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Standort Schweiz (PDF, 2.80 MB) - Business Location Switzerland

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STANDORT SCHWEIZ<br />

Grosse Herausforderungen – neuer Fokus<br />

RAHMENBEDINGUNGEN, ANALYSEN, PERSPEKTIVEN


INHALT<br />

5 <strong>Standort</strong>promotion <strong>Schweiz</strong> – Gemeinsam Stärken zeigen<br />

JEAN-DANIEL GERBER, STAATSEKRETÄR, DIREKTOR SECO<br />

7 Chancen und Grenzen des <strong>Standort</strong>-Föderalismus<br />

JEAN-MICHEL CINA, PRÄSIDENT DER VOLKSWIRTSCHAFTSDIREKTOREN-<br />

KONFERENZ<br />

9 <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> 2015 – Das Projekt<br />

DANIEL KÜNG, CEO OSEC<br />

13 12 Punkte zur <strong>Standort</strong>promotion der <strong>Schweiz</strong><br />

MEDARD MEIER / BEAT LEI<strong>MB</strong>ACHER<br />

Markt und Strategie<br />

19 Wie der Ansiedlungsprozess zu organisieren ist<br />

PRICEWATERHOUSECOOPERS<br />

31 Zielgruppen (Branchen) für die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>förderung<br />

CREDIT SUISSE<br />

39 Die wichtigsten Zielländer für die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>werbung<br />

2015 bis 2020<br />

CREDIT SUISSE<br />

57 <strong>Standort</strong>-Promotion: Zentrale Anforderungen an den Marktauftritt<br />

THE BOSTON CONSULTING GROUP<br />

79 Wie sich der Marktzugang zur <strong>Schweiz</strong> professionalisieren lässt<br />

ACCENTURE<br />

Wie die <strong>Schweiz</strong> gesehen wird<br />

95 Wie internationale Manager den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> beurteilen<br />

ERNST & YOUNG<br />

105 Auf welche <strong>Standort</strong>faktoren setzt die <strong>Schweiz</strong>?<br />

DELOITTE


Rahmenbedingungen<br />

121 Unternehmenssteuern – es besteht Handlungsbedarf<br />

KPMG<br />

133 Wo die <strong>Schweiz</strong> Spitze verkörpert: Bildung, Forschung<br />

und Innovation<br />

ETH<br />

145 <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong>: Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

BAKER & MCKENZIE<br />

159 Herausgeber<br />

160 Impressum


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

<strong>Standort</strong>promotion <strong>Schweiz</strong> –<br />

Gemeinsam Stärken zeigen<br />

Jean-Daniel Gerber, Staatssekretär und Direktor Staatssekretariat für<br />

Wirtschaft (Seco)<br />

Die <strong>Schweiz</strong> zählt in einem international härter werdenden Wettbewerb<br />

nach wie vor zur Spitzengruppe der attraktivsten Unternehmensstandorte.<br />

Der «Global Competitiveness Report 2009–2010» des World Economic<br />

Forum (WEF) zum Beispiel setzt die <strong>Schweiz</strong> auf Platz 1 der wettbewerbsfähigsten<br />

Nationen. Die <strong>Schweiz</strong> ist also ein ausgezeichnetes<br />

«Produkt», welches Bund, Kantone und Gemeinden im Ausland bewerben<br />

können.<br />

Die Promotion des <strong>Standort</strong>es <strong>Schweiz</strong> ist jedoch komplex. Ständig<br />

wechselnde Rahmenbedingungen auf internationaler und nationaler Ebene,<br />

vielfältige Bedürfnisse der Unternehmen, unterschiedliche Strate-<br />

gien der Kantone und weiterer Partner – all diese Faktoren führen zu<br />

diversen Erwartungen der Akteure. Gleichzeitig wissen wir, dass ein<br />

einheitlicher Auftritt von Bund und Kantonen matchentscheidend sein<br />

kann. Im Interesse des <strong>Standort</strong>s <strong>Schweiz</strong> ist deshalb der ständige Dialog<br />

und eine wirkungsvolle Koordination unter allen Partnern von grösster<br />

Bedeutung.<br />

Einige der wichtigsten privaten Akteure haben nun auf Anregung von Osec<br />

eine eigene <strong>Standort</strong>bestimmung vorgenommen. Herausgekommen sind<br />

innovative Vorschläge und Ideen, wie die <strong>Standort</strong>promotion aus Sicht<br />

der privaten Unternehmen ausgerichtet werden sollte. Der Bund wird nun<br />

die Verbesserungsvorschläge überprüfen und wenn geeignet in seine Botschaft<br />

über die <strong>Standort</strong>förderung 2012-2015 einfliessen lassen. Die politische<br />

Debatte steht 2011 im Bundesparlament an.<br />

Operationell ist der Bund seit 2008 nicht mehr selbst in der <strong>Standort</strong>promotion<br />

tätig. Die privat organisierte Osec hat den Auftrag erhalten,<br />

in Kooperation mit den Kantonen und privaten Organisationen die nach- 5


STANDORTpROMOTION SCHWEIZ – GEMEINSAM STäRKEN ZEIGEN<br />

haltige Ansiedlung ausländischer Unternehmen zu fördern. Osec vermittelt<br />

dabei Grundlageninformationen über die <strong>Schweiz</strong>, organisiert<br />

Investorenseminare und andere Promotionsaktivitäten. Damit ergänzt<br />

Osec die Anstrengungen der Kantone und der privaten Unternehmen und<br />

nützt Synergien mit der Exportförderung, etwa über den Einsatz ihres<br />

Netzes von Aussenstellen.<br />

Ich danke den Unternehmen für ihre wertvollen Vorschläge und freue<br />

mich auf eine konstruktive Debatte über die nächsten Jahre hinweg –<br />

im gemeinsamen Bestreben, das gute Produkt «Unternehmensstandort<br />

<strong>Schweiz</strong>» noch zielgerichteter und effizienter bekannt zu machen.<br />

OSEC<br />

6


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Chancen und Grenzen<br />

des <strong>Standort</strong>-Föderalismus<br />

Jean-Michel Cina, Präsident der Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz<br />

Vom Genfersee bis an den Bodensee, von Chiasso bis nach Basel siedeln<br />

sich Jahr für Jahr Unternehmen aus der ganzen Welt an, die neue Arbeitsplätze<br />

schaffen, forschen, exportieren, Niederlassungen gründen<br />

und nicht zuletzt auch Steuern zahlen. Schlagkräftige <strong>Standort</strong>promotionen<br />

tragen wesentlich zu diesen erfolgreichen Unternehmensansiedlungen<br />

bei.<br />

Ansiedlungspolitik ist zunächst einmal Aufgabe der Kantone. Sie kennen<br />

ihr Wirtschaftsgefüge und sind daher in der Lage, die Vorzüge und<br />

Geschäftsmöglichkeiten ihrer Region zu verkaufen. Der Wettbewerb<br />

zwischen den Kantonen führt dazu, dass sie ihre <strong>Standort</strong>attraktivität<br />

laufend optimieren: Unternehmenssteuern werden gesenkt, neues Industrieland<br />

wird erschlossen, Büroflächen werden zur Verfügung gestellt<br />

und die Verkehrsanbindungen werden verbessert. Die kantonalen<br />

Wirtschaftsförderstellen werben aber auch mit weichen <strong>Standort</strong>faktoren<br />

wie landschaftlichen Vorzügen und schnellen Entscheiden um die<br />

Gunst der ausländischen Unternehmen.<br />

Dank diesem Wettbewerb zwischen den Kantonen erhöht sich auch die<br />

<strong>Standort</strong>attraktivität der <strong>Schweiz</strong> jedes Jahr, denn die <strong>Schweiz</strong> ist die<br />

Summe der Kantone: Geht es den Gliedstaaten wirtschaftlich gut, prosperiert<br />

das gesamte Land. Föderalismus und Subsidiaritätsprinzip gelten<br />

auch in der <strong>Standort</strong>promotion. Sie dürfen aber nicht dazu führen,<br />

dass man sich den globalen Entwicklungen verschliesst. Die Konkurrenz<br />

um ansiedlungswillige Unternehmen hat sich weltweit verschärft und<br />

dürfte nach dieser Krise nochmals zunehmen. Unzählige <strong>Standort</strong>e stehen<br />

in einem äusserst harten Wettbewerb um die besten Unternehmen.<br />

Daher müssen auch die Kantone der <strong>Schweiz</strong> nicht nur ihre <strong>Standort</strong>-<br />

attraktivität laufend optimieren, sondern auch ihre Kräfte bündeln, um<br />

sich im Ausland gemeinsam noch besser zu vermarkten.<br />

7


CHANCEN UND GRENZEN DES STANDORT-FöDERALISMUS<br />

Die Kantone haben dies erkannt und sich regional in der exogenen Wirtschaftsförderung<br />

zusammengeschlossen in Organisationen wie Greater<br />

Zurich Area, Greater Geneva Berne Area oder Basel Area. Aber auch die<br />

Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen bzw. den gemeinsamen<br />

Organisationen der Kantone muss unvoreingenommen analysiert und<br />

gegebenenfalls angepasst werden. Ziel muss es sein, dass unsere Kunden,<br />

d.h. ansiedlungsinteressierte Firmen, optimal betreut werden und<br />

sich schliesslich in der <strong>Schweiz</strong> niederlassen.<br />

Die vorliegenden Beiträge von Unternehmen und Institutionen zeigen interessante<br />

Aspekte auf, wie wir unsere <strong>Standort</strong>promotion international<br />

noch besser positionieren können. Ich schätze diese Vielfalt an Ideen<br />

und freue mich auf spannende und intensive Diskussionen.<br />

OSEC<br />

8


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

<strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> 2015 –<br />

Das projekt<br />

Daniel Küng, CEO Osec<br />

Die <strong>Standort</strong>promotion für die <strong>Schweiz</strong> auf nationaler Ebene ist eine<br />

Erfolgsgeschichte. Und dies, obgleich es sie als solche bis vor wenigen<br />

Jahren eigentlich noch gar nicht gab, denn <strong>Standort</strong>marketing ist eine<br />

hoheitliche Aufgabe der Kantone. Ein zusätzliches, vom Bund ins Leben<br />

gerufenes Programm für die Vermarktung der gesamten <strong>Schweiz</strong> als<br />

Unternehmensstandort gibt es erst seit 1996, und seit dem 1. Januar<br />

2008 sind wir von der Osec dafür zuständig. Unser Leistungsspektrum<br />

wird vom Seco und von den Kantonen in Leistungsaufträgen definiert.<br />

Es umfasst die Koordination der <strong>Standort</strong>promotion zwischen Bund und<br />

Kantonen, die Vermittlung von Informationen zum Unternehmensstandort<br />

<strong>Schweiz</strong> und die Bereitstellung entsprechender Plattformen. Dafür<br />

stehen uns vom geschätzten Gesamtbudget von etwa 30 Millionen Franken,<br />

das schweizweit für die <strong>Standort</strong>promotion im Ausland ausgegeben<br />

wird, etwa 6 Millionen zur Verfügung. Die übrigen 24 Millionen verteilen<br />

sich auf die Kantone und die von ihnen zur Bündelung der Kräfte ins Leben<br />

gerufenen regionalen Organisationen.<br />

Mit der Finanzkrise werden die Signale immer stärker, dass wir die heutige<br />

starke Position der <strong>Schweiz</strong> als Ansiedlungsland für Unternehmen<br />

in der Welt nur halten werden können, wenn wir die heutige Aufgabenteilung<br />

bei der <strong>Standort</strong>promotion sowie die unter den Partnern vereinbarten<br />

Prozesse mutig hinterfragen und neue, zukunftsweisende Konzepte<br />

entwickeln. Es geht dabei nicht um ein Verändern der vorgegebenen<br />

Rahmenbedingungen, sondern um eine Optimierung der Rollenverteilung<br />

und der Prozesse.<br />

In Erfüllung unserer Koordinationsaufgabe haben wir die Initiative ergriffen,<br />

bestehendes Wissen zu bündeln und als Diskussionsgrundlage<br />

aufzubereiten. Wir haben neun mit der <strong>Standort</strong>förderung verbundene<br />

Institutionen eingeladen, die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion aus ihrer<br />

9


STANDORT SCHWEIZ 2015 – DAS pROjEKT<br />

ganz individuellen Sicht zu beurteilen. Wir haben mit ihnen zusammen<br />

Themenblöcke bestimmt, ihnen aber dann bei der Ausgestaltung völlig<br />

freie Hand gelassen. Herausgekommen ist eine Sammlung von Beiträgen,<br />

die die derzeitige Meinungsvielfalt wiedergeben, die Probleme zum<br />

Teil kontrovers und provokativ sichtbar machen und die Handlungsoptionen<br />

aufgrund praktischer Erfahrungen skizzieren. Sie widerspiegeln<br />

einzig und allein die Meinung der Autoren. Unsere eigene Meinung ist in<br />

keinen dieser Beiträge eingeflossen.<br />

Um die ganze Sache für den Leser griffiger zu gestalten, haben wir den<br />

anerkannten Publizisten Medard Meier um die Umsetzung der individuellen<br />

Beiträge in die vorliegende Broschüre gebeten. Er hat zusammen mit<br />

dem Projektkoordinator Beat Leimbacher im Namen der neun Autoren<br />

die wichtigsten Aussagen der Artikel in zwölf Punkten zusammengefasst<br />

und dabei Kanten, Ecken und Widersprüche nicht abgeschliffen.<br />

Ich selber habe die Beiträge und die Zusammenfassung mit der gleichen<br />

Spannung gelesen wie hoffentlich auch Sie. Als Chef der Osec ziehe ich<br />

daraus für unsere Arbeit vorläufig folgende erste Schlüsse:<br />

– Der globale <strong>Standort</strong>wettbewerb wird härter. Die <strong>Schweiz</strong> hat nur mit<br />

einem starken und koordinierten Auftritt im Ausland Erfolg. Wirtschaft<br />

und Verwaltung müssen noch enger zusammenarbeiten. Die inhaltsstarke<br />

Marke <strong>Schweiz</strong> ist ein Trumpf.<br />

– Wir müssen die Aufgabenteilung zwischen Bund, Verbänden, Kantonen<br />

und ihren regionalen Zusammenschlüssen kritisch überprüfen.<br />

Dabei richten wir uns am Subsidiaritätsprinzip aus, legen die Verantwortlichkeiten<br />

aber verbindlich fest. Klärung suchen wir bei der Zuständigkeit<br />

für nahe und ferne Märkte und bei der Arbeitsteilung in den<br />

Bereichen Basisinformation, Marktbearbeitung, Leadbearbeitung, Angebotserstellung<br />

und Ansiedlung. All dies sollte in ein gemeinsam erarbeitetes<br />

Gentlemen’s Agreement einfliessen, das sowohl den Gesamtnutzen<br />

für die <strong>Schweiz</strong> als auch den Eigennutzen der Kantone im Auge<br />

behält. Der gesunde Wettbewerb zwischen den Kantonen soll dadurch in<br />

keiner Weise beeinträchtigt werden.<br />

OSEC<br />

10


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

– Entscheidend ist es, dass wir uns in die Position der umworbenen Investoren<br />

in den Zielländern versetzen: Sie wünschen wenige Ansprechpersonen<br />

mit breit abgestütztem Know-how, klare, gut strukturierte Angebote,<br />

schnelle und verbindliche Entscheidungsmechanismen.<br />

– Unsere <strong>Standort</strong>vorteile gilt es deutlicher herauszuarbeiten und in<br />

nationale, regionale, kantonale Argumente zu bündeln, Vorteile von Industrien<br />

und Clustern müssen wir hinzufügen. Unsere hervorragenden<br />

<strong>Standort</strong>vorteile haben wir zielmarktspezifischer einzusetzen.<br />

– Die Zielmärkte und die erfolgversprechendsten Zielfirmen sind sorgfältiger<br />

zu evaluieren, zu segmentieren und unter Mithilfe der offiziellen<br />

<strong>Schweiz</strong> zielgerichteter anzugehen. Hier könnten sich innovative Konzepte<br />

anbieten, wie zum Beispiel der Key-Account-Ansatz. Aber auch<br />

langfristige persönliche Kontakte sollten wir verstärkt einsetzen.<br />

Alles in allem geht es mir um zwei Sachen: Erstens müssen wir den Gesamtnutzen<br />

der <strong>Standort</strong>promotion für die ganze <strong>Schweiz</strong> erhöhen.<br />

Denn dadurch wächst auch der Individualnutzen für die Kantone. Dazu<br />

wird es auch notwendig sein, dass wir den «Erfolg» neu definieren. Zweitens<br />

müssen wir die potenziellen Interessenten so behandeln, wie sie es<br />

sich wünschen, und nicht so, wie unser bestehendes System es vorgibt.<br />

Meine Hoffnung ist es, dass der Bund, die Osec, die Kantone und ihre<br />

regionalen Organisationen den Dialog, den wir mit den vorliegenden Beiträgen<br />

anstossen, intensiv fortsetzen und dass wir schnell verbesserte<br />

Konzepte für die <strong>Standort</strong>promotion der <strong>Schweiz</strong> im Ausland konzipieren<br />

und umsetzen. Das vorliegende Basispapier liefert dazu genügend<br />

Gedankenanstösse.<br />

11


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

12 punkte zur <strong>Standort</strong>promotion<br />

der <strong>Schweiz</strong><br />

Positionen der neun unabhängigen Autoren.<br />

Medard Meier / Beat Leimbacher<br />

1. Aufklären Die <strong>Schweiz</strong> ist aus Sicht internationaler Unternehmen eines<br />

der attraktivsten Länder für Direktinvestitionen. Sie schätzen insbesondere<br />

die politische Stabilität sowie die Rechtssicherheit des Landes.<br />

Unternehmen, die schon in der <strong>Schweiz</strong> investiert haben, sind von<br />

Schlüsselbereichen wie Innovation, Unternehmergeist und Forschung<br />

und Entwicklung überzeugter als Unternehmen, welche noch nicht in der<br />

<strong>Schweiz</strong> tätig sind.<br />

2. Konkurrenz rückt vor Die Konkurrenz holt auf. Der globale Wettbewerb<br />

um die Ansiedlung ausländischer Unternehmen ist härter geworden,<br />

und die Ansprüche an den <strong>Standort</strong> wachsen schnell. Traditionell<br />

vorteilhafte <strong>Standort</strong>faktoren allein genügen nicht mehr. Sie müssen<br />

durch konsequente <strong>Standort</strong>promotionen auch gezielt und fokussiert<br />

vermarktet werden. Welches die jeweils relevanten <strong>Standort</strong>faktoren<br />

sind und wie sie in den Zielländern wahrgenommen werden, gilt es laufend<br />

zu überprüfen und länderspezifisch anzupassen. Die Handlungsstrategien<br />

verändern sich entsprechend.<br />

3. Visionen entwickeln Internationale Konzerne haben für die <strong>Schweiz</strong><br />

grosse Bedeutung. Deshalb braucht es einen gemeinsamen Willen, die<br />

<strong>Standort</strong>vorteile stetig zu verbessern. Gleichzeitig ist ein starker und<br />

koordinierter Auftritt im Ausland notwendig. Wirtschaft und Verwaltung<br />

müssen Zukunftsstrategien entwickeln, welche die Politik mittels Rahmenbedingungen<br />

gestaltend umsetzt. Dabei gilt es Fragen zu beantworten<br />

wie: Für welche Interessen wollen wir uns gemeinsam einsetzen?<br />

Wofür soll die <strong>Schweiz</strong> in wirtschaftlicher Hinsicht stehen – weiterhin<br />

für ein Land mit höchster Wertschöpfung pro Arbeitsplatz und höchstem<br />

Lebensstandard? 13


12 pUNKTE ZUR STANDORTpROMOTION DER SCHWEIZ<br />

4. Landeswerbung optimieren Die Koordination der Landeswerbung<br />

sollte, wie schon die Aussenwirtschaftsförderung, weiter optimiert werden.<br />

Der bundesrätliche Gesetzesentwurf dazu weist den Weg. Dazu<br />

stehen ein koordinierter Auftritt und ein koordiniertes Vorgehen von der<br />

Osec, Präsenz <strong>Schweiz</strong> und <strong>Schweiz</strong> Tourismus im Vordergrund. Nur so<br />

wird die <strong>Schweiz</strong> im Ausland wirklich sichtbar. Entscheidend ist auch<br />

hier eine gemeinsame Vision unter den Beteiligten.<br />

5. Mitteleinsatz bündeln Mit einem Budget von 30 Millionen Franken<br />

für die <strong>Standort</strong>promotion liegt die <strong>Schweiz</strong> relativ zum Bruttoinlandprodukt<br />

auf der Höhe vergleichbarer Länder wie Österreich und Schweden.<br />

Bedingt durch die föderalistische Struktur des Landes werden die Mittel<br />

jedoch zersplittert und von Bund, Kantonen und Gemeinden zu wenig<br />

koordiniert eingesetzt. Dadurch werden Chancen verpasst. Das Resultat<br />

sind Doppelspurigkeiten und ein Auftritt, der bezüglich Konsistenz und<br />

Kundenorientierung noch verbessert werden kann.<br />

6. Mit «Gentlemen’s Agreement» unter den Promotoren agieren Beträchtliches<br />

Verbesserungspotenzial lässt sich mit einer Aufgabenteilung<br />

zwischen Bund und Kantonen gezielter ausschöpfen, z.B. dadurch,<br />

dass nationale <strong>Standort</strong>faktoren zentral und einheitlich durch den<br />

Bund und seine Organisationen, die regionalen aber durch die Kantone<br />

vermarktet werden. Denkbar wäre auch, dass der Bund und seine<br />

Institutionen die fernen Zielmärkte bearbeiten und die Kantone die nahen<br />

europäischen Märkte. Deutschland hat erfolgreich vorgemacht,<br />

dass es auch in einer föderalistischen Struktur möglich ist, über ein<br />

«Gentlemen’s Agreement» eine verbesserte Koordination und Kooperation<br />

unter den <strong>Standort</strong>promotoren des Landes zu erreichen. Dies<br />

würde den Nutzen für die gesamte <strong>Schweiz</strong> und die einzelnen Kantone<br />

erhöhen.<br />

7. Zielmärkte neu definieren Nur wer in den richtigen Ländern präsent<br />

ist, kann seinen <strong>Standort</strong> effizient und erfolgreich vermarkten. Dazu<br />

braucht es eine längerfristige Potenzialanalyse möglicher Zielmärkte,<br />

welche die Bedürfnisse der <strong>Schweiz</strong> spezifisch berücksichtigt. Daraus<br />

leitet sich eine Strategie ab, die diejenigen Zielländer identifiziert, auf<br />

OSEC<br />

14


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

die sich die <strong>Standort</strong>promotion frühzeitig fokussieren soll. Im Zentrum<br />

sollten neben den traditionell wichtigen Herkunftsländern aufgrund ihrer<br />

Wachstumsperspektiven vor allem die Schwellenländer – insbesondere<br />

die BRIC-Staaten – stehen.<br />

8. Auf Spitzenunternehmen abzielen Die Branchenauswahl muss breit<br />

angelegt sein und die Rahmenbedingungen eine positive Entwicklung aller<br />

Branchen zulassen. Die stärksten Unternehmen – die relativen Gewinner<br />

einer Branche – gilt es dann in den Zielländern zu identifizieren<br />

und frühzeitig anzusprechen. Verfolgt man in erster Linie einen Cluster-<br />

Ansatz, verstärkt man zwar das Chancenpotenzial für Zielfirmen, handelt<br />

sich jedoch die Gefahr eines volkswirtschaftlichen Klumpenrisikos ein.<br />

9. «Human Touch», Erfahrung und Geschwindigkeit einsetzen Die identifizierten<br />

Unternehmen, die in Europa investieren möchten, sind rechtzeitig<br />

und proaktiv anzusprechen. Obwohl teurer, dürfte dieser Ansatz<br />

die Erfolgsquote der Ansiedlungen deutlich verbessern und sich über die<br />

erwarteten Beiträge zum BIP bestens refinanzieren. Je nach Potential<br />

unterscheidet man High, Mid und Low Value Clients. Das oberste Segment<br />

verlangt ein Key-Account-Management, das möglichst den gesamten<br />

Ansiedlungsprozess begleitet und damit eine Zielfirma auf dem ganzen<br />

Weg aus einer Hand betreut. Hier sind Geschwindigkeit und «Human<br />

Touch» für den Erfolg zentral. Mid-Value-Kunden werden branchenspezifisch<br />

betreut. Das unterste Segment versorgt sich über leicht zugängliche<br />

Informationssysteme selbst.<br />

10. Rechtsvorteile In der <strong>Schweiz</strong> ist nicht die Marktgrösse ausschlaggebender<br />

Faktor für Direktinvestitionen. Deshalb sind attraktive rechtliche<br />

Rahmenbedingungen zentral. Die Grundlage dafür ist unser flexibles<br />

Gesellschaftsrecht, das in der Anwendung pragmatisch ist und gleichzeitig<br />

allen Beteiligten Rechtsschutz und Rechtssicherheit bietet. Zudem<br />

ist es entscheidend, dass der Wettbewerbsvorteil im Arbeitsrecht<br />

gewahrt bleibt. Die <strong>Schweiz</strong> ist in diesen Bereichen weitestgehend frei<br />

von internationalen Rechtszwängen. Diese Gestaltungshoheit zugunsten<br />

des <strong>Standort</strong>es sollte unbedingt ausgeschöpft werden. Gleichermassen<br />

wichtig sind die liberale Anwendung von Arbeits- und Aufenthalts-<br />

15


12 pUNKTE ZUR STANDORTpROMOTION DER SCHWEIZ<br />

bewilligungen innerhalb der bestehenden Rechtsordnung sowie fortschrittliche<br />

Forschungsbedingungen.<br />

11. Steuerpolitik Im internationalen Steuerwettbewerb ist die <strong>Schweiz</strong><br />

noch gut positioniert. Doch der Anpassungsdruck steigt. Die Einführung<br />

neuer Steuermodelle beziehungsweise die Adaptation bewährter ausländischer<br />

Modelle könnte ein Weg sein, die <strong>Schweiz</strong> noch stabiler zu<br />

positionieren. Denkbar ist der Einsatz gezielter Steueranreize, die die<br />

<strong>Schweiz</strong> bei Konzernfunktionen mit hoher Wertschöpfung attraktiv machen.<br />

Vorsicht ist geboten, den Trend zur generellen Steuersatzsenkung<br />

fortzuschreiben. Eine Alternative könnte sein, dass sich die <strong>Schweiz</strong> auf<br />

international anerkannte Privilegien und Ausnahmen von Bemessungsgrundlagen<br />

abstützt, wie dies die Niederlande und Luxemburg vormachen.<br />

Steuerliche Massnahmen greifen nur, wenn sie sorgfältig in die<br />

weiteren <strong>Standort</strong>vorteile der <strong>Schweiz</strong> eingebettet sind.<br />

12. Bildungsexzellenz Eine der tragenden Säulen für den <strong>Standort</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> ist und bleibt die Qualität der Ausbildung. Dies betrifft sowohl<br />

die tertiäre Bildung wie auch die Berufsbildung und ihre nachgelagerten<br />

Bildungsgänge. Ebenso zentral ist jedoch der Mut zur Exzellenzförderung,<br />

die eine bewusste Ungleichbehandlung und Differenzierung der<br />

Hochschulen zulässt. Nur so bleibt das Land im globalen Wettbewerb um<br />

Talente und um ansiedlungswillige Unternehmen, die mit Hochschulen<br />

zusammenspannen möchten, längerfristig konkurrenzfähig.<br />

OSEC<br />

16


MARKT UND STRATEGIE


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Wie der Ansiedlungsprozess<br />

zu organisieren ist<br />

Die <strong>Schweiz</strong> zählt zu den attraktivsten Ländern der Welt – als Lebensraum für<br />

Individuen und als <strong>Standort</strong> für Unternehmen. In Zeiten des Umbruchs, wie wir<br />

sie derzeit erleben, ergibt sich die Chance, diese Stellung weiter zu stärken.<br />

Dies wird dann am besten gelingen, wenn die involvierten Akteure mit einer gemeinsamen<br />

Vision und einer darauf basierenden <strong>Standort</strong>strategie agieren. Eine<br />

zentrale Rolle kommt dabei dem Ansiedlungsprozess zu. Im vorliegenden Text<br />

werden die Bausteine einer erfolgreichen Ansiedlungsstrategie beleuchtet. Die<br />

Beobachtungen basieren auf der Erfahrung als beratender Begleiter vieler Ansiedlungen,<br />

ihnen kommt insofern empirischer Charakter zu.<br />

Markus Neuhaus / Christina Kunz, PricewaterhouseCoopers<br />

Alle Zeichen deuten darauf hin, dass sich die internationale Wirtschaft und<br />

Politik in einer Phase des Umbruchs und der Kräfteverlagerungen befinden.<br />

Auch im internationalen <strong>Standort</strong>wettbewerb werden die Karten neu<br />

gemischt. Die Unternehmen überdenken ihre <strong>Standort</strong>politik regelmässig<br />

und die Anforderungen an einen <strong>Standort</strong> wachsen immer schneller,<br />

was höhere Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit beziehungsweise<br />

an die Entwicklungsfähigkeit eines <strong>Standort</strong>es stellt. Die Krise heizt den<br />

Konzentrationsprozess weiter an, in dem nur die «Fittesten» überleben.<br />

Generell gilt, dass der globale <strong>Standort</strong>wettbewerb härter geworden ist.<br />

Angesichts der grossen Bedeutung der international tätigen Konzerne<br />

für das Land muss die <strong>Schweiz</strong> ihre <strong>Standort</strong>vorteile stetig weiter ausbauen.<br />

Sie braucht einen starken<br />

und koordinierten Auftritt Für eine <strong>Schweiz</strong> mit der höchsten Wert-<br />

im Ausland. Wirtschaft und schöpfung pro Kopf, die in zukunfts-<br />

Verwaltung müssen gemeinsam weisenden Industriesektoren führend ist.<br />

Zukunftsstrategien entwickeln,<br />

welche von der Politik mittels Rahmenbedingungen gestaltend umgesetzt<br />

werden. Dazu braucht es vermehrt gemeinsame Strategieüberlegungen.<br />

Für welche Interessen will man sich gemeinsam einsetzen? 19


WIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST<br />

Für welches Bild der <strong>Schweiz</strong>? Zum Beispiel für eine <strong>Schweiz</strong> mit der<br />

höchsten Wertschöpfung pro Kopf, die in zukunftsweisenden Industriesektoren<br />

führend ist, für eine <strong>Schweiz</strong>, die in Bildung, Forschung, Umsetzung<br />

und Vermarktung integriert Spitzenleistungen erbringt, für eine<br />

<strong>Schweiz</strong>, die sich den Veränderungen laufend anpasst, für eine <strong>Schweiz</strong><br />

mit dem höchsten Lebensstandard.<br />

Zentrale Inhalte einer Ansiedlungsstrategie umfassen die <strong>Standort</strong>promotion<br />

im Ausland für die <strong>Schweiz</strong>, die stete Verbesserung der <strong>Standort</strong>attraktivität<br />

der <strong>Schweiz</strong> und die konkrete Abwicklung von Ansiedlungen<br />

von Unternehmen und/oder Talenten. Diese drei Bausteine werden<br />

im Folgenden beleuchtet.<br />

pRICEWATERHOUSECOOpERS<br />

Ziel der <strong>Standort</strong>promotion im Ausland ist es, den Wirtschaftsstandort<br />

<strong>Schweiz</strong> mit seinen Stärken zu vermarkten und dadurch Firmenansiedlungen<br />

zu fördern. Seit dem 1. Januar 2008 liegt die operative Verantwortung<br />

für die <strong>Standort</strong>promotion des Bundes beim privatrechtlichen Verein<br />

Osec <strong>Business</strong> Network <strong>Switzerland</strong>. In der Leistungsvereinbarung<br />

zwischen der Osec und dem Seco für die Periode 2008 bis 2011 ist unter<br />

anderem festgehalten, dass Bund und Kantone ihre Promotionsmassnahmen<br />

gegenseitig abzustimmen<br />

haben. Unter der Ägide von Die Abstimmung zwischen den verschie-<br />

LOCATION <strong>Schweiz</strong> (Vorgänger denen <strong>Standort</strong>promotoren bleibt ein<br />

der Osec in der <strong>Standort</strong>promo- Knackpunkt, Einzelaktionen und Doppel-<br />

tion) hat sich der Koordinations- spurigkeiten sind noch immer Realität.<br />

stand zwischen Bund, Kantonen<br />

und Partnern aus dem Privatsektor stark weiterentwickelt, beispielsweise<br />

durch Schaffung von Programmpartnerschaften in allen Zielmärkten.<br />

Dennoch bleibt die Abstimmung zwischen den verschiedenen <strong>Standort</strong>promotoren<br />

– gemäss Feedback von aussen und innen – ein Knackpunkt,<br />

Einzelaktionen und Doppelspurigkeiten in der Marktbearbeitung<br />

sind noch immer Realität. Wünschenswert ist auch, dass die <strong>Standort</strong>promotion<br />

verstärkt interkantonal abgesprochen wird. Erfreulich ist in<br />

diesem Sinne der am 19. Juni 2008 gefasste Beschluss der Konferenz<br />

kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren zur verstärkten Koordination der<br />

Promotionsaktivitäten des Bundes und der Kantone.<br />

20


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Mit der Zusammenlegung der vom Bund gestützten <strong>Standort</strong>promotion,<br />

Exportförderung, Importförderung aus Entwicklungsländern sowie der<br />

Förderung der Investition in Entwicklungsländer in ein Haus der Aussenwirtschaft<br />

(Osec) wurde ein wichtiger Schritt Richtung verbesserter<br />

Koordination der Aussenwirtschaftsförderung getan. Dringend zu prüfen<br />

wäre auch die Schaffung einer bereichs- und departementsübergreifenden<br />

Organisation der Landeswerbung, allenfalls die Zusammenlegung<br />

des Hauses für Aussenwirtschaft mit Präsenz <strong>Schweiz</strong> und <strong>Schweiz</strong><br />

Tourismus, wie im bundesrätlichen Entwurf des Bundesgesetzes über<br />

die schweizerische Landeswerbung vorgeschlagen. Diese Institutionen<br />

arbeiten bereits heute projekt- und fallweise zusammen. Mit einer stärkeren<br />

Integration könnte der Auftritt der <strong>Schweiz</strong> im Ausland, basierend<br />

auf einer umfassenden Kommunikationsstrategie, noch wesentlich wirksamer<br />

werden. Und auch hier gilt: Voraussetzung für eine erfolgreiche<br />

Positionierung und koordinierte Kommunikation ist eine gemeinsame<br />

Vision der involvierten Akteure.<br />

Es muss klar entschieden werden, welche Botschaften wo und wie eingesetzt<br />

werden: die Botschaft des Tourismus unterscheidet sich von<br />

jener des Finanzplatzes oder des Technologiestandortes oder des Forschungs-<br />

und Bildungsstandortes. In koordinierter Form sollen die jeweiligen<br />

«Botschafter», welche die stärkste Legitimation auf sich vereinen,<br />

nach aussen auftreten, nicht unkoordiniert gegeneinander oder nacheinander.<br />

Entscheidend ist, dass die Vermarktung eines gewissen Themas<br />

durch den Stärksten erfolgt, also durch die Institution oder den <strong>Standort</strong>,<br />

welcher von aussen als stark und attraktiv wahrgenommen wird, sei<br />

dies der Bund, eine Region, ein Kanton, eine Stadt oder ein Industriecluster,<br />

oder durch mehrere dieser Stellen gemeinsam, koordiniert und mit<br />

einer Botschaft. Es macht keinen Sinn, dass sich schwache Institutionen<br />

oder <strong>Standort</strong>e einzeln nach aussen vermarkten. Regionale Verteilfragen<br />

sind <strong>Schweiz</strong>-intern zu lösen. Dabei gibt es für alle zu vermarktenden<br />

Bereiche gewisse Spezialthemen, für welche die <strong>Schweiz</strong> aufgrund<br />

ihrer Stärken steht, und diese Stärken sind konsistent zu kommunizieren.<br />

Grundlage dazu muss eine von Wirtschaft und Verwaltung gemeinsam<br />

getragene Strategie sein, welche auf die treibenden Sektoren und<br />

Elemente der Wertschöpfungskette ausgerichtet ist. Diesbezüglich soll<br />

21


WIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST<br />

der Bund die Koordination der öffentlichen Stellen übernehmen. Die Vermarktung<br />

soll überdies eine Gemeinschaftsaufgabe von Wirtschaft und<br />

Verwaltung sein. Die <strong>Schweiz</strong> muss zu ihren starken Marken stehen und<br />

diese in den Vordergrund stellen. Die <strong>Standort</strong>strategie muss nach aussen<br />

klar wirtschaftlich ausgerichtet sein. Entsprechend ist der Ansiedlungsprozess<br />

auch zu gestalten.<br />

Ebenfalls zur Prüfung empfehlen sich die Bundesausgaben im Bereich<br />

Landeswerbung. Die Tourismusbranche trägt, gemäss Zahlen des «Travel<br />

& Competitiveness Report 2007» des WEF, 6,2 Prozent zum BIP bei.<br />

Gemäss Schätzungen im Rahmen einer gemeinsamen Studie der Swiss-<br />

American Chamber of Commerce und der Boston Consulting Group<br />

erwirtschaften multinationale Unternehmen rund einen Drittel des<br />

<strong>Schweiz</strong>er BIP. Während sich die Finanzhilfe des Bundes für <strong>Schweiz</strong> Tourismus<br />

für die Periode 2008 bis 2011 auf 186 Millionen Franken beläuft,<br />

werden für die Förderung der Information über den Unternehmensstandort<br />

<strong>Schweiz</strong> für dieselbe Periode 13,6 Millionen Franken gesprochen. Hier<br />

ist allenfalls eine Anpassung nötig.<br />

Untrennbar mit der Landeskommunikation der <strong>Schweiz</strong> verbunden ist<br />

schliesslich auch die Aussenpolitik. Generell gilt, dass es ein mutiges<br />

Auftreten der <strong>Schweiz</strong> braucht, um die berechtigten eigenen <strong>Standort</strong>interessen<br />

durchzusetzen und zu verteidigen. Es muss vermieden werden,<br />

dass andere Staaten diskriminierende Massnahmen gegenüber<br />

der <strong>Schweiz</strong> treffen oder gar Retorsionsmassnahmen gegen die von der<br />

<strong>Schweiz</strong> praktizierte <strong>Standort</strong>politik eingeleitet werden. Solche negativen<br />

Trends sind teilweise bereits Realität, und es besteht ein erhebliches<br />

Risiko, dass sie sich weiter verstärken. Es ist aber auch die Aufgabe der<br />

Wirtschaftsakteure, zu vermeiden, dass sie durch eigenes Verhalten im<br />

Ausland Anlass zu negativen Massnahmen geben.<br />

Die konkrete Ansiedlung neuer Unternehmen ist seit je Aufgabe der<br />

Kantone, im Gegensatz zur <strong>Standort</strong>promotion, die zu wesentlichen Teilen<br />

beim Bund angesiedelt ist. Für staatliche Institutionen drängt sich<br />

im Bereich des Ansiedlungsprozesses eine Art «Generalunternehmermodell»<br />

auf, eine zentrale Stelle, die den Ansiedlungsprozess führt, im<br />

pRICEWATERHOUSECOOpERS<br />

22


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Sinne eines One-Stop-Shop-Prinzips. Diese Stelle ist nicht der Bund. Die<br />

heutigen Überlappungen von Regionen, Kantonen und Städten sollten<br />

reduziert, wenn nicht gar besei-<br />

tigt werden. Sie sind teuer und<br />

verwirren. Diese zentrale Stelle<br />

soll die hoheitlichen Bewilligungsverfahren<br />

aktiv begleiten<br />

und zu Entscheiden führen oder<br />

Die heutigen Überlappungen von Regionen,<br />

Kantonen und Städten sollten redu-<br />

ziert oder beseitigt werden. Sie sind teuer<br />

und verwirren.<br />

gewisse Entscheidungskompetenz übertragen erhalten. Wo diese zentrale<br />

Stelle nicht selber entscheiden kann, soll sie gemäss dem Prinzip<br />

der Unmittelbarkeit Zuzüger mit den kompetenten Stellen direkt zusammenführen<br />

und den Dialog begleiten.<br />

Öffentliche Ansiedlungsstellen sollen nicht zu Consulting-Firmen mutieren.<br />

Vielmehr ist zu verschiedenen Fragen, sei dies in rechtlichen Belangen<br />

oder zu Infrastrukturfragen, eng mit den dafür spezialisierten privaten<br />

Beratern zusammenzuarbeiten, um die Bewilligungen oder Rechtsauskünfte<br />

einzuholen und die notwendigen Strukturen aufzubauen.<br />

In der Praxis zeigt sich, dass sich öffentliche Stellen anderer Stand-<br />

orte oft sichtbar stärker um die Ansiedlung neuer Internehmen bemühen<br />

als in der <strong>Schweiz</strong> und dies mit Einsatz hochkarätiger Ressourcen<br />

tun. «Es wird der rote Teppich ausgerollt», und der Ansiedlungsprozess<br />

wird zur «Minister-Angelegenheit» erklärt, nicht zur Beamtensache. Ansiedlungsverfahren<br />

sollten auch in der <strong>Schweiz</strong> Chefsache sein. Dabei<br />

muss der Chef nicht alles selber tun. Im <strong>Standort</strong>wettbewerb macht die<br />

Präsenz eines hochrangigen Regierungsvertreters jedoch einen wesentlichen<br />

Unterschied aus. Dies ist keine Herabsetzung der Kompetenz und<br />

Tätigkeit der Beamten. Die Wahrnehmung von aussen ist jedoch erfahrungsgemäss<br />

eine ganz andere, wenn sich der Chef interessiert zeigt.<br />

Überdies beeinflusst das oft auch die Motivation der Sachbearbeiter,<br />

rasch die bestmögliche Lösung zu finden, und das Verständnis für die<br />

Bedeutung einer spezifischen Ansiedlung.<br />

Entscheidend im Rahmen einer Ansiedlung ist, dass rasch verbindlich ei-<br />

ne Lösung gefunden wird – langfristig. Praxisänderungen mit negativem<br />

23


WIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST<br />

Einfluss auf einst erteilte Auskünfte und Bewilligungen sind ausserordentlich<br />

schädlich. Oft soll das bereits in einer frühen Phase in der Form<br />

eines Letter of Intent erfolgen, selbst auf abstrakter Basis (im Wissen,<br />

dass dies dann bloss den Charakter einer Absichtserklärung hat und<br />

nicht eine verbindliche Rechtsauskunft darstellt). Ein Letter of Intent<br />

gibt Planungssicherheit, was für die erfolgreiche Attraktion eines Unternehmens<br />

wichtig ist.<br />

Die zwischenmenschliche Dimension erweist sich im Ansiedlungsprozess<br />

als ebenso zentral wie die inhaltliche Abwicklung. Es muss früh<br />

vermittelt werden, dass mit den zentralen Stellen, welche eine Ansiedlung<br />

unterstützen, ein «Easy to<br />

work with»-Modus möglich ist.<br />

Die für die Ansiedlung zuständigen<br />

Stellen müssen nach dem<br />

«Can do»- oder «Yes, we can»-<br />

oder «Wir machen es möglich»-<br />

pRICEWATERHOUSECOOpERS<br />

Die für die Ansiedlung zuständigen Stellen<br />

müssen nach dem «Can do»- oder<br />

«Yes, we can»- oder «Wir machen es möglich»-<br />

Prinzip arbeiten.<br />

Prinzip arbeiten und von den relevanten Verwaltungsstellen mit gleicher<br />

Einstellung unterstützt werden. Es sollten auch Anreize geschaffen werden,<br />

damit diese Stellen möglichst viele Firmen anziehen, auch über entsprechende<br />

