Standort Schweiz (PDF, 2.80 MB) - Business Location Switzerland
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STANDORT SCHWEIZ<br />
Grosse Herausforderungen – neuer Fokus<br />
RAHMENBEDINGUNGEN, ANALYSEN, PERSPEKTIVEN
INHALT<br />
5 <strong>Standort</strong>promotion <strong>Schweiz</strong> – Gemeinsam Stärken zeigen<br />
JEAN-DANIEL GERBER, STAATSEKRETÄR, DIREKTOR SECO<br />
7 Chancen und Grenzen des <strong>Standort</strong>-Föderalismus<br />
JEAN-MICHEL CINA, PRÄSIDENT DER VOLKSWIRTSCHAFTSDIREKTOREN-<br />
KONFERENZ<br />
9 <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> 2015 – Das Projekt<br />
DANIEL KÜNG, CEO OSEC<br />
13 12 Punkte zur <strong>Standort</strong>promotion der <strong>Schweiz</strong><br />
MEDARD MEIER / BEAT LEI<strong>MB</strong>ACHER<br />
Markt und Strategie<br />
19 Wie der Ansiedlungsprozess zu organisieren ist<br />
PRICEWATERHOUSECOOPERS<br />
31 Zielgruppen (Branchen) für die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>förderung<br />
CREDIT SUISSE<br />
39 Die wichtigsten Zielländer für die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>werbung<br />
2015 bis 2020<br />
CREDIT SUISSE<br />
57 <strong>Standort</strong>-Promotion: Zentrale Anforderungen an den Marktauftritt<br />
THE BOSTON CONSULTING GROUP<br />
79 Wie sich der Marktzugang zur <strong>Schweiz</strong> professionalisieren lässt<br />
ACCENTURE<br />
Wie die <strong>Schweiz</strong> gesehen wird<br />
95 Wie internationale Manager den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> beurteilen<br />
ERNST & YOUNG<br />
105 Auf welche <strong>Standort</strong>faktoren setzt die <strong>Schweiz</strong>?<br />
DELOITTE
Rahmenbedingungen<br />
121 Unternehmenssteuern – es besteht Handlungsbedarf<br />
KPMG<br />
133 Wo die <strong>Schweiz</strong> Spitze verkörpert: Bildung, Forschung<br />
und Innovation<br />
ETH<br />
145 <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong>: Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
BAKER & MCKENZIE<br />
159 Herausgeber<br />
160 Impressum
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
<strong>Standort</strong>promotion <strong>Schweiz</strong> –<br />
Gemeinsam Stärken zeigen<br />
Jean-Daniel Gerber, Staatssekretär und Direktor Staatssekretariat für<br />
Wirtschaft (Seco)<br />
Die <strong>Schweiz</strong> zählt in einem international härter werdenden Wettbewerb<br />
nach wie vor zur Spitzengruppe der attraktivsten Unternehmensstandorte.<br />
Der «Global Competitiveness Report 2009–2010» des World Economic<br />
Forum (WEF) zum Beispiel setzt die <strong>Schweiz</strong> auf Platz 1 der wettbewerbsfähigsten<br />
Nationen. Die <strong>Schweiz</strong> ist also ein ausgezeichnetes<br />
«Produkt», welches Bund, Kantone und Gemeinden im Ausland bewerben<br />
können.<br />
Die Promotion des <strong>Standort</strong>es <strong>Schweiz</strong> ist jedoch komplex. Ständig<br />
wechselnde Rahmenbedingungen auf internationaler und nationaler Ebene,<br />
vielfältige Bedürfnisse der Unternehmen, unterschiedliche Strate-<br />
gien der Kantone und weiterer Partner – all diese Faktoren führen zu<br />
diversen Erwartungen der Akteure. Gleichzeitig wissen wir, dass ein<br />
einheitlicher Auftritt von Bund und Kantonen matchentscheidend sein<br />
kann. Im Interesse des <strong>Standort</strong>s <strong>Schweiz</strong> ist deshalb der ständige Dialog<br />
und eine wirkungsvolle Koordination unter allen Partnern von grösster<br />
Bedeutung.<br />
Einige der wichtigsten privaten Akteure haben nun auf Anregung von Osec<br />
eine eigene <strong>Standort</strong>bestimmung vorgenommen. Herausgekommen sind<br />
innovative Vorschläge und Ideen, wie die <strong>Standort</strong>promotion aus Sicht<br />
der privaten Unternehmen ausgerichtet werden sollte. Der Bund wird nun<br />
die Verbesserungsvorschläge überprüfen und wenn geeignet in seine Botschaft<br />
über die <strong>Standort</strong>förderung 2012-2015 einfliessen lassen. Die politische<br />
Debatte steht 2011 im Bundesparlament an.<br />
Operationell ist der Bund seit 2008 nicht mehr selbst in der <strong>Standort</strong>promotion<br />
tätig. Die privat organisierte Osec hat den Auftrag erhalten,<br />
in Kooperation mit den Kantonen und privaten Organisationen die nach- 5
STANDORTpROMOTION SCHWEIZ – GEMEINSAM STäRKEN ZEIGEN<br />
haltige Ansiedlung ausländischer Unternehmen zu fördern. Osec vermittelt<br />
dabei Grundlageninformationen über die <strong>Schweiz</strong>, organisiert<br />
Investorenseminare und andere Promotionsaktivitäten. Damit ergänzt<br />
Osec die Anstrengungen der Kantone und der privaten Unternehmen und<br />
nützt Synergien mit der Exportförderung, etwa über den Einsatz ihres<br />
Netzes von Aussenstellen.<br />
Ich danke den Unternehmen für ihre wertvollen Vorschläge und freue<br />
mich auf eine konstruktive Debatte über die nächsten Jahre hinweg –<br />
im gemeinsamen Bestreben, das gute Produkt «Unternehmensstandort<br />
<strong>Schweiz</strong>» noch zielgerichteter und effizienter bekannt zu machen.<br />
OSEC<br />
6
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Chancen und Grenzen<br />
des <strong>Standort</strong>-Föderalismus<br />
Jean-Michel Cina, Präsident der Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz<br />
Vom Genfersee bis an den Bodensee, von Chiasso bis nach Basel siedeln<br />
sich Jahr für Jahr Unternehmen aus der ganzen Welt an, die neue Arbeitsplätze<br />
schaffen, forschen, exportieren, Niederlassungen gründen<br />
und nicht zuletzt auch Steuern zahlen. Schlagkräftige <strong>Standort</strong>promotionen<br />
tragen wesentlich zu diesen erfolgreichen Unternehmensansiedlungen<br />
bei.<br />
Ansiedlungspolitik ist zunächst einmal Aufgabe der Kantone. Sie kennen<br />
ihr Wirtschaftsgefüge und sind daher in der Lage, die Vorzüge und<br />
Geschäftsmöglichkeiten ihrer Region zu verkaufen. Der Wettbewerb<br />
zwischen den Kantonen führt dazu, dass sie ihre <strong>Standort</strong>attraktivität<br />
laufend optimieren: Unternehmenssteuern werden gesenkt, neues Industrieland<br />
wird erschlossen, Büroflächen werden zur Verfügung gestellt<br />
und die Verkehrsanbindungen werden verbessert. Die kantonalen<br />
Wirtschaftsförderstellen werben aber auch mit weichen <strong>Standort</strong>faktoren<br />
wie landschaftlichen Vorzügen und schnellen Entscheiden um die<br />
Gunst der ausländischen Unternehmen.<br />
Dank diesem Wettbewerb zwischen den Kantonen erhöht sich auch die<br />
<strong>Standort</strong>attraktivität der <strong>Schweiz</strong> jedes Jahr, denn die <strong>Schweiz</strong> ist die<br />
Summe der Kantone: Geht es den Gliedstaaten wirtschaftlich gut, prosperiert<br />
das gesamte Land. Föderalismus und Subsidiaritätsprinzip gelten<br />
auch in der <strong>Standort</strong>promotion. Sie dürfen aber nicht dazu führen,<br />
dass man sich den globalen Entwicklungen verschliesst. Die Konkurrenz<br />
um ansiedlungswillige Unternehmen hat sich weltweit verschärft und<br />
dürfte nach dieser Krise nochmals zunehmen. Unzählige <strong>Standort</strong>e stehen<br />
in einem äusserst harten Wettbewerb um die besten Unternehmen.<br />
Daher müssen auch die Kantone der <strong>Schweiz</strong> nicht nur ihre <strong>Standort</strong>-<br />
attraktivität laufend optimieren, sondern auch ihre Kräfte bündeln, um<br />
sich im Ausland gemeinsam noch besser zu vermarkten.<br />
7
CHANCEN UND GRENZEN DES STANDORT-FöDERALISMUS<br />
Die Kantone haben dies erkannt und sich regional in der exogenen Wirtschaftsförderung<br />
zusammengeschlossen in Organisationen wie Greater<br />
Zurich Area, Greater Geneva Berne Area oder Basel Area. Aber auch die<br />
Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen bzw. den gemeinsamen<br />
Organisationen der Kantone muss unvoreingenommen analysiert und<br />
gegebenenfalls angepasst werden. Ziel muss es sein, dass unsere Kunden,<br />
d.h. ansiedlungsinteressierte Firmen, optimal betreut werden und<br />
sich schliesslich in der <strong>Schweiz</strong> niederlassen.<br />
Die vorliegenden Beiträge von Unternehmen und Institutionen zeigen interessante<br />
Aspekte auf, wie wir unsere <strong>Standort</strong>promotion international<br />
noch besser positionieren können. Ich schätze diese Vielfalt an Ideen<br />
und freue mich auf spannende und intensive Diskussionen.<br />
OSEC<br />
8
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
<strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> 2015 –<br />
Das projekt<br />
Daniel Küng, CEO Osec<br />
Die <strong>Standort</strong>promotion für die <strong>Schweiz</strong> auf nationaler Ebene ist eine<br />
Erfolgsgeschichte. Und dies, obgleich es sie als solche bis vor wenigen<br />
Jahren eigentlich noch gar nicht gab, denn <strong>Standort</strong>marketing ist eine<br />
hoheitliche Aufgabe der Kantone. Ein zusätzliches, vom Bund ins Leben<br />
gerufenes Programm für die Vermarktung der gesamten <strong>Schweiz</strong> als<br />
Unternehmensstandort gibt es erst seit 1996, und seit dem 1. Januar<br />
2008 sind wir von der Osec dafür zuständig. Unser Leistungsspektrum<br />
wird vom Seco und von den Kantonen in Leistungsaufträgen definiert.<br />
Es umfasst die Koordination der <strong>Standort</strong>promotion zwischen Bund und<br />
Kantonen, die Vermittlung von Informationen zum Unternehmensstandort<br />
<strong>Schweiz</strong> und die Bereitstellung entsprechender Plattformen. Dafür<br />
stehen uns vom geschätzten Gesamtbudget von etwa 30 Millionen Franken,<br />
das schweizweit für die <strong>Standort</strong>promotion im Ausland ausgegeben<br />
wird, etwa 6 Millionen zur Verfügung. Die übrigen 24 Millionen verteilen<br />
sich auf die Kantone und die von ihnen zur Bündelung der Kräfte ins Leben<br />
gerufenen regionalen Organisationen.<br />
Mit der Finanzkrise werden die Signale immer stärker, dass wir die heutige<br />
starke Position der <strong>Schweiz</strong> als Ansiedlungsland für Unternehmen<br />
in der Welt nur halten werden können, wenn wir die heutige Aufgabenteilung<br />
bei der <strong>Standort</strong>promotion sowie die unter den Partnern vereinbarten<br />
Prozesse mutig hinterfragen und neue, zukunftsweisende Konzepte<br />
entwickeln. Es geht dabei nicht um ein Verändern der vorgegebenen<br />
Rahmenbedingungen, sondern um eine Optimierung der Rollenverteilung<br />
und der Prozesse.<br />
In Erfüllung unserer Koordinationsaufgabe haben wir die Initiative ergriffen,<br />
bestehendes Wissen zu bündeln und als Diskussionsgrundlage<br />
aufzubereiten. Wir haben neun mit der <strong>Standort</strong>förderung verbundene<br />
Institutionen eingeladen, die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion aus ihrer<br />
9
STANDORT SCHWEIZ 2015 – DAS pROjEKT<br />
ganz individuellen Sicht zu beurteilen. Wir haben mit ihnen zusammen<br />
Themenblöcke bestimmt, ihnen aber dann bei der Ausgestaltung völlig<br />
freie Hand gelassen. Herausgekommen ist eine Sammlung von Beiträgen,<br />
die die derzeitige Meinungsvielfalt wiedergeben, die Probleme zum<br />
Teil kontrovers und provokativ sichtbar machen und die Handlungsoptionen<br />
aufgrund praktischer Erfahrungen skizzieren. Sie widerspiegeln<br />
einzig und allein die Meinung der Autoren. Unsere eigene Meinung ist in<br />
keinen dieser Beiträge eingeflossen.<br />
Um die ganze Sache für den Leser griffiger zu gestalten, haben wir den<br />
anerkannten Publizisten Medard Meier um die Umsetzung der individuellen<br />
Beiträge in die vorliegende Broschüre gebeten. Er hat zusammen mit<br />
dem Projektkoordinator Beat Leimbacher im Namen der neun Autoren<br />
die wichtigsten Aussagen der Artikel in zwölf Punkten zusammengefasst<br />
und dabei Kanten, Ecken und Widersprüche nicht abgeschliffen.<br />
Ich selber habe die Beiträge und die Zusammenfassung mit der gleichen<br />
Spannung gelesen wie hoffentlich auch Sie. Als Chef der Osec ziehe ich<br />
daraus für unsere Arbeit vorläufig folgende erste Schlüsse:<br />
– Der globale <strong>Standort</strong>wettbewerb wird härter. Die <strong>Schweiz</strong> hat nur mit<br />
einem starken und koordinierten Auftritt im Ausland Erfolg. Wirtschaft<br />
und Verwaltung müssen noch enger zusammenarbeiten. Die inhaltsstarke<br />
Marke <strong>Schweiz</strong> ist ein Trumpf.<br />
– Wir müssen die Aufgabenteilung zwischen Bund, Verbänden, Kantonen<br />
und ihren regionalen Zusammenschlüssen kritisch überprüfen.<br />
Dabei richten wir uns am Subsidiaritätsprinzip aus, legen die Verantwortlichkeiten<br />
aber verbindlich fest. Klärung suchen wir bei der Zuständigkeit<br />
für nahe und ferne Märkte und bei der Arbeitsteilung in den<br />
Bereichen Basisinformation, Marktbearbeitung, Leadbearbeitung, Angebotserstellung<br />
und Ansiedlung. All dies sollte in ein gemeinsam erarbeitetes<br />
Gentlemen’s Agreement einfliessen, das sowohl den Gesamtnutzen<br />
für die <strong>Schweiz</strong> als auch den Eigennutzen der Kantone im Auge<br />
behält. Der gesunde Wettbewerb zwischen den Kantonen soll dadurch in<br />
keiner Weise beeinträchtigt werden.<br />
OSEC<br />
10
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
– Entscheidend ist es, dass wir uns in die Position der umworbenen Investoren<br />
in den Zielländern versetzen: Sie wünschen wenige Ansprechpersonen<br />
mit breit abgestütztem Know-how, klare, gut strukturierte Angebote,<br />
schnelle und verbindliche Entscheidungsmechanismen.<br />
– Unsere <strong>Standort</strong>vorteile gilt es deutlicher herauszuarbeiten und in<br />
nationale, regionale, kantonale Argumente zu bündeln, Vorteile von Industrien<br />
und Clustern müssen wir hinzufügen. Unsere hervorragenden<br />
<strong>Standort</strong>vorteile haben wir zielmarktspezifischer einzusetzen.<br />
– Die Zielmärkte und die erfolgversprechendsten Zielfirmen sind sorgfältiger<br />
