keine besonders gute Nachtstruktur: die Schlafphasen sind zwar ausgeprägt, jedoch finden sich im<br />
Nachtbild viele „Tagesmuster“ wieder. Während der Nacht wiederholen sich Strukturen, die auch tagsüber<br />
vorkommen, nur zu Beginn der Beobachtungszeit (1) findet sich in den Morgenstunden eine aus-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 77
78<br />
(1)<br />
(2) (3)<br />
Abb. 6: Recurrence-Plots und Herzratenverlauf von 24 Stundenmessungen einer 30-40 jährigen Versuchsperson aus der <strong>Bau</strong>leitung, die an den<br />
Interventionen teilgenommen hat: (1) während einer Arbeitswoche nach der ersten Interventionsphase, (2) während einer Arbeitswoche zur<br />
Projekthalbzeit,(3) während einer Arbeitswoche in der Nach-Interventionszeit.<br />
gesprochene Schlafphase, die eine Struktur aufweist, die sich tagsüber nicht findet. Die Recurrence-Plots<br />
(1) bis (3), die sowohl tagsüber als auch nachts dichte Färbungen zeigt, weisen auf eine sehr hohe<br />
Stressbelastung der Versuchsperson hin, die Erholungsfähigkeit während der Nacht ist als gering einzustufen.<br />
Zu Projektende (3) kehrt eine typische 24h-Struktur zurück, die Stressbelastung für die Versuchsperson<br />
der <strong>Bau</strong>leitung dürfte im November geringer ausgefallen sein als in der <strong>Bau</strong>hochsaison während<br />
des Sommers.<br />
Die Versuchsperson der <strong>Bau</strong>leitung bewertet ihren Schlaf in (1) als „ziemlich“ (Wert 4 auf Skala von 0-6)<br />
erholsam, gut und ruhig. Der Schlaf in (2) wird im Fragebogen-Protokoll als „etwas“ (Wert 3 auf Skala<br />
von 0-6) erholsam, und „stark“ (Wert 5 auf Skala von 0-6) gut angegeben. Für (3) gibt es kein Protokoll.<br />
4.2. Quantitative Analyse durch Recurrence-Plots-Kennzahlen<br />
Anhand der folgenden Abbildungen soll zunächst der Verlauf der Recurrence-Plots-Kennzahlen im Tagesgang<br />
für einzelne 24-Stunden-Messungen veranschaulicht werden (Abb.7-11). Dabei sind die Herzratenzeitreihe<br />
(HR), die zugehörige gefilterte Zeitreihe (hr-f) sowie die berechneten Recurrence-Plots-<br />
Kennzahlen als Zeitreihen dargestellt.<br />
Den Kennzahlen %Determinismus, Ratio und Entropie gilt das Hauptaugenmerk. Die Kennzahl %Determinismus<br />
stellt ein Maß für die sympathikovagale Balance und den Erholungswert der Schlafphase<br />
dar. Hoher Tagesdeterminismus tritt auf, wenn durch hohe Arbeits- und Stressbelastung die automome<br />
Regulation eingeschränkt ist, wenn die sympathische Aktivität hoch ist. Gute Erholungsfähigkeit ist gegeben,<br />
wenn der %Determinismus während der Nacht deutlich gegenüber dem Tagesdeterminismus<br />
abfällt, da dann eine ausgewogene sympathikovagale Balance bzw. hohe vagale Aktivität erreicht wird.<br />
Der %Determinismus erreicht in der Nacht, in den Tiefschlafphasen, sein Minimum: ein niedriges absolutes<br />
Minimum kennzeichnet guten Erholungswert der Schlafphase.<br />
In der Kennzahl Ratio bildet sich die Schlafstruktur der Nacht, d.h. der charakteristische Wechsel zwischen<br />
Tief- und REM-Schlafphasen, und die Schlaftiefe während der Tiefschlafphasen gut ab.<br />
Die Kennzahl Entropie des Hochfrequenzanteils der Herzrate ist ein Maß für die Struktur der Herzratenänderung.<br />
Ein niedriger Wert bedeutet, dass die Herzraten großteils nur kurzzeitig sehr ähnlich sind,<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen
d.h. die zeitliche Korrelation der Herzratenverläufe ist niedrig. Ein niedriger Wert bedeutet somit eine<br />
höhere kurzzeitige Variabilität. Diese Interpretation der Recurrence-Plots-Kennzahlen steht im Einklang<br />
mit der Interpretation der Autonomen Bilder, die aus der linearen Auswertung gewonnen werden.<br />
Die Entwicklung einer einzelnen Kennzahl (%Determinismus) über den Projektverlauf wird dann im Vergleich<br />
für einen Interventionsteilnehmer und einem Nichtteilnehmer dargestellt (Abb.12).<br />
Schließlich werden einige Recurrence-Plots-Kennzahlen für die Gruppe der Interventionsteilnehmer und<br />
die Referenzgruppe der Nicht-Interventionsteilnehmer zusammengefasst (Abb.13-16).<br />
4.2.1. Recurrence-Plots-Kennzahlen einzelner Versuchspersonen<br />
In den folgenden Beispielen sind die Recurrence-Plots-Kennzahlen für zwei Versuchspersonen zu Beginn<br />
und am Ende des Beobachtungszeitraums dargestellt, anschließend zwei Beispiele für gut und schlecht<br />
strukturierte Nächte und ein Beispiel für eine Versuchsperson mit hoher Stressbelastung. Die von den<br />
Versuchspersonen im Tätigkeitsprotokoll angegebenen Zeiträume von unterschiedlicher Arbeitstätigkeit,<br />
Schlaf und anderen Aktivitäten sind als farbige Balken unterhalb der Zeitreihe eingetragen.<br />
4 . 2 . 1 . 1 . R e c u r re n c e - P l o t s - Kennzahlen einer 20-30 jährigen Ve rs u c h s p e rson<br />
(1) (2)<br />
A b b. 7 : H e r z ratenzeitreihe (HR), gefilterte Herzratenzeitreihe (hr-f) und Recurrence-Plots-Kennzahlen (%Determinismus, D i v e r g e n z , E n t r o p i e,<br />
%Recurrence, Ratio) von 24 Stundenmessungen einer 20-30 jährigen Versuchsperson, die an den Interventionen teilgenommen hat: (1) an einem<br />
Arbeitstag zu Beginn des Interventionen,(2) an einem Arbeitstag nach Abschluss der Interventionsprogramms.<br />
Zu Beginn der Interventionsprogramms (1) liegt der mittlere Tagesdeterminismus am Nachmittag (I) mit<br />
93,2% deutlich höher als am darauffolgenden Vormittag (III), wo er bei 88,6% liegt, fällt aber während<br />
der Nacht (II) mit 67,9% stark ab. In der Nachinterventionszeit (2) liegt der Tagesdeterminismus mit<br />
87,7% auch in der Arbeitsphase am Nachmittag (IV) deutlich niedriger als in (1), die Arbeitsbelastung<br />
am Tag kann besser kompensiert werden.<br />
Insgesamt fällt der mittlere %Determinismus zum Ende des Beobachtungszeitraums ab.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 79
80<br />
Für beide Messungen zeigt das Ratio während der Nacht (V, VI) einen hohen, ausgeprägten Wechsel<br />
zwischen Tiefschlafphase und REM-Schlafphase – die Versuchsperson hat eine gute Schlafstruktur.<br />
Im Fragebogen-Protokoll gibt die Versuchsperson den Schlaf in (1) als ziemlich“ (Wert 4 auf Skala von 0-<br />
6) gut und erholsam, „etwas“ (Wert 3 auf Skala von 0-6) ruhig an. Die Nacht in (2) wird besser bewertet:<br />
Der Schlaf wird als „stark“ (Wert 5 auf Skala von 0-6) gut, erholsam und ruhig bewertet.<br />
4 . 2 . 1 . 2 . R e c u r re n c e - P l o t s - Kennzahlen einer 30 - 40 jährigen Ve rs u c h s p e rson<br />
(1) (2)<br />
A b b. 8 : H e r z ratenzeitreihe (HR), gefilterte Herzratenzeitreihe (hr-f) und Recurrence-Plots-Kennzahlen (%Determinismus, D i v e r g e n z , E n t r o p i e,<br />
%Recurrence, Ratio) von 24 Stundenmessungen einer 30 – 40 jährigen Versuchsperson,die an den Interventionen nicht teilgenommen hat:(1) an einem<br />
Arbeitstag zu Beginn der Beobachtungszeit,(2) an einem Arbeitstag gegen Ende der Beobachtungszeit.<br />
Die Kennzahl %Determinismus fällt sowohl in (1) als auch in (2) nachts (II bzw. IV) nur wenig gegenüber<br />
den Tages-Determinismus (I bzw. III) ab – von 91% auf 80% in (1) bzw. von 91% auf 81% in (2).<br />
Die Nachtstruktur ist aber gut ausgeprägt, Peaks in der Kennzahl Ratio während der Nacht (V, VI) zeigen<br />
den charakteristischen Wechsel zwischen Tiefschlafphase und REM-Schlafphase deutlich an.<br />
Die Versuchsperson bewertet ihren Schlaf in beiden Nächten (1) und (2) mit „ziemlich“ (Wert 4 auf Skala<br />
von 0-6) gleich erholsam, gut und ruhig.<br />
4 . 2 . 1 . 3 . R e c u r re n c e - P l o t s - Kennzahlen einer 45 - 55 jährigen Ve rs u c h s p e rson<br />
Der Tagesdeterminismus während der Arbeit zwischen (I, III) und (IV und VI) ist altersbedingt mit<br />
Mittelwerten um 95% sehr hoch, fällt aber in (1) nachts (II) deutlich ab, dies weist auf eine gute<br />
Erholung während der Nacht hin. In (2) fällt der nächtliche %Determinismus (V) – im Mittel 89% –<br />
kaum gegenüber dem Tag ab, die Nacht bringt nur unzureichende Erholung. Die schlechte Nacht (VIII)<br />
in (2) wird durch fehlende Schlafstruktur bestätigt: in der Kennnzahl Ratio finden sich keine ausgeprägten<br />
Peaks, die den charakteristischen Wechsel zwischen Tiefschlafphase und REM-Schlafphase<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen
(1) (2)<br />
A b b. 9 : H e r z ratenzeitreihe (HR), gefilterte Herzratenzeitreihe (hr-f) und Recurrence-Plots-Kennzahlen (%Determinismus, D i v e r g e n z , E n t r o p i e,<br />
%Recurrence, Ratio) von 24 Stundenmessungen einer 45 – 55 jährigen Versuchsperson,die an den Interventionen teilgenommen hat:(1) mit guter (2)<br />
mit schlechter ,nächtlicher Schlafstruktur.<br />
anzeigen. In (1) sind diese Peaks während der Nacht (VII) deutlich ausgeprägt, der Schlaf ist gut strukturiert.<br />
Die subjektive Bewertung durch die Versuchsperson sieht allerdings anders aus: der Schlaf in (1) und (2)<br />
wird gleich bewertet. Im Fragebogen-Protokoll werden beide Nächte „etwas“ (Wert 3 auf Skala von 0-<br />
6) gut, erholsam und ruhig angegeben.<br />
4 . 2 . 1 . 4 . R e c u r re n c e - P l o t s - Kennzahlen einer 20 - 30 jährigen Ve rs u c h s p e rson<br />
Die Kennzahl %Determinismus zeigt in (1) eine gute nächtliche Absenkung (I) auf einen Mittelwert von<br />
73% und bleibt am darauffolgenden Vormittag (II) niedrig (im Mittel 83%): die gute Nachterholung<br />
wirkt bis in den Vormittag nach. In (2) zeigt der %Determinismus einen sehr untypischen Verlauf: er fällt<br />
zwischen 18:00 und 20:00 deutlich ab, steigt dann gleich wieder an und bleibt während der ganzen<br />
Nacht (III) sehr hoch (mittlerer %Determinismus: 94%). Am folgenden Arbeitsvormittag (VI) erreicht der<br />
Determinismus mit einem Mittelwert von 97% sein absolutes Maximum, die Belastung ist außerordentlich<br />
hoch. Während in (1) in der Kennzahl Ratio passable Schlafarchitektur (Wechsel zwischen den<br />
Schlafphasen) während der Nacht (V) angezeigt wird, findet sich in (2) nur am Abend (VI) strukturierter<br />
Schlaf, während in der Nacht (VII) keinerlei Schlafaktivität erkennbar ist.<br />
Die Versuchsperson hat in (2) ein kurzes Nickerchen (VI) am Abend gehalten, die Nacht dann ohne<br />
Schlaf verbracht. Die daraus resultierende fehlende Nachterholung schlägt sich mit dem schon erwähnten,<br />
äußerst hohen %Determinimus am folgenden Tag nieder. (Vergleiche dazu auch den Recurrence-<br />
Plot Abb.2 (2).)<br />
Die Kennzahl Entropie fällt in (1) während der Nacht ab, in (2) steigt er kontinuierlich an, dieser Anstieg<br />
zeigt zunehmende Belastung an.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 81
82<br />
(1) (2)<br />
Abb. 10: Herzratenzeitreihe (HR), gefilterte Herzratenzeitreihe (hr-f) und Recurrence-Plots-Kennzahlen (%Determinismus, Divergenz, Entropie,<br />
%Recurrence, Ratio) von 24 Stundenmessungen einer 20-30 jährigen Versuchsperson,die nicht an den Interventionen teilgenommen hat:(1) mit guter<br />
nächtlicher Schlafstruktur (2) bei Nacht ohne Schlaf.<br />
Im Fragebogen-Protokoll wird der Schlaf in (1) als „stark“ (Wert 5 auf Skala von 0-6) erholsam, gut und<br />
ruhig bewertet, in (2) dagegen als nur „schwach“ (Wert 2 auf Skala von 0-6) erholsam angegeben.<br />
Gleichzeitig wird der Schlaf (2) von der Versuchsperson aber als „stark“ (Wert 5 auf Skala von 0-6) gut<br />
und ruhig eingestuft.<br />
4 . 2 . 1 . 5 . R e c u r re n c e - P l o t s - Kennzahlen einer 30-40 jährigen Ve rs u c h s p e rson<br />
Für die Versuchsperson aus der <strong>Bau</strong>leitung fehlt in beiden Messungen (1) und (2) ein ausgeprägter Abfall<br />
des nächtlichen %Determinismus (II, V) gegenüber dem Tagesdeterminismus (I, III bzw. IV, VI). Dem<br />
mittlere Tagesdeterminismus von 89% in (1) und (2) steht ein mittlerer Nachtdeterminismus von 89%<br />
bzw. 91% gegenüber. Selbst an einem arbeitsfreien Nachmittag (IV) bleibt der %Determinismus sehr<br />
hoch. Die hohe Stressbelastung des Tages bleibt auch in der Nacht erhalten, während des Schlafes ist<br />
kaum Erholung und Regeneration möglich. Auch in der Kennzahl Ratio sind während der Nacht (VII, VI-<br />
II) keine Peaks zu erkennen, es gibt keinen ausgeprägten Wechsel zwischen Tiefschlafphase und Rem-<br />
Schlafphase und damit keinen gut strukturierten Schlaf.<br />
Die Versuchsperson selbst gibt den Erholungswert des Schlafs in (1) als „etwas“ (Wert 3 auf Skala von 0-<br />
6), in (2) als „stark“ (Wert 5 auf Skala von 0-6) an, bewertet in beiden Fällen den Schlaf aber als „stark“<br />
(Wert 2 auf Skala von 0-6) gut.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen
(1) (2)<br />
A b b. 1 1 : H e r z ratenzeitreihe (HR), gefilterte Herzratenzeitreihe (hr-f) und Recurrence-Plots-Kennzahlen (%Determinismus, D<br />
i v e r g e n z , E n t r o p i e,<br />
%Recurrence, Ratio) von 24 Stundenmessungen einer 30-40 jährigen Versuchsperson der <strong>Bau</strong>leitung,die an den Interventionen teilgenommen hat:(1)<br />
ist eine Messung in der ersten Projektphase, (2) eine Messung in der 2.Hälfte des Projekts.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 83
84<br />
4.2.2. Interventionswirkung im Einzelfall<br />
Anhand der Darstellung der Entwicklung eines Recurrence-Plots-Kennzahlen kann die Interventionswirkung<br />
gut dokumentiert werden. Abb.12 zeigt die Veränderungen der Kennzahl %Determinismus im<br />
Projektverlauf für eine Versuchsperson mit (links) und ohne (rechts) Interventionen.<br />
<strong>Bau</strong>arbeiter mit Interventionen <strong>Bau</strong>arbeiter ohne Interventionen<br />
Abb. 12: Die Auswirkungen der Interventionen anhand von Einzelbeispielen: links ein Interventionsteilnehmer, rechts eine Versuchsperson aus der<br />
Gruppe der <strong>Bau</strong>arbeiter ohne Interventionen.<br />
Hohe Tagesstressbelastung wird durch einen hohen %Determinismus angezeigt. Kann Arbeitsstress<br />
während der Nacht nur schlecht kompensiert werden, so ist der Abfall des %Determinismus während<br />
der Nacht gegenüber dem Tag gering: die sympathikovagale Balance ist nicht ausgewogen.<br />
Vor bzw. zu Beginn der Intervention (0.-2. Projektwoche) ist der Abfall des %Determinismus während<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen<br />
0. Woche<br />
1. Woche<br />
2. Woche<br />
7. Woche<br />
8. Woche<br />
9. Woche<br />
17. Woche<br />
18. Woche<br />
19. Woche
der Nacht (23.00-4.00 Uhr) gegenüber dem Tag (12.00-16.00 bzw. 6.00-12.00 Uhr) bei beiden Versuchspersonen<br />
vergleichbar gering. Der Interventionsteilnehmer weist anfangs einen besonders hohen<br />
Tagesdeterminismus auf, bei ihm dürfte die Tagesstressbelastung generell höher sein, als beim Nichtinterventionsteilnehmer.<br />
Zur Projekthalbzeit (7.-9. Woche) und auch zum Projektende (17.-19. Woche) zeigt sich ein deutlicher<br />
Unterschied in der betrachteten Kennzahl. Beim Interventionsteilnehmer fällt der %Determinismus<br />
während der Nacht deutlich gegenüber dem Tag ab, bei der Versuchsperson aus der Referenzgruppe<br />
kann dies nicht beobachtet werden.<br />
Die Kennzahl %Determinismus zeigt während der Nacht deutliche Schwankungen: es bildet sich der<br />
Wechsel zwischen REM- und Non-REM-Schlafphasen in der Schlafstruktur ab.<br />
4.2.3. Interventionswirkung in der Gruppe<br />
Aus den Einzelmessungen wurden in Folge einige Kennzahlen (%Determinismus, Entropie und Ratio)<br />
evaluiert und ihre Mittelwerte für die beiden Vergleichsgruppen von <strong>Bau</strong>arbeitern berechnet.<br />
In der Zusammenfassung der Vergleichsgruppen sind die älteren Versuchspersonen nicht miteinbezogen,<br />
da sich ihre nichtlinearen Kennzahlen altersbedingt (z.B. sehr hoher Determinismus) stark von den<br />