Entschädigung. Damit den Bedürfnissen von potenziellen<br />

Ansiedlern bestmöglich entsprochen werden kann, muss Wissen über<br />

die Bedürfnisse der potenziellen Kunden aufgebaut werden. Wichtig ist<br />

der Aufbau von Beziehungen zu Schlüsselpersonen in Firmen. Man muss<br />

Kontakte suchen und pflegen, denn – entgegen der Theorie des Homo<br />

oeconomicus – werden Entscheidungen auch in der Wirtschaft meist aufeiner<br />

Vertrauensbasis getroffen. Und: Beziehungspflege darf nach erfolgreicher<br />

Ansiedlung nicht aufhören. Es muss früh aufgezeigt werden, dass<br />

der Kunde auch nach erfolgter Ansiedlung nicht «alleine» gelassen wird<br />

und eine langfristige Ansiedlungsstrategie verfolgt wird, und das Versprochene<br />

ist zu halten, der <strong>Standort</strong> hat kundenfreundlich zu bleiben.<br />

Während es die primäre Verantwortung der Wirtschaft ist, in den führenden<br />

Industrien heute und in Zukunft erfolgreich zu agieren, kommt der Politik<br />

die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen und das positive politische<br />

Klima zu schaffen, welches die heutigen wirtschaftlichen Tätigkeiten<br />

24


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

optimal unterstützt, zukunftsgerichtete Entwicklungen fördert und damit<br />

die <strong>Standort</strong>attraktivität der <strong>Schweiz</strong> verbessert. Dies ist das dritte<br />

Kernelement der <strong>Standort</strong>politik.<br />

Entscheidungen in der <strong>Standort</strong>wahl basieren letztlich auf subjektiven<br />

Erwägungen. Entscheidungsrelevante Faktoren, die im Folgenden<br />

diskutiert werden, sind Bewilligungsfragen, Infrastrukturfragen, das<br />

persönliche Umfeld und die (steuer)rechtlichen Rahmenbedingungen.<br />

Der Ansiedlungsprozess muss einerseits darauf ausgerichtet sein, Unternehmen<br />

mit ihren Arbeitskräften/Talenten anzuziehen. Andererseits<br />

geht es in verschiedenen Branchen und gerade im Forschungsbereich<br />

darum, einzelne Spitzenkräfte in die <strong>Schweiz</strong> zu ziehen. Auch dies muss<br />

der Ansiedlungsprozess unterstützten. Der Zuzug aus dem EU-Raum<br />

verläuft mittlerweile reibungslos, was lobenswert und für viele Branchen<br />

entscheidend ist. Zuzüge aus anderen Regionen der Welt sind aber<br />

nach wie vor aus verschiedenen Gründen schwierig. Die USA sind gerade<br />

mit Blick auf Ansiedlungen ein Land von zentraler Bedeutung, die Praxis<br />

zu Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen<br />

entspricht dieser Wir wollen hochqualifizierte Arbeits-<br />

Bedeutung nicht. Noch schwie- kräfte, welche die <strong>Schweiz</strong> weiterbringen<br />

riger ist die Lage in Bezug auf können. Dabei gilt es auch die Lebens-<br />

Zuzüger aus Asien. Berücksich- bedürfnisse der Zuzüger zu berücksichtigen.<br />

tigt man, dass Asien stark an<br />

Bedeutung gewinnen wird, auch für den Wirtschaftsstandort <strong>Schweiz</strong><br />

und für die Frage der Ansiedlung von unternehmerischen Tätigkeiten, so<br />

kann sich diese Immigrationsproblematik als fatal erweisen, mit langfristig<br />

grossem volkswirtschaftlichem Schadenspotenzial.<br />

Bezüglich Immigrationsfragen muss die Politik auf die globalen Trends<br />

ausgerichtet werden und gleichzeitig die Vision im Auge behalten. Wir<br />

wollen hochqualifizierte Arbeitskräfte, welche die <strong>Schweiz</strong> weiterbringen<br />

können. Dabei gilt es, auch die Lebensbedürfnisse der Zuzüger zu<br />

berücksichtigen. Es geht üblicherweise nicht nur um die Aufenthalts-<br />

und Arbeitsbewilligung für eine Person, sondern für eine ganze Familie,<br />

allenfalls inklusive Hausangestellte. Letztere stammen oft aus anderen<br />

25


WIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST<br />

Regionen als die «Hauptzuzüger». Dies führt derzeit in der <strong>Schweiz</strong> zu<br />

fast unlösbaren Komplikationen, was ein wesentlicher <strong>Standort</strong>nachteil<br />

ist. Ein Lösungsansatz wäre, dass Hausangestellte unabhängig von ihrer<br />

Nationalität mit ihren Arbeitgebern zuziehen können. Verbesserungs-<br />

potential bezüglich Immigrati-<br />

onsfragen ist auch in der zeit-<br />

lichen Dimension des Prozesses<br />

auszumachen. Die Erfahrung<br />

zeigt, dass Verfahren in<br />

der <strong>Schweiz</strong>, verglichen mit an-<br />

Bewilligungsverfahren werden in der<br />

<strong>Schweiz</strong> im Rahmen von Ansied-<br />

lungen generell als schwerfällig und<br />

langwierig bezeichnet.<br />

deren <strong>Standort</strong>en, länger dauern. Ein konkretes Beispiel soll das verdeutlichen:<br />

das Einholen einer Arbeitsbewilligung für eine Japanerin, welche<br />

zur Betreuung japanischer Kunden eingesetzt werden sollte, dauerte in<br />

Deutschland zwei Tage, in der <strong>Schweiz</strong> zwei Monate.<br />

Bewilligungsverfahren werden in der <strong>Schweiz</strong> im Rahmen von Ansiedlungen<br />

generell als schwerfällig und langwierig bezeichnet. Hier besteht<br />

dringender Handlungsbedarf. Das Generalunternehmermodell, wie oben<br />

beschrieben, eignet sich dazu, die Abwicklungszeit zu verkürzen und damit<br />

die <strong>Schweiz</strong> attraktiver zu machen. Vergleichbare Modelle werden in<br />

anderen Staaten wie z.B. Irland oder Singapur bereits sehr erfolgreich<br />

angewendet.<br />

Infrastrukturfragen erweisen sich im Ansiedlungsprozess regelmässig<br />

als problematisch. Jede zuziehende Gesellschaft braucht Raum<br />

oder Land zwecks Erstellung eines neuen Gebäudes. Dabei ist die Unterstützung<br />

durch die amtlichen Förderstellen wichtig. Entscheidend<br />

ist, dass diese Stellen über relevante Marktinformationen verfügen und<br />

die rasche Vernetzung mit professionellen Anbietern sicherstellen können.<br />

Marktzugang ist ein entscheidender <strong>Standort</strong>faktor. Dabei ist der<br />

Begriff «Markt» weit zu verstehen und umfasst neben Kunden- oder Absatzmarkt<br />

auch Inputfaktoren wie etwa den Zugang zu Forschung und<br />

Entwicklung, zu Wertschöpfungsketten, zu Infrastruktur. In diesem Zusammenhang<br />

ist auf die immer grösser werdende Bedeutung sogenannter<br />

«Clusters» oder «Ecosystems» hinzuweisen. Entsprechend ist die<br />

Raumentwicklung auf Clusterbildung auszurichten.<br />

pRICEWATERHOUSECOOpERS<br />

26


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Baubewilligungen sind nicht nur für <strong>Schweiz</strong>er oft mühselig, das wird<br />

auch von ansiedlungswilligen Firmen so wahrgenommen. Eine rasche,<br />

frühe Klärung der Machbarkeit eines Projektes ist entscheidend.<br />

Von ebenso grosser Bedeutung ist die Verfügbarkeit von Wohnraum für<br />

die Angestellten. Dies ist auch im Zusammenhang mit regionaler Raumentwicklung<br />

zu berücksichtigen. Dabei stellen sich auch interkantonale<br />

Fragen beim Auseinanderfallen des Arbeits- und Wohnkantons, was einerseits<br />

zu Komplikationen im Bewilligungsprozess führt und andererseits<br />

zu Zeitverzögerungen. Eine vereinfachte interkantonale Abstimmung<br />

ist notwendig.<br />

Das zu erwartende persönliche Umfeld ist bei jeder <strong>Standort</strong>evaluation<br />

von entscheidender Bedeutung. Familien müssen sich wohl fühlen und<br />

müssen diejenige Infrastruktur vorfinden, welche sie benötigen. Ausserdem<br />

braucht es auch ein Klima der interkulturellen Offenheit. Von höchster<br />

Bedeutung sind internationale Schulen. Davon gibt es in der <strong>Schweiz</strong><br />

viel zu wenige. Da die öffentlichen Schulen die Bedürfnisse von «mobilen»<br />

Familien nicht genügend abdecken können, werden internationale<br />

Schulen oft privat errichtet und betrieben. Es darf nicht aus politischer<br />

Ideologie gegen private Schulen gemauert werden. Ergo soll der Staat die<br />

Errichtung privater internationaler Schulen fördern. Dies soll auch über<br />

Institutionen wie die Erziehungsdirektorenkonferenz geschehen. Überdies<br />

braucht es verbesserte Rahmenbedingungen für Kinderbetreuung.<br />

Aus rechtlicher Perspektive gilt es, in Ansiedlungsfragen zu beachten,<br />

dass keine restriktive und kleinliche Rechtsanwendung erfolgen soll.<br />

Man muss nicht immer Musterknabe sein. Selbstverständlich gelten dieselben<br />

Rechtsprinzipen bei Ansiedlungen wie anderswo. Das Recht darf<br />

aber sehr wohl als standortpolitischer Faktor eingesetzt werden. Eine<br />

Auslegung und Anwendung im Sinne einer offenen, flexiblen, vorwärtsgerichteten,<br />

anpassungswilligen und -fähigen Wirtschaftspolitik macht<br />

uns international attraktiv und hält dem Rechtsgleichheitsgebot stand.<br />

Neuzuzüge sind zum Vorteil aller. Dies gilt insbesondere bei der Gewährung<br />

des Status als gemischte Gesellschaft oder als Holdinggesellschaft<br />

oder speziell bei Prinzipaltätigkeiten oder Finanzaktivitäten.<br />

27


WIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST<br />

Die Steuerfolgen für Unternehmen und Mitarbeiter spielen bei der Ansiedlung<br />

eine wichtige Rolle. Auch hier gilt: ein grosszügigeres Regime<br />

in Bezug auf steuerlich abzugsfähige Berufskosten ist wichtig. Oft tragen<br />

Zahlungen im Zusammenhang mit Zuzügen gar keinen Einkommens-<br />

charakter, sondern sind von vornherein reiner Kostenersatz, und trotzdem<br />

werden sie besteuert. Entsprechend braucht es eine Neudefinition<br />

oder pragmatische Anwendung der Regeln zur Einkommens- und Berufskostendefinition<br />

und nicht eine akribische Suche nach möglicherweise<br />

auch noch steuerbaren Nebenleistungen. Aufgrund der oft praktizierten<br />

«Nettolohn-Methode» reduziert die Besteuerung solcher Leistungen<br />

nämlich nicht das beim Steuerpflichtigen verfügbare Einkommen, sondern<br />

erhöht bloss die Kosten beim Arbeitgeber. Diese höheren Kosten<br />

können den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> unattraktiv machen. Die Emissionsab-<br />

gabe verhindert oder erschwert gewisse Ansiedlungen, die Umsatzab-<br />

gabe macht die <strong>Schweiz</strong> für gewisse Tätigkeiten gänzlich unattraktiv.<br />

Politisch gefärbte Diskussionen zu Steuerthemen schrecken ab.<br />

Generell gilt es zu vermerken, dass der Prozess für Bundessteuererleichterungen<br />

zu kompliziert und zeitraubend ist und in der heute regional<br />

stark eingeschränkten Praxis zu geringe Bedeutung hat. Ansiedlungsprojekte<br />

sollten in den Händen weniger Steuerbeamter (auf Stufe Bund<br />

und Kanton) konzentriert werden, welche damit eine hohe Fachkompetenz<br />

und Erfahrung in den relevanten Fragen erwerben, was auch den<br />

Entscheidrhythmus erhöht.<br />

Zu vermeiden sind selbstredend Rechtsentwicklungen über Auslegung<br />

oder Gesetzgebung, welche den auf Offenheit und Dynamik ausgerichteten<br />

Wirtschaftsstandort abschotten oder zurückhalten oder Flexibilität<br />

in den rechtlichen Rahmenbedingungen reduzieren. Ein derart offen<br />

gestalteter <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong>, kombiniert mit einem effizienten Ansiedlungsprozess,<br />

vermarktet durch eine effektive <strong>Standort</strong>promotion, alles<br />

basierend auf der Vision einer führenden <strong>Schweiz</strong>, die sich immer wieder<br />

neue Erfolgspositionen aufbaut, dient dem Wohle von uns allen.<br />

pRICEWATERHOUSECOOpERS<br />

28


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

In Kürze<br />

Die <strong>Schweiz</strong> ist – als Lebensraum für Individuen und als<br />

<strong>Standort</strong> für Unternehmen – eines der attraktivsten Länder<br />

der Welt. Umbruchzeiten wie die gegenwärtige bieten<br />

die Chance, diese Position zu stärken – wenn die <strong>Schweiz</strong><br />

eine konsistente <strong>Standort</strong>strategie einhält.<br />

Dazu braucht das Land einen starken und koordinierten Auftritt<br />

im Ausland. Insbesondere sind Doppelspurigkeiten<br />

oder gar Widersprüche zwischen Bund, Kantonen und privatrechtlichen<br />

<strong>Standort</strong>förderern zu eliminieren.<br />

Die konkrete Ansiedlung neuer Unternehmen ist seit je Sache<br />

der <strong>Standort</strong>kantone. Dabei drängt sich eine Art Generalunternehmermodell<br />

auf: das sich ansiedelnde Unternehmen<br />

wird während des ganzen Prozesses in allen Fragen von<br />

einer Stelle begleitet (One-Stop-Shop-Prinzip).<br />

Entscheidend in der Ansiedlung sind die Geschwindigkeit, mit<br />

der verbindliche Lösungen gefunden werden, und der Grad,<br />

in dem zwischenmenschliche Beziehungen gepflegt werden –<br />

auch nach erfolgter Ansiedlung. Hinzu kommen die Effizienz in<br />

Bewilligungsverfahren (Bauvorhaben), Flexibilität in Immigrationsfragen<br />

(Familiennachzug für qualifizierte Mitarbeiter),<br />

ausreichende Infrastruktur (auch für die Familien) – und nicht<br />

zuletzt auch ein umkomplizierter Umgang mit Steuerfragen.<br />

29


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Zielgruppen (Branchen)<br />

für die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>förderung<br />

Welche Branchen für eine <strong>Standort</strong>förderung geeignet sind, lässt sich aus ökonomischer<br />

Sicht nicht einfach beantworten, da es in jeder Branche relative Verlierer<br />

und Gewinner gibt. Deshalb sollten für jede Branche die relativen Gewinner<br />

herausgefiltert und gezielt bearbeitet werden. Die Rahmenbedingungen sind so<br />

zu gestalten, dass sich Unternehmen aus allen Branchen positiv entwickeln können.<br />

Jene Unternehmen sollten bevorzugt werden, die sich im Vergleich zu ihrer<br />

Branche stärker und nachhaltiger entwickeln, die sich in wachsenden Nischen<br />

befinden und stark auf Innovation setzen. Ein Cluster-Ansatz birgt zwar Chancen<br />

für eintretende Unternehmen, doch gleichzeitig kann die Konzentration von<br />

Branchen in gewissen Regionen auch zu Klumpenrisiken führen, die man nicht<br />

weiter verstärken sollte. Vielmehr müsste in Regionen, die von Clustern geprägt<br />

sind, der Branchenmix ausgeweitet werden. Der aktuelle Branchenansatz der<br />

Osec (Life Science, Wealth Management, Information Technology und Headquarters)<br />

muss um weitere Branchen erweitert werden.<br />

Frédéric Junod / Martin Neff, Credit Suisse<br />

Ziel dieser Analyse ist es, diejenigen Branchen zu identifizieren, welche<br />

sich in der <strong>Schweiz</strong> auch in Zukunft überdurchschnittlich entwickeln<br />

dürften. Dabei handelt es sich um Branchen, die nicht nur in der Hochkonjunktur<br />

profitieren, sondern auch strukturell zu den Gewinnern gehören.<br />

Jede Branche ist nämlich in ihrem eigenen Zyklus neben konjunkturellen<br />

auch strukturellen Einflussfaktoren<br />

unterworfen. Um die strukturellen<br />

Stärken und Schwächen der einzelnen<br />

Branchen darstellen zu können,<br />

nimmt die Credit Suisse jedes Jahr<br />

auf der Basis neuer Daten eine mit-<br />

Jede Branche ist in ihrem eigenen<br />

Zyklus neben konjunkturellen<br />

auch strukturellen Einflussfaktoren<br />

unterworfen.<br />

telfristige Chancen-Risiken-Bewertung (CRB) vor. Diese Bewertung stellt<br />

für jede Branche eine zukunftsgerichtete Einschätzung aus makroökonomischer<br />

Sicht dar. Sie stützt sich auf ein eigens dafür entwickeltes<br />

Modell und setzt sich aus den beiden Dimensionen Chance und Risiko<br />

31


ZIELGRUppEN (BRANCHEN) FüR DIE SCHWEIZER STANDORTFöRDERUNG<br />

zusammen. Der Prognosehorizont erstreckt sich über die nächsten drei<br />

bis fünf Jahre.<br />

Die Berechungsmethode In die CRB fliessen 24 Basisindikatoren der<br />

offiziellen <strong>Schweiz</strong>er Statistiken sowie Daten des Credit Suisse Economic<br />

Research ein. Die Berechnung geschieht in drei Phasen: In einer ersten<br />

Phase bilden die modellgestützten Chancen-Risiken-Werte die aktuellen<br />

und vergangenen Unterschiede der Branchen ab. In einer zweiten Phase<br />

fliessen die Prognosen des Economic Research der Credit Suisse ein. In<br />

der dritten Phase werden die Werte durch spezialisierte Branchenanalysten<br />

validiert. Der Wertebereich der CRB reicht von –10 bis +10. Bei positiven<br />

Werten überwiegen die Chancen, bei negativen die Risiken. Eine<br />

Branche mit hohem Wert wird sich in der mittleren Frist wirtschaftlich<br />

nachhaltiger entwickeln als eine Branche mit einem tiefen Wert.<br />

Die CRB wird «bottom-up» berechnet. Die 24 Basisindikatoren werden<br />

gemäss theoretischen Überlegungen und mathematischen Tests gruppiert<br />

und mittels Faktoranalyse zusammengefasst. Die Faktoranalyse<br />

ist eine mathematische Methode zur Reduktion von Datensätzen. Die<br />

Gewichtung der einzelnen Basisindikatoren entspricht ihrer tatsächlichen<br />

Relevanz. Aufgrund der «Bottom-up-Struktur» weist das Modell die<br />

Form einer Pyramide auf. Diese Pyramidenstruktur garantiert Transparenz,<br />

lässt sich doch jeder Wert aus den einzelnen Basisindikatoren- und<br />

Prognosewerten zurückverfolgen. Die oberste Ebene der Pyramide sind<br />

die beiden Dimensionen Chance und Risiko.<br />

Die Dimension Chance umfasst Indikatoren bezüglich positiver Zukunftsaussichten.<br />

Deren Wert bildet das Potenzial der Branche bezüglich Wertschöpfungs-<br />

und Produktivitätswachstum ab. Als Grundlagen dienen<br />

Wertschöpfungsindikatoren der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung<br />

des Bundesamtes für Statistik (BFS) sowie die ebenfalls vom BFS erhobene<br />

Beschäftigungsstatistik (BESTA).<br />

Die Dimension Risiko ist in drei Risikokomponenten unterteilt. Diese<br />

Komponenten umfassen je zwei Faktoren. Die komplette Struktur ist<br />

in Abbildung 1 ersichtlich und wird im Weiteren erläutert. Risiken sind<br />

CREDIT SUISSE<br />

32


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 1: Struktur der Daten im Rahmen der CRB<br />

AB-<br />

SCHOTTUNG<br />

POLITISCHES<br />

RISIKO<br />

STAATLICHE<br />

EINGRIFFE<br />

AUSSEN-<br />

FITNESS<br />

BASIS-<br />

INDIKATOREN<br />

CHANCEN<br />

RISIKEN<br />

STRUKTUR-<br />

RISIKO<br />

INNEN-<br />

FITNESS<br />

BASIS-<br />

INDIKATOREN<br />

VARIABI-<br />

LITÄT<br />

FRIKTIONS-<br />

RISIKO<br />

Die Chancen-Risiko-Bewertung der Credit Suisse ermittelt auf der Grundlage von 24 Basisdaten<br />

aus öffentlichen Statistiken und CS-eigenen Daten das Zukunftspotenzial einzelner<br />

Branchen – und bildet damit eine wichtige Entscheidungsgrundlage zur Frage, welche Unternehmen<br />

aus welchen Branchen angesiedelt werden sollten.<br />

Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />

Faktoren, welche mehrheitlich exogen auf eine Branche einwirken, also<br />

nicht vom einzelnen Unternehmen kontrolliert werden können. Wir unterscheiden<br />

im CRB-Modell drei verschiedene Risiken.<br />

– Strukturrisiko: Bewertet werden das Ausmass des Strukturwandels<br />

innerhalb einer Branche sowie das Risiko der ganzen Branche, im internationalen<br />

und nationalen Wettbewerb nicht «fit» genug zu sein. Hauptindikatoren<br />

sind Wertschöpfungsanteile, Beschäftigungsanteile, Produktivitätsindikatoren,<br />

Handelsbilanzentwicklungen sowie Export Unit<br />

Values.<br />

– Politisches Risiko: Bewertet wird das Ausmass staatlicher Eingriffe,<br />

welche den Wandel bremsen oder eine Branche zukünftig schwächen<br />

UNGLEICHGEWICHT<br />

FAKTORMÄRKTE<br />

33


ZIELGRUppEN (BRANCHEN) FüR DIE SCHWEIZER STANDORTFöRDERUNG<br />

könnten. Als Messwerte für den staatlichen Eingriff dienen unter anderem<br />

die Subventionen und Steuererleichterungen, die Mehrwertsteuerklassen<br />

und der Grad an Protektionismus (Höhe der Zölle und Aussenhandelsverflechtung).<br />

Ebenfalls berücksichtigt wird der Grad der Gefahr einer<br />

übermässigen Ausübung von Marktmacht und von Marktabsprachen.<br />

– Friktionsrisiko: Bewertet werden das Ausmass der Volatilität einer<br />

Branche (gemessen an der Wertschöpfungs- bzw. Beschäftigungsentwicklung)<br />

sowie der Grad der Ungleichgewichte auf den Faktormärkten<br />

(Kapitalmarkt: Konkurse; bzw. Arbeitsmarkt: Arbeitslosenquote).<br />

Die Spitzenreiter Die Branche Pharma und Chemie befindet sich gemäss<br />

der mittelfristigen Chancen-Risiken-Bewertung an der Spitze (Ab-<br />

bildung 2). Gefolgt wird die Branche von der Medizinaltechnik, den Mess-<br />

und Kontrollinstrumenten sowie von der Uhrenindustrie. Diese Bran-<br />

chen bleiben trotz einer zum Teil<br />

starken Anfälligkeit auf Konjunkturzyklen<br />

international besonders<br />

wettbewerbsfähig und<br />

werden auch in Zukunft über-<br />

CREDIT SUISSE<br />

Die Branche Pharma und Chemie befindet<br />

sich gemäss der mittelfristigen<br />

Chancen-Risiken-Bewertung an der Spitze.<br />

durchschnittlich stark wachsen können. Das Gesundheitswesen, welches<br />

von den steigenden Gesundheitsausgaben profitiert, wird in Zukunft<br />

ebenfalls eine überdurchschnittliche Entwicklung nachweisen können.<br />

Nach der Spitzengruppe folgt eine Reihe von Dienstleistern, welche<br />

ebenfalls gut aufgestellt sind. Bei den Unternehmensberatern besteht<br />

ein wesentlicher Treiber darin, dass Unternehmen komplexe Aufgaben<br />

und Abklärungen immer häufiger an Spezialisten auslagern. Die Banken,<br />

die Versicherungen und die Informatikbranche erhalten ebenfalls eine<br />

überdurchschnittliche Bewertung. Trotz der Finanzkrise und dem leicht<br />

lädierten Bankgeheimnis bleibt der Finanzplatz <strong>Schweiz</strong> international<br />

gut positioniert und für die Zukunft gerüstet.<br />

Im Mittelfeld befinden sich Branchen aus unterschiedlichen Bereichen.<br />

Die Elektrotechnik wird auch in Zukunft ihren technologischen Vorsprung<br />

in vielen Bereichen ausspielen können. Die Maschinenbauer haben wei-<br />

34


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 2: Von Pharma bis Landwirtschaft<br />

CHANCEN-RISIKEN-BEWERTUNG<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

-8<br />

-10<br />

BRANCHEN MIT TIEFER CHANCEN-RISIKEN-BEWERTUNG<br />

BRANCHEN MIT HOHER CHANCEN-RISIKEN-BEWERTUNG<br />

ANTEIL AN DER SCHWEIZER BRUTTOWERTSCHÖPFUNG IN PROZENT<br />

Pharma, Chemie<br />

Medtech, Messinstr.<br />

Uhrenindustrie<br />

Gesundheitswesen<br />

Unternehmensberatung<br />

Informatik<br />

Banken<br />

Versicherungen<br />

Architekten, Ingenieure<br />

Elektrotechnik<br />

Energieversorgung<br />

Grosshandel<br />

Maschinenbau<br />

Elektronik<br />

Nachrichtenübermittlung<br />

Nahrungsmittelindustrie<br />

Kunststoffindustrie<br />

Holzindustrie<br />

Reisebranche<br />

Immobilienwesen<br />

Metallerzeugnisse<br />

Autogewerbe<br />

Möbelindustrie<br />

Metallerzeugung<br />

Detailhandel<br />

Landverkehr, Logistik<br />

Bau<br />

Papierindustrie<br />

Druck und Verlag<br />

Textil- und Bekleidung<br />

Gastgewerbe<br />

Landwirtschaft<br />

Bei Pharma, Medtech, Messgeräten, Uhren überwiegen in der Chancen-Risiken-Bewertung<br />

mittelfristig die positiven Faktoren (blaue Balken); sie sind für <strong>Standort</strong>werbung im Ausland<br />

besonders geeignet. Landwirtschaft, Gastgewerbe und Textilindustrie weisen dagegen<br />

eine negative Bilanz auf (rote Balken). Etliche dieser Branchen mit negativer Bilanz sind<br />

jedoch für die Binnenwirtschaft von grosser Bedeutung (schwarze Punkte), wie etwa der<br />

Detailhandel oder das Baugewerbe.<br />

Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />

35


ZIELGRUppEN (BRANCHEN) FüR DIE SCHWEIZER STANDORTFöRDERUNG<br />

terhin eine überdurchschnittliche Bewertung, die Risiken in dieser Branche<br />

sind aber nicht zu unterschätzen. Zwar gehört eine stattliche Zahl<br />

<strong>Schweiz</strong>er Maschinenbauer technologisch zur Weltspitze. Die Konkurrenz<br />

aus Ländern mit niedrigeren Produktionskosten holt aber zusehends auf<br />

und stellt die <strong>Schweiz</strong>er Anbieter vor Herausforderungen. Auch die Elektronik<br />

ist gut positioniert. Gründe dafür sind das unvermindert hohe Innovationstempo<br />

und die Konkurrenzfähigkeit der <strong>Schweiz</strong>er Forschung, eine<br />

hohe Produktivität in der Produktion sowie die gute Positionierung der<br />

<strong>Schweiz</strong>er Halbleiterindustrie. Die Bewertung der Nahrungsmittelindustrie<br />

widerspiegelt die zunehmende Spaltung der Branche in eine erfolgreiche<br />

Exportindustrie und eine weitgehend stagnierende Binnenindustrie.<br />

Die Schlusslichter Branchen mit strukturellen Problemen auf der Angebotsseite<br />

befinden sich am Ende der Rangliste. Diese Branchen werden<br />

sich auch in Zukunft im Branchenvergleich unterdurchschnittlich<br />

entwickeln. Im Detailhandel und im Autogewerbe sind die Wachstumschancen<br />

sättigungsbedingt beschränkt. Diese beiden Branchen werden<br />

sich demzufolge in den nächsten Jahren unter einem permanenten Anpassungsdruck<br />

befinden. Aus der binnenorientierten Bauwirtschaft sind<br />

mittelfristig nur wenige Impulse zu erwarten. Niedrige Eintrittsbarrieren<br />

sowie zu viele und meist eher kleine Anbieter sorgen für einen anhaltend<br />

hohen Margendruck. Ebenfalls im hinteren Teil des Feldes befindet sich<br />

die Branche Druck und Verlag sowie die Textil- und die Bekleidungsindustrie.<br />

Diese Branchen durchlaufen seit Jahren massive strukturelle<br />

Veränderungen. Das Gastgewerbe wird auch mittelfristig mit tiefgreifenden<br />

strukturellen Problemen konfrontiert sein. Die hohe Dichte an<br />

Betrieben bringt Überkapazitäten und starken Wettbewerbsdruck mit<br />

sich. Aufgrund der Strukturprobleme auf der Angebotsseite ist die mittelfristige<br />

Chancen-Risiken-Bewertung unterdurchschnittlich. Die tiefste<br />

Chancen-Risiken-Bewertung gemäss unserem Modell weist die Landwirtschaft<br />

auf. Der anhaltende Strukturwandel, die überdurchschnittlich<br />

hohen staatlichen Unterstützungsmassnahmen sowie die hohe Anzahl<br />

an Kleinst- und Kleinbetrieben eröffnen der Landwirtschaft wenig Entwicklungspotenzial.<br />

Der Liberalisierungsdruck dürfte zudem viele Betriebe<br />

vor Schwierigkeiten stellen. Wir sehen daher ein im Branchenvergleich<br />

schlechtes Entwicklungspotenzial für diese Branche.<br />

CREDIT SUISSE<br />

36


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

In Kürze<br />

Branchen, welche sich mittelfristig gemäss der Chancen-<br />

Risiken-Bewertung in der <strong>Schweiz</strong> am stärksten entwickeln<br />

dürften, sind die Pharmaindustrie, die Chemie, die Medizi-<br />

naltechnik sowie die Hersteller von Mess- und Kontroll-<br />

instrumenten. Als weitere Industriebranche hat die Elektrotechnik<br />

ebenfalls ein überdurchschnittliches Potenzial.<br />

Bei den Dienstleistungsbranchen weisen Unternehmensberater,<br />

Banken, Versicherungen und die Informatikbranche<br />

eine überdurchschnittliche Bewertung aus.<br />

Aus dieser Branchenauswahl kann dennoch keine direkte<br />

<strong>Standort</strong>förderungsstrategie abgeleitet werden, da es in<br />

jeder Branche relative Gewinner und Verlierer gibt, und weil<br />

es schwierig ist, im Voraus «förderungswürdige» Branchen<br />

zu bestimmen. Vielmehr sollten die Rahmenbedingungen<br />

für alle Branchen günstig gestaltet werden, beispielsweise<br />

über die Steuerpolitik, eine möglichst straffe Administration<br />

oder die Bildungspolitik.<br />

In der <strong>Schweiz</strong> findet man auf sehr engem Raum hervor-<br />

ragende technische Hochschulen und Forschungsinstitute.<br />

Diese Rahmenbedingungen sind ein optimaler Nährboden<br />

für Unternehmen aus vielen Branchen. Sich bei der <strong>Standort</strong>-<br />

förderung nur auf einzelne Cluster zu beschränken, ist<br />

suboptimal, da in anderen Nischen oder Branchen ebenfalls<br />

ein grosses Potenzial schlummern kann.<br />

37


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Die wichtigsten Zielländer<br />

für die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>werbung<br />

2015 bis 2020<br />

Wer erfolgreich ein Produkt vermarkten will, muss dort sein, wo die meisten<br />

und wirtschaftlich interessantesten potenziellen Kunden sind. Dies ist bei der<br />

<strong>Standort</strong>promotion nicht anders. Nur wer in den richtigen Ländern präsent ist,<br />

kann seinen <strong>Standort</strong> erfolgreich vermarkten. Um eine Wahl der Länder zu treffen,<br />

in denen man die <strong>Standort</strong>werbung schwerer gewichten will, muss also das<br />

Potenzial verschiedener Länder eruiert werden und jene mit besonders hohem<br />

Potenzial müssen identifiziert werden. Für eine nachhaltige Strategie muss eine<br />

langfristige Priorisierung vorgenommen und damit auch eine langfristige Prognose<br />

der zukünftigen Potenziale erstellt werden, was nicht immer einfach ist.<br />

Jedoch entstehen solche Potenziale nicht über Nacht, sondern bilden sich durch<br />

langfristige und damit frühzeitig identifizierbare Trends.<br />

Fabian Heller / Jonathan Horlacher / Oliver Adler, Credit Suisse<br />

In der bisherigen Marktbearbeitungsstrategie der Osec 2009 bis 2011<br />

wurde als oberste Priorität die Bearbeitung von grossen Fernmärkten<br />

(USA, Japan, China, Indien und Russland) definiert. Zweite Priorität hatte<br />

die Koordination der <strong>Standort</strong>promotion in den europäischen Nachbarländern,<br />

es folgten die Bearbeitung des übrigen Europas und zuletzt<br />

andere Fernmärkte wie Brasilien und die Golfstaaten. Die Potenzialanalyse<br />

der Länder geschah aufgrund einer quantitativen Betrachtung des<br />

Marktpotenzials mittels eines Vergleichs der Anzahl Firmen in jenen Industrieclustern,<br />

die vom Wirtschaftsstandort <strong>Schweiz</strong> und von dessen<br />

<strong>Standort</strong>vorteilen am ehesten angesprochen werden. Die untersuchten<br />

Cluster waren Life Science, Wealth Management, Information Technology<br />

und Headquarters. 1 Andererseits wurde eine Bewertung nach Nah-<br />

oder Fernmarkt vorgenommen, da die <strong>Standort</strong>werbung auf nationaler<br />

1 Darunter sind Konzerne zu verstehen, die möglicherweise ihre<br />

Firmenzentrale in die <strong>Schweiz</strong> verlegen könnten. 39


DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />

Ebene sich eher auf Fernmärkte konzentriert, um den Kantonen bei der<br />

regionalen <strong>Standort</strong>werbung ihre Autonomie zu gewährleisten. Die Einschätzung<br />

der Kantone wurde denn auch in die Bewertung aufgenommen,<br />

um ein Gesamtranking zu erstellen.<br />

Kriterien für die Neubeurteilung Bei der jetzigen Analyse gilt es, festzustellen,<br />

ob die damals getroffene Länderpriorisierung für den Zeitraum<br />

2015 bis 2020 beibehalten werden soll oder ob allenfalls eine Neuorientierung<br />

vonnöten ist. Um das Potenzial der einzelnen Länder für<br />

die <strong>Standort</strong>werbung zu vergleichen, wurde primär eine grundlegende<br />

makroökonomische Analyse des mittel- bis langfristigen Wachstums-<br />

potenzials vorgenommen. Länder, die als interessante Zielmärkte in Frage<br />

kommen, zeichnen sich durch eine grosse Zahl expandierender Firmen<br />

aus, welche wiederum auf starke wirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

angewiesen sind. Zur Beurteilung dieser zukünftigen Märkte können<br />

aktuelle Marktgrössen sowie Prognosen über die längerfristige Wachstumsrate<br />

herangezogen werden, um zu einem Bild der künftigen globalen<br />

Marktverhältnisse zu kommen.<br />

CREDIT SUISSE<br />

Weiter sind die <strong>Standort</strong>faktoren der <strong>Schweiz</strong> sowie der potenziellen<br />

Zielländer neu zu betrachten, um hier eine Abgleichung vorzunehmen. Es<br />

geht dabei erstens um schweizerische <strong>Standort</strong>vorteile mit Pull-Effekt<br />

auf die Zielländer, also um entscheidende Stärken der <strong>Schweiz</strong> für die<br />

<strong>Standort</strong>entscheidung ausländischer Zielfirmen, welche für deren Ansiedlung<br />

in der <strong>Schweiz</strong> sprechen. Hier sind die allgemein wahrgenommenen<br />

Stärken des <strong>Standort</strong>s <strong>Schweiz</strong>,<br />

wie etwa hohes Fachwissen und In- Mit einer Abgleichung von Pullnovationskraft,<br />

zu nennen. Zweitens und Push-Faktoren können Potenziale<br />

sind auch die Faktoren mit Push-Ef- für <strong>Standort</strong>verlagerungen in<br />

fekt in den Zielländern zu betrach- die <strong>Schweiz</strong> identifiziert werden.<br />

ten, die eine Expansion aus dem<br />

Land an neue <strong>Standort</strong>e und damit auch in die <strong>Schweiz</strong> begünstigen. Da<br />

geht es um Voraussetzungen wie die Möglichkeit zur Firmengründung<br />

sowie für Kapitalexport, Infrastruktur und Exportfokus. Mit einer Abgleichung<br />

der vorgenannten Faktoren können Potenziale von <strong>Standort</strong>verlagerungen<br />

in die <strong>Schweiz</strong> identifiziert werden.<br />

40


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

90%<br />

85%<br />

80%<br />

75%<br />

70%<br />

65%<br />

Abb. 1: Grossteil der Investitionen aus entwickelten Ländern<br />

ANTEIL DER ENTWICKELTEN LÄNDER AN GLOBALEN AUSLANDSINVESTITIONEN<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

2008<br />

2009<br />

2010<br />

Globale Wachstumstrends Heute sind Europa, die USA und Japan zwar<br />

nicht mehr die einzigen wichtigen Akteure auf dem Weltwirtschaftsparkett,<br />

sie bilden aber noch immer einen sehr grossen Teil des globalen<br />

Wirtschaftsgefüges. Die drei Wirtschaftsblöcke Europa (20 Prozent),<br />

Nordamerika (22 Prozent) und Japan (6 Prozent) erzeugen gemeinsam die<br />

Hälfte des globalen Bruttoinlandprodukts und stellen 80 Prozent der 500<br />

grössten weltweit tätigen, börsenkotierten Firmen. Ein Grossteil der ausländischen<br />

Direktinvestitionen 2 fliesst aus diesen Ländern. Während vor<br />

der Finanzkrise noch zwischen 80 und 90 Prozent der Investitionsströme<br />

2 Definition von ausländischen Direktinvestitionen: langfristige Investitionen<br />

in einem anderen als dem Ursprungsland mit mindestens<br />

10 Prozent der Mitbestimmungsrechte.<br />

2011<br />

Schätzungen ab 2009<br />

2012<br />

2013<br />

2014<br />

Europa, die USA und Japan verlieren im globalen Wirtschaftsgefüge an Gewicht. Ihre Bedeutung<br />

für die weltweiten Auslandsinvestitionen ist dennoch immer noch enorm, auch<br />

wenn der Anteil der Investitionen aus entwickelten Ländern durch die Finanzkrise etwas<br />

abgenommen hat.<br />

Quelle: Economist Intelligence Unit, Credit Suisse<br />

41


DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

1980<br />

Abb. 2: Schwellenländer auf der Überholspur<br />

IN PROZENT DES WELT-BIP (PPP-GEWICHTET)<br />

1985<br />

EM-8<br />

1990<br />

1995<br />

2000<br />

aus diesen Ländern stammten, nahmen die Investitionen aus den entwickelten<br />

Ländern während der Finanzkrise überproportional ab. Dennoch<br />

werden die USA, Europa und Japan auch im Zeitraum 2015 bis 2020 den<br />

grössten Teil der ausländischen Direktinvestitionen tätigen, schätzungsweise<br />

zwischen 60 und 70 Prozent. In den Schwellenländern wird heute<br />

zwar sehr viel aus dem Ausland investiert, aus diesen Ländern selbst<br />

fliessen aber noch keine grossen Investitionsströme. Im Jahr 2009 dürften<br />

erstmals mehr als die Hälfte der globalen Auslandsinvestitionen in<br />

Schwellenländer geflossen sein. Während der Finanzkrise sind die ausländischen<br />

Investitionen in die entwickelten Länder stark eingebrochen.<br />

Wahrscheinlich betrugen diese nur knapp 500 Milliarden US-Dollar nach<br />

1,3 Billionen im Jahr 2008. Dagegen erwiesen sich Investitionen in die<br />

Schwellenländer als robuster (600 nach 800 Milliarden 2008). Auslands-<br />

USA<br />

2005<br />

Westeuropa<br />

Die Schwellenländer haben ihr Gewicht in der Weltwirtschaft in den letzten 30 Jahren deutlich<br />

vergrössert. Seit fünf Jahren haben sie auch die USA oder Westeuropa hinter sich gelassen.<br />