zu evaluieren, zu segmentieren und unter Mithilfe der offiziellen<br />
<strong>Schweiz</strong> zielgerichteter anzugehen. Hier könnten sich innovative Konzepte<br />
anbieten, wie zum Beispiel der Key-Account-Ansatz. Aber auch<br />
langfristige persönliche Kontakte sollten wir verstärkt einsetzen.<br />
Alles in allem geht es mir um zwei Sachen: Erstens müssen wir den Gesamtnutzen<br />
der <strong>Standort</strong>promotion für die ganze <strong>Schweiz</strong> erhöhen.<br />
Denn dadurch wächst auch der Individualnutzen für die Kantone. Dazu<br />
wird es auch notwendig sein, dass wir den «Erfolg» neu definieren. Zweitens<br />
müssen wir die potenziellen Interessenten so behandeln, wie sie es<br />
sich wünschen, und nicht so, wie unser bestehendes System es vorgibt.<br />
Meine Hoffnung ist es, dass der Bund, die Osec, die Kantone und ihre<br />
regionalen Organisationen den Dialog, den wir mit den vorliegenden Beiträgen<br />
anstossen, intensiv fortsetzen und dass wir schnell verbesserte<br />
Konzepte für die <strong>Standort</strong>promotion der <strong>Schweiz</strong> im Ausland konzipieren<br />
und umsetzen. Das vorliegende Basispapier liefert dazu genügend<br />
Gedankenanstösse.<br />
11
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
12 punkte zur <strong>Standort</strong>promotion<br />
der <strong>Schweiz</strong><br />
Positionen der neun unabhängigen Autoren.<br />
Medard Meier / Beat Leimbacher<br />
1. Aufklären Die <strong>Schweiz</strong> ist aus Sicht internationaler Unternehmen eines<br />
der attraktivsten Länder für Direktinvestitionen. Sie schätzen insbesondere<br />
die politische Stabilität sowie die Rechtssicherheit des Landes.<br />
Unternehmen, die schon in der <strong>Schweiz</strong> investiert haben, sind von<br />
Schlüsselbereichen wie Innovation, Unternehmergeist und Forschung<br />
und Entwicklung überzeugter als Unternehmen, welche noch nicht in der<br />
<strong>Schweiz</strong> tätig sind.<br />
2. Konkurrenz rückt vor Die Konkurrenz holt auf. Der globale Wettbewerb<br />
um die Ansiedlung ausländischer Unternehmen ist härter geworden,<br />
und die Ansprüche an den <strong>Standort</strong> wachsen schnell. Traditionell<br />
vorteilhafte <strong>Standort</strong>faktoren allein genügen nicht mehr. Sie müssen<br />
durch konsequente <strong>Standort</strong>promotionen auch gezielt und fokussiert<br />
vermarktet werden. Welches die jeweils relevanten <strong>Standort</strong>faktoren<br />
sind und wie sie in den Zielländern wahrgenommen werden, gilt es laufend<br />
zu überprüfen und länderspezifisch anzupassen. Die Handlungsstrategien<br />
verändern sich entsprechend.<br />
3. Visionen entwickeln Internationale Konzerne haben für die <strong>Schweiz</strong><br />
grosse Bedeutung. Deshalb braucht es einen gemeinsamen Willen, die<br />
<strong>Standort</strong>vorteile stetig zu verbessern. Gleichzeitig ist ein starker und<br />
koordinierter Auftritt im Ausland notwendig. Wirtschaft und Verwaltung<br />
müssen Zukunftsstrategien entwickeln, welche die Politik mittels Rahmenbedingungen<br />
gestaltend umsetzt. Dabei gilt es Fragen zu beantworten<br />
wie: Für welche Interessen wollen wir uns gemeinsam einsetzen?<br />
Wofür soll die <strong>Schweiz</strong> in wirtschaftlicher Hinsicht stehen – weiterhin<br />
für ein Land mit höchster Wertschöpfung pro Arbeitsplatz und höchstem<br />
Lebensstandard? 13
12 pUNKTE ZUR STANDORTpROMOTION DER SCHWEIZ<br />
4. Landeswerbung optimieren Die Koordination der Landeswerbung<br />
sollte, wie schon die Aussenwirtschaftsförderung, weiter optimiert werden.<br />
Der bundesrätliche Gesetzesentwurf dazu weist den Weg. Dazu<br />
stehen ein koordinierter Auftritt und ein koordiniertes Vorgehen von der<br />
Osec, Präsenz <strong>Schweiz</strong> und <strong>Schweiz</strong> Tourismus im Vordergrund. Nur so<br />
wird die <strong>Schweiz</strong> im Ausland wirklich sichtbar. Entscheidend ist auch<br />
hier eine gemeinsame Vision unter den Beteiligten.<br />
5. Mitteleinsatz bündeln Mit einem Budget von 30 Millionen Franken<br />
für die <strong>Standort</strong>promotion liegt die <strong>Schweiz</strong> relativ zum Bruttoinlandprodukt<br />
auf der Höhe vergleichbarer Länder wie Österreich und Schweden.<br />
Bedingt durch die föderalistische Struktur des Landes werden die Mittel<br />
jedoch zersplittert und von Bund, Kantonen und Gemeinden zu wenig<br />
koordiniert eingesetzt. Dadurch werden Chancen verpasst. Das Resultat<br />
sind Doppelspurigkeiten und ein Auftritt, der bezüglich Konsistenz und<br />
Kundenorientierung noch verbessert werden kann.<br />
6. Mit «Gentlemen’s Agreement» unter den Promotoren agieren Beträchtliches<br />
Verbesserungspotenzial lässt sich mit einer Aufgabenteilung<br />
zwischen Bund und Kantonen gezielter ausschöpfen, z.B. dadurch,<br />
dass nationale <strong>Standort</strong>faktoren zentral und einheitlich durch den<br />
Bund und seine Organisationen, die regionalen aber durch die Kantone<br />
vermarktet werden. Denkbar wäre auch, dass der Bund und seine<br />
Institutionen die fernen Zielmärkte bearbeiten und die Kantone die nahen<br />
europäischen Märkte. Deutschland hat erfolgreich vorgemacht,<br />
dass es auch in einer föderalistischen Struktur möglich ist, über ein<br />
«Gentlemen’s Agreement» eine verbesserte Koordination und Kooperation<br />
unter den <strong>Standort</strong>promotoren des Landes zu erreichen. Dies<br />
würde den Nutzen für die gesamte <strong>Schweiz</strong> und die einzelnen Kantone<br />
erhöhen.<br />
7. Zielmärkte neu definieren Nur wer in den richtigen Ländern präsent<br />
ist, kann seinen <strong>Standort</strong> effizient und erfolgreich vermarkten. Dazu<br />
braucht es eine längerfristige Potenzialanalyse möglicher Zielmärkte,<br />
welche die Bedürfnisse der <strong>Schweiz</strong> spezifisch berücksichtigt. Daraus<br />
leitet sich eine Strategie ab, die diejenigen Zielländer identifiziert, auf<br />
OSEC<br />
14
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
die sich die <strong>Standort</strong>promotion frühzeitig fokussieren soll. Im Zentrum<br />
sollten neben den traditionell wichtigen Herkunftsländern aufgrund ihrer<br />
Wachstumsperspektiven vor allem die Schwellenländer – insbesondere<br />
die BRIC-Staaten – stehen.<br />
8. Auf Spitzenunternehmen abzielen Die Branchenauswahl muss breit<br />
angelegt sein und die Rahmenbedingungen eine positive Entwicklung aller<br />
Branchen zulassen. Die stärksten Unternehmen – die relativen Gewinner<br />
einer Branche – gilt es dann in den Zielländern zu identifizieren<br />
und frühzeitig anzusprechen. Verfolgt man in erster Linie einen Cluster-<br />
Ansatz, verstärkt man zwar das Chancenpotenzial für Zielfirmen, handelt<br />
sich jedoch die Gefahr eines volkswirtschaftlichen Klumpenrisikos ein.<br />
9. «Human Touch», Erfahrung und Geschwindigkeit einsetzen Die identifizierten<br />
Unternehmen, die in Europa investieren möchten, sind rechtzeitig<br />
und proaktiv anzusprechen. Obwohl teurer, dürfte dieser Ansatz<br />
die Erfolgsquote der Ansiedlungen deutlich verbessern und sich über die<br />
erwarteten Beiträge zum BIP bestens refinanzieren. Je nach Potential<br />
unterscheidet man High, Mid und Low Value Clients. Das oberste Segment<br />
verlangt ein Key-Account-Management, das möglichst den gesamten<br />
Ansiedlungsprozess begleitet und damit eine Zielfirma auf dem ganzen<br />
Weg aus einer Hand betreut. Hier sind Geschwindigkeit und «Human<br />
Touch» für den Erfolg zentral. Mid-Value-Kunden werden branchenspezifisch<br />
betreut. Das unterste Segment versorgt sich über leicht zugängliche<br />
Informationssysteme selbst.<br />
10. Rechtsvorteile In der <strong>Schweiz</strong> ist nicht die Marktgrösse ausschlaggebender<br />
Faktor für Direktinvestitionen. Deshalb sind attraktive rechtliche<br />
Rahmenbedingungen zentral. Die Grundlage dafür ist unser flexibles<br />
Gesellschaftsrecht, das in der Anwendung pragmatisch ist und gleichzeitig<br />
allen Beteiligten Rechtsschutz und Rechtssicherheit bietet. Zudem<br />
ist es entscheidend, dass der Wettbewerbsvorteil im Arbeitsrecht<br />
gewahrt bleibt. Die <strong>Schweiz</strong> ist in diesen Bereichen weitestgehend frei<br />
von internationalen Rechtszwängen. Diese Gestaltungshoheit zugunsten<br />
des <strong>Standort</strong>es sollte unbedingt ausgeschöpft werden. Gleichermassen<br />
wichtig sind die liberale Anwendung von Arbeits- und Aufenthalts-<br />
15
12 pUNKTE ZUR STANDORTpROMOTION DER SCHWEIZ<br />
bewilligungen innerhalb der bestehenden Rechtsordnung sowie fortschrittliche<br />
Forschungsbedingungen.<br />
11. Steuerpolitik Im internationalen Steuerwettbewerb ist die <strong>Schweiz</strong><br />
noch gut positioniert. Doch der Anpassungsdruck steigt. Die Einführung<br />
neuer Steuermodelle beziehungsweise die Adaptation bewährter ausländischer<br />
Modelle könnte ein Weg sein, die <strong>Schweiz</strong> noch stabiler zu<br />
positionieren. Denkbar ist der Einsatz gezielter Steueranreize, die die<br />
<strong>Schweiz</strong> bei Konzernfunktionen mit hoher Wertschöpfung attraktiv machen.<br />
Vorsicht ist geboten, den Trend zur generellen Steuersatzsenkung<br />
fortzuschreiben. Eine Alternative könnte sein, dass sich die <strong>Schweiz</strong> auf<br />
international anerkannte Privilegien und Ausnahmen von Bemessungsgrundlagen<br />
abstützt, wie dies die Niederlande und Luxemburg vormachen.<br />
Steuerliche Massnahmen greifen nur, wenn sie sorgfältig in die<br />
weiteren <strong>Standort</strong>vorteile der <strong>Schweiz</strong> eingebettet sind.<br />
12. Bildungsexzellenz Eine der tragenden Säulen für den <strong>Standort</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> ist und bleibt die Qualität der Ausbildung. Dies betrifft sowohl<br />
die tertiäre Bildung wie auch die Berufsbildung und ihre nachgelagerten<br />
Bildungsgänge. Ebenso zentral ist jedoch der Mut zur Exzellenzförderung,<br />
die eine bewusste Ungleichbehandlung und Differenzierung der<br />
Hochschulen zulässt. Nur so bleibt das Land im globalen Wettbewerb um<br />
Talente und um ansiedlungswillige Unternehmen, die mit Hochschulen<br />
zusammenspannen möchten, längerfristig konkurrenzfähig.<br />
OSEC<br />
16
MARKT UND STRATEGIE
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Wie der Ansiedlungsprozess<br />
zu organisieren ist<br />
Die <strong>Schweiz</strong> zählt zu den attraktivsten Ländern der Welt – als Lebensraum für<br />
Individuen und als <strong>Standort</strong> für Unternehmen. In Zeiten des Umbruchs, wie wir<br />
sie derzeit erleben, ergibt sich die Chance, diese Stellung weiter zu stärken.<br />
Dies wird dann am besten gelingen, wenn die involvierten Akteure mit einer gemeinsamen<br />
Vision und einer darauf basierenden <strong>Standort</strong>strategie agieren. Eine<br />
zentrale Rolle kommt dabei dem Ansiedlungsprozess zu. Im vorliegenden Text<br />
werden die Bausteine einer erfolgreichen Ansiedlungsstrategie beleuchtet. Die<br />
Beobachtungen basieren auf der Erfahrung als beratender Begleiter vieler Ansiedlungen,<br />
ihnen kommt insofern empirischer Charakter zu.<br />
Markus Neuhaus / Christina Kunz, PricewaterhouseCoopers<br />
Alle Zeichen deuten darauf hin, dass sich die internationale Wirtschaft und<br />
Politik in einer Phase des Umbruchs und der Kräfteverlagerungen befinden.<br />
Auch im internationalen <strong>Standort</strong>wettbewerb werden die Karten neu<br />
gemischt. Die Unternehmen überdenken ihre <strong>Standort</strong>politik regelmässig<br />
und die Anforderungen an einen <strong>Standort</strong> wachsen immer schneller,<br />
was höhere Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit beziehungsweise<br />
an die Entwicklungsfähigkeit eines <strong>Standort</strong>es stellt. Die Krise heizt den<br />
Konzentrationsprozess weiter an, in dem nur die «Fittesten» überleben.<br />
Generell gilt, dass der globale <strong>Standort</strong>wettbewerb härter geworden ist.<br />
Angesichts der grossen Bedeutung der international tätigen Konzerne<br />
für das Land muss die <strong>Schweiz</strong> ihre <strong>Standort</strong>vorteile stetig weiter ausbauen.<br />
Sie braucht einen starken<br />
und koordinierten Auftritt Für eine <strong>Schweiz</strong> mit der höchsten Wert-<br />
im Ausland. Wirtschaft und schöpfung pro Kopf, die in zukunfts-<br />
Verwaltung müssen gemeinsam weisenden Industriesektoren führend ist.<br />
Zukunftsstrategien entwickeln,<br />
welche von der Politik mittels Rahmenbedingungen gestaltend umgesetzt<br />
werden. Dazu braucht es vermehrt gemeinsame Strategieüberlegungen.<br />
Für welche Interessen will man sich gemeinsam einsetzen? 19
WIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST<br />
Für welches Bild der <strong>Schweiz</strong>? Zum Beispiel für eine <strong>Schweiz</strong> mit der<br />
höchsten Wertschöpfung pro Kopf, die in zukunftsweisenden Industriesektoren<br />
führend ist, für eine <strong>Schweiz</strong>, die in Bildung, Forschung, Umsetzung<br />
und Vermarktung integriert Spitzenleistungen erbringt, für eine<br />
<strong>Schweiz</strong>, die sich den Veränderungen laufend anpasst, für eine <strong>Schweiz</strong><br />
mit dem höchsten Lebensstandard.<br />
Zentrale Inhalte einer Ansiedlungsstrategie umfassen die <strong>Standort</strong>promotion<br />
im Ausland für die <strong>Schweiz</strong>, die stete Verbesserung der <strong>Standort</strong>attraktivität<br />
der <strong>Schweiz</strong> und die konkrete Abwicklung von Ansiedlungen<br />
von Unternehmen und/oder Talenten. Diese drei Bausteine werden<br />
im Folgenden beleuchtet.<br />
pRICEWATERHOUSECOOpERS<br />
Ziel der <strong>Standort</strong>promotion im Ausland ist es, den Wirtschaftsstandort<br />