Kennzahlen der übrigen Versuchspersonen unterschieden und daher eine altersbedingte große Streuung<br />
hineingebracht würde. Die untersuchte Gruppengröße betrug n =5 bei beiden Vergleichsgruppen,<br />
der Altersmittelwert 32 (Interventionsteilnehmer) bzw. 33 Jahre (Nichtinterventionsteilnehmer).<br />
Aufgrund der geringen Gruppengröße, welche eine Folge der sehr schwierigen Versuchsbedingungen<br />
und der langen Projektdauer war, können natürlich keine statistisch gesicherten Ergebnisse für die einzelnen<br />
Gruppen gewonnen werden. Die Ergebnisse sind daher nur als statistische Trends zu werten.<br />
Oberstes Ziel der Untersuchungen bzw. Interventionen war, den Arbeitern im <strong>Bau</strong>alltag Hilfe zu geben.<br />
Daher wurde auch im Versuchsdesign darauf verzichtet, einen eigene Kontrollgruppe zu bilden. Die<br />
Gruppe der Nicht-Interventionsteilnehmer wurde deshalb aus Teilnehmern gebildet, die aus organisatiorischen<br />
Gründen nur sehr kurz oder gar nicht am Interventionsprogramm teilnehmen konnten. Schließlich<br />
war ein wichtiges Ziel des Projekts, einen kaum gestörten <strong>Bau</strong>ablauf sicherzustellen. Unter diesen<br />
Gesichtspunkten müssen die im folgenden dargestellten Schlussfolgerungen gesehen werden.<br />
Zur Auswertung der Recurrence-Plots-Kennzahlen wurden aus den 24-Stunden-Messungen drei Phasen<br />
evaluiert: 1. die Arbeitsphase des Nachmittags, 2. die Nacht- bzw. Schlafphase und 3. die Arbeitsphase<br />
des Vormittags. Für diese Phasen wurden Minima, Maxima und Mittelwerte der Recurrence-Plots-Kennzahlen<br />
bestimmt.<br />
Der mittlere Verlauf der unterschiedlichen Kennzahlen ist im Folgenden für die Interventionsgruppe und<br />
die Referenzgruppe getrennt dargestellt. Dabei wurde nicht zwischen den unterschiedlichen Interventionen<br />
– Eurythmie einerseits und Körpergerechtem Arbeiten/Ausgleichsübungen andererseits – unterschieden.<br />
In den folgenden Darstellungen gibt die x-Achse den zeitlichen Verlauf über den Projektzeitraum, beginnend<br />
mit der Vorinterventionswoche (0) bis zum Ende der Beobachtungszeit (20) an. Die Interventionswochen<br />
(1-4, 6-9, 11-14) sind mit blauen Balken am unteren Achsenrand gekennzeichnet. Um einen<br />
Eindruck von der Schwankungsbreite zu geben, wurde diese in Abb.13 in Form von Fehlerbalken<br />
dargestellt. Da die Ergebnisse aufgrund der geringen verbliebenen Gruppengröße nur als statistische<br />
Trends zu verstehen sind, wurde in den Abbildungen 14 –17 aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die<br />
Darstellung der Schwankungsbreite verzichtet.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 85
86<br />
In Abbildung 13 ist der Abfall des relativen %Determinismus während der Nacht gegenüber dem Tag<br />
dargestellt. Je höher der Abfall des relativen %Determinismus während der Nacht gegenüber dem Tag<br />
ist, umso besser ist der Erholungswert während der Nacht.<br />
Abb.13:Abfall des relativen %Determinismus während der Nacht gegenüber dem Tag.<br />
Die x-Achse gibt den zeitlichen Verlauf des Projekts, beginnend mit der Vorinterventionswoche (0) bis zum Ende der Beobachtungszeit (20) an. Die<br />
Interventionswochen (1-4,6-9,11-14) sind mit blauen Balken am unteren Achsenrand gekennzeichnet.<br />
Der Abfall des relativen %Determinismus während der Nacht ist für die Gruppe der Interventionsteilnehmer<br />
schon vor Beginn der Interventionen höher als für die Gruppe der <strong>Bau</strong>arbeiter ohne Interventionen.<br />
Im Projektverlauf bleibt der Wert dieser nichtlinearen Kennzahl für die Interventionsteilnehmer<br />
auch deutlich über jenem der Vergleichsgruppe.<br />
Abb.14:Nächtliches Minimum des %Determinismus.<br />
Die x-Achse gibt den zeitlichen Verlauf des Projekts, beginnend mit der Vorinterventionswoche (0) bis zum Ende der Beobachtungszeit (20) an. Die<br />
Interventionswochen (1-4,6-9,11-14) sind mit blauen Balken am unteren Achsenrand gekennzeichnet.<br />
Abbildung 14 zeigt das Minimum der Kennzahl %Determinismus während der Nacht. Während das Minimum<br />
des %Determinismus für die Gruppe der <strong>Bau</strong>arbeiter, die nicht an den Interventionen teilgenommen<br />
haben (blau), über den gesamten Beobachtungszeitraum nur geringfügig variiert und dabei<br />
bis zum Saisonende hin gegenüber dem Ausgangswert ansteigt, zeigt das Minimum des %Determi-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen
nismus während der Nacht für die Gruppe der Interventionsteilnehmer (rot) größere Schwankungen, die<br />
Minima in der ersten und der dritten Interventionsphase erreichen. Bei gleichem Ausgangswert vor den<br />
Interventionen bleibt das Minimum des %Determinismus der Interventionsteilnehmer bis auf Ausnahmen<br />
in der 5. und 12. Woche unter dem Wert der Versuchsgruppe ohne Interventionen.<br />
Die Gruppe der <strong>Bau</strong>arbeiter mit Interventionen zeigt somit eine bessere Erholungsfähigkeit in der Nacht,<br />
die am Ende des ersten Interventionsdurchlaufs besonders stark ausgeprägt ist: dies könnte auf den<br />
„Neuigkeitswert” der Interventionen und der damit verbundenen intensiven und bewussten Teilnahme<br />
an dem Trainingsprogramm zurückzuführen sein.<br />
Abb.15:Mittelwert des Ratio während der Nacht:Maß für Qualität der Schlafphasen<br />
Die x-Achse gibt den zeitlichen Verlauf des Projekts, beginnend mit der Vorinterventionswoche (0) bis zum Ende der Beobachtungszeit (20) an. Die<br />
Interventionswochen (1-4,6-9,11-14) sind mit blauen Balken am unteren Achsenrand gekennzeichnet.<br />
In der Kennzahl Ratio bildet sich die Schlafstruktur der Nacht, d.h. der charakteristische Wechsel zwischen<br />
Tief- und REM-Schlafphasen, und die Schlaftiefe während der Tiefschlafphasen gut ab. Das mittlere<br />
Ratio der Nacht ist ein gutes Maß für Schlafqualität. Abb.15 weist für die Versuchspersonen, die an<br />
den Interventionen teilgenommen haben, eine über den gesamten Beobachtungszeitraum höhere<br />
Kennzahl Ratio aus als die Vergleichsgruppe. Wie schon bei der Kennzahl %Determinismus zeigt auch<br />
das mittleren Ratio der Interventionsteilnehmer in der ersten Interventionswoche besonders hohe Werte<br />
an.<br />
Im Maximum des Ratios wird die größte Schlaftiefe erreicht. Abb. 16 zeigt, dass von den Interventionsteilnehmern<br />
im Mittel eine wesentlich höhere Schlaftiefe erreicht wird. Der größte Unterschied in der<br />
Schlaftiefe zeigt sich im ersten Interventionsblock, im 2. Interventionsblock geht der Unterschied verloren<br />
und taucht im 3. wieder auf.<br />
Aus den oben angeführten Ergebnissen für die Kennzahl Ratio läßt sich schließen, dass die Gruppe der<br />
Interventionsteilnehmer im Projektverlauf besser sturkturierten Schlaf mit größerer Schlaftiefe erreicht<br />
hat als die Vergleichsgruppe ohne Interventionen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 87
88<br />
Abb.16:Maximum des Ratio während der Nacht:Maß für Schlaftiefe.<br />
Die x-Achse gibt den zeitlichen Verlauf des Projekts, beginnend mit der Vorinterventionswoche (0) bis zum Ende der Beobachtungszeit (20) an. Die<br />
Interventionswochen (1-4,6-9,11-14) sind mit blauen Balken am unteren Achsenrand gekennzeichnet.<br />
Die Kennzahl Entropie des Hochfrequenzanteils der Herzrate ist ein Maß für die Struktur der Herzratenänderung.<br />
Niedrige Entropie während der Nacht bedeutet hohe Vitalität. Ein hoher Wert bedeutet, dass<br />
die Herzraten großteils nur kurzzeitig sehr ähnlich sind. In Abb. 17 ist die mittlere Entropie während der<br />
Nacht im Projektverlauf dargestellt.<br />
Abb.17:Mittlere Entropie während der Nacht<br />
Die x-Achse gibt den zeitlichen Verlauf des Projekts, beginnend mit der Vorinterventionswoche (0) bis zum Ende der Beobachtungszeit (20) an. Die<br />
Interventionswochen (1-4,6-9,11-14) sind mit blauen Balken am unteren Achsenrand gekennzeichnet.<br />
Während für die Gruppe der <strong>Bau</strong>arbeiter, die nicht oder kaum an Interventionen teilgenommen haben,<br />
die mittlere nächtliche Entropie im Projektverlauf gegenüber dem Ausgangswert relativ zunimmt, fällt<br />
für die Gruppe der Interventionsteilnehmer die mittlere Entropie während der Interventionsphasen 1<br />
und 3 ab und steigt nach Ende der Interventionsblockes wieder an, bleibt aber nach dem Beginn der<br />
Interventionen deutlich unter dem Wert der Vergleichsgruppe. Dies könnte – unter Vernachlässigung<br />
anderer möglicher Einflüsse – als positive Interventionswirkung gewertet werden.<br />
Deutlicher werden die sich aus den oben angeführten Ergebnisse abzulesenden Trends für die unterschiedlichen<br />
Kennzahlen in den folgenden Darstellungen, in denen aus dem gesamten Projektzeitraum<br />
fünf Zeitabschnitte näher betrachtet werden.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen
Abb.18 zeigt das mittlere Minimum des %Determinismus der Nacht in den ersten beiden Wochen zu<br />
Projektbeginn, den jeweils letzten 2 Wochen jeder Interventionsphase sowie in den letzten zwei Projektwochen<br />
zu Saisonende.<br />
%Determinimus<br />
60,0<br />
50,0<br />
40,0<br />
30,0<br />
20,0<br />
Interventionen<br />
keine Interventionen<br />
43,1<br />
42,0<br />
34,6<br />
vor Intervention Ende<br />
1.Interventionsphase<br />
Minimum %Determinismus<br />
44,6<br />
42,5<br />
44,4 44,6<br />
37,0<br />
Ende<br />
2.Interventionsphase<br />
Ende<br />
3.Interventionsphase<br />
Das Minimum des %Determinismus während der Nacht ist zu Projektbeginn für beide <strong>Bau</strong>arbeitergruppen<br />
etwa gleich groß. Während aber der Wert der Kennzahl für die Gruppe der <strong>Bau</strong>arbeiter, die nicht<br />
oder nur selten an den Interventionen teilgenommen hat, bis zum Saisonende hin ansteigt (blaue Balken),<br />
fällt der %Determinismus für die Gruppe der Interventionsteilnehmer (rote Balken) in den Interventionsphasen<br />
gegenüber dem Ausgangswert vor Interventionsbeginn ab: der Abfall ist am Ende der<br />
ersten Interventionsphase am stärksten und fällt in der 2. Interventionsphase am geringsten aus. Daraus<br />
kann geschlossen werden, dass die Erholungsfähigkeit während der Nacht bei den Nichtinterventionsteilnehmer<br />
mit zunehmender Dauer der Saison abnimmt. Bei den Interventionsteilnehmer nimmt die<br />
nächtliche Erholung gegenüber der Ausgangssituation vor den Interventionen zu, am ausgeprägtesten<br />
in der 1. Interventionsphase und bleibt nach Abschluß der Interventionen auf einem besseren Niveau als<br />
vor Beginn des Internventionsprogramms.<br />
Abb.19 zeigt die Kennzahl Ratio zu Projektbeginn, während der drei Interventionsphasen und in den<br />
letzten zwei Projektwochen.<br />
Die Gruppe der Interventionsteilnehmer (rote Balken) weisen zwar bereits vor Beginn der Interventionen<br />
ein höheres Ratio auf als die Vergleichsgruppe (blaue Balken), die Kennzahl nimmt aber am Ende der<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 89<br />
41,0<br />
50,9<br />
nach Intervention<br />
Abb.18:Minimum %Determinismus während der Nacht,jeweils der Mittelwert für 0.und 1.Projektwoche (vor Intervention),3.und 4. Woche (Ende 1.<br />
Interventionsphase), 8. und 9. Woche (Ende 2. Interventionsphase), 13. und 14. Woche (Ende 3. Interventionsphase) und 19. und 20. Woche (nach<br />
Intervention).<br />
Ratio<br />
40,0<br />
30,0<br />
20,0<br />
10,0<br />
0,0<br />
Interventionen<br />
keine Interventionen<br />
22,7<br />
17,4<br />
29,2<br />
15,7<br />
vor Intervention Ende<br />
1.Interventionsphase<br />
Ratio<br />
21,6<br />
18,0<br />
Ende<br />
2.Interventionsphase<br />
26,0 25,3<br />
14,3<br />
Ende<br />
3.Interventionsphase<br />
15,4<br />
nach Intervention<br />
Abb.19: Mittleres Ratio während der Nacht, jeweils der Mittelwert für 0. und 1. Projektwoche (vor Intervention), 3. und 4. Woche (Ende 1.<br />
Interventionsphase), 8. und 9. Woche (Ende 2. Interventionsphase), 13. und 14. Woche (Ende 3. Interventionsphase) und 19. und 20. Woche (nach<br />
Intervention).
90<br />
Interventionsphasen 1 und 3 zu und bleibt auch nach Interventionsende deutlich über dem Ausgangswert,<br />
lediglich in der 2. Interventionsphase fällt der Wert der Kennzahl leicht ab. Das mittlere Ratio der<br />
Versuchspersonen, die nicht an den Interventionen teilgenommen haben, bleibt dagegen über den gesamten<br />
Projektverlauf kaum verändert, es nimmt mit Ausnahme der 2. Interventionsphase sogar etwas<br />
ab. Das bedeutet, dass sich die Schlafqualität der <strong>Bau</strong>arbeiter ohne Interventionen während dem Projektverlauf<br />
bis zum Saisonende hin leicht verschlechtert, wohingegen der Schlaf von Interventionsteilnehmern<br />
an Qualität und Struktur gewinnt. Dieser Gewinn an Schlafqualität könnte auf die Wirkung<br />
des Interventionsprogramms zurückzuführen sein.<br />
In Abb.20 ist die mittlere nächtliche Entropie in den ersten beiden Wochen zu Projektbeginn, den jeweils<br />
letzten 2 Wochen jeder Interventionsphase sowie in den letzten zwei Projektwochen zu Saisonende zu<br />
sehen.<br />
Entropie<br />
3,50<br />
3,25<br />
3,00<br />
2,75<br />
2,50<br />
Interventionen<br />
keine Interventionen<br />
2,97<br />
2,89<br />
Für die Gruppe der <strong>Bau</strong>arbeiter, die nicht oder kaum an Interventionen teilgenommen haben, ist die<br />
mittlere nächtliche Entropie am Ende aller drei Interventionsphasen und in der Nachinterventionszeit höher<br />
als zu Projektbeginn, der Anstieg der Entropie weist auf zunehmende Belastung der Versuchspersonen<br />
hin. Dagegen fällt für die Gruppe der Interventionsteilnehmer die mittlere Entropie während der 1.<br />
Interventionsphase ab, erreicht in der zweiten nochmals seinen Ausgangswert und nimmt schließlich<br />
wieder ab und bleibt unter dem Startwert. Die Stressbelastung kann von den Interventionsteilnehmern<br />
besser ausgeglichen werden, der allgemeine Belastungszustand stellt sich bei dieser Gruppe geringer<br />
dar als bei der Vergleichsgruppe.<br />
5. Zusammenfassung<br />
2,78<br />
3,02<br />
vor Intervention Ende<br />
1.Interventionsphase<br />
Entropie<br />
Die qualitative Analyse der 24-Stunden-Messungen mit Hilfe der Recurrence-Plots ermöglichten einen<br />
Überblick über die Entwicklung der autonomen Regulation unter Stressbelastung und Interventionswirkung<br />
der einzelnen Versuchspersonen während des gesamten Projekts.<br />
Die qualitative Auswertung der Recurrence-Plots ergab, dass die untersuchten <strong>Bau</strong>arbeiter im Alter von<br />
20 bis 40 Jahren gut mit der mitunter hohen Stressbelastung am Arbeitsplatz umgehen können. Der Erholungswert<br />
ihrer Schlaf- und Ruhephasen ist hoch, verschlechtert sich allerdings bis zum Ende der <strong>Bau</strong>saison<br />
hin bei einigen Versuchspersonen, vor allem aus der Gruppe der <strong>Bau</strong>arbeiter die nicht am Interventionsprogramm<br />
teilgenommen haben. Bei den Versuchspersonen aus der Gruppe der Arbeiter, die<br />
am Interventionsprogramm teilgenommen haben, ist der Erholungswert ihres Schlafes gut. Sie können<br />
2,97<br />
2,93<br />
Ende<br />
2.Interventionsphase<br />
2,81<br />
Ende<br />
3.Interventionsphase<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen<br />
3,03 3,03<br />
2,90<br />
nach Intervention<br />
Abb.20: Mittlere Entropie während der Nacht, jeweils der Mittelwert für 0. und 1. Projektwoche (vor Intervention), 3. und 4. Woche (Ende 1.<br />
Interventionsphase), 8. und 9. Woche (Ende 2. Interventionsphase), 13. und 14. Woche (Ende 3. Interventionsphase) und 19. und 20. Woche (nach<br />
Intervention).