Dieser Trend wird sich auch in Zukunft fortsetzen.<br />

CREDIT SUISSE<br />

2009<br />

Quelle: International Monetary Fund, Credit Suisse<br />

42


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

investitionen der Schwellenländer machen bisher nur einen kleinen Teil<br />

der gesamten Auslandsinvestitionen aus, und dies wird sich auch nicht<br />

stark ändern, solange die Finanzstärke der Firmen in Schwellenländern<br />

noch gering ist. Die Staatsfonds einiger Schwellenländer werden jedoch<br />

in gewissem Umfang zu den Direktinvestitionen beitragen.<br />

Die entwickelten Staaten werden also auch in Zukunft eine wichtige Rolle<br />

für die <strong>Standort</strong>werbung der <strong>Schweiz</strong> spielen. Dennoch: Die Schwellenländer<br />

werden vermehrt zu ernstzunehmenden Partnern in der Weltwirtschaft.<br />

Schon vor der Finanzkrise im Jahr 2008 verzeichneten die Schwellenländer<br />

oder Emerging Markets (EM) ein erheblich höheres Wirtschaftswachstum<br />

als die entwickelten Volkswirtschaften des Westens. Dies zeigt sich<br />

mittlerweile besonders in den kaufkraftbereinigten Anteilen am globalen<br />

BIP. Insbesondere die grossen Schwellenländer 3 (BRIC-Staaten: Brasilien,<br />

Russland, Indien und China) sind<br />

dabei, bezüglich des Anteils an<br />

der Weltwirtschaft auf Augenhöhe<br />

mit europäischen Ländern<br />

und den USA zu gelangen. China<br />

ist hinter den USA und Japan bereits die drittgrösste Wirtschaftsmacht.<br />

Aber auch andere aufstrebende Märkte wie Mexiko, Indonesien, Südkorea,<br />

die Türkei oder Südafrika drängen auf die Weltmärkte. Während die Gruppe<br />

der acht grössten Schwellenländer (EM-8) vor 30 Jahren zusammen nur die<br />

Hälfte der wirtschaftlichen Grösse Europas oder der USA auf sich vereinigten<br />

(Anteil am Welt-BIP 13 Prozent, verglichen mit 23 Prozent Europa und<br />

27 Prozent USA), haben diese den Westen vor etwa fünf Jahren eingeholt<br />

und mittlerweile hinter sich gelassen. 4<br />

Angesichts der guten Voraussetzungen dieser Länder und ihres höheren<br />

Potenzialwachstums dürfte dieser Trend in den kommenden Jahren weiter-<br />

3 Die hier angesprochenen Länder werden durchgehend als Schwellenländer<br />

bezeichnet, auch wenn diese Bezeichnung besonders bei<br />

der Betrachtung zukünftiger Verhältnisse nicht mehr angebracht<br />

sein dürfte.<br />

4 EM-8: China, Indien, Brasilien, Mexiko, Indonesien, Südkorea, Türkei,<br />

Südafrika.<br />

Die Schwellenländer werden vermehrt<br />

zu ernstzunehmenden Partnern in der Weltwirtschaft.<br />

43


DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />

ALTER<br />

80+<br />

75–79<br />

70–74<br />

65–69<br />

60–64<br />

55–59<br />

50–54<br />

45–49<br />

40–44<br />

35–39<br />

30–34<br />

25–29<br />

20–24<br />

15–19<br />

10–14<br />

5–9<br />

0–4<br />

Abb. 3: Indien – die Alterspyramide<br />

70 60 50 40 30 20 10 0 10 20 30 40 50 60 70<br />

IN MILLIONEN<br />

Männer<br />

Frauen<br />

Die Altersverteilung in den Schwellenländern – hier in Indien – ist weiterhin pyramidenförmig,<br />

weist also starke junge Jahrgänge auf. Dies führt zu strukturellen Vorteilen durch eine grosse<br />

arbeitsfähige Bevölkerung und noch wenig Senioren in den nächsten Jahren.<br />

gehen. Damit nähern sich die Schwellenländer immer mehr dem westlichen<br />

Wohlstandsniveau an. Während die westlichen Staaten mit weitgehend<br />

gesättigten Märkten, demographischen Problemen und weiter steigender<br />

Staatsverschuldung zu kämpfen haben, haben die Schwellenländer hier<br />

strukturelle Vorteile. Die Demographie ist in den meisten Schwellenländern<br />

vorteilhafter, mit erheblich stärkeren jungen Jahrgängen.<br />

Daraus abgeleitet existieren eine Reihe weiterer Vorteile wie riesige Inlandmärkte,<br />

die weitgehend ungesättigt sind. Beispielsweise besitzt in<br />

China bei einer Bevölkerungszahl von 1,3 Milliarden Menschen nur jeder<br />

Quelle: UN, Credit Suisse<br />

CREDIT SUISSE<br />

44


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

ALTER<br />

85+<br />

80–84<br />

75–79<br />

70–74<br />

65–69<br />

60–64<br />

55–59<br />

50–54<br />

45–49<br />

40–44<br />

35–39<br />

30–34<br />

25–29<br />

20–24<br />

15–19<br />

10–14<br />

5–9<br />

0–4<br />

Abb. 4: <strong>Schweiz</strong> – die Altersurne<br />

350 300 250 200 150 100 50 0 50 100 150 200 250 300 350<br />

IN TAUSEND<br />

Männer<br />

Frauen<br />

In den entwickelten Staaten wie der <strong>Schweiz</strong> zeigt die Altersverteilung eine zunehmende<br />

Überalterung durch geburtenschwache junge Jahrgänge und eine immer grössere ältere Bevölkerung.<br />

Dadurch steigt die Belastung der Vorsorgeinstitutionen.<br />

Dreissigste ein eigenes Auto, während in den USA auf zwei Einwohner<br />

ein Privatfahrzeug kommt. Mit der Annäherung der Schwellenländer an<br />

ein westliches Wohlstandsniveau entsteht auch eine grosse inländische<br />

Nachfrage nach verschiedensten Produkten, die vermehrt auch in diesen<br />

Ländern entwickelt und produziert werden. Mit dem Aufbau eigener<br />

Industrien und vermehrt auch Dienstleistungssektoren sind noch erheblich<br />

leichter realisierbare Produktivitätsfortschritte durch die Modernisierung<br />

von Produktionsmitteln zu erzielen – und damit im Vergleich<br />

zu Europa, den USA und Japan beeindruckende Wachstumszahlen. Die<br />

wachsende Wirtschaft erleichtert tendenziell auch die Bewahrung der<br />

Quelle: UN, Credit Suisse<br />

45


DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />

120%<br />

100%<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

2006<br />

Abb. 5: Die reichen Schuldner<br />

STAATSSCHULDEN ALS PROZENT DES BIP<br />

2007<br />

2008<br />

2009<br />

Entwickelte Länder Schwellenländer<br />

2010<br />

Während die entwickelten Länder schon vor der Finanzkrise eine erheblich höhere Verschuldung<br />

aufwiesen, steigt diese durch die jüngste Rezession und in die Zukunft immer höheren<br />

strukturellen Kosten massiv an. Schwellenländer dagegen können ihr Schuldenniveau halten.<br />

Stabilität und sorgt für gesunde Staatshaushalte. Die staatliche wie<br />

auch die private Verschuldung ist in diesen Ländern erheblich tiefer. Auch<br />

drücken keine steigenden Ausgaben für eine alternde Bevölkerung oder<br />

stark wachsende Gesundheitskosten auf das Staatsbudget, was den Regierungen<br />

gerade in Krisenzeiten wie in den letzten Jahren mehr Handlungsspielraum<br />

gibt, um die Wirtschaft zu stützen.<br />

In diesem Umfeld ist die <strong>Schweiz</strong> mit <strong>Standort</strong>faktoren wie sehr guter<br />

Infrastruktur, Stabilität, hoher Innovationskraft und einem hohen Bildungsniveau<br />

sehr gut aufgestellt, um neuer <strong>Standort</strong> für global expandierende<br />

Firmen zu werden. Die Stärken der <strong>Schweiz</strong> liegen heute bei<br />

Dienstleistungen und Hochtechnologie, Bereiche, in denen mit zunehmender<br />

Modernisierung und steigender Anspruchshaltung auch in den<br />

CREDIT SUISSE<br />

2014<br />

Quelle: IMF, Credit Suisse<br />

46


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Schwellenländern in Zukunft Firmen entstehen dürften. Gleichzeitig ist<br />

aber zu bedenken, dass das Bild der <strong>Standort</strong>vorteile der <strong>Schweiz</strong> eine<br />

Momentaufnahme bildet, welches keineswegs auch 2015 bis 2020 noch<br />

so Bestand haben muss. Es ist ein stetiger Effort nötig, damit diese<br />

Stärken erhalten und weiter ausgebaut werden, denn trotz sehr guter<br />

Position im weltweiten <strong>Standort</strong>vergleich (siehe Abschnitt «<strong>Standort</strong>faktoren<br />

der <strong>Schweiz</strong>» sowie Abb. 9) ist die <strong>Schweiz</strong> keineswegs unangefochten.<br />

Was hat sich durch die Finanzkrise geändert? Der wirtschaftliche Einbruch<br />

war in den entwickelten Ländern meist ausgeprägter als in den<br />

Schwellenländern, mit der Ausnahme insbesondere Osteuropas, wo<br />

nach vielen Jahren grosser Leistungsbilanzdefizite die Verschuldung<br />

stark angestiegen ist. Während die entwickelten Länder 2008 kaum noch<br />

Wirtschaftswachstum verzeichneten und 2009 teilweise rekordverdächtige<br />

Rückgänge erfuhren, ging<br />

das Wachstum in den Schwellenländern<br />

nur leicht zurück.<br />

Ausnahmen bilden Länder wie<br />

Russland, die stark vom Energieexport<br />

anhängig sind. Hier<br />

Die Schwellenländer, insbesondere jene<br />

aus Asien, haben weniger unter der<br />

Finanzkrise gelitten und finden als Erste<br />

zurück zum Wachstum.<br />

zeigt sich auch, dass die Schwellenländer einerseits von ihrer tiefen<br />

Verschuldung und der weniger starken Einbindung ins internationale Finanzsystem<br />

profitiert haben und dass sie sich andererseits immer mehr<br />

auf den wachsenden Binnenhandel stützen können.<br />

Die Schwellenländer, insbesondere aus Asien, haben auch als Erste eine<br />

Rückkehr zu Wachstum gezeigt (oder vielmehr einen Anstieg auf Niveaus<br />

von vor der Krise). Für 2010 wird bereits wieder ein Wachstum ähnlich<br />

dem von vor der Krise erwartet, während die entwickelten Länder noch<br />

weit von einer Normalisierung des Wirtschaftswachstums entfernt sind.<br />

Die Schwellenländer haben sich sehr viel schneller erholt als die entwickelten<br />

Länder und tragen derzeit das globale Wachstum.<br />

Die Finanzkrise hat jedoch die globalen Wachstumstrends nicht grundlegend<br />

verändert. Sie hat aber die bestehenden Trends verstärkt. Die<br />

47


DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />

Abb. 6: Einbruch in entwickelten Ländern<br />

BIP-WACHSTUM IN PROZENT<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

-8<br />

Frankreich <br />

Deutschland<br />

2008<br />

Italien<br />

USA<br />

Brasilien<br />

2009 (Schätzungen)<br />

Russland<br />

Indien<br />

China<br />

2010 (Prognose)<br />

Der wirtschaftliche Einbruch nach der Finanzkrise war in entwickelten Ländern erheblich ausgeprägter,<br />

während die Schwellenländer lediglich ein leicht tieferes, aber immer noch starkes<br />

Wachstum verzeichneten. Sie fanden auch viel schneller wieder zurück zu starkem Wachstum.<br />

strukturellen Vorteile, die den Schwellenländern ein stärkeres Wachstum<br />

ermöglichen, sind durch die Krise noch klarer geworden.<br />

Was ändert sich bis 2015/2020? Auch im weiteren Zeithorizont erwarten<br />

wir, dass der Anteil der Schwellenländer am weltweiten Ausstoss<br />

deutlich zunimmt. Bis 2020 ist eine Umkehr der Verhältnisse von 1980<br />

denkbar, das heisst, der Anteil der heutigen Schwellenländer am Welt-<br />

BIP könnte doppelt so gross sein wie derjenige Europas oder der USA.<br />

Damit nimmt die Bedeutung Chinas und der übrigen BRIC-Länder sowie<br />

weiterer Volkswirtschaften Asiens, Lateinamerikas und in geringerem<br />

Ausmass Osteuropas als potenzielle Zielländer für die <strong>Schweiz</strong>er<br />

CREDIT SUISSE<br />

EM-8<br />

Quelle: IMF, Credit Suisse<br />

48


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 7: Wachstumsmotoren China und Indien<br />

BIP-WACHSTUM IN PROZENT GEGENÜBER VORJAHR, PPP-GEWICHTET<br />

5%<br />

4%<br />

3%<br />

2%<br />

1%<br />

0%<br />

–1%<br />

–2%<br />

–3%<br />

1998<br />

1999<br />

China<br />

Welt-BIP<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

Die Schwellenländer tragen das globale Wachstum, während die entwickelten Länder eingebrochen<br />

sind. Die strukturellen Vorteile, die den Schwellenländern ein stärkeres Wachstum<br />

ermöglichen dürften, sind durch die Krise noch klarer geworden.<br />

Quelle: IMF, Datastream, Credit Suisse<br />

<strong>Standort</strong>promotion zu. Die Bedeutung der USA und Europas nimmt entsprechend<br />

ab. Dies bedeutet nicht, dass die westlichen Länder weniger<br />

beachtet werden und sich <strong>Standort</strong>werbung nur noch auf die jetzigen<br />

Schwellenländer konzentrieren sollte. Es heisst lediglich, dass die Welt<br />

multipolar und vielschichtiger geworden ist – das Spektrum der wichtigen<br />

Wirtschaftsräume hat sich erweitert.<br />

2008 2009<br />

Indien EM-8 ex China & Indien Entwickelte Länder<br />

49


DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

1990<br />

Abb. 8: Weltmacht Schwellenländer<br />

IN PROZENT DES WELT-BIP (PPP-GEWICHTET)<br />

1992<br />

EM-8<br />

1994<br />

1996<br />

1998<br />

2000<br />

2002<br />

2004<br />

Vereinigte Staaten<br />

2006<br />

2008<br />

2010<br />

Mit steigendem Einkommen, Wohlstand und der Finanzmarktentwicklung<br />

in den aufstrebenden Märkten wird dort die Zahl der Firmengründungen<br />

zunehmen – und damit auch die Zahl potenzieller Zielfirmen für<br />

die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion. Diese Firmen werden vermehrt auch<br />

den Ansprüchen an qualitativ hochwertige Güter und Dienstleistungen<br />

entsprechen wollen, zu deren Herstellung die <strong>Schweiz</strong> als Produktionsstandort<br />

gute Voraussetzungen bietet. Insbesondere <strong>Standort</strong>vorteile<br />

wie die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Arbeitskräften oder die hohe<br />

Innovationskraft gewinnen als Pull-Faktoren an Bedeutung. Gleichzeitig<br />

wandeln sich die Wirtschaftsstrukturen in den Schwellenländern. Wie in<br />

der westlichen Welt vor knapp 100 Jahren ist die Landwirtschaft noch ein<br />

bedeutender Teil der Wirtschaft der jeweiligen Länder, und der Industriesektor<br />

ist erheblich grösser als der Dienstleistungssektor. Die Wandlung<br />

2012<br />

Westeuropa<br />

Im neuen Jahrzehnt werden die heutigen Schwellenländer das weltwirtschaftliche Gewicht<br />

von Europa und den USA zusammen erreichen. Der Begriff «Schwellenländer» dürfte<br />

je länger, desto mehr nicht mehr passend sein.<br />

CREDIT SUISSE<br />

2014<br />

Quelle: IMF, Credit Suisse<br />

50


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

der Wirtschaftsstrukturen geht jedoch in der heutigen Welt mit modernen<br />

Technologien sowie einem intensiven Technologie- und Informationsaustausch<br />

um einiges schneller vonstatten als im letzten Jahrhundert<br />

in den westlichen Ländern. Die Landwirtschaft und später auch der<br />

Industriesektor werden relativ rasch an Bedeutung verlieren, der Dienstleistungssektor<br />

wird an Grösse gewinnen. Damit verschiebt sich auch<br />

das Gefüge der Firmen in diesen Ländern vermehrt zu Bereichen hin, in<br />

denen die <strong>Schweiz</strong> über <strong>Standort</strong>vorteile verfügt. Neben ihrer Rolle als<br />

<strong>Standort</strong> für Forschung und Entwicklung sind weitere entscheidende<br />

<strong>Standort</strong>vorteile der <strong>Schweiz</strong> im Dienstleistungsbereich zu finden.<br />

<strong>Standort</strong>vorteile der <strong>Schweiz</strong> Je nach Studie variiert die Rangierung<br />

ein wenig, insgesamt aber ist die <strong>Schweiz</strong> momentan international einer<br />

der konkurrenzfähigsten <strong>Standort</strong>e. Ausserdem hat die <strong>Schweiz</strong> als<br />

Wirtschaftsstandort ein sehr klares Profil. Die Schlüsselstärken liegen<br />

im hohen Ausbildungsniveau und Technologiestandard, in der Innovationskraft<br />

und der Geschäftstüchtigkeit. Hier belegt die <strong>Schweiz</strong> in einer<br />

Studie des World Economic<br />

Forum Spitzenplätze und kann<br />

sich auch im <strong>Standort</strong>wettbewerb<br />

von konkurrierenden Ländern<br />

abheben. Weitere Stärken<br />

Insgesamt ist die <strong>Schweiz</strong> momentan<br />

international einer der konkurrenzfähigsten<br />

<strong>Standort</strong>e.<br />

liegen in der gut ausgebauten Infrastruktur, dem Finanzmarkt und der<br />

politischen und wirtschaftlichen Stabilität – wenn auch hier der Vorteil<br />

gegenüber anderen Ländern weniger ausgeprägt ist. Diese Ergebnisse<br />

stellen aber das heutige Bild dar. Die <strong>Schweiz</strong> muss diese Vorteile pflegen<br />

und stärken, will sie auch in Zukunft und insbesondere im Zeitraum<br />

2015 bis 2020 weiterhin auf diese Vorteile zählen können und von den<br />

Veränderungen in der Weltwirtschaft profitieren.<br />

Es zeigt sich im internationalen Vergleich, was <strong>Standort</strong>faktoren angeht,<br />

immer noch ein klarer Vorsprung der entwickelten Länder vor den<br />

Schwellenländern. Trotz wachsendem Gewicht in der Weltwirtschaft haben<br />

die Schwellenländer in dieser Beziehung Nachholbedarf. Sie werden<br />

in den kommenden Jahren zweifellos versuchen, diese Lücken zu<br />

schliessen, was sich in den oben erwähnten, einfacher zu erzielenden<br />

51


DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />

Abb. 9: Die <strong>Schweiz</strong> ist gut positioniert<br />

BASIC REQUIREMENTS<br />

Institutions (8)<br />

Infrastructure (5)<br />

Macroeconomic stability (17)<br />

Health and primary education (21)<br />

EFFICIENCY ENHANCERS<br />

Higher education and training (6)<br />

Goods market efficiency (5)<br />

Labor market efficiency (2)<br />

Financial market sophistication (14)<br />

Technological readiness (3)<br />

Market size (36)<br />

INNOVATION AND SOPHISTICATION FACTORS<br />

<strong>Business</strong> sophistication (3)<br />

Innovation (2)<br />

0 1 2 3 4 5 6 7<br />

GCR SCORES SCHWEIZ 2009/2010<br />

(RANG IN KLAMMERN)<br />

Die genauen Platzierungen variieren je nach Studie ein wenig, generell belegt die <strong>Schweiz</strong><br />

aber einen der vorderen Ränge im weltweiten <strong>Standort</strong>vergleich. Insbesondere in den Bereichen<br />

Innovation, Technologie und höhere Ausbildung ist die <strong>Schweiz</strong> stark.<br />

Quelle: GCR 2009/2010 WEF, Credit Suisse<br />

CREDIT SUISSE<br />

52


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 10: Immer nahe an der Spitze<br />

BASIC REQUIREMENTS<br />

Institutions<br />

Infrastructure<br />

Macroeconomic stability<br />

Health and primary education<br />

EFFICIENCY ENHANCERS<br />

Higher education and training<br />

Goods market efficiency<br />

Labor market efficiency<br />

Financial market sophistication<br />

Technological readiness<br />

Market size<br />

INNOVATION AND SOPHISTICATION FACTORS<br />

<strong>Business</strong> sophistication<br />

Innovation<br />

0 1 2 3 4 5 6 7<br />

GCI-DURCHSCHNITT<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

Brasilien<br />

Deutschland Frankreich USA<br />

China<br />

Indien<br />

Die <strong>Schweiz</strong> kann sich als kleines Land vor allem in den Bereichen Technologie und Innovation<br />

abheben. Auch in anderen Bereichen wie Infrastruktur, Gesundheit oder Finanzmarkt ist die<br />

<strong>Schweiz</strong> vorne dabei, aber in diesen Bereichen sind auch andere Länder stark.<br />

Quelle: GCR 2009/2010 WEF, Credit Suisse<br />

53


DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />

Produktivitätsfortschritten und dem daraus resultierenden Wachstum<br />

äussert. Besonders in den Bereichen, in denen die <strong>Schweiz</strong> ihre Stärken<br />

hat (Ausbildung, Technologie und Innovation), besteht aber noch eine<br />

grosse Differenz zwischen den entwickelten und den aufstrebenden<br />

Ländern.<br />

Neue Prioritäten Wenn man nun konkret eine Auswahl von Zielländern<br />

für die <strong>Standort</strong>werbung der <strong>Schweiz</strong> definieren will, ist eine zeitliche<br />

Differenzierung nötig. Auch wenn in Zukunft die Schwellenländer an Bedeutung<br />

gewinnen werden, müssen die weiter entwickelten Märkte weiterhin<br />

beachtet werden. Strukturell bieten die Schwellenländer aber ein<br />

deutlich grösseres Wachstum-<br />

spotenzial; sie dürften im Zeitraum<br />

2015 bis 2020 immer mehr<br />

neue Firmen hervorbringen, die<br />

auch global agieren werden und<br />

daher die <strong>Schweiz</strong> als Stand-<br />

CREDIT SUISSE<br />

Die Schwellenländer investieren zwar<br />

momentan noch wenig im Ausland, weisen<br />

aber das grösste Wachstumspotenzial<br />

in den nächsten Jahren auf.<br />

ort in Erwägung ziehen könnten. Die Firmen aus diesen Ländern werden<br />

sich im Hinblick auf die Herstellung von Waren und die Erbringung von<br />

Dienstleistungen allmählich den gestiegenen Ansprüchen und der höheren<br />

Kaufkraft in ihren Heimmärkten anpassen, womit die <strong>Schweiz</strong> mit<br />

ihren <strong>Standort</strong>vorteilen in den genannten Bereichen an Attraktivität gewinnt.<br />

Ob Firmen aus den Schwellenländern dann effektiv in Länder wie<br />

die <strong>Schweiz</strong> expandieren, bleibt abzuwarten. Staaten wie China, Indien,<br />

Brasilien oder Russland, aber auch andere asiatische und lateinamerikanische<br />

Länder, müssen dennoch in Zukunft stärker beachtet werden und<br />

sollten auch Teil einer umfassenden Marktbearbeitungsstrategie der<br />

<strong>Standort</strong>promotion <strong>Schweiz</strong> darstellen. Diese Länder investieren zwar<br />

momentan noch wenig im Ausland, weisen aber das grösste Wachstums-<br />

potenzial in den nächsten Jahren auf.<br />

Gleichzeitig bleiben die entwickelten Länder aufgrund ihrer Marktgrösse<br />

und insbesondere ihrer absolut gesehen hohen ausländischen Direktinvestitionen<br />

sowie ihrer geographischen und kulturellen Nähe zur<br />

<strong>Schweiz</strong> von höchster Relevanz. Aufgrund ihrer Marktgrösse bleiben die<br />

entwickelten Länder, insbesondere die USA, Frankreich, Deutschland<br />

54


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 11: Potenzial in BRIC-Staaten<br />

«POTENZIAL»: ERWARTETE RELATIVE VERÄNDERUNG DES ANTEILS AM WELT-BIP BIS 2015<br />

CHINA<br />

INDIEN<br />

RUSSLAND<br />

MEXIKO<br />

BRASILIEN<br />

KANADA<br />

JAPAN<br />

SKANDINAVIEN<br />

ITALIEN<br />

SPANIEN<br />

DEUTSCHLAND<br />

FRANKREICH<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220<br />

«GRÖSSE»: AUSLANDSDIREKTINVESTITIONEN IN MILLIARDEN US-DOLLAR<br />

und England, als Zielländer von hoher Bedeutung. Eine vermehrte Beachtung<br />

der Schwellenländer sollte nicht unter Vernachlässigung der<br />

weiter entwickelten Länder stattfinden. Die bisherigen Zielländer bleiben,<br />

trotz des Potenzials der Schwellenländer, weiterhin aktuell.<br />

UK<br />

USA<br />

Während die grossen entwickelten Länder bereits ein grosses Potenzial an Auslandsdirekt-<br />

investitionen aufweisen, ist dieses in den BRIC-Staaten noch klein. Diese weisen aber ein<br />

sehr viel höheres Wachstumspotenzial auf und werden im nächsten Jahrzehnt noch erheblich<br />

wachsen, womit auch die Investitionen im Ausland und damit potenziell auch in der<br />

<strong>Schweiz</strong> steigen werden.<br />

Quelle: Credit Suisse<br />

55


DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />

In Kürze<br />

CREDIT SUISSE<br />

Für die Auswahl der Zielländer der schweizerischen Stand-<br />

ortpromotion sind Wachstumsstruktur und Wachstumspotenzial<br />

der Weltwirtschaft massgebend. In den letzten Jahren<br />

haben die Schwellenländer gegenüber den hoch entwickelten<br />

Ländern erheblich an Boden wett gemacht.<br />

Die Finanzkrise hat diesen Trend noch verstärkt: Etliche<br />

Schwellenländer waren von der Krise weniger betroffen und finden<br />

nun schneller zurück auf den früheren Wachstumspfad.<br />

Strukturell machen die Schwellenländer eine ähnliche Entwicklung<br />

durch wie die entwickelten Länder im letzten<br />

Jahrhundert – nur wesentlich schneller. Deshalb werden sie<br />

im Betrachtungszeitraum 2015 bis 2030 just an jenen<br />

<strong>Standort</strong>faktoren interessiert sein, in denen die <strong>Schweiz</strong><br />

besonders konkurrenzfähig ist.<br />

Darüber sollte die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion aller-<br />

dings nicht vergessen, dass die entwickelten Länder in der<br />

Zukunft in der globalen Wirtschaft zwar relativ betrach-<br />

tet an Gewicht verlieren, aber immer noch 60 bis 70 Prozent<br />

des globalen Wirtschaftsvolumens ausmachen werden.<br />

56


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

<strong>Standort</strong>-promotion: Zentrale<br />

Anforderungen an den Marktauftritt<br />

Auslandsinvestitionen spielen eine wichtige Rolle für die <strong>Schweiz</strong>er Volkswirtschaft,<br />

da sie massgeblich zum Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen<br />

beitragen. Die <strong>Schweiz</strong> verfügt über eine ganze Reihe vorteilhafter <strong>Standort</strong>faktoren,<br />

die sie im weltweiten Vergleich zu einem der attraktivsten Länder für Auslandsinvestitionen<br />

machen. Damit die <strong>Schweiz</strong> diese Position auch in Zukunft<br />

im immer intensiver werdenden globalen Wettbewerb um die Ansiedlung ausländischer<br />

Firmen halten kann, sind zusätzliche Anstrengungen nötig. Es reicht<br />

nicht mehr aus, lediglich über attraktive <strong>Standort</strong>faktoren zu verfügen. Vielmehr<br />

müssen diese in Zukunft durch konsequente <strong>Standort</strong>promotion auch gezielt<br />

vermarktet werden.<br />

Matthias Naumann / Christian Schmid,<br />

The Boston Consulting Group<br />

Im Wettbewerb um die Ansiedlung ausländischer Firmen spielt die <strong>Standort</strong>promotion<br />

im Ausland eine entscheidende Rolle. Sie ist allerdings nur<br />

ein kleiner Teil der Wirtschaftsförderung und gezielt darauf ausgerichtet,<br />

die <strong>Schweiz</strong> im Ausland als Wirtschaftsstandort bei potenziellen Investoren<br />

zu vermarkten.<br />

Kernaktivitäten der <strong>Standort</strong>promotion Die Kernaktivitäten der <strong>Standort</strong>promotion<br />

können in 5 Schritte (Abb. 1) eingeteilt werden. Die Basisinformationen<br />

und die Beantwortung erster Rückfragen spielen in der<br />

frühen Phase des Entscheidungsprozesses eines Investors eine wichtige<br />

Rolle. Sie beeinflussen mass-<br />

geblich, ob ein <strong>Standort</strong> im Verlaufe<br />

des weiteren Prozesses näher in<br />

Betracht gezogen wird. In einem ers-<br />

ten Schritt muss deshalb dem initialen<br />

Informationsbedürfnis der In-<br />

Im Wettbewerb um die Ansiedlung<br />

ausländischer Firmen spielt die<br />

<strong>Standort</strong>promotion im Ausland eine<br />

entscheidende Rolle.<br />

vestoren durch eine Internetseite, Broschüren, sowie kompetente Auskunftspersonen<br />

Rechnung getragen werden. Durch die gezielte Marktbe-<br />

57


STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />

Abb. 1: Was zu tun ist<br />

BASIS-<br />

INFORMATION<br />

MARKT-<br />

BEARBEITUNG<br />

LEAD-<br />

BEARBEITUNG<br />

arbeitung wird in einem zweiten Schritt versucht, aktiv das Interesse potenzieller<br />

Investoren zu wecken. Dabei kann ein breites Instrumentarium<br />

an Massnahmen, welche von Werbekampagnen und Webseminaren über<br />

die Teilnahme an Veranstaltungen bis zur Kaltakquise reichen, zum Einsatz<br />

gelangen. Zeigt ein Investor ein hohes Ansiedlungsinteresse, wird er<br />

zum Lead. Im Rahmen der Leadbearbeitung wird der potenzielle Investor<br />

in einem dritten Schritt bei der Beschaffung spezifischer Informationen<br />

unterstützt. Dies kann in Form von Fact-Finding-Missionen oder<br />

durch die Bereitstellung detaillierter Unterlagen erfolgen. In einem vierten<br />

Schritt, der Angebotserstellung, soll der Investor durch verbindliche<br />

Angebote, z.B. zu steuerlichen Fragen, konkrete Entscheidungsgrund-<br />

lagen erhalten. Letztlich wird der Investor auch bei der Ansiedlung unterstützt.<br />

So werden Kontakte zu <strong>Business</strong>-Netzwerken oder Treuhändern<br />

hergestellt, mögliche Grundstücke vermittelt oder der Investor wird bei<br />

der Beantragung von Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen unterstützt.<br />

Akteure und Mandate Die <strong>Standort</strong>promotion ist in der <strong>Schweiz</strong> föderalistisch<br />

aufgebaut und damit primär eine Kompetenz der Kantone. 1<br />

Von den 26 kantonalen <strong>Standort</strong>förderern haben sich 17 in drei regionalen<br />

Organisationen mit eigenem Aussenauftritt zusammengeschlossen<br />

(Abb. 2).<br />

1 Die <strong>Standort</strong>promotion der Gemeinden wird aufgrund ihrer weniger<br />

prominenten Rolle bei der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion in dieser<br />

Arbeit nicht näher betrachtet.<br />

ANGEBOTS-<br />

ERSTELLUNG<br />

LOKALE<br />

ANSIEDLUNG<br />

Zur erfolgreichen <strong>Standort</strong>promotion sind fünf Kernaktivitäten unerlässlich. Diese reichen<br />

vom Anbieten von Basisinformationen über die Marktbearbeitung bis zum konkreten<br />

Angebot und zur Umsetzung der Ansiedlung.<br />

Quelle: Interviews mit <strong>Standort</strong>förderern; BCG Analyse<br />

BCG<br />

58


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 2: Drei regionale Zusammenschlüsse<br />

GE<br />

VD<br />

NE<br />

BaselArea<br />

JU<br />

FR<br />

BS<br />

SO<br />

BE<br />

VS<br />

GBBA (Greater Geneva Berne Area)<br />

GZA (Greater Zurich Area) Selbständige Kantone<br />

Das Engagement der kantonalen <strong>Standort</strong>förderer kann sich über alle<br />

fünf Schritte der <strong>Standort</strong>promotion erstrecken. Je nachdem, ob der<br />

Kanton Mitglied einer regionalen Organisation ist, variiert allerdings der<br />

Fokus der Aktivitäten. So fokussieren sich Kantone, welche einer regionalen<br />

Organisation angehören, stärker auf die Leadbearbeitung, die<br />

Angebotserstellung sowie die Ansiedlung, während die regionale Organisation<br />

primär in der Bereitstellung von Basisinformationen sowie in der<br />

Marktbearbeitung und Leadgenerierung engagiert ist (Abb. 3).<br />

BL<br />

LU<br />

AG<br />

OW<br />

NW<br />

SH<br />

ZG<br />

ZH<br />

UR<br />

SZ<br />

TI<br />

TG<br />

GL<br />

AR<br />

AI<br />

17 der 26 kantonalen <strong>Standort</strong>promotoren haben sich in einer der drei regionalen Organisationen<br />

BaselArea, GGBA (Greater Geneva Berne Area) und GZA (Greater Zurich Area) mit<br />

eigenem Aussenauftritt zusammengeschlossen.<br />

SG<br />

GR<br />

Quelle: BaselArea; GGBA; GZA; Osec<br />

59


STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />

Abb. 3: Die Aufgabenverteilung<br />

STUFE<br />

Kantone<br />

Regionen<br />

ORGANI-<br />

SATIONEN<br />

26 kant.<br />

<strong>Standort</strong>förderer<br />

BaselArea<br />

GGBA, GZA<br />

BASIS-<br />

INFORMATION<br />

MARKT-<br />

BEARBEIT.<br />

LEAD-<br />

BEARBEIT.<br />

ANGEBOTS-<br />

ERSTELLUNG<br />

Zusätzlich zu den Kantonen und den regionalen Organisationen ist auch<br />

der Bund in der <strong>Standort</strong>förderung aktiv. Das entsprechende Mandat<br />

wurde 2008 vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) der Osec übertragen.<br />

Die Aufgaben wurden in einer Leistungsvereinbarung zwischen<br />

der Osec und den Kantonen festgelegt und variieren je nach Zielland. Sie<br />

reichen von der Bereitstellung von Basisinformationen bis hin zur Marktbearbeitung,<br />

schliessen aber in allen Ländern ausser Japan die Leadgenerierung<br />

explizit aus.<br />

Die Arbeitsgruppe Landesmarketing bildet als Projektgruppe der Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz<br />

(VDK) eine Plattform für die verschiedenen<br />

Akteure zur gemeinsamen Abstimmung der <strong>Standort</strong>promotion.<br />

BUDGET<br />

(Mio. CHF)<br />

Bund OSEC 6<br />

stark aktiv nicht aktiv<br />

LOKALE<br />

ANSIEDLUNG<br />

Die Aufgaben der verschiedenen <strong>Standort</strong>promotoren unterscheiden sich erheblich. Das<br />

Mandat des Bundes reicht von der Bereitstellung von Basisinformationen bis zur Marktbearbeitung,<br />

schliesst aber in allen Ländern ausser Japan die Leadgenerierung explizit aus.<br />

Regionen und Kantone sind bis zur Angebotserstellung bzw. Ansiedlung aktiv.<br />

15<br />

9<br />

30<br />

Quelle: Interviews mit <strong>Standort</strong>promotoren; BCG Analyse<br />

BCG<br />

60


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Budget und Personal Das verfügbare Budget der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion<br />

beträgt rund 30 Millionen Franken. Davon haben die Kantone<br />

15 Millionen zur Verfügung. Die regionalen Organisationen verfügen über<br />

ein Budget von 9 Millionen Franken, wobei dieses ebenfalls durch die<br />

Kantone finanziert wird. Die Osec kann auf ein Budget von 6 Millionen zurückgreifen.<br />

Dieses wird mit 4,7 Millionen Franken aus Bundesmitteln und<br />

mit 1,3 Millionen aus kantonalen und regionalen Mitteln finanziert.<br />

Das <strong>Schweiz</strong>er Gesamtbudget beträgt somit 55 Franken für jede Million<br />

BIP. Es ist vergleichbar mit dem Budget ähnlicher Länder wie Österreich<br />

(54 Franken pro Million BIP) und Schweden (53 Franken pro Million BIP).<br />

Durch die föderalistische Struktur der <strong>Schweiz</strong> ist das Gesamtbudget<br />

aber deutlich stärker fragmentiert. Die vier grössten <strong>Schweiz</strong>er Akteure<br />

verfügen insgesamt nur über rund<br />

50 Prozent des Gesamtbudgets,<br />

während die vier grössten Akteure<br />

in Österreich und Schweden mehr<br />

als 70 Prozent des Budgets kontrol-<br />

lieren. Diese Fragmentierung der Ressourcen kann zu Mehrspurigkeiten<br />

und Reibungsverlusten führen und die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion dadurch<br />

teilweise als weniger schlagkräftig erscheinen lassen.<br />

Die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>förderer beschäftigen rund 140 bis 150 Personalkapazitäten,<br />

wobei hiervon 70 bis 80 auf die reine Promotion und 60 bis<br />

70 auf die Ansiedlung und Administration entfallen. Der Fokus der Aktivitäten<br />

liegt auf dem EU-Raum, den BRIC 2 -Ländern und den USA. Die<br />

Kantone konzentrieren sich tendenziell auf Nahmärkte wie die EU-Länder<br />

und speziell auf Deutschland. Fernmärkte wie die BRIC-Länder und<br />

die USA werden hingegen stärker von regionalen Organisationen und der<br />

Osec bearbeitet (Abb. 4).<br />

Herausforderungen für die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion In Diskussionen<br />

mit <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren zeigt sich, dass alle drei Ebenen<br />

2 Brasilien, Russland, Indien, China.<br />

Das verfügbare Budget der<br />

<strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion beträgt<br />

rund 30 Millionen Franken.<br />

61


STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />

Abb. 4: So werden die Ressourcen eingesetzt<br />

EU-Raum (40%)<br />

BRIC-Länder (27%)<br />

1<br />

2<br />

4<br />

USA (23%)<br />

2<br />

1<br />

7<br />

Japan (6%)<br />

2<br />

Sonstige (4%)<br />

11<br />

21<br />

9<br />

Es besteht ein klarer Fokus der <strong>Schweiz</strong>er Aktivitäten auf den EU-Raum, die BRIC-Länder<br />

und die USA. Die Kantone konzentrieren sich auf angrenzende EU-Länder, während Regionen<br />

und die Osec stärker in den BRIC-Ländern und den USA aktiv sind<br />

Quelle: Interviews mit <strong>Standort</strong>förderern<br />

(Kantone, Regionen und Bund) klare Verbesserungspotenziale sehen.<br />

Die Qualität der Basisinformationen im Internet sowie der verfügbaren<br />

Prospekte wurde verschiedentlich kritisiert. So wurde insbesondere bemängelt,<br />

dass die wesentlichen Aussagen teilweise in der Fülle der Informationen<br />

verloren gehen. Auch wurde angemerkt, dass die Vielzahl<br />

der Publikationen der verschiedenen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />

zu einem uneinheitlichen Bild der zentralen <strong>Standort</strong>vorteile führt und<br />

damit die Transparenz und Verständlichkeit für ausländische Investoren<br />

reduziert.<br />

Die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion weist aufgrund der zahlreichen Ak-<br />

teure eine starke Fragmentierung auf. Die daraus resultierenden Mehr-<br />

3<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

PERSONALKAPAZITÄTEN<br />

26 Kantone 3 Regionen Bund (OSEC)<br />

7<br />

8<br />

3<br />

BCG<br />

62


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

spurigkeiten in der Marktbearbeitung wurden von mehreren Promotoren<br />

als eine der zentralen Herausforderungen identifiziert, da sie ihnen zufolge<br />

die Effizienz des Ressourceneinsatzes beeinträchtigen. Einzelne kantonale<br />

<strong>Standort</strong>förderer wünschen sich in diesem Zusammenhang explizit<br />

eine stärkere Rolle der zentralen <strong>Standort</strong>förderung in Fernmärkten.<br />

Kantone und regionale <strong>Standort</strong>förderer<br />

zweifeln allerdings teilweise Die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion<br />

daran, dass der Bund grundsätz- weist aufgrund der zahlreichen Akteure<br />

lich in der Lage ist, eine erfolgreiche eine starke Fragmentierung auf.<br />

<strong>Standort</strong>förderung zu betreiben, da<br />

viele der relevanten Informationen nur auf kantonaler Basis vorhanden<br />

seien. Im Gegenzug fragen sich die Vertreter der regionalen Organisationen<br />

und der Osec, ob insbesondere kleinere Kantone aufgrund ihres begrenzten<br />

Budgets überhaupt die Möglichkeiten haben, alle attraktiven<br />

Zielmärkte aktiv zu bearbeiten.<br />

Die Osec ist verpflichtet, generierte Leads an alle 26 Kantone weiterzugeben.<br />

Letztgenannte gehen dann selbständig auf den potenziellen Investor<br />

zu und übernehmen die Leadbearbeitung. Dies kann dazu führen,<br />

dass ein Investor 10–15 unterschiedliche Rückantworten und Ansprechpartner<br />

erhält. Da keine Vorselektion stattfindet und die Rückantworten<br />

nicht standardisiert werden, führt dies oft zu einer Überforderung des<br />

Investors.<br />

Es zeigt sich ebenfalls deutlich, dass teilweise ein nicht zu unterschätzendes<br />

Konkurrenzverhältnis zwischen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />

besteht. Dies kann zu gegenseitigen Abwerbungsversuchen führen und<br />

verhindern, dass potenzielle Investoren, welche im eigenen Kanton nicht<br />

angesiedelt werden können, an andere Kantone weitergeleitet werden.<br />

Ein kantonaler Vertreter brachte dieses Dilemma mit folgender Aus-<br />

sage eindrücklich auf den Punkt: «Für mich persönlich kann es politisch<br />

besser sein, wenn ein potenzieller Investor ins Ausland geht als in einen<br />

anderen Kanton.»<br />

Einige dieser Verbesserungspotenziale spiegeln sich auch im «Global Investment<br />

Promotion Benchmarking Report» der Weltbank wider. Dieser<br />

63


STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />

untersuchte die Qualität der Website und den Umgang mit ersten Rückfragen.<br />

Im Endergebnis belegte die <strong>Schweiz</strong> lediglich Rang 16 unter den<br />