<strong>Schweiz</strong> mit seinen Stärken zu vermarkten und dadurch Firmenansiedlungen<br />
zu fördern. Seit dem 1. Januar 2008 liegt die operative Verantwortung<br />
für die <strong>Standort</strong>promotion des Bundes beim privatrechtlichen Verein<br />
Osec <strong>Business</strong> Network <strong>Switzerland</strong>. In der Leistungsvereinbarung<br />
zwischen der Osec und dem Seco für die Periode 2008 bis 2011 ist unter<br />
anderem festgehalten, dass Bund und Kantone ihre Promotionsmassnahmen<br />
gegenseitig abzustimmen<br />
haben. Unter der Ägide von Die Abstimmung zwischen den verschie-<br />
LOCATION <strong>Schweiz</strong> (Vorgänger denen <strong>Standort</strong>promotoren bleibt ein<br />
der Osec in der <strong>Standort</strong>promo- Knackpunkt, Einzelaktionen und Doppel-<br />
tion) hat sich der Koordinations- spurigkeiten sind noch immer Realität.<br />
stand zwischen Bund, Kantonen<br />
und Partnern aus dem Privatsektor stark weiterentwickelt, beispielsweise<br />
durch Schaffung von Programmpartnerschaften in allen Zielmärkten.<br />
Dennoch bleibt die Abstimmung zwischen den verschiedenen <strong>Standort</strong>promotoren<br />
– gemäss Feedback von aussen und innen – ein Knackpunkt,<br />
Einzelaktionen und Doppelspurigkeiten in der Marktbearbeitung<br />
sind noch immer Realität. Wünschenswert ist auch, dass die <strong>Standort</strong>promotion<br />
verstärkt interkantonal abgesprochen wird. Erfreulich ist in<br />
diesem Sinne der am 19. Juni 2008 gefasste Beschluss der Konferenz<br />
kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren zur verstärkten Koordination der<br />
Promotionsaktivitäten des Bundes und der Kantone.<br />
20
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Mit der Zusammenlegung der vom Bund gestützten <strong>Standort</strong>promotion,<br />
Exportförderung, Importförderung aus Entwicklungsländern sowie der<br />
Förderung der Investition in Entwicklungsländer in ein Haus der Aussenwirtschaft<br />
(Osec) wurde ein wichtiger Schritt Richtung verbesserter<br />
Koordination der Aussenwirtschaftsförderung getan. Dringend zu prüfen<br />
wäre auch die Schaffung einer bereichs- und departementsübergreifenden<br />
Organisation der Landeswerbung, allenfalls die Zusammenlegung<br />
des Hauses für Aussenwirtschaft mit Präsenz <strong>Schweiz</strong> und <strong>Schweiz</strong><br />
Tourismus, wie im bundesrätlichen Entwurf des Bundesgesetzes über<br />
die schweizerische Landeswerbung vorgeschlagen. Diese Institutionen<br />
arbeiten bereits heute projekt- und fallweise zusammen. Mit einer stärkeren<br />
Integration könnte der Auftritt der <strong>Schweiz</strong> im Ausland, basierend<br />
auf einer umfassenden Kommunikationsstrategie, noch wesentlich wirksamer<br />
werden. Und auch hier gilt: Voraussetzung für eine erfolgreiche<br />
Positionierung und koordinierte Kommunikation ist eine gemeinsame<br />
Vision der involvierten Akteure.<br />
Es muss klar entschieden werden, welche Botschaften wo und wie eingesetzt<br />
werden: die Botschaft des Tourismus unterscheidet sich von<br />
jener des Finanzplatzes oder des Technologiestandortes oder des Forschungs-<br />
und Bildungsstandortes. In koordinierter Form sollen die jeweiligen<br />
«Botschafter», welche die stärkste Legitimation auf sich vereinen,<br />
nach aussen auftreten, nicht unkoordiniert gegeneinander oder nacheinander.<br />
Entscheidend ist, dass die Vermarktung eines gewissen Themas<br />
durch den Stärksten erfolgt, also durch die Institution oder den <strong>Standort</strong>,<br />
welcher von aussen als stark und attraktiv wahrgenommen wird, sei<br />
dies der Bund, eine Region, ein Kanton, eine Stadt oder ein Industriecluster,<br />
oder durch mehrere dieser Stellen gemeinsam, koordiniert und mit<br />
einer Botschaft. Es macht keinen Sinn, dass sich schwache Institutionen<br />
oder <strong>Standort</strong>e einzeln nach aussen vermarkten. Regionale Verteilfragen<br />
sind <strong>Schweiz</strong>-intern zu lösen. Dabei gibt es für alle zu vermarktenden<br />
Bereiche gewisse Spezialthemen, für welche die <strong>Schweiz</strong> aufgrund<br />
ihrer Stärken steht, und diese Stärken sind konsistent zu kommunizieren.<br />
Grundlage dazu muss eine von Wirtschaft und Verwaltung gemeinsam<br />
getragene Strategie sein, welche auf die treibenden Sektoren und<br />
Elemente der Wertschöpfungskette ausgerichtet ist. Diesbezüglich soll<br />
21
WIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST<br />
der Bund die Koordination der öffentlichen Stellen übernehmen. Die Vermarktung<br />
soll überdies eine Gemeinschaftsaufgabe von Wirtschaft und<br />
Verwaltung sein. Die <strong>Schweiz</strong> muss zu ihren starken Marken stehen und<br />
diese in den Vordergrund stellen. Die <strong>Standort</strong>strategie muss nach aussen<br />
klar wirtschaftlich ausgerichtet sein. Entsprechend ist der Ansiedlungsprozess<br />
auch zu gestalten.<br />
Ebenfalls zur Prüfung empfehlen sich die Bundesausgaben im Bereich<br />
Landeswerbung. Die Tourismusbranche trägt, gemäss Zahlen des «Travel<br />
& Competitiveness Report 2007» des WEF, 6,2 Prozent zum BIP bei.<br />
Gemäss Schätzungen im Rahmen einer gemeinsamen Studie der Swiss-<br />
American Chamber of Commerce und der Boston Consulting Group<br />
erwirtschaften multinationale Unternehmen rund einen Drittel des<br />
<strong>Schweiz</strong>er BIP. Während sich die Finanzhilfe des Bundes für <strong>Schweiz</strong> Tourismus<br />
für die Periode 2008 bis 2011 auf 186 Millionen Franken beläuft,<br />
werden für die Förderung der Information über den Unternehmensstandort<br />
<strong>Schweiz</strong> für dieselbe Periode 13,6 Millionen Franken gesprochen. Hier<br />
ist allenfalls eine Anpassung nötig.<br />
Untrennbar mit der Landeskommunikation der <strong>Schweiz</strong> verbunden ist<br />
schliesslich auch die Aussenpolitik. Generell gilt, dass es ein mutiges<br />
Auftreten der <strong>Schweiz</strong> braucht, um die berechtigten eigenen <strong>Standort</strong>interessen<br />
durchzusetzen und zu verteidigen. Es muss vermieden werden,<br />
dass andere Staaten diskriminierende Massnahmen gegenüber<br />
der <strong>Schweiz</strong> treffen oder gar Retorsionsmassnahmen gegen die von der<br />
<strong>Schweiz</strong> praktizierte <strong>Standort</strong>politik eingeleitet werden. Solche negativen<br />
Trends sind teilweise bereits Realität, und es besteht ein erhebliches<br />
Risiko, dass sie sich weiter verstärken. Es ist aber auch die Aufgabe der<br />
Wirtschaftsakteure, zu vermeiden, dass sie durch eigenes Verhalten im<br />
Ausland Anlass zu negativen Massnahmen geben.<br />
Die konkrete Ansiedlung neuer Unternehmen ist seit je Aufgabe der<br />
Kantone, im Gegensatz zur <strong>Standort</strong>promotion, die zu wesentlichen Teilen<br />
beim Bund angesiedelt ist. Für staatliche Institutionen drängt sich<br />
im Bereich des Ansiedlungsprozesses eine Art «Generalunternehmermodell»<br />
auf, eine zentrale Stelle, die den Ansiedlungsprozess führt, im<br />
pRICEWATERHOUSECOOpERS<br />
22
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Sinne eines One-Stop-Shop-Prinzips. Diese Stelle ist nicht der Bund. Die<br />
heutigen Überlappungen von Regionen, Kantonen und Städten sollten<br />
reduziert, wenn nicht gar besei-<br />
tigt werden. Sie sind teuer und<br />
verwirren. Diese zentrale Stelle<br />
soll die hoheitlichen Bewilligungsverfahren<br />
aktiv begleiten<br />
und zu Entscheiden führen oder<br />
Die heutigen Überlappungen von Regionen,<br />
Kantonen und Städten sollten redu-<br />
ziert oder beseitigt werden. Sie sind teuer<br />
und verwirren.<br />
gewisse Entscheidungskompetenz übertragen erhalten. Wo diese zentrale<br />
Stelle nicht selber entscheiden kann, soll sie gemäss dem Prinzip<br />
der Unmittelbarkeit Zuzüger mit den kompetenten Stellen direkt zusammenführen<br />
und den Dialog begleiten.<br />
Öffentliche Ansiedlungsstellen sollen nicht zu Consulting-Firmen mutieren.<br />
Vielmehr ist zu verschiedenen Fragen, sei dies in rechtlichen Belangen<br />
oder zu Infrastrukturfragen, eng mit den dafür spezialisierten privaten<br />
Beratern zusammenzuarbeiten, um die Bewilligungen oder Rechtsauskünfte<br />
einzuholen und die notwendigen Strukturen aufzubauen.<br />
In der Praxis zeigt sich, dass sich öffentliche Stellen anderer Stand-<br />
orte oft sichtbar stärker um die Ansiedlung neuer Internehmen bemühen<br />
als in der <strong>Schweiz</strong> und dies mit Einsatz hochkarätiger Ressourcen<br />
tun. «Es wird der rote Teppich ausgerollt», und der Ansiedlungsprozess<br />
wird zur «Minister-Angelegenheit» erklärt, nicht zur Beamtensache. Ansiedlungsverfahren<br />
sollten auch in der <strong>Schweiz</strong> Chefsache sein. Dabei<br />
muss der Chef nicht alles selber tun. Im <strong>Standort</strong>wettbewerb macht die<br />
Präsenz eines hochrangigen Regierungsvertreters jedoch einen wesentlichen<br />
Unterschied aus. Dies ist keine Herabsetzung der Kompetenz und<br />
Tätigkeit der Beamten. Die Wahrnehmung von aussen ist jedoch erfahrungsgemäss<br />
eine ganz andere, wenn sich der Chef interessiert zeigt.<br />
Überdies beeinflusst das oft auch die Motivation der Sachbearbeiter,<br />
rasch die bestmögliche Lösung zu finden, und das Verständnis für die<br />
Bedeutung einer spezifischen Ansiedlung.<br />
Entscheidend im Rahmen einer Ansiedlung ist, dass rasch verbindlich ei-<br />
ne Lösung gefunden wird – langfristig. Praxisänderungen mit negativem<br />
23
WIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST<br />
Einfluss auf einst erteilte Auskünfte und Bewilligungen sind ausserordentlich<br />
schädlich. Oft soll das bereits in einer frühen Phase in der Form<br />
eines Letter of Intent erfolgen, selbst auf abstrakter Basis (im Wissen,<br />
dass dies dann bloss den Charakter einer Absichtserklärung hat und<br />
nicht eine verbindliche Rechtsauskunft darstellt). Ein Letter of Intent<br />
gibt Planungssicherheit, was für die erfolgreiche Attraktion eines Unternehmens<br />
wichtig ist.<br />
Die zwischenmenschliche Dimension erweist sich im Ansiedlungsprozess<br />
als ebenso zentral wie die inhaltliche Abwicklung. Es muss früh<br />
vermittelt werden, dass mit den zentralen Stellen, welche eine Ansiedlung<br />
unterstützen, ein «Easy to<br />
work with»-Modus möglich ist.<br />
Die für die Ansiedlung zuständigen<br />
Stellen müssen nach dem<br />
«Can do»- oder «Yes, we can»-<br />
oder «Wir machen es möglich»-<br />
pRICEWATERHOUSECOOpERS<br />
Die für die Ansiedlung zuständigen Stellen<br />
müssen nach dem «Can do»- oder<br />
«Yes, we can»- oder «Wir machen es möglich»-<br />
Prinzip arbeiten.<br />
Prinzip arbeiten und von den relevanten Verwaltungsstellen mit gleicher<br />
Einstellung unterstützt werden. Es sollten auch Anreize geschaffen werden,<br />
damit diese Stellen möglichst viele Firmen anziehen, auch über entsprechende<br />
Entschädigung. Damit den Bedürfnissen von potenziellen<br />
Ansiedlern bestmöglich entsprochen werden kann, muss Wissen über<br />
die Bedürfnisse der potenziellen Kunden aufgebaut werden. Wichtig ist<br />
der Aufbau von Beziehungen zu Schlüsselpersonen in Firmen. Man muss<br />
Kontakte suchen und pflegen, denn – entgegen der Theorie des Homo<br />
oeconomicus – werden Entscheidungen auch in der Wirtschaft meist aufeiner<br />
Vertrauensbasis getroffen. Und: Beziehungspflege darf nach erfolgreicher<br />
Ansiedlung nicht aufhören. Es muss früh aufgezeigt werden, dass<br />
der Kunde auch nach erfolgter Ansiedlung nicht «alleine» gelassen wird<br />
und eine langfristige Ansiedlungsstrategie verfolgt wird, und das Versprochene<br />
ist zu halten, der <strong>Standort</strong> hat kundenfreundlich zu bleiben.<br />
Während es die primäre Verantwortung der Wirtschaft ist, in den führenden<br />
Industrien heute und in Zukunft erfolgreich zu agieren, kommt der Politik<br />
die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen und das positive politische<br />
Klima zu schaffen, welches die heutigen wirtschaftlichen Tätigkeiten<br />
24
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
optimal unterstützt, zukunftsgerichtete Entwicklungen fördert und damit<br />
die <strong>Standort</strong>attraktivität der <strong>Schweiz</strong> verbessert. Dies ist das dritte<br />
Kernelement der <strong>Standort</strong>politik.<br />
Entscheidungen in der <strong>Standort</strong>wahl basieren letztlich auf subjektiven<br />
Erwägungen. Entscheidungsrelevante Faktoren, die im Folgenden<br />
diskutiert werden, sind Bewilligungsfragen, Infrastrukturfragen, das<br />
persönliche Umfeld und die (steuer)rechtlichen Rahmenbedingungen.<br />
Der Ansiedlungsprozess muss einerseits darauf ausgerichtet sein, Unternehmen<br />
mit ihren Arbeitskräften/Talenten anzuziehen. Andererseits<br />
geht es in verschiedenen Branchen und gerade im Forschungsbereich<br />
darum, einzelne Spitzenkräfte in die <strong>Schweiz</strong> zu ziehen. Auch dies muss<br />
der Ansiedlungsprozess unterstützten. Der Zuzug aus dem EU-Raum<br />
verläuft mittlerweile reibungslos, was lobenswert und für viele Branchen<br />
entscheidend ist. Zuzüge aus anderen Regionen der Welt sind aber<br />
nach wie vor aus verschiedenen Gründen schwierig. Die USA sind gerade<br />
mit Blick auf Ansiedlungen ein Land von zentraler Bedeutung, die Praxis<br />
zu Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen<br />
entspricht dieser Wir wollen hochqualifizierte Arbeits-<br />
Bedeutung nicht. Noch schwie- kräfte, welche die <strong>Schweiz</strong> weiterbringen<br />
riger ist die Lage in Bezug auf können. Dabei gilt es auch die Lebens-<br />
Zuzüger aus Asien. Berücksich- bedürfnisse der Zuzüger zu berücksichtigen.<br />
tigt man, dass Asien stark an<br />