dies bis zum Projektende hin halten oder sogar verbessern. Die Schlafstruktur bzw. -architektur scheint<br />
sich bei den Interventionsteilnehmern unter Wirkung des Trainingsprogramms zu verbessern, vor allem<br />
bei älteren (> 40 Jahre) Versuchspersonen.<br />
Die Stressbelastung ist bei der Versuchsperson der <strong>Bau</strong>leitung am größten, die Recurrence-Plots zeigen<br />
hohe Arbeitsstressbelastung am Tag und schlechte Schlafstruktur in der Nacht. Der Erholungswert der<br />
Nächte erweist sich als gering, Stress kann während des Schlafes kaum kompensiert werden.<br />
Die aus der qualitativen Analyse anhand der Recurrence-Plots gewonnenen Eindrücke über den Zustand<br />
und die Entwicklung der autonomen Regulation der Versuchspersonen während des BAUfit-Projekts<br />
wurden durch die quantitative Auswertung der Messungen mit Recurrence-Plots-Kennzahlen bestätigt.<br />
Die Kennzahlen %Determinismus, Ratio und Entropie des hochfrequenten Anteils der Herzratenvariabilität<br />
eignen sich gut als Maße für Erholungsfähigkeit, Schlafqualität und Stressbelastung.<br />
Die Aussagen über die quantitative Analyse der physiologischen Meßergebnisse mittels Recurrence-Plots<br />
sind aufgrund der Konzeption und der schwierigen Umstände des Projekts – keine eigens konstruierte<br />
Vergleichsgruppe und sehr lange Meßreihen mit Versuchspersonen in einem äußerst schwierigen Umfeld<br />
– nur als Trends zu sehen und dürfen nicht als statistisch abgesicherte Aussagen gewertet werden.<br />
Die Kennzahl %Determinismus stellt ein Maß für eine ausgewogene sympathikovagale Balance und guten<br />
Erholungswert der Schlafphase dar. Hoher Tagesdeterminismus tritt auf, wenn durch hohe Arbeitsund<br />
Stressbelastung die automome Regulation eingeschränkt ist. Der %Determinismus erreicht in der<br />
Nacht, in den Tiefschlafphasen, sein Minimum: ein niedriges absolutes Minimum kennzeichnet guten<br />
Erholungswert der Schlafphase.<br />
Für die Gruppe der Interventionsteilnehmer nimmt die nächtliche Erholungsfähigkeit gegenüber der<br />
Ausgangssituation vor den Interventionen etwas zu. Diese verbesserte Erholungsfähigkeit in der Nacht<br />
zeigt sich am Ende des ersten Interventionsdurchlaufs besonders stark ausgeprägt: dies könnte auf den<br />
„Neuigkeitswert” der Interventionen und der damit verbundenen intensiven und bewussten Teilnahme<br />
an dem Trainingsprogramm zurückzuführen sein. Die Erholgungsfähigkeit der Vergleichsgruppe ohne<br />
Interventionen nimmt dagegen mit zunehmender Dauer der Saison ab.<br />
In der Kennzahl Ratio bildet sich die Schlafstruktur der Nacht, d.h. der charakteristische Wechsel zwischen<br />
Tief- und REM-Schlafphasen, und die Schlaftiefe während der Tiefschlafphasen gut ab. Das mittlere<br />
Ratio der Nacht ist ein gutes Maß für die Schlafqualität.<br />
Aus den Auswertungen läßt sich der Trend ablesen, dass sich die Schlafqualität der Gruppe der <strong>Bau</strong>arbeiter,<br />
die nicht oder kaum an Interventionen teilgenommen haben, während dem Projektverlauf bis<br />
zum Saisonende hin leicht verschlechtert, der Schlaf von Interventionsteilnehmern dagegen an Qualität<br />
und Struktur gewinnt. Dieser Gewinn an Schlafqualität könnte auf die Wirkung des Interventionsprogramms<br />
zurückzuführen sein.<br />
Die Kennzahl Entropie des Hochfrequenzanteils der Herzrate ist ein Maß für die Struktur der Herz r a t e nä<br />
n d e rung. Ein hoher We rt bedeutet, dass die Herzraten großteils nur kurzzeitig sehr ähnlich sind.<br />
Der Anstieg der Entropie für die Ve rg l e i c h s g ruppe ohne Interventionen zeigt zunehmende Belastung an.<br />
Die Stressbelastung kann von den Interv e n t i o n s t e i l n e h m e rn besser ausgeglichen werden, der allgemeine<br />
Belastungszustand stellt sich bei dieser Gruppe geringer dar als bei der Ve rg l e i c h s g ruppe. Dies könnte –<br />
unter Ve rnachlässigung anderer möglicher Einflüsse – als positive Interventionswirkung gewert e t werden.<br />
6. Schlussfolgerungen für weitere Pro j e k t e<br />
Die Methode der nichtlinearen Zeitreihenanalyse durch Recurrence-Plots und ihre Kennzahlen eignet<br />
sich, um die Entwicklung einer einzelnen Person bezüglich Stress und Erholungsfähigkeit über mehrere<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen 91
92<br />
Wochen hinweg zu dokumentieren und zu bewerten. Sie bildet zusammen mit der linearen Zeitreihenanalyse<br />
in Form des Autonomen Bildes ein hervorragendes Instrumentarium zur Begleitforschung bzw.<br />
Begleitforschungsintervention. Mit Hilfe eines optimierten Versuchsdesigns kann in zukünftigen Projekten<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit die Motivation der Teilnehmer an Programmen, wie es BAUfit darstellte,<br />
beträchtlich erhöht und der Erfolg der Interventionsmaßnahmen gesichert werden.<br />
Für Einzelpersonen können die Mess- und Analyseergebnisse Problembewusstsein für gesundheitsabträgliche<br />
Lebens- bzw. Verhaltensweisen schaffen. Die Bilder von den Analyseergebnissen – Autonomes<br />
Bild und Recurrence-Plots – können einen nachhaltigen Eindruck bei den Interventionsteilnehmern<br />
hinterlassen, der in der Gruppe Multiplikatorwirkung haben kann.<br />
Die wöchentlichen 24 Stundenmessungen, so wie sie im vorliegenden Projekt vorgenommen wurden,<br />
bilden eine ideale Grundlage für eine gute Dokumentation von Stressbelastung, Schlafqualität, Erholungs-<br />
und Regenerationsfähigkeit von Versuchspersonen. Zur Bestandsaufnahme des Status Quo einer<br />
Versuchsperson sind zumindest drei 24-Stunden-Messungen notwendig.<br />
Zur Untersuchung der Wirkung von Interventionsmaßnahmen ist es wichtig, die Gruppe der Versuchspersonen<br />
genau zu definieren, vor allem ältere Versuchspersonen sollten eher gesondert betrachtet<br />
und betreut werden. Als Versuchspersonen dürfen nur Freiwillige ins Messprogramm aufgenommen<br />
werden, da nur dann hohe Verläßlichkeit bei der Durchführung der Messungen garantiert ist und dadurch<br />
die Effizienz der Analysen sehr hoch ist.<br />
7. Literatur<br />
[1] Lipp B., Rohregger G., Moser M., Frühwirt M., Niederl T, Messerschmid M.: Auswirkung der Arbeitsbelastung<br />
von Fernfahrern auf ihre Schlafstruktur, Forschungsbericht IBO GmbH., Wien 1998<br />
[2] Lipp B. Brezovits K., Moser M., Frühwirt M., Messerschmid M.: Die Auswirkung von Kachelofenbzw.<br />
Radiator-beheizten Räumen auf Kreislaufparameter, Forschungsbericht IBO GmbH., Wien<br />
1999<br />
[3] Lipp B., Rohregger G., Moser M., Frühwirt M., Lackner H., Klima H.: Die Auswirkung von Kachelofen-<br />
bzw. Radiator-beheizten Räumen auf physiologische Zustandsparameter beim Menschen.<br />
Forschungsbericht IBO GmbH., Wien 2000<br />
[4] Unbehaun, A.: Die vegetative Kontrolle der Herzfrequenz und ihre Koordination mit dem respiratorischen<br />
System: Eine zeitreihenanalytische Studie. Dissertation, Berlin 1998<br />
[5] Lipp B.: Nichtlineare Analyse von Zeitreihen mit Schnell-Langsam-Dynamik am Beispiel von EKG-Daten,<br />
Dissertation TU Wien, Wien 1997<br />
[6] Nourbakhch R.: Recurrence Plot Analysis and its Application to Autonomous Neuropathies. Diplomarbeit<br />
TU Wien, Wien 1998<br />
[7] Stögbauer H.: Nichtlineare Analyse von physiologischen Zeitreihen am Beispiel der Herzrate im<br />
Schlaf. Diplomarbeit TU Wien, Wien 2001<br />
[8] Webber C. L., Zbilut J.: Dynamical Assessment of Physiological Systems and State using Recurrence<br />
Plot Strategies. J.Appl. Physiol. 76: 965-97 (1994):<br />
[9] Eckmann J.P., Kamphorst S.O., Ruelle D.: Recurrence Plots of Dynamical Systems. Europhysics Lett.<br />
4(9): 973-977. (1987)<br />
[10] Buzug T.: Analyse chaotischer Systeme. BI-Wissenschaftsverlag, Mannheim 1994<br />
[11] Kantz, H., Schreiber T.: Nonlinear Time Series Analysis, Cambridge University Press, UK 1997<br />
[12] Schlittgen R., Streitberg B.: Zeitreihenanalyse, Oldenbourg-Verlag, München 1994<br />
Forschungsbericht BAUfit – Nichtlineare Zeitreihenanalyse physiologischer Messungen
S t ressprävention für <strong>Bau</strong>arbeiter: Psychologische Begleit-<br />
f o r s c h u n g<br />
Prof. Dr. K.W. Kallus (1,2); H. Hahn (1); H. Langmann (1); Dipl.-Psych. A. Dittmann (2)<br />
(1) Institut für Psychologie, Abt. Arbeits-, Organisations- und Umweltpsychologie, Karl-Franzens-<br />
Universität, Graz, Österreich<br />
(2) Institut für Begleitforschung, Würzburg, Deutschland<br />
1. Zusammenfassung<br />
Im Rahmen von BAUfit, einem großangelegten Projekt der <strong>AUVA</strong>, wurden Trainingsmethoden entwickelt,<br />
mit denen dem Unfallfaktor Stress auf <strong>Bau</strong>stellen begegnet werden kann. Diese Maßnahmen wurden<br />
zudem einer systematischen Evaluation unterzogen. Dazu wurden begleitend zu den Beratungsund<br />
Trainingsmaßnahmen regelmäßige kardiovaskuläre Messungen sowie Erhebungen des psychischen<br />
und körperlichen Befindens und des Beanspruchungszustands durchgeführt. Weiterhin fand eine umfassende<br />
Analyse der Arbeitsabläufe an ausgewählten Arbeitsplätzen statt.<br />
Das Interventionsprogramm für die <strong>Bau</strong>arbeiter lief über insgesamt 14 Wochen im Sommer/Herbst<br />
2000. Diese 14 Wochen waren in eine Prä-Interventionsphase und eine Nachbeobachtungsphase eingebettet.<br />
Über insgesamt 21 Wochen hinweg führten die Teilnehmer tägliche Messungen durch (EKG und<br />
Fragebogenverfahren).<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass der tägliche Datenrücklauf im Projekt BAUfit weit oberhalb sog. sozialwissenschaftlicher<br />
Studien oder Mitarbeiterbefragungen liegt. Somit ist erwiesen, dass die prinzipielle<br />
Machbarkeit einer solchen Studie am <strong>Bau</strong> als gegeben anzusehen ist.<br />
Die weitere Auswertung der erhobenen Daten weist darauf hin, dass das Thema „Stress am <strong>Bau</strong>“ differenziert<br />
betrachtet werden sollte:<br />
Die arbeitsanalytische Bewertung der Arbeitsplätze am <strong>Bau</strong> mittels REBA_AS ergab, dass die körperliche<br />
Beanspruchung bei den <strong>Bau</strong>arbeitern drastisch erhöht ist und man sogar von einer erheblichen Fehlbeanspruchung<br />
sprechen kann. Diese resultiert daraus, dass die Arbeitsbedingungen keine zuverlässige<br />
und gefährdungsfreie Tätigkeitsausführung im Sinne gültiger, arbeitswissenschaftlicher Normen und<br />
Richtlinien gewährleisten. Ein Produktionsbetrieb, der Arbeiten wie am <strong>Bau</strong> in der Produktion vorsieht,<br />
würde heutzutage kaum genehmigt werden. Teilweise kommt es bei den Arbeitern während und nach<br />
der Arbeit zu verstärktem Belastungserleben und gesundheitlichen Beschwerden (z.B. Rückenschmerzen).<br />
Die Beschwerden weisen jedoch eine erhebliche zeitliche Fluktuation auf. Das zeigt, dass mindestens<br />
kurzfristige Regenerationsprozesse möglich sind. Dies sollte in Folgestudien systematisch zur Vorbeugung<br />
gegen Langzeitschäden in Ergänzung zu erfolgreichem Optimieren von Bewegungsabläufen<br />
genutzt werden.<br />
Einen ungünstigen Stresszustand findet man vor allem bei den Mitarbeitern mit leitender Funktion, vom<br />
Management bis hin zu den Polieren. Dieser wurde an der untersuchten <strong>Bau</strong>stelle nicht voll an die <strong>Bau</strong>arbeiter<br />
weitergegeben. Diese weisen einen durchschnittlichen Stresszustand auf.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 93
Situation<br />
Kontext<br />
problematik aus der Perspektive der Betroffenen abzubilden. Diese Daten stellen die Basis dar zur Interpretation<br />
der beobachteten physiologischen Stresssymptome und Veränderungen in den Bewegungsabläufen<br />
wie auch zur Erfassung und Analyse der Effekte der Interventionen. Zudem wurden Merkmale<br />
der Personen erfasst, die den Umgang mit Fehlbeanspruchung und Stress erwiesenermaßen mitbestimmen.<br />
Ergänzend zu den Messungen mittels psychometrisch geprüfter standardisierter Verfahren, wurden<br />
durch TrainerInnen und BeobachterInnen prozessorientiert unsystematische Beobachtungen und<br />
Kurzbefragungen durchgeführt.<br />
Das zugrundeliegende Stressmodell ist in Abbildung 1 dargestellt. Ein Auftrag wird nach Bewertung und<br />
Einschätzung der eigenen Ressourcen zu einer Aufgabe, die eine Person angemessen herausfordern,<br />
unterfordern oder auch überfordern kann. Überforderung der Ressourcen lässt sich dadurch kennzeichnen,<br />
dass die Ressourcen stärker (länger oder intensiver) in Anspruch genommen werden als sie vorhanden<br />
sind oder wiederhergestellt (regeneriert) werden können. Ungeschickte Bewegungen und ungünstige<br />
Arbeitsabläufe beanspruchen die Ressourcen stärker als nötig um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen.<br />
Sie tragen daher einerseits zum Stress bei, andererseits werden unter Stress aufgrund von Verkrampfungen<br />
oder zu schneller Bewegungsausführung ungünstige Bewegungen wahrscheinlicher.<br />
Die eingesetzten arbeitspsychologischen Analyse- und Messverfahren lassen sich einzelnen Komponenten<br />
des Modells zuordnen. So wurde die Kette von den Aufträgen und Aufgaben (Arbeitsanalysen) über<br />
die resultierende Beanspruchung (Symptomlisten, Tagesprotokollen) bis hin zu den Stress und Erholungsprozessen<br />
(Beanspruchungs-/Erholungszustand) sowie körperlichen Symptomen (Gesundheit) abgedeckt.<br />
4. Ablauf der Studie<br />
Auftrag<br />
(objektiv)<br />
Aufgabe<br />
(subjektiv)<br />
Bewertung/<br />
Redefinition<br />
Bewältigung/<br />
Ausführung<br />
Stress Erholung<br />
-- ++<br />
Gesundheit<br />
Abbildung 1: Modell zur Beziehung zwischen T ä t i g keit und Stress-Erholungszustand<br />
Persönlichkeit<br />
Konstitution<br />
Erfahrung<br />
Ressourcen<br />
Ausgangszustand<br />
4.1. Zeitlicher Ablauf<br />
Das Interventionsprogramm für die <strong>Bau</strong>arbeiter lief über insgesamt 14 Wochen im Sommer/Herbst 2000<br />
(Kalenderwoche 28 bis KW 41). Diese 14 Wochen waren in eine PräInterventionsphase und eine Nachbeobachtungsphase<br />
eingebettet und setzten sich aus verschiedenen Blöcken zusammen:<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 95
pausen gemacht werden können. So können Gegengewichte zur unvermeidlichen Einseitigkeit vieler<br />
Arbeiten gesetzt werden.<br />
Beide Übungsformen wurden wöchentlich in konzentrierten Übungseinheiten erlernt und bei der täglichen<br />
Begleitung auf der <strong>Bau</strong>stelle vertieft.<br />
Bei der dritten Bewegungsintervention „Eurythmie“ wurden die Männer von der <strong>Bau</strong>stelle zu sensiblen<br />
tanzartigen Bewegungen in der Gruppe angeleitet. Die Übungen beanspruchen das räumliche Vorstellungsvermögen,<br />
erfordern Konzentration und Koordinationsvermögen.<br />
Auch das Führungs- und Verwaltungspersonal der <strong>Bau</strong>firma wurde einbezogen. Es erarbeitete gemeinsam<br />
mit einem Wirtschaftspsychologen eine Analyse der Organisations- und Entscheidungsabläufe im<br />
Unternehmen. Optimierungen der Organisationsabläufe, Führungs- und Kommunikationstraining sollten<br />
in der Folge helfen, Stress in der Firma zu vermeiden. Unterstützt wurden die Beratungen durch<br />
„Anturnen“ zu Beginn und Eurythmieübungen am Ende des Arbeitstages.<br />
4.4. Wissenschaftliche Evaluationsmethoden<br />
Im folgenden wird ein kurzer Überblick über sämtliche im Projekt eingesetzte Methoden gegeben.<br />
Gegenstand dieses Berichtteils sind jedoch nur die Ergebnisse der psychologischen Befindens- und Beanspruchungsmessung<br />
und der Arbeitsanalyse.<br />
Arbeitsmedizinische Untersuchung<br />
Alle Teilnehmer am BAUfit-Projekt erhielten eine arbeitsmedizinische Eingangsuntersuchung zu Beginn<br />
und eine Abschlussuntersuchung am Ende des 14-wöchigen Interventionsprogramms.<br />
Bewegungsstrasse<br />
„Eine Mauer aus 28 losen Ziegeln ohne Zeitdruck um 90 Grad versetzen, eine Schubkarre mit Erde beladen,<br />
Armierungsgitter mit Draht aneinander rödeln, einen Pflock mit dem Vorschlaghammer einschlagen,<br />
über Kopf einen Schalungsanker an- und wieder abschrauben, einen schweren Betonmauerstein<br />
vom Boden aufheben und auf einem Meter Höhe ablegen. Das sind die sechs Stationen der Bewegungsstrasse,<br />
die alle Teilnehmer zu Beginn durchgemacht haben und am Ende der Interventionsphase<br />