21 untersuchten OECD-Ländern (Abb. 5).<br />

Das Ergebnis lässt sich zum Teil darauf zurückführen, dass die Osec<br />

zum Zeitpunkt der Datenerhebung das Mandat erst seit kurzem innehatte<br />

und noch in der Aufbauphase<br />

ihrer Arbeit war. Eine Für mich kann es politisch besser sein,<br />

konsequente Umsetzung der wenn ein potenzieller Investor ins Ausland<br />

identifizierten Verbesserungs- geht als in einen anderen Kanton.<br />

potenziale ist aber trotzdem<br />

unerlässlich. Die Kritikpunkte der einzelnen <strong>Standort</strong>promotoren sowie<br />

die Erkenntnisse der Weltbank-Studie können zu drei zentralen Handlungsfeldern<br />

zusammengefasst werden:<br />

– Es sollten qualitativ hochwertige, investorenfreundliche Basisinformationen<br />

bereitgestellt sowie erste Rückfragen professionell und<br />

zeitnah beantwortet werden.<br />

– Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes sollten die Kompetenzen<br />

und Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen klar aufgeteilt<br />

werden.<br />

– Die Koordination und die Kooperation zwischen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />

sollten verbessert werden, um eine Überforderung des<br />

Investors zu verhindern und kooperatives Verhalten zu fördern.<br />

Ansatzpunkte für ein gezielteres Vorgehen Basierend auf den drei zentralen<br />

Handlungsfeldern ergeben sich drei Ansatzpunkte für ein gezielteres<br />

Vorgehen der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion. Die Bereitstellung von<br />

Basisinformationen und die Beantwortung erster Rückfragen spielen im<br />

Entscheidungsprozess des Investors eine wichtige Rolle. Sie beeinflussen<br />

massgeblich, ob ein Land den Sprung von der Longlist mit teilweise<br />

15 bis 20 Kandidaten auf die Shortlist mit 3 bis 5 Kandidaten schafft oder<br />

nicht. Die gemäss einer aktuellen Ernst-&-Young-Studie 3 wichtigsten<br />

3 E&Y-Studie <strong>Switzerland</strong> 2009.<br />

BCG<br />

64


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 5: Die <strong>Schweiz</strong> unter ferner liefen<br />

RANGLISTE OECD-LäNDER<br />

1. österreich<br />

2. Schweden<br />

3. Deutschland<br />

4. Kanada<br />

5. Vereinigtes Königreich<br />

6. Frankreich<br />

7. Irland<br />

8. Spanien<br />

9. Australien<br />

10. Ungarn<br />

11. Neuseeland<br />

12. Finnland<br />

13. Tschechische Republik<br />

14. portugal<br />

15. Luxemburg<br />

16. <strong>Schweiz</strong><br />

17. Belgien<br />

18. Island<br />

19. Korea<br />

20. Dänemark<br />

21. USA<br />

ZWEI DIMENSIONEN FüR DIE BEWERTUNG/GEWICHTUNG<br />

1. QUALITäT DER WEBSITE:<br />

Aufbau und Struktur der Website 10%<br />

Darstellung der Informationen 10%<br />

Relevanz und präzision der Infor-<br />

mationen<br />

Qualität der Vermarktung des<br />

<strong>Standort</strong>s und der Dienstleistungen<br />

des <strong>Standort</strong>promotors<br />

2. UMGANG MIT ANFRAGEN:<br />

Auffindbarkeit der relevanten<br />

Stellen online und Erreichbarkeit<br />

eines kompetenten projektleiters<br />

Kommunikation mit dem potenziellen<br />

Investor<br />

Inhaltliche Relevanz und<br />

professionalität der Antworten<br />

Nachverfolgung der Anfragen und<br />

Konvertierung zu Leads<br />

Die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion erreicht im externen Vergleich durch die Weltbank – gemessen<br />

an den beiden Bewertungsdimensionen «Qualität der Website» und «Umgang mit<br />

Anfragen» – gesamthaft nur Platz 16 unter den OECD-Ländern.<br />

50%<br />

30%<br />

10%<br />

15%<br />

55%<br />

20%<br />

Quelle: Global Investment Promotion Benchmarking Report 2009 der Weltbank<br />

<strong>Standort</strong>faktoren für ausländische Investoren sind mehrheitlich national<br />

(Abb. 6). Dies deckt sich mit Interviewaussagen von bereits in der <strong>Schweiz</strong><br />

angesiedelten Unternehmen, welche bestätigen, dass die Entscheidung<br />

für die <strong>Schweiz</strong> aufgrund nationaler <strong>Standort</strong>faktoren getroffen<br />

65


STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />

Abb. 6: Wo die <strong>Standort</strong>vorteile liegen<br />

NATIONALE STANDORTFAKTOREN*<br />

1. politische Stabilität und<br />

Rechtssicherheit<br />

2. Lebensqualität<br />

3. Soziales Klima<br />

4. Kaufkraft<br />

5. Infrastruktur/Transport<br />

und Logistik<br />

6. Vorhandene R&D-Ressourcen<br />

7. Qualität des Bildungssystems<br />

8. Infrastruktur/Telekommunikation<br />

9. Stellenwert als Finanzzentrum<br />

10. Unternehmergeist<br />

12. Anreize, HQ nach CH zu verlegen<br />

(Holding-Strukturen)<br />

14. Zugang zu Investoren<br />

15. Internationale Kultur<br />

und Offenheit<br />

16. Arbeitsrecht<br />

≥ Zentrale Vermarktung<br />

* Nach Bedeutung geordnet<br />

REGIONALE/KANTONALE<br />

STANDORTFAKTOREN*<br />

11. Steuervorteil<br />

13. Verfügbare Arbeitskräfte/<br />

Spezialisten<br />

Finanzielle Fördermöglichkeiten<br />

Netzwerke/Cluster<br />

Behördliche Bewilligungen<br />

Verfügbares Bauland<br />

≥ Lokale Vermarktung<br />

Die meisten der für die Investoren entscheidenden <strong>Standort</strong>faktoren sind auf nationaler<br />

Ebene angesiedelt. Deshalb ist es sinnvoll, dass Basisinformationen hierzu auch von einer<br />

zentralen Organisation bereitgestellt werden.<br />

Quelle: E&Y <strong>Switzerland</strong> 2009; Interviews mit <strong>Standort</strong>förderern; BCG Analyse<br />

BCG<br />

66


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

wurde. Erst in einem zweiten Schritt wurde dann über den konkreten<br />

<strong>Standort</strong> innerhalb der <strong>Schweiz</strong> entschieden. Dementsprechend sollten<br />

bei den Basisinformationen auch primär die nationalen <strong>Standort</strong>faktoren<br />

in den Mittelpunkt gerückt werden. Zur Aufbereitung und Vermarktung<br />

dieser zentralen Basisfaktoren bietet sich eine zentrale Organisa-<br />

tion an, die diese Ressourcen besser bündeln, für eine Vereinheitlichung<br />

der Botschaft sorgen und damit zu einer besseren Wahrnehmung in den<br />

Zielmärkten beitragen kann.<br />

Das Internet gewinnt gemäss einer Studie der Development Counsellors<br />

International (DCI) 4 eine immer höhere Bedeutung bei der initialen <strong>Standort</strong>recherche.<br />

Die Qualität der<br />

Website trägt damit einen entscheidenden<br />

Teil zur Kommunikation<br />

von Basisinformationen<br />

gegenüber potenziellen Inves-<br />

toren bei. Basierend auf den Websites der in der Weltbankstudie identifizierten<br />

Best-Practice-Beispiele Tschechische Republik 5 , Frankreich 6<br />

und Österreich 7 lassen sich sechs Anforderungen an eine erfolgreiche<br />

Investoren-Website ableiten:<br />

– Auffindbarkeit: Ein aussagekräftiger Domainnamen wie beispielsweise<br />

www.invest-in-switzerland.com und Suchmaschinenoptimierung<br />

sind notwendig.<br />

– Mehrsprachigkeit: Die Seite und die Downloads sollten in den Sprachen<br />

der wichtigsten Zielländer verfügbar sein.<br />

– Aufbau und Design: Die Navigation sollte einfach und übersichtlich<br />

sein. Zudem ist eine gute visuelle Aufbereitung der Inhalte notwendig.<br />

– Inhalt: Investorenrelevante Informationen zu den zentralen <strong>Standort</strong>faktoren<br />

sowie ergänzende Informationen zur <strong>Schweiz</strong> sollten ver-<br />

4 Developers Counsellors International Report 2008:<br />

«Winning Strategies in Economic Development»<br />

5 www.czechinvest.org<br />

6 www.invest-in.france.org<br />

7 www.aba.gv.at<br />

Die Qualität der Website trägt einen<br />

entscheidenden Teil zur Kommunikation<br />

von Basisinformationen bei.<br />

67


STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />

fügbar sein. Dabei sollte möglichst auf aussagekräftige Statistiken und<br />

internationale Vergleiche zurückgegriffen werden. Zudem sollte die<br />

Website einen Q&A-Teil sowie Testimonials von angesiedelten Unternehmen<br />

enthalten.<br />

– Aufbereitung der Information: Informationen sollten kurz und prägnant<br />

dargestellt werden. Der Investor sollte aber die Möglichkeit haben,<br />

bei Bedarf auf vertiefende Detailinformationen zuzugreifen.<br />

– Kontakte und weiterführende Websites: Kontaktinformationen zu<br />

sämtlichen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren und weiterführende Links zu<br />

relevanten Websites von behördlichen und wirtschaftlichen Organisationen<br />

sollten einfach auffindbar sein.<br />

In den Basisinformationen sollte auch ein Verweis zu einer zentralen Anlaufstelle<br />

für Rückfragen enthalten sein. Diese sollte erste Anfragen potenzieller<br />

Investoren zeitnah und professionell beantworten, verfügbare<br />

Unterlagen den Interessenten zustellen und letztgenannte bei Bedarf an<br />

relevante Ansprechpartner weiterleiten. Wichtig ist zusätzlich, dass die<br />

zentrale Anlaufstelle die Kontakte weiterverfolgt. So sollte einige Tage<br />

nach der Anfrage bei den Investoren nachgefragt werden, ob ihre Anliegen<br />

zufriedenstellend beantwortet wurden und ob sie noch weitere Unterstützung<br />

benötigen.<br />

Zentrales Kriterium für den Erfolg der angebotenen Basisinformationen<br />

sowie die Professionalität der Beantwortung erster Rückfragen ist die<br />

Anzahl der generierten, qualitativ hochwertigen 8 Leads. Zudem sollte<br />

gemessen werden, innerhalb welcher Zeit auf schriftliche und telefonische<br />

Anfragen reagiert wird und in wie vielen Fällen die Anfragen mit der<br />

ersten Rückantwort zufriedenstellend beantwortet werden konnten.<br />

Optimierung des Ressourceneinsatzes bei der Marktbearbeitung Die<br />

<strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion ist aufgrund der zahlreichen Akteure<br />

stark fragmentiert. Dies führt zu Mehrspurigkeiten, Reibungsverlusten<br />

und damit zu einem suboptimalen Ressourceneinsatz. Für die wichtigs-<br />

8 Z.B. konkretes Ansiedlungsinteresse innerhalb der nächsten<br />

24 Monate.<br />

BCG<br />

68


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 7: Wer wo im Ausland trommelt<br />

KANADA UND<br />

OSTKüSTE<br />

GGBA 1<br />

Genf 1<br />

USA<br />

Osec 5<br />

BaselArea 1<br />

GGBA 3<br />

GZA 4<br />

Bern 2<br />

Freiburg 1<br />

Genf 1<br />

FRANKREICH<br />

Osec 2<br />

GGBA 2<br />

Bern 1<br />

Genf 1<br />

UK<br />

Genf 1<br />

BRASILIEN<br />

Osec 1<br />

GGBA 2<br />

DEUTSCHLAND<br />

Osec 1<br />

GGBA 2<br />

Genf 2<br />

BENELUX<br />

Genf 1<br />

ITALIEN<br />

GGBA 1<br />

Bern 1<br />

SüDAFRIKA<br />

Osec 1<br />

* Zusätzliche Abdeckung von Eastern Europ; ** Geplant ab 2010<br />

Anmerkung: Headcount schliesst Mitarbeiter auf Mandatsbasis ein.<br />

RUSSLAND<br />

Osec 2<br />

GGBA 2<br />

Genf * 1<br />

INDIEN<br />

Osec 6<br />

GGBA 2<br />

GZA 1<br />

Bern 1<br />

Genf 1<br />

Die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion ist wegen der zahlreichen Akteure stark fragmentiert.<br />

Dies führt zu Mehrspurigkeiten, Reibungsverlusten und damit zu suboptimalem Ressourceneinsatz.<br />

Für die wichtigsten Zielmärkte gibt es keine eindeutige Kompetenzverteilung<br />

zwischen den <strong>Standort</strong>promotoren der Kantone, der Regionen und des Bundes. So gibt es<br />

beispielsweise in China und den USA sieben verschiedene <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>-Repräsentanzen,<br />

alle mit begrenzten Ressourcen.<br />

Quelle: Interviews mit <strong>Standort</strong>förderern; Desk research<br />

ten Zielmärkte gibt es keine eindeutige Kompetenzverteilung zwischen<br />

den <strong>Standort</strong>promotoren der Kantone, der Regionen und des Bundes<br />

(Abb. 7). So unterhalten beispielsweise in China und den USA sieben<br />

unterschiedliche <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren Repräsentanzen, die<br />

diese sehr grossen Märkte mit begrenzten Ressourcen parallel bearbeiten.<br />

Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes sollten die Märkte<br />

anhand zweier Dimensionen segmentiert werden: dem Marktpotenzial<br />

und dem vorhandenen Wissen potenzieller Investoren über die <strong>Schweiz</strong>.<br />

jApAN<br />

Osec 3<br />

BaselArea 1<br />

Genf 1<br />

CHINA<br />

Osec 5<br />

BaselArea 1<br />

GGBA 2<br />

GZA 1<br />

Freiburg 1<br />

Genf 1<br />

Schaffhausen ** 1<br />

69


STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />

– Das Marktpotenzial ist entscheidend zur Beurteilung der Wichtigkeit<br />

möglicher Zielländer. Die Einschätzung folgt dabei der Vorgehensweise<br />

der Credit Suisse, bei der die heutige Bedeutung der Länder, basierend<br />

auf ihren Auslandsinvestitionen, und ihre zukünftige Bedeutung anhand<br />

ihres Wirtschaftswachstums beurteilt werden.<br />

– Eine zentrale Rolle kommt auch dem Wissen über die <strong>Schweiz</strong> zu,<br />

da potenzielle Investoren je nach Vorwissen ein anderes Informations-<br />

und Betreuungsbedürfnis haben. Diese zweite Dimension wurde mittels<br />

wirtschaftlicher, touristischer und kultureller Faktoren beurteilt.<br />

Basierend auf der resultierenden Segmentierung sollten künftig die<br />

Zuständigkeiten von Bund und Kantonen eindeutig abgegrenzt werden<br />

(Abb. 8). Die Entscheidung, welche Märkte die Kantone und Regionen<br />

und welche Märkte der Bund<br />

bearbeiten sollten, orientiert Für die wichtigsten Zielmärkte gibt es keine<br />

sich am Subsidiaritätsprinzip. eindeutige Kompetenzverteilung<br />

Kantone sollten in jenen Märk- zwischen Kantonen, Regionen und Bund.<br />

ten die Verantwortung für die<br />

Marktbearbeitung tragen, in welchen sie diese mit ihren Ressourcen<br />

effektiv wahrnehmen können. Der Bund hingegen sollte in Ländern die<br />

Federführung übernehmen, die zwar von hoher Bedeutung sind, in denen<br />

die Kantone aber nicht selbständig in der Lage sind, eine signifikante Anzahl<br />

potenzieller Investoren für sich zu gewinnen. Basierend auf den beiden<br />

Dimensionen und dem Subsidiaritätsprinzip können drei Arten von<br />

Märkten unterschieden werden:<br />

– Nahe Fokusmärkte: In Märkten mit einem hohen Potenzial und hohem<br />

Wissen über die <strong>Schweiz</strong> sind die Eintrittsbarrieren für <strong>Schweiz</strong>er<br />

<strong>Standort</strong>promotoren verhältnismässig tief. Potenzielle Investoren sind<br />

mit den <strong>Schweiz</strong>er Verhältnissen relativ gut vertraut, so dass weniger<br />

Aufbauarbeit geleistet werden muss. Kantone können direkt auf mögliche<br />

Investoren zugehen und machen dies teilweise auch sehr erfolgreich.<br />

Durch das relativ grosse Wissen über die <strong>Schweiz</strong> wird zudem<br />

regionalen und kantonalen Unterschieden mehr Beachtung geschenkt.<br />

Hier kommen die Stärken der regionalen und kantonalen <strong>Standort</strong>promotoren<br />

zum Tragen, da diese mit den lokalen Unterschieden bestens<br />

BCG<br />

70


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

MARKTPOTENZIAL —≥<br />

Abb. 8: Wo wer aktiv werden muss<br />

aktuell<br />

bedeutend<br />

zukünftig<br />

bedeutend<br />

aktuell/zukünftig<br />

nicht prioritär<br />

CHINA<br />

INDIEN<br />

MEXIKO<br />

BRASILIEN<br />

JAPAN<br />

gering<br />

WISSEN ÜBER DIE SCHWEIZ —≥<br />

RUSSLAND<br />

KANADA SKANDINAVIEN<br />

hoch<br />

SPANIEN<br />

Die Entscheidung, welche Märkte Kantone/Regionen und Bund bearbeiten sollten, orientiert<br />

sich am Subsidiaritätsprinzip. Kantone sollten in jenen Märkten die Verantwortung<br />

tragen, in welchen sie diese mit ihren Ressourcen effektiv wahrnehmen können. Der Bund<br />

sollte in Ländern die Federführung übernehmen, die zwar wichtig sind, in denen die Kantone<br />

aber nicht in der Lage sind, selbständig eine signifikante Anzahl potenzieller Investoren<br />

für sich zu gewinnen.<br />

vertraut sind. Zusätzlich profitieren die kantonalen <strong>Standort</strong>promotoren<br />

von kurzen Entscheidungswegen und der Investor kann während des gesamten<br />

Prozesses von einem einzigen Ansprechpartner betreut werden.<br />

USA<br />

UK<br />

FRANKREICH<br />

DEUTSCHLAND<br />

ITALIEN<br />

Zentrale Bearbeitung<br />

Regionale/kantonale Bearbeitung<br />

Quelle: CS; BCG Analyse<br />

71


STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />

– Ferne Fokusmärkte: In Märkten mit einem hohen Potenzial und geringem<br />

Wissen über die <strong>Schweiz</strong> muss zuerst Aufbauarbeit geleistet werden,<br />

um das Potenzial in Zukunft abschöpfen zu können. Diese Aufbauarbeit<br />

ist sehr ressourcenintensiv und kann sich über viele Jahre erstrecken. Es<br />

stellt sich deshalb die Frage, inwieweit die einzelnen Kantone (insbesondere<br />

kleinere) diese Aufgabe in den relevanten Zielmärkten effektiv wahrnehmen<br />

können. Basierend auf dem Subsidiaritätsprinzip sollte in fernen<br />

Fokusmärkten deshalb ein zentraler <strong>Standort</strong>promotor die Federführung<br />

übernehmen und die Marke <strong>Schweiz</strong> potenziellen Investoren näherbringen.<br />

Dies erleichtert die Bünde-<br />

lung vorhandener Ressourcen<br />

und verbessert damit die Wahrnehmung<br />

der <strong>Schweiz</strong> in diesen<br />

Ländern. Als Nebeneffekt wird<br />

In fernen Fokusmärkten sollte deshalb<br />

ein zentraler <strong>Standort</strong>promotor die Federführung<br />

übernehmen.<br />

zudem die Komplexität für Investoren reduziert, da diese zu Beginn mit<br />

einem Vertreter der <strong>Schweiz</strong> und nicht mit einer Vielzahl von Vertretern<br />

von ihnen unbekannten Kantonen in Kontakt stehen. Zudem erleichtert<br />

es auch den Aufbau des in asiatischen Märkten sehr wichtigen Vertrauensverhältnisses<br />

zwischen Investor und <strong>Standort</strong>promotor.<br />

– Nischenmärkte: Märkte mit geringem Potenzial können opportunistisch<br />

von allen kantonalen und regionalen <strong>Standort</strong>promotoren bearbeitet<br />

werden. Dies kann zum Beispiel angebracht sein, wenn ein <strong>Standort</strong>förderer<br />

spezielle Kontakte zu einem Land pflegt oder dieses aufgrund<br />

einer bestimmten Branche eine besondere Bedeutung für den Kanton<br />

oder die Region hat. Der Bund sollte sich in diesen Märkten zurückhalten,<br />

um seine Ressourcen gezielt in fernen Fokusmärkten einsetzen und<br />

dort die grösstmögliche Wirkung erzielen zu können.<br />

Die Bearbeitung der Zielmärkte muss hohen Qualitätsstandards genügen<br />

und sollte an relevanten Erfolgskennzahlen gemessen werden.<br />

Wichtig ist beispielsweise ein gezieltes Eventmanagement. Dabei bietet<br />

sich an, Veranstaltungen in Kooperation mit Multiplikatoren (z.B. Big 4,<br />

lokale <strong>Business</strong> Networks) zu organisieren und bei der Durchführung auf<br />

die Anwesenheit von Vertretern der offiziellen <strong>Schweiz</strong> (z.B. Boschafter<br />

oder Politiker) zurückzugreifen. Die Teilnehmer dieser Veranstaltungen<br />

BCG<br />

72


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

sollten bewusst ausgewählt werden. So sollten schwerpunktmässig Entscheidungsträger<br />

möglicher Investoren aus den Zielbranchen (vgl. Kapitel<br />

CS) angeschrieben und eingeladen werden. Der Aufbau eines positiven<br />

Images der <strong>Schweiz</strong> sollte<br />

durch möglichst regelmässige<br />

positive Medienberichterstattung<br />

gefördert werden. Zudem<br />

Die Bearbeitung der Zielmärkte muss hohen<br />

Qualitätsstandards genügen.<br />

sollte bei der Direktansprache von Investoren (Kaltakquise) eine hohe<br />

Anzahl erfolgversprechender Besuchstermine mittels vorgängiger telefonischer<br />

Abklärung des Grundinteresses sichergestellt werden.<br />

Während der Erfolg des Eventmanagements und der Direktansprache an<br />

der Anzahl qualitativ hochwertiger Leads gemessen werden sollte, kann<br />

der Erfolg bei den Veranstaltungen anhand der Anzahl relevanter Teilnehmer<br />

beziehungsweise bei der Imagepflege basierend auf der Anzahl<br />

positiver Medienbeiträge beurteilt werden.<br />

Verbesserung der Koordination zwischen den <strong>Standort</strong>promotoren<br />

Die Koordination und Kooperation zwischen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />

sollte mittels zweier Massnahmen verbessert werden. Zum<br />

einen sollte bei einer Anfrage über die zentrale Organisation ein klarer<br />

Prozess zur Leadverteilung und zur Standardisierung von Rückantworten<br />

definiert werden. Zum anderen sollten mittels eines Verhaltenskodexes<br />

(«Gentlemen’s Agreement») übermässige Abwerbungsversuche<br />

zwischen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren verhindert und die Weitergabe<br />

von Leads an andere Kantone gefördert werden.<br />

Leadverteilungs- und Standardisierungsprozess: Im Falle einer konkreten<br />

Anfrage über die zentrale Organisation sieht die aktuelle Regelung<br />

im Deal-Flow-Abkommen zwischen der Osec und den anderen <strong>Schweiz</strong>er<br />

<strong>Standort</strong>promotoren eine Weiterleitung an alle kantonalen und regionalen<br />

<strong>Standort</strong>promotoren vor. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass der<br />

Investor eine Vielzahl von Angeboten aus der <strong>Schweiz</strong> bekommt. In zwei<br />

aktuellen Beispielen erhielten jeweils ein amerikanischer und ein asiatischer<br />

Investor zwischen 10 und 15 Angebote. Des Weiteren gibt es keine<br />

Regelung zur Standardisierung dieser Rückantworten. Dies hat zur Folge,<br />

73


STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />

dass es für Investoren schwierig ist, die wichtigsten Unterschiede sofort<br />

zu erkennen. Die Vielzahl unstandardisierter Angebote kann einen Investor<br />

im schlechtesten Fall so stark verwirren, dass dieser sich grundsätzlich<br />

gegen die <strong>Schweiz</strong> entscheidet und einem Land zuwendet, welches<br />

seine Vorteile auf einfachere und verständlichere Weise anpreist.<br />

Diese Überforderung kann durch eine auf den Bedürfnissen des Investors<br />

basierende Leadverteilung sowie eine Standardisierung der Rückantworten<br />

minimiert werden. Die deutsche <strong>Standort</strong>promotion auf Bundesebene,<br />

Germany Trade and Invest (GTAI), setzt an dieser Stelle einen<br />

strukturierten Prozess ein (Abb. 9). Die Notwendigkeit eines solchen<br />

Prozesses wurde in Deutschland vom Fachbeirat der GTAI, einem Gremium<br />

bestehend aus den Geschäftsführern der <strong>Standort</strong>förderer der<br />

einzelnen deutschen Bundesländer, im Jahre 2007 erkannt und gemeinsam<br />

erarbeitet.<br />

Herzstück des Prozesses sind sowohl die selektive Weiterleitung von<br />

Leads an einzelne Bundesländer als auch die Standardisierung der<br />

Rückantworten durch den GTAI-Projektleiter. Die Entscheidung, an welches<br />

Bundesland ein Lead weitergeleitet wird, findet auf Basis einer<br />

detaillierten Vorabklärung der In-<br />

vestorenbedürfnisse mittels eines<br />

Fragebogens statt. Der GTAI-Projektleiter<br />

entscheidet dann, wel-<br />

che Bundesländer die besten Möglichkeiten<br />

haben, ein erfolgverspre-<br />

Zwischen den <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>-<br />

promotoren besteht teilweise ein nicht<br />

zu unterschätzendes Konkurrenz-<br />

verhältnis.<br />

chendes Angebot an den Interessenten zu formulieren, und gibt den<br />

Lead an diese weiter. Bei Grossprojekten wird dieser Mechanismus allerdings<br />

ausser Kraft gesetzt und die Anfrage wird an alle Bundesländer<br />

weitergeleitet.<br />

Die Rückantworten der einzelnen Bundesländer werden anschliessend<br />

vom GTAI-Projektleiter in einer auf die Bedürfnisse des Investors zugeschnittenen<br />

PowerPoint-Präsentation zusammengefasst und standardisiert.<br />

Die <strong>Standort</strong>promotoren der einzelnen deutschen Bundesländer<br />

begrüssen diese Vorgehensweise explizit: «Wir sind mit der Vorgehens-<br />

BCG<br />

74


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 9: Von Deutschland lernen<br />

1<br />

Anfrage/<br />

detaillierte<br />

Vorabklärung<br />

(Fragebogen)<br />

POTENZIELLER<br />

INVESTOR<br />

Entscheidung<br />

über weiteres<br />

Vorgehen<br />

6<br />

2<br />

Selektive<br />

Weiterleitung<br />

auf Basis der<br />

Vorabklärung<br />

GTAI-<br />

PROJEKT-<br />

LEITER<br />

Standardisierung<br />

der Angebote<br />

zur besseren<br />

Vergleichbarkeit<br />

5<br />

3<br />

Anfrage eines<br />

Angebots von<br />

den Ländern<br />

STANDORT-<br />

FÖRDERER<br />

DER LÄNDER<br />

Angabe eines<br />

<strong>Standort</strong>angebots<br />

innerhalb<br />

einer Frist<br />

4<br />

Viele unstandardisierte Rückantworten überfordern manchen Investor. Das kann durch<br />

eine auf seinen Bedürfnissen basierende Leadverteilung und die Standardisierung minimiert<br />

werden. Die deutsche <strong>Standort</strong>promotion auf Bundesebene, Germany Trade and<br />

Invest (GTAI), setzt einen strukturierten Prozess ein.<br />

weise der GTAI bei der Leadverteilung und dem Standardisierungsprozess<br />

zufrieden und fühlen uns von der GTAI bzw. ihrer Vorgängerorganisation<br />

fair behandelt.»<br />

Abwerbungsversuche und Weitergabe von Leads: Zwischen den <strong>Schweiz</strong>er<br />

<strong>Standort</strong>promotoren besteht teilweise ein nicht zu unterschätzendes<br />

Konkurrenzverhältnis. Dieses äussert sich unter anderem in<br />

Abwerbungsversuchen, welche zu einem aus gesamtschweizerischer<br />

Perspektive ineffizienten Ressourceneinsatz führen. Zudem werden potenzielle<br />

Investoren, welche im eigenen Kanton nicht angesiedelt werden<br />

können, oft nicht gezielt an andere Kantone weiterverwiesen. Gemäss<br />

einem kantonalen <strong>Standort</strong>promotor kann es für ihn aus politischen<br />

Gründen sogar besser sein, wenn ein Investor sich für ein anderes Land<br />

entscheidet, als wenn er sich im Nachbarkanton niederlässt.<br />

Quelle: GTAI<br />

75


STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />

Zur Verbesserung der Kooperation unter den <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />

sollte deshalb im Rahmen eines Verhaltenskodexes («Gentlemen’s<br />

Agreement») festgehalten werden, welche Aktivitäten erwünscht und<br />

welche zu unterlassen sind. So sollten Kantone potenzielle Investoren<br />

aktiv ansprechen können, die Möglichkeit haben, kantonale Vorteile offen<br />

zu propagieren und Leads bei erfolgloser Ansiedlung im eigenen Kanton<br />

an andere Kantone weiterzuleiten. Im Gegensatz dazu sollten Investoren,<br />

welche sich in einem späten Stadium des Prozesses befinden, nicht aktiv<br />

von anderen Kantonen abgeworben werden. Um zu verhindern, dass sich<br />

der Investor letztlich in einem anderen Staat ansiedelt, sollten sich die<br />

einzelnen <strong>Standort</strong>promotoren nicht negativ über die anderen <strong>Schweiz</strong>er<br />

Akteure äussern.<br />

Konklusion Damit die <strong>Schweiz</strong> im sich intensivierenden globalen Wettbewerb<br />

um die Ansiedlung ausländischer Firmen weiterhin bestehen<br />

kann, müssen die <strong>Standort</strong>vorteile im Ausland gezielt vermarktet werden.<br />

Basierend auf der aktuellen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion ergeben sich<br />

drei zentrale Ansatzpunkte, um den Marktauftritt der <strong>Schweiz</strong> zu verbessern<br />

und die verfügbaren Ressourcen möglichst optimal einzusetzen:<br />

– Qualitativ hochwertige, investorenfreundliche Basisinformationen<br />

sollten zentral bereitgestellt und erste Rückfragen professionell beantwortet<br />

werden.<br />

– Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes bei der Marktbearbeitung<br />

sollten sich die Kantone auf die nahen Fokusmärkte konzentrieren, während<br />

der Bund die Federführung in fernen Fokusmärkten übernimmt.<br />

– Die Koordination und Kooperation zwischen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />

sollte durch eine gezielte Leadverteilung, die Standardisierung<br />

von Rückantworten sowie die Formulierung eines «Gentlemen’s Agreement»<br />

verbessert werden.<br />

BCG<br />

76


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

In Kürze<br />

Die <strong>Standort</strong>promotion ist in der <strong>Schweiz</strong> föderalistisch auf-<br />

gebaut und damit primär eine Kompetenz der Kantone.<br />

17 der 26 Kantone haben sich zudem in drei regionalen Organi-<br />

sationen zusammengeschlossen, um nach aussen teilweise<br />

gemeinsam aufzutreten. Zusätzlich gibt es die <strong>Standort</strong>förderung<br />

des Bundes, die von der Osec ausgeübt wird.<br />

Das verfügbare Budget der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />

beträgt insgesamt rund 30 Millionen Franken. Es ist relativ zum<br />

Bruttoinlandprodukt vergleichbar mit dem Budget ähn-<br />

licher Länder wie Österreich und Schweden. Durch die föderalistische<br />

Struktur ist das <strong>Schweiz</strong>er Budget allerdings<br />

deutlich stärker fragmentiert. Der Fokus der Aktivitäten liegt<br />

auf dem EU-Raum, den BRIC-Ländern und den USA, wobei<br />

sich die Kantone tendenziell auf Nahmärkte wie die EU-Länder<br />

konzentrieren.<br />

In Diskussionen mit <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren zeigt sich,<br />

dass alle drei Ebenen (Kantone, Regionen und Bund) klare<br />

Verbesserungspotenziale sehen. Diese kommen auch in einem<br />

Report der Weltbank zum Ausdruck, in welchem die <strong>Schweiz</strong>er<br />

<strong>Standort</strong>promotion lediglich auf Rang 16 von 21 untersuchten<br />

OECD-Ländern liegt.<br />

Zur Optimierung der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion stehen drei<br />

Lösungsansätze im Vordergrund:<br />

– Qualitativ hochwertige, investorenfreundliche Basis-<br />

informationen sollten zentral bereitgestellt und erste Rück-<br />

fragen professionell beantwortet werden.<br />

– Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes bei der Markt-<br />

bearbeitung sollten sich die Kantone auf die nahen Fokus-<br />

märkte konzentrieren, während der Bund die Federführung in<br />

fernen Fokusmärkten übernimmt.<br />

– Die Koordination und Kooperation zwischen <strong>Schweiz</strong>er<br />

<strong>Standort</strong>promotoren sollte durch eine gezielte Leadverteilung,<br />

die Standardisierung von Rückantworten sowie die Formu-<br />

lierung eines «Gentlemen’s Agreement» verbessert werden.


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Wie sich der Marktzugang zur <strong>Schweiz</strong><br />

professionalisieren lässt<br />

Wie bereits dargestellt, ist die schweizerische <strong>Standort</strong>förderung föderalistisch<br />

geprägt, wodurch eine <strong>Standort</strong>konkurrenz innerhalb der <strong>Schweiz</strong> entsteht. Die<br />

Kundenansprache ist zu wenig koordiniert, meist reaktiv und greift erst spät im<br />

Entscheidungsprozess der Zielfirmen ein. Um den Go-to-Market-Prozess zu beschleunigen<br />

sowie Aktivitäten früher und proaktiv tätigen zu können, wird im Folgenden<br />

ein Verfahren dargestellt, womit Zielfirmen identifiziert und segmentiert<br />

werden können. Ergänzend hilft ein gezieltes Key-Account-Management-Konzept,<br />

die Zielkundenansprache zu professionalisieren. In der praktischen Anwendung<br />

am Beispiel Indien hat sich die Umsetzbarkeit bestätigt. Bestätigt wurde auch die<br />

Idee, die Zielfirmen je nach ihrem wirtschaftlichen Gewicht und nach ihrem Fokus<br />

auf Europa über verschiedene Kanäle anzusprechen. Dieses Verfahren ist gegebenenfalls<br />

mit höheren Kosten verbunden; Erfahrungen aus dem <strong>Business</strong>-to-<br />

<strong>Business</strong>-Bereich (B2B-Bereich) zeigen aber, dass es sehr erfolgversprechend ist.<br />

Jan Burger / Alexander Kettenbach, Accenture<br />

Der aktuelle Go-to-Market-Ansatz der <strong>Schweiz</strong> basiert auf <strong>Business</strong> Hubs<br />

in den Zielmärkten und beinhaltet die Teilnahme an Messen, Investorenkonferenzen<br />

und weiteren Aktivitäten, welche jedoch primär reaktiv auf<br />

Anfrage der Zielfirmen hin einge-<br />

setzt werden. Da in der <strong>Schweiz</strong> aufgrund<br />

ihrer föderalistischen Struk-<br />

turen vorwiegend regionale Organisationen<br />

(Kantone oder regionale<br />

Wirtschaftsförderungsverbände wie<br />

Zielfirmen haben aufgrund der unko-<br />

ordinierten Ansprache regionaler<br />

Organisationen oft ein fragmentiertes<br />

Bild der <strong>Schweiz</strong>.<br />

die Greater Zurich Area) mit interessierten Firmen verhandeln, kann<br />

die fehlende Koordination zwischen den verschiedenen Organisationen<br />

zu Verwirrung bei den Zielfirmen und unter Umständen zur Wahl eines<br />

<strong>Standort</strong>s ausserhalb der <strong>Schweiz</strong> führen.<br />

Durch den nachfolgend beschriebenen Go-to-Market-Ansatz wird ein koordiniertes<br />

Vorgehen gefördert, so dass Firmen im Entscheidungsprozess 79


WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />

FOKUS AUF EUROPA —≥<br />

Abb. 1: Auswahl der Zielfirmen<br />

KEIN FOKUS ZIELMARKT EUROPA<br />

UMSATZ —≥<br />

MID VALUE CLIENTS<br />

FIRMA 1<br />

FIRMA 4<br />

TIEF<br />

FIRMA 5<br />

HIGH VALUE CLIENTS<br />

HOCH<br />

FIRMA 2<br />

FIRMA 3<br />

FIRMA 6<br />

Auf der Suche nach «High Value Clients». Die Selektion erfolgt nach Zielmärkten und -regionen<br />

(13 von Nordamerika über Brasilien bis Japan) und nach Zielbranchen (Life Science,<br />

International Management, Wealth Management) – und dann werden vor allem Firmen mit<br />

hohem Umsatz und einem bereits bestehenden strategischen Fokus auf Europa als Zielmarkt<br />

ausgewählt.<br />

proaktiv und frühzeitig angesprochen werden können. Hierbei kann ein<br />

Grossteil der bereits bestehenden Fähigkeiten, wie beispielsweise jene<br />

der <strong>Business</strong> Hubs, wiederverwendet und ausgebaut werden.<br />

Selektion von Unternehmen als Zielkunden Die Auswahl der Zielfirmen<br />

erfolgt in drei Dimensionen: nach Zielmarkt, nach Zielbranche und nach<br />

der Segmentierung der Zielfirmen in Bezug auf ihren Umsatz und ihren<br />

Fokus auf Europa. Zu den etablierten Zielmärkten gehören Nordamerika,<br />

UK, Skandinavien, die Benelux-Staaten, Deutschland, Frankreich<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

ACCENTURE<br />

80


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

und Italien, aus welchen in den letzten Jahren zahlreiche Firmen in die<br />

<strong>Schweiz</strong> übersiedelt sind. Dazu gehören aber auch neue, aufstrebende<br />

Märkte, die in den letzten Jahren global an Einfluss gewonnen haben –<br />

insbesondere Middle East, Russland, Indien, China und Japan. Um neben<br />

den Herkunftsmärkten auch einen Fokus auf Branchen zu legen, welche<br />

in der <strong>Schweiz</strong> besonders gefördert werden können, wurden von der Osec<br />

vorab Life Science, International Management und Wealth Management<br />

als Zielbranchen definiert. Nach der Selektion der Zielfirmen anhand<br />

von Herkunftsmärkten und Zielbranchen werden diese nach Umsatz und<br />

Fokus auf Europa in drei Segmente verteilt: High Value Clients, Mid Value<br />

Clients und Low Value Clients. Als High Value Clients werden Firmen<br />

identifiziert, die einen hohen Umsatz aufweisen und bereits jetzt einen<br />

strategischen Fokus auf Europa haben. Mid Value Clients sind ebenfalls<br />

Firmen mit bestehender europäischer Ausrichtung, welche jedoch mittlere<br />

Umsätze ausweisen. Low Value Clients sind kleinere Firmen, für die<br />

ein Selfservice-Ansatz empfohlen wird.<br />

Wie das Key Account Management ausgestaltet werden könnte Alle<br />

High- und Mid Value Clients werden nach der Identifizierung proaktiv angesprochen,<br />

wobei die Art der Ansprache vom Zielsegment abhängt: High<br />

Value Clients werden von einer Ansprechperson, einem Key Account Manager,<br />

betreut. Dieser kümmert sich um die Situationsanalyse, die Zielfirmensegmentierung<br />

und die<br />

frühzeitige Ansprache der Zielfirmen.<br />

Er begleitet die Verhandlungen<br />

mit der Osec und den<br />

Kantonen und behält weitere<br />

Belange des Kunden im Auge.<br />

Für Mid Value Clients wird ein<br />

standardisiertes Kampagnen-<br />

High Value Clients werden bei diesem Konzept<br />

von dedizierten Key Account Mana-<br />

gers betreut, für Mid Value Clients gibt es ein<br />

zentrales Kampagnenmanagement und<br />

für Low Value Clients werden Selfservice-<br />

Möglichkeiten angeboten.<br />

management pro Zielmarkt erarbeitet, in welchem die entsprechenden<br />

Firmen koordiniert angesprochen werden. Die Kampagnenmanagementpläne<br />

werden durch das Key Account Management sowie die Osec und<br />

die <strong>Business</strong> Hubs ausgearbeitet. Für Low Value Clients wird ein Selfservice-Ansatz<br />

empfohlen, welcher beispielsweise mit Hilfe einer Website<br />

umgesetzt wird.<br />

81


WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />

Abb. 2: Vom ersten Kontakt zur Übersiedlung<br />

EINBINDUNGSGRAD<br />

PARTNER<br />

KANTONE<br />

OSEC<br />

IDENTIFIZIERUNG & SEGMENTIERUNG DER ZIELFIRMEN<br />

PROAKTIVE ANSPRACHE DER ZIELFIRMEN JE NACH SEGMENT<br />

GEMEINSAME ERARBEITUNG EINES BUSINESS CASE<br />

VERHANDLUNGEN MIT OSEC / KANTONEN<br />

ÜBERSIEDLUNG IN DIE SCHWEIZ<br />

Je weiter die Konkretisierung der Ansiedlung voranschreitet, umso stärker kommen die<br />

Kantone zum Zuge. Zu Beginn – bei der Identifizierung und Segmentierung der Zielfirmen –<br />

liegt das Schwergewicht der Tätigkeiten eher bei der Osec.<br />

Der Go-to-Market-Ansatz ist von folgenden Aktivitäten geprägt: Nach der<br />

Identifizierung und Segmentierung der Zielfirmen werden diese je nach<br />

Segment frühzeitig und proaktiv über die <strong>Standort</strong>vorteile der <strong>Schweiz</strong><br />

informiert und beraten. Dabei werden passende Übersiedelungsszenarien<br />

skizziert. In dieser Phase tritt der Ansprechpartner stellvertretend<br />

für die ganze <strong>Schweiz</strong> auf, regionale Unterschiede werden vorerst in<br />

den Hintergrund gestellt. Konnte das Interesse an einer Übersiedlung<br />

geweckt werden, arbeiten die Zielfirma, die Osec und die Kantone gemeinsam<br />

einen <strong>Business</strong> Case aus. Dieser beinhaltet nun auch erste regionale<br />

Aspekte, damit in den weiteren Schritten ein stärkeres Gewicht<br />

auf die Vorzüge der einzelnen Regionen der <strong>Schweiz</strong> gelegt werden kann.<br />

