Ökologie - Biologie für die Oberstufe
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16<br />
2 Abiotische Umweltfaktoren – ihr Einfluss auf das Leben<br />
Grundprinzipien tierischer Form und Funktion<br />
Körpertemperatur (°C)<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0 10 20 30 40<br />
Umgebungstemperatur (°C)<br />
Ein Tier wird im Hinblick auf einen bestimmten<br />
Umweltparameter als Konformer bezeichnet, wenn es<br />
erlaubt, dass sich sein inneres Milieu an <strong>die</strong> Verände-<br />
rung des externen Parameters anpasst. Der Forellen-<br />
barsch in Abbildung 40.7 passt sich beispielsweise an<br />
<strong>die</strong> Temperatur des Wassers in dem See an, in dem er<br />
lebt. Wenn sich das Wasser erwärmt oder abkühlt, er-<br />
wärmen sich auch <strong>die</strong> Zellen des Barsches oder sie<br />
kühlen ab. Einige Tiere passen sich an konstantere Um-<br />
weltbedingungen an. Beispielsweise adaptieren viele<br />
marine Wirbellose, wie <strong>die</strong> Seespinne Libinia , <strong>die</strong> Zu-<br />
sammensetzung ihrer extrazellulären Körperüssig-<br />
keiten an <strong>die</strong> relativ stabile Salinität ihres ozeanischen<br />
Lebensraums.<br />
Fischotter (endotherm)<br />
Forellenbarsch<br />
(ektotherm)<br />
Abbildung 40.7: Beziehung zwischen Körpertemperatur und<br />
Umgebungstemperatur Abbildung 2.7: Beziehung bei einem wasserlebenden zwischen KörpertempeTemperaturreguliererratur<br />
und und Umgebungstemperatur einem wasserlebenden Temperaturkonformer.<br />
bei einem wasser-<br />
Der Fischotter reguliert seine Körpertemperatur und hält sie über einen<br />
lebenden endothermen Tier und einem wasserleben-<br />
weiten Bereich von Umgebungstemperaturen konstant. Der Forellenbarschden<br />
ektothermen passt hingegen sein Tier. inneres Milieu der Wassertemperatur an.<br />
MErKE!<br />
Gesetzmäßigkeiten<br />
der Thermodynamik<br />
Reine Regulierer oder Konformer sind in der Natur<br />
eher selten anzutreen. Es kann sein, dass ein Tier<br />
einige innere Zustände reguliert, während es anderen<br />
erlaubt, mit den Umweltbedingungen zu schwanken.<br />
Auch wenn sich der Barsch zum Beispiel an <strong>die</strong> Temperatur<br />
Energie des ihn kann umgebenden zwar übertragen Wassers anpasst, und unterumgescheidetwandelt, sich <strong>die</strong> nicht Salzkonzentration aber erzeugt in oder seinem vernich- Blut<br />
und tet in seiner werden. interstitiellen Im Verlauf Flüssigkeit jeder deutlich Energieüber- von<br />
der tragung Salzkonzentration geht ein des Teil Süßwassers, der Energie in dem als er Wärme lebt.<br />
Zu <strong>die</strong>sem verloren Unterschied und ist kommt <strong>für</strong> Arbeitsprozesse es, weil seine Anato- nicht<br />
mie mehr und Physiologie verfügbar. dem Darüber Fisch ermöglichen, hinaus wird innere Wärme<br />
Veränderungen immer von der einem Salzkonzentration wärmeren Objekt zu regulieren auf ein<br />
(mehr kälteres über <strong>die</strong> übertragen Mechanismen und <strong>die</strong>ser niemals Regulation umgekehrt: siehe<br />
Kapitel Das 45). heiße Wasser im Wasserkocher kühlt<br />
sich langsam ab und erwärmt dabei <strong>die</strong> um-<br />
1164 gebende raumluft, niemals kühlt sich der<br />
raum ab und erwärmt dabei das Wasser im<br />