Bedeutung gewinnen wird, auch für den Wirtschaftsstandort <strong>Schweiz</strong><br />
und für die Frage der Ansiedlung von unternehmerischen Tätigkeiten, so<br />
kann sich diese Immigrationsproblematik als fatal erweisen, mit langfristig<br />
grossem volkswirtschaftlichem Schadenspotenzial.<br />
Bezüglich Immigrationsfragen muss die Politik auf die globalen Trends<br />
ausgerichtet werden und gleichzeitig die Vision im Auge behalten. Wir<br />
wollen hochqualifizierte Arbeitskräfte, welche die <strong>Schweiz</strong> weiterbringen<br />
können. Dabei gilt es, auch die Lebensbedürfnisse der Zuzüger zu<br />
berücksichtigen. Es geht üblicherweise nicht nur um die Aufenthalts-<br />
und Arbeitsbewilligung für eine Person, sondern für eine ganze Familie,<br />
allenfalls inklusive Hausangestellte. Letztere stammen oft aus anderen<br />
25
WIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST<br />
Regionen als die «Hauptzuzüger». Dies führt derzeit in der <strong>Schweiz</strong> zu<br />
fast unlösbaren Komplikationen, was ein wesentlicher <strong>Standort</strong>nachteil<br />
ist. Ein Lösungsansatz wäre, dass Hausangestellte unabhängig von ihrer<br />
Nationalität mit ihren Arbeitgebern zuziehen können. Verbesserungs-<br />
potential bezüglich Immigrati-<br />
onsfragen ist auch in der zeit-<br />
lichen Dimension des Prozesses<br />
auszumachen. Die Erfahrung<br />
zeigt, dass Verfahren in<br />
der <strong>Schweiz</strong>, verglichen mit an-<br />
Bewilligungsverfahren werden in der<br />
<strong>Schweiz</strong> im Rahmen von Ansied-<br />
lungen generell als schwerfällig und<br />
langwierig bezeichnet.<br />
deren <strong>Standort</strong>en, länger dauern. Ein konkretes Beispiel soll das verdeutlichen:<br />
das Einholen einer Arbeitsbewilligung für eine Japanerin, welche<br />
zur Betreuung japanischer Kunden eingesetzt werden sollte, dauerte in<br />
Deutschland zwei Tage, in der <strong>Schweiz</strong> zwei Monate.<br />
Bewilligungsverfahren werden in der <strong>Schweiz</strong> im Rahmen von Ansiedlungen<br />
generell als schwerfällig und langwierig bezeichnet. Hier besteht<br />
dringender Handlungsbedarf. Das Generalunternehmermodell, wie oben<br />
beschrieben, eignet sich dazu, die Abwicklungszeit zu verkürzen und damit<br />
die <strong>Schweiz</strong> attraktiver zu machen. Vergleichbare Modelle werden in<br />
anderen Staaten wie z.B. Irland oder Singapur bereits sehr erfolgreich<br />
angewendet.<br />
Infrastrukturfragen erweisen sich im Ansiedlungsprozess regelmässig<br />
als problematisch. Jede zuziehende Gesellschaft braucht Raum<br />
oder Land zwecks Erstellung eines neuen Gebäudes. Dabei ist die Unterstützung<br />
durch die amtlichen Förderstellen wichtig. Entscheidend<br />
ist, dass diese Stellen über relevante Marktinformationen verfügen und<br />
die rasche Vernetzung mit professionellen Anbietern sicherstellen können.<br />
Marktzugang ist ein entscheidender <strong>Standort</strong>faktor. Dabei ist der<br />
Begriff «Markt» weit zu verstehen und umfasst neben Kunden- oder Absatzmarkt<br />
auch Inputfaktoren wie etwa den Zugang zu Forschung und<br />
Entwicklung, zu Wertschöpfungsketten, zu Infrastruktur. In diesem Zusammenhang<br />
ist auf die immer grösser werdende Bedeutung sogenannter<br />
«Clusters» oder «Ecosystems» hinzuweisen. Entsprechend ist die<br />
Raumentwicklung auf Clusterbildung auszurichten.<br />
pRICEWATERHOUSECOOpERS<br />
26
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Baubewilligungen sind nicht nur für <strong>Schweiz</strong>er oft mühselig, das wird<br />
auch von ansiedlungswilligen Firmen so wahrgenommen. Eine rasche,<br />
frühe Klärung der Machbarkeit eines Projektes ist entscheidend.<br />
Von ebenso grosser Bedeutung ist die Verfügbarkeit von Wohnraum für<br />
die Angestellten. Dies ist auch im Zusammenhang mit regionaler Raumentwicklung<br />
zu berücksichtigen. Dabei stellen sich auch interkantonale<br />
Fragen beim Auseinanderfallen des Arbeits- und Wohnkantons, was einerseits<br />
zu Komplikationen im Bewilligungsprozess führt und andererseits<br />
zu Zeitverzögerungen. Eine vereinfachte interkantonale Abstimmung<br />
ist notwendig.<br />
Das zu erwartende persönliche Umfeld ist bei jeder <strong>Standort</strong>evaluation<br />
von entscheidender Bedeutung. Familien müssen sich wohl fühlen und<br />
müssen diejenige Infrastruktur vorfinden, welche sie benötigen. Ausserdem<br />
braucht es auch ein Klima der interkulturellen Offenheit. Von höchster<br />
Bedeutung sind internationale Schulen. Davon gibt es in der <strong>Schweiz</strong><br />
viel zu wenige. Da die öffentlichen Schulen die Bedürfnisse von «mobilen»<br />
Familien nicht genügend abdecken können, werden internationale<br />
Schulen oft privat errichtet und betrieben. Es darf nicht aus politischer<br />
Ideologie gegen private Schulen gemauert werden. Ergo soll der Staat die<br />
Errichtung privater internationaler Schulen fördern. Dies soll auch über<br />
Institutionen wie die Erziehungsdirektorenkonferenz geschehen. Überdies<br />
braucht es verbesserte Rahmenbedingungen für Kinderbetreuung.<br />
Aus rechtlicher Perspektive gilt es, in Ansiedlungsfragen zu beachten,<br />
dass keine restriktive und kleinliche Rechtsanwendung erfolgen soll.<br />
Man muss nicht immer Musterknabe sein. Selbstverständlich gelten dieselben<br />
Rechtsprinzipen bei Ansiedlungen wie anderswo. Das Recht darf<br />
aber sehr wohl als standortpolitischer Faktor eingesetzt werden. Eine<br />
Auslegung und Anwendung im Sinne einer offenen, flexiblen, vorwärtsgerichteten,<br />
anpassungswilligen und -fähigen Wirtschaftspolitik macht<br />
uns international attraktiv und hält dem Rechtsgleichheitsgebot stand.<br />
Neuzuzüge sind zum Vorteil aller. Dies gilt insbesondere bei der Gewährung<br />
des Status als gemischte Gesellschaft oder als Holdinggesellschaft<br />
oder speziell bei Prinzipaltätigkeiten oder Finanzaktivitäten.<br />
27
WIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST<br />
Die Steuerfolgen für Unternehmen und Mitarbeiter spielen bei der Ansiedlung<br />
eine wichtige Rolle. Auch hier gilt: ein grosszügigeres Regime<br />
in Bezug auf steuerlich abzugsfähige Berufskosten ist wichtig. Oft tragen<br />
Zahlungen im Zusammenhang mit Zuzügen gar keinen Einkommens-<br />
charakter, sondern sind von vornherein reiner Kostenersatz, und trotzdem<br />
werden sie besteuert. Entsprechend braucht es eine Neudefinition<br />
oder pragmatische Anwendung der Regeln zur Einkommens- und Berufskostendefinition<br />
und nicht eine akribische Suche nach möglicherweise<br />
auch noch steuerbaren Nebenleistungen. Aufgrund der oft praktizierten<br />
«Nettolohn-Methode» reduziert die Besteuerung solcher Leistungen<br />
nämlich nicht das beim Steuerpflichtigen verfügbare Einkommen, sondern<br />
erhöht bloss die Kosten beim Arbeitgeber. Diese höheren Kosten<br />
können den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> unattraktiv machen. Die Emissionsab-<br />
gabe verhindert oder erschwert gewisse Ansiedlungen, die Umsatzab-<br />
gabe macht die <strong>Schweiz</strong> für gewisse Tätigkeiten gänzlich unattraktiv.<br />
Politisch gefärbte Diskussionen zu Steuerthemen schrecken ab.<br />
Generell gilt es zu vermerken, dass der Prozess für Bundessteuererleichterungen<br />
zu kompliziert und zeitraubend ist und in der heute regional<br />
stark eingeschränkten Praxis zu geringe Bedeutung hat. Ansiedlungsprojekte<br />
sollten in den Händen weniger Steuerbeamter (auf Stufe Bund<br />
und Kanton) konzentriert werden, welche damit eine hohe Fachkompetenz<br />
und Erfahrung in den relevanten Fragen erwerben, was auch den<br />
Entscheidrhythmus erhöht.<br />
Zu vermeiden sind selbstredend Rechtsentwicklungen über Auslegung<br />
oder Gesetzgebung, welche den auf Offenheit und Dynamik ausgerichteten<br />
Wirtschaftsstandort abschotten oder zurückhalten oder Flexibilität<br />
in den rechtlichen Rahmenbedingungen reduzieren. Ein derart offen<br />
gestalteter <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong>, kombiniert mit einem effizienten Ansiedlungsprozess,<br />
vermarktet durch eine effektive <strong>Standort</strong>promotion, alles<br />
basierend auf der Vision einer führenden <strong>Schweiz</strong>, die sich immer wieder<br />
neue Erfolgspositionen aufbaut, dient dem Wohle von uns allen.<br />
pRICEWATERHOUSECOOpERS<br />
28
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
In Kürze<br />
Die <strong>Schweiz</strong> ist – als Lebensraum für Individuen und als<br />
<strong>Standort</strong> für Unternehmen – eines der attraktivsten Länder<br />
der Welt. Umbruchzeiten wie die gegenwärtige bieten<br />
die Chance, diese Position zu stärken – wenn die <strong>Schweiz</strong><br />
eine konsistente <strong>Standort</strong>strategie einhält.<br />
Dazu braucht das Land einen starken und koordinierten Auftritt<br />
im Ausland. Insbesondere sind Doppelspurigkeiten<br />
oder gar Widersprüche zwischen Bund, Kantonen und privatrechtlichen<br />
<strong>Standort</strong>förderern zu eliminieren.<br />
Die konkrete Ansiedlung neuer Unternehmen ist seit je Sache<br />
der <strong>Standort</strong>kantone. Dabei drängt sich eine Art Generalunternehmermodell<br />
auf: das sich ansiedelnde Unternehmen<br />
wird während des ganzen Prozesses in allen Fragen von<br />
einer Stelle begleitet (One-Stop-Shop-Prinzip).<br />
Entscheidend in der Ansiedlung sind die Geschwindigkeit, mit<br />
der verbindliche Lösungen gefunden werden, und der Grad,<br />
in dem zwischenmenschliche Beziehungen gepflegt werden –<br />
auch nach erfolgter Ansiedlung. Hinzu kommen die Effizienz in<br />
Bewilligungsverfahren (Bauvorhaben), Flexibilität in Immigrationsfragen<br />
(Familiennachzug für qualifizierte Mitarbeiter),<br />
ausreichende Infrastruktur (auch für die Familien) – und nicht<br />
zuletzt auch ein umkomplizierter Umgang mit Steuerfragen.<br />
29
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Zielgruppen (Branchen)<br />
für die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>förderung<br />
Welche Branchen für eine <strong>Standort</strong>förderung geeignet sind, lässt sich aus ökonomischer<br />
Sicht nicht einfach beantworten, da es in jeder Branche relative Verlierer<br />
und Gewinner gibt. Deshalb sollten für jede Branche die relativen Gewinner<br />
herausgefiltert und gezielt bearbeitet werden. Die Rahmenbedingungen sind so<br />
zu gestalten, dass sich Unternehmen aus allen Branchen positiv entwickeln können.<br />
Jene Unternehmen sollten bevorzugt werden, die sich im Vergleich zu ihrer<br />
Branche stärker und nachhaltiger entwickeln, die sich in wachsenden Nischen<br />
befinden und stark auf Innovation setzen. Ein Cluster-Ansatz birgt zwar Chancen<br />
für eintretende Unternehmen, doch gleichzeitig kann die Konzentration von<br />
Branchen in gewissen Regionen auch zu Klumpenrisiken führen, die man nicht<br />
weiter verstärken sollte. Vielmehr müsste in Regionen, die von Clustern geprägt<br />
sind, der Branchenmix ausgeweitet werden. Der aktuelle Branchenansatz der<br />
Osec (Life Science, Wealth Management, Information Technology und Headquarters)<br />
muss um weitere Branchen erweitert werden.<br />
Frédéric Junod / Martin Neff, Credit Suisse<br />
Ziel dieser Analyse ist es, diejenigen Branchen zu identifizieren, welche<br />
sich in der <strong>Schweiz</strong> auch in Zukunft überdurchschnittlich entwickeln<br />
dürften. Dabei handelt es sich um Branchen, die nicht nur in der Hochkonjunktur<br />
profitieren, sondern auch strukturell zu den Gewinnern gehören.<br />
Jede Branche ist nämlich in ihrem eigenen Zyklus neben konjunkturellen<br />
auch strukturellen Einflussfaktoren<br />
unterworfen. Um die strukturellen<br />
Stärken und Schwächen der einzelnen<br />
Branchen darstellen zu können,<br />
nimmt die Credit Suisse jedes Jahr<br />
auf der Basis neuer Daten eine mit-<br />
Jede Branche ist in ihrem eigenen<br />
Zyklus neben konjunkturellen<br />
auch strukturellen Einflussfaktoren<br />
unterworfen.<br />
telfristige Chancen-Risiken-Bewertung (CRB) vor. Diese Bewertung stellt<br />
für jede Branche eine zukunftsgerichtete Einschätzung aus makroökonomischer<br />
Sicht dar. Sie stützt sich auf ein eigens dafür entwickeltes<br />
Modell und setzt sich aus den beiden Dimensionen Chance und Risiko<br />
31
ZIELGRUppEN (BRANCHEN) FüR DIE SCHWEIZER STANDORTFöRDERUNG<br />
zusammen. Der Prognosehorizont erstreckt sich über die nächsten drei<br />
bis fünf Jahre.<br />
Die Berechungsmethode In die CRB fliessen 24 Basisindikatoren der<br />
offiziellen <strong>Schweiz</strong>er Statistiken sowie Daten des Credit Suisse Economic<br />
Research ein. Die Berechnung geschieht in drei Phasen: In einer ersten<br />
Phase bilden die modellgestützten Chancen-Risiken-Werte die aktuellen<br />
und vergangenen Unterschiede der Branchen ab. In einer zweiten Phase<br />
fliessen die Prognosen des Economic Research der Credit Suisse ein. In<br />
der dritten Phase werden die Werte durch spezialisierte Branchenanalysten<br />
validiert. Der Wertebereich der CRB reicht von –10 bis +10. Bei positiven<br />
Werten überwiegen die Chancen, bei negativen die Risiken. Eine<br />
Branche mit hohem Wert wird sich in der mittleren Frist wirtschaftlich<br />
nachhaltiger entwickeln als eine Branche mit einem tiefen Wert.<br />
Die CRB wird «bottom-up» berechnet. Die 24 Basisindikatoren werden<br />
gemäss theoretischen Überlegungen und mathematischen Tests gruppiert<br />
und mittels Faktoranalyse zusammengefasst. Die Faktoranalyse<br />
ist eine mathematische Methode zur Reduktion von Datensätzen. Die<br />
Gewichtung der einzelnen Basisindikatoren entspricht ihrer tatsächlichen<br />
Relevanz. Aufgrund der «Bottom-up-Struktur» weist das Modell die<br />