Darauf folgen die Verhandlungen zur Übersiedlung und schliesslich der<br />

tatsächliche Umzug.<br />

Zu Beginn ist die Osec relativ stark in diesen Prozess eingebunden; in<br />

den eigentlichen Verhandlungen und bei der tatsächlichen Übersiedlung<br />

sind überwiegend die Kantone und Städte eingebunden. Beide Instanzen<br />

werden während des gesamten Prozesses von Partnern unterstützt.<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

ACCENTURE<br />

82


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 3: Beziehungsaufbau<br />

ZIELFIRMEN<br />

Ansprachen<br />

Anfragen<br />

KEY ACCOUNT<br />

MANAGER<br />

IDENTIFIZIERUNG<br />

LEAD-MANAGEMENT<br />

AUFBAU DER KUNDENBEZIEHUNG/<br />

VERHANDLUNG MIT OSEC<br />

UND KANTONEN<br />

UNTERSTÜTZUNG<br />

BEI UMSIEDLUNG<br />

SCHWEIZ ALS ATTRAKTIVER<br />

STANDORT FÜR GLOBALE FIRMEN<br />

Kooperation<br />

Information<br />

Für High Value Clients eines jeweiligen Zielmarktes dienen Key Account<br />

Managers als zentrale Ansprechpartner und stimmen sich je nach Bedarf<br />

mit der Osec, den Kantonen und den <strong>Business</strong> Hubs ab. Ihr Aufgabenbereich<br />

erstreckt sich von der Identifizierung bis hin zur Übersiedlung:<br />

Aufgrund von Marktänderungen ist die Identifizierung der Zielfirmen ein<br />

fortwährender Prozess. Wie bereits im letzten Abschnitt beschrieben,<br />

werden die identifizierten High Value Clients frühzeitig und proaktiv angesprochen<br />

und bis zur Übersiedlung vom Key Account Manager umfassend<br />

betreut. Um die Erfolge messen zu können, betreut der Key Account<br />

Manager darüber hinaus ein Pipeline-Management.<br />

Für Mid Value Clients wird pro Zielmarkt eine Kampagnenplanung erarbeitet,<br />

welche vor allem Messen, Investorenkonferenzen, Dinner Events,<br />

OSEC, KANTONE<br />

BUSINESS HUBS<br />

Für die High Value Clients ist es unerlässlich, auf einen Key Account Manager zu setzen.<br />

Er bildet die Schnittstelle zwischen den potenziellen Partnern auf der einen und der Osec,<br />

Kantonen und <strong>Business</strong> Hubs auf der anderen Seite. Die Betreuung geht auch nach der<br />

Ansiedlung weiter – Erfolgskontrolle.<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

83


WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />

Abb. 4: Massnahmenkatalog für Mid Value Clients<br />

KONFERENZEN<br />

Unterstützung<br />

MESSEN<br />

ZIELFIRMEN<br />

INFORMATIONEN Anfragen<br />

OSEC, KANTONE<br />

BUSINESS HUBS<br />

KAMPAGNENPLANUNG<br />

UND -REPORTING<br />

EINLADUNG AN EVENTS /<br />

GEZIELTE ANSPRACHE<br />

UNTERSTÜTZUNG<br />

BEI PLANUNG<br />

UNTERSTÜTZUNG<br />

BEI UMSIEDLUNG<br />

SCHWEIZ ALS ATTRAKTIVER<br />

STANDORT FÜR GLOBALE FIRMEN<br />

Für die Mid Value Clients sollten einerseits Online-Informationsdienste angeboten werden,<br />

andererseits Einladungen zu passenden Messen und Events erfolgen. An diesen Aktivitäten<br />

sind auf <strong>Schweiz</strong>er Seite alle Betroffenen beteiligt: Osec, Kantone, <strong>Business</strong> Hubs.<br />

Media Tours und Publikationen umfasst. Die Zielfirmen werden je nach<br />

Profil an entsprechende Events eingeladen, wo ein erster Kontakt möglich<br />

ist. Zusätzlich wird eine länderspezifische Website zur Verfügung gestellt,<br />

wo die Osec und die Kantone einheitlich auftreten. Bei der Planung<br />

der Übersiedlung unterstützen die Osec, die Kantone und <strong>Business</strong> Hubs<br />

den Kunden gemeinsam, während die <strong>Business</strong> Hubs den Kunden für Verhandlungen<br />

zur Seite stehen.<br />

Low Value Clients werden nicht proaktiv angesprochen. Vielmehr wird ihnen<br />

ein koordiniertes, integriertes Selfservice-Angebot unterbreitet, anhand<br />

dessen sie sich über die <strong>Schweiz</strong> als Wirtschaftsstandort informieren<br />

und mit der Osec Kontakt aufnehmen können. Ein Selfservice-Ansatz<br />

könnte beispielsweise eine länderspezifische Website beinhalten, die während<br />

der Erstellung des Kampagnenmanagements mit erarbeitet wird. So<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

ACCENTURE<br />

84


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

ist die Integrierung der anderen Marketingaktivitäten (Messen, Investorenkonferenzen<br />

usw.) gewährleistet und den Low Value Clients die Möglichkeit<br />

geboten, Kontakt aufzunehmen. Sobald eine Zielfirma Kontakt aufnimmt,<br />

wird sie entsprechend dem Aktivitätenplan im Prozess der <strong>Standort</strong>entscheidung<br />

optimal von den entsprechenden Stellen unterstützt.<br />

Mögliche Gestaltung eines Governance-Modells Die Ansprache der<br />

Segmente erfolgt je nach Zielmarkt und Zielfirma anfangs von der Osec<br />

oder den Kantonen. Grundsätzlich sollen die High- und Mid Value Clients<br />

von der Osec und den Kantonen gemeinsam und koordiniert angesprochen<br />

werden, während Low Value Clients nach selbständiger Kontaktaufnahme<br />

von derjenigen Instanz betreut werden, welche die beste Unterstützung<br />

anbieten kann. Das empfohlene Governance-Modell nach Segmenten kann<br />

durch Variationen und Kombinationen verfeinert werden:<br />

Eine Möglichkeit zur Verfeinerung ist die Betreuung der Zielmärkte durch<br />

die Osec, während Kantone, die sich in spezifischen Industrien spezialisiert<br />

und etabliert haben, Zielfirmen aus den entsprechenden Branchen<br />

betreuen. Im Laufe des Prozesses können auch die Zuständigkeiten variiert<br />

werden: Während die Osec zu Beginn stärker im Entscheidungsprozess<br />

eingebunden ist, steigert sich das Engagement der Kantone kontinuierlich<br />

bis hin zur Übersiedlung. Des Weiteren besteht die Möglichkeit,<br />

die Engagements nach Ländern<br />

aufzuteilen: Nahe gelegene Län-<br />

der könnten tendenziell eher von<br />

den Kantonen, entfernte Länder<br />

von der Osec bearbeitet werden,<br />

da teilweise bereits Kooperatio-<br />

Zuständigkeiten können neben den Segmen-<br />

ten auch nach Zielmarkt, Branchen,<br />

geographischer Nähe oder Sprache verteilt<br />

werden.<br />

nen der Kantone mit Nachbarländern existieren. Ausserdem ist zu prüfen,<br />

ob eine Verteilung der Zuständigkeiten nach Sprachen sinnvoll ist.<br />

Praxisbezug eines solchen Ansatzes Um den Praxisbezug eines solchen<br />

Ansatzes zu prüfen, wurde in Indien eine beispielhafte Segmentierung<br />

durchgeführt und ein Kampagnenmanagementplan erstellt. Der Erfolg<br />

bestätigt die Umsetzbarkeit des Key-Account-Management-Ansatzes in<br />

jeder Hinsicht.<br />

85


WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />

STRATEGISCHER FOKUS AUF EUROPA —≥<br />

Abb. 5: Praxistest zur Identifizierung und Segmentierung<br />

MID VALUE CLIENTS<br />

UMSATZ (IN USD) —≥<br />

HIGH VALUE CLIENTS<br />

12 8<br />

10 19<br />

> 300 MIO. < 600 MIO.<br />

> 600 MIO.<br />

In Indien wurden aus der «Economic Times»-Top-500-Liste die umsatzstärksten Unternehmen<br />

aus den Bereichen Banking, Pharma, Finanzwesen ausgewählt und nach ihrer<br />

Europa-Fokussierung sortiert. Die vielversprechendsten acht Firmen sind dabei jene im<br />

Quadrant oben rechts.<br />

Die Selektion der Zielfirmen erfolgte auf Basis der ET500, eines «Economic<br />

Times»-Rankings der Top-500-Firmen Indiens. Aus diesen 500 Firmen<br />

wurden jene in Betracht gezogen, welche im Banken-, Pharma- oder<br />

Finance-Umfeld tätig sind. Für die Segmentierung wurden nur Firmen<br />

analysiert, die einen Mindestumsatz von 300 Millionen Dollar aufweisen.<br />

In der Segmentierung wurden zwei Dimensionen angewendet: der Fokus<br />

der Zielfirmen auf Europa sowie der aktuelle Umsatz und die Umsatzentwicklung<br />

der letzten fünf Jahre (in US-Dollar). Der Fokus auf Europa<br />

wurde evaluiert, indem geprüft wurde, ob Headquarters, Produktionsstätten<br />

oder Marketing-Büros in Europa etabliert oder in Planung sind<br />

oder ob aktuelle Allianzen mit europäischen Firmen bestehen.<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

ACCENTURE<br />

86


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Die Mengenverteilung in den Segmenten lässt darauf schliessen, dass<br />

die proaktive und individuelle Ansprache der Zielfirmen nach Segment<br />

mit einem Key Account Manager pro Land möglich sein sollte. Während<br />

der Segmentierung ist<br />

aufgefallen, dass viele Firmen Für High Value Clients und Mid Value<br />

aus weiteren Branchen für die Clients werden verschiedene Ansprache-<br />

<strong>Schweiz</strong> interessant wären. ansätze gewählt, wobei die zugrun-<br />

Daher wird empfohlen, neben deliegenden Events für beide Segmente<br />

den von der Osec identifizierten<br />

Zielbranchen auch zusätzliche<br />

gemeinsam genutzt werden können.<br />

Branchen wie zum Beispiel Consumer Goods, Retail und High Tech in den<br />

Fokus mit aufzunehmen, zumal die <strong>Schweiz</strong> hier auch ausgewiesene Erfahrungen<br />

durch bereits angesiedelte Firmen vorweisen kann.<br />

Nach der erfolgreichen Segmentierung der Zielfirmen wurde ein Kampagnenmanagementansatz<br />

ausgearbeitet, welcher für jedes Segment<br />

einen einzelnen Strang ausweist, gleichzeitig aber auch Synergien<br />

zwischen den verschiedenen Ansprachekonzepten hervorbringt. Bei<br />

High Value Clients nimmt der Key Account Manager mit den Entscheidungsträgern<br />

Kontakt auf und lädt diese persönlich beispielsweise zu<br />

exklusiven Events ein. Mid Value Clients werden vorwiegend zu Investorenkonferenzen,<br />

Messen und Events in den Zielmärkten und -branchen<br />

eingeladen.<br />

Kosten-Nutzen-Betrachtung eines solchen Ansatzes Auf der Grundlage<br />

der beispielhaften Segmentierung und von Erfahrungen im B2B-<br />

Bereich wurde ein <strong>Business</strong> Case gerechnet, gemäss dem eine positive<br />

Bilanz des Key-Account-Management-Ansatzes erwartet werden kann.<br />

Generell sind auf der Aufwandseite vor allem die Key Account Manager,<br />

der zusätzliche Kommunikationsaufwand und die Kosten zum Aufbau<br />

von notwendigen Fähigkeiten zu beachten. Für die Umsetzung des Key-<br />

Account-Management-Ansatzes werden gegebenenfalls zusätzliche<br />

Planstellen benötigt. Darüber hinaus erhöhen sich der Planungs- und<br />

der Durchführungsaufwand aufgrund erhöhter Kommunikationstätigkeit<br />

und der Aufwand für den raschen Aufbau der benötigten Fähigkeiten wie<br />

beispielsweise Segmentierung und Marktforschung. Dem stehen eine<br />

87


WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />

Abb. 6: Potenzielle Erhöhung des jährlichen BIP nach fünf Jahren<br />

MIO. BIP P.A.<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

JAHRE<br />

Indien: 90 Mio. BIP-Erhöhung nach 5 Jahren<br />

Zielländer: 900 Mio. BIP-Erhöhung nach 5 Jahren<br />

Am Beispiel Indien wird anhand von Osec-Statistiken mit einer BIP-Erhöhung von 18 Mio.<br />

CHF pro Jahr gerechnet. Bei einer Hochrechnung auf zehn Zielländer kann demzufolge von<br />

einer BIP-Erhöhung von jährlich 900 Mio. dank dem Key-Account-Management-Ansatz<br />

ausgegangen werden.<br />

Erhöhung des BIP, zusätzliche Steuereinnahmen und neu geschaffene<br />

Arbeitsplätze gegenüber.<br />

Eine Gegenüberstellung von Schätzungen aktueller Wandlungsraten und<br />

Erfahrungswerten bei Key-Account-Management-Ansätzen aus dem B2B-<br />

Bereich zeigt, dass durch die proaktive, frühzeitige Ansprache vor allem<br />

bei High- und Mid Value Clients die Wandlungsquoten erhöht werden<br />

können. Bei High Value Clients kann basierend auf den B2B-Erfahrungen<br />

eine Steigerung der derzeitigen Wandlungsrate um den Faktor 2,5 erwartet<br />

werden. Da auch Mid Value Clients proaktiv angesprochen werden,<br />

wird auch hier eine Erhöhung der Wandlungsrate um den Faktor 1,25 erwartet.<br />

Da für Low Value Clients zwar ein einheitlicher Auftritt angeboten<br />

4<br />

5<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

ACCENTURE<br />

88


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

wird, sie jedoch weiterhin reaktiv angesprochen werden, wird in diesem<br />

Segment mit keiner Erhöhung der Wandlungsrate gerechnet.<br />

Am Beispiel Indien, wo acht High Value Clients identifiziert wurden, wird<br />

ersichtlich, dass eine Wandlungsrate von beispielsweise fünf statt zwei<br />

Prozent bedeutet, dass jährlich zusätzlich 0,24 Firmen in die <strong>Schweiz</strong><br />

übersiedeln.<br />

Aus Osec-Statistiken geht hervor, dass die Übersiedlung einer Firma<br />

durchschnittlich einen BIP-Zuwachs von 75 Millionen Franken und 450<br />

zusätzliche Arbeitsplätze für<br />

die <strong>Schweiz</strong> mit sich bringt.<br />

Wenn sich zusätzlich 0,24 Firmen<br />

aus Indien in der <strong>Schweiz</strong><br />

niederlassen, bringt das eine<br />

BIP-Erhöhung von 18 Milionen<br />

<strong>Business</strong>-to-<strong>Business</strong>-Erfahrungen<br />

zeigen: Vor allem bei High- und Mid Value<br />

Clients kann eine erhöhte Erfolgsquote<br />

erwartet werden.<br />

Franken und 108 neue Arbeitsplätze. Wenn vergleichbare Werte in zehn<br />

Zielmärkten erreicht werden, steigt das BIP jährlich um 180 Millionen<br />

Franken – in fünf Jahren bereits um 900 Millionen.<br />

Kritische Erfolgsfaktoren Um den Go-to-Market-Ansatz des <strong>Standort</strong>s<br />

<strong>Schweiz</strong> bis 2015 erfolgreich zu fördern, sind vier kritische Erfolgsfaktoren<br />

zu beachten: eine professionelle Segmentierung, ein durchdachtes<br />

und professionell umgesetztes Key Account Management, eine proaktive<br />

Ansprache früh im Entscheidungsprozess und ein einheitliches Branding<br />

und Marketing der <strong>Schweiz</strong>.<br />

Die Basis des Go-to-Market-Ansatzes bildet eine professionelle, einheitliche<br />

und mehrdimensionale Aufteilung eines Zielmarktes in Zielkundensegmente.<br />

Basierend auf dieser Segmentierung werden unterschiedliche<br />

Ansprachen angewendet, um Kunden in diesem Segment zu<br />

bedienen. Hierfür müssen gezielte Fähigkeiten für Marktforschung und<br />

Zielkundensegmentierung rasch aufgebaut und leistungsstarke Marketingwerkzeuge<br />

zur Verfügung gestellt werden. Zur erfolgreichen Umsetzung,<br />

vor allem im High-Value-Bereich, ist es darüber hinaus nötig,<br />

ein professionelles Key-Account-Management-Konzept einzuführen. Die<br />

89


WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />

ACCENTURE<br />

Etablierung des Key Account Manager als zentraler Ansprechpartner<br />

bei High Value Clients ist bei diesem Ansatz eine zentrale Komponente,<br />

während das Kampagnenmanagement für High- sowie Mid Value Clients<br />

kundenzentriert und marktbasiert etabliert werden muss, um die Zielfirmen<br />

optimal, das heisst insbesondere<br />

frühzeitig, anzuspre- Der Erfolg steht und fällt mit der professichen.<br />

Ziel ist es, proaktiv einen onellen Segmentierung, dem optimalen Key<br />

gemeinsamen <strong>Business</strong> Case zu Account Management und dem einheitentwickeln<br />

und nicht erst reak- lichen Branding und Marketing der <strong>Schweiz</strong>.<br />

tiv auf Anfrage des Kunden zu<br />

handeln. Die zentrale Komponente bei allen erwähnten Aktivitäten ist es,<br />

den Zielfirmen aus allen Segmenten und Ländern ein einheitliches Bild<br />

der <strong>Schweiz</strong> zu präsentieren. Hierbei ist das Ziel, in einem ersten Schritt<br />

potenzielle Interessenten davon zu überzeugen, die <strong>Schweiz</strong> als Unternehmensstandort<br />

auszuwählen. Erst in einem zweiten Schritt erfolgt die<br />

Evaluation geeigneter <strong>Standort</strong>e innerhalb des Landes, die den Vorteilen<br />

der verschiedenen Regionen Rechnung trägt.<br />

Beurteilung eines solchen Ansatzes und Empfehlungen Nachdem ein<br />

Key-Account-Management-Ansatz ausgearbeitet und dessen Machbarkeit<br />

geprüft worden ist, wird die rasche Umsetzung eines solchen Ansatzes<br />

empfohlen. Folgende Quick Wins lassen sich realisieren, während<br />

weitere Aktivitäten zeitnah angegangen werden sollten. So kann der<br />

Marktzugang zur <strong>Schweiz</strong> zweckmässig professionalisiert werden und<br />

die erwünschten Benefits sind relativ bald spürbar.<br />

Während der Analysephase wurden vier Aktivitäten identifiziert, welche<br />

sich als Quick Wins eignen und daher umgehend umgesetzt werden könnten.<br />

Einer dieser Quick Wins stellt die Erstellung einer globalen, gemeinsamen,<br />

marktführenden Website von der Osec und den Kantonen dar. Zu<br />

einem späteren Zeitpunkt soll für jeden Zielmarkt eine länderspezifische<br />

Website von der Osec und den Kantonen erstellt werden, wobei diese ein<br />

einheitliches Bild vermitteln sollten, ohne sich gegenseitig oder mit der<br />

übergreifenden Website zu konkurrenzieren. Um dies zu gewährleisten,<br />

ist zu prüfen, ob die Länderwebsites auf Basis einer übergreifenden Website<br />

erstellt werden. Ein zweiter Quick Win ist die initiale Segmentierung<br />

90


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

der Zielfirmen für dedizierte Zielmärkte und Zielbranchen. Der Aufwand<br />

für die Segmentierung hält sich in Grenzen, während der Nutzen, aufgrund<br />

einer Vergleichsbasis für die zukünftigen Übersiedlungen und einer ersten<br />

Übersicht der Märkte, stark ins Gewicht fällt. Der dritte identifizierte<br />

Quick Win bezieht sich auf die bereits existierenden Kampagnen- oder<br />

Aktivitätenpläne. Diese können mit verhältnismässig geringem Aufwand<br />

überprüft und für den Key-Account-Management-Ansatz optimiert werden.<br />

Als letzter Quick Win wurden die aktuellen Publikationen, Messe-<br />

teilnahmen und Investorenkonferenzen identifiziert. Diese können mit<br />

wenig Aufwand auf die High- und Mid Value Clients angepasst und somit<br />

für den Key-Account-Management-Ansatz optimiert werden.<br />

Es empfiehlt sich, die Aktivitäten baldmöglichst im Detail zu identifizieren<br />

und zu beschreiben. Unbedingt am Anfang aller Bemühungen steht<br />

die Ausgestaltung des Key-Ac-<br />

count-Management-Konzepts,<br />

stellt es doch den Schlüsselfaktor<br />

dieses Ansatzes dar. Danach<br />

folgen die Berechnung des Konzeptes<br />

in einem detaillierten<br />

<strong>Business</strong> Case und die Definierung<br />

des Governance-Modells.<br />

Schnell und erfolgversprechend umsetzbar<br />

sind die Erstellung einer einheitlichen<br />

Website, die initiale Zielfirmensegmentierung<br />

und die Anpassung vorhandener<br />

Fähigkeiten an den Key-Account-Management-Ansatz.<br />

Darüber hinaus müssen Aktivitäten wie beispielsweise die Rekrutierung<br />

der Key Account Manager oder der Aufbau benötigter Fähigkeiten, die<br />

Erstellung von Länder-Websites, die proaktive Ansprache der Zielfirmen<br />

und die Einführung von Reporting-Tools zur Erfolgsmessung ausgearbeitet<br />

und geplant werden.<br />

91


WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />

In Kürze<br />

Die schweizerische <strong>Standort</strong>promotion ist stark fragmentiert.<br />

Bundesstellen, Kantone und Gemeinden gehen häufig<br />

unkoordiniert vor. Es ist unklar, wer wen zu welchem Zeitpunkt<br />

kontaktiert. Das führt zu langsamen Prozessen,<br />

zu reaktivem Eingreifen und gelegentlich zum Verlust eines<br />

potenziellen Kunden.<br />

ACCENTURE<br />

Das dargestellte Konzept setzt bei den Zielfirmen an. Diese<br />

müssen ausfindig gemacht und je nach Grösse und<br />

Europa-Orientierung unterschiedlich angesprochen werden.<br />

Dazu werden sie in drei Kategorien (High-, Mid- und Low-<br />

Value Clients) eingeteilt. Für die Kategorie High Value ist ein<br />

Key Account Manager einzusetzen, der die Zielfirma auf<br />

dem ganzen Weg bis zur Übersiedlung in die <strong>Schweiz</strong> begleitet.<br />

Mid Value Clients werden branchenspezifisch betreut.<br />

Low Value Clients können sich in einem leicht zugänglichen<br />

Informationssystem selbst bedienen.<br />

Das neue Konzept wird möglicherweise etwas teurer,<br />

aber nach konservativen Schätzungen sollte es die Erfolgs-<br />

quote der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion deutlich<br />

verbessern. Das dürfte sich bei konsequenter Umsetzung<br />

und gleichen Umständen innerhalb von fünf Jahren<br />

in einem BIP-Wachstumsbeitrag von bis zu 900 Millionen<br />

Franken niederschlagen.<br />

92


WIE DIE SCHWEIZ GESEHEN WIRD


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Wie internationale Manager<br />

den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> beurteilen<br />

In der Rangliste der attraktivsten <strong>Standort</strong>e belegt die <strong>Schweiz</strong> nach Deutschland<br />

den zweiten Platz. Internationale Unternehmen schätzen vor allem die politische<br />

Stabilität und die Rechtssicherheit. Das <strong>Schweiz</strong>er Steuersystem verliert<br />

hingegen an Attraktivität und ist nicht mehr einer der Top-<strong>Standort</strong>faktoren. Zudem<br />

trauen die befragten Manager der <strong>Schweiz</strong> zu, die Wirtschaftskrise am besten<br />

zu meistern. Das starke Bankensystem führen sie als wichtigsten Erfolgsfaktor<br />

zur Krisenbewältigung an. Die grössten Herausforderungen für die <strong>Schweiz</strong><br />

liegen zukünftig in den Bereichen Innovation und Unternehmergeist sowie Forschung<br />

und Entwicklung.<br />

Markus Thomas <strong>Schweiz</strong>er, Ernst & Young<br />

Wie attraktiv ist der <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> für ausländische Investoren? Was<br />

sind die wichtigsten <strong>Standort</strong>faktoren? Und wie hat sich das Image der<br />

<strong>Schweiz</strong> vor dem Hintergrund der aktuellen Krise verändert? Um diese<br />

und weitere Fragen zu beantworten, hat im August 2009 ein unabhängiges<br />

Marktforschungsinstitut im Auftrag von Ernst & Young 700 international<br />

tätige Unternehmen weltweit befragt. 1 204 der Unternehmen haben<br />

aktuell Aktivitäten in der <strong>Schweiz</strong>. Befragt wurden Führungskräfte, darunter<br />

Geschäftsleiter, Bereichsleiter und Verwaltungsräte multinationaler<br />

Unternehmen.<br />

Die attraktivsten Länder der Welt Die <strong>Schweiz</strong> geniesst bei internationalen<br />

Unternehmen einen sehr guten Ruf: 20 Prozent der Unternehmen bezeichnen<br />

die <strong>Schweiz</strong> – nach Deutschland mit 23 Prozent – als einen der<br />

attraktivsten Investitionsstandorte weltweit. Damit belegt die <strong>Schweiz</strong><br />

1 Als Grundlage für die Befragung diente der European Investment<br />

Monitor (EIM) von Ernst & Young. Seit 1997 verfolgt die Datenquelle<br />

ausländische Direktinvestitionsprojekte, die neue Betriebsstätten<br />

und/oder neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Durch den Ausschluss<br />

von Portfolioinvestitionen liefert der European Investment<br />

Monitor einen detaillierten Überblick über die tatsächlichen Investitionen<br />

im Produktions- oder Dienstleistungsbereich durch ausländische<br />

Unternehmen in Europa. 95


WIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN<br />

Abb. 1: Investitionsstandorte: Platz 2 für <strong>Schweiz</strong><br />

Deutschland<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

USA<br />

Frankreich<br />

Grossbritannien<br />

China<br />

Indien<br />

Niederlande<br />

Russland<br />

Irland<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25%<br />

«WENN IHR UNTERNEHMEN WICHTIGE GESCHÄFTSBEREICHE INS AUSLAND VERLAGERN<br />

WÜRDE, WELCHES LAND ERSCHEINT IHNEN AKTUELL AM ATTRAKTIVSTEN?»<br />

Die <strong>Schweiz</strong> ist neben Deutschland der attraktivste <strong>Standort</strong> für ausländische Investoren.<br />

Jeder fünfte Manager bezeichnet die <strong>Schweiz</strong> als einen der Top-Investitionsstandorte weltweit,<br />

wenn es um die Verlagerung wichtiger Geschäftsbereiche ins Ausland geht.<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>Switzerland</strong> 2009 – <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009<br />

Platz zwei der am meisten präferierten Länder, wenn es um die Verlagerung<br />

wichtiger Geschäftsbereiche ins Ausland geht.<br />

Den dritten Platz belegen die USA mit elf Prozent. Den vierten und den<br />

fünften Platz im Länderranking teilen sich Frankreich und Grossbritannien<br />

mit jeweils zehn Prozent. Insgesamt befinden sich sechs europäische<br />

Länder unter den Top-10-Investitionsstandorten weltweit, allesamt aus<br />

Westeuropa.<br />

ERNST & YOUNG<br />

96


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Die Schwellenländer China, Indien und Russland stehen zwar noch nicht<br />

so hoch in der Gunst der Investoren, dennoch ist insbesondere China den<br />

westeuropäischen Ländern Frankreich und Grossbritannien deutlich auf<br />

den Fersen.<br />

<strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong>: Stärken und Schwächen Besonders geschätzt<br />

wird die <strong>Schweiz</strong> für ihre politische Stabilität und die Rechtssicherheit.<br />

97 Prozent der Befragten bezeichnen den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> hinsichtlich<br />

dieses Faktors als attraktiv. Ähnlich gute Noten erhält die <strong>Schweiz</strong>, was<br />

die Lebensqualität und das soziale Klima angeht. Diese <strong>Standort</strong>faktoren<br />

erzielten jeweils 96 Prozent der positiven Bewertungen; im Jahr 2007<br />

lag der Anteil noch bei jeweils 100 Prozent. Ebenfalls gute Noten erhält<br />

die <strong>Schweiz</strong> auch in Bezug auf die Kaufkraft und die Transport- und Logistikinfrastruktur.<br />

Deutliche Einbussen hat hingegen die Attraktivität des Steuersystems<br />

zu verzeichnen. Während die befragten Manager im Jahr 2007 diesen<br />

<strong>Standort</strong>faktor noch als viertwichtigsten – nach der Lebensqualität,<br />

dem sozialen Klima und der politischen Stabilität und Rechtssicherheit<br />

– klassifizierten, rückt er in der aktuellen Befragung merklich in den Hintergrund<br />

und belegt nur noch Rang 11 der wichtigsten <strong>Standort</strong>faktoren.<br />

Alles in allem, so scheint es, sind ausländische Unternehmen der Meinung,<br />

dass die <strong>Schweiz</strong> in den vergangenen Jahren weiter an Attraktivität<br />

gewonnen habe. Im Vergleich<br />

zu 2007 sehen 41 Prozent der Befragten<br />

eine Verbesserung der<br />

<strong>Standort</strong>qualität und nur 23 Pro-<br />

zent eine Verschlechterung. Al-<br />

lerdings zeigt sich, dass der An-<br />

Folge der Steuerdebatten? Das <strong>Schweiz</strong>er<br />

Steuersystem verliert an Attraktivität<br />

und ist nicht mehr einer der Top-<strong>Standort</strong>faktoren.<br />

teil derer, die eine Verbesserung der <strong>Standort</strong>qualität wahrnehmen,<br />

deutlich abgenommen hat (minus 29 Prozentpunkte), während die Zahl<br />

der Kritiker grösser geworden ist (plus acht Prozentpunkte).<br />

Investitionsabsichten ausländischer Unternehmen Die aktuelle Wirtschaftskrise<br />

scheint sich zudem in den Investitionsplänen der Unter-<br />

97


WIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN<br />

Abb. 2: Stärken sind politische Stabilität und Rechtssicherheit<br />

Politische Stabilität und Rechtssicherheit (97%/98%)<br />

Lebensqualität (96%/100%)<br />

Soziales Klima (96%/100%)<br />

Kaufkraft (94%/–)<br />

sehr attraktiv eher attraktiv<br />

58% 39%<br />

Infrastruktur für Transport und Logistik (94%/81%)<br />

Attraktivität des Steuersystems (90%/96%)<br />

71% 25%<br />

51% 45%<br />

50% 44%<br />

36% 58%<br />

47% 43%<br />

«WIE BEWERTEN SIE DIE SCHWEIZ HINSICHTLICH DER FOLGENDEN STANDORTFAKTOREN?»<br />

(Ergebnisse 2009 / Ergebnisse 2007)<br />

Zu den Top-<strong>Standort</strong>faktoren der <strong>Schweiz</strong> zählen politische Stabilität und Rechtssicherheit,<br />

Lebensqualität und soziales Klima. Im Vergleich zu 2007 hat das <strong>Schweiz</strong>er Steuer-<br />

system an Attraktivität verloren und zählt nicht mehr zu den Top-<strong>Standort</strong>faktoren.<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>Switzerland</strong> 2009 – <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009<br />

nehmen niederzuschlagen. Nachdem 2007 insgesamt 74 Prozent der befragten<br />

Unternehmen planten, in der <strong>Schweiz</strong> zu investieren, sank dieser<br />

Anteil im Jahr 2009 auf 50 Prozent. Allerdings sind jene Unternehmen,<br />

die bereits in der <strong>Schweiz</strong> tätig sind, besonders aktiv: Von ihnen planen<br />

74 Prozent Folgeinvestitionen. Zurückhaltender geben sich Unternehmen,<br />

die nicht in der <strong>Schweiz</strong> tätig sind. In dieser Gruppe liegt der Anteil<br />

derer, die Investitionen planen, bei nur 28 Prozent.<br />

Trotz der gesunkenen Attraktivität des Investitionsstandorts <strong>Schweiz</strong><br />

ist die Zahl der potenziellen Auswanderer nur leicht gestiegen. Waren es<br />

ERNST & YOUNG<br />

98


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

2007 erst 24 Prozent, die daran dachten, ihre <strong>Schweiz</strong>er Aktivitäten ganz<br />

oder teilweise in andere Länder zu verlagern, sind es im Jahr 2009 bereits<br />

26 Prozent. Der<br />

Druck auf den <strong>Standort</strong><br />

bleibt somit bestehen.<br />

Wichtigstes Ar-<br />

gument für Verlage-<br />

Die Höhe der Personal- und Produktionskosten<br />

in der <strong>Schweiz</strong> ist Haupt-<br />

treiber für Abwanderungen ins Ausland.<br />

rungen bleiben die hohen Personal- und Produktionskosten – sie geben<br />

bei nahezu der Hälfte der potenziellen Abwanderer den Ausschlag für die<br />

Entscheidung, die <strong>Schweiz</strong> zu verlassen.<br />

Zur Erschliessung neuer Märkte oder wegen der Nähe zu Grosskunden<br />

liebäugeln nur 27 beziehungsweise 28 Prozent der Unternehmen mit dem<br />

Schritt in andere Länder.<br />

Innovationsstandort <strong>Schweiz</strong>? Bei der Innovationsfähigkeit schneidet<br />

die <strong>Schweiz</strong> im Vergleich mit anderen Ländern nur mittelmässig ab: In der<br />

«Weltrangliste» der innovativsten Länder liegt die <strong>Schweiz</strong> hinter China,<br />

den USA, Deutschland und Indien auf dem fünften Rang – nur 23 Prozent<br />

der Befragten bezeichnen die <strong>Schweiz</strong> als einen von fünf besonders innovativen<br />

<strong>Standort</strong>en. 54 Prozent entscheiden sich für China, 44 Prozent<br />

für die USA, 35 Prozent für Deutschland und 31 Prozent für Indien.<br />

Interessanterweise werden die Schwellenländer China, Indien und Russland<br />

im Durchschnitt von 30 Prozent der Befragten genannt, die etablierten<br />

Industrieländer nur von 19 Prozent. Die Befragungsergebnisse zeigen<br />

somit deutlich, wie eng inzwischen das Rennen zwischen den wichtigen<br />

Hightech-<strong>Standort</strong>en ist und welche Bedeutung die BRIC-Länder aus<br />

Sicht der Unternehmen schon heute haben.<br />

Wie gross die Herausforderung ist, vor der die etablierten Industrieländer<br />

einschliesslich der <strong>Schweiz</strong> stehen, zeigen zudem die Ergebnisse zu<br />

der Frage, wo aus Sicht der Befragten die «Googles» oder «Microsofts»<br />

der Zukunft entstehen werden – Unternehmen also, die es schaffen,<br />

sich innerhalb kürzester Zeit als Weltmarktführer im Bereich Hightech-/<br />

Wachstumsbranchen zu etablieren.<br />

99


WIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN<br />

Abb. 3: Mittelmass beim Thema Innovation<br />

China<br />

USA<br />

Deutschland<br />

Indien<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

Grossbritannien<br />

Frankreich<br />

Niederlande<br />

Russland<br />

Irland<br />

SUMME NACH REGIONEN<br />

Asien<br />

Westeuropa<br />

Nordamerika<br />

Osteuropa<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% 55%<br />

«WELCHE DREI LÄNDER SIND IHRER MEINUNG NACH DERZEIT<br />

DIE INNOVATIVSTEN LÄNDER DER WELT?»<br />

In der «Weltrangliste» der innovativsten Länder steht die <strong>Schweiz</strong> hinter China, den USA,<br />

Deutschland und Indien auf dem fünften Rang – 23 Prozent der Befragten bezeichnen die<br />

<strong>Schweiz</strong> als einen von fünf besonders innovativen <strong>Standort</strong>en.<br />

Hier spielt die <strong>Schweiz</strong> nach Meinung der Befragten ganz klar in der zweiten<br />

Liga: Die USA, Indien und China werden demnach die Heimat solcher<br />

zukünftiger Giganten sein. Nur fünf Prozent der Befragten glauben, dass<br />

die <strong>Schweiz</strong> entsprechendes Potenzial hat.<br />

<strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong>: Trotz Krise stark Aus Sicht der Befragten kann sich<br />

der <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> trotz der Wirtschaftskrise als Top-<strong>Standort</strong> behaupten:<br />

93 Prozent der Befragten sind zuversichtlich, dass die <strong>Schweiz</strong> die Krise<br />

erfolgreich bewältigen kann. 44 Prozent sind sogar der Meinung, dass<br />

97%<br />

94%<br />

45%<br />

7%<br />

Lateinamerkia 3%<br />

Mittlerer Osten 2%<br />

Afrika 1%<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>Switzerland</strong> 2009 – <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009<br />

ERNST & YOUNG<br />

100


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 4: Nachholbedarf beim Unternehmergeist<br />

USA<br />

Indien<br />

China<br />

Deutschland<br />

Grossbritannien<br />

Russland<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

Frankreich<br />

Niederlande<br />

Irland<br />

SUMME NACH REGIONEN<br />

Asien<br />

Westeuropa<br />

Nordeuropa<br />

Osteuropa<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%<br />

«AUS WELCHEM LAND ERWARTEN SIE IN DEN KOMMENDEN JAHREN<br />

AM EHESTEN EIN NEUES ‹GOOGLE› ODER ‹MICROSOFT›?»<br />

Beim Thema «Unternehmergeist» spielt die <strong>Schweiz</strong> ganz klar in der zweiten Liga: Die USA,<br />

Indien und China werden demnach die Heimat solcher zukünftiger Giganten sein. Nur fünf<br />

Prozent der Befragten glauben, dass die <strong>Schweiz</strong> entsprechende Potenziale habe.<br />

die <strong>Schweiz</strong> unter allen europäischen Ländern die besten Voraussetzungen<br />

habe, um die Krise zu bewältigen.<br />

Als wichtigsten Erfolgsfaktor, um die Krise zu bewältigen, führen zwei<br />

von drei Managern das starke Bankensystem an. Bei den Themen Innovation<br />

und Unternehmergeist sowie Forschung und Entwicklung scheiden<br />

sich dagegen die Geister. Unternehmen mit Aktivitäten in der <strong>Schweiz</strong><br />

vergeben deutlich bessere Noten als Unternehmen ohne Aktivitäten in<br />

der <strong>Schweiz</strong>.<br />

61%<br />

35%<br />

50%<br />

8%<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>Switzerland</strong> 2009 – <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009<br />

101


WIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN<br />

Abb. 5: Herausforderungen: Innovation/Unternehmergeist und F&E<br />

Starkes Bankensystem<br />

Innovation und Unternehmergeist<br />

Hoher Anteil an international tätigen Unternehmen<br />

F & E von hervorragender Qualität<br />

Branchenspezialisierung<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />

«WELCHE STANDORTVORTEILE HAT DIE SCHWEIZ IHRER MEINUNG NACH,<br />

UM AUS DER KRISE HERAUSZUKOMMEN?»<br />

Unternehmen mit Investments in der <strong>Schweiz</strong><br />

Unternehmen ohne Investments in der <strong>Schweiz</strong><br />

Herausforderungen für die <strong>Schweiz</strong> liegen in den Bereichen Innovation und Unternehmergeist<br />

sowie Forschung und Entwicklung. Unternehmen mit Sitz in der <strong>Schweiz</strong> geben deutlich<br />

bessere Noten als Unternehmen ohne Aktivitäten in der <strong>Schweiz</strong>.<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>Switzerland</strong> 2009 – <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009<br />

ERNST & YOUNG<br />

102


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

In Kürze<br />

Die Umfrageergebnisse zeigen: Die <strong>Schweiz</strong> ist als Investi-<br />

tionsstandort für multinationale Unternehmen nach wie<br />

vor sehr beliebt, insbesondere wenn es um die Verlagerung<br />

von wichtigen Geschäftsbereichen ins Ausland geht.<br />

Ausländische Investoren sind infolge der Wirtschaftskrise<br />

und der Steuerdebatten der vergangenen Monate aber auch<br />

zurückhaltender geworden.<br />

Die grössten Herausforderungen für die <strong>Schweiz</strong> sehen inter-<br />

nationale Manager vor allem in den Themen «Innovation<br />

und Unternehmergeist» sowie «Forschung und Entwicklung».<br />

Während Unternehmen mit Investments in der <strong>Schweiz</strong><br />

diese beiden Themenbereiche mehrheitlich als <strong>Standort</strong>vorteile<br />

bezeichnen, sind Unternehmen ohne Investments in<br />

der <strong>Schweiz</strong> davon deutlich weniger überzeugt. Das Interesse<br />

des Auslandes sollte daher in Zukunft – insbesondere im<br />

Rahmen der <strong>Standort</strong>promotion – stärker auf den Forschungs-<br />

und Entwicklungsstandort <strong>Schweiz</strong> gelenkt werden.<br />

In Kombination mit Steuervorteilen für innovative Unternehmen<br />

könnten so wichtige Anreize geboten werden, um<br />

den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> erfolgreicher in Richtung Innovationsführerschaft<br />

zu bewegen und die Attraktivität der <strong>Schweiz</strong><br />

als Top-<strong>Standort</strong> für multinationale Unternehmen zu erhalten<br />

und auszubauen.<br />

103


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Auf welche <strong>Standort</strong>faktoren<br />

die <strong>Schweiz</strong> setzt<br />

Die globalisierte und wettbewerbsintensive Wirtschaftswelt stellt alle Volkswirtschaften<br />

vor die gleichen Herausforderungen: eine objektive Selbsteinschätzung<br />

der eigenen Stärken und Schwächen sowie eine Analyse, die zeigt, wie ausländische<br />

Marktteilnehmer das inländische Wirtschaftsumfeld und den Wirtschaftsstandort<br />