Wasserkocher …<br />
40.2.2 thermes Homöostase Tier mit weniger als zehn Prozent der Nahrungsenergie auskommen,<br />
<strong>die</strong> ein endothermes Tier vergleichbarer Größe benötigt –<br />
Die konstante Körpertemperatur des Fisch otters und<br />
ein Vorteil, wenn Nahrungsquellen knapp sind. Ektotherme können<br />
<strong>die</strong> stabile Zusammensetzung der extrazellulären Kör-<br />
zudem im Allgemeinen starke Schwankungen ihrer Körpertemperatur<br />
perüssigkeiten in einem Süßwasserbarsch sind Beispiele<br />
tolerieren. <strong>für</strong> Homöostase Insgesamt , ein gesehen Begri, der ist so Ektothermie viel wie in den meisten Lebens-<br />
dynamisches räumen eine Gleichgewicht effiziente („st und eady erfolgreiche state“) bedeutet. Strategie; das zeigt sich auch<br />
Durch in der <strong>die</strong> Fülle, Homöostase Artenvielfalt halten Tiere und selbst dem dann großen ein Verbreitungsgebiet ektother-<br />
relativ mer konstantes Tiere. Ein inneres populäres Milieu aufrecht, Missverständnis wenn sich in <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />
<strong>die</strong> ist, Bedingungen dass Ektotherme in der Außenwelt „kaltblütig“ stark verändern. und Endotherme „warmblütig“ sind.<br />
Ektotherme Wie viele Tiere besitzen haben auch nicht wir Menschen unbedingt Mechaeine<br />
niedrige Körpertemperatur.<br />
nismen der Homöostase, <strong>die</strong> eine ganze Reihe physika-<br />
Tatsächlich weisen viele Eidechsen, wenn sie in der Sonne baden, eine<br />
lischer und chemischer Parameter regulieren. So hält<br />
höhere Körpertemperatur als Säuger auf. Auch bei Pferden bezeichnen<br />
der menschliche Körper beispielsweise eine recht kon-<br />
<strong>die</strong>se Begriffe lediglich den „Charakter“ bestimmter Pferderassen (synstante<br />
Kerntemperatur von rund 37 °C aufrecht, und<br />
<strong>die</strong> onym Schwankungsbreite mit temperamentvoll des pH-Wertes von und 7,4 genügsam) im Blut und ausdrücklich nicht <strong>die</strong><br />
und Körpertemperatur in der interstitiellen Flüssigkeit <strong>die</strong>ser endothermen beträgt nur 0,1 Tiere. Daher sind <strong>die</strong> Bezeich-<br />
pH-Einheiten. nungen kaltblütig Der Körper reguliert und warmblütig auch <strong>die</strong> Glucose- irreführend und werden in der Biokonzentrationlogie<br />
nicht im mehr Blut, so verwendet.<br />
dass sie nicht <strong>für</strong> eine län-<br />
gere Zeit von rund 5 mmol/l abweicht.<br />
Mechanismen 2.1.2 Wärmeabgabe der Homöostase und Wärmeaufnahme –<br />
Bevor wir uns zwei näher mit faktoren der Homöostase im bei Tieren gleichgewicht<br />
-<br />
beschäftigen, wollen wir uns ein Beispiel aus der Tech-<br />
nik Nach ansehen: den <strong>die</strong> Gesetzen Regulierung der der Thermodynamik Raumtemperatur gilt auch in der <strong>Biologie</strong>, dass<br />
( Wärme Abbildung stets 40.8). von Angenommen, einem wärmeren wir wollten auf ein ein kälteres Objekt übertragen<br />
Zimmer wird. bei Voraussetzung einer Temperatur <strong>für</strong> von Thermoregulation 20 °C halten, einer ist daher <strong>die</strong> Fähigkeit des<br />
angenehmen Tieres, den Temperatur Wärmeaustausch <strong>für</strong> normale Aktivitäten. mit der Wir Umgebung zu kontrollieren. Der<br />