wieder durchmachen werden. Die benötigte Zeit wird gestoppt und die Bewegungen fotografisch festgehalten.<br />
So wird ein Status der Bewegungsgewohnheiten der Teilnehmer gewonnen, der später mit<br />
dem Ergebnis des zweiten Durchgangs verglichen wird.“ (Waltjen, 2000; S. 12)<br />
Heartman<br />
Die Herzratenvariabilität ist ein Indikator für Beanspruchung und Erholung, in der sich die Aktivitätsmuster<br />
des autonomen Nervensystems abbilden. Unterschiedliche Komponenten der Herzratenvariabilität<br />
werden mit dem miniaturisierten Messgerät „Heartman“ erfasst, kaum größer als eine Zigarettenschachtel,<br />
entwickelt im Kontext der österreichische Weltraumforschung (Austromir-Projekt). So können<br />
ohne Behinderung der Arbeit bei Tag bzw. des Schlafes bei Nacht Messungen vorgenommen werden.<br />
Messungen der Herzratenvariabilität mittels Heartman wurden täglich, über 20 Wochen hinweg, morgens<br />
vor dem Aufstehen für 15 Minuten von den Teilnehmern selbst durchgeführt. Zusätzlich wurde<br />
einmal wöchentlich eine 24-Stunden Messung von Dienstag bis Mittwoch Mittag erhoben.<br />
Psychologische Befindens- und Beanspruchungsmessung<br />
Die physiologischen Messungen der Herzratenvariabilität werden durch standardisierte psychologische<br />
Fragebögen ergänzt, die eine nachträgliche Zuordnung von physiologischen Messdaten zu den Aktivitä-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 97
Ausführbarkeit und Schädigungslosigkeit<br />
Diese beiden Aspekte repräsentieren die traditionellen Bereiche des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.<br />
Mit REBA_AS kann geprüft werden, ob die Arbeitsbedingungen eine zuverlässige und gefährdungsfreie<br />
Tätigkeitsausführung gewährleisten. Die Gestaltungsgüte der Arbeitsbedingungen wird mittels Prüflisten<br />
beurteilt. Grundlage der Bewertungen und Gestaltungshinweise bilden gültige arbeitswissenschaftliche<br />
Normen, Standards und Richtlinien.<br />
Beeinträchtigungsfreiheit und Persönlichkeitsförderlichkeit<br />
Grundlage dieser beiden Aspekte ist das Konzept der psychischen Regulation von Arbeitstätigkeiten<br />
(Hacker 1986; Richter und Hacker 1997). Nach diesem Konzept werden Zusammenhänge zwischen Beanspruchungsfolgen,<br />
Arbeitsanforderungen und psychischen Leistungsvoraussetzungen aufgezeigt.<br />
Letztere sind die Regulationsgrundlage bei der Anforderungsbewältigung. Infolge ihrer Inanspruchnahme<br />
bei der Arbeitstätigkeit verändern sich die psychischen Leistungsvoraussetzungen des Arbeitenden.<br />
Dies kann sowohl im Sinne einer Weiterentwicklung des Könnens und Wollens geschehen, aber auch<br />
gegensinnig als deren Beeinträchtigung. Ist eine Tätigkeit mangelhaft gestaltet, tritt infolge einer Überoder<br />
Unterforderung eine Fehlbeanspruchung der Leistungsvoraussetzungen auf. Es werden vier Fehlbeanspruchungsfolgen<br />
unterschieden:<br />
• Psychische Ermüdung: Nach längerer Tätigkeitsdauer auftretende Erschöpfung und Ermüdung<br />
ohne Langeweile. Überfordernde Arbeitsbedingungen verstärken den Prozess der psychischen<br />
Ermüdung. Vorbeugung bzw. Rückbildung durch ausreichende Pausen und/oder Vermeidung<br />
von Überforderung.<br />
• M o n o t o n i e : Erlebte Langeweile mit Müdigkeit und Interesselosigkeit bedingt durch eine<br />
•<br />
U n t e rf o rd e rung der Leistungsvoraussetzungen bei längerer Tätigkeitsdauer. Spru n g h a f t e<br />
Rückbildung durch einen Tätigkeitswechsel ist möglich. Maßnahmen zur Vorbeugung sind<br />
Aufgabenbereicherung und/oder Senkung der Daueraufmerksamkeitsbindung.<br />
Psychische Sättigung: Äußert sich in Widerwillen und unlustbetonter Gereiztheit und wird ausgelöst<br />
durch eine erlebte fehlende Sinnhaftigkeit bei der Aufgabenrealisierung. Das Auftreten von<br />
psychischer Sättigung ist auch vorwegnehmend und während der Tätigkeit möglich. Reduktion<br />
und Vorbeugung psychischer Sättigung kann erreicht werden durch Tätigkeitswechsel oder individuelle<br />
Sinn- und Zielbildung.<br />
• S t r e s s : zeichnet sich aus durch eine erregtgeängstigte Gespanntheit, Unruhe und Sorge um die<br />
Erfüllbarkeit der Aufgabe. Stress als Fehlbeanspruchungsfolge wird erzeugt durch eine objektive<br />
Überforderung ohne Ausweichmöglichkeiten und/oder durch das Erleben von durch Überforderung<br />
ausgelösten negativen Emotionen und/oder auch durch die Vereitelung wichtiger Ziele.<br />
Stress kann reduziert oder vorgebeugt werden durch Vermeidung von Überforderung oder auch<br />
durch eine Erweiterung des Tätigkeits- und Entscheidungsspielraums.<br />
Das Verfahren REBA_AS erfasst die Bedingungen einer Arbeitstätigkeit und bewertet diese hinsichtlich<br />
der Ebenen Ausführbarkeit und Schädigungslosigkeit sowie Beeinträchtigungsfreiheit und Persönlichkeitsförderlichkeit.<br />
Die Bewertung der Ebenen Beeinträchtigungsfreiheit und Persönlichkeitsförderlichkeit<br />
führt zu einer Prognose, inwieweit die Arbeitstätigkeit von ihrer Gestaltung her bei den sie Ausführenden<br />
zu den psychischen Fehlbeanspruchungsfolgen Ermüdung, Monotonie, psychische Sättigung<br />
und Stress führt.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 99
4 . 5 . 4 . M e h rdimensionale körperliche Symptomliste (MKSL-<strong>Bau</strong>)<br />
Die Mehrdimensionale körperliche Symptomliste von Erdmann & Janke (1984) ist ein Verfahren zur Erfassung<br />
der aktuellen körperlichen Befindlichkeit. Die Intensität einer Reihe von Körperzuständen und<br />
Körperempfindungen soll auf einer siebenstufigen Antwortskala festgehalten werden:<br />
0 1 2 3 4 5 6<br />
überhaupt nicht sehr schwach schwach etwas ziemlich stark sehr stark<br />
Im Projekt BAUfit wurden Items, also Körpersymptome, aus der MKSL zusammen mit speziell für die<br />
Untersuchungsfragestellung ausgewählten Symptomen kombiniert, so dass sich eine Symptomliste mit<br />
16 Items ergab.<br />
Adrenerge Anspannungssymptome: Gefühl, dass die Muskeln angespannt oder verkrampft sind; Händezittern<br />
oder allgemeine Zittrigkeit; Herzbeschwerden oder Herzklopfen<br />
Cholinerge Anspannungssymptome: Gefühl körperlicher Schwäche oder Erschöpfung; Eigenartiges Gefühl<br />
im Magen wie Ziehen, Drücken, Beklemmungsgefühl oder Schmerzen; Gefühl, Schwierigkeiten<br />
beim Atmen zu haben<br />
Übelkeit: Schwindelgefühl<br />
Schmerzen: Kopfdruck oder Kopfschmerzen; Schmerzen im Nacken; Schmerzen im Rükkenbereich<br />
Zusätzlich eingeführte Symptome: Gelenkschmerzen; Schmerzen in den Füßen; Schmerzen in den Armen;<br />
Schmerzen in den Knien; Schmerzen in der Hüfte; Schnupfen, Husten, Grippe oder Allergien<br />
Die körperliche Symptomliste wurde über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg täglich vorgegeben.<br />
Sie war in das täglich auszufüllende <strong>Bau</strong>tagebuch integriert und sollte jeweils abends vor dem<br />
Schlafengehen beantwortet werden.<br />
4 . 5 . 5 . Eigenschaftswörterliste (EWL-<strong>Bau</strong>)<br />
Es wurde eine Kurzform der Eigenschaftswörterliste (Janke & Debus, 1978) mit 18 Items entwickelt. Die<br />
EWL dient der Skalierung der aktuellen Befindlichkeit einer Person anhand einer vierstufigen Skala.<br />
0 1 2 3<br />
gar nicht etwas ziemlich stark<br />
Die in der Untersuchung eingesetzte Version erfasst die folgenden Befindlichkeitsdimensionen:<br />
B e reiche der EWL Items zu den Bere i c h e n<br />
Gehobene Stimmung f r e u d i g ; gut gelaunt<br />
Bitte kreuzen Sie an, wie Sie sich augenblicklich fühlen<br />
S e l b s t s i c h e r h e i t s e l b s t z u f r i e d e n ; u n b e k ü m m e r t<br />
Ko n z e n t r i e r t h e i t ko n z e n t r i e r t ; a u s d a u e r n d<br />
G e r e i z t h e i t g e r e i z t ; v e r ä r g e r t<br />
D e s a k t i v i e r t h e i t t r ä g e ; l a h m<br />
E r r e g t h e i t n e r v ö s ; z a p p e l i g<br />
M ü d i g ke i t m ü d e ;e r s c h ö p f t<br />
E x t r a v e r t i e r t h e i t ko n t a k t f r e u d i g ; g e s e l l i g<br />
M o n o t o n i e g e l a n g w e i l t ; u n t e r f o r d e r t<br />
Tabelle 1: Bereiche und Eigenschaftswörter der EWL-<strong>Bau</strong><br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 101
Der EBF-31 wurde alle 14 Tage, beginnend in der Prä-Interventionsphase bis in die dem Interventionsblock<br />
folgende Nachbeobachtungsphase hinein, vorgegeben.<br />
Die folgenden Verfahren zur Messung des Umgangs mit Arbeitsbeanspruchung und Stress sowie zur<br />
Abbildung der Veränderungen im Laufe des Projekts wurden zu zwei Messzeitpunkten, einmal vor und<br />
einmal nach Ablauf des Interventionsprogramms eingesetzt.<br />
4 . 5 . 7 . F ragebogen zur Arbeitsintensität und T ä t i g ke i t s s p i e l raum (FIT)<br />
Der FIT (Richter et al., 2000) ist ein Verfahren zur Erfassung der erlebten Intensität der Anforderungen einer<br />
Arbeit und des erlebten Tätigkeitsspielraums (Freiheitsgrade bei der Regulation der Arbeitsaufgabe).<br />
Der Fragebogen enthält 7 Stellungnahmen zum Tätigkeitsspielraum (z.B. „Ich kann meine Arbeit selbständig<br />
planen und einteilen“) und 6 Stellungnahmen zur Arbeitsintensität (z.B. „Das von mir verlangte<br />
Arbeitstempo ist sehr hoch“). Das Zutreffen der Stellungnahmen wird auf einer vierstufigen Skala eingeschätzt:<br />
1 2 3 4<br />
nein mehr nein als ja mehr ja als nein ja<br />
Die Korrelationen zu anderen Beanspruchungs- und Gesundheitskonstrukten zeigen durchweg erwartungskonforme<br />
Ergebnisse. Beschäftigte, die ihre Arbeit als intensiv und schwierig erleben, weisen mehr<br />
Ermüdungs- und Stresssymptome auf und haben wesentlich stärkere psychosomatische Beschwerden.<br />
Das Erleben der Arbeitsintensität weist jedoch keine Korrelationen zur Zufriedenheit mit den Arbeitsinhalten<br />
und den sozialen Beziehungen auf. Die Arbeitszufriedenheit steht jedoch in starker Beziehung zu<br />
den erlebten Spielräumen in der Arbeit. Erhöhte Tätigkeitsspielräume korrelieren mit verminderter<br />
Monotonie und psychischer Sättigung, reduzierten psychosomatischen Beschwerden und einer größeren<br />
Zufriedenheit mit dem Führungsstil des Vorgesetzten (vgl. Richter et al., 2000).<br />
Arbeitsintensität und Tätigkeitsspielraum wurden mittels FIT insgesamt zweimal, zu Beginn und nach<br />
Abschluss der Interventionsphase erhoben.<br />
4 . 5 . 8 . F ragebogen zur Analyse belastungsrelevanter A n f o rderungsbewältigung (FA BA )<br />
FABA (Richter, Rudolf & Schmidt 1996) zielt darauf ab, gewohnheitsmäßige Handlungsmuster zu diagnostizieren,<br />
die in Stresssituationen erhöhte, dauerhafte Aktivierungen auslösen und damit langfristig<br />
das Erkrankungsrisiko erhöhen können. Zu diesen Handlungsmustern gehört ein exzessives Arbeitsengagement<br />
in Verbindung mit der Unfähigkeit auch mal „abzuschalten“, exzessive Planungs- bzw. Kontrollambitionen,<br />
die Neigung zur Ungeduld sowie ein verstärktes Konkurrenzdenken bzw. Dominanzstreben.<br />
Derartige Verhaltensauffälligkeiten sind insbesondere bei Herz-Kreislauferkrankungen, aber<br />
auch bei psychosomatischen Krankheitsbildern beschrieben worden. Indem das Verfahren gesundheitsgefährdende<br />
Handlungsstile aufzeigt, ist es z.B. im Rahmen der Gesundheitsvorsorge in Organisationen<br />
einsetzbar. Die mit diesem Handlungsmuster verbundenen Gesundheitsgefährdungen können in Grenzen<br />
gehalten werden, wenn es durch arbeitsgestalterische und therapeutische Maßnahmen gelingt,<br />
spezifische auslösende Bedingungen zu kontrollieren.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 103
AVEM auf gesundheitsrelevante Aussagen ab. Aus der jeweiligen Konstellation der einbezogenen Merkmale<br />
des Arbeitsengagements, der emotionalen Befindlichkeit und der Bewertung der persönlichen<br />
Ressourcen kann auf persönlichkeitsspezifische Risiken im Sinne psychischer und psychosomatischer Gefährdung<br />
geschlossen werden. Weiterhin bietet sich das Verfahren an, wenn Aussagen über Einstellung,<br />
Befinden und Verhaltensänderungen in der Folge von arbeits- und personenbezogenen Interventionen<br />
zu treffen sind.<br />
Auf einer siebenstufigen Skala mit den Polen „1 = gar nicht“ und „7 = voll und ganz“ wird eingeschätzt<br />
wie sehr eine Aussage zutrifft. Tabelle 4 listet die 11 Dimensionen des Fragebogens und Beispielitems<br />
auf. Im Projekt BAUfit wurde AVEM in einer verkürzten Form mit nur 11 statt 66 Items eingesetzt.<br />
Die arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster wurden in der vorliegenden Untersuchung zweimal<br />
erhoben: zu Beginn der Interventionsphase (Kalenderwoche 26) und nach Abschluss der Interventionsphase<br />
(KW 45).<br />
4 . 5 . 1 0 . P rofilanalyse der Arbeitszufriedenheit (PA Z )<br />
PAZ (Jimenez, 2000) ist ein Verfahren zur Messung der Zufriedenheit mit verschiedenen Aspekten der<br />
Arbeit (z.B. Arbeitsinhalt, Kollegen, Führung, Arbeitsbedingungen) und der Arbeit im allgemeinen. Die<br />
Zufriedenheit mit einem Aspekt (z.B. „Insgesamt bin ich mit der Herausforderung meiner Arbeit...“)<br />
wird auf einer fünfstufigen Skala beurteilt:<br />
Sehr zufrieden<br />
zufrieden<br />
weder zufrieden noch unzufrieden<br />
unzufrieden<br />
sehr unzufrieden<br />
In der vorliegenden Untersuchung wurde eine adaptierte Kurzform der PAZ mit 17 Items eingesetzt.<br />
Die Arbeitszufriedenheit wurde mittels der PAZ insgesamt zweimal, zu Beginn und nach Abschluss der<br />
Interventionsphase erhoben.<br />
4 . 5 . 1 1 . S t re s s v e ra r b e i t u n g s f ragebogen (SVF)<br />
Der Stressverarbeitungsfragebogen nach Janke, Erdmann und Kallus (1985) ist ein Test zur Erfassung<br />
von Stressverarbeitungsstrategien. Unter Stressverarbeitungsstrategien werden diejenigen psychischen<br />
Vorgänge verstanden, die beim Auftreten von Stress in Gang gesetzt werden um diesen Zustand zu vermindern<br />
und/oder zu beenden.<br />
Stressverarbeitungsweisen können in ihrer Wirksamkeit unterschiedlich sein: So sind Verarbeitungsstrategien,<br />
die zur Ausschaltung oder Beseitigung der Stress-Ursache führen (wie z.B. aktive Situationskontrollversuche)<br />
positiv zu beurteilen während Resignation oder Selbstbeschuldigung praktisch immer<br />
Stress erhöhen oder aufrechterhalten werden. Bestimmte Verarbeitungsstrategien können auch kurzfristig<br />
stresserniedrigend und langfristig stresserhöhend wirken, z.B. Vermeidung, Flucht, Schuldabwehr<br />
oder Herunterspielen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 105
5. Erg e b n i s s e<br />
5.1. Datenrücklauf / Machbarkeit<br />
Im Projekt BAUfit sollte unter anderem die Machbarkeit einer interventionsorientierten Studie zur Optimierung<br />
der Arbeitsbedingungen in der <strong>Bau</strong>branche aufgezeigt werden. Bestandsaufnahmen der Arbeitsbedingungen<br />
am <strong>Bau</strong> liegen bereits vor. Diese zeigen die massive Problematik von sowohl Langzeitschäden<br />
bei den Arbeitern als auch kurzfristigen Schäden durch Unfälle. Dabei wurde immer wieder<br />
das kritische Wechselspiel von sehr schwerer Arbeit mit Stressfaktoren diskutiert. Es stellte sich die Frage,<br />
ob eine Studie mit täglichen wissenschaftlichen Messungen am <strong>Bau</strong> überhaupt machbar sei.<br />
Abbildung 2 zeigt, dass der Datenrücklauf und die Datenqualität bei 22 von 26 Personen trotz der 145<br />
Messtage höher als 80 % war und somit weit oberhalb sog. sozialwissenschaftlicher Studien oder Mitarbeiterbefragungen<br />
liegt.<br />
80%-89,9%<br />
90%-94,9%<br />
N=5<br />
N=6<br />
N=11<br />
Abbildung 2:Rücklauf der Daten für die täglichen Messungen<br />
65%-79,9%<br />
95% oder mehr<br />
Somit lässt sich als erstes und entscheidendes Ergebnis festhalten, dass die prinzipielle Machbarkeit einer<br />
solchen Studie als gegeben anzusehen ist. Dabei wurden, wie bereits dargestellt, durch die vielen<br />
Beobachtungen und „baufremden“ Personen am <strong>Bau</strong> keine zusätzlichen Unfälle provoziert, vielmehr<br />
wirkte sich die Studie in Richtung einer massiven Reduktion des Unfallrisikos (keine Unfälle!) aus.<br />
5.2. Beanspruchung und Stress<br />
5 . 2 . 1 . Statistische A u s w e r t u n g<br />
Für die Verfahren der psychologischen Begleitforschung (außer REBA_AS und FSD) wurden die folgenden<br />