<strong>Schweiz</strong> einschätzen. In diesem Kontext muss auch die <strong>Schweiz</strong>, als<br />

eine der erfolgreichsten Wirtschaftsnationen der Welt, regelmässig ihre Attraktivität<br />

und Wettbewerbsfähigkeit überprüfen. 1 Ziel sollte es sein, festzustellen,<br />

welche <strong>Standort</strong>faktoren die <strong>Schweiz</strong> international vermarktet und wie diese extern<br />

wahrgenommen werden.<br />

Robert Reppas, Deloitte AG<br />

Bei der vorliegenden Untersuchung wurde analysiert, auf welche <strong>Standort</strong>faktoren<br />

die <strong>Schweiz</strong> bei ihrer Vermarktung setzt und wie das Ausland<br />

diese bewertet. Zentraler Ausgangspunkt für die Analyse war eine<br />

Liste mit klassischen <strong>Standort</strong>faktoren, welche für die Beurteilung in<br />

harte und weiche Faktoren (Tabelle 1) unterteilt wurden. Diese <strong>Standort</strong>faktoren<br />

wurden aus heutiger Sicht analysiert. Ob und inwieweit diese<br />

Faktoren auch die entscheidenden Faktoren der Zukunft sein werden,<br />

wurde nicht berücksichtigt. Ein <strong>Standort</strong>faktor gilt als hart, wenn er einen<br />

quantifizierbaren Einfluss auf die Bilanz eines Unternehmens hat.<br />

Harte <strong>Standort</strong>faktoren können damit zur Messung der Wirtschaftlichkeit<br />

eines <strong>Standort</strong>s dienen. Im Gegensatz dazu können weiche <strong>Standort</strong>faktoren<br />

nicht in die Bilanz eines Unternehmens integriert werden.<br />

Trotzdem spielen sie beim <strong>Standort</strong>entscheid eine zentrale Rolle. 2<br />

1 In diesem Zusammenhang siehe auch Deloitte White Paper 2009,<br />

«Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts <strong>Schweiz</strong>: 18 Wachstumsinitiativen».<br />

2 Siehe S. Cortrie, «Weiche <strong>Standort</strong>faktoren als Angelegenheit der<br />

kommunalen Wirtschaftsförderung», und I. Balderjahn, «<strong>Standort</strong>-<br />

marketing». 105


AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />

Tab. 1: Harte und weiche Faktoren<br />

HARTE STANDORTFAKTOREN WEICHE STANDORTFAKTOREN<br />

Arbeitsmarkt Forschung und Entwicklung<br />

Ausbildungsmarkt Innovationsfähigkeit<br />

Finanz- und Bankensystem Institutionen<br />

Immobilienmarkt<br />

15 Faktoren, welche die Wahl des <strong>Standort</strong>s erheblich beeinflussen können. Hier werden sie nach<br />

ihrer Messbarkeit unterteilt. Als hart gelten jene Faktoren, die relativ einfach zu beziffern sind<br />

(vom Arbeitsmarkt bis zur Steuerbelastung), als weiche die nur schwer messbaren Faktoren (z.B.<br />

Lebensqualität, politische Stabilität, Innovationsfähigkeit), die aber nicht minder wichtig sind.<br />

Nebst der Gliederung nach messbaren Grössen lassen sich die Faktoren<br />

auch nach ihrer nationalen oder regionalen Ausrichtung aufteilen (Tabel-<br />

le 2). 3 Beide Betrachtungsweisen sind in die Untersuchung eingeflossen.<br />

Bei der Beurteilung wurde ein primär quantitativer Ansatz verfolgt.<br />

Kernstück bildet sowohl die Eruierung der Häufigkeit der Nennung dieser<br />

<strong>Standort</strong>faktoren durch Kantone und andere Interessenvertreter<br />

als auch ein anschliessendes Ranking. Es wurden dabei frei verfügbare<br />

Publikationen und Marketinginformationen analysiert. Um auf kantonaler<br />

Ebene eine möglichst repräsentative Datenbasis zu erhalten, wurden<br />

insgesamt 15 Kantone in die Analyse mit einbezogen (Tabelle 3). Dabei<br />

3 Bezüglich der Aufteilung in nationale und regionale <strong>Standort</strong>faktoren<br />

ist anzumerken, dass die Übergänge fliessend sein können. So<br />

lässt sich argumentieren, dass zum Beispiel der Faktor «Steuersystem»<br />

auch ein nationaler oder «Infrastruktur» auch ein regionaler<br />

<strong>Standort</strong>faktor ist. Für diese Analyse wurde die in Tabelle 2 dargestellte<br />

Einteilung verwendet.<br />

Lebensqualität<br />

(personenbezogener <strong>Standort</strong>faktor)<br />

Infrastruktur politische Verhältnisse<br />

Marktaktivität und -situation Unternehmensbezogene Faktoren<br />

Nähe, Grösse und Zugang zu<br />

produktionsfaktormärkten<br />

Staatliche Förderung<br />

Steuersystem<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

DELOITTE<br />

106


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Tab. 2: Nationale und regionale Faktoren<br />

NATIONALE STANDORTFAKTOREN REGIONALE STANDORTFAKTOREN<br />

Ausbildungsmarkt Arbeitsmarkt<br />

Finanz- und Bankensystem Immobilienmarkt<br />

Forschung und Entwicklung Marktaktivität, -situation<br />

Infrastruktur Staatliche Förderung<br />

Institutionen Steuersystem<br />

Innovationsfähigkeit<br />

Lebensqualität<br />

Nähe, Grösse und Zugang zu<br />

produktionsfaktormärkten<br />

politische Verhältnisse<br />

Unternehmensbezogene Faktoren<br />

Als <strong>Standort</strong>faktoren werden Bereiche in Betracht gezogen, die nur auf nationaler Ebene zu beeinflussen<br />

sind (z.B. Finanzsystem, Infrastruktur, Bildungswesen), und solche, die eher in den<br />

Händen von regionalen Körperschaften liegen (z.B. Arbeitsmarkt, Immobilien, Steuern).<br />

wurde auf ein breites Spektrum geachtet, um die Unterschiede hinsichtlich<br />

Grösse, Sprache, wirtschaftliche Dynamik usw. repräsentativ abdecken<br />

zu können. Die Ergebnisse der Analyse wurden zusätzlich durch<br />

Interviews mit drei Kantonen (Freiburg, Schaffhausen, Zug) validiert. Die<br />

Initiative «Greater Zurich Area» 4 wurde als Vertreterin einer regionalen<br />

Marketingplattform in die Untersuchung aufgenommen. Um schliesslich<br />

eine gesamtschweizerische Perspektive einbringen zu können, wurde<br />

das <strong>Standort</strong>marketing der Osec und von <strong>Location</strong> <strong>Switzerland</strong> mit einbezogen.<br />

5 Damit ergibt sich ein ausgewogenes Bild des gesamtschweizerischen<br />

<strong>Standort</strong>marketings.<br />

4 Zur »Greater Zurich Area» gehören die Kantone: Aargau, Glarus,<br />

Graubünden, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Zug und Zürich.<br />

5 Es handelt sich hierbei um die <strong>Standort</strong>promotion von der Osec und<br />

<strong>Location</strong> <strong>Switzerland</strong>, «The international management gateway to<br />

Europe 07/08».<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

107


AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />

Tab. 3: 15 Kantone auf dem Prüfstand<br />

KANTON<br />

Aargau Luzern St. Gallen<br />

Basel Neuenburg Thurgau<br />

Bern Obwalden Waadt<br />

Freiburg Schaffhausen Zug<br />

Genf Schwyz Zürich<br />

In der Umfrage wurden 15 hinsichtlich Sprache und Wirtschaftsdynamik möglichst repräsentative<br />

Kantone berücksichtigt. Die Basisdaten stammen aus frei verfügbaren Publikationen;<br />

in drei Kantonen (Freiburg, Schaffhausen, Zug) wurden vertiefende Interviews geführt.<br />

Die Resultate der Studie lassen sich in drei Hauptaussagen unterteilen,<br />

die in den nachfolgenden Abschnitten im Detail dargestellt werden:<br />

– Nationale <strong>Standort</strong>faktoren sollten zentral vermarktet werden, während<br />

das Marketing regionaler Faktoren hauptsächlich von den Kantonen<br />

übernommen werden sollte.<br />

– Industriespezifisches <strong>Standort</strong>marketing kann die Attraktivität der<br />

Kantone erhöhen.<br />

– Die <strong>Schweiz</strong> sollte Vorkehrungen treffen, um die unterschiedliche Wahrnehmung<br />

der <strong>Standort</strong>faktoren im In- und Ausland zu vereinheitlichen.<br />

Nationale versus regionale <strong>Standort</strong>faktoren Die quantitative Analyse<br />

der nationalen und regionalen <strong>Standort</strong>faktoren erlaubt einen Vergleich<br />

zwischen den Kantonen, Regionen und der Gesamtschweiz. Daraus lassen<br />

sich interessante Rückschlüsse in Bezug auf die Kohärenz der genannten<br />

Faktoren und damit auf die gesetzten Schwerpunkte ziehen<br />

(siehe Abbildung 1). 6<br />

6 Basis ist die Untersuchung der Internetseiten der jeweiligen Kantone.<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

DELOITTE<br />

108


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 1: Worauf die <strong>Standort</strong>kantone Wert legen<br />

FAKTOREN GGBA GZA<br />

NATIONALE<br />

STANDORTFAKTOREN BS<br />

BL<br />

Infrastruktur<br />

Lebensqualität<br />

Ausbildungsmarkt<br />

Institutionen<br />

Innovations-<br />

fähigkeit<br />

Forschung und<br />

Entwicklung<br />

Unternehmensbezogene<br />

Faktoren<br />

politische<br />

Verhältnisse<br />

Finanz- und<br />

Bankensystem<br />

Nähe, Grösse<br />

und Zugang zu<br />

produktions-<br />

faktormärkten<br />

REGIONALE<br />

STANDORTFAKTOREN<br />

Steuersystem<br />

Arbeitsmarkt<br />

Immobilienmarkt<br />

Marktaktivität,<br />

-situation<br />

Staatliche<br />

Förderung<br />

SELB-<br />

STäNDIGE<br />

NA-<br />

TION<br />

BE FR GE NE VD AR SH SZ ZG ZH GZA LU OW SG TG OS<br />

EC CH<br />

Es besteht zwischen Bund und Kantonen und zwischen den Kantonen keine vollständige<br />

Einigkeit darüber, welche Kriterien für die <strong>Standort</strong>wahl besonders wichtig sind. Übereinstimmung<br />

herrscht noch am ehesten bei der Infrastruktur, der Lebensqualität und dem<br />

Steuersystem. Innovationsfähigkeit wird hingegen in der Nordwestschweiz und in der<br />

Romandie eindeutig höher gehängt als in der Zentral- und in der Ostschweiz. Staatliche<br />

Förderung steht für den Bund im Vordergrund, nicht aber für die meisten Kantone.<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

109


AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />

Das Beispiel «Greater Zurich Area» (GZA) zeigt sehr deutlich, dass benachbarte<br />

Kantone nicht zwangsläufig die gleichen <strong>Standort</strong>faktoren<br />

hervorheben. So besteht bei der GZA und ihren Nachbarkantonen lediglich<br />

bei zwei Faktoren (Infrastruktur und Steuersystem) Übereinstimmung.<br />

Dies deutet darauf hin, dass das <strong>Standort</strong>marketing auf kantonaler<br />

und regionaler Ebene nur bedingt koordiniert wird.<br />

Das gleiche Bild zeigt sich auf nationaler Ebene: Die Osec und <strong>Location</strong><br />

<strong>Switzerland</strong> fördern sowohl nationale als auch regionale <strong>Standort</strong>faktoren.<br />

Im Zentrum stehen übereinstimmend die neun Faktoren Infrastruktur,<br />

Lebensqualität, Ausbildungsmarkt, Innovationsfähigkeit, Forschung<br />

und Entwicklung, Steuersystem, Institutionen, Arbeitsmarkt und staatliche<br />

Förderung. Die vier Faktoren politische Verhältnisse, Finanz- und<br />

Bankensystem, Marktaktivität/-situation und unternehmensbezogene<br />

Faktoren werden jeweils nur von einem der beiden Organe erwähnt.<br />

Die Schlussfolgerung ist in beiden Fällen die gleiche: Zur besseren Vermarktung<br />

der <strong>Schweiz</strong> bedarf es einer besseren Koordination zwischen<br />

den beteiligten Kantonen, Regionen und gesamtschweizerisch tätigen<br />

Stellen. Es ist demnach naheliegend, dass die <strong>Schweiz</strong> im Ausland nicht<br />

einheitlich wahrgenommen wird, was die Wirkung des <strong>Standort</strong>marketings<br />

schwächt. Weiterhin kann die Frage gestellt werden, inwieweit<br />

die regionalen <strong>Standort</strong>faktoren zur Differenzierung beitragen können,<br />

wenn die nationalen <strong>Standort</strong>faktoren alle in etwa gleich wahrgenommen<br />

werden. Sobald sich ein Unternehmen für die <strong>Schweiz</strong> entschieden<br />

hat, dürfte die Differenzierung durch regionale <strong>Standort</strong>faktoren ausschlaggebend<br />

sein. Aus dieser Betrachtung lassen sich drei Schlussfolgerungen<br />

ableiten:<br />

≥ Die Vermarktung der <strong>Standort</strong>faktoren sollte unter den beteiligten<br />

Stellen besser abgestimmt werden, z.B. durch Aufteilung in regionale<br />

und nationale <strong>Standort</strong>faktoren.<br />

≥ Eine bessere Koordination der Aktivitäten unter Wahrung kantonaler,<br />

regionaler und nationaler Interessen wäre wünschenswert. Eine bessere<br />

Vernetzung der jeweiligen Aktivitäten würde zu einem einheitlicheren<br />

Auftritt im Ausland und damit einer grösseren Aussenwirkung führen.<br />

DELOITTE<br />

110


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 2: Die Life-Science-Zentren der <strong>Schweiz</strong><br />

BIO VALLEY BASEL 64<br />

Bern<br />

Basel<br />

Freiburg<br />

BIO ALPS 70<br />

Luzern<br />

Aarau<br />

GREATER ZURICH AREA 96<br />

Sarnen<br />

Zürich<br />

ANDERE 47<br />

Life Science gehört zu jenen Wirtschaftszweigen, für welche die <strong>Schweiz</strong> als <strong>Standort</strong> sehr<br />

interessant ist – insbesondere jene Regionen, in denen bereits Cluster von Unternehmen<br />

aus dieser Branche bestehen.<br />

≥ Ein verstärkter Fokus auf regionale <strong>Standort</strong>faktoren und Besonderheiten<br />

als differenzierendes Element dürfte sich positiv auf die Ansiedlung<br />

von Unternehmen auswirken.<br />

«In der Vergangenheit hat man sich bei der Vermarktung von <strong>Standort</strong>faktoren<br />

stark auf das Produkt an sich fokussiert. Neuerdings sehen wir<br />

eine Verschiebung hin zu einem stärkeren Fokus auf das Service-Angebot.<br />

Jeder Kanton hat Universitäten, Hochschulen, eine gute Infrastruktur<br />

mit Anbindung an einen Flughafen usw., aber was den entscheidenden<br />

Unterschied macht, um ein neues Unternehmen für unseren Kanton<br />

Zug<br />

Schwyz<br />

Frauenfeld<br />

St. Gallen<br />

Genf BIOPLOLO TICINO 21<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

111


AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />

zu gewinnen, sind unsere einzigartigen Merkmale, wie der Service und<br />

unser Einsatz, den wir potenziellen Investoren von Anfang an bieten.»<br />

Christophe Gevisier, Director International Markets Fribourg Development Agency<br />

Industriespezifisches <strong>Standort</strong>marketing als Chance für die Regionen<br />

Die regionale Vermarktung von <strong>Standort</strong>faktoren lässt sich unterschiedlich<br />

umsetzen. Eine Möglichkeit besteht darin, sich auf die in der Region<br />

vorhandenen Industrie-Cluster zu beziehen, um sich dadurch von Wettbewerbern<br />

zu differenzieren. Im Folgenden wird ein möglicher Ansatz am<br />

Beispiel des Sektors Life Science dargestellt.<br />

Die <strong>Schweiz</strong> verfügt in mehreren Regionen über eine stark ausgeprägte<br />

Konzentration von Life-Science-Unternehmen (siehe Abbildung 2).<br />

Diese Bildung von Industrie-Clustern ist häufig zu beobachten und kann<br />

eine Reihe von Ursachen haben. Folgende Gründe stehen dabei häufig<br />

im Vordergrund:<br />

– Verfügbarkeit von geschulten Mitarbeitern, die bereits für in der Region<br />

angesiedelte Unternehmen tätig sind<br />

– Vorhandene Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen<br />

– Verfügbarkeit von Rohstoffen<br />

– Historische Gründe<br />

Betrachtet man diese Gründe aus Sicht der <strong>Standort</strong>faktoren, ergibt sich die<br />

folgende Liste mit fünf Top-<strong>Standort</strong>faktoren für die Life-Science-Industrie:<br />

– Forschung und Entwicklung<br />

– Innovationsfähigkeit<br />

– Arbeitsmarkt<br />

– Ausbildungsmarkt<br />

– Infrastruktur<br />

Analysiert man die Regionen mit Life-Science-Clustern bezüglich dieser<br />

fünf Top-Faktoren (siehe Abbildung 3), so fällt auf, dass die Kantone ihre<br />

Region nicht konsequent mit Hilfe dieser <strong>Standort</strong>faktoren vermarkten.<br />

Laut der Erhebung vermarktet die Region Genf – Waadt auf ihrer Internet-<br />

DELOITTE<br />

112


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 3: Was für Life Science wichtig ist<br />

Forschung und Entwicklung<br />

Innovationsfähigkeit<br />

Arbeitsmarkt<br />

Ausbildungsmarkt<br />

Infrastruktur<br />

LS INDUSTRIE «FOOTpRINT»<br />

BASEL GENF/WAADT GZA<br />

Alle untersuchten Kantone nennen diesen <strong>Standort</strong>faktor<br />

75% dieser Kantone nennen diesen <strong>Standort</strong>faktor<br />

25% dieser Kantone nennen diesen <strong>Standort</strong>faktor<br />

Keiner der untersuchten Kantone nennt diesen <strong>Standort</strong>faktor<br />

F&E, Innovationsfähigkeit, Ausbildung und Infrastruktur gelten für Life Science als entscheidende<br />

<strong>Standort</strong>faktoren. Just in der Hochburg Basel wird hingegen der Faktor «Arbeitsmarkt»<br />

gar nicht genannt.<br />

seite diese fünf <strong>Standort</strong>faktoren am konsequentesten. Basel hingegen<br />

vermarktet den <strong>Standort</strong>faktor Arbeitsmarkt nicht explizit und die Region<br />

GZA legt in ihrem Internetauftritt keinen Fokus auf spezifische Life-<br />

Science-<strong>Standort</strong>faktoren.<br />

Aus dem vorliegenden Beispiel lässt sich folgender Rückschluss ziehen:<br />

Regionen, die über ausgewiesene Industrie-Cluster verfügen, sollten die<br />

sich daraus ergebenden Entscheidungsfaktoren herausstreichen und in<br />

ihre Vermarktungsstrategie aufnehmen. Die konsequente Vermarktung<br />

erhöht die Erfolgschancen, weitere Unternehmen aus einer bestimmten<br />

Industrie anzuziehen. Anzumerken ist allerdings, dass einige Regionen<br />

bewusst eine breitere Fächerung der Industrieansiedlungen bevorzugen,<br />

um so das Risiko einer Monostruktur zu minimieren.<br />

Eigenwahrnehmung versus Aussenwahrnehmung Die bisherigen Beobachtungen<br />

beschränkten sich darauf, wie die <strong>Schweiz</strong> ihre eigenen<br />

SELBST-<br />

STäNDIGE<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

113


AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />

Abb. 4: Ansichtssache<br />

FAKTOREN<br />

NATIONALE<br />

STANDORTFAKTOREN<br />

STANDORTFAKTOREN RANGFOLGE<br />

DELOITTE<br />

INTERNE SICHT<br />

E&Y<br />

EXTERNE SICHT<br />

Lebensqualität 2 2<br />

Ausbildungsmarkt 4 7<br />

Innovationsfähigkeit 7 10<br />

Forschung/Entwicklung 7 10<br />

Finanz- und Bankensystem 9 6<br />

Infrastruktur 1 5<br />

Institutionen 5 14<br />

politische Verhältnisse 11 1<br />

Unternehmerbezogene<br />

Faktoren<br />

Nähe, Grösse und<br />

Zugang zu produktionsfaktormärkten<br />

REGIONALE<br />

STANDORTFAKTOREN<br />

9 na<br />

Steuersystem 5 13<br />

Arbeitsmarkt 3 11<br />

Immobilienmarkt 7 na<br />

Marktaktivität, -situation 12 na<br />

Staatliche Förderung 14 na<br />

14<br />

eine maximale Differenz von 3 Rängen<br />

eine Differenz von 4 bis 5 Rängen<br />

eine Differenz von mehr als 5 Rängen<br />

UNTERSCHIEDE<br />

Die interne und die externe Gewichtung der <strong>Standort</strong>faktoren weichen erheblich voneinander<br />

ab. So sind das Steuersystem und der Arbeitsmarkt in der Aussensicht wesentlich weniger<br />

wichtig als in der Selbsteinschätzung (mehr als fünf Ranglistenpunkte Abstand). Dafür werden<br />

in der Aussensicht die politischen Verhältnisse deutlich wichtiger eingestuft als in der internen<br />

Betrachtung. Diese gelten in der Aussensicht sogar als der absolut wichtigste Faktor.<br />

na<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

DELOITTE<br />

114


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Stärken wahrnimmt und im Ausland vermarktet. Über die bisher gezogenen<br />

Rückschlüsse hinaus ist es jedoch entscheidend, die interne mit der<br />

externen Wahrnehmung zu vergleichen. Konkret lautet die Fragestellung,<br />

ob aus der Perspektive des Zielpublikums die richtigen Schwerpunkte in<br />

der Vermarktung gesetzt werden. Um diese <strong>Standort</strong>bestimmung vorzunehmen,<br />

wurde die 2009 von E&Y durchgeführte Studie «<strong>Switzerland</strong><br />

2009: <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers»<br />

(Seite 62) mit den Resultaten dieser Untersuchung verglichen. Die <strong>Standort</strong>faktoren<br />

wurden dazu erneut in die Bereiche nationale und regionale<br />

<strong>Standort</strong>faktoren unterteilt (siehe Abbildung 4). 7<br />

Der Vergleich zeigt, dass die <strong>Schweiz</strong> intern vier <strong>Standort</strong>faktoren signifikant<br />

anders bewertet als das Zielpublikum. 8 Konkret geht es um je<br />

zwei nationale und zwei regionale Faktoren. Während für die <strong>Schweiz</strong><br />

der Faktor Institutionen auf Rang 5 liegt, ist er aus der internationalen<br />

Perspektive nicht von grosser Bedeutung (Platz 14). 9 Umgekehrt sind die<br />

politischen Verhältnisse aus externer Sicht sehr wichtig, während dieser<br />

Faktor aus interner Sicht in der Vermarktung der <strong>Schweiz</strong> nur wenig<br />

Bedeutung erhält. Unter diesen Faktor fallen unter anderem politische<br />

Stabilität, politische Autonomie und die Wahrung der Grundrechte.<br />

Bei den regionalen <strong>Standort</strong>faktoren liegt der Unterschied beim Arbeitsmarkt<br />

und beim Steuersystem. Beide haben aus interner Sicht eine hohe<br />

Bedeutung; sie finden sich im internationalen Vergleich jedoch nicht in den<br />

7 Eigene Darstellung in Anlehnung an E&Y, «<strong>Switzerland</strong> 2009»,<br />

und BCG, «<strong>Standort</strong>faktoren sind mehrheitlich national». Die<br />

vier E&Y-Faktoren finanzielle Fördermöglichkeiten, Netzwerke/<br />

Cluster, behördliche Bewilligungen und verfügbares Bauland ent-<br />

sprechen den Deloitte-Faktoren Institutionen, unternehmensbezogene<br />

Faktoren und Immobilienmarkt.<br />

8 Signifikant bedeutet eine Differenz von mehr als fünf Rängen bei<br />

der Rangfolge – roter Punkt.<br />

9 Der Faktor «Institutionen» beinhaltet unter anderem Punkte wie<br />

Rechtssicherheit, die Unterstützung bei der Ansiedlung und die<br />

Kooperation mit bereits ansässigen Unternehmen. Der Fokus<br />

der E&Y- Studie lag auf westlichen Ländern. Eine interessante<br />

Fragestellung wäre, wie sich die Bewertung dieses Faktors bei<br />

gezielter Betrachtung von Wachstumsmärkten wie z.B. den BRIC-<br />

Staaten oder asiatischen Ländern ändern würde. BRIC-Länder<br />

und Asien werden von den untersuchten Kantonen nicht speziell<br />

erwähnt.<br />

115


AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />

Abb. 5: Wo wir uns wirklich täuschen<br />

INNENSICHT<br />

INSTITUTIONEN: Die <strong>Schweiz</strong> sieht<br />

dies als einen starken Faktor, das<br />

Ausland nicht<br />

STEUERSYSTEM: Die <strong>Schweiz</strong> sieht<br />

sich bei diesem Thema im Gegensatz<br />

zu ausländischen <strong>Standort</strong>en weiterhin<br />

als führend. Es wird generell<br />

keine Unterscheidung hinsichtlich<br />

Unternehmens- und Einkommenssteuer<br />

vorgenommen<br />

ARBEITSMARKT: Auch hier ist die<br />

Innensicht wesentlich positiver als<br />

die externe Wahrnehmung<br />

Am gravierendsten ist wohl die schweizerische Selbsttäuschung in Sachen Steuersystem. Das<br />

wird von uns als sehr wichtig eingestuft und entsprechend vermarktet. Ausländische Inves-<br />

toren nehmen insbesondere die Unternehmenssteuern nicht mehr als derart vorteilhaft wahr.<br />

Top-10-Rängen wieder. Hinterfragt man die Aussage hinsichtlich des Faktors<br />

Steuersystem etwas genauer, ergibt sich ein differenzierteres Bild. 10<br />

Es ist entscheidend, bei der Vermarktung des <strong>Standort</strong>s die relevanten<br />

Faktoren für den Betrachter im Ausland hervorzuheben. Die Konsequenz<br />

aus dieser Analyse ist eindeutig: Um die Wirkung der <strong>Standort</strong>promotion<br />

zu erhöhen, ist es unerlässlich, dass sich die beteiligten Parteien<br />

der Relevanz einzelner <strong>Standort</strong>faktoren für das Zielpublikum bewusst<br />

werden und entsprechend handeln. Denn nur wenn vermarktet wird, was<br />

tatsächlich relevant ist, kann die gewünschte Wirkung erzielt werden.<br />

10 Die innerschweizerische Sicht wird durch die aktuelle Studie von Arthur<br />

D. Little, «Headquarters on the Move – Benchmarking of Global<br />

and Regional Headquarters in <strong>Switzerland</strong>», bestätigt.<br />

AUSSENSICHT<br />

pOLITISCHE VERHäLTNISSE: Während<br />

die externe Sichtweise diesen<br />

Faktor als ein Alleinstellungsmerk-<br />

mal der <strong>Schweiz</strong> ansieht, wird<br />

er von der <strong>Schweiz</strong> kaum vermarktet<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

DELOITTE<br />

116


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Länderspezifische Vermarktung der <strong>Standort</strong>faktoren als Chance Mit<br />

der Untersuchung wurde ebenfalls analysiert, inwieweit die Kantone die<br />

<strong>Standort</strong>faktoren in einzelnen Zielländern unterschiedlich vermarkten.<br />

Es ist wichtig, bestimmte Länder oder Regionen differenziert anzugehen,<br />

um die unterschiedlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen. So ist es<br />

naheliegend, die zunehmende Bedeutung der BRIC-Länder als Investoren<br />

der Zukunft zu würdigen und diese mit gezielten Marketingprogrammen<br />

abzuholen.<br />

Insgesamt ergibt sich in dieser Hinsicht ein wenig positives Bild. Nur wenige<br />

Kantone gehen diesbezüglich bisher differenziert vor und lediglich der<br />

Kanton Schaffhausen verfolgt eine länderspezifische <strong>Standort</strong>promotion.<br />

Hieraus können folgende Empfehlungen abgeleitet werden:<br />

≥ Ein verstärktes länderspezifisches Marketing der <strong>Standort</strong>faktoren<br />

könnte die Attraktivität der <strong>Schweiz</strong> zusätzlich steigern. So könnte beispielsweise<br />

der Kanton Genf im Zielland China mit seinen chinesischen<br />

Kindergärten und Schulen werben.<br />

≥ Zur Wahrung eines einheitlicheren Auftritts könnte die <strong>Standort</strong>-<br />

promotion <strong>Schweiz</strong> in ausgewählten Zielmärkten durch nationale Interessenvertreter<br />

wie die Osec oder <strong>Location</strong> <strong>Switzerland</strong> erfolgen oder<br />

zumindest durch diese koordiniert werden.<br />

117


AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />

In Kürze<br />

Die <strong>Schweiz</strong> wird bei der Vermarktung ihrer <strong>Standort</strong>faktoren<br />

im Ausland nicht einheitlich wahrgenommen, was<br />

die Wirkung des <strong>Standort</strong>marketings schwächt. Einer<br />

der Hauptgründe ist, dass die Vermarktung der nationalen<br />

und regionalen <strong>Standort</strong>faktoren durch Kantone und<br />

nationale Organisationen nicht konsistent stattfindet oder<br />

zumindest koordiniert wird. Nationale <strong>Standort</strong>faktoren sollsollten zentral und einheitlich durch nationale Interessenvertreter<br />

vermarktet werden. Regionale <strong>Standort</strong>faktoren<br />

sollten in die Zuständigkeit der Kantone fallen und durch<br />

diese vermarktet werden.<br />

Anhand der <strong>Schweiz</strong>er Life-Science-Industrie wurde die Bedeutung<br />

von Industrie-Clustern bei der Vermarktung<br />

von <strong>Standort</strong>en herausgestrichen. Einige Regionen heben<br />

dies in ihrer Vermarktung aber nicht genügend hervor.<br />

Die Bedeutung der verschiedenen <strong>Standort</strong>faktoren wird<br />

intern und extern sehr unterschiedlich wahrgenommen. Es ist<br />

zu empfehlen, die Innen- und die Aussensicht anzugleichen.<br />

Die Bedeutung einzelner <strong>Standort</strong>faktoren kann sich über<br />

die Zeit verändern. Ob und inwieweit die heutigen Stand-<br />

ortfaktoren auch in der Zukunft von Bedeutung sind, sollte<br />

kontinuierlich hinterfragt werden, damit die <strong>Standort</strong>-<br />

promotion neue Gegebenheiten berücksichtigen und ihnen<br />

Rechnung tragen kann.<br />

DELOITTE<br />

118


RAHMENBEDINGUNGEN


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Unternehmenssteuern – es besteht<br />

Handlungsbedarf<br />

Die <strong>Schweiz</strong> ist im globalen Steuerwettbewerb nach wie vor gut positioniert,<br />

kommt jedoch zunehmend unter Druck: einmal aus dem Ausland, aber auch<br />

durch hausgemachte Probleme. Beides gefährdet die <strong>Standort</strong>attraktivität. Herausforderungen,<br />

auf die es nun zu reagieren gilt mit dem Ziel, die Position der<br />

<strong>Schweiz</strong> im internationalen Wettbewerb nachhaltig zu sichern. Im ersten Schritt<br />

sind die selbst gemachten Probleme zu lösen. Danach werden konkrete Antworten<br />

auf den politischen Druck aus dem Ausland zu finden sein. Die Einführung<br />

neuer Steuermodelle – beziehungsweise die Adaption bewährter ausländischer<br />

Modelle – könnte ein gangbarer Weg sein, die <strong>Schweiz</strong> global attraktiv und stabil<br />

zu positionieren.<br />

Jörg Walker / Thomas Linder, KPMG<br />

Gegenwärtig ist die <strong>Schweiz</strong> ein attraktiver <strong>Standort</strong> für ausländische Gesellschaften.<br />

Das gilt besonders für globale Headquarters europäischer<br />

Unternehmen sowie die Europasitze aussereuropäischer Unternehmen.<br />

Ausschlaggebendes Kriterium für die <strong>Standort</strong>entscheidung ist nicht selten<br />

die vorteilhafte Besteuerung. 1 Traditionell ein Staat mit vergleichsweise<br />

tiefen Steuersätzen für<br />

Gewinne von Unternehmen, be- Aufgrund des anhaltenden Steuerwettwegt<br />

sich in der <strong>Schweiz</strong> die ef- bewerbs zwischen den Kantonen werden die<br />

fektive Steuerbelastung einer Steuern auf einem tiefen Niveau gehalten,<br />

ordentlich besteuerten Gesell- und damit bleibt die <strong>Schweiz</strong> gegenüber<br />

schaft derzeit abhängig von ausländischen Mitbewerbern bei der gene-<br />

Sitzkanton und -gemeinde zwirellen Steuerbelastung konkurrenzfähig.<br />

schen 12,7 und 24,3 Prozent (inklusive<br />

Bundessteuer). Im Vergleich zum Ausland zeigt sich, dass die steuergünstigsten<br />

Kantone wie Zug, Schwyz oder Obwalden mit der direkten<br />

internationalen Konkurrenz, wie etwa Irland, gut mithalten können. Doch<br />

1 Vgl. Rothenbühler, Andre; Die <strong>Schweiz</strong> als attraktivster Holdingstandort;<br />

in: Finanzplatz-Informationen, 2005. 121


UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />

auch weniger steuergünstige Kantone, wie Genf, belegen aus internationaler<br />

Perspektive einen Platz im oberen Mittelfeld – und liegen damit<br />

noch vor westlichen Industrienationen wie Deutschland (29,4 Prozent),<br />

Frankreich (33,3 Prozent) oder Grossbritannien (28 Prozent). Insgesamt<br />

ist davon auszugehen, dass sich aufgrund des anhaltenden Steuerwettbewerbs<br />

zwischen den Kantonen die Steuern auf einem tiefen Niveau halten<br />

werden und damit die <strong>Schweiz</strong> gegenüber den ausländischen Mitbewerbern<br />

bei der generellen Steuerbelastung konkurrenzfähig bleibt.<br />

Wie kann die ordentliche Steuerbelastung von Unternehmen weiter<br />

gesenkt werden? Als Instrument zur Förderung strukturschwacher<br />

Regionen gewährt der Gesetzgeber Steuererleichterungen von bis zu<br />

100 Prozent für maximal 10 Jahre. Davon profitieren Gesellschaften, die<br />

sich erstmals in der <strong>Schweiz</strong> niederlassen, eine grössere Anzahl neuer<br />

Arbeitsplätze schaffen und damit dem wirtschaftlichen Interesse der<br />

entsprechenden Region dienen. Während auf Stufe der Staats- und Gemeindesteuern<br />

die Mehrzahl der Kantone Steuererleichterungen dieser<br />

Art gewähren, sind diese auf der Ebene der Bundessteuer nur in bestimmten,<br />

als besonders förderungswürdig<br />

qualifizierten Regionen<br />

möglich. 2 Die steuerlichen Vorteile greifen nur, weil sie<br />

Kantonen wie Schaff- eingebettet sind in weitere <strong>Standort</strong>vorhausen<br />

oder Waadt brachten teile, die der <strong>Schweiz</strong> einen internationalen<br />

diese einen spürbaren Nutzen Wettbewerbsvorteil verschaffen.<br />

in Form von Neuansiedlungen.<br />

Neben solchen regional- und wirtschaftspolitisch motivierten Steuererleichterungen<br />

kann seit Jahrzehnten auf kantonaler Ebene für gewisse<br />

Unternehmenstypen eine privilegierte Besteuerung in Anspruch genommen<br />

werden. Steuerlich privilegiert sind die Holdinggesellschaft, die gemischte<br />

Gesellschaft und die Prinzipalgesellschaft; zusätzlich existieren<br />

einige spezielle Besteuerungsmodelle zur Konzernfinanzierung. Diese<br />

Modelle haben in Kombination mit einem gewissen Gestaltungsspielraum<br />

2 Anfang 2008 wurde der Kreis der förderungswürdigen Gebiete enger<br />

gezogen. Bis 2011 gilt jedoch eine Übergangslösung: Steuererleichterungen<br />

auf Ebene der Direkten Bundessteuer dürfen gewährt werden,<br />

jedoch nur maximal 50 Prozent der zulässigen Steuererleichterung<br />

(Vgl. Gehriger, Olivier/ Monsch, Carola; Lex Bonny als Steuerplanungsintrument<br />

– Quo Vadis?, in: Der <strong>Schweiz</strong>er Treuhänder, 2008/1-2.<br />

KpMG<br />

122


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

auf kantonaler Ebene dafür gesorgt, dass die <strong>Schweiz</strong> sich international<br />

als attraktiver <strong>Standort</strong> behaupten kann. Während Holdings und gemischte<br />

Gesellschaften von Staats- und Gemeindesteuern ganz oder teilweise<br />

steuerbefreit sind, erfahren Prinzipal- und Finanzierungsgesellschaften<br />

auch durch die direkte Bundessteuer eine attraktive Behandlung.<br />

All diese steuerlichen Vorteile greifen jedoch nur, weil sie eingebettet sind<br />

in weitere <strong>Standort</strong>vorteile, die der <strong>Schweiz</strong> einen internationalen Wettbewerbsvorteil<br />

verschaffen. Dazu zählt die Anziehungskraft des Finanzplatzes<br />

<strong>Schweiz</strong>, die hervorragende Infrastruktur und gute Verfügbarkeit<br />

von hoch qualifizierten Arbeitskräften, aber auch das stabile politische<br />

Umfeld sowie eine subjektiv hohe Lebensqualität, zu der die grosse Anzahl<br />

ausländischer Communities einen wichtigen Beitrag leistet. Nicht<br />

zuletzt soll auch der wichtige steuerliche Faktor einer vergleichsweise<br />

niedrigen Individualbesteuerung erwähnt werden. Durch die bilateralen<br />

Verträge mit der EU hat es die <strong>Schweiz</strong> zudem geschafft, trotz der Nichtmitgliedschaft<br />

drohende Wettbewerbsnachteile grösstenteils zu verhindern<br />

und den Zugang zu den europäischen Märkten sicherzustellen.<br />

Als Folge davon ist die <strong>Schweiz</strong> heute ein <strong>Standort</strong> mit einer hohen Dichte<br />

an multinationalen Konzernen, die einen wichtigen Stützpfeiler der<br />

<strong>Schweiz</strong>er Volkswirtschaft darstellen und wesentlich zum wirtschaftlichen<br />

Wohlergehen beitragen. 3 Dies verdankt sie auch der Konzentration<br />

auf Konzernfunktionen mit hoher Wertschöpfung, die umso mehr von<br />

Bedeutung sind, als die <strong>Schweiz</strong> als Land mit geringen natürlichen Rohstoffvorkommen<br />

und relativ teurem Humankapital weder für die Rohstoffförderung<br />

noch als <strong>Standort</strong> für Massenproduktion in Frage kommt.<br />

Was macht die <strong>Schweiz</strong> für Headquarters attraktiv? Das <strong>Schweiz</strong>er Erfolgsmodell<br />

der Holding kommt bevorzugt als Konzerngesellschaft zur<br />

Führung geographischer Wirtschaftsräume, wie zum Beispiel «Europe,<br />

Middle East & Africa (EMEA)», zum Einsatz und stellt eine Unternehmung<br />

3 Internationale Unternehmen tragen im Umfang von rund 10 Prozent zum<br />

BIP bei, was dieselbe Quote ist wie z.B. für das Finanzwesen; vgl. Swiss<br />

Holdings, Konzernstandort <strong>Schweiz</strong> im globalen Wettbewerb, 2008.<br />

123


UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />

dar, deren Zweck hauptsächlich in der dauernden Verwaltung von Beteiligungen<br />

an anderen Unternehmen besteht. Es wird vorausgesetzt,<br />

dass langfristig mindestens zwei Drittel der Aktiven aus Beteiligungen<br />

bestehen oder mindestens zwei Drittel der Erträge Beteiligungs- und<br />

Dividendenerträge sind und dass in der <strong>Schweiz</strong> keine Geschäftstätigkeit<br />

ausgeübt wird. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, entrichten Holdinggesellschaften<br />

– mit Ausnahme des Ertrags aus schweizerischem<br />

Grundeigentum – auf Ebene der Staats- und Gemeindesteuern keine<br />

Gewinnsteuer. Auf Ebene der direkten Bundessteuer werden die Erträge<br />

einer Holdinggesellschaft, wie beispielsweise Management Fees, Zinsen<br />

und in gewissem Umfang Lizenzeinnahmen, grundsätzlich ordentlich<br />

zum effektiven Steuersatz von 7,83 Prozent besteuert. Auf Beteiligungserträge<br />

kann jedoch der Beteiligungsabzug angewendet werden, was zu<br />

einer faktischen Freistellung von Dividenden und Kapitalgewinnen führt.<br />

Häufig haben multinationale Konzerne neben dem Halten von Beteiligungen<br />

auch andere Konzernfunktionen, wie Immaterialgüterverwaltung,<br />

Marketing, Vertrieb und ähnliche, in die <strong>Schweiz</strong> verlagert. Dabei können<br />

je nach Wichtigkeit und Grösse der Investition Steuererleichterungen<br />

gewährt werden oder andere privilegierte Besteuerungsmodelle, wie die<br />

Prinzipalgesellschaft, für Unternehmen mit zentralisierter Einkaufs- und<br />

Vertriebsstruktur zur Anwendung kommen. Die Besteuerung als Prinzipal<br />

wurde im Jahre 2001 von der Eidgenössischen Steuerverwaltung als<br />

Antwort auf die zunehmende Zentralisierung von Funktionen und Risiken<br />

innerhalb international tätiger Konzerne entwickelt. Grundvoraussetzung<br />

für die Gewährung der Prinzipalbesteuerung ist, dass die <strong>Schweiz</strong>er<br />

Prinzipalgesellschaft in der <strong>Schweiz</strong> unbeschränkt steuerpflichtig<br />

ist und der Vertrieb im Ausland über Konzerngesellschaften erfolgt, die<br />

als abschlussberechtigte Agenten oder Kommissionäre agieren. In der<br />

Praxis stellen die Steuerbehörden insbesondere darauf ab, dass ein ausreichender<br />

Geschäftsbetrieb aufgebaut wird, um die zentralen Funktionen<br />

und Risiken zu übernehmen. Die wichtigsten Entscheidungsträger<br />

müssen daher in der <strong>Schweiz</strong>er Gesellschaft angestellt sein. Bei der<br />

Berechnung des steuerbaren Gewinns einer Prinzipalgesellschaft wird<br />

ein prozentualer Anteil des Verkaufsgewinns aus Handel dem Ausland<br />

zugeordnet, wodurch abhängig vom Sitzkanton der effektive Steuersatz<br />

KpMG<br />

124


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

für eine Prinzipalgesellschaft auf fünf bis acht Prozent zu liegen kommt,<br />

was im europäischen Umfeld äusserst wettbewerbsfähig ist.<br />

Warum kommen Handels- und Vertriebsgesellschaften in die <strong>Schweiz</strong>?<br />