stellen Schlüssel ein Messgerät zur Thermoregulation – den Thermostat – auf 20 liegt somit °C ein darin, Wärmeabgabe und<br />
und Wärmeaufnahme überwachen <strong>die</strong> Raumtemperatur im Gleichgewicht mit einem Ther- zu halten. Tiere tun <strong>die</strong>s mittels<br />
mometer im Thermostat. Wenn <strong>die</strong> Raumtemperatur<br />
Mechanismen, <strong>die</strong> entweder den Wärmeaustausch insgesamt verrin-<br />
unter 20 °C sinkt, reagiert der Thermostat, indem er <strong>die</strong><br />
gern oder den Wärmeaustausch in eine bestimmte Richtung begüns-<br />
Heizung anstellt. Die Heizung produziert so lange Wärme,tigen.<br />
bis <strong>die</strong> Raumtemperatur 20 °C erreicht, woraufhin<br />
der Thermostat Vor allem <strong>die</strong> endotherme Heizung abschaltet. Lebewesen Sobald <strong>die</strong> sind auf Mechanismen angewie-<br />
Temperatur sen, <strong>die</strong> den im Raum Wärmeaustausch erneut unter 20 °C mit fällt, der setzt Umgebung der regulieren, da sie eine<br />
Thermostat bestimmte einen Körpertemperatur weiteren Heizzyklus in Gang. aufrechterhalten müssen. Im Folgenden<br />
werden Wie ein Heizungssystem einige Strategien <strong>für</strong> ein Haus, vorgestellt, erreicht ein<strong>die</strong><br />
alle dem Zweck <strong>die</strong>nen, Wär-<br />
Tier meaufnahme Homöostase, indem und es Wärmeabgabe eine Variable wie Körper- im Gleichgewicht zu halten.<br />
temperatur oder <strong>die</strong> Zusammensetzung der extrazellu-<br />
Wärmeisolierung Eine wichtige thermoregulatorische Anpassung<br />
lären Körperüssigkeiten auf oder nahe bei einem be-<br />
bei Säugern und Vögeln ist <strong>die</strong> Wärmeisolierung. Diese verringert den<br />
stimmten Wert hält, dem Sollwert . Abweichungen der<br />
Wärmeaustausch zwischen einem Tier und seiner Umwelt. Das Funk-<br />
Variablen vom Sollwert, sei es nach oben oder nach unten,tionsprinzip<br />
<strong>die</strong>nen als Reiz entspricht . Ein Rezeptor dem oder einer Sensor Thermoskanne nimmt oder eines Wärme-<br />
den dämmsystems Reiz wahr und löst an eine einem Reaktion Gebäude aus, eine – eine physi- schlecht wärmeleitende Subologischestanz,<br />
wie Aktivität, zum <strong>die</strong> Beispiel dazu beiträgt, Styropor, <strong>die</strong> Variable verhindert zum <strong>die</strong> Wärmeabgabe an <strong>die</strong><br />
Sollwert Umwelt zurückzuführen. und isoliert Im auf Beispiel <strong>die</strong>se mit Weise dem Hei- das warme Innenleben gegenüber<br />
zungssystem der kalten wirkt Umgebung. ein Absinken Gute der Raumtemperatur „biologische“ Wärmeisolatoren sind Haare,<br />
unter den Sollwert als Reiz, das Thermometer fungiert<br />
Federn und Fettschichten.<br />
als Messfühler (Sensor), und <strong>die</strong> Heizung als ausführen-<br />
Landlebende Säuger und Vögel reagieren auf Kälte, indem sie ihr<br />
des Organ liefert <strong>die</strong> gewünschte Reaktion.<br />
Fell beziehungsweise ihr Gefieder sträuben. Dadurch können sie ein<br />
dickeres Luftpolster festhalten und, da Luft ein schlechter Wärmeleiter<br />
ist, somit <strong>die</strong> isolierende Wirkung ihres Fells oder ihres Gefieders verstärken.<br />
Wasser hingegen verringert <strong>die</strong> Fähigkeit von Fell und Federn<br />
zur Wärmeisolierung. Daher produzieren einige Tierarten fetthaltige,