Form einer Pyramide auf. Diese Pyramidenstruktur garantiert Transparenz,<br />
lässt sich doch jeder Wert aus den einzelnen Basisindikatoren- und<br />
Prognosewerten zurückverfolgen. Die oberste Ebene der Pyramide sind<br />
die beiden Dimensionen Chance und Risiko.<br />
Die Dimension Chance umfasst Indikatoren bezüglich positiver Zukunftsaussichten.<br />
Deren Wert bildet das Potenzial der Branche bezüglich Wertschöpfungs-<br />
und Produktivitätswachstum ab. Als Grundlagen dienen<br />
Wertschöpfungsindikatoren der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung<br />
des Bundesamtes für Statistik (BFS) sowie die ebenfalls vom BFS erhobene<br />
Beschäftigungsstatistik (BESTA).<br />
Die Dimension Risiko ist in drei Risikokomponenten unterteilt. Diese<br />
Komponenten umfassen je zwei Faktoren. Die komplette Struktur ist<br />
in Abbildung 1 ersichtlich und wird im Weiteren erläutert. Risiken sind<br />
CREDIT SUISSE<br />
32
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 1: Struktur der Daten im Rahmen der CRB<br />
AB-<br />
SCHOTTUNG<br />
POLITISCHES<br />
RISIKO<br />
STAATLICHE<br />
EINGRIFFE<br />
AUSSEN-<br />
FITNESS<br />
BASIS-<br />
INDIKATOREN<br />
CHANCEN<br />
RISIKEN<br />
STRUKTUR-<br />
RISIKO<br />
INNEN-<br />
FITNESS<br />
BASIS-<br />
INDIKATOREN<br />
VARIABI-<br />
LITÄT<br />
FRIKTIONS-<br />
RISIKO<br />
Die Chancen-Risiko-Bewertung der Credit Suisse ermittelt auf der Grundlage von 24 Basisdaten<br />
aus öffentlichen Statistiken und CS-eigenen Daten das Zukunftspotenzial einzelner<br />
Branchen – und bildet damit eine wichtige Entscheidungsgrundlage zur Frage, welche Unternehmen<br />
aus welchen Branchen angesiedelt werden sollten.<br />
Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
Faktoren, welche mehrheitlich exogen auf eine Branche einwirken, also<br />
nicht vom einzelnen Unternehmen kontrolliert werden können. Wir unterscheiden<br />
im CRB-Modell drei verschiedene Risiken.<br />
– Strukturrisiko: Bewertet werden das Ausmass des Strukturwandels<br />
innerhalb einer Branche sowie das Risiko der ganzen Branche, im internationalen<br />
und nationalen Wettbewerb nicht «fit» genug zu sein. Hauptindikatoren<br />
sind Wertschöpfungsanteile, Beschäftigungsanteile, Produktivitätsindikatoren,<br />
Handelsbilanzentwicklungen sowie Export Unit<br />
Values.<br />
– Politisches Risiko: Bewertet wird das Ausmass staatlicher Eingriffe,<br />
welche den Wandel bremsen oder eine Branche zukünftig schwächen<br />
UNGLEICHGEWICHT<br />
FAKTORMÄRKTE<br />
33
ZIELGRUppEN (BRANCHEN) FüR DIE SCHWEIZER STANDORTFöRDERUNG<br />
könnten. Als Messwerte für den staatlichen Eingriff dienen unter anderem<br />
die Subventionen und Steuererleichterungen, die Mehrwertsteuerklassen<br />
und der Grad an Protektionismus (Höhe der Zölle und Aussenhandelsverflechtung).<br />
Ebenfalls berücksichtigt wird der Grad der Gefahr einer<br />
übermässigen Ausübung von Marktmacht und von Marktabsprachen.<br />
– Friktionsrisiko: Bewertet werden das Ausmass der Volatilität einer<br />
Branche (gemessen an der Wertschöpfungs- bzw. Beschäftigungsentwicklung)<br />
sowie der Grad der Ungleichgewichte auf den Faktormärkten<br />
(Kapitalmarkt: Konkurse; bzw. Arbeitsmarkt: Arbeitslosenquote).<br />
Die Spitzenreiter Die Branche Pharma und Chemie befindet sich gemäss<br />
der mittelfristigen Chancen-Risiken-Bewertung an der Spitze (Ab-<br />
bildung 2). Gefolgt wird die Branche von der Medizinaltechnik, den Mess-<br />
und Kontrollinstrumenten sowie von der Uhrenindustrie. Diese Bran-<br />
chen bleiben trotz einer zum Teil<br />
starken Anfälligkeit auf Konjunkturzyklen<br />
international besonders<br />
wettbewerbsfähig und<br />
werden auch in Zukunft über-<br />
CREDIT SUISSE<br />
Die Branche Pharma und Chemie befindet<br />
sich gemäss der mittelfristigen<br />
Chancen-Risiken-Bewertung an der Spitze.<br />
durchschnittlich stark wachsen können. Das Gesundheitswesen, welches<br />
von den steigenden Gesundheitsausgaben profitiert, wird in Zukunft<br />
ebenfalls eine überdurchschnittliche Entwicklung nachweisen können.<br />
Nach der Spitzengruppe folgt eine Reihe von Dienstleistern, welche<br />
ebenfalls gut aufgestellt sind. Bei den Unternehmensberatern besteht<br />
ein wesentlicher Treiber darin, dass Unternehmen komplexe Aufgaben<br />
und Abklärungen immer häufiger an Spezialisten auslagern. Die Banken,<br />
die Versicherungen und die Informatikbranche erhalten ebenfalls eine<br />
überdurchschnittliche Bewertung. Trotz der Finanzkrise und dem leicht<br />
lädierten Bankgeheimnis bleibt der Finanzplatz <strong>Schweiz</strong> international<br />
gut positioniert und für die Zukunft gerüstet.<br />
Im Mittelfeld befinden sich Branchen aus unterschiedlichen Bereichen.<br />
Die Elektrotechnik wird auch in Zukunft ihren technologischen Vorsprung<br />
in vielen Bereichen ausspielen können. Die Maschinenbauer haben wei-<br />
34
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 2: Von Pharma bis Landwirtschaft<br />
CHANCEN-RISIKEN-BEWERTUNG<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
-4<br />
-6<br />
-8<br />
-10<br />
BRANCHEN MIT TIEFER CHANCEN-RISIKEN-BEWERTUNG<br />
BRANCHEN MIT HOHER CHANCEN-RISIKEN-BEWERTUNG<br />
ANTEIL AN DER SCHWEIZER BRUTTOWERTSCHÖPFUNG IN PROZENT<br />
Pharma, Chemie<br />
Medtech, Messinstr.<br />
Uhrenindustrie<br />
Gesundheitswesen<br />
Unternehmensberatung<br />
Informatik<br />
Banken<br />
Versicherungen<br />
Architekten, Ingenieure<br />
Elektrotechnik<br />
Energieversorgung<br />
Grosshandel<br />
Maschinenbau<br />
Elektronik<br />
Nachrichtenübermittlung<br />
Nahrungsmittelindustrie<br />
Kunststoffindustrie<br />
Holzindustrie<br />
Reisebranche<br />
Immobilienwesen<br />
Metallerzeugnisse<br />
Autogewerbe<br />
Möbelindustrie<br />
Metallerzeugung<br />
Detailhandel<br />
Landverkehr, Logistik<br />
Bau<br />
Papierindustrie<br />
Druck und Verlag<br />
Textil- und Bekleidung<br />
Gastgewerbe<br />
Landwirtschaft<br />
Bei Pharma, Medtech, Messgeräten, Uhren überwiegen in der Chancen-Risiken-Bewertung<br />
mittelfristig die positiven Faktoren (blaue Balken); sie sind für <strong>Standort</strong>werbung im Ausland<br />
besonders geeignet. Landwirtschaft, Gastgewerbe und Textilindustrie weisen dagegen<br />
eine negative Bilanz auf (rote Balken). Etliche dieser Branchen mit negativer Bilanz sind<br />
jedoch für die Binnenwirtschaft von grosser Bedeutung (schwarze Punkte), wie etwa der<br />
Detailhandel oder das Baugewerbe.<br />
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
35
ZIELGRUppEN (BRANCHEN) FüR DIE SCHWEIZER STANDORTFöRDERUNG<br />
terhin eine überdurchschnittliche Bewertung, die Risiken in dieser Branche<br />
sind aber nicht zu unterschätzen. Zwar gehört eine stattliche Zahl<br />
<strong>Schweiz</strong>er Maschinenbauer technologisch zur Weltspitze. Die Konkurrenz<br />
aus Ländern mit niedrigeren Produktionskosten holt aber zusehends auf<br />
und stellt die <strong>Schweiz</strong>er Anbieter vor Herausforderungen. Auch die Elektronik<br />
ist gut positioniert. Gründe dafür sind das unvermindert hohe Innovationstempo<br />
und die Konkurrenzfähigkeit der <strong>Schweiz</strong>er Forschung, eine<br />
hohe Produktivität in der Produktion sowie die gute Positionierung der<br />
<strong>Schweiz</strong>er Halbleiterindustrie. Die Bewertung der Nahrungsmittelindustrie<br />
widerspiegelt die zunehmende Spaltung der Branche in eine erfolgreiche<br />
Exportindustrie und eine weitgehend stagnierende Binnenindustrie.<br />
Die Schlusslichter Branchen mit strukturellen Problemen auf der Angebotsseite<br />
befinden sich am Ende der Rangliste. Diese Branchen werden<br />
sich auch in Zukunft im Branchenvergleich unterdurchschnittlich<br />
entwickeln. Im Detailhandel und im Autogewerbe sind die Wachstumschancen<br />
sättigungsbedingt beschränkt. Diese beiden Branchen werden<br />
sich demzufolge in den nächsten Jahren unter einem permanenten Anpassungsdruck<br />
befinden. Aus der binnenorientierten Bauwirtschaft sind<br />
mittelfristig nur wenige Impulse zu erwarten. Niedrige Eintrittsbarrieren<br />
sowie zu viele und meist eher kleine Anbieter sorgen für einen anhaltend<br />
hohen Margendruck. Ebenfalls im hinteren Teil des Feldes befindet sich<br />
die Branche Druck und Verlag sowie die Textil- und die Bekleidungsindustrie.<br />
Diese Branchen durchlaufen seit Jahren massive strukturelle<br />
Veränderungen. Das Gastgewerbe wird auch mittelfristig mit tiefgreifenden<br />
strukturellen Problemen konfrontiert sein. Die hohe Dichte an<br />
Betrieben bringt Überkapazitäten und starken Wettbewerbsdruck mit<br />
sich. Aufgrund der Strukturprobleme auf der Angebotsseite ist die mittelfristige<br />
Chancen-Risiken-Bewertung unterdurchschnittlich. Die tiefste<br />
Chancen-Risiken-Bewertung gemäss unserem Modell weist die Landwirtschaft<br />
auf. Der anhaltende Strukturwandel, die überdurchschnittlich<br />
hohen staatlichen Unterstützungsmassnahmen sowie die hohe Anzahl<br />
an Kleinst- und Kleinbetrieben eröffnen der Landwirtschaft wenig Entwicklungspotenzial.<br />
Der Liberalisierungsdruck dürfte zudem viele Betriebe<br />
vor Schwierigkeiten stellen. Wir sehen daher ein im Branchenvergleich<br />
schlechtes Entwicklungspotenzial für diese Branche.<br />
CREDIT SUISSE<br />
36
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
In Kürze<br />
Branchen, welche sich mittelfristig gemäss der Chancen-<br />
Risiken-Bewertung in der <strong>Schweiz</strong> am stärksten entwickeln<br />
dürften, sind die Pharmaindustrie, die Chemie, die Medizi-<br />
naltechnik sowie die Hersteller von Mess- und Kontroll-<br />
instrumenten. Als weitere Industriebranche hat die Elektrotechnik<br />
ebenfalls ein überdurchschnittliches Potenzial.<br />
Bei den Dienstleistungsbranchen weisen Unternehmensberater,<br />
Banken, Versicherungen und die Informatikbranche<br />
eine überdurchschnittliche Bewertung aus.<br />
Aus dieser Branchenauswahl kann dennoch keine direkte<br />
<strong>Standort</strong>förderungsstrategie abgeleitet werden, da es in<br />
jeder Branche relative Gewinner und Verlierer gibt, und weil<br />
es schwierig ist, im Voraus «förderungswürdige» Branchen<br />
zu bestimmen. Vielmehr sollten die Rahmenbedingungen<br />
für alle Branchen günstig gestaltet werden, beispielsweise<br />
über die Steuerpolitik, eine möglichst straffe Administration<br />
oder die Bildungspolitik.<br />
In der <strong>Schweiz</strong> findet man auf sehr engem Raum hervor-<br />
ragende technische Hochschulen und Forschungsinstitute.<br />
Diese Rahmenbedingungen sind ein optimaler Nährboden<br />
für Unternehmen aus vielen Branchen. Sich bei der <strong>Standort</strong>-<br />
förderung nur auf einzelne Cluster zu beschränken, ist<br />
suboptimal, da in anderen Nischen oder Branchen ebenfalls<br />
ein grosses Potenzial schlummern kann.<br />
37
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Die wichtigsten Zielländer<br />
für die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>werbung<br />
2015 bis 2020<br />
Wer erfolgreich ein Produkt vermarkten will, muss dort sein, wo die meisten<br />
und wirtschaftlich interessantesten potenziellen Kunden sind. Dies ist bei der<br />
<strong>Standort</strong>promotion nicht anders. Nur wer in den richtigen Ländern präsent ist,<br />
kann seinen <strong>Standort</strong> erfolgreich vermarkten. Um eine Wahl der Länder zu treffen,<br />
in denen man die <strong>Standort</strong>werbung schwerer gewichten will, muss also das<br />
Potenzial verschiedener Länder eruiert werden und jene mit besonders hohem<br />
Potenzial müssen identifiziert werden. Für eine nachhaltige Strategie muss eine<br />
langfristige Priorisierung vorgenommen und damit auch eine langfristige Prognose<br />
der zukünftigen Potenziale erstellt werden, was nicht immer einfach ist.<br />
Jedoch entstehen solche Potenziale nicht über Nacht, sondern bilden sich durch<br />
langfristige und damit frühzeitig identifizierbare Trends.<br />
Fabian Heller / Jonathan Horlacher / Oliver Adler, Credit Suisse<br />
In der bisherigen Marktbearbeitungsstrategie der Osec 2009 bis 2011<br />
wurde als oberste Priorität die Bearbeitung von grossen Fernmärkten<br />
(USA, Japan, China, Indien und Russland) definiert. Zweite Priorität hatte<br />
die Koordination der <strong>Standort</strong>promotion in den europäischen Nachbarländern,<br />
es folgten die Bearbeitung des übrigen Europas und zuletzt<br />
andere Fernmärkte wie Brasilien und die Golfstaaten. Die Potenzialanalyse<br />
der Länder geschah aufgrund einer quantitativen Betrachtung des<br />
Marktpotenzials mittels eines Vergleichs der Anzahl Firmen in jenen Industrieclustern,<br />
die vom Wirtschaftsstandort <strong>Schweiz</strong> und von dessen<br />
<strong>Standort</strong>vorteilen am ehesten angesprochen werden. Die untersuchten<br />
Cluster waren Life Science, Wealth Management, Information Technology<br />
und Headquarters. 1 Andererseits wurde eine Bewertung nach Nah-<br />
oder Fernmarkt vorgenommen, da die <strong>Standort</strong>werbung auf nationaler<br />
1 Darunter sind Konzerne zu verstehen, die möglicherweise ihre<br />
Firmenzentrale in die <strong>Schweiz</strong> verlegen könnten. 39
DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />
Ebene sich eher auf Fernmärkte konzentriert, um den Kantonen bei der<br />
regionalen <strong>Standort</strong>werbung ihre Autonomie zu gewährleisten. Die Einschätzung<br />
der Kantone wurde denn auch in die Bewertung aufgenommen,<br />
um ein Gesamtranking zu erstellen.<br />
Kriterien für die Neubeurteilung Bei der jetzigen Analyse gilt es, festzustellen,<br />
ob die damals getroffene Länderpriorisierung für den Zeitraum<br />
2015 bis 2020 beibehalten werden soll oder ob allenfalls eine Neuorientierung<br />