Neben der zentralen Lage mitten in Europa, der exzellenten Infrastruktur<br />

und der sehr guten Verfügbarkeit von Wissen und Know-how sind es die<br />

günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen, die Unternehmen anziehen.<br />

Insbesondere die Kantone Genf und Zug gelten als Zentren für Tradinggesellschaften.<br />

So wickeln zahlreiche im Rohstoffhandel tätige Konzerne<br />

einen grossen Teil ihrer Handelstätigkeit aus der <strong>Schweiz</strong> heraus<br />

ab. Dabei operieren solche Unternehmen steuerlich häufig als gemischte<br />

Gesellschaften. Dieses Privileg findet Anwendung, sofern eine Gesellschaft<br />

überwiegend ausland-<br />

bezogen ist und die Geschäftstätigkeit<br />

in der <strong>Schweiz</strong> nur eine<br />

untergeordnete Rolle spielt. In<br />

der Regel bedeutet das, dass<br />

sowohl der Verkauf als auch der<br />

Einkauf mindestens zu 80 Prozent<br />

im Ausland erfolgen muss.<br />

Die Erträge aus dem Ausland werden für die Staats- und Gemeindesteuern<br />

nur anteilig besteuert, was zu einem effektiven Steuersatz von acht<br />

bis zwölf Prozent führt. Durch den wachsenden Welthandel ist davon<br />

auszugehen, dass auch in Zukunft Unternehmen nach attraktiven <strong>Standort</strong>en<br />

für ihre Handelstätigkeiten Ausschau halten werden.<br />

Auch als <strong>Standort</strong> für Finanzgesellschaften internationaler Konzerne<br />

wird die <strong>Schweiz</strong> genutzt, indem die Fremdfinanzierung der Gruppengesellschaften<br />

über eine <strong>Schweiz</strong>er Holding abgewickelt wird. Dies führt zu<br />

einer Besteuerung der Finanzerträge von 7,83 Prozent, was im internationalen<br />

Vergleich aber wenig konkurrenzfähig ist. 4 Die Eidgenössische<br />

Steuerverwaltung hat daher 1991 mit Rundschreiben das Konzept der<br />

<strong>Schweiz</strong>er Finanzbetriebsstätte eingeführt. Eine solche Betriebsstätte<br />

4 Sog. Tax Arbitrage.<br />

Neben der zentralen Lage mitten in Europa,<br />

der exzellenten Infrastruktur und der<br />

sehr guten Verfügbarkeit von Wissen und<br />

Know-how sind es die günstigen steuer-<br />

lichen Rahmenbedingungen, die Unternehmen<br />

anziehen.<br />

125


UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />

vereinnahmt ebenfalls Zinsen von Gruppengesellschaften des Konzerns.<br />

Da es sich aber lediglich um die Betriebsstätte einer ausländischen Finanzgesellschaft<br />

handelt (zum Beispiel mit Sitz in Luxemburg), wird mittels<br />

eines kalkulatorischen Zinsabzugs ein Teil der Einkünfte dem ausländischen<br />

Sitz zugeordnet. Im Zusammenspiel mit dem richtigen <strong>Standort</strong><br />

für den Sitz der Gesellschaft führt dies zu einer effektiven Gewinnsteuerbelastung<br />

in der <strong>Schweiz</strong> von einem bis zwei Prozent. In jüngster Vergangenheit<br />

zeigt sich vermehrt ein Trend, Finanzgesellschaften anstelle<br />

von Betriebsstätten einzusetzen, die aber den gleichen Besteuerungsgrundsätzen<br />

unterliegen.<br />

Die Mängel in der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>attraktivität sind hausgemacht<br />

Die signifikantesten Mängel sind im Bereich der Stempelsteuern, der<br />

Verrechnungssteuer sowie des Missbrauchsbeschlusses zu suchen. In<br />

den meisten EU-Staaten wurden Emissionsabgaben und Umsatzabgaben<br />

mittlerweile entweder abgeschafft oder sie stehen zur Disposition. Die<br />

<strong>Schweiz</strong> hält dagegen nach wie vor an beidem fest, und das, obwohl insbesondere<br />

die Emissionsabgabe von einem Prozent auf dem eingebrachten<br />

Eigenkapital einen gewichtigen <strong>Standort</strong>nachteil darstellt, gerade für<br />

Finanzierungsgesellschaften. Des Weiteren verunmöglicht die Praxis der<br />

Steuerverwaltung zur Auslegung des Obligationenbegriffs bei der Verrechnungssteuer<br />

und Emissionsabgabe die Errichtung einer schweizerischen<br />

Gesellschaft für Cash-Pooling- und Treasury-Funktionen.<br />

Auch die Verrechnungssteuer von 35 Prozent kann hemmend wirken. Zwar<br />

verfügt die <strong>Schweiz</strong> über ein Netz von über 90 Doppelbesteuerungsabkommen<br />

(DBA), was im internationalen Vergleich viel ist. Doch bei genauerer<br />

Betrachtung der Quellensteuersysteme von Staaten wie Luxemburg<br />

oder den Niederlanden zeigt sich, dass jene zum Teil so günstige Bedingungen<br />

vorsehen, dass eine Gewinnrepatriierung mit tieferen oder ohne<br />

Quellensteuern möglich ist. 5 Wieder andere Länder, wie zum Beispiel<br />

Grossbritannien oder Zypern, kennen gar keine Quellensteuern mehr. 6<br />

5 Vgl. Kuhn, Stefan/Sottile, Guiseppe; <strong>Schweiz</strong> verliert als Holding- Holdingstandort<br />

an Bedeutung, in: <strong>Schweiz</strong>er Treuhänder 10/2008.<br />

6 Vgl. KPMG International, European Tax Planner, 2008.<br />

KpMG<br />

126


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Verschärft wird diese Situation noch durch die zu restriktive Haltung der<br />

Eidgenössischen Steuerverwaltung bei der Gewährung der Abkommensberechtigung.<br />

Solche Vorschriften, die eine Repatriierung von Gewinnen<br />

für den betroffenen Konzern mit hohen Kosten verbinden, wirken sich auf<br />

die <strong>Standort</strong>attraktivität der <strong>Schweiz</strong> negativ aus. Es wäre deshalb zu<br />

begrüssen, wenn die <strong>Schweiz</strong><br />

dem Trend anderer Staaten<br />

folgen und ihre Verrechnungssteuergesetzgebung<br />

anpassen<br />

würde. So könnten zum Beispiel<br />

Dividenden, welche an eine Ge-<br />

Es wäre zu begrüssen, wenn die <strong>Schweiz</strong><br />

dem Trend anderer Staaten folgen<br />

und ihre Verrechnungssteuergesetzgebung<br />

anpassen würde.<br />

sellschaft mit Sitz in einem DBA-Land gezahlt werden, grundsätzlich von<br />

der Verrechnungssteuer ausgenommen werden. Zusätzlich würde eine<br />

Senkung des Verrechnungssteuersatzes auf 15 Prozent für natürliche<br />

Personen im Ausland die <strong>Schweiz</strong> im internationalen Umfeld konkurrenzfähiger<br />

machen, da damit gemäss den meisten DBA kein Rückerstattungsverfahren<br />

mehr nötig wäre.<br />

Schliesslich können die schweizerischen DBA zudem nur dann genutzt<br />

werden, wenn neben den in den DBA enthaltenen Bedingungen zusätzlich<br />

die im Missbrauchsbeschluss geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.<br />

Missbräuchlich ist die DBA-Inanspruchnahme insbesondere dann, wenn<br />

der Empfänger in der <strong>Schweiz</strong> mehr als die Hälfte der im Ausland quellenbesteuerten<br />

Einkünfte (zum Beispiel Lizenzeinnahmen aus Immaterialgüterrechten)<br />

in Form von Aufwand an Personen im Ausland weiterleitet<br />

(als Lizenzzahlungen, Zinsen, Management Fees usw.). Damit werden<br />

oft auch Strukturen behindert, welche über genügend Substanz in der<br />

<strong>Schweiz</strong> verfügen und in keiner Weise als missbräuchlich zu qualifizieren<br />

sind. Holland, Luxemburg und Zypern werben dagegen mit Strukturen,<br />

die eine Weiterleitung von über 99 Prozent der vereinnahmten Zinsen<br />

und Lizenzgebühren zulassen. Der Missbrauchsbeschluss ist nationales<br />

Recht und wurde 1962 vor allem auf Druck der USA eingeführt. Obwohl<br />

inzwischen nicht mehr auf die USA anwendbar, hält die <strong>Schweiz</strong> weiter<br />

daran fest – freiwillig, ohne dass dies von internationaler Seite weiter<br />

verlangt worden wäre. Die Aufhebung des unilateralen Missbrauchsbeschlusses<br />

würde die <strong>Standort</strong>attraktivität zusätzlich verbessern, ohne<br />

127


UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />

zu Steuerausfällen zu führen. Zumindest aber sollte die Anwendung auf<br />

eigentliche Missbrauchsfälle beschränkt werden.<br />

Um die Attraktivität des <strong>Standort</strong>es <strong>Schweiz</strong> nicht zu gefährden, sollte<br />

die <strong>Schweiz</strong> in naher Zukunft ihre Haltung bezüglich der gegenwärtig<br />

vorhandenen hausgemachten <strong>Standort</strong>nachteile überdenken. Dabei<br />

muss jedoch festgehalten werden, dass Themen wie die Abschaffung<br />

der Stempelabgaben sowie der Kapitalsteuer im Rahmen der Unternehmenssteuerreform<br />

III bereits thematisiert werden.<br />

Das Ausland verstärkt den Druck auf den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> Allen voran<br />

die Europäische Union, mit welcher der Steuerstreit über die <strong>Schweiz</strong>er<br />

Steuervergünstigungen anhält, weil sie steuerlich privilegierte Gesellschaften<br />

als staatliche Beihilfe, den Wettbewerb verfälschend und<br />

mit dem Freihandelsabkommen von 1972 unvereinbar qualifiziert. Auch<br />

ist nicht auszuschliessen, dass mit den in den USA geplanten Änderungen<br />

zusätzlicher Druck auf den<br />

<strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> ausgeübt Da internationale Konzerne generell ein<br />

wird und die <strong>Schweiz</strong>er Erfolgs- hohes Mass an Rechtssicherheit<br />

modelle ins Blickfeld der Kritik brauchen, wäre es zu riskant, die Fordegeraten<br />

könnten. Indiz dafür rungen der EU einfach zu ignorieren.<br />

sind diverse in Washington eingereichte<br />

Gesetzesvorschläge, die die <strong>Schweiz</strong> nach wie vor als Steueroase<br />

qualifizieren – ungeachtet dessen, dass dies ebenso unbegründet<br />

wie falsch ist. Im Ergebnis führte derlei Polemik international zu einem<br />

Imageverlust, dem nur schwer zu begegnen ist.<br />

Gerade der Steuerstreit mit der EU könnte für die <strong>Schweiz</strong> angesichts der<br />

grossen Bedeutung der Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften<br />

zu einer echten Herausforderung, wenn nicht gar zur Zerreissprobe werden.<br />

Dabei wäre es sicher falsch, wenn die <strong>Schweiz</strong> die privilegierten Steuerregimes<br />

einfach kampflos aufgeben würde, denn das würde die Attraktivität<br />

des <strong>Standort</strong>es schlagartig erheblich vermindern. Da internationale<br />

Konzerne generell ein hohes Mass an Rechtssicherheit brauchen, wäre es<br />

jedoch zu riskant, die Forderungen der EU einfach zu ignorieren. Der Bundesrat<br />

hat sich in diesem Fall für einen Dialog mit der EU entschieden.<br />

KpMG<br />

128


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Dabei ist es wichtig, dass die <strong>Schweiz</strong> als Nichtmitglied der EU darauf<br />

besteht, ihre Steuerpolitik weiterhin selbständig zu bestimmen und ihren<br />

<strong>Standort</strong> mit Nachdruck<br />

verteidigt. Es ist jedoch davon<br />

auszugehen, dass die <strong>Schweiz</strong><br />

in dieser Diskussion gewisse<br />

Zugeständnisse machen müssen<br />

wird. Im gleichen Zuge<br />

muss daher an Nachfolgeregelungen oder Alternativen für die kantonalen<br />

Steuerprivilegien gearbeitet werden, die konform mit den EU-Vorschriften<br />

sind und den Unternehmen die wichtige Rechtssicherheit langfristig gewähren.<br />

Dabei täte die <strong>Schweiz</strong> gut daran, sich an der direkten Konkurrenz<br />

im EU-Raum zu orientieren, die zum Teil äusserst attraktive und vor<br />

allem von der EU anerkannte Systeme eingeführt hat. Damit bietet sich<br />

der <strong>Schweiz</strong> die Chance, im Steuerstreit mit der EU eine Lösung zu finden<br />

und gleichzeitig durch Adaption erfolgreicher ausländischer Modelle ihre<br />

Position im <strong>Standort</strong>wettbewerb zu sichern und weiter zu stärken.<br />

Der Wettbewerbsdruck wächst Waren es traditionell vor allem die Benelux-Länder,<br />

welche mit innovativen Modellen mit der <strong>Schweiz</strong> um die<br />

Ansiedlung internationaler Gesellschaften buhlten, so sind in den letzten<br />

Jahren zum Beispiel Länder wie Irland, Österreich oder Zypern zunehmend<br />

aktiv geworden, und auch einige Staaten Osteuropas sowie Singapur steigern<br />

den Steuerwettbewerb beachtlich. 7 Auch hier muss die <strong>Schweiz</strong> reagieren,<br />

will sie nicht Gefahr laufen, ins Hintertreffen zu geraten.<br />

Im Streit mit der EU ist insbesondere die Tatsache, dass Lizenzen, Zinsen<br />

und andere Einkünfte von der privilegierten Besteuerung profitieren können,<br />

scharf kritisiert worden. Die Freistellung von Beteiligungserträgen<br />

als solche ist jedoch unbestritten. Eine Abschaffung des Holdingprivilegs<br />

wäre daher für reine Holdinggesellschaften grundsätzlich nicht nachteilig,<br />

können doch Beteiligungserträge ohnehin vom Beteiligungsabzug<br />

profitieren. In diesem Zusammenhang würde sich jedoch eine Überarbei-<br />

7 Vgl. Denner, Reiner Wyss, Markus; Holdingstandort <strong>Schweiz</strong> im<br />

internationalen Vergleich, in: <strong>Schweiz</strong>er Treuhänder 6-7/2006.<br />

Gerade der Steuerstreit mit der EU könnte<br />

für die <strong>Schweiz</strong> zu einer echten Heraus-<br />

forderung, wenn nicht gar zur Zerreissprobe<br />

werden.<br />

129


UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />

tung des Beteiligungsabzugs aufdrängen. Mit der Unternehmenssteuerreform<br />

II fällt per 1. Januar 2011 zwar die Beteiligungsquote für Dividendenerträge<br />

von 20 auf 10 Prozent, doch damit bewegt sich die <strong>Schweiz</strong><br />

weiter lediglich im Mittelfeld. So müsste vor allem eine volle Befreiung 8<br />

sowie der Verzicht der Verrechnung mit Verlustvorträgen eingeführt werden.<br />

Im EU-Raum wird dies bereits so praktiziert. Manche Staaten gehen<br />

noch einen Schritt weiter und erlauben die Verlustverrechnung innerhalb<br />

des Konzerns oder kennen die Gruppenbesteuerung. 9 In der <strong>Schweiz</strong><br />

wird dagegen seit je jede Gesellschaft grundsätzlich als eigenes Steuersubjekt<br />

betrachtet. Demgegenüber kennen die meisten OECD-Staaten<br />

eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten von im gleichen Staat<br />

ansässigen Gruppengesellschaften. Auch diesbezüglich besteht für die<br />

<strong>Schweiz</strong> Handlungsbedarf.<br />

Gleichzeitig empfiehlt sich die Einführung eines Privilegs für Zins- und<br />

Lizenzerträge. Belgien und die Niederlande haben mit der National Interest<br />

Deduction beziehungsweise der Interest Box bereits heute Privilegien<br />

für Zinserträge eingeführt. Belgien kennt, ebenso wie Luxemburg,<br />

die Niederlande und Irland, zudem eine partielle Steuerbefreiung von<br />

Lizenzerträgen in gewissen Fällen. Auch hier gilt es festzuhalten, dass<br />

diese Modelle von der EU ausnahmslos akzeptiert wurden. Übernähme<br />

die <strong>Schweiz</strong> ähnliche Modelle, so würde sie zum einen mit ihrer Konkurrenz<br />

gleichziehen und zum anderen durch Kombination von Freistellung<br />

von Beteiligungserträgen mit privilegierter Besteuerung von Zinsen und<br />

Lizenzen eine attraktive Alternative zur heutigen Holding schaffen, die<br />

den Massstäben der EU entspräche.<br />

Eine strategisch zentrale Funktion fehlt jedoch: Forschung und Entwicklung<br />

(F&E). Diese sind bei den steuerlichen Anstrengungen, mehr<br />

Unternehmen von einer Ansiedlung in der <strong>Schweiz</strong> zu überzeugen, bislang<br />

schlicht zu kurz gekommen. Eigentlich ist die <strong>Schweiz</strong> aufgrund<br />

8 Keine Zuweisung von Finanzierungs- und Verwaltungsaufwand auf<br />

Beteiligungserträge.<br />

9 Vgl. Kuhn, Stefan/Sottile, Guiseppe; <strong>Schweiz</strong> verliert als Holding-<br />

Vgl. Kuhn, Stefan/Sottile, Guiseppe; <strong>Schweiz</strong> verliert als Holdingstandort<br />

an Bedeutung, in: <strong>Schweiz</strong>er Treuhänder 10/2008.<br />

KpMG<br />

130


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

erstklassiger Rahmenbedingungen, hochqualifizierter Fachkräfte und<br />

wissenschaftlicher Reputation als Forschungsstandort geradezu prädestiniert,<br />

doch fehlen lukrative steuerliche Anreize, wie sie im europäischen<br />

Ausland – zum Beispiel in Belgien, Irland oder Frankreich – fest<br />

etabliert sind. In jüngster Zeit sind diese aber zunehmend bei <strong>Standort</strong>entscheidungen<br />

das Zünglein an der Waage, die <strong>Schweiz</strong> hat im Wettbewerb<br />

um den besten Forschungsstandort in Europa immer häufiger<br />

das Nachsehen. 10 Ohne lukrative Fördermassnahmen und Investitionsanreize<br />

läuft das Land in Gefahr, immer mehr wertvolle F&E-Aktivitäten<br />

ans Ausland zu verlieren. Und auch für Neuansiedlungen stellt dies einen<br />

gewichtigen <strong>Standort</strong>nachteil dar. In den EU-Staaten ist die steuerliche<br />

Begünstigung von F&E bereits weit verbreitet. Beispielsweise erlauben<br />

einige Länder die mehrfache steuerliche Abzugsfähigkeit von F&E-Kosten<br />

oder räumen dem Lizenzertrag aus durch Forschung und Entwicklung<br />

entstandenen Patenten eine privilegierte Besteuerung ein. 11 Dazu<br />

kommt, dass die EU die Förderung<br />

von F&E ausdrücklich Der <strong>Schweiz</strong> fehlen lukrative steuerliche<br />

erwünscht bzw. begrüsst. Die Anreize für Forschung und Entwicklung.<br />

<strong>Schweiz</strong> tut also gut daran,<br />

innovative Lösungen zu erarbeiten, um ihren Status als F&E-<strong>Standort</strong><br />

auch zukünftig sichern zu können und internationale Unternehmen dazu<br />

zu motivieren, weitere Funktionen in die <strong>Schweiz</strong> zu verlagern. Und damit<br />

neben den traditionellen Erfolgsfunktionen Führung und Finanzierung<br />

auch die dritte strategische Funktion im Konzern fest am <strong>Standort</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> zu etablieren: Forschung und Entwicklung.<br />

10 Vgl. Müller, Andreas / Linder, Thomas; Steuerliche Anreize für ForForschung und Entwicklung, Ein <strong>Standort</strong>vergleich – Handlungsbedarf<br />

der <strong>Schweiz</strong>, in: Der <strong>Schweiz</strong>er Treuhänder, 2008/3.<br />

11 Vgl, Linder, Thomas; Es fehlen steuerliche Anreize, in: Finanz und<br />

Wirtschaft, 6.10.2007.<br />

131


UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />

In Kürze<br />

Die <strong>Schweiz</strong> muss im internationalen Wettbewerb attraktiv<br />

bleiben, um Konzernfunktionen mit hoher Wertschöp-<br />

fung in den Bereichen Führung, Finanzierung und Forschung –<br />

und die damit verbundenen Arbeitsplätze – langfristig<br />

in der <strong>Schweiz</strong> halten und neue anziehen zu können, da diese<br />

einen wesentlichen Anteil zum BIP beisteuern. Grund-<br />

sätzlich besteht die Gefahr, dass Konzerne Funktionen aus<br />

der <strong>Schweiz</strong> in andere Länder verlagern, weil sie dort<br />

besseren Zugang zu günstigen Arbeitskräften oder niedrigen<br />

Produktionskosten haben oder weil die Steuerbelastung<br />

attraktiver ist. Dieser Möglichkeit ist durch eine Verbesserung<br />

des Steuersystems gezielt entgegenzuwirken. Gleichzei-<br />

tig müssen neue Märkte mit Potenzial identifiziert werden.<br />

Wie sich der Steuerwettbewerb unter den Kantonen<br />

auf die <strong>Standort</strong>attraktivität der <strong>Schweiz</strong> auswirken wird,<br />

wird sich zeigen. Ohne Eingreifen der Politik ist davon<br />

auszugehen, dass der Trend zu sinkenden Steuersätzen an-<br />

halten wird. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass<br />

dies den Druck auf die <strong>Schweiz</strong> weiter erhöhen wird. Bereits<br />

heute erkennen einige Länder, wie Japan oder Mexiko,<br />

Konzerngesellschaften in Ländern mit einer tiefen Steuer-<br />

belastung nicht an beziehungsweise besteuern deren<br />

Gewinn im eigenen Land. Es wäre eine Überlegung wert, sich<br />

vom Trend zur Steuersatzsenkung zu entfernen, im<br />

Gegenzug aber eine Korrektur über zusätzliche, von der EU<br />

anerkannte Privilegien und/oder Ausnahmen von der<br />

Bemessungsgrundlage vorzunehmen. Die Niederlande und<br />

Luxemburg haben es erfolgreich vorgemacht.<br />

Strategien für die Früherkennung internationaler und europäi-<br />

scher Entwicklungen sollten verbessert werden, um rechtzeitig<br />

politische Lösungen zu finden und den gleichberechtigten<br />

Marktzugang für <strong>Schweiz</strong>er Unternehmen v.a. zum euro-<br />

päischen Binnenmarkt aufrechtzuerhalten. Aktuell besteht<br />

daher Handlungsbedarf in Bezug auf den bedrohten Zu-<br />

gang für Kapitalanlageprodukte zum europäischen Markt.<br />

KpMG


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Wo die <strong>Schweiz</strong> Spitze verkörpert:<br />

Bildung, Forschung und Innovation<br />

Die Qualität der Ausbildung und damit der Zugang zu gut ausgebildeten, adaptationsfähigen<br />

Arbeitskräften ist eine der tragenden Säulen für den wirtschaftlichen<br />

Erfolg eines Landes. Die <strong>Schweiz</strong> verfügt über einen ausgezeichneten,<br />

hochentwickelten und den Bedürfnisses des Landes angepassten tertiären<br />

Bildungssektor. Die zwei vom Bund getragenen ETHs, die zehn kantonalen Universitäten<br />

sowie die acht Fachhochschulen decken die ganze Breite des fachlichen<br />

Angebotes sowohl grundlagenfokussiert wie auch anwendungsorientiert<br />

ab. Das duale Bildungssystem mit den beiden Ausbildungswegen – Berufslehre/Berufsmatura/Fachhochschule<br />

und Gymnasium/Matura/Hochschulstudium<br />

– trägt dazu bei, dass die <strong>Schweiz</strong> über hervorragend ausgebildete Berufsleute<br />

verfügt.<br />

Dr. Margrit Leuthold, ETH Zürich<br />

Allgemein ist ein wachsender Akademisierungsgrad der Gesellschaft<br />

festzustellen. Im Beobachtungszeitraum 1995 bis 2007 konnte die<br />

<strong>Schweiz</strong> den Anteil der Bevölkerung mit Hochschulabschluss von 16<br />

auf 26 Prozent steigern. Im OECD-Vergleich ist die <strong>Schweiz</strong> neben<br />

Deutschland und Japan das einzige Land, in welchem der Frauenanteil<br />

im Hochschulbereich tiefer ist als<br />

derjenige der Männer. Die Ingenieur-<br />

und naturwissenschaftlichen<br />

Studiengänge sind im Hinblick auf<br />

technologische Entwicklungen und<br />

Leistungsfähigkeit eines Landes von<br />

besonderer Bedeutung. Hier liegt<br />

die <strong>Schweiz</strong> mit einem Anteil von 23<br />

Prozent eher im unteren Bereich.<br />

«Die ETH Zürich ist für eine Soft-<br />

ware-Entwicklungsfirma wie SAP eine<br />

ausgezeichnete Partnerin sowohl<br />

in der Forschungszusammenarbeit wie<br />

auch als Garant für erstklassige<br />

Absolventen.»<br />

Oliver Christ, Direktor SAP Research <strong>Schweiz</strong><br />

Finnland und Österreich liegen mit 29 Prozent an der Spitze. Bezüglich<br />

Bildungsausgaben ist die <strong>Schweiz</strong> mit 5,9 Prozent des Bruttoinlandproduktes<br />

im mittleren Segment positioniert. Die öffentlichen Ausgaben für<br />

die Hochschulen liegen bei 1,4 Prozent.<br />

133


WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />

<strong>Schweiz</strong>er Hochschulen top Hochschul-Rankings werden beachtet.<br />

Dabei belegen die <strong>Schweiz</strong>er Hochschulen regelmässig Spitzenplätze –<br />

was wiederum exzellente Studierende anzieht. International rangiert die<br />

ETH Zürich im THES-Ranking auf Platz 20, im Shanghai Jiao Tong Ranking<br />

auf Platz 23, gefolgt von der Universität Zürich auf Platz 50. Innerhalb Europas<br />

liegt die ETH Zürich auf Platz 4, die Universität Zürich auf Platz 13.<br />

Insgesamt sind sechs <strong>Schweiz</strong>er Universitäten weltweit unter den ersten<br />

200 und europaweit unter den ersten 60.<br />

Aufgeschlüsselt auf einzelne Forschungsgebiete belegt die <strong>Schweiz</strong><br />

insbesondere in den Life Sciences, Physik, Chemie und Umweltwissenschaften<br />

sowie klinischer Medizin Spitzenplätze. Hier haben die kontinuierliche<br />

Qualitätsförderung<br />

und die Bereitstellung von aus-<br />

reichenden Mitteln über Jahrzehnte<br />

eine kritische Masse von<br />

hervorragenden Wissenschaftlern<br />

hervorgebracht, die in diesen Gebieten<br />

Weltklasseforschung betreiben<br />

– oft in enger Zusammenarbeit<br />

mit der Industrie. Diese<br />

Fachgebiete wiederum bilden zu<br />

einem grossen Teil die forschende<br />

Industrie und KMUs ab: ins-<br />

«Die eindrücklichen und stetig wachsenden<br />

Zahlen der letzten Jahre zeigen das<br />

enorme Innovationspozential der Forschenden<br />

an unserer Institution. Die ETH<br />

Zürich setzt konsequent eine Strategie um,<br />

die einen effizienten, zielgerichteten<br />

Wissens- und Technologietransfer und eine<br />

enge Zusammenarbeit mit der natio-<br />

nalen und internationalen Wirtschaft ermög-<br />

licht.» Silvio Bonaccio, ETH Transfer<br />

besondere die pharmazeutische Industrie, und die Präzisions- und Medizinaltechnologie<br />

sind in der <strong>Schweiz</strong> Erfolgsgeschichten.<br />

Als Beispiel dient die ETH Zürich. Sie pflegt neben starker Grundlagenforschung<br />

in besonderem Masse auch die folgenden Forschungsbereiche<br />

mit Wirtschaftsrelevanz: biomedizinisches Engineering an der<br />

Schnittstelle zwischen Ingenieur- und Materialwissenschaften mit Biologie,<br />

Medizin und Bewegungswissenschaften als Teil der immer wichtiger<br />

werdenden Gesundheitswissenschaften; Energieforschung in der<br />

ganzen Breite; Modellierung in verschiedenen Bereichen wie Systembiologie,<br />

chemische Reaktionen, Klima, Materialeigenschaften; Computer-<br />

und Ingenieurwissenschaften sowie Produktionstechnologie,<br />

ETH<br />

134


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 1: Die ETH ist Spitze<br />

TIMES HIGHER EDUCATION RANKING 2009 2008<br />

Gesamplatzierung 20 24<br />

Ingenieurwissenschaften 10 13<br />

Naturwissenschaften 12 15<br />

Life Sciences 49 67<br />

SHANGHAI jIAO TONG UNIVERSITY RANKING 2009 2008<br />

Gesamplatzierung 23 24<br />

Ingenieurwissenschaften 41 69<br />

Naturwissenschaften 09 15<br />

Life Sciences 47 71<br />

Chemie 06<br />

physik 17<br />

Informatik 23<br />

Gesamtrankings und Rankings einzelner Fachgebiete zeigen, dass die ETH Zürich hervorragend<br />

platziert ist und ihren Rang in einem Jahr leicht verbessern konnte. Besonders hervorzuheben<br />

sind die Platzierungen in den Naturwissenschaften, der Chemie und den Ingenieurwissenschaften.<br />

Quelle: www.fc.ethz.ch/facts/ir/rankings, http://www.fc.ethz.ch/facts/ir/rankings<br />

Architekturforschung von den geschichtlichen Ursprüngen bis zu den<br />

Technologien für nachhaltige Zukunftsstädte, mit einem grossen Beitrag<br />

zur Wertschöpfung in der <strong>Schweiz</strong> und als Export.<br />

Die ETH Zürich als Innovationsmotor Eine Vordenkerrolle in der Gestaltung<br />

der Zukunft zu übernehmen und ihre Leistungen in Forschung und<br />

Lehre in den Dienst der Gesellschaft und Wirtschaft zu stellen: dieses<br />

Ziel hat sich die ETH Zürich seit ihrer Gründung vor mehr als 150 Jahren<br />

gesetzt. Sie ist heute eine treibenden Kraft für den technologischen<br />

Fortschritt in der <strong>Schweiz</strong> und zählt auf globaler Ebene zu den Pionieren<br />

bei der Entwicklung neuer Erkenntnisse und Technologien.<br />

135


WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />

Die Schnittstellen der ETH Zürich zur Wirtschaft sind entscheidend für<br />

die Innovationskraft der <strong>Schweiz</strong>. Nicht weniger als 30 Prozent der derzeitigen<br />

Wirtschaftsführer haben ein Studium an der ETH Zürich absolviert.<br />

Zudem spielt die Nähe zur ETH als Ausbildungs- und Forschungsstätte<br />

bei <strong>Standort</strong>entscheiden eine essentielle Rolle. Bezüglich der Ausbildung<br />

stehen die beiden ETHs in ständigem Dialog mit der <strong>Schweiz</strong>er<br />

Industrie, damit sie einerseits die Nachfrage nach Hochschulabgängern<br />

in den verschiedenen Ausbildungsbereichen, andererseits aber auch all-<br />

fällige neue Bedürfnisse bezüglich zu vermittelnden Wissensinhalts erfassen<br />

kann. Mit den wichtigen Wirtschaftsverbänden findet ein regelmässiger<br />

Austausch statt. Im Rahmen des jährlichen «ETH Industry Dialogue<br />

on the Future», von SwissRe organisiert, werden zukunftsweisende,<br />

für den Industriestandort <strong>Schweiz</strong> zentrale Themen aufgegriffen.<br />

Mit ETH Production Technologies stellt die ETH Zürich ihre modernsten<br />

Apparaturen und das notwendige Know-how zur Verfügung, um der fertigenden<br />

Industrie bei der Entwicklung von Geräten und Technologien<br />

zur Seite zu stehen. Dafür werden ihre Kompetenzen in verschiedenen<br />

Instituten, Zentren und Plattformen gebündelt. Exemplarisch dafür stehen<br />

die «inspire AG», eine Forschungs- und Entwicklungsorganisation für<br />

die <strong>Schweiz</strong>er Maschinenindustrie, das Material Research Center, eine<br />

Plattform im Bereich Materialforschung mit Beteiligung von über 50 Forschungsgruppen<br />

aus neun Departementen, oder das Institut für virtuelle<br />

Produktion, welches die Entwicklung virtueller Systeme für die Planung<br />

von komplexen Fertigungssystemen und -prozessen unterstützt.<br />

Das Departement Management, Technologie und Ökonomie wurde als<br />

Weiterentwicklung des Departements für Betriebswissenschaften im<br />

Jahr 2004 gegründet, in der Erkenntnis, dass ein grosser Bedarf besteht<br />

an jungen ETH-Absolventinnen und -Absolventen mit einem naturwissen-<br />

schaftlichen oder Ingenieur-Studium und darauf aufbauenden weiterführenden<br />

Studien auf Master- oder PhD-Ebene in Technologiemanagement<br />

und Ökonomie. Das Departement forscht in den Gebieten Supply<br />

Chain Management sowie Personal- und Strategiemanagement. Die<br />

steigenden Studierendenzahlen aus dem In- und Ausland sowie die rasche<br />

Absorption der Abgänger durch den Marktzeugen von einem echten<br />

ETH<br />

136


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 2: Gut, wo es darauf ankommt<br />

FORSCHUNGSBEREICH pLATZ 1 pLATZ 2 pLATZ 3 pLATZ 4 pLATZ 5<br />

Life Sciences CH US UK NL DE<br />

Agronomie, Biologie und<br />

Umweltnaturwissenschaften<br />

CH SE DK US UK<br />

Klinische Medizin CH DK BE NL US<br />

physik, Chemie und<br />

Erdwissenschaften<br />

Ingenieur- und<br />

Technikwissenschaften<br />

US CH NL DK UK<br />

US DK CH NL IL<br />

Was wissenschaftliche Publikationen angeht, ist die <strong>Schweiz</strong> just in jenen Disziplinen hervorragend<br />

platziert, welche für die Innovationskraft der Wirtschaft entscheiden sein können<br />

– in den Natur- und Ingenieurwissenschaften.<br />

Quelle: Bibliometrische Untersuchung zur Forschung in der <strong>Schweiz</strong>, SBF, 2007<br />

Bedürfnis an Berufsleuten mit kombinierten Kompetenzen in Natur-/Ingenieurwissenschaften<br />

und Technologiemanagement.<br />

Kompetenzen in der Lehre In der Lehre steht die Vermittlung von fundiertem<br />

Grundlagenwissen und Können im Vordergrund, welches disziplinübergreifende<br />

Zusammenarbeit erlaubt. Weitere entscheidende Qualifikationen<br />

sind geistige Beweglichkeit und Weltoffenheit, die Förderung<br />

von Managementfähigkeiten, vernetztes Denke sowie die Sensibilisierung<br />

für gesellschaftsrelevante Themen. Dies wird sichergestellt durch<br />

einen international zusammengesetzten, hochkompetenten Lehrkörper,<br />

einen forschungsbasierten Unterricht auf dem neuesten Stand des Wissens,<br />

eine qualitativ und quantitativ gute Betreuung und Infrastruktur<br />

sowie durch frühe Gewinnung von internationaler Erfahrung durch Industrie-<br />

und Forschungspraktika und Austauschsemester im Ausland.<br />

Zusammenarbeit mit Wirtschaftspartnern Beide ETHs haben seit ihrer<br />

Gründung eine Tradition der engen Zusammenarbeit mit der Industrie,<br />

und zwar sowohl mit Grossunternehmungen als auch mit KMUs.<br />

Ausländische Firmen wie Google, welche sich in der <strong>Schweiz</strong> ansiedeln,<br />

137


WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />

geben regelmässig zwei Faktoren an, die eine wesentliche Rolle spielen<br />

für ihren <strong>Standort</strong>entscheid: Zugang zu erstklassig ausgebildeten<br />

Hochschulabgängern und die Möglichkeit zu Forschungskooperationen<br />

mit einer der besten Hochschulen im technisch-naturwissenschaft-<br />

lichen Bereich.<br />

Dabei beschränken sich die Interaktionen<br />

der ETH mit der In-<br />

dustrie nicht nur auf die punktuelle<br />

Zusammenarbeit in individuellen<br />

Forschungsprojekten.<br />

Man beobachtet weltweit, dass<br />

Firmen Teile ihrer Forschungs-<br />

«Die hervorragenden wissenschaftlichen<br />

Leistungen im Bereich Computer-<br />

graphik waren für den <strong>Standort</strong>-Entscheid<br />

von Disney ausschlaggebend.»<br />

Markus Gross, Departement Informatik, ETH Zürich<br />

abteilung auf einen Universitätscampus verlegen, um direkten Zugriff<br />

auf Forschende zu gewinnen. Die folgenden zwei Beispiele neueren Datums<br />

illustrieren, dass dieser Trend auch bei der ETH Zürich bereits zu<br />

beobachten ist.<br />

IBM Research Zurich baut in Rüschlikon auf dem eigenen Campus ein<br />

neues Nanotechnologie-Forschungslabor. Die ETH Zürich mietet sich<br />

langfristig in dieser topmodernen Infrastruktur ein, um dort ab 2011 in<br />

Zusammenarbeit mit IBM, aber auch mit interessierten weiteren Forschungspartnern,<br />

das Potenzial der Nanotechnologie für verschiedenste<br />

Anwendungsbereiche im Rahmen einer langjährigen Partnerschaft zu<br />

erforschen.<br />

Disney Research betreibt im Rahmen einer engen Forschungspartnerschaft<br />

mit der ETH Zürich Disney Research Zurich, eine eigene Forschungsstätte<br />

auf dem Campus der ETH. Dabei arbeiten Mitarbeiter von<br />

Disney Research und der ETH Zürich unter einem Dach an den zukünftigen<br />

Technologien der Filmindustrie.<br />

Beide Partnerschaften bieten einer grossen Zahl von Doktorierenden<br />

die Gelegenheit, in enger Zusammenarbeit mit der Industrie erstklassige<br />

Forschungsprojekte zu bearbeiten. Innovative, klare und auf die<br />

Bedürfnisse der Industriepartner massgeschneiderte Regelungen in<br />

ETH<br />

138


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 3: In Sachen Innovation knapp hinter den USA<br />

2008/09 RANKING 2007/08 RANKING 2006/07 RANKING<br />

USA 1 1 6<br />

<strong>Schweiz</strong> 2 2 1<br />

Dänemark 3 3 4<br />

Schweden 4 4 3<br />

Singapur 5 7 5<br />

Finnland 6 6 2<br />

Deutschland 7 5 8<br />

Niederlande 8 10 9<br />

japan 9 8 7<br />

Gemessen am Innovationsfaktor innerhalb des «Global Competitiveness Report» des WEF<br />

belegt die <strong>Schweiz</strong> in dieser Disziplin Rang zwei hinter den USA, noch vor den skandinavischen<br />

Ländern und Singapur.<br />

Quelle: World Economic Forum (WEF) – Global Competitiveness Report (2006/07–2008/09)<br />

Bezug auf die Rechte an den entstehenden Immaterialgütern erlauben<br />

eine offene Zusammenarbeit und führen zu nachhaltigem Nutzen für<br />

alle beteiligten Parteien.<br />

Das kürzlich etablierte Industrial Relations Program der ETH erlaubt es<br />

einer interessierten Industrie, Optionen an der ETH schrittweise auszuloten:<br />

Um einer Firma für sie wichtige Kompetenzen der ETH Zürich<br />

aufzuzeigen, wird zu Beginn eine auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete<br />

Übersicht in Form einer Kompetenzanalyse erstellt, aufgrund welcher interessante<br />

Gesprächspartner aus dem Expertenpool ausgewählt werden<br />

können. Ein Laborrundgang und ein gemeinsamer Workshop, das «Idea<br />

Lab», generieren Ideen für gemeinsame Projekte.<br />

Technologie-Transfer als Schlüssel zur Innovation Die <strong>Schweiz</strong> rangiert<br />

seit Jahren auf den Spitzenplätzen. Im «Global Competitiveness Report<br />

20008/2009» des WEF liegt sie bezüglich Innovation an zweiter Stelle.<br />

139


WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />

Ein wichtiger Indikator ist die Tatsache, dass die <strong>Schweiz</strong> im Verhältnis<br />

zu ihrer Bevölkerung die höchste Anzahl Patentanmeldungen aufweist,<br />

ebenso am meisten Publikationen pro Wissenschaftler und den höch-<br />

sten Zitationsindex. Die <strong>Schweiz</strong>er Hochschulen sind an dieser Spitzenposition<br />

massgeblich beteiligt.<br />

Eines der Erfolgsrezepte liegt im Ausbau und in der systematischen Entwicklung<br />

der Stelle für Technologietransfer, «ETH Transfer», sowie im<br />

Bereitstellen eines Umfeldes, dass die wissenschaftliche Neugier und<br />

den «entrepreneurial spirit» von ETH-Studierenden bereits zu Beginn<br />

des Studiums fördert. Bei ETH Transfer ist das exzellente Know-how der<br />

Mitarbeitenden mit langjähriger Forschungs- und Industrieerfahrung, Er-<br />

fahrung im Patentwesen und<br />

Spin-off-Gründungen gepaart mit<br />

einer starken institutionellen<br />

Unterstützung der ETH-Leitung.<br />

Vor einigen Jahren wurde die<br />

Transferstelle grundlegend neu<br />

konzipiert und bietet eine breite<br />

Service- und Produktepalette<br />

an. Sie unterstützt ETH-Ange-<br />

hörige bei allen Fragen zu Zu-<br />

sammenarbeit mit der Indusrie,<br />

Erfindungen, Patentanmel-<br />

«Das ‹Industrial Relations Program› steht<br />

im engen Zusammenspiel mit der<br />

globalen Strategie der ETH. Wichtige Themen<br />

wie Themen wie Energie und Medizin-<br />

technik geben die Leitlinien vor, entlang<br />

welcher das ‹Industrial Relations<br />

Program› – gemeinsam mit der ETH Foun-<br />

dation – seine Kandidaten prioritär<br />

für eine industrielle Partnerschaft angeht.»<br />

Niklaus Bühler, ETH Transfer<br />

dungen und Lizenzierungen sowie bei der Gründung einer ETH-Spin-off-<br />

Firma. Externen Interessenten wie Firmen und Ämtern vermittelt sie<br />

Kontakte zu Forschungsgruppen der ETH Zürich.<br />

Jährlich durchgeführte Venture-Wettbewerbe, die die ETH gemeinsam<br />

mit McKinsey und neu mit der Kommission für Technologie und Innovation<br />

(KTI) durchführt, bieten Jungunternehmern mit den besten <strong>Business</strong>plänen<br />

die Chance, ihren Traum von einer eigenen Firma wahr werden zu<br />

lassen. Weitere wichtige Erfolgsfaktoren der ETH Zürich sind die konsequente<br />

