in Schülertagebuch-Notizen - Rudolf-Steiner-Schule Schwabing
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Und so lebendig. Und so ungestüm, dass es für uns oft ratsam war, den<br />
Photoapparat lieber zu verstecken, um nicht überrannt zu werden von e<strong>in</strong>er<br />
lauten Schar K<strong>in</strong>der, die alle immer wieder photographiert werden wollen.<br />
Hungrig nach Bildern, sich für e<strong>in</strong>en kurzen Moment e<strong>in</strong>gefangen sehen wollen<br />
auf den Displays unserer Digitalkameras, <strong>in</strong> ihrem Dorf ohne Spiegel, nicht<br />
wegen Vampiren, sondern wegen ihrer furchtbaren Armut, im an anderen<br />
Stellen so blühenden EU-Beitrittskandidaten-Land Rumänien.<br />
Rosia und die vielen anderen Siedlungen armer Menschen hier: Zeitlöcher wie<br />
vor hundert Jahren, im Jahr 2005.<br />
Jetzt im Unterricht steht die Zeit auch still. Aber anders. Die Augen der K<strong>in</strong>der<br />
strahlen. Ganz ohne unsere phantastischen Spielzeuge der digitalen Welt. Jetzt<br />
erlebe ich wie sich die K<strong>in</strong>der ganz frei entdecken, ihre eigenen Fähigkeiten<br />
entdecken im Grundstufenunterricht der Waldorfschule. Mite<strong>in</strong>ander.<br />
Die K<strong>in</strong>der drängen sich nicht mehr gegenseitig wild aus dem Weg, um ganz<br />
vorne auf e<strong>in</strong>em Photo zu se<strong>in</strong>. Hier <strong>in</strong> der <strong>Schule</strong> bilden sie e<strong>in</strong>en Kreis.<br />
Konzentrieren sich aufe<strong>in</strong>ander, auf ihre Lehrer<strong>in</strong>. Wir schauen ihnen beim<br />
Wachsen zu. Manchen fällt das Spiel aus S<strong>in</strong>gen, Klatschen, Zählen, Tanzen<br />
leichter, manche stolpern, doch immer wieder s<strong>in</strong>d da die wachsamen Augen der<br />
Lehrer<strong>in</strong>nen, die zart, aber bestimmt den K<strong>in</strong>dern Richtung geben.<br />
Für diese wunderbaren K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d wir hier <strong>in</strong> Rosia.<br />
Nach dem Besuch beim Unterricht b<strong>in</strong> ich auch auf der Baustelle neben der<br />
<strong>Schule</strong>. Auch hier arbeiten wir mite<strong>in</strong>ander, Hand <strong>in</strong> Hand. Wir, die großen und<br />
größeren K<strong>in</strong>der aus München mit den Zigeunern aus Rosia. Der Regen hat<br />
nachgelassen. Jetzt haben wir mit den Männern aus dem Dorf e<strong>in</strong>e Eimerkette<br />
aufgebaut. Der Fußboden zweier Räume im Keller ist nicht betoniert worden.<br />
Wir wollen es nachholen. Davor muss Kies <strong>in</strong> den Keller geschüttet werden, als<br />
Untergrund für die Betonplatten. Den zuvor vorgesehenen rohen Lehmboden<br />
haben wir schon <strong>in</strong> den letzten Tagen ausreichend mit den Männern aus dem<br />
Zigeunerdorf abgetragen. Jetzt kommt die Kiesschicht und dann der Beton.<br />
Hand <strong>in</strong> Hand. E<strong>in</strong> Eimer Kies nach dem anderen. E<strong>in</strong>e schöne Arbeit. Wir<br />
lachen viel. Fast schade, als wir plötzlich fertig s<strong>in</strong>d - so schön meditativ das<br />
Weiterreichen der Eimer, und doch freuen wir uns natürlich auf das gute und<br />
immer reichliche Mittagessen, das die Lehrer<strong>in</strong>nen aus Rosia uns kochen.<br />
Am Nachmittag wird weitergebaut an den Lehm-Innenwänden im ersten Stock<br />
des Kant<strong>in</strong>engebäudes. Neva und Ester, Julian, Manuel, Vassili und Lenard sehe<br />
ich dort.<br />
Die Wände hier werden die neuen Klassenzimmer bilden. Annika, Emma,<br />
Walter und ich räumen die Baustelle auf. Plastiktüten, Holzreste und<br />
Tr<strong>in</strong>kflaschen, die weit verstreut um die Baustelle sich angesammelt haben.<br />
Dann kommen Georg, Julian, Noem und Diego mit der Pferdekutsche vom<br />
Lager heruntergefahren, um die auf der Baustelle übriggebliebenen Holzschätze<br />
zu holen. Sie genießen es, auf der Kutsche zu sitzen. Sie genießen es so sehr,<br />
dass sie (noch) nicht Gentleman genug s<strong>in</strong>d, Annika auf der Kutsche Platz zu<br />
machen. Sie wäre gerne e<strong>in</strong>mal mitgefahren.<br />
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