vonnöten ist. Um das Potenzial der einzelnen Länder für<br />
die <strong>Standort</strong>werbung zu vergleichen, wurde primär eine grundlegende<br />
makroökonomische Analyse des mittel- bis langfristigen Wachstums-<br />
potenzials vorgenommen. Länder, die als interessante Zielmärkte in Frage<br />
kommen, zeichnen sich durch eine grosse Zahl expandierender Firmen<br />
aus, welche wiederum auf starke wirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
angewiesen sind. Zur Beurteilung dieser zukünftigen Märkte können<br />
aktuelle Marktgrössen sowie Prognosen über die längerfristige Wachstumsrate<br />
herangezogen werden, um zu einem Bild der künftigen globalen<br />
Marktverhältnisse zu kommen.<br />
CREDIT SUISSE<br />
Weiter sind die <strong>Standort</strong>faktoren der <strong>Schweiz</strong> sowie der potenziellen<br />
Zielländer neu zu betrachten, um hier eine Abgleichung vorzunehmen. Es<br />
geht dabei erstens um schweizerische <strong>Standort</strong>vorteile mit Pull-Effekt<br />
auf die Zielländer, also um entscheidende Stärken der <strong>Schweiz</strong> für die<br />
<strong>Standort</strong>entscheidung ausländischer Zielfirmen, welche für deren Ansiedlung<br />
in der <strong>Schweiz</strong> sprechen. Hier sind die allgemein wahrgenommenen<br />
Stärken des <strong>Standort</strong>s <strong>Schweiz</strong>,<br />
wie etwa hohes Fachwissen und In- Mit einer Abgleichung von Pullnovationskraft,<br />
zu nennen. Zweitens und Push-Faktoren können Potenziale<br />
sind auch die Faktoren mit Push-Ef- für <strong>Standort</strong>verlagerungen in<br />
fekt in den Zielländern zu betrach- die <strong>Schweiz</strong> identifiziert werden.<br />
ten, die eine Expansion aus dem<br />
Land an neue <strong>Standort</strong>e und damit auch in die <strong>Schweiz</strong> begünstigen. Da<br />
geht es um Voraussetzungen wie die Möglichkeit zur Firmengründung<br />
sowie für Kapitalexport, Infrastruktur und Exportfokus. Mit einer Abgleichung<br />
der vorgenannten Faktoren können Potenziale von <strong>Standort</strong>verlagerungen<br />
in die <strong>Schweiz</strong> identifiziert werden.<br />
40
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
90%<br />
85%<br />
80%<br />
75%<br />
70%<br />
65%<br />
Abb. 1: Grossteil der Investitionen aus entwickelten Ländern<br />
ANTEIL DER ENTWICKELTEN LÄNDER AN GLOBALEN AUSLANDSINVESTITIONEN<br />
2005<br />
2006<br />
2007<br />
2008<br />
2009<br />
2010<br />
Globale Wachstumstrends Heute sind Europa, die USA und Japan zwar<br />
nicht mehr die einzigen wichtigen Akteure auf dem Weltwirtschaftsparkett,<br />
sie bilden aber noch immer einen sehr grossen Teil des globalen<br />
Wirtschaftsgefüges. Die drei Wirtschaftsblöcke Europa (20 Prozent),<br />
Nordamerika (22 Prozent) und Japan (6 Prozent) erzeugen gemeinsam die<br />
Hälfte des globalen Bruttoinlandprodukts und stellen 80 Prozent der 500<br />
grössten weltweit tätigen, börsenkotierten Firmen. Ein Grossteil der ausländischen<br />
Direktinvestitionen 2 fliesst aus diesen Ländern. Während vor<br />
der Finanzkrise noch zwischen 80 und 90 Prozent der Investitionsströme<br />
2 Definition von ausländischen Direktinvestitionen: langfristige Investitionen<br />
in einem anderen als dem Ursprungsland mit mindestens<br />
10 Prozent der Mitbestimmungsrechte.<br />
2011<br />
Schätzungen ab 2009<br />
2012<br />
2013<br />
2014<br />
Europa, die USA und Japan verlieren im globalen Wirtschaftsgefüge an Gewicht. Ihre Bedeutung<br />
für die weltweiten Auslandsinvestitionen ist dennoch immer noch enorm, auch<br />
wenn der Anteil der Investitionen aus entwickelten Ländern durch die Finanzkrise etwas<br />
abgenommen hat.<br />
Quelle: Economist Intelligence Unit, Credit Suisse<br />
41
DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
1980<br />
Abb. 2: Schwellenländer auf der Überholspur<br />
IN PROZENT DES WELT-BIP (PPP-GEWICHTET)<br />
1985<br />
EM-8<br />
1990<br />
1995<br />
2000<br />
aus diesen Ländern stammten, nahmen die Investitionen aus den entwickelten<br />
Ländern während der Finanzkrise überproportional ab. Dennoch<br />
werden die USA, Europa und Japan auch im Zeitraum 2015 bis 2020 den<br />
grössten Teil der ausländischen Direktinvestitionen tätigen, schätzungsweise<br />
zwischen 60 und 70 Prozent. In den Schwellenländern wird heute<br />
zwar sehr viel aus dem Ausland investiert, aus diesen Ländern selbst<br />
fliessen aber noch keine grossen Investitionsströme. Im Jahr 2009 dürften<br />
erstmals mehr als die Hälfte der globalen Auslandsinvestitionen in<br />
Schwellenländer geflossen sein. Während der Finanzkrise sind die ausländischen<br />
Investitionen in die entwickelten Länder stark eingebrochen.<br />
Wahrscheinlich betrugen diese nur knapp 500 Milliarden US-Dollar nach<br />
1,3 Billionen im Jahr 2008. Dagegen erwiesen sich Investitionen in die<br />
Schwellenländer als robuster (600 nach 800 Milliarden 2008). Auslands-<br />
USA<br />
2005<br />
Westeuropa<br />
Die Schwellenländer haben ihr Gewicht in der Weltwirtschaft in den letzten 30 Jahren deutlich<br />
vergrössert. Seit fünf Jahren haben sie auch die USA oder Westeuropa hinter sich gelassen.<br />
Dieser Trend wird sich auch in Zukunft fortsetzen.<br />
CREDIT SUISSE<br />
2009<br />
Quelle: International Monetary Fund, Credit Suisse<br />
42
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
investitionen der Schwellenländer machen bisher nur einen kleinen Teil<br />
der gesamten Auslandsinvestitionen aus, und dies wird sich auch nicht<br />
stark ändern, solange die Finanzstärke der Firmen in Schwellenländern<br />
noch gering ist. Die Staatsfonds einiger Schwellenländer werden jedoch<br />
in gewissem Umfang zu den Direktinvestitionen beitragen.<br />
Die entwickelten Staaten werden also auch in Zukunft eine wichtige Rolle<br />
für die <strong>Standort</strong>werbung der <strong>Schweiz</strong> spielen. Dennoch: Die Schwellenländer<br />
werden vermehrt zu ernstzunehmenden Partnern in der Weltwirtschaft.<br />
Schon vor der Finanzkrise im Jahr 2008 verzeichneten die Schwellenländer<br />
oder Emerging Markets (EM) ein erheblich höheres Wirtschaftswachstum<br />
als die entwickelten Volkswirtschaften des Westens. Dies zeigt sich<br />
mittlerweile besonders in den kaufkraftbereinigten Anteilen am globalen<br />
BIP. Insbesondere die grossen Schwellenländer 3 (BRIC-Staaten: Brasilien,<br />
Russland, Indien und China) sind<br />
dabei, bezüglich des Anteils an<br />
der Weltwirtschaft auf Augenhöhe<br />
mit europäischen Ländern<br />
und den USA zu gelangen. China<br />
ist hinter den USA und Japan bereits die drittgrösste Wirtschaftsmacht.<br />
Aber auch andere aufstrebende Märkte wie Mexiko, Indonesien, Südkorea,<br />
die Türkei oder Südafrika drängen auf die Weltmärkte. Während die Gruppe<br />
der acht grössten Schwellenländer (EM-8) vor 30 Jahren zusammen nur die<br />
Hälfte der wirtschaftlichen Grösse Europas oder der USA auf sich vereinigten<br />
(Anteil am Welt-BIP 13 Prozent, verglichen mit 23 Prozent Europa und<br />
27 Prozent USA), haben diese den Westen vor etwa fünf Jahren eingeholt<br />
und mittlerweile hinter sich gelassen. 4<br />
Angesichts der guten Voraussetzungen dieser Länder und ihres höheren<br />
Potenzialwachstums dürfte dieser Trend in den kommenden Jahren weiter-<br />
3 Die hier angesprochenen Länder werden durchgehend als Schwellenländer<br />
bezeichnet, auch wenn diese Bezeichnung besonders bei<br />
der Betrachtung zukünftiger Verhältnisse nicht mehr angebracht<br />
sein dürfte.<br />
4 EM-8: China, Indien, Brasilien, Mexiko, Indonesien, Südkorea, Türkei,<br />
Südafrika.<br />
Die Schwellenländer werden vermehrt<br />
zu ernstzunehmenden Partnern in der Weltwirtschaft.<br />
43
DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />
ALTER<br />
80+<br />
75–79<br />
70–74<br />
65–69<br />
60–64<br />
55–59<br />
50–54<br />
45–49<br />
40–44<br />
35–39<br />
30–34<br />
25–29<br />
20–24<br />
15–19<br />
10–14<br />
5–9<br />
0–4<br />
Abb. 3: Indien – die Alterspyramide<br />
70 60 50 40 30 20 10 0 10 20 30 40 50 60 70<br />
IN MILLIONEN<br />
Männer<br />
Frauen<br />
Die Altersverteilung in den Schwellenländern – hier in Indien – ist weiterhin pyramidenförmig,<br />
weist also starke junge Jahrgänge auf. Dies führt zu strukturellen Vorteilen durch eine grosse<br />
arbeitsfähige Bevölkerung und noch wenig Senioren in den nächsten Jahren.<br />
gehen. Damit nähern sich die Schwellenländer immer mehr dem westlichen<br />
Wohlstandsniveau an. Während die westlichen Staaten mit weitgehend<br />
gesättigten Märkten, demographischen Problemen und weiter steigender<br />
Staatsverschuldung zu kämpfen haben, haben die Schwellenländer hier<br />
strukturelle Vorteile. Die Demographie ist in den meisten Schwellenländern<br />
vorteilhafter, mit erheblich stärkeren jungen Jahrgängen.<br />
Daraus abgeleitet existieren eine Reihe weiterer Vorteile wie riesige Inlandmärkte,<br />
die weitgehend ungesättigt sind. Beispielsweise besitzt in<br />
China bei einer Bevölkerungszahl von 1,3 Milliarden Menschen nur jeder<br />
Quelle: UN, Credit Suisse<br />
CREDIT SUISSE<br />
44
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
ALTER<br />
85+<br />
80–84<br />
75–79<br />
70–74<br />
65–69<br />
60–64<br />
55–59<br />
50–54<br />
45–49<br />
40–44<br />
35–39<br />
30–34<br />
25–29<br />
20–24<br />
15–19<br />
10–14<br />
5–9<br />
0–4<br />
Abb. 4: <strong>Schweiz</strong> – die Altersurne<br />
350 300 250 200 150 100 50 0 50 100 150 200 250 300 350<br />
IN TAUSEND<br />
Männer<br />
Frauen<br />
In den entwickelten Staaten wie der <strong>Schweiz</strong> zeigt die Altersverteilung eine zunehmende<br />
Überalterung durch geburtenschwache junge Jahrgänge und eine immer grössere ältere Bevölkerung.<br />
Dadurch steigt die Belastung der Vorsorgeinstitutionen.<br />
Dreissigste ein eigenes Auto, während in den USA auf zwei Einwohner<br />
ein Privatfahrzeug kommt. Mit der Annäherung der Schwellenländer an<br />
ein westliches Wohlstandsniveau entsteht auch eine grosse inländische<br />
Nachfrage nach verschiedensten Produkten, die vermehrt auch in diesen<br />
Ländern entwickelt und produziert werden. Mit dem Aufbau eigener<br />
Industrien und vermehrt auch Dienstleistungssektoren sind noch erheblich<br />
leichter realisierbare Produktivitätsfortschritte durch die Modernisierung<br />
von Produktionsmitteln zu erzielen – und damit im Vergleich<br />
zu Europa, den USA und Japan beeindruckende Wachstumszahlen. Die<br />
wachsende Wirtschaft erleichtert tendenziell auch die Bewahrung der<br />
Quelle: UN, Credit Suisse<br />
45
DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />
120%<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
2006<br />
Abb. 5: Die reichen Schuldner<br />
STAATSSCHULDEN ALS PROZENT DES BIP<br />
2007<br />
2008<br />
2009<br />
Entwickelte Länder Schwellenländer<br />
2010<br />
Während die entwickelten Länder schon vor der Finanzkrise eine erheblich höhere Verschuldung<br />
aufwiesen, steigt diese durch die jüngste Rezession und in die Zukunft immer höheren<br />
strukturellen Kosten massiv an. Schwellenländer dagegen können ihr Schuldenniveau halten.<br />
Stabilität und sorgt für gesunde Staatshaushalte. Die staatliche wie<br />
auch die private Verschuldung ist in diesen Ländern erheblich tiefer. Auch<br />
drücken keine steigenden Ausgaben für eine alternde Bevölkerung oder<br />
stark wachsende Gesundheitskosten auf das Staatsbudget, was den Regierungen<br />
gerade in Krisenzeiten wie in den letzten Jahren mehr Handlungsspielraum<br />
gibt, um die Wirtschaft zu stützen.<br />
In diesem Umfeld ist die <strong>Schweiz</strong> mit <strong>Standort</strong>faktoren wie sehr guter<br />
Infrastruktur, Stabilität, hoher Innovationskraft und einem hohen Bildungsniveau<br />
sehr gut aufgestellt, um neuer <strong>Standort</strong> für global expandierende<br />
Firmen zu werden. Die Stärken der <strong>Schweiz</strong> liegen heute bei<br />
Dienstleistungen und Hochtechnologie, Bereiche, in denen mit zunehmender<br />
Modernisierung und steigender Anspruchshaltung auch in den<br />
CREDIT SUISSE<br />
2014<br />
Quelle: IMF, Credit Suisse<br />
46
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Schwellenländern in Zukunft Firmen entstehen dürften. Gleichzeitig ist<br />
aber zu bedenken, dass das Bild der <strong>Standort</strong>vorteile der <strong>Schweiz</strong> eine<br />
Momentaufnahme bildet, welches keineswegs auch 2015 bis 2020 noch<br />
so Bestand haben muss. Es ist ein stetiger Effort nötig, damit diese<br />
Stärken erhalten und weiter ausgebaut werden, denn trotz sehr guter<br />
Position im weltweiten <strong>Standort</strong>vergleich (siehe Abschnitt «<strong>Standort</strong>faktoren<br />
der <strong>Schweiz</strong>» sowie Abb. 9) ist die <strong>Schweiz</strong> keineswegs unangefochten.<br />
Was hat sich durch die Finanzkrise geändert? Der wirtschaftliche Einbruch<br />
war in den entwickelten Ländern meist ausgeprägter als in den<br />
Schwellenländern, mit der Ausnahme insbesondere Osteuropas, wo<br />
nach vielen Jahren grosser Leistungsbilanzdefizite die Verschuldung<br />
stark angestiegen ist. Während die entwickelten Länder 2008 kaum noch<br />
Wirtschaftswachstum verzeichneten und 2009 teilweise rekordverdächtige<br />
Rückgänge erfuhren, ging<br />
das Wachstum in den Schwellenländern<br />
nur leicht zurück.<br />
Ausnahmen bilden Länder wie<br />
Russland, die stark vom Energieexport<br />
anhängig sind. Hier<br />
Die Schwellenländer, insbesondere jene<br />
aus Asien, haben weniger unter der<br />
Finanzkrise gelitten und finden als Erste<br />
zurück zum Wachstum.<br />
zeigt sich auch, dass die Schwellenländer einerseits von ihrer tiefen<br />
Verschuldung und der weniger starken Einbindung ins internationale Finanzsystem<br />