statistischen Analysen gerechnet:<br />
Univariate Varianzanalysen mit Messwiederholungen und dem Faktor „Interventionsgruppen“<br />
Der Faktor „Interventionsgruppe“ umfasste die folgenden 3 Gruppen:<br />
Gruppe 1: keine Intervention<br />
Gruppe 2: Eurhythmie, körpergerechtes Arbeiten, körperger. Arbeiten (EU, KA, KA)<br />
Gruppe 3: Körpergerechtes Arbeiten, Eurhythmie, Eurhythmie (KA, EU, EU)<br />
Für einige ergänzende Auswertungen wurden die Gruppen 2 und 3 („Intervention“) zusammengefasst.<br />
Die Anzahl der Messwiederholungen ist für die verschiedenen Verfahren unterschiedlich, manche Ver-<br />
N=4<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 107
Po l i e r<br />
Abbildung 3:Ergebnisse des REBA-Verfahrens für die Tätigkeit des Poliers<br />
Ausführbarkeit und Schädigungslosigkeit (siehe Abbildung 3):<br />
Auf der Bewertungsebene Ausführbarkeit ist die Einhaltung sinnesphysiologischer Kennwerte (Lärmpegel<br />
auf der <strong>Bau</strong>stelle; Verdeckung akustischer Signale, z.B. von Mobiltelefonen etc.) nicht gewährleistet.<br />
In Bezug auf die Schädigungslosigkeit ist die Ausführung der Tätigkeit ebenfalls eingeschränkt. Insbesondere<br />
kommen hier das Auftreten von Stäuben, die physikalische Einwirkung von Lärm, Belastungen<br />
durch Arbeitsumgebungsbedingungen (Wetter), mechanische Gefährdungen sowie Brand- und Explosionsgefährdungen<br />
zum Tragen. Die Verhütung von gesundheitlichen Gefährdungen und der Verschlechterung<br />
des arbeitsbedingten Befindens ist eingeschränkt.<br />
Beeinträchtigungsfreiheit und Lern-/Persönlichkeitsförderlichkeit (siehe Abb. 3):<br />
Die Bewertung der Ebene Beeinträchtigungsfreiheit weist auf das Auftreten von psychischen Ermüdungsrisiken<br />
(wenn auch gering) hin. Das Anforderungsprofil für Lern- und Persönlichkeitsförderlichkeit<br />
zeigt bezogen auf einzelne Tätigkeitsmerkmale Gestaltungsdefizite und –potentiale an, liegt aber eher<br />
im positiven Bereich.<br />
Ein Defizit bei Widerspruchsfreiheit lässt sich damit erklären, dass der Polier mit einer Vielzahl von Personen-<br />
und Interessengruppen zu tun hat, deren unterschiedlichen Erwartungen und Vorstellungen er<br />
gerecht werden muss: <strong>Bau</strong>leitung, Firmenleitung, <strong>Bau</strong>stellenbelegschaft, Subunternehmen, Lieferanten<br />
und Anlieger. Rückmeldungen über seine Arbeit erhält der Polier selten und überwiegend dann, wenn<br />
es Probleme gibt.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 109
ist aufgrund der Anforderungen der <strong>Bau</strong>leitertätigkeit gut nachvollziehbar (<strong>Bau</strong>leitung ist eine typische<br />
Managementaufgabe). Die Ermüdung sollte aber auch vor dem Hintergrund der mittleren wöchentlichen<br />
Arbeitszeit im Bereich von <strong>Bau</strong>leitern betrachtet werden (siehe Abb. 5).<br />
Anzahl der Arbeitsstunden pro Woche<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
41-45 46-50 51-55 56-60 61-65 66-70 < 70<br />
wöchentliche Arbeitsstunden<br />
Abbildung 5:Anzahl der üblichen wöchentlichen Arbeitsstunden der <strong>Bau</strong>leiter (prozentuale Anteile, n=70);aus:Strobel, G.<br />
& Krause, J. v. (1997).Psychische Belastung von <strong>Bau</strong>leitern;Bremerhaven:Wirtschaftsverlag NW (Schriftenreihe der <strong>Bau</strong>A –<br />
Forschung 778)<br />
Im Anforderungsprofil für Lern- und Persönlichkeitsförderlichkeit stechen negative Werte bei den Tätigkeitsmerkmalen<br />
Kooperationsformen und Gruppenverantwortung hervor. Beide erklären sich durch die<br />
Entwicklung des REBA-Verfahrens (Validierung an Industrietätigkeiten). Die Zusammenarbeit mit den<br />
Polieren und anderen <strong>Bau</strong>leitern zählt zwar zu den Aufgaben des <strong>Bau</strong>leiters, dennoch ist die Tätigkeit<br />
von der Beschreibung der Tätigkeitsmerkmale als Einzelarbeitsplatz einzustufen.<br />
Eine negative Bewertung des Merkmals Widerspruchsfreiheit ergibt sich dadurch, dass der <strong>Bau</strong>leiter<br />
häufig unter der Voraussetzung entgegengesetzter Interessen kommunizieren und verhandeln muss<br />
(z.B. behördliche Auflagen und Erfordernisse des Arbeitsschutzes einerseits, Termindruck andererseits).<br />
Rückmeldungen über seine Arbeit erhält der <strong>Bau</strong>leiter selten, was sich entsprechend bei der Bewertung<br />
niederschlägt.<br />
Die Tätigkeit des <strong>Bau</strong>leiters ist körperlich abwechslungsreich (Schreibtischtätigkeiten wechseln mit Begehungen<br />
von <strong>Bau</strong>stellen, auf Gerüste klettern, Treppen steigen) und Autofahrten. Ein negativer Wert<br />
ergibt sich daraus, dass mehr als 1/3 der Arbeitszeit im Sitzen verbracht wird, und bei der Feinanalyse die<br />
Teiltätigkeiten prozentuell in die Gesamtbewertung eingehen.<br />
Bei der Bewertung der Tätigkeiten Polier und <strong>Bau</strong>leiter darf nicht unerwähnt bleiben, dass REBA_AS an<br />
Industrietätigkeiten validiert wurde. Für die Bewertung von Managementtätigkeiten (dies gilt teilweise<br />
auch für die Tätigkeit des Poliers, der auf größeren <strong>Bau</strong>stellen große Teile der <strong>Bau</strong>leitung übertragen bekommen<br />
kann) sind die Tätigkeitsmerkmale zum Teil nur bedingt aussagekräftig.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 111
Ausführbarkeit und Schädigungslosigkeit (siehe Abb. 6a und 6b):<br />
Die Gestaltungsgüte der Arbeitsbedingungen ist gekennzeichnet durch ungünstige Körperhaltungen<br />
oder Zwangshaltungen (gebückte Haltung, statische und dynamische Überkopfarbeit bei den Zimmerern),<br />
dem manuellen Heben und Tragen schwerer Lasten, Lärmeinwirkung, etc. Weiterhin kommt es zu<br />
Gefährdungen oder Belastungen durch Stäube, durch Arbeiten unter starkem Lärm, bei Wind und/oder<br />
Zugluft, im Regen oder in sehr feuchter Witterung, bei großer Hitze oder großer Kälte und unter beweglichen<br />
Lasten. Das Auftreten von Brand- und Explosionsgefährdungen ist ebenfalls nicht auszuschließen.<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass die erforderlichen Körperschutzmittel (PSA, persönliche<br />
Schutzausrüstung) nicht immer getragen werden. Teilweise kommt es während oder nach der Arbeit zu<br />
verstärktem Belastungserleben und gesundheitlichen Beschwerden (z.B. Rückenschmerzen). Der Krankenstand<br />
ist erhöht. Insgesamt sind somit die Ausführbarkeit und Schädigungslosigkeit der Tätigkeit<br />
nicht gewährleistet.<br />
Beeinträchtigungsfreiheit und Lern-/Persönlichkeitsförderlichkeit (siehe Abb. 6a und 6b):<br />
Die Bewertungsebene Beeinträchtigungslosigkeit ist bezüglich der Gestaltungsgüte einwandfrei. Es gibt<br />
keine Hinweise auf Risikofaktoren hinsichtlich Ermüdung, Sättigung, Monotonie oder psychischen<br />
Stress.<br />
Das Anford e ru n g s p rofil hinsichtlich Lern- und Persönlichkeitsförderlichkeit zeigt starke Defizite bei den Tätigkeitsmerkmalen<br />
Information über Organisation und Beteiligungsgrad. Beklagt wird, dass zuwenig Einbindung<br />
in Planungs- und Entscheidungsprozesse gegeben sei. Die negative Bewertung beim Merkmal<br />
Vorbildungsnutzung ergibt sich aus der Diff e renz des in der Ausbildung erworbenen Spektrums an Fert i gkeiten<br />
und den davon tatsächlich eingesetzten Fertigkeiten bei der Ausübung der Tätigkeit. Rükmeldungen<br />
über die Arbeit werden selten gegeben. Das positiv bewerte Tätigkeitsmerkmal Kooperationsumfang<br />
b e ruht auf dem hohen zeitlichen Umfang aller direkten kooperativen Ve rrichtungen einschließlich der arbeitsbedingten<br />
Kommunikation. Die Tätigkeit wird in einer Arbeitspartie (bestehend aus 2 bis 3 Arbeitn<br />
e h m e rn) ausgeführt. Entscheidungen sind bei den Zimmere rn zumeist in Form von We n n - D a n n - A u swahlen<br />
oder mit geringen Unterschieden hinsichtlich der Effektivität möglich. Die Erfüllung der Arbeitsaufträge<br />
erf o rd e rt Kooperation/Kommunikation in Form von We i t e rgabe/Empfang von Inform a t i o n e n / A nweisungen<br />
und Routineauskünften sowie bei Abstimmung zu organisatorischen Sachverhalten. Die<br />
Merkmale Entscheidungen und Kommunikationsinhalte entsprechen damit nicht dem Mindestprofil.<br />
stolpern/umknicken<br />
anstoßen<br />
herunterfallende<br />
Objekte<br />
abstürzen<br />
<strong>Bau</strong>kreissäge<br />
Staub<br />
Gefahren<br />
0 1 2 3 4 5 6 7<br />
Risikokennwert<br />
Abbildung 7:Risikokennwerte für die ermittelten Gefahren über alle bewerteten Arbeitstätigkeiten (N=4) hinweg<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 113
5 . 2 . 4 . BMS II<br />
Der Fragebogen BMS II nach Plath & Richter (1984) ist eine Verfahren zur Messung der aktuellen erlebten<br />
psychischen Beanspruchungsfolgen Ermüdung, Monotonie, psychische Sättigung und Stress. Das<br />
Verfahren wurde wöchentlich eingesetzt.<br />
Für das Verfahren BMS gibt es normative Grenzwerte hinsichtlich der Erfordernis von Maßnahmen der<br />
Arbeitsgestaltung (siehe Tabelle 7).<br />
B e w e r t u n g s s t u f e n S k a l e n w e r t e<br />
Stufe A: Wohlbefinden,aus dem beanspruchungsbedingten Befinden sind keine<br />
Gestaltungsnotwendigkeiten abzuleiten.<br />
Stufe B: Leichte Beeinträchtigungen des Befindens<br />
Stufe C: Starke Beeinträchtigung des Befindens;Maßnahmen der Arbeitsgestaltung<br />
unerlässlich<br />
Unterschiede zwischen Personengruppen<br />
Wie Abbildung 8 veranschaulicht, bestehen Unterschiede zwischen den Personengruppen hinsichtlich<br />
Stress und der psychischen Sättigung. Beide Merkmale sind beim Management/Verwaltungspersonal<br />
deutlich negativer ausgeprägt als bei den <strong>Bau</strong>arbeitern und <strong>Bau</strong>leitern. Im Bereich Stress unterschreitet<br />
der Wert beim Management schon knapp den als „Unbedenklichkeitsgrenze“ geltenden Wert von 52.<br />
Beanspruchung<br />
*<br />
Monotonie<br />
Sättigung<br />
*<br />
Stress<br />
B e a n s p r u c h u n g M o n o t o n i e S ä t t i g u n g S t r e s s<br />
A ≥ 50.0 ≥ 50.0 ≥ 50.0 ≥ 52.0<br />
B 49.9 – 46.0 49.9 – 48.0 49.9 – 48.0 51.0 – 50.0<br />
C < 46.0 < 48.0 < 48.0 < 50.0<br />
Tabelle 7:Richtwerte und Bewertungsempfehlungen für die Skalenwerte der BMS<br />
40 50 60 70<br />
<strong>Bau</strong>arbeiter<br />
(N=12)<br />
<strong>Bau</strong>leiter<br />
(N=8)<br />
Management<br />
(N=6)<br />
Abbildung 8:Unterschiede zwischen Personengruppen zum ersten Messzeitpunkt (Woche 4);Effekte:Stress p < .10;<br />
Sättigung p < .05;je höher die Werte, desto geringer die Ausprägung<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 115
5 . 2 . 5 . M e h rdimensionale körperliche Symptomliste (MKSL-<strong>Bau</strong>)<br />
Die körperliche Symptomliste wurde über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg innerhalb des<br />
sog. „<strong>Bau</strong>tagebuchs“ täglich bearbeitet. Dabei zeigte sich, dass im zeitlichen Verlauf, von einem Tag auf<br />
den anderen, z.T. erhebliche Schwankungen bei den körperlichen Symptomen bestehen. Weder Interventionseffekte<br />
über den Zeitverlauf noch Unterschiede zwischen den Personengruppen sind aus diesem<br />
Grund bei der geringen Stichprobengröße statistisch signifikant nachweisbar.<br />
Abbildung 11a zeigt exemplarisch den zeitlichen Verlauf der „körperlichen Erschöpfung“ über den<br />
Untersuchungszeitraum hinweg. In die Analyse wurden stichprobenartig einzelne Erhebungstage pro<br />
Woche einbezogen, die Abbildung 11a gibt den Verlauf der dienstags erhobenen Werte wieder.<br />
Abbildung 11a: MKSL-<strong>Bau</strong>: Verlauf der körperlichen Erschöpfung bei den Interventionsgruppen über den gesamten<br />
Messzeitraum,dienstags;Effekte:Zeit p < .05<br />
Abbildung 11b:Rückenschmerzen (MKSL). Wochenmittelwerte der Teilnehmer als Box-Plot dargestellt<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 117
Wie aus Abbildung 13 ersichtlich wird, nimmt das Monotonieempfinden bei allen Gruppen im Verlauf<br />
der Untersuchung bzw. im Verlauf des <strong>Bau</strong>fortschritts tendenziell ab. Dies zeigt sich auch, wenn man<br />
den Verlauf des Mittelwerts über die drei Gruppen betrachtet (siehe Abb. 14). Vor allem zu Beginn des<br />
Zeitraums hebt sich die Interventionsgruppe KA, EU, EU durch eine erhebliche Schwankung des Monotonieempfindens<br />
von den beiden anderen Gruppen ab. Die Kontrollgruppe hat währenddessen gegenüber<br />
der Interventionsgruppe EU, EU, KA im Schnitt ein leicht erhöhtes Monotonieempfinden. Im Verlauf<br />
nähern sich alle 3 Gruppen immer mehr an. Auch dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass möglicherweise<br />
vorhandene Interventionseffekte durch das Tagesgeschehen auf der <strong>Bau</strong>stelle verdeckt werden.<br />
etwas<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
gar 0,0<br />
nicht<br />
1. Intervention<br />
+ Pause<br />
2. Intervention<br />
+ Pause<br />
4 5 6 7 8 9 10 11 12 1314151617181920212223<br />
EU, KA, KA (N=11)<br />
KA, EU, EU (N=3)<br />
keine Intervention (N=12)<br />
3. Intervention<br />
Nachbeobachtung<br />
Woche<br />
Abbildung 13: EWL-<strong>Bau</strong> Monotonie: Verlauf der Interventionsgruppen über den gesamten Messzeitraum, dienstags;<br />
Effekte:Zeit p < .01;Zeit x Interventionsgruppe p < .001<br />
etwas<br />
gar<br />
nicht<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0,0<br />
1. Intervention<br />
+ Pause<br />
2. Intervention<br />
+ Pause<br />
3. Intervention<br />
Nachbeobachtung<br />
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23<br />
Woche<br />
Abbildung 14:EWL-<strong>Bau</strong> Monotonie: Verlauf der Gesamtstichprobe über den gesamten Messzeitraum,dienstags;<br />
Effekte:Zeit p < .01<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 119
Abbildung 16:EBF Körperliche Belastung: Verlauf über die Untersuchungsphasen;Effekt Zeit p < .01; Kontrollgruppe enthält<br />
auch Teilnehmer aus Management/Verwaltung<br />
körperliche Belastung steigt bei den <strong>Bau</strong>leitern, die nicht an den Interventionen teilgenommen hatten<br />
zum Zeitpunkt der 3. Interventionsphase stark an, während sich dieser Effekt bei den <strong>Bau</strong>leitern der<br />
Interventionsgruppe nicht zeigt. Hier findet nur ein mäßiger Anstieg in der Nachbeobachtungsphase<br />
statt. Ein ähnlicher Effekt zeigt sich bei den <strong>Bau</strong>arbeitern, während bei den <strong>Bau</strong>arbeitern der Kontrollgruppe<br />
die körperliche Belastung in der Nachbeobachtungsphase weiter ansteigt, weisen die <strong>Bau</strong>arbeiter<br />
der Interventionsgruppe eine abnehmende körperliche Belastung auf.<br />
Solche Hinweise auf eine selektive Wirkung des Interventionsprogramms in Richtung eines Ablaufens<br />
der steigenden Belastung mit <strong>Bau</strong>fortschritt wurden noch in weiteren Belastungs- bzw. Erholungsbereichen<br />
gefunden.<br />
Abbildung 17: EBF Körperliche Belastung: Verlauf über die Untersuchungsphasen für die <strong>Bau</strong>arbeiter und <strong>Bau</strong>leiter;<br />
Effekte:Intervention x Gruppe x Zeit p < .10;Zeit p < .01;die Gruppe KA,EU, EU wurde zu Vergleichszwecken mit eingefügt<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 121
Unterschiede zwischen Personengruppen<br />
Statistisch abgesicherte Unterschiede zwischen <strong>Bau</strong>arbeitern, <strong>Bau</strong>leitern und Management/Verwaltung<br />
existieren vor den Interventionen nur im Bereich Dominanzstreben/Konkurrenzdenken (siehe Abbildung<br />
19). Dieses ist bei den <strong>Bau</strong>leitern deutlich stärker ausgeprägt als bei den <strong>Bau</strong>arbeitern. Im Vergleich zur<br />
Normierungsstichprobe des FABA erreichen die <strong>Bau</strong>leiter mit diesem Wert schon einen Prozentrang von<br />
über 75 und gehören damit zu den 25 % besonders beanspruchten Erwerbstätigen. Bei den Planungsambitionen<br />
liegen die Mittelwerte aller 3 Gruppen noch knapp unterhalb dieses Prozentrangs. Die<br />
Durchschnittswerte bei den übrigen Bereichen zeigen sich unauffällig.<br />
Analyse Messwiederholungsdesign<br />
Abbildung 20 zeigt die interventionsgruppenspezifische Veränderung für die Neigung zur Ungeduld. Im<br />
Durchschnitt liegen die Werte sowohl vor als auch nach den Interventionen im unauffälligen Bereich,<br />