Begleitung des Prozesses vom Forschungsresultat zum Produkt<br />

und die Förderung eines kooperativen und kompetitiven Geistes bereits<br />

bei den Studierenden.<br />

ETH<br />

140


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

ANZAHL<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Abb. 4: Technologie-Transfer an der ETH Zürich<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

Patents Licences Start-ups/Spin-offs<br />

Eine gemessen an der Bevölkerungszahl sehr hohe Anzahl von Patentanmeldungen (gestützt<br />

von einem starken Patentschutz) und eine grosse Zahl von Start-ups und Spin-offs spricht für<br />

eine hochentwickelte Kultur des Technologietransfers zwischen Hochschulen und Wirtschaft.<br />

Quelle: www.transfer.ethz.ch<br />

Spin-offs: eine Erfolgsgeschichte Die permanente Förderung und Unterstützung<br />

von Spin-offs führte zu einer Erfolgsgeschichte: von 1997 bis<br />

2009 wurden 177 Firmen gegründet, die Überlebensrate nach fünf Jahren<br />

beträgt 88 Prozent. Insgesamt wurden über 1000 direkte Arbeitsplätze,<br />

weitere 500 bis 600 bei Zulieferern und mehr als 500 Millionen Franken<br />

Kapitalgewinne geschaffen.<br />

Mit einem starken Patentschutz sorgt die <strong>Schweiz</strong> dafür, dass geistiges<br />

Eigentum entsprechend geschützt ist, was ebenfalls zur Attraktivität der<br />

<strong>Schweiz</strong> als Wirtschaftsstandort beiträgt. Die ETH Zürich setzt Patente<br />

insbesondere dort ein, wo Kooperationen mit der Industrie und die Gründung<br />

von Unternehmen damit direkt gestützt werden. Ziel der Verwertung<br />

wissenschaftlicher Erkenntnisse und Innovation ist die Maximierung des<br />

2008<br />

141


WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />

Nutzens für Wirtschaft und Gesellschaft und nicht die Profitmaximierung<br />

für die ETH. Sie unterstützt deshalb Massnahmen, welche zu einem<br />

zielgerichteten, einfachen und schnellen Wissenstransfer führen.<br />

Zusammenarbeit mit anderen <strong>Schweiz</strong>er Hochschulen Die ETH pflegt<br />

eine Vielzahl von Kooperationen in Lehre und Forschung mit anderen<br />

<strong>Schweiz</strong>er Hochschulen, insbesondere mit dem lokalen Partner Universität<br />

Zürich und der ETH in Lausanne, um bestehende Synergiepotenziale<br />

zu nutzen.<br />

Im Bereich des Innovationsmanagements stehen insbesondere mit der<br />

Universität St. Gallen, aber auch mit dem IMD in Lausanne und den<br />

wirtschaftlichen Fakultäten anderer <strong>Schweiz</strong>er Hochschulen hervorragende<br />

Partner zur Verfügung. Die Kombination betriebswirtschaftlicher<br />

Stärken mit der naturwissenschaftlich-technologischen Stärke der ETH<br />

Zürich kann einen wesentlichen Mehrwert generieren. Mit dem Aufbau<br />

eines eigenen Departements für Technologie- und Innovationsmanagement<br />

hat die ETH Zürich Teile des ökonomischen Know-hows internalisiert.<br />

Entsprechend bestehen denn zurzeit nur wenige externe Kooperationen<br />

in diesem Bereich.<br />

ETH<br />

142


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Abb. 5: Erfolgreich mit Spin-offs<br />

NU<strong>MB</strong>ER OF SPIN-OFFS<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

Biotech and Pharmaceutical<br />

Chemicals<br />

Electrical & Electronics<br />

IT<br />

Material Sciences<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

Mechanical & Avionics<br />

Medtech & Diagnostics<br />

Micro & Nanotech<br />

Sensors & Analytics<br />

others<br />

2006<br />

2007<br />

Die branchenmässige Struktur der jährlichen Spin-offs ändert sich schnell. Konstant nennenswert<br />

sind aber dennoch die Bereiche Biotech und Pharma, Informationstechnologie<br />

und Materialtechnik. Die Mikro- und Nanotechnologie hat in den letzten Jahren an Bedeutung<br />

erkennbar zugelegt.<br />

Quelle: www.transfer.ethz.ch<br />

143


WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />

In Kürze<br />

Was braucht es aus Sicht der ETH Zürich, um die Spitzen-<br />

stellung zu halten?<br />

Geeignete politische Rahmenbedingungen:<br />

Die Politik muss für politische, rechtliche und finanzielle<br />

Rahmenbedingungen sorgen, welche einerseits die <strong>Schweiz</strong>er<br />

Hochschulen bei den kommenden Herausforderungen<br />

wie stark steigende Studierendenzahlen und die globale Kom-<br />

petition um Talente unterstützten, andererseits Anreize<br />

zur Ansiedelung von ausländischen Firmen als wichtige Hochschulpartner<br />

schaffen.<br />

Exzellenz und Ungleichheit:<br />

Mit mehr Mut zur Exzellenzförderung und zur Ungleichbehandlung<br />

und Differenzierung der Hochschulen können<br />

die Human-Ressourcen der <strong>Schweiz</strong> noch gewinnbringender<br />

genutzt werden.<br />

Unternehmerisches Denken:<br />

An den Hochschulen müssen das unternehmerische Denken<br />

auf allen Stufen sowie Industriekooperationen intensiviert<br />

und der Technologie-Transfer verstärkt werden.<br />

ETH<br />

144


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

<strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong>:<br />

Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

Die <strong>Schweiz</strong> muss darum besorgt sein, ihren Schlüsselbranchen attraktive<br />

rechtliche Rahmenbedingungen zu bieten. Die Grundlage dafür ist ein flexibles<br />

Gesellschaftsrecht, welches pragmatisch in der Anwendung ist und gleichzeitig<br />

allen Beteiligten Rechtsschutz und hohe Rechtssicherheit bietet. Zudem ist<br />

der Wettbewerbsvorteil im Arbeitsrecht zu wahren. Bestehendes sowie in der<br />

Entstehung befindliches geistiges Eigentum muss effektiv geschützt werden.<br />

Im Finanzdienstleistungs- und im pharmazeutisch-biotechnischen Bereich<br />

muss sich die <strong>Schweiz</strong> durch kompetente und effiziente Regulierungsbehörden<br />

von Konkurrenzstandorten abheben. Die Einführung innovativer Produkte beziehungsweise<br />

die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit dürfen nicht durch<br />

unnötige Barrieren behindert werden. Schliesslich gilt es auch, den diskriminierungsfreien<br />

Zugang zum europäischen Markt aufrechtzuerhalten und auszubauen.<br />

Martin Frey / Roxana Leske, Baker & McKenzie, Zürich<br />

Die Bedeutung rechtlicher Institutionen für wirtschaftliche Entwicklung<br />

und Wachstum ist vermehrt in den Fokus geraten. Mittlerweile ist unbestritten,<br />

dass effiziente rechtliche Institutionen mit wirtschaftlicher<br />

Prosperität korrelieren. Gezielte Anpassungen des rechtlichen Umfelds<br />

für die relevanten Wirtschaftszweige tragen somit zur Sicherung des<br />

Wohlstandes bei. Unternehmerische Tätigkeiten, welche Arbeitsplätze<br />

für hochqualifizierte Fach- und<br />

Führungskräfte schaffen, sind Gezielte Anpassungen des rechtlichen<br />

aufgrund ihres hohen Wert- Umfelds für die relevanten Wirtschaftszweige<br />

schöpfungspotenzials und ihrer tragen zur Sicherung des Wohlstandes bei.<br />

Bedeutung für das Wachstum<br />

des lokalen tertiären Wirtschaftssektors aus Sicht der <strong>Schweiz</strong> besonders<br />

attraktiv. Die <strong>Schweiz</strong> muss deshalb bestrebt sein, Betriebe mit<br />

entsprechenden Beschäftigungsstrukturen anzusprechen. Sie muss somit<br />

ein attraktives rechtliches Umfeld für die Ansiedlung entsprechender<br />

Betriebe gewährleisten. 145


STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />

BAKER & MCKENZIE<br />

Der <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> ist insbesondere für die chemische und pharmazeutische<br />

Industrie sowie für Dienstleistungsbetriebe attraktiv. Als<br />

wesentliche Branchen fallen insoweit die Finanzdienstleister sowie<br />

wissensintensive Aktivitäten der pharmazeutisch-biotechnologischen<br />

und chemischen Industrie ins Gewicht. Von Bedeutung sind zudem Konzernleitungsgesellschaften<br />

und Dienstleistungsgesellschaften im Marketing-,<br />

Verkaufs- oder Technologiebereich. Nachfolgend sind deshalb<br />

rechtliche Aspekte und daraus resultierende Massnahmenvorschläge<br />

summarisch zusammengefasst, welche in der jüngeren Beratungspraxis<br />

identifiziert wurden und die<br />

Attraktivität der <strong>Schweiz</strong> für Die Kontingentierung der Aufenthalts-<br />

Unternehmen dieser Branchen bewilligungen sollte im Hinblick auf Fachin<br />

rechtlicher Hinsicht gezielt und Führungskräfte ausserhalb des EUverbessern<br />

könnten. Dabei gilt Raumes überdacht und durch eine bedarfs-<br />

es einerseits, den jeweiligen gerechtere Regelung ersetzt werden.<br />

Handlungsbedarf zum Erhalt<br />

und zur Verbesserung bestehender Wettbewerbspositionen zu erkennen,<br />

andererseits aber auch die Voraussetzungen für die Erschliessung<br />

zukunftsträchtiger Tätigkeitsfelder zu identifizieren.<br />

Allgemeine rechtliche Faktoren In einem ersten Schritt werden die<br />

rechtlichen Faktoren beleuchtet, die generell für die Ansiedlung von<br />

Unternehmen eine Rolle spielen, namentlich das Gesellschafts- und<br />

Arbeitsrecht, das Immaterialgüterrecht, aber auch die regulatorischen<br />

Bedingungen, denen ein unternehmerisches Engagement unterworfen<br />

ist. Insgesamt bietet die <strong>Schweiz</strong> ansiedlungswilligen Unternehmen gute<br />

Rahmenbedingungen. Dazu gehören:<br />

Eines der liberalsten Arbeitsrechte Europas Das schweizerische Arbeitsrecht<br />

stellt unbestritten eine Stärke des schweizerischen <strong>Standort</strong>s<br />

dar. Es garantiert, dass sich Angebot und Nachfrage flexibel über<br />

die Marktmechanismen selbst regulieren, gerade auch im Bereich hervorragend<br />

qualifizierter Fachkräfte. Die Mitwirkung der Arbeitnehmer<br />

an unternehmerischen Entscheidungen ist gesetzlich nur in sehr engen<br />

Grenzen vorgesehen. Auch die Gewerkschaften verfügen in den meisten<br />

Branchen nicht über nennenswerte Verhandlungsmacht, so dass dem<br />

146


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

unternehmerischen Handlungsspielraum insoweit keine hemmenden<br />

Barrieren entgegenstehen.<br />

Für die weitere positive Arbeitsmarkt-Entwicklung der <strong>Schweiz</strong> in Bezug<br />

auf hochqualifizierte Spezialisten darf die Erteilung von Arbeits- und<br />

Aufenthaltsbewilligungen kein Hindernis darstellen. Gerade im technischen<br />

Bereich ist es teilweise unerlässlich, auf Fachkräfte ausserhalb<br />

des EU-Raumes zurückgreifen zu können. Die für die entsprechenden<br />

Arbeitsbewilligungen geltenden starren Kontingente vertragen sich<br />

schlecht mit dem Bedürfnis des «Innovationsstandortes <strong>Schweiz</strong>», flexibel<br />

und schnell auf die nötigen Spezialisten zugreifen zu können. Zu<br />

berücksichtigen ist, dass im Wettbewerb um die Gewinnung von hochqualifizierten<br />

Fachkräften mit Berufserfahrung die bestmögliche Aufrechterhaltung<br />

der bestehenden Familienverhältnisse eine wesentliche<br />

Rolle spielt. Deshalb ist auch der Nachzug von Familienangehörigen und<br />

Betreuungspersonen möglichst einfach zu gestalten.<br />

≥ Die Kontingentierung der Aufenthaltsbewilligungen sollte im Hinblick<br />

auf Fach- und Führungskräfte (einschliesslich der haushaltszugehörigen<br />

Betreuungspersonen) ausserhalb des EU-Raumes überdacht<br />

und durch eine bedarfsgerechtere Regelung ersetzt werden. Die uneinheitliche,<br />

zum Teil restriktive Bewilligungspraxis der kantonalen Migrationsämter<br />

sollte zudem zum Beispiel in Form von Richtlinien im Sinne<br />

einer wachstumsorientierten, kontinuierlichen «<strong>Schweiz</strong>er» Praxis harmonisiert<br />

werden.<br />

Schutz geistigen Eigentums Das <strong>Schweiz</strong>er Immaterialgüterrecht entspricht<br />

grundsätzlich den europäischen und internationalen Standards.<br />

Die geplante Zentralisierung des verfahrensrechtlichen Rechtsschutzes<br />

durch Einführung eines <strong>Schweiz</strong>er Bundespatentgerichts dürfte die Professionalität<br />

und Rechtssicherheit im Patentrecht weiter erhöhen. Bezüglich<br />

der Regelung der nationalen Erschöpfung im Patentrecht konnte<br />

mit der Ausnahme im Fall staatlich regulierter Preise ein guter Kompromiss<br />

zwischen den Interessen der Pharmaindustrie und den Anliegen der<br />

Konsumenten gefunden werden. Positiv zu erwähnen ist ebenfalls die<br />

Möglichkeit zur Patentierbarkeit von Genen und Gensequenzen. Dabei<br />

147


STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />

wurde – im Einklang mit der EU-Biotechnologie-Richtlinie – der Grundsatz<br />

des uneingeschränkten Stoffschutzes beibehalten.<br />

Schwächen lassen die Normen in Bezug auf die praktische Durchsetzung<br />

von Ausgleichsansprüchen im gewerblichen Rechtsschutz erkennen: Bei<br />

einer Verletzung geistigen Eigentums ist es oft schwierig, den Anspruch<br />

im Umfang des vollen Schadens gegenüber dem Verletzer durchzusetzen.<br />

Gewisse Schadensposten – wie vorprozessuale Anwaltskosten – können<br />

nicht geltend gemacht werden. Für den Verletzer geistigen Eigentums<br />

hingegen ist das finanzielle Risiko selbst im Fall eines Unterliegens verhältnismässig<br />

gering. Derartigen Anreizen für Immaterialgüterrechtsverletzungen<br />

sollte stärker entgegengetreten werden. Denkbar sind etwa:<br />

≥ Ausweitung des ersatzfähigen Schadens auf sämtliche angemessenen<br />

vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten<br />

≥ Beweiserleichterungen bei der Feststellung der Höhe des durch die<br />

Rechtsverletzung entstandenen Schadens (Schätzungen des Klägers,<br />

z.B. Lizenzanalogien, als widerlegbare Vermutung für den entstandenen<br />

Schaden)<br />

≥ Einführung eines «Verletzer-Zuschlags» (auch wenn der pönale Charakter<br />

einer Schadensersatzleistung den zentraleuropäischen Rechtssystemen<br />

grundsätzlich wesensfremd ist).<br />

Flexibles und pragmatisches Gesellschaftsrecht Die Flexibilität und<br />

der Pragmatismus des <strong>Schweiz</strong>er Gesellschaftsrechts werden als positiver<br />

<strong>Standort</strong>faktor stets betont. Die Aufrechterhaltung dieser Wesenszüge<br />

in der Zukunft sollte daher ein wichtiges Anliegen sein. Auch<br />

sind Spielräume bezüglich der Ausgestaltung der Vergütungssysteme<br />

von grosser Bedeutung: ein enges regulatorisches Korsett in diesem Bereich<br />

würde die Attraktivität des <strong>Standort</strong>es <strong>Schweiz</strong> für hervorragende<br />

Führungskräfte zweifellos schwächen. Den Interessen der Gesellschafter<br />

(der Investoren) eines Unternehmens ist gleichermassen Rechnung<br />

zu tragen, ohne dass die Freiheit der internen Organisation der Unternehmen<br />

und das systemtragende Prinzip der Privatautonomie zu stark<br />

durch formale Anforderungen und detaillierte Organisationspflichten<br />

eingeschränkt werden.<br />

BAKER & MCKENZIE<br />

148


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

≥ Das schweizerische Gesellschaftsrecht muss weiterhin flexibel bleiben<br />

und die private Gestaltungsautonomie bezüglich der internen Organisation<br />

darf – auch in Bezug auf die Vergütung der Verwaltungsräte und<br />

Direktoren – nicht über Gebühr reguliert werden.<br />

Schwachstelle: Rechtsunsicherheiten im Konzernrecht Obwohl die<br />

<strong>Schweiz</strong> nicht über ein formalisiertes Konzernrecht verfügt, können für<br />

die meisten konzernrechtlichen Probleme befriedigende Lösungen im<br />

<strong>Schweiz</strong>er Recht gefunden werden. Einige Fragen sind jedoch mit erheblicher<br />

Rechtsunsicherheit behaftet, so dass Forderungen nach gesetzlich<br />

fixierten Regelungen nicht verstummen. Gerade der Konkurs<br />

einer Konzerngesellschaft birgt grosse Haftungsrisiken für dessen Organe<br />

sowie die Verwaltungsräte<br />

der Konzermutter, welche sich<br />

auch durch sorgfältige Planung<br />

nicht beseitigen lassen. Wesentliche<br />

Risikofaktoren bilden<br />

vor allem konzernübliche Sachverhalte<br />

wie Darlehensgewährungen<br />

(insbesondere Up- und<br />

Cross-Stream-Darlehen oder<br />

Das schweizerische Gesellschaftsrecht<br />

muss weiterhin flexibel bleiben und<br />

die private Gestaltungsautonomie bezüglich<br />

der internen Organisation darf nicht<br />

über Gebühr reguliert werden – auch nicht<br />

in Bezug auf die Vergütung der Verwal-<br />

tungsräte und Direktoren.<br />

die Teilnahme bei einem Cash-Pooling), Forderungsverzichte oder die<br />

Erbringung von Leistungen durch Konzernuntergesellschaften, soweit<br />

deren Drittüblichkeit («dealing at arm’s length») nicht nachgewiesen<br />

werden kann. Dadurch werden nicht nur Transaktionen innerhalb des<br />

Konzerns erschwert, auch die Gewinnung qualifizierter Führungskräfte<br />

für die jeweiligen Verwaltungsräte wird schwieriger und teurer.<br />

≥ Gesetzliche Regelungen im Bereich des Konzernrechts wären im<br />

Hinblick auf die bestehenden Rechtsunsicherheiten und Haftungsrisiken<br />

wünschenswert. Die abschliessende Darstellung eines kohärenten<br />

Massnahmenpaketes würde den vorliegenden Rahmen überschreiten.<br />

≥ Beispielhaft könnte ein gesetzlich verankertes Konzernrecht eine<br />

Sonderregelung im Bereich der Treuepflichten nach Art. 717 OR im Falle<br />

von verbundenen Unternehmen enthalten, nach der eine Handlung im<br />

149


STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />

Interesse des Konzernverbundes als pflichtwahrend eingestuft wird. Bedingung<br />

dieser Sonderregelung müsste jedoch sein, dass die Konzernzugehörigkeit<br />

im Gesellschaftszweck und damit auch im Handelsregister<br />

offengelegt wird und der Konzernverbund jederzeit für die Verbindlichkeiten<br />

gegenüber den Gläubigern aufkommt.<br />

≥ Im Hinblick auf das Cash-Pooling (beziehungsweise die konzerninterne<br />

Finanzierung im Allgemeinen) sollten klare gesetzliche Grundlagen<br />

geschaffen werden, die es Konzerngesellschaften erlauben, an einem<br />

Cash-Pool teilzunehmen, ohne die involvierten Organe einem Haftungsrisiko<br />

auszusetzen.<br />

Harmonisierung bei wirtschaftsrechtlichen Institutionen als Investitionsvorteil<br />

Staatliche Handels- und Grundbuchregister verbessern den<br />

Schutz des Publikums im Rechtsverkehr, stellen jedoch in der <strong>Schweiz</strong><br />

zum Teil einen nicht unerheblichen Kostenfaktor bei Rechtsgeschäften<br />

dar. Die unterschiedliche, teils formalistische Auslegung des Registerrechts<br />

durch die kantonalen Behörden einerseits sowie die nicht selten<br />

unverhältnismässig hohen Notariatstarife andererseits führen jedoch<br />

zu als unnötig wahrgenommenen Rechtsunsicherheiten und Rechtsverkehrskosten.<br />

Auch in zeitlicher Hinsicht hat sich das Verfahren um die<br />

dezentralisierten Register zu einem Negativfaktor entwickelt.<br />

≥ Wir empfehlen eine einheitliche, pragmatische sowie transparente<br />

Handhabung des Registerrechts sowie die Begrenzung der Gebühren auf<br />

ein als vernünftig empfundenes Mass, welches sich – auch ausserhalb<br />

des Geltungsbereiches des Fusionsgesetzes – an den aufgewendeten<br />

Arbeitsstunden orientiert.<br />

Die <strong>Schweiz</strong> im Herzen Europas Herausfordernd gestaltet sich die<br />

Entwicklung der Position der <strong>Schweiz</strong> im Kontext zunehmender Vereinheitlichung<br />

der rechtlichen Rahmenbedingungen auf internationaler und<br />

europäischer Ebene. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den daraus resultierenden<br />

faktischen und politischen Druck auf die <strong>Schweiz</strong>, ihr Recht<br />

den europäischen Gegebenheiten anzugleichen, um den Zugang zu den<br />

betreffenden internationalen/europäischen Märkten nicht zu verlieren.<br />

BAKER & MCKENZIE<br />

150


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Beispielhaft seien in diesem Zusammenhang Regulierungsbemühungen<br />

der Europäischen Union im Kapitalmarkt- oder Verbraucherschutzrecht<br />

genannt. Eine Umsetzung solcher Vorstösse ohne Berücksichtigung der<br />

Interessen der Nicht-EU-Länder bedeutet nicht selten einen faktischen<br />

Regulierungszwang auch für <strong>Schweiz</strong>er Unternehmen. Zu einem echten<br />

<strong>Standort</strong>-Nachteil für die Ansiedlung von Konzerngesellschaften in der<br />

<strong>Schweiz</strong> könnte sich gegenüber europäischen <strong>Standort</strong>-Wettbewerbern<br />

zum Beispiel auch der Ausschluss der <strong>Schweiz</strong> von den EU-Regelungen<br />

über grenzüberschreitende Fusionen entwickeln.<br />

≥ Nicht alle wirtschaftsrechtlichen Hindernisse oder Nachteile können<br />

durch unilaterale Massnahmen beseitigt oder gemindert werden, sondern<br />

erfordern einen politischen Dialog im internationalen Kontext. Der<br />

Früherkennungsradar für internationale und europäische Entwicklungen<br />

und ihre möglichen Auswirkungen auf den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> sollte daher<br />

verbessert und es sollten Strategien zu einer politischen Einflussnahme<br />

auf internationaler, vor allem europäischer Ebene festgelegt werden.<br />

Forschungs- und Entwicklungszentren im Bereich Pharma/Biotech<br />

Für die <strong>Standort</strong>attraktivität von Forschung- und Entwicklungseinheiten<br />

können neben den genannten allgemeinen Rahmenbedingungen ergänzende<br />

rechtliche Aspekte im Immaterialgüterrecht sowie im Aufsichtsrecht<br />

einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor darstellen.<br />

Forderungen von Branchenvertretern für die Sicherung der <strong>Standort</strong>attraktivität<br />

wurden bereits in laufenden Gesetzgebungsvorhaben berücksichtigt<br />

(Stichworte: Bundespatentgericht, nationale Erschöpfung<br />

usw.). Darüber hinaus sehen die laufenden Revisionsvorhaben bezüglich<br />

des Heilmittelgesetzes vor, dass im Ausland bereits freigegebene Medikamente<br />

in der <strong>Schweiz</strong> unter vereinfachten Bedingungen zugelassen<br />

werden können, während parallel die Rechtssicherheit im Zulassungsbereich<br />

durch Erlass konkretisierender Ausführungsverordnungen im<br />

Heilmittelrecht weiter erhöht werden soll.<br />

≥ Über die laufenden Revisionsbemühungen hinaus ist zu fordern, dass<br />

die Zulassungsverfahren von Medikamenten noch stärker vereinheitlicht<br />

151


STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />

und die Kooperation mit anderen (internationalen) Zulassungsbehörden<br />

weiter vorangetrieben wird. <strong>Schweiz</strong>erische Sonderlösungen sind so weit<br />

wie möglich abzubauen.<br />

Schutzlücken wurden zudem im Bereich des schweizerischen Erstanmeldungsschutzes<br />

für Arzneimittel identifiziert, welcher dem Schutz der<br />

für die Zulassung eines Medikaments wichtigen klinischen und präklinischen<br />

Prüfdaten dient und einen einfachen Marktzugang für Nachahmerpräparate<br />

verhindern soll.<br />

Der Schutzbereich des Erstanmeldungsschutzes<br />

ist nach der<br />

aktuellen <strong>Schweiz</strong>er Praxis (u.a.<br />

nach der Auslegung des geltenden<br />

Rechts durch die Swissmedic)<br />

bei der Fortentwicklung<br />

BAKER & MCKENZIE<br />

Die Zulassungsverfahren von Medikamenten<br />

sollten noch stärker vereinheitlicht<br />

und die Kooperation mit anderen (interna-<br />

tionalen) Zulassungsbehörden weiter<br />

vorangetrieben werden.<br />

bestehender Präparate mit im Wesentlichen inhaltsgleichen Substanzen<br />

oder Kombinationspräparaten aus bereits zugelassenen Stoffen<br />

nicht eröffnet, selbst wenn eine neuartige Substanzkombination zu einer<br />

Wirkstoffverbesserung führt. Die europäische Regelung geht in diesem<br />

Bereich weiter und sieht einen sogenannten Unterlagenschutz auch für<br />

Kombinationspräparate vor. Auch wenn die Defizite in diesem Bereich<br />

bereits erkannt wurden, sehen die aktuellen Gesetzesinitiativen keine<br />

vollständige Angleichung des Schutzbereiches des Erstanmelderschutzes<br />

an das europäische Recht vor.<br />

≥ Die Reichweite des schweizerischen Erstanmelderschutzes ist – im<br />

Wege einer Anpassung der bestehenden gesetzlichen Regelung – an den<br />

internationalen bzw. europäischen Standard anzugleichen. Aus Gründen<br />

der Rechtssicherheit sollte die Frage der Schutzbereichsgrenzen nicht<br />

allein der Auslegung durch die Swissmedic überlassen werden.<br />

Wie in anderen Rechtsbereichen auch wird die Attraktivität eines<br />

Rechtssystems nicht nur durch die materielle Rechtslage bestimmt. In<br />

der Wahrnehmung der Investoren von gleicher oder sogar noch grösserer<br />

Bedeutung dürfte die Umsetzung der materiellen Regelungen sein.<br />

Entsprechend wichtig ist ein reibungsloses, effizientes Zulassungs-<br />

152


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

verfahren. In dieser Hinsicht besteht bei Swissmedic Handlungsbedarf:<br />

Das <strong>Schweiz</strong>er Zulassungsverfahren ist in der Regel langsamer als die<br />

Verfahren bei den entsprechenden amerikanischen und europäischen<br />

Behörden FDA und EMEA.<br />

≥ Swissmedic sollte sich – ohne nachteiligen Einfluss auf die Qualität<br />

der Prüfung – um eine Straffung ihres Zulassungsverfahrens bemühen.<br />

Ziel sollte es sein, die durchschnittliche Dauer des Zulassungsverfahrens<br />

von acht auf drei Monate zu senken.<br />

Für die Sicherung und den Ausbau von Forschung und Entwicklungszentren<br />

ist eine liberale Regulierung der Forschungsaktivitäten von essentieller<br />

Bedeutung. In Bezug auf die Forschung am Menschen verfügt die <strong>Schweiz</strong><br />

mit dem Stammzellenforschungsgesetz sowie mit der geplanten neuen<br />

Verfassungsbestimmung Art. 118a BV und dem Humanforschungsgesetz<br />

bereits über eher liberale, forschungsfreundliche Rahmenbedingungen.<br />

Eine Verbesserung der regulatorischen Bedingungen für den Forschungsstandort<br />

insbesondere im Ausserhumanbereich ist dennoch denkbar.<br />

Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen zu kommerziellen<br />

Zwecken oder deren Einfuhr ist aufgrund des 2005 durch Volk und<br />

Stände angenommenen Moratoriums bis 2010 untersagt. Der Bundesrat<br />

schlägt eine Verlängerung dieses Moratoriums bis 2013 vor. Im Hinblick<br />

auf den <strong>Standort</strong>wettbewerb ist die Signalwirkung einer solchen Verlängerung<br />

– ohne nähere Auseinandersetzung mit der sachlichen Rechtfertigung<br />

dieses Eingriffs in die Forschungsfreiheit – auf potenzielle Forschungsinvestoren<br />

kritisch zu hinterfragen.<br />

≥ Die Verlängerung des Moratoriums sollte überdacht werden. Dem<br />

Schutzbedürfnis der Stimmbürger und der Rechtssicherheit der Antragsteller<br />

kann durch eine klare gesetzliche Regelung der Bewilligungsanforderungen<br />

in der Freisetzungsverordnung ausgewogen Rechnung getragen<br />

werden.<br />

Die Befugnis der verschiedenen Ethikkommissionen (im Anwendungsbereich<br />

des Stammzellenforschungsgesetzes, des Transplantationsge-<br />

153


STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />

setzes, des Gentechnikgesetzes oder künftig auch des neuen Humanforschungsgesetzes),<br />

konkrete Projekte zu bewilligen, droht zu einem<br />

weiteren Hemmschuh für die Entwicklung der Biotechnologie in der<br />

<strong>Schweiz</strong> zu werden. Aufgrund ihrer Zusammensetzung wirken die Ethikkommissionen<br />

oft eher als politische Gremien, in welchen die Debatte<br />

über im Gesetzgebungsprozess offen gelassene Punkte – wie etwa eine<br />

klare Definition der ethischen Schutzgüter oder mögliche Rechtfertigungen<br />

bei Eingriffen – fortgesetzt wird. Entsprechend unberechenbar<br />

sind für die Betroffenen – und damit letztlich auch für die Investoren –<br />

die Entscheide der Ethikkommissionen.<br />

Finanzdienstleister Die aktuelle Herausforderung für die <strong>Schweiz</strong> als<br />

Finanzdienstleistungsstandort besteht einerseits darin, trotz zunehmendem<br />

Druck auf das traditionelle Geschäftsmodell Offshore-Banking<br />

die Position im Vermögensverwaltungsgeschäft halten zu können. Andererseits<br />

könnte die <strong>Schweiz</strong> die Chance nutzen, sich als attraktiver<br />

<strong>Standort</strong> für neue Dienstleistungen und Produkte im Bereich der Finanzdienstleistungen<br />

zu positionieren. Dem Bereich alternative Investments<br />

sollte deshalb weiterhin verstärkt Beachtung geschenkt werden.<br />

Bisher ist der Anteil der <strong>Schweiz</strong> am globalen Markt für Private Equity<br />

als Domizilstandort (sowohl für die Fonds wie auch das Management)<br />

eher marginal, obwohl die <strong>Schweiz</strong> als <strong>Standort</strong> rechtlich gut geeignet<br />

ist. Die aktuellen Problemfelder des Fonds-<strong>Standort</strong>s <strong>Schweiz</strong> liegen<br />

hauptsächlich in Unsicherheiten bei der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen<br />

Behandlung bestimmter Leistungsströme an<br />

die Fondsmanager innerhalb der komplexen Investmentstrukturen. Die<br />

<strong>Standort</strong>attraktivität könnte aber auch in rechtlicher Hinsicht durch einige<br />

gesetzgeberische Massnahmen weiter verbessert werden.<br />

Investment-Vehikel im Private-Equity-Bereich werden bevorzugt in der<br />

Rechtsform einer Limited Partnership aufgesetzt. Das schweizerische<br />

Recht sieht die Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen<br />

(KGK) als regulierte Rechtsform vor. In der Praxis wird das unmittelbar<br />

nur für KGK geltende Mindesterfordernis von fünf Kommanditären<br />

in eine Mindestanlegerzahl für alle <strong>Schweiz</strong>er Anlageformen ausgelegt.<br />

BAKER & MCKENZIE<br />

154


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

Ausnahmen werden gesetzlich nur für Pensionskassen oder Lebensversicherungen<br />

zugelassen. Dies behindert Kapitalanlagelösungen für institutionelle<br />

Anleger und Family Offices. Eine nach schweizerischem Recht<br />

aufgesetzte Fondsstruktur bleibt ihnen weitestgehend verschlossen.<br />

≥ Der Anwendungsbereich für Einanlegerfonds sollte erweitert werden.<br />

Ähnlich wie in den anderen Bereichen bildet die Dauer der Zulassungsverfahren<br />

für neue oder ausländische Produkte (time to market) ein zentrales<br />

<strong>Standort</strong>kriterium. Ein marktgerechter, effizienter Zulassungs-<br />

und Regulierungsprozess ist daher auch im Finanzdienstleistungssektor<br />

unabdingbar.<br />

Insbesondere im Bereich der alternativen Anlagen scheinen die personellen<br />

Ressourcen bei der zentralen <strong>Schweiz</strong>er Aufsichtsbehörde FINMA<br />

aus- und umbaufähig. Gezielte, auch organisatorische Veränderungen in<br />

diesem Bereich könnten viel für die zeitliche Straffung des Bewilligungsverfahrens<br />

und grössere Entscheidungsfreudigkeit bei der Bearbeitung<br />

von Anträgen bewirken. Es muss darauf geachtet werden, dass seitens<br />

der FINMA gemachte mündliche Zusagen mit Bezug auf Bearbeitungsfristen<br />

eingehalten werden. Die Einführung von Englisch als offiziell zulässige<br />

Dokumentationssprache für die im Bewilligungsverfahren einzureichenden<br />

Unterlagen ohne das Erfordernis einer Übersetzung würde<br />

eine wesentliche Kosten- und Zeitersparnis bedeuten.<br />

≥ Die personellen Ressourcen der FINMA sollten in qualitativer wie<br />

quantitativer Hinsicht gezielt aufgestockt und eine bessere Durchlässigkeit<br />

zum Finanzdienstleistungssektor angestrebt werden.<br />

≥ In Ergänzung zu den bestehenden Regelungen könnte ein Meldeverfahren<br />

für kollektive Kapitalanlagen sinnvoll sein, so dass Produkte<br />

ohne vorherige Prüfung durch die FINMA der Aufsicht unterstellt werden<br />

könnten.<br />

Die Regulierung des international agierenden Finanzdienstleistungssektors<br />

ist nicht mehr nur eine unilaterale Fragestellung. So wird eine EU-<br />

155


STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />

Richtlinie, die sich für eine Verschärfung der Aufsicht über alternative<br />

Anlageformen ausspricht und bisher im Entwurf vorliegt, im Fall ihrer<br />

Umsetzung auch für die <strong>Schweiz</strong> wichtige Bedeutung erlangen. In Drittstaaten<br />

ansässige Manager alternativer Investmentfonds müssen nach<br />

dem Richtlinienentwurf für den Vertrieb ihrer Produkte in der EU gewisse<br />

Anforderungen erfüllen und unter anderem die Unterstellung unter ein<br />

gleichwertiges regulatorisches Regelwerk nachweisen. Geeignete Massnahmen<br />

könnten in diesem Zusammenhang sein,<br />

≥ im Rahmen von bilateralen Vereinbarungen den diskriminierungsfreien<br />

Zugang schweizerischer Anlageprodukte zum europäischen Raum<br />

zu erwirken;<br />

≥ die Anerkennung schweizerischer kollektiver Kapitalanlagen in interessanten<br />

ausländischen Märkten ausserhalb der EU durch den Abschluss<br />

von entsprechenden Abkommen mit ausländischen Aufsichtsbehörden<br />

zu fördern;<br />

≥ den Anwendungsbereich der freiwilligen Unterstellung unter die<br />

schweizerische Kapitalmarktaufsicht zu erweitern.<br />

BAKER & MCKENZIE<br />

156


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

In Kürze<br />

Die Flexibilität des Gesellschafts- und Arbeitsrechts<br />

muss auch in Zukunft gewahrt werden. Die <strong>Schweiz</strong> ist in<br />

diesem Bereich weitestgehend frei von international-<br />

rechtlichen Zwängen und muss deshalb ihre Gestaltungs-<br />

hoheit für eine Verbesserung der <strong>Standort</strong>attraktivität<br />

nutzen. Praktikable Lösungen für die Konzernwirklichkeit<br />

sollten angestrebt werden.<br />

Da Wachstum in den Schlüsselbranchen nicht ohne bestqua-<br />

lifizierte Arbeitskräfte möglich ist, sollten flexible Rege-<br />

lungen für die zügige Erteilung von Arbeits- und Aufenthalts-<br />

bewilligungen nebst Familienangehörigen und Betreuungs-<br />

personen unabhängig vom Herkunftsland gefunden werden.<br />

Die Praxis der Handels- und Grundbuchregisterbehörden<br />

muss vereinheitlicht und die Rechtsverkehrsgebühren<br />

müssen auf ein angemessenes, am Zeitaufwand orientiertes<br />

Mass reduziert werden.<br />

Beste Forschungsbedingungen entstehen nur mit einer<br />

liberalen Regulierung. Für das Bewilligungsverfahren müssen<br />

rechtlich klare Kriterien vorgegeben werden, um Ent-<br />

scheidungen für einen Investor im Rahmen eines Ventures<br />

kalkulierbar zu machen.<br />

Die Erweiterung des Anwendungsbereiches für Einanlegerfonds<br />

ist zu empfehlen. Das Bewilligungsverfahren bei der FINMA<br />

muss zeitlich stark gestrafft werden. Personelle Verstärkungen<br />

und mehr Durchlässigkeit mit der Wirtschaft dürften einen<br />

wesentlichen Schritt in diese Richtung bedeuten.<br />

Strategien für die Früherkennung internationaler und euro-<br />

päischer Entwicklungen sollten verbessert werden, um rechtzeitig<br />

politische Lösungen für die Aufrechterhaltung des<br />

gleichberechtigten Marktzugangs für <strong>Schweiz</strong>er Unternehmen<br />

v.a. auf dem europäischen Binnenmarkt zu finden. Aktuell<br />

besteht Handlungsbedarf in Bezug auf den bedrohten Zugang<br />

für Kapitalanlageprodukte zum europäischen Markt.


STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />

HERAUSGEBER<br />

Credit Suisse Als eine der weltweit führenden Banken bietet die<br />

Credit Suisse ihren Kunden Dienstleistungen in den Bereichen<br />

Private Banking, Investment Banking und Asset Management an.<br />

Die Boston Consulting Group ist eine global agierende Managementberatung<br />

und weltweit führend im Bereich der Strategieentwicklung.<br />

Accenture ist ein weltweit agierender Managementberatungs-,<br />

Technologie- und Outsourcing-Dienstleister mit mehr als 176 000<br />

Mitarbeitern, die für Kunden in über 120 Ländern tätig sind.<br />

PricewaterhouseCoopers ist das weltweit führende Prüfungs-<br />

und Beratungsunternehmen. Unser Netzwerk umfasst über<br />

163 000 Mitarbeitende in 151 Ländern.<br />

Ernst & Young ist führender Qualitätspartner in den Bereichen<br />

Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung, Risiko-<br />

management-Beratung, Transaktionen und Accounting Services.<br />

Deloitte ist mit Mitgliedsunternehmen in 140 Ländern eines<br />

der führenden Netzwerke in den Bereichen Wirtschaftsprüfung,<br />

Steuerberatung, Consulting und Corporate Finance.<br />

Die ETH Zürich als führende technisch-naturwissenschaftliche<br />

Hochschule steht für Exzellenz in Lehre und Forschung und<br />

gilt als ein Innovationsmotor für die <strong>Schweiz</strong>er Wirtschaft.<br />

KPMG <strong>Schweiz</strong> ist ein führender Anbieter von Audit, Tax und<br />

Advisory Services. Autor Jörg Walker leitet die Steuerabteilung<br />

und ist Mitglied der Geschäftsleitung.<br />

Baker & McKenzie Zurich gehört zu einer der weltgrössten Wirtschaftskanzleien<br />

mit Anwälten in 39 Ländern und berät seit vielen<br />

Jahren internationale Klienten bei der Ansiedlung in der <strong>Schweiz</strong>.<br />

159


Initiant Daniel Küng, CEO, Osec, Zürich<br />

Herausgeber & Autoren Accenture: jan Burger, Alexander Kettenbach;<br />

Baker & McKenzie: Martin Frey; Boston Consulting Group: Matthias<br />

Naumann, Christian Schmid; Credit Suisse: jonathan Horlacher,<br />

Fabian Heller, Oliver Adler, Frédéric junod, Martin Neff; Deloitte:<br />

Robert Reppas; Ernst & Young: Markus Thomas <strong>Schweiz</strong>er; KpMG:<br />

jörg Walker, Thomas Linder, Michael Ruckstuhl; pricewaterhouseCoopers:<br />

Markus Neuhaus, Christina Kunz; ETH: Margrit Leuthold<br />

Themenkonzept & projektleitung Beat Leimbacher, manage2impact, Zumikon<br />

Redaktion Medard Meier, Gisler.Meier.Repele.Z’Graggen, Zürich<br />

übersetzung CLS Communication AG, Zürich<br />

Gestaltung Yves Winistoerfer, Blackbox AG, Kilchberg<br />

Korrektorat Marianne Sievert<br />

Druck NZZ Fretz AG, Schlieren<br />

Sponsoren Credit Suisse, CLS Communication AG, Zürich<br />

CLS Communication bietet vielfältige Sprachdienstleistungen,<br />

massgeschneiderte prozesse und innovative Technologien.<br />

Dank unserer globalen präsenz können unsere Kunden auf einen<br />

24-Stunden-Service bauen.

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