profitiert haben und dass sie sich andererseits immer mehr<br />
auf den wachsenden Binnenhandel stützen können.<br />
Die Schwellenländer, insbesondere aus Asien, haben auch als Erste eine<br />
Rückkehr zu Wachstum gezeigt (oder vielmehr einen Anstieg auf Niveaus<br />
von vor der Krise). Für 2010 wird bereits wieder ein Wachstum ähnlich<br />
dem von vor der Krise erwartet, während die entwickelten Länder noch<br />
weit von einer Normalisierung des Wirtschaftswachstums entfernt sind.<br />
Die Schwellenländer haben sich sehr viel schneller erholt als die entwickelten<br />
Länder und tragen derzeit das globale Wachstum.<br />
Die Finanzkrise hat jedoch die globalen Wachstumstrends nicht grundlegend<br />
verändert. Sie hat aber die bestehenden Trends verstärkt. Die<br />
47
DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />
Abb. 6: Einbruch in entwickelten Ländern<br />
BIP-WACHSTUM IN PROZENT<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
-4<br />
-6<br />
-8<br />
Frankreich <br />
Deutschland<br />
2008<br />
Italien<br />
USA<br />
Brasilien<br />
2009 (Schätzungen)<br />
Russland<br />
Indien<br />
China<br />
2010 (Prognose)<br />
Der wirtschaftliche Einbruch nach der Finanzkrise war in entwickelten Ländern erheblich ausgeprägter,<br />
während die Schwellenländer lediglich ein leicht tieferes, aber immer noch starkes<br />
Wachstum verzeichneten. Sie fanden auch viel schneller wieder zurück zu starkem Wachstum.<br />
strukturellen Vorteile, die den Schwellenländern ein stärkeres Wachstum<br />
ermöglichen, sind durch die Krise noch klarer geworden.<br />
Was ändert sich bis 2015/2020? Auch im weiteren Zeithorizont erwarten<br />
wir, dass der Anteil der Schwellenländer am weltweiten Ausstoss<br />
deutlich zunimmt. Bis 2020 ist eine Umkehr der Verhältnisse von 1980<br />
denkbar, das heisst, der Anteil der heutigen Schwellenländer am Welt-<br />
BIP könnte doppelt so gross sein wie derjenige Europas oder der USA.<br />
Damit nimmt die Bedeutung Chinas und der übrigen BRIC-Länder sowie<br />
weiterer Volkswirtschaften Asiens, Lateinamerikas und in geringerem<br />
Ausmass Osteuropas als potenzielle Zielländer für die <strong>Schweiz</strong>er<br />
CREDIT SUISSE<br />
EM-8<br />
Quelle: IMF, Credit Suisse<br />
48
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 7: Wachstumsmotoren China und Indien<br />
BIP-WACHSTUM IN PROZENT GEGENÜBER VORJAHR, PPP-GEWICHTET<br />
5%<br />
4%<br />
3%<br />
2%<br />
1%<br />
0%<br />
–1%<br />
–2%<br />
–3%<br />
1998<br />
1999<br />
China<br />
Welt-BIP<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
2005<br />
2006<br />
2007<br />
Die Schwellenländer tragen das globale Wachstum, während die entwickelten Länder eingebrochen<br />
sind. Die strukturellen Vorteile, die den Schwellenländern ein stärkeres Wachstum<br />
ermöglichen dürften, sind durch die Krise noch klarer geworden.<br />
Quelle: IMF, Datastream, Credit Suisse<br />
<strong>Standort</strong>promotion zu. Die Bedeutung der USA und Europas nimmt entsprechend<br />
ab. Dies bedeutet nicht, dass die westlichen Länder weniger<br />
beachtet werden und sich <strong>Standort</strong>werbung nur noch auf die jetzigen<br />
Schwellenländer konzentrieren sollte. Es heisst lediglich, dass die Welt<br />
multipolar und vielschichtiger geworden ist – das Spektrum der wichtigen<br />
Wirtschaftsräume hat sich erweitert.<br />
2008 2009<br />
Indien EM-8 ex China & Indien Entwickelte Länder<br />
49
DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />
35%<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
1990<br />
Abb. 8: Weltmacht Schwellenländer<br />
IN PROZENT DES WELT-BIP (PPP-GEWICHTET)<br />
1992<br />
EM-8<br />
1994<br />
1996<br />
1998<br />
2000<br />
2002<br />
2004<br />
Vereinigte Staaten<br />
2006<br />
2008<br />
2010<br />
Mit steigendem Einkommen, Wohlstand und der Finanzmarktentwicklung<br />
in den aufstrebenden Märkten wird dort die Zahl der Firmengründungen<br />
zunehmen – und damit auch die Zahl potenzieller Zielfirmen für<br />
die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion. Diese Firmen werden vermehrt auch<br />
den Ansprüchen an qualitativ hochwertige Güter und Dienstleistungen<br />
entsprechen wollen, zu deren Herstellung die <strong>Schweiz</strong> als Produktionsstandort<br />
gute Voraussetzungen bietet. Insbesondere <strong>Standort</strong>vorteile<br />
wie die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Arbeitskräften oder die hohe<br />
Innovationskraft gewinnen als Pull-Faktoren an Bedeutung. Gleichzeitig<br />
wandeln sich die Wirtschaftsstrukturen in den Schwellenländern. Wie in<br />
der westlichen Welt vor knapp 100 Jahren ist die Landwirtschaft noch ein<br />
bedeutender Teil der Wirtschaft der jeweiligen Länder, und der Industriesektor<br />
ist erheblich grösser als der Dienstleistungssektor. Die Wandlung<br />
2012<br />
Westeuropa<br />
Im neuen Jahrzehnt werden die heutigen Schwellenländer das weltwirtschaftliche Gewicht<br />
von Europa und den USA zusammen erreichen. Der Begriff «Schwellenländer» dürfte<br />
je länger, desto mehr nicht mehr passend sein.<br />
CREDIT SUISSE<br />
2014<br />
Quelle: IMF, Credit Suisse<br />
50
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
der Wirtschaftsstrukturen geht jedoch in der heutigen Welt mit modernen<br />
Technologien sowie einem intensiven Technologie- und Informationsaustausch<br />
um einiges schneller vonstatten als im letzten Jahrhundert<br />
in den westlichen Ländern. Die Landwirtschaft und später auch der<br />
Industriesektor werden relativ rasch an Bedeutung verlieren, der Dienstleistungssektor<br />
wird an Grösse gewinnen. Damit verschiebt sich auch<br />
das Gefüge der Firmen in diesen Ländern vermehrt zu Bereichen hin, in<br />
denen die <strong>Schweiz</strong> über <strong>Standort</strong>vorteile verfügt. Neben ihrer Rolle als<br />
<strong>Standort</strong> für Forschung und Entwicklung sind weitere entscheidende<br />
<strong>Standort</strong>vorteile der <strong>Schweiz</strong> im Dienstleistungsbereich zu finden.<br />
<strong>Standort</strong>vorteile der <strong>Schweiz</strong> Je nach Studie variiert die Rangierung<br />
ein wenig, insgesamt aber ist die <strong>Schweiz</strong> momentan international einer<br />
der konkurrenzfähigsten <strong>Standort</strong>e. Ausserdem hat die <strong>Schweiz</strong> als<br />
Wirtschaftsstandort ein sehr klares Profil. Die Schlüsselstärken liegen<br />
im hohen Ausbildungsniveau und Technologiestandard, in der Innovationskraft<br />
und der Geschäftstüchtigkeit. Hier belegt die <strong>Schweiz</strong> in einer<br />
Studie des World Economic<br />
Forum Spitzenplätze und kann<br />
sich auch im <strong>Standort</strong>wettbewerb<br />
von konkurrierenden Ländern<br />
abheben. Weitere Stärken<br />
Insgesamt ist die <strong>Schweiz</strong> momentan<br />
international einer der konkurrenzfähigsten<br />
<strong>Standort</strong>e.<br />
liegen in der gut ausgebauten Infrastruktur, dem Finanzmarkt und der<br />
politischen und wirtschaftlichen Stabilität – wenn auch hier der Vorteil<br />
gegenüber anderen Ländern weniger ausgeprägt ist. Diese Ergebnisse<br />
stellen aber das heutige Bild dar. Die <strong>Schweiz</strong> muss diese Vorteile pflegen<br />
und stärken, will sie auch in Zukunft und insbesondere im Zeitraum<br />
2015 bis 2020 weiterhin auf diese Vorteile zählen können und von den<br />
Veränderungen in der Weltwirtschaft profitieren.<br />
Es zeigt sich im internationalen Vergleich, was <strong>Standort</strong>faktoren angeht,<br />
immer noch ein klarer Vorsprung der entwickelten Länder vor den<br />
Schwellenländern. Trotz wachsendem Gewicht in der Weltwirtschaft haben<br />
die Schwellenländer in dieser Beziehung Nachholbedarf. Sie werden<br />
in den kommenden Jahren zweifellos versuchen, diese Lücken zu<br />
schliessen, was sich in den oben erwähnten, einfacher zu erzielenden<br />
51
DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />
Abb. 9: Die <strong>Schweiz</strong> ist gut positioniert<br />
BASIC REQUIREMENTS<br />
Institutions (8)<br />
Infrastructure (5)<br />
Macroeconomic stability (17)<br />
Health and primary education (21)<br />
EFFICIENCY ENHANCERS<br />
Higher education and training (6)<br />
Goods market efficiency (5)<br />
Labor market efficiency (2)<br />
Financial market sophistication (14)<br />
Technological readiness (3)<br />
Market size (36)<br />
INNOVATION AND SOPHISTICATION FACTORS<br />
<strong>Business</strong> sophistication (3)<br />
Innovation (2)<br />
0 1 2 3 4 5 6 7<br />
GCR SCORES SCHWEIZ 2009/2010<br />
(RANG IN KLAMMERN)<br />
Die genauen Platzierungen variieren je nach Studie ein wenig, generell belegt die <strong>Schweiz</strong><br />
aber einen der vorderen Ränge im weltweiten <strong>Standort</strong>vergleich. Insbesondere in den Bereichen<br />
Innovation, Technologie und höhere Ausbildung ist die <strong>Schweiz</strong> stark.<br />
Quelle: GCR 2009/2010 WEF, Credit Suisse<br />
CREDIT SUISSE<br />
52
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 10: Immer nahe an der Spitze<br />
BASIC REQUIREMENTS<br />
Institutions<br />
Infrastructure<br />
Macroeconomic stability<br />
Health and primary education<br />
EFFICIENCY ENHANCERS<br />
Higher education and training<br />
Goods market efficiency<br />
Labor market efficiency<br />
Financial market sophistication<br />
Technological readiness<br />
Market size<br />
INNOVATION AND SOPHISTICATION FACTORS<br />
<strong>Business</strong> sophistication<br />
Innovation<br />
0 1 2 3 4 5 6 7<br />
GCI-DURCHSCHNITT<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
Brasilien<br />
Deutschland Frankreich USA<br />
China<br />
Indien<br />
Die <strong>Schweiz</strong> kann sich als kleines Land vor allem in den Bereichen Technologie und Innovation<br />
abheben. Auch in anderen Bereichen wie Infrastruktur, Gesundheit oder Finanzmarkt ist die<br />
<strong>Schweiz</strong> vorne dabei, aber in diesen Bereichen sind auch andere Länder stark.<br />
Quelle: GCR 2009/2010 WEF, Credit Suisse<br />
53
DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />
Produktivitätsfortschritten und dem daraus resultierenden Wachstum<br />
äussert. Besonders in den Bereichen, in denen die <strong>Schweiz</strong> ihre Stärken<br />
hat (Ausbildung, Technologie und Innovation), besteht aber noch eine<br />
grosse Differenz zwischen den entwickelten und den aufstrebenden<br />
Ländern.<br />
Neue Prioritäten Wenn man nun konkret eine Auswahl von Zielländern<br />
für die <strong>Standort</strong>werbung der <strong>Schweiz</strong> definieren will, ist eine zeitliche<br />
Differenzierung nötig. Auch wenn in Zukunft die Schwellenländer an Bedeutung<br />
gewinnen werden, müssen die weiter entwickelten Märkte weiterhin<br />
beachtet werden. Strukturell bieten die Schwellenländer aber ein<br />
deutlich grösseres Wachstum-<br />
spotenzial; sie dürften im Zeitraum<br />
2015 bis 2020 immer mehr<br />
neue Firmen hervorbringen, die<br />
auch global agieren werden und<br />
daher die <strong>Schweiz</strong> als Stand-<br />
CREDIT SUISSE<br />
Die Schwellenländer investieren zwar<br />
momentan noch wenig im Ausland, weisen<br />
aber das grösste Wachstumspotenzial<br />
in den nächsten Jahren auf.<br />
ort in Erwägung ziehen könnten. Die Firmen aus diesen Ländern werden<br />
sich im Hinblick auf die Herstellung von Waren und die Erbringung von<br />
Dienstleistungen allmählich den gestiegenen Ansprüchen und der höheren<br />
Kaufkraft in ihren Heimmärkten anpassen, womit die <strong>Schweiz</strong> mit<br />
ihren <strong>Standort</strong>vorteilen in den genannten Bereichen an Attraktivität gewinnt.<br />
Ob Firmen aus den Schwellenländern dann effektiv in Länder wie<br />
die <strong>Schweiz</strong> expandieren, bleibt abzuwarten. Staaten wie China, Indien,<br />
Brasilien oder Russland, aber auch andere asiatische und lateinamerikanische<br />
Länder, müssen dennoch in Zukunft stärker beachtet werden und<br />
sollten auch Teil einer umfassenden Marktbearbeitungsstrategie der<br />
<strong>Standort</strong>promotion <strong>Schweiz</strong> darstellen. Diese Länder investieren zwar<br />
momentan noch wenig im Ausland, weisen aber das grösste Wachstums-<br />
potenzial in den nächsten Jahren auf.<br />
Gleichzeitig bleiben die entwickelten Länder aufgrund ihrer Marktgrösse<br />
und insbesondere ihrer absolut gesehen hohen ausländischen Direktinvestitionen<br />
sowie ihrer geographischen und kulturellen Nähe zur<br />
<strong>Schweiz</strong> von höchster Relevanz. Aufgrund ihrer Marktgrösse bleiben die<br />
entwickelten Länder, insbesondere die USA, Frankreich, Deutschland<br />
54
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 11: Potenzial in BRIC-Staaten<br />
«POTENZIAL»: ERWARTETE RELATIVE VERÄNDERUNG DES ANTEILS AM WELT-BIP BIS 2015<br />
CHINA<br />
INDIEN<br />
RUSSLAND<br />
MEXIKO<br />
BRASILIEN<br />
KANADA<br />
JAPAN<br />
SKANDINAVIEN<br />
ITALIEN<br />
SPANIEN<br />
DEUTSCHLAND<br />
FRANKREICH<br />
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220<br />
«GRÖSSE»: AUSLANDSDIREKTINVESTITIONEN IN MILLIARDEN US-DOLLAR<br />
und England, als Zielländer von hoher Bedeutung. Eine vermehrte Beachtung<br />
der Schwellenländer sollte nicht unter Vernachlässigung der<br />
weiter entwickelten Länder stattfinden. Die bisherigen Zielländer bleiben,<br />
trotz des Potenzials der Schwellenländer, weiterhin aktuell.<br />
UK<br />
USA<br />
Während die grossen entwickelten Länder bereits ein grosses Potenzial an Auslandsdirekt-<br />
investitionen aufweisen, ist dieses in den BRIC-Staaten noch klein. Diese weisen aber ein<br />
sehr viel höheres Wachstumspotenzial auf und werden im nächsten Jahrzehnt noch erheblich<br />
wachsen, womit auch die Investitionen im Ausland und damit potenziell auch in der<br />