d.h. man findet keine extreme Neigung zur Ungeduld bei den Teilnehmern. Bei der Interventionsgruppe<br />
EU, KA, KA nimmt diese zum zweiten Messzeitpunkt sogar noch leicht ab. Für die Bereiche exzessives<br />
Arbeitsengagement, Planungsambitionen und Dominanzstreben liegen keine Hinweise auf gruppenspezifische<br />
Veränderungen vor.<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Dominanz<br />
<strong>Bau</strong>arbeiter<br />
<strong>Bau</strong>leiter<br />
Management<br />
Abbildung 19: FABA:Unterschiede zwischen den Personengruppen;Effekte:p < .05<br />
vor Intervention nach Intervention<br />
EU, KA, KA (N = 11)<br />
KA, EU, EU (N = 3)<br />
keine Intervention (N = 22)<br />
Abbildung 20: FABA: Veränderungen der Neigung zur Ungeduld für die Interventionsgruppen;Effekte:<br />
Intervention x Zeit p
5 . 2 . 1 1 . P rofilanalyse der Arbeitszufriedenheit (PA Z )<br />
PAZ erfasst Veränderungen in der Arbeitszufriedenheit. Dabei werden verschiedene Aspekte der Arbeit,<br />
z.B. Arbeitsinhalt, Kollegen, Führung, Arbeitsbedingungen berücksichtigt. Eine adaptierte Kurzform der<br />
PAZ wurde insgesamt zweimal, vor und nach den Interventionen eingesetzt.<br />
Unterschiede zwischen Personengruppen<br />
Die Unterschiede zwischen <strong>Bau</strong>arbeitern, <strong>Bau</strong>leitern und Ve rwaltungspersonal veranschaulicht Abbildung<br />
23: Signifikante Diff e renzen zwischen den Gruppen bestehen hinsichtlich der Zufriedenheit mit Inform ation/Kommunikation,<br />
Führung, den räumlichen Gegebenheiten im Pausenraum/Pausenplatz, der Einteilung<br />
der Urlaubszeiten und der Einteilung der Arbeitspausen. Mit den meisten dieser Aspekte sind die<br />
<strong>Bau</strong>leiter wesentlich zufriedener als die Arbeiter und die Kollegen aus der Ve rwaltung. Im Ve rgleich dazu<br />
enthält Abb. 23 noch die Zufriedenheit mit der Arbeit insgesamt: hier gibt es keine bedeutsamen Diff erenzen,<br />
im Schnitt sind alle drei Gruppen mit ihrer Arbeit recht zufrieden. Die Unterschiede in der Zufriedenheit<br />
mit den einzelnen Aspekten wirken sich nicht auf das Globalurteil zur Arbeitszufriedenheit aus.<br />
Information/<br />
Kommunikation<br />
Führung<br />
Pausenraum/<br />
Pausenplatz<br />
Einteilung<br />
Urlaubszeiten<br />
Einteilung<br />
Arbeitspausen<br />
Arbeit insgesamt<br />
Zufriedenheit mit...<br />
1 2 3 4 5<br />
sehr<br />
zufrieden<br />
unzufrieden<br />
Abbildung 23: PAZ:Unterschiede zwischen den Personengruppen vor den Interventionen;<br />
alle Effekte:p < .05;„Zufriedenheit mit Arbeit insgesamt“ nicht signifikant<br />
<strong>Bau</strong>arbeiter<br />
<strong>Bau</strong>leiter<br />
Management<br />
Analyse Messwiederholungsdesign<br />
Allgemeine und interventionsgruppenspezifische Veränderungen über die zwei Messzeitpunkte wurden<br />
nicht entdeckt.<br />
5 . 2 . 1 2 . S t re s s v e ra r b e i t u n g s f ragebogen (SVF)<br />
Der SVF ist ein Verfahren zur Erfassung von Stressverarbeitungsstrategien. Der SVF wurde in der Untersuchung<br />
zweimal, vor und nach den Interventionen eingesetzt.<br />
Unterschiede zwischen Personengruppen<br />
Wie Abbildung 24 zeigt, tendieren die <strong>Bau</strong>arbeiter in geringerem Maße als <strong>Bau</strong>leiter und Management/Verwaltungspersonal<br />
zum Einsatz der kognitiven Stressverarbeitungsstrategien „Situationskon-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 125
5.3. Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse<br />
Im Projekt BAUfit sollte u.a. die Machbarkeit einer interventionsorientierten Studie zur Verbesserung der<br />
Arbeitsbedingungen am <strong>Bau</strong> aufgezeigt werden. Die kritische Frage war, ob eine Studie mit täglichen<br />
wissenschaftlichen Messungen am <strong>Bau</strong> überhaupt realisierbar sei. Die Auswertung des Datenrücklaufs<br />
bei den täglichen Messungen (145 Messtage) zeigt, dass bei 22 von 26 Teilnehmern an mehr als 80%<br />
dieser Tage gültige Datensätze vorliegen. Damit liegt der Datenrücklauf im Projekt BAUfit in einer völlig<br />
anderen Grössenordung als bei sozialwissenschaftlicher Studien oder Mitarbeiterbefragungen. Somit<br />
kann man als erstes und entscheidendes Ergebnis festhalten, dass die prinzipielle Machbarkeit einer solchen<br />
Studie am <strong>Bau</strong> als gegeben anzusehen ist. Dazu wurden durch die vielen Beobachtungen und<br />
„baufremden“ Personen auf der <strong>Bau</strong>stelle keine zusätzlichen Unfälle provoziert, vielmehr wirkte sich die<br />
Studie offensichtlich in Richtung einer Reduktion des Unfallrisikos aus.<br />
Die weitere Auswertung der im Projekt BAUfit erhobenen Daten zeigt, dass das Thema „Stress am <strong>Bau</strong>“<br />
differenziert betrachtet werden muss.<br />
Die arbeitsanalytische Bewertung der Arbeitsplätze am <strong>Bau</strong> mittels REBA_AS ergab, dass die körperliche<br />
Beanspruchung, wie zu erwarten, bei den <strong>Bau</strong>arbeitern drastisch erhöht ist und man sogar von einer erheblichen<br />
Fehlbeanspruchung sprechen kann. Diese resultiert daraus, dass die Arbeitsbedingungen am<br />
<strong>Bau</strong> keine zuverlässige und gefährdungsfreie Tätigkeitsausführung im Sinne gültiger, arbeitswissenschaftlicher<br />
Richtlinien gewährleisten. Die Arbeitenden führen ihre Tätigkeit häufig in ungünstigen Körperhaltungen<br />
oder Zwangshaltungen aus (z.B. gebückte Haltung, Überkopfarbeit bei Zimmerern), manuelles<br />
Heben oder Tragen schwerer Lasten ist an der Tagesordnung. Dazu kommt es zu Gefährdungen<br />
oder Belastungen durch Stäube, Arbeiten unter starkem Lärm, bei Wind oder Zugluft, im Regen, bei<br />
großer Hitze oder Kälte sowie zu Arbeiten unter beweglichen Lasten. Brand- und Explosionsgefährdungen<br />
sind ebenfalls nicht auszuschließen. Erschwerend kommt hinzu, dass die erforderlichen Körperschutzmittel<br />
nicht immer getragen werden.<br />
Teilweise kommt es während und nach der Arbeit zu verstärktem Belastungserleben und gesundheitlichen<br />
Beschwerden (z.B. Rückenschmerzen). Die Beschwerden weisen jedoch eine erhebliche zeitliche<br />
Fluktuation auf. Das zeigt, dass mindestens kurzfristige Regenerationsprozesse möglich sind. Dies gilt es<br />
einerseits in Folgestudien systematisch zur Vorbeugung gegen Langzeitschäden ergänzend zu erfolgreichem<br />
Optimieren von Bewegungsabläufen zu nutzen. Andererseits wird hier ein spezifisches Risikopotential<br />
deutlich, den wiederholte „lokale“ Fehlbeanspruchung kann (auch ohne unspezifischen Stress)<br />
zu Langzeitschäden führen!<br />
Einen ungünstigen Stresszustand findet man dagegen vor allem bei den Mitarbeitern mit leitender Funktion,<br />
vom Management bis hin zu den Polieren. Dieser wurde an der untersuchten <strong>Bau</strong>stelle nicht voll an<br />
die <strong>Bau</strong>arbeiter weitergegeben. Diese weisen einen durchschnittlichen Stresszustand auf. Dieser Befund<br />
zeigt sich durchgängig in mehreren der eingesetzten Verfahren: im BMS sind die Bereiche Stress und<br />
psychische Sättigung („die Nase voll haben“) beim Management deutlich erhöht, ebenso wie beim Verfahren<br />
EWL-<strong>Bau</strong> die Bereiche Erregtheit und Ärger. Auch im Erholungs-Belastungs-Fragebogen bilden<br />
sich solche klaren Unterschiede zwischen den Personengruppen <strong>Bau</strong>arbeiter, <strong>Bau</strong>leiter und Management<br />
im Beanspruchungsbereich ab.<br />
Die körperlichen Beschwerden bei den Arbeitern am <strong>Bau</strong> sind also offensichtlich weniger eine Folge von<br />
(unspezifischem) Stress als vielmehr eine direkte Folge der Überanstrengung bei der körperlichen Arbeit.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 127
Pohlandt, A., Jordan, P., Richter, P. & Schulze, F. (1999). Die rechnergestützte psychologische Bewertung<br />
von Arbeitsinhalten REBA. In: Dunckel, H. (Hg.), Handbuch psychologischer Arbeitsanalyseverfahren,<br />
Zürich: vdf.<br />
Richter, P, Rudolf, M. & Schmidt, C.F. (1996). Fragebogen zur Analyse belastungsrelevanter Anforderungsbewältigung<br />
(FABA). Frankfurt: Swets Test Services<br />
Richter, P. & Hacker, W. (1997). Belastung und Beanspruchung. Heidelberg: Asanger.<br />
Richter, P., Fritz, S., Hänsgen, C., Hemmann, E., Merboth, H. & Rudolf, M. (2000). Erlebter Tätigkeitsspielraum<br />
und Arbeitsintensität – Entwicklung und Validierung eines Fragebogens zur orientierenden<br />
Analyse (FIT). In: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Heft 3.<br />
Schaarschmidt, U. & Fischer, A. (1996). Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM).<br />
Frankfurt: Swets Test Services.<br />
Waltjen, T. (2000). Beratungs- und Trainingsprograme für <strong>Bau</strong>firmen. IBOmagazin 3/00. Wien: Österreichische<br />
Institut für <strong>Bau</strong>biologie und -ökologie<br />
Forschungsbericht BAUfit – Psychologische Begleitforschung 129
Tätigkeitsbericht der Projektleitung oder Geschichte der<br />
E n t s c h e i d u n g e n<br />
Dr. Tobias Waltjen, Wien<br />
Eine Reihe von Arbeitsgruppen schmiedet gemeinsame Pläne und erhält eine<br />
P ro j e k t l e i t u n g<br />
Einige der späteren BAUfit-Partner, namentlich Dr. Bernhard Lipp vom Österreichischen Institut für <strong>Bau</strong>biologie<br />
und -ökologie (IBO), Univ.Prof. Dr. Maximilian Moser vom Physiologischen Institut und Univ.<br />
Prof. Dr. Wolfgang Kallus vom Institut für Psychologie der Karl-Franzens-Univ. Graz hatten sich über<br />
Monate mit Frau Dr. Rosemarie Rerych von der <strong>AUVA</strong> getroffen, um das später „BAUfit“ genannte Projekt<br />
zu konzipieren. Ende Sommer 1999 lud Frau Dr. Rerych als Projektleiterin des werdenden Projekts<br />
den Berichterstatter ein, sie bei der Planung und Durchführung des Projekts als externer Projektleiter zu<br />
unterstützen. Bei dieser Aufteilung der Projektleitung auf einen internen und einen externen Partner<br />
blieb es auch, als die interne Projektleitung zu DI Erich Bata wechselte.<br />
Ein Team form i e rt sich, aber es muss auch form i e rt werd e n .<br />
Das ursprüngliche Entwicklungsteam war daran interessiert, Methoden anzubieten, mit denen Stress<br />
unter <strong>Bau</strong>stellenbedingungen gemessen und die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Verminderung von<br />
Stress bei <strong>Bau</strong>arbeitern nachgewiesen werden kann. Die <strong>AUVA</strong> war daran interessiert, den Unfallfaktor<br />
Stress in einer Studie genauer zu untersuchen, um daraus in der Folge Maßnahmen zur Unfallvermeidung<br />
ableiten zu können. Für die Interventionen, die zur Verminderung von Stress führen sollten, existierten<br />
Vorschläge. Personen, die solche Interventionen ausführen konnten, waren aber noch nicht im<br />
Team vertreten. Die Projektleitung musste das Team, das sich über Monate hinweg selbst formiert hatte,<br />
komplettieren.<br />
Das bedeutete in einem Fall auch, eine anfangs beteiligte Gruppe aus dem Team zu entfernen. Diese<br />
Gruppe hatte sich vorgenommen, das Bewegungsverhalten von Versuchspersonen zu analysieren. Damit<br />
war sie grundsätzlich auch prädestiniert, die Bewegungsprogramme, deren Wirksamkeit belegt<br />
werden sollten, zu planen. Ihre Vorschläge dazu ließen aber eine Sichtweise erkennen, derzufolge sie die<br />
Versuchsteilnehmer gewissen Prozeduren unterziehen wollten, an denen diese vermutlich kein Interesse<br />
haben würden. Die Überlegungen drehten sich dann um die Frage, wie die Mitarbeit der Versuchsteilnehmer<br />
erzwungen oder erkauft werden könnte. Schüler, von denen man einiges verlangen kann, weil<br />
sie das Zeugnis brauchen, wurden als – freilich auf eine <strong>Bau</strong>stelle schwer übertragbares – Modell eines<br />
wünschenswerten Abhängigkeitsverhältnisses genannt.<br />
Mir schien diese Denkweise grundsätzlich verfehlt zu sein, wenn es darum gehen sollte, für eine, aber<br />
auch mit einer durch Unfälle besonders betroffenen Gruppe von Arbeitnehmern neue Methoden der<br />
Unfallvemeidung zu entwickeln. Letztlich gaben zwar gruppendynamische Probleme den Ausschlag für<br />
die Entscheidung, die Gruppe von der weiteren Mitarbeit auszuladen, im Rückblick war aber eine grundsätzliche<br />
sachliche Weichenstellung damit verbunden: Dem Anliegen, Erkenntnisse zu gewinnen, sollte<br />
das weitere Anliegen, Veränderungsstrategien in einer möglichst partnerschaftlichen Beziehung mit den<br />
Betroffenen zu entwickeln, gleichgewichtig an die Seite gestellt werden.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung 131
132<br />
Training und Betreuung treten aus dem Schatten der Forschung und werden ein<br />
We rt an sich.<br />
Als Ersatz für die ausgeschiedene Gruppe sowie als Leiter des Bewegungsteams wurde Dr. Paul Scheibenpflug<br />
engagiert. Für die Durchführung der Bewegungsprogramme war zuvor schon Herr Georg Mikesch<br />
engagiert worden.<br />
Herr Georg Mikesch, Trainer in einem Wiener <strong>Fit</strong>ness-Studio, brachte neben seiner fachlichen Kompetenz<br />
als Trainer eine überdurchschnittliche Serviceorientierung und kommunikative Begabung ein, die<br />
erforderlich schien, um der zunächst als schwierig eingeschätzten Klientel der <strong>Bau</strong>arbeiter Bewegungsprogramme<br />
nahezubringen.<br />
Dr. Paul Scheibenpflug brachte seine sportwissenschaftliche und publizistische Kompetenz und seine<br />
jahrelange Erfahrung mit, Arbeitnehmern verschiedenster Branchen Techniken des körpergerechten Arbeitens<br />
nahezubringen. Seine Methode, richtige und falsche Körperhaltungen und Bewegungsabfolgen<br />
seiner Kursteilnehmer fotografisch und per Video festzuhalten und sofort bei den Instruktionen als Anschauungsmaterial<br />
zu verwenden, war auch bei BAUfit sehr erfolgreich.<br />
Paul Scheibenpflug und Georg Mikesch entwickelten ein Betreuungskonzept aus Körpergerechtem Arbeiten<br />
und Ausgleichsübungen. Dazu kam eine Bewegungsstraße als diagnostisches Element. So bekamen<br />
die Interventionen eine weit größere Bedeutung als zuvor gedacht: Statt nur eine experimentelle Situation<br />
zu schaffen, die passende Randbedingungen für physiologische und psychologische Messungen<br />
abgeben würde, wurden sie ein Teil der Problemlösung, die BAUfit heute darstellt. Ihre Wirksamkeit wird<br />
nicht nur durch die physiologischen Messungen und psychologischen Erhebungen bestätigt, sondern<br />
lässt sich auch durch Unfall- und Krankenstandsstatistik belegen.<br />
Ein besonderes Wagnis war es, Eurythmie als Intervention einzusetzen. Motiv war die bekannte Wirksamkeit<br />
von Eurythmieübungen für Harm o n i s i e rung der Herz f requenzvariabilität. Bedenken waren zu<br />
ü b e rwinden, ob die tanzartige Bewegungsform der Eurythmie – bei Frauen im allgemeinen beliebter als<br />
bei Männern – bei der Klientel <strong>Bau</strong>arbeiter Akzeptanz finden würde. Ausschlaggebend war letztlich unser<br />
Vo r s c h u s s v e rtrauen in die uns empfohlene Eurythmistin Fanny Kneucker, das nicht enttäuscht wurd e .<br />
Das Engagement von Frau Fanny Kneucker für die Eurythmieübungen war ein personeller Glücksgriff.<br />
Sie verfügte über die Fähigkeit und Bereitschaft, der „harten Männerwelt“ der <strong>Bau</strong>stelle mit entschlossener<br />
und souveräner Offenheit gegenüberzutreten und verschaffte sich und ihrem Übungsprogramm<br />
rasch und nachhaltig Sympathie und Respekt.<br />
Mag. Johann Beran nahm schon in der Planungsphase an den Besprechungen teil, wartete aber noch<br />
ab, welche Rolle sich in dem zukünftigen Projekt für ihn ergeben würde. Auch die Rolle des Abwartenden<br />
ist hilfreich. Eine sich formierende Gruppe ist so für neue Herausforderungen besser gerüstet. Bald<br />
sollte sich eine zentrale Rolle für Mag. Beran finden.<br />
Ein Vo rversuch wird anberaumt<br />
Das Projektkonzept enthielt Elemente, deren Durchführbarkeit uns unsicher erschien. Wir beschlossen<br />
daher, einen Vorversuch anzuberaumen. Erprobt werden sollte die Durchführbarkeit und Akzeptanz der<br />
Bewegungsinterventionen Körpergerecht Arbeiten, Ausgleichsübungen und Eurythmie unter <strong>Bau</strong>stellenbedingungen.<br />
Ein innovativer aufgeschlossener <strong>Bau</strong>unternehmer beherbergt den Vo rv e r s u c h<br />
Durch Vermittlung von Mag. Beran konnte der Vorversuch bei der Firma <strong>Bau</strong>meister Huemer in Stokkerau<br />
stattfinden. BM Huemer schien zu den aufgeschlossenen und innovativen in seiner Branche zu ge-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung
hören. Er hatte in Stockerau eine Meistergruppe aus 13 Meisterbetrieben des <strong>Bau</strong>- und <strong>Bau</strong>nebengewerbes<br />
gegründet und auch schon Organisationsberatung von Mag. Beran in Anspruch genommen.<br />
Tatsächlich war er bereit, unseren Vorversuch zu unterstützen, obwohl der Nutzen des Hauptprojekts<br />
ihm gar nicht zugute kommen würde.<br />
Aufgeschlossenheit des Chefs ist notwendig, aber nicht hinreichend: Die BAUfit-<br />
Methodik wird um ein Beratungsprogramm für Führungskräfte erw e i t e rt .<br />
Der Vorversuch verlief im Großen und Ganzen erfolgreich. Die Durchführbarkeit der Interventionen<br />
schien gegeben. Was die Akzeptanz betraf, konnten wir rechtzeitig dazulernen.<br />
Wir erlebten erstens, dass eine <strong>Bau</strong>firma mit mehreren kleinen <strong>Bau</strong>stellen sehr flexibel sein muss. In der<br />
Praxis konnte sie keine über einen Tag hinausgehenden Vereinbarungen mit unserem Team einhalten.<br />
Zweitens war es zu wenig, das Wohlwollen des Chefs zu genießen, wenn er selbst und die Poliere in das<br />
Projekt nicht einbezogen waren. Die Poliere brachten uns persönlich Sympathie entgegen, behandelten<br />
uns aber doch als eine Art von Betriebsstörung, mit der irgendwie fertigzuwerden war. Die hierarchische<br />
Struktur einer <strong>Bau</strong>firma erfordert es also, so lernten wir, dass Änderungen gleich welcher Art nur entlang<br />
der Befehlskette, d.h. beginnend mit dem Management, und keinesfalls ohne die Poliere, initiiert<br />
werden können. Drittens war die Akzeptanz der Eurythmie uneindeutig. Während Frau Kneucker sich sicher<br />
war, eine funktionierende Arbeitsbeziehung aufgebaut zu haben, äußerten sich die Teilnehmer bei<br />
einer Befragung durch Mag. Beran einige Wochen nach Ende des Versuchs negativ über die Übungen.<br />
Persönlich glaube ich, dass beide Beobachtungen richtig gewesen sein können: Die Arbeiter fühlten sich<br />
innerhalb der Arbeitsbeziehung mit der Eurythmistin wohl, aber später von Dritten darauf angesprochen,<br />
waren sie nicht bereit, das zuzugeben. Das Erlebnis mit der Eurythmie war zu fremd, um in ihr bisheriges<br />
Selbstbild zu passen. Sie wären vor sich selber, vor den Kollegen und vor dem Polier unter Rechtfertigungsdruck<br />
geraten, dem sie lieber auswichen.<br />
Die Erfahrungen aus dem Vorversuch flossen in das Konzept des Hauptversuchs ein.<br />
Erstens entschieden wir uns, eine große <strong>Bau</strong>stelle zu suchen, bei der eine konstante Belegschaft von<br />
mindestens 20 Arbeitern über ein halbes Jahr zu erwarten sein würde. Zweitens entschlossen wir uns,<br />
dem eigentlichen Programm ein Beratungsprogramm für Führungskräfte voranzustellen, drittens budgetierten<br />
wir für eine Aufwandsentschädigung für die Teilnehmer, um der Teilnahme mehr Verbindlichkeit<br />
zu geben. Viertens erkannten wir, dass unser Projekt sehr von einer täglichen Anwesenheit eines<br />
Trainers profitieren würde, der die Aspekte des körpergerechten Arbeitens in der Praxis beobachtet und<br />
während der Arbeit Ratschläge geben kann.<br />
Da die Trainer aus Wien nur einen bis zwei Tage in der Woche nach Graz kommen konnten, wurde ein<br />
Trainer-vor-Ort benötigt, der die <strong>Bau</strong>stelle täglich betreuen konnte. Für diese Aufgabe wurde aus mehereren<br />
Bewerbern Jürgen Seifried ausgewählt. Seine Qualifikation als angehender Sportwissenschafter,<br />
die Erfahrung im Umgang mit Kunden in einem Grazer <strong>Fit</strong>nesszentrum, ein bemerkenswertes kommunikatives<br />
Talent und seine dem Studium vorangegangene Tischlerausbildung, die ihm auch als Handwerker<br />
unter den <strong>Bau</strong>arbeitern (Tischler und Maurer) Respekt verschaffte, waren für seine Aufgabe ideale<br />
Voraussetzungen.<br />
Entscheidung für den Pro j e k t s t a n d o rt Raum Graz. Erwünschte, nicht erw ü n s c h t e<br />
und unerw a rtete Folgen.<br />
Die Entscheidung für den Standort war schwer. Rund die Hälfte der Teammitglieder war im Raum Graz,<br />
die andere Hälfte im Raum Wien ansässig. Für die Steiermark sprach unter anderem, dass die tägliche<br />
Anwesenheit von Diplomanden der Grazer Universität im Wiener Raum nicht möglich gewesen wäre.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung 133
134<br />
Als Resultat der Entscheidung für die Steiermark sind die Diplomarbeiten Heidelinde Hahn, Hubert Langmann,<br />
Jürgen Seifried und Ilona Semler im engen Zusammenhang mit dem Projekt BAUfit entstanden.<br />
Ein anderes Resultat waren lange Reisezeiten der Wiener Teammitglieder, die die Kosten des Projekts erheblich<br />
erhöht haben.<br />
Ein ungeplanter Bonus dieser Reisen war die geschenkte Zeit für lange Gespräche unter den reisenden<br />
Teammitgliedern. Sie haben dazu beigetragen, die Erlebnisse des Tages zu verarbeiten, zu reflektieren,<br />
das Erfahrene zur Lebenserfahrung weiterreifen zu lassen. Das Team konnte besser zusammenwachsen,<br />
als es sonst der Fall gewesen wäre. Konflikte im Team konnten rechtzeitig bearbeitet werden.<br />
Nach der Antragstellung und Auftragserteilung beginnt die mehrm o n a t i g e<br />
<strong>Bau</strong>stellensuche.<br />
Die Initiative von Univ.Prof. Moser entlastete die Projektleitung fast vollständig von einer <strong>Bau</strong>stellensuche<br />
im Grazer Raum von Wien aus.<br />
<strong>Bau</strong>firmen in Weiz zeigten sich interessiert, aber vertrösteten. Schließlich wurde die Suche auf Graz und<br />
Umgebung ausgedehnt. Herr Ing. Franz Steiner, der Leiter der Universale <strong>Bau</strong> Steiermark, erkannte sofort<br />
den potentiellen Wert des Projekts für sein Unternehmen und griff zu.<br />
Das gute Gesprächsklima mit der Firmenleitung von Anfang bis zum Ende des Projekts half entscheidend,<br />
die Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten sicherzustellen und war rückblickend eine Voraussetzung<br />
für das Gelingen des Projekts.<br />
P rogramme zur Beratung des Managements<br />
Die Beratung des Managements verlief offensichtlich erfolgreich. Mag. Beran informierte die Projektleitung<br />
fortlaufend über den Fortgang. Er organisierte seine Aktivitäten im übrigen selbst, sodass kein Mitwirken<br />
der Projektleitung notwendig war.<br />
Als die Analysephase der Beratungstätigkeit beendet war und es darum ging, Verbesserungen zu erarbeiten<br />
und zu implementieren, begannen wir mit den Bewegungsinterventionen auch in der Verwaltungszentrale.<br />
Es stellte sich heraus, dass eine morgendliche Übungseinheit vor Arbeitsbeginn sich gut in den gewohnten<br />
Tagesablauf einfügen ließ. Schwieriger war die Absicht zu verwirklichen, den Arbeitstag gemeinsam<br />
mit einer Bewegungseinheit zu beschließen. Die Mitarbeiter (Teilnehmer) waren nachmittags vielfach<br />
durch Besprechungen und Außendienste nicht mehr im Hause. Einen gemeinsamen Arbeitsschluss gab<br />
es in der Verwaltungszentrale nicht.<br />
Das morgendliche „Anturnen“ von J. Seifried war derart beliebt, dass er es im Auftrag der Firma noch<br />
monatelang nach Projektende fortsetzen konnte. Ermutigt durch diesen Erfolg gründete Herr Seifried<br />
nach Projektende eine Firma, die Trainings- und Bewegungsprogramme für Firmen anbietet – ein Spinnoff<br />
von BAUfit.<br />
Auch die Eurythmie hat bei der Firmenleitung und einigen Mitarbeitern guten Anklang gefunden. Auf<br />
die Berichte von F. Kneucker wird verwiesen.<br />
P rogramme für <strong>Bau</strong>arbeiter, Poliere und <strong>Bau</strong>leiter<br />
Der geplante Beginn verzögerte sich<br />
Auf der <strong>Bau</strong>stelle waren bei Erdarbeiten Reste früherer Gebäude gefunden worden, die zunächst<br />
archäologisch gesichert werden mussten. Dies verzögerte den <strong>Bau</strong>beginn, es verzögerte den Beginn des<br />
BAUfit Projekts um einige Wochen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung
Projektpräsentation<br />
Zur Präsentation des Projekts erschien fast keiner der eingeladenen Poliere und <strong>Bau</strong>arbeiter. Was zuerst<br />
wie ein Zeichen von Desorganisation in der Firma wirkte, stellte sich erst in den Gesprächen am Ende des<br />
Projekts als etwas anderes heraus: die Mitarbeiter hatten Angst davor, was in diesem von der Firmenleitung<br />
gewünschten Projekt auf sie zukommen könnte (siehe auch Vortrag von Betriebsrat Heinz Unterweger<br />
beim Forum Prävention Innsbruck 26.–29. März 2001).<br />
Eurythmiecontainer<br />
Für die Eurythmieübungen wurde auf der <strong>Bau</strong>stelle ein 6 x 6 Meter-Bürocontainer bereitgestellt, ein<br />
großzügiges Entgegenkommen der <strong>Bau</strong>firma.<br />
Medizinische Eingangs- und Ausgangsuntersuchung<br />
Die medizinische Eingangs- und Ausgangsuntersuchung der Versuchsteilnehmer wurde von einem Arzt<br />
der <strong>AUVA</strong> vorgenommen, da die Beauftragung des arbeitsmedizinisch für die <strong>Bau</strong>firma zuständigen<br />
Arztes Mehrkosten verursacht hätte. Die medizinische Eingangs- und Ausgangsuntersuchung hatte lt.<br />
Planung zwei Aufgaben: Ermittlung von Gründen, die gegen eine Teilnahme an den EKG-Messungen<br />
(Heartman) sprechen. Ermittlung eines orthopädischen Status als Ausgangpunkt für die Planung der Bewegungsinterventionen.<br />
Dafür hatten die Teams ihre Fragen formuliert und dem Arzt Dr. Michael Nikl<br />
übergeben. Bei den Untersuchungen waren die Trainer nicht beigezogen. Der Übermittlung der schriftlichen<br />
Untersuchungsergebnisse an das Physiologen- und das Trainerteam standen datenschutzrechtliche<br />
Bedenken des Arztes entgegen. Die Unterlagen wurden nach langen Verhandlungen nur summarisch<br />
und erst gegen Ende des Projekts zur Verfügung gestellt.<br />
Fragebögen<br />
Die Fragebögen wurden von der AG Psychologie ans Team zur Stellungnahme ausgesendet. Aufgrund<br />
der Stellungnahmen wurde die Anzahl der Fragen verringert. Die Belastung der Arbeiter durch tägliches<br />
Fragebogenausfüllen sollte so gering wie möglich gehalten werden.<br />
Kompromisse mit dem <strong>Bau</strong>stellenbetrieb<br />
Das wissenschaftliche Versuchsdesign machte es nötig, dass Versuchsteilnehmer zu bestimmten Zeiten<br />
an bestimmten Orten zuverlässig zu den Übungseinheiten erschienen. Dem standen vielfach die Notwendigkeiten<br />
des <strong>Bau</strong>stellenbetriebs entgegen, es mussten Kompromisse gefunden werden. Die teilnehmenden<br />
<strong>Bau</strong>arbeiter konnten vorübergehend auf anderen <strong>Bau</strong>stellen eingesetzt sein, sie konnten<br />
auf Urlaub, krank oder durch akuten Arbeitsanfall zumindest nicht zur vorgesehenen Zeit verfügbar<br />
sein. Wer jeweils an den Interventionen teilnehmen würde, konnte mit Sicherheit erst am Tag selbst oder<br />
am Vortag der Intervention erfragt werden. Das Team fuhr daher regelmäßig auf mehrere <strong>Bau</strong>stellen im<br />
Raum Graz, um Heartman-Geräte zu warten, Fragebögen einzusammeln und Interventionen anzubieten.<br />
Nicht geplanter Aufwand für PKW-Fahrten und Personaleinsatz entstand.<br />
Motivation der Teilnehmer<br />
• Die Mitarbeiter der Univerale-<strong>Bau</strong>stelle Heinrichstrasse in Graz wurden als fre i w i l l i g e<br />
Versuchsteilnehmer angeworben. Aus Projektmitteln wurde jedem Teilnehmer ATS 4000 (EUR<br />
290,69) Entschädigung und ATS 4000 Durchhalteprämie angeboten. Für die Teilzahlungen wurde<br />
ein Zahlungsplan mitgeteilt. Dennoch blieben ständig Gerüchte im Umlauf, es sei zuerst etwas<br />
anderes ausgemacht gewesen als nunmehr verlangt würde.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung 135
136<br />
• Der Charme, die Überredungskunst, der Schmäh, allgemein: die guten Beziehungen, die unsere<br />
Teammitglieder auf der <strong>Bau</strong>stelle zu den Teilnehmern aufbauen und aufrechterhalten konnten,<br />
wogen die Mühe und die daraus resultierende immer wieder aufkeimende Verärgerung der<br />
Teilnehmer aber auf, sodass wirkliche Krisen ausblieben. Hier ist besonders der Einsatz von Frau<br />
Dr. Franziska Muhry zu erwähnen.<br />
• Zur Erleichterung der EKG-Messungen während der Arbeit auf der <strong>Bau</strong>stelle aber auch zur<br />
Motivationsförderung wurden Leibchen angeschafft, mit dem <strong>Bau</strong><strong>Fit</strong>-Logo bestickt (Fa. Birdy<br />
Bestickungen, Wien) und mit Brusttaschen versehen (eine Wochenendaktion von Frau Dr.<br />
Rohregger, sonst im <strong>Bau</strong><strong>Fit</strong>-Team für die nichtlineare Analyse der EKG-Daten zuständig...).<br />
Manche Teilnehmergattinnen verfeinerten die Leibchen noch durch Kabeldurchführungen an der<br />
Hinterseite der Brusttaschen.<br />
• Die Berichterstattung in den Medien insbesondere die TV-Berichterstattung hatte neben der<br />
Wirkung in der Öffentlichkeit enorme Wirkung auf die Motivation der Versuchsteilnehmer. Sie<br />
wurden überzeugt, an einer wichtigen Sache beteiligt zu sein, als sie sich in der Aufmerksamkeit<br />
ihrer Verwandten und Freunde sonnen konnten.<br />
Kommunikation mit den BAUfit-Teilnehmern auf der <strong>Bau</strong>stelle<br />
Der gute Kontakt zu den Teilnehmern war wichtig und erforderte ständige Aufmerksamkeit und auch<br />
einige Improvisation.<br />
Gelegenheiten zur Kommunikation waren:<br />
• Die arbeitsmedizinische Eingangsuntersuchung.<br />
• Die Betreuung der Heartman-Geräte und damit auch der Teilnehmer durch das Physiologienteam<br />
• Das tägliche Austeilen und Einsammeln der psychologischen Fragebögen durch das Psychologenteam.<br />
• Die tägliche Nachbetreuung der Bewegungsprogamme Körpergerecht Arbeiten und Ausgleichsübungen<br />
auf der <strong>Bau</strong>stelle durch J. Seifried<br />
• Die zwei mal wöchentlichen Übungseinheiten für die drei Bewegungsprogramme<br />
• Die Auszahlungstermine für die Raten der Teilnehmer-Aufwandsentschädigung<br />
• Ein unvergessliches Fest auf der <strong>Bau</strong>stelle gegen Schluss des Projekts.<br />
• Einzelbesprechung von Ergebnissen der Heartman-Messungen mit jedem Teilnehmer.<br />
P rogramme für Poliere und der <strong>Bau</strong>leiter<br />
Die Poliere und der <strong>Bau</strong>leiter nahmen an den Bewegungsprogrammen und an den Messprogrammen<br />
wie die <strong>Bau</strong>arbeiter Teil und wurden auch ebenso finanziell für ihre Mühe entschädigt. Zusätzlich führten<br />
wir mit ihnen zwei Polierworkshops durch. Schließlich erhielten sie ebenso wie das Management Beratung<br />
durch Mag. Beran.<br />
Die Polierworkshops sollten dazu beitragen, Ausgleichsübungen und die neu eingeübten Bewegungsabläufe<br />
des körpergerechten Arbeitens zu einem Teil des <strong>Bau</strong>stellenalltags auch nach Projektende zu<br />
machen. Dazu sollten die Arbeitsvorgänge der Rohbauphase der Reihe nach durchgegangen und die<br />
möglichen Verbesserungen aus Sicht der Poliere selbst besprochen und festgelegt werden.<br />
Der erste dieser Workshops konnte das Ziel noch nicht erreichen. Unsere Präsentation und die Diskussion,<br />
die sich daran anschließen sollte, wurden überlagert von einem Dialog zwischen Skeptikern und Befürw<br />
o rt e rn der BAUfit-Maßnahmen. Die Befürw o rter waren jene, die bei den Bewegungsprogrammen teilgenommen<br />
hatten, die Skeptiker waren Poliere anderer <strong>Bau</strong>stellen, denen man das Projekt nur erklärt<br />
hatte. Der zweite Workshop fand dann nur mit Polier und <strong>Bau</strong>leiter der <strong>Bau</strong>stelle Heinrichstrasse statt und<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung
f ü h rte zum gewünschten Erfolg: Ein spannender Gedankenaustausch, bei dem wir mindestens ebenso<br />
viel lernten wie die <strong>Bau</strong>leute.<br />
Kommunikation im Te a m<br />
Ein großer Teil der Projektaktivitäten wurde auf einen Tag pro Woche konzentriert. Wir wählten den<br />
Dienstag. Am Vormittag wurden die ersten Bewegungsinterventionen durchgeführt, zu Mittag begannen<br />
die wöchentlichen 24-Stunden-Messungen, nachmittags war Teamsitzung. Mir war es wichtig, dass<br />
es wöchentlich Erfahrungsaustausch zwischen allen Mitgliedern des Teams geben konnte. Nur so konnte<br />
aus einer Anzahl von Leuten, die im selben Projekt einen Werkvertrag haben, eine Gruppe werden,<br />
die an einem gemeinsamen Projekt arbeitete. Manche empfanden die Sitzungen aber als zu lang. Ihr<br />
Bedürfnis von der laufenden Arbeit und den Problemen der anderen zu erfahren, war geringer. Der Modus<br />
der Zusammenarbeit im Team kann also in zukünftigen Projekten noch optimiert werden. Auf die<br />
Bedeutung der Zug- und Autofahrten für die Kommunikation im Team wurde verwiesen.<br />
I n t e rne Qualitätssicheru n g<br />
Nach Projektende führte Univ.Prof. Kallus mit der Firmenleitung ein Gespräch über die Beratungstätigkeit<br />
von Mag. Beran. Mag. Beran führte mit Polieren und <strong>Bau</strong>arbeitern Gespräche über die Bewegungsund<br />
Messprogramme. DI Bata und ich führten mit dem Betriebsleiter Herrn Steiner und dem Betriebsrat<br />
Herrn Unterweger ein Gespräch über das Gesamtprojekt.<br />
Berichte und Publikationen über BAUfit<br />
Über das Projekt BAUfit wurde mehrfach in den Medien berichtet: Tom Matzek, ORF Sendung Modern<br />
Times vom 4. 08. 2000, Ulli Janschner, Kurier, 16. 08. 2000, Michael Saria, Kleine Zeitung, 23. 08. 2000,<br />
Der Standard vom 27. 09.2000 sowie mehrere Radiobeiträge.<br />
Das Projekt wurde im IBO-Magazin 3/00 sowie in Austria Innovativ 5/00 dokumentiert und war Thema<br />
einer Reihe von Kurzvorträgen des Teams beim Forum Prävention in Innsbruck (26.–29. März 2001) und<br />
ähnlichen Vorträgen bei nachfolgenden Veranstaltungen der <strong>AUVA</strong>. Auf die Diplomarbeiten, die im Zuge<br />
von BAUfit entstanden sind, wurde verwiesen.<br />
Resumè: Erf o l g e<br />
Der Wert der Tätigkeit von Rosemarie Rerych für BAUfit sollte nicht unterschätzt werden. Ihr Interesse an<br />
der Arbeit und den Ideen aller Beteiligten, ihre Fähigkeit, interessante Menschen zu finden und zusammenzubringen,<br />
die Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung, die ihre Gegenwart in der Gruppe<br />
hervorrief, waren die Grundlage der erfolgreichen Zusammenarbeit im BAUfit-Team. Auch die Projektleitung<br />
von Erich Bata, der Rosemarie Rerych nachfolgte, gehört zu den Erfolgselementen von BAUfit:<br />
Nicht nur durch seine geduldige Freundlichkeit, sondern auch durch seine Verankerung im <strong>Bau</strong>wesen<br />
konnte er notwendige Brücken bauen.<br />
Es hat sich rückblickend sehr gelohnt, am Anfang in die Zusammensetzung des Teams einzugreifen.<br />
Wenn sich konfliktreiche Konstellationen in der Gruppe bereits zu Beginn abzeichnen, gibt es für die<br />
Projektleitung nichts abzuwarten.<br />
Für BAUfit haben wir nicht für ein schon fertiges Konzept Personal gesucht und dann das Konzept genau<br />
wie geplant umgesetzt, sondern das gemeinsame Vorhaben mit jedem, der neu hinzukam, weiter-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung 137
1<strong>38</strong><br />
geplant. Damit sind wir gut gefahren: Jedes Teammitglied hat planerische Kompetenz, ein Teammitglied<br />
kann sich leichter mit dem gemeinsamen Konzept identifizieren, wenn es mitgestalten konnte, jedes Teammitglied<br />
kann viel mehr als das, wofür es engagiert wurde. Das sollte man nützen!<br />
Die Entscheidung, einen Vorversuch zu machen, war richtig. Die Ergebnisse haben teilweise die Machbarkeit<br />
unseres Konzepts bestätigt, teilweise haben sie uns wichtige Anregungen für die Weiterentwikklung<br />
des Konzepts gegeben: Das Beratungsprogramm für Führungskräfte wurde hinzugefügt.<br />
Das Engagement eines Trainers vor Ort war ein Erfolg: Es hat sich als gut herausgestellt, dass beinahe<br />
täglich jemand vom Team auf der <strong>Bau</strong>stelle war. Das Projekt blieb so ständig präsent. Leute, denen zugeschaut<br />
wird, beginnen auf sich selbst zu schauen. Sie erinnern sich auch an die Inhalte der Übungseinheiten.<br />
Das war genau, was wir wollten.<br />
Die hohe Rücklaufquote der Fragebögen in der BAUfitstudie wird im Bericht der AG Psychologie hervorgehoben.<br />
Dieser Erfolg ist kein Zufall: Der persönliche Einsatz, die Beziehungsarbeit der Mitarbeiter vor<br />
Ort: Vinzent Grothe, Hubert Langmann, Heidelinde Hahn, Ilona Semler, Dr. Franziska Muhry, Georg Mikesch,<br />
Dr. Paul Scheibenpflug, Jürgen Seifried. Sie alle haben diesen und viele andere Erfolge des Projekts<br />
möglich gemacht.<br />
Die arbeitsmedizinische Eingangs- und Ausgangsuntersuchung wurde aus Kostengründen nicht dem für<br />
die Firma zuständigen Arbeitsmediziner überlassen. Rückblickend war diese Entscheidung aber auch<br />
jenseits von Kostenerwägungen richtig. Ein externer Arzt erregt bei den Teilnehmern weniger Ängste,<br />
dass sensible Daten der Firmenleitung zur Kenntnis kommen könnten.<br />
Resumè: Herausford e rungen und Ve r b e s s e ru n g s v o r s c h l ä g e<br />
Verbesserte Kommunikation<br />
B e t r i e b s ra t<br />
Im Nachhinein muss selbstkritisch festgehalten werden, dass der Betriebsrat der betreuten Firma von der<br />
Projektleitung zu wenig in die Informationsflüsse eingebunden wurde.<br />
Te i l n e h m e r v e r t r ä g e<br />
Auch Formalitäten sind Teil einer guten Kommunikation: Wer wie unsere Teilnehmer 8000 ATS erhält<br />
und täglich Leistungen dafür erbringen muss, sollte einen formell sauberen Vertrag bekommen.<br />
Arbeitsmedizin und-psychologie<br />
In zukünftigen Projekten sollten die für die teilnehmende Firma zuständigen Arbeitsmediziner und Arbeitspsychologen<br />
in das Team voll einbezogen werden, damit die Errungenschaften einer BAUfit-Intervention<br />
auch nach Projektende als neuer Teil der Firmenkultur weitergepflegt werden können (Nachhaltigkeit).<br />
Po l i e re und <strong>Bau</strong>leiter<br />
Bei nachfolgenden Projekten sollte die Zusammenarbeit mit den Polieren verstärkt und systematisiert<br />
werden. Die Erfahrungen dazu liegen jetzt vor. Gemeinsame <strong>Bau</strong>stellenbegehungen zu Anfang aber<br />
auch zu Beginn jeder neuen <strong>Bau</strong>phase und regelmäßige Bersprechungen mit Workshopcharakter sollten<br />
gleich zu Beginn angekündigt, vereinbart und terminisiert werden. Die Poliere sind das Herzstück einer<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung
<strong>Bau</strong>firma. Die Nachhaltigkeit von BAUfit-Maßnahmen hängt hauptsächlich davon ab, ob sie überzeugt<br />
und gewonnen werden können.<br />
Verbesserte Abläufe<br />
Te r m i n v e r z ö g e r u n g e n<br />
Wie können die Wirkungen von monatelangen oder wochenlangen Verzögerungen (<strong>Bau</strong>stellensuche,<br />
Archäologie auf der <strong>Bau</strong>stelle) auf die diversen Terminkalender eines großen Teams gemildert werden?<br />
Wenn der Zeitplan des Projekts eine längere Betreuungsdauer bei verringerter Personalintensität vorsieht,<br />
das Projekt also extensiviert wird, so sind von Terminänderungen nur diejenigen, die am Anfang<br />
des Projekts beschäftigt sind, unmittelbar betroffen. Alle anderen, deren Termine ohnehin weiter in der<br />
Zukunft gelegen wären, können leichter darauf reagieren.<br />
Eingangs- und A u s g a n g s u n t e rs u c h u n g<br />
Ein guter Modus der Zusammenarbeit zwischen untersuchendem Arzt und den Arbeitsgruppen für Bewegungsprogramme<br />
und Physiologie konnte in diesem Projekt noch nicht erarbeitet werden. Mein Vorschlag<br />
wäre, dass der Arzt den Physiologen und den Trainer sofort im Anschluss an die Untersuchung<br />
mit Einverständnis und bei Anwesenheit des Untersuchten mündlich über die jeweils relevanten Punkte<br />
informiert. Daran könnte sich ein weiteres Gespräch des Versuchsteilnehmers mit TrainerIn und/oder<br />
PhysiologIn anschließen.<br />
E u r y t h m i e c o n t a i n e r, BAU f i t - Z e l t ?<br />
Speziell die Eurythmie-Intervention benötigt einen Raum genügender Größe (6 x 6 m) geschützt vor<br />
Wind und Wetter, mit sauberem Fußboden, heizbar, ausreichend belichtet. Auf <strong>Bau</strong>stellen im frühen<br />
Stadium sind solche Räume nicht vorhanden und auch später stellen fertige Geschoße im Rohbau nur<br />
Notlösungen dar, weil Beleuchtung, Windschutz, Temperierung, Sauberkeit der Fußböden ungenügend<br />
sind. Für zukünftige BAUfit-Interventionen schlage ich den Einsatz eines BAUfit-Zeltes vor, das mit Gebläsen<br />
beheizt werden kann und durch sein Aussehen das Projekt auch symbolisch mitträgt: Man sieht<br />
gleich, dass auf dieser <strong>Bau</strong>stelle etwas Besonderes passiert.<br />
Interessensgegensätze und Projektdesign<br />
Selbst bei gutem Willen auf allen Seiten gibt es Interessensgegensätze zwischen den Ansprüchen des Teams,<br />
einerseits gute wissenschaftliche Daten zu gewinnen, andererseits eine gute Betreuungsqualität<br />
für die Teilnehmer zu erzielen und drittens dem Anspruch der beteiligten Firma, den <strong>Bau</strong>stellenbetrieb<br />
reibungslos zu gestalten.<br />
Fo rschung benötigt<br />
• genügend große Teilnehmerzahlen für eine statistische Auswertbarkeit der Messergebnisse<br />
• mehrere vergleichbare Gruppen, die verschiedene Trainingsprogramme durchlaufen<br />
• eine Gruppe ohne Teilnahme an Trainingsprogrammen<br />
• definierte Dauer und Intensität der Trainingseinheiten, die stets zur gleichen Tageszeit und an<br />
gleichen Wochentagen stattfinden sollen<br />
• Bereitschaft der Teilnehmer, viele Messungen über die lange Zeitdauer eines halben Jahres durchzuführen<br />
– auch zu unbequemen Zeiten wie nachts, morgens vor dem Aufstehen, am<br />
Wochenende<br />
• Bereitschaft der Teilnehmer, täglich über ein halbes Jahr umfangreiche Fragebögen mit zum Teil<br />
tief in den Privatbereich hineinreichenden Fragen zu beantworten<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung 139
140<br />
B e ratung und Training wünschen sich<br />
• handhabbare Gruppengrößen für gute Gruppendynamik<br />
• alle Teilnehmer, die Interesse zeigen, zu betreuen, niemanden wegen des Versuchsdesigns auszuschließen<br />
• zuverlässige Anwesenheit der Teilnehmer auf der <strong>Bau</strong>stelle, pünktliches Erscheinen zu den<br />
Trainingseinheiten<br />
• Dauer und Intensität der Trainingsprogramme ausreichend für gute Wirksamkeit, andererseits<br />
flexibel, damit auf die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Probleme der Teilnehmer eingegangen werden<br />
kann<br />
• dass Aufwand und Mühe für Messungen und Fragebogenbeantwortung die Akzeptanz der<br />
Trainingsprogramme nicht gefährden<br />
Eine <strong>Bau</strong>firma ford e r t<br />
• möglichst geringen Zeitaufwand für Trainingsprogramme während der Arbeitszeit<br />
• klare, rechtzeitig bekannte Zeitpläne für den Ablauf der Trainingsprogramme<br />
• dennoch Flexiblilität, damit Arbeiter bei Bedarf auf andere <strong>Bau</strong>stellen abgezogen werden oder<br />
dringende Arbeiten fertigstellen können<br />
• Vergütung der entfallenden Arbeitsstunden durch das Projekt<br />
Zwischen diesen einander zum Teil widersprechenden Anforderungen wurden bereits im Projektantrag,<br />
später bei den Verhandlungen mit der <strong>Bau</strong>firma und auch noch während der Projektdurchführung pragmatische<br />
Kompromisse getroffen.<br />
Zukünftige Projekte müssen sich schon in der Planung mit diesen unvermeidlichen Schwierigkeiten auseinandersetzen.<br />
Sie können nur durch ein geeignetes Versuchsdesign vermindert, aber nicht vermieden<br />
werden.<br />
Status der Teilnehmer und Funktion der Begleitforschung<br />
Wie freiwillig war die freiwillige Teilnahme der <strong>Bau</strong>arbeiter?<br />
Die positive Haltung der Firmenleitung konnte vermutlich ebenso als Druckmittel wie als Ansporn zum<br />
Mitmachen verstanden werden. Ebenso die Aufspaltung des angebotenen Geldes in eine Aufwandsvergütung<br />
und eine Durchhalteprämie. Obwohl seitens der wissenschaftlichen Arbeitsgruppen keine Bedenken<br />
gegen diese Vorgangsweise erhoben wurde, ist doch anzumerken, dass ein bezahlter Versuchsteilnehmer,<br />
der auch die Prämie am Schluss nicht verlieren möchte, anders mit Verärgerung umgeht, als<br />
ein wirklich Freiwilliger.<br />
Zukünftige Projekte sollten konsequent auf den maximalen Nutzen der teilnehmenden Firmen und der<br />
teilnehmenden Mitarbeiter konzipiert werden. Der Erfolg einer solchen serviceorientierten Konzeption<br />
muss sich darin beweisen, dass teilnehmende Mitarbeiter auch ohne Vergütung teilnehmen (und damit<br />
echte Freiwillige sind) und die teilnehmende Firma bereit ist, die Projektkosten zumindest teilweise zu<br />
tragen, statt, wie bei BAUfit, für ihre Teilnahme von der <strong>AUVA</strong> noch finanziell entschädigt zu werden.<br />
Anders gesagt, es geht darum, ob Teilnehmer von BAUfit-Nachfolgeprojekten als „Versuchskaninchen“<br />
oder als Kunden aufgefasst werden.<br />
BAU f i t - Te i l n e h m e r : „ Ve rsuchskaninchen“ oder Ku n d e n ?<br />
„Versuchskaninchen“ müssen selbstverständlich entschädigt werden. Sie sind bereit, bestimmte Tätigkeiten<br />
durchzuführen und ihren Körper als Beobachtungsobjekt der Wissenschaft zur Verfügung zu stel-<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung
len. Von den Daten profitieren die Wissenschafter, bestenfalls die Allgemeinheit, aber nicht die Versuchspersonen<br />
speziell.<br />
Beim Teilnehmer als Kunden wird das Versuchskonzept auf einen Interessensausgleich Nutzen für den<br />
Teilnehmer gegen Nutzen für das Wissenschafterteam zugeschnitten. Dies erfordert Abstriche dort, wo<br />
den Teilnehmern zu große Unbequemlichkeiten zugemutet würden, die sich durch den Nutzen für die<br />
Teilnehmer nicht mehr motivieren lassen. Ich schlage vor, diese Auffassung von Versuchspersonen zukünftigen<br />
Projekten zugrundezulegen. Damit ist der Status der Begleitforschung in BAUfit-Nachfolgeprojekten<br />
angesprochen.<br />
Status und mehrfache Funktion der Begleitfors c h u n g<br />
Ein Beispiel für eine Entscheidung: Sollten die Projektteilnehmer während des Projektes bereits Ergebnisse<br />
ihrer EKG-Messungen erfahren? Die Entscheidung lautete zunächst: nein. Die Kenntnis der Ergebnisse<br />
würde die weiteren Ergebnisse beeinflussen und damit verfälschen. Später kamen andere Argumente<br />
auf: Die Beschäftigung mit den eigenen EKG-Daten ist eine Beschäftigung mit der eigenen Gesundheit<br />
und Lebensweise und trägt zum Projekterfolg von BAUfit bei: Verringerung von Unfallzahlen,<br />
Krankenständen und Stress, Verbesserung der Schlafqualität.<br />
Mag. Beran hatte diesen Gedanken während des Projekts schon vorweggenommen, als er die Beratungsklienten<br />
aus dem Management von Anfang an mit ihren EKG-Daten bzw. Autonomen Bildern<br />
konfrontierte. Sie dienten ihm als wertvolle Argumentations- und Motivationshilfe in der Beratung.<br />
Die physiologische und psychologische Begleitforschung hat also eine Mehrfachfunktion als Bestandsaufnahme,<br />
Wirksamkeitsnachweis und Intervention und muss sich damit – wie das Projekt als Ganzes –<br />
dem oben skizzierten Interessensgegensatz zwischen wissenschaftlichem Erkenntnisanspruch und Betreuungsanspruch<br />
aussetzen.<br />
Endberichte<br />
Die Gestaltung der Zusammenarbeit des Teams bei der Endberichtserstellung wurde noch nicht befriedigend<br />
gelöst.<br />
Zunächst ist es unvermeidlich, dass die Arbeitsgruppen jeweils ihren eigenen Bericht schreiben. Der Aufwand<br />
dafür wird immer wieder unterschätzt. Keine Arbeitsgruppe hielt die vereinbarten Abgabetermine<br />
ein. Die Verspätungen betrugen bis zu einem halben Jahr. Die Zeitbudgets der Arbeitsgruppen wurden<br />
wohl in der Regel auch überzogen. Unter diesen Umständen sind die eigentlich wünschbaren Feedbackrunden<br />
im Team, in denen die durch die Berichte geklärten Erfahrungen der einzelnen Arbeitsgruppen<br />
zu einem gemeinsamen Bild der Projektergebnisse verdichtet werden sollte, dem Team kaum noch zumutbar.<br />
Eine solche Feedbackrunde fand im Februar 2001 in Graz statt, der Zeitpunkt war allerdings zu früh: Es<br />
lagen noch keine Endberichte vor. So soll der vorliegende Bericht auch als Beitrag zu einer gemeinsamen<br />
Projektdiskussion dienen.<br />
Forschungsbericht BAUfit – Tätigkeitsbericht der Projektleitung 141