<strong>Schweiz</strong> steigen werden.<br />
Quelle: Credit Suisse<br />
55
DIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020<br />
In Kürze<br />
CREDIT SUISSE<br />
Für die Auswahl der Zielländer der schweizerischen Stand-<br />
ortpromotion sind Wachstumsstruktur und Wachstumspotenzial<br />
der Weltwirtschaft massgebend. In den letzten Jahren<br />
haben die Schwellenländer gegenüber den hoch entwickelten<br />
Ländern erheblich an Boden wett gemacht.<br />
Die Finanzkrise hat diesen Trend noch verstärkt: Etliche<br />
Schwellenländer waren von der Krise weniger betroffen und finden<br />
nun schneller zurück auf den früheren Wachstumspfad.<br />
Strukturell machen die Schwellenländer eine ähnliche Entwicklung<br />
durch wie die entwickelten Länder im letzten<br />
Jahrhundert – nur wesentlich schneller. Deshalb werden sie<br />
im Betrachtungszeitraum 2015 bis 2030 just an jenen<br />
<strong>Standort</strong>faktoren interessiert sein, in denen die <strong>Schweiz</strong><br />
besonders konkurrenzfähig ist.<br />
Darüber sollte die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion aller-<br />
dings nicht vergessen, dass die entwickelten Länder in der<br />
Zukunft in der globalen Wirtschaft zwar relativ betrach-<br />
tet an Gewicht verlieren, aber immer noch 60 bis 70 Prozent<br />
des globalen Wirtschaftsvolumens ausmachen werden.<br />
56
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
<strong>Standort</strong>-promotion: Zentrale<br />
Anforderungen an den Marktauftritt<br />
Auslandsinvestitionen spielen eine wichtige Rolle für die <strong>Schweiz</strong>er Volkswirtschaft,<br />
da sie massgeblich zum Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen<br />
beitragen. Die <strong>Schweiz</strong> verfügt über eine ganze Reihe vorteilhafter <strong>Standort</strong>faktoren,<br />
die sie im weltweiten Vergleich zu einem der attraktivsten Länder für Auslandsinvestitionen<br />
machen. Damit die <strong>Schweiz</strong> diese Position auch in Zukunft<br />
im immer intensiver werdenden globalen Wettbewerb um die Ansiedlung ausländischer<br />
Firmen halten kann, sind zusätzliche Anstrengungen nötig. Es reicht<br />
nicht mehr aus, lediglich über attraktive <strong>Standort</strong>faktoren zu verfügen. Vielmehr<br />
müssen diese in Zukunft durch konsequente <strong>Standort</strong>promotion auch gezielt<br />
vermarktet werden.<br />
Matthias Naumann / Christian Schmid,<br />
The Boston Consulting Group<br />
Im Wettbewerb um die Ansiedlung ausländischer Firmen spielt die <strong>Standort</strong>promotion<br />
im Ausland eine entscheidende Rolle. Sie ist allerdings nur<br />
ein kleiner Teil der Wirtschaftsförderung und gezielt darauf ausgerichtet,<br />
die <strong>Schweiz</strong> im Ausland als Wirtschaftsstandort bei potenziellen Investoren<br />
zu vermarkten.<br />
Kernaktivitäten der <strong>Standort</strong>promotion Die Kernaktivitäten der <strong>Standort</strong>promotion<br />
können in 5 Schritte (Abb. 1) eingeteilt werden. Die Basisinformationen<br />
und die Beantwortung erster Rückfragen spielen in der<br />
frühen Phase des Entscheidungsprozesses eines Investors eine wichtige<br />
Rolle. Sie beeinflussen mass-<br />
geblich, ob ein <strong>Standort</strong> im Verlaufe<br />
des weiteren Prozesses näher in<br />
Betracht gezogen wird. In einem ers-<br />
ten Schritt muss deshalb dem initialen<br />
Informationsbedürfnis der In-<br />
Im Wettbewerb um die Ansiedlung<br />
ausländischer Firmen spielt die<br />
<strong>Standort</strong>promotion im Ausland eine<br />
entscheidende Rolle.<br />
vestoren durch eine Internetseite, Broschüren, sowie kompetente Auskunftspersonen<br />
Rechnung getragen werden. Durch die gezielte Marktbe-<br />
57
STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />
Abb. 1: Was zu tun ist<br />
BASIS-<br />
INFORMATION<br />
MARKT-<br />
BEARBEITUNG<br />
LEAD-<br />
BEARBEITUNG<br />
arbeitung wird in einem zweiten Schritt versucht, aktiv das Interesse potenzieller<br />
Investoren zu wecken. Dabei kann ein breites Instrumentarium<br />
an Massnahmen, welche von Werbekampagnen und Webseminaren über<br />
die Teilnahme an Veranstaltungen bis zur Kaltakquise reichen, zum Einsatz<br />
gelangen. Zeigt ein Investor ein hohes Ansiedlungsinteresse, wird er<br />
zum Lead. Im Rahmen der Leadbearbeitung wird der potenzielle Investor<br />
in einem dritten Schritt bei der Beschaffung spezifischer Informationen<br />
unterstützt. Dies kann in Form von Fact-Finding-Missionen oder<br />
durch die Bereitstellung detaillierter Unterlagen erfolgen. In einem vierten<br />
Schritt, der Angebotserstellung, soll der Investor durch verbindliche<br />
Angebote, z.B. zu steuerlichen Fragen, konkrete Entscheidungsgrund-<br />
lagen erhalten. Letztlich wird der Investor auch bei der Ansiedlung unterstützt.<br />
So werden Kontakte zu <strong>Business</strong>-Netzwerken oder Treuhändern<br />
hergestellt, mögliche Grundstücke vermittelt oder der Investor wird bei<br />
der Beantragung von Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen unterstützt.<br />
Akteure und Mandate Die <strong>Standort</strong>promotion ist in der <strong>Schweiz</strong> föderalistisch<br />
aufgebaut und damit primär eine Kompetenz der Kantone. 1<br />
Von den 26 kantonalen <strong>Standort</strong>förderern haben sich 17 in drei regionalen<br />
Organisationen mit eigenem Aussenauftritt zusammengeschlossen<br />
(Abb. 2).<br />
1 Die <strong>Standort</strong>promotion der Gemeinden wird aufgrund ihrer weniger<br />
prominenten Rolle bei der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion in dieser<br />
Arbeit nicht näher betrachtet.<br />
ANGEBOTS-<br />
ERSTELLUNG<br />
LOKALE<br />
ANSIEDLUNG<br />
Zur erfolgreichen <strong>Standort</strong>promotion sind fünf Kernaktivitäten unerlässlich. Diese reichen<br />
vom Anbieten von Basisinformationen über die Marktbearbeitung bis zum konkreten<br />
Angebot und zur Umsetzung der Ansiedlung.<br />
Quelle: Interviews mit <strong>Standort</strong>förderern; BCG Analyse<br />
BCG<br />
58
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 2: Drei regionale Zusammenschlüsse<br />
GE<br />
VD<br />
NE<br />
BaselArea<br />
JU<br />
FR<br />
BS<br />
SO<br />
BE<br />
VS<br />
GBBA (Greater Geneva Berne Area)<br />
GZA (Greater Zurich Area) Selbständige Kantone<br />
Das Engagement der kantonalen <strong>Standort</strong>förderer kann sich über alle<br />
fünf Schritte der <strong>Standort</strong>promotion erstrecken. Je nachdem, ob der<br />
Kanton Mitglied einer regionalen Organisation ist, variiert allerdings der<br />
Fokus der Aktivitäten. So fokussieren sich Kantone, welche einer regionalen<br />
Organisation angehören, stärker auf die Leadbearbeitung, die<br />
Angebotserstellung sowie die Ansiedlung, während die regionale Organisation<br />
primär in der Bereitstellung von Basisinformationen sowie in der<br />
Marktbearbeitung und Leadgenerierung engagiert ist (Abb. 3).<br />
BL<br />
LU<br />
AG<br />
OW<br />
NW<br />
SH<br />
ZG<br />
ZH<br />
UR<br />
SZ<br />
TI<br />
TG<br />
GL<br />
AR<br />
AI<br />
17 der 26 kantonalen <strong>Standort</strong>promotoren haben sich in einer der drei regionalen Organisationen<br />
BaselArea, GGBA (Greater Geneva Berne Area) und GZA (Greater Zurich Area) mit<br />
eigenem Aussenauftritt zusammengeschlossen.<br />
SG<br />
GR<br />
Quelle: BaselArea; GGBA; GZA; Osec<br />
59
STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />
Abb. 3: Die Aufgabenverteilung<br />
STUFE<br />
Kantone<br />
Regionen<br />
ORGANI-<br />
SATIONEN<br />
26 kant.<br />
<strong>Standort</strong>förderer<br />
BaselArea<br />
GGBA, GZA<br />
BASIS-<br />
INFORMATION<br />
MARKT-<br />
BEARBEIT.<br />
LEAD-<br />
BEARBEIT.<br />
ANGEBOTS-<br />
ERSTELLUNG<br />
Zusätzlich zu den Kantonen und den regionalen Organisationen ist auch<br />
der Bund in der <strong>Standort</strong>förderung aktiv. Das entsprechende Mandat<br />
wurde 2008 vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) der Osec übertragen.<br />
Die Aufgaben wurden in einer Leistungsvereinbarung zwischen<br />
der Osec und den Kantonen festgelegt und variieren je nach Zielland. Sie<br />
reichen von der Bereitstellung von Basisinformationen bis hin zur Marktbearbeitung,<br />
schliessen aber in allen Ländern ausser Japan die Leadgenerierung<br />
explizit aus.<br />
Die Arbeitsgruppe Landesmarketing bildet als Projektgruppe der Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz<br />
(VDK) eine Plattform für die verschiedenen<br />
Akteure zur gemeinsamen Abstimmung der <strong>Standort</strong>promotion.<br />
BUDGET<br />
(Mio. CHF)<br />
Bund OSEC 6<br />
stark aktiv nicht aktiv<br />
LOKALE<br />
ANSIEDLUNG<br />
Die Aufgaben der verschiedenen <strong>Standort</strong>promotoren unterscheiden sich erheblich. Das<br />
Mandat des Bundes reicht von der Bereitstellung von Basisinformationen bis zur Marktbearbeitung,<br />
schliesst aber in allen Ländern ausser Japan die Leadgenerierung explizit aus.<br />
Regionen und Kantone sind bis zur Angebotserstellung bzw. Ansiedlung aktiv.<br />
15<br />
9<br />
30<br />
Quelle: Interviews mit <strong>Standort</strong>promotoren; BCG Analyse<br />
BCG<br />
60
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Budget und Personal Das verfügbare Budget der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion<br />
beträgt rund 30 Millionen Franken. Davon haben die Kantone<br />
15 Millionen zur Verfügung. Die regionalen Organisationen verfügen über<br />
ein Budget von 9 Millionen Franken, wobei dieses ebenfalls durch die<br />
Kantone finanziert wird. Die Osec kann auf ein Budget von 6 Millionen zurückgreifen.<br />
Dieses wird mit 4,7 Millionen Franken aus Bundesmitteln und<br />
mit 1,3 Millionen aus kantonalen und regionalen Mitteln finanziert.<br />
Das <strong>Schweiz</strong>er Gesamtbudget beträgt somit 55 Franken für jede Million<br />
BIP. Es ist vergleichbar mit dem Budget ähnlicher Länder wie Österreich<br />
(54 Franken pro Million BIP) und Schweden (53 Franken pro Million BIP).<br />
Durch die föderalistische Struktur der <strong>Schweiz</strong> ist das Gesamtbudget<br />
aber deutlich stärker fragmentiert. Die vier grössten <strong>Schweiz</strong>er Akteure<br />
verfügen insgesamt nur über rund<br />
50 Prozent des Gesamtbudgets,<br />
während die vier grössten Akteure<br />
in Österreich und Schweden mehr<br />
als 70 Prozent des Budgets kontrol-<br />
lieren. Diese Fragmentierung der Ressourcen kann zu Mehrspurigkeiten<br />
und Reibungsverlusten führen und die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion dadurch<br />
teilweise als weniger schlagkräftig erscheinen lassen.<br />
Die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>förderer beschäftigen rund 140 bis 150 Personalkapazitäten,<br />
wobei hiervon 70 bis 80 auf die reine Promotion und 60 bis<br />
70 auf die Ansiedlung und Administration entfallen. Der Fokus der Aktivitäten<br />
liegt auf dem EU-Raum, den BRIC 2 -Ländern und den USA. Die<br />
Kantone konzentrieren sich tendenziell auf Nahmärkte wie die EU-Länder<br />
und speziell auf Deutschland. Fernmärkte wie die BRIC-Länder und<br />
die USA werden hingegen stärker von regionalen Organisationen und der<br />
Osec bearbeitet (Abb. 4).<br />
Herausforderungen für die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion In Diskussionen<br />
mit <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren zeigt sich, dass alle drei Ebenen<br />
2 Brasilien, Russland, Indien, China.<br />
Das verfügbare Budget der<br />
<strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion beträgt<br />
rund 30 Millionen Franken.<br />
61
STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />
Abb. 4: So werden die Ressourcen eingesetzt<br />
EU-Raum (40%)<br />
BRIC-Länder (27%)<br />
1<br />
2<br />
4<br />
USA (23%)<br />
2<br />
1<br />
7<br />
Japan (6%)<br />
2<br />
Sonstige (4%)<br />
11<br />
21<br />
9<br />
Es besteht ein klarer Fokus der <strong>Schweiz</strong>er Aktivitäten auf den EU-Raum, die BRIC-Länder<br />
und die USA. Die Kantone konzentrieren sich auf angrenzende EU-Länder, während Regionen<br />
und die Osec stärker in den BRIC-Ländern und den USA aktiv sind<br />
Quelle: Interviews mit <strong>Standort</strong>förderern<br />
(Kantone, Regionen und Bund) klare Verbesserungspotenziale sehen.<br />
Die Qualität der Basisinformationen im Internet sowie der verfügbaren<br />
Prospekte wurde verschiedentlich kritisiert. So wurde insbesondere bemängelt,<br />
dass die wesentlichen Aussagen teilweise in der Fülle der Informationen<br />
verloren gehen. Auch wurde angemerkt, dass die Vielzahl<br />
der Publikationen der verschiedenen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />
zu einem uneinheitlichen Bild der zentralen <strong>Standort</strong>vorteile führt und<br />
damit die Transparenz und Verständlichkeit für ausländische Investoren<br />
reduziert.<br />
Die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion weist aufgrund der zahlreichen Ak-<br />
teure eine starke Fragmentierung auf. Die daraus resultierenden Mehr-<br />
3<br />
0 5 10 15 20 25 30 35<br />
PERSONALKAPAZITÄTEN<br />
26 Kantone 3 Regionen Bund (OSEC)<br />
7<br />
8<br />
3<br />
BCG<br />
62
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
spurigkeiten in der Marktbearbeitung wurden von mehreren Promotoren<br />
als eine der zentralen Herausforderungen identifiziert, da sie ihnen zufolge<br />
die Effizienz des Ressourceneinsatzes beeinträchtigen. Einzelne kantonale<br />
<strong>Standort</strong>förderer wünschen sich in diesem Zusammenhang explizit<br />
eine stärkere Rolle der zentralen <strong>Standort</strong>förderung in Fernmärkten.<br />
Kantone und regionale <strong>Standort</strong>förderer<br />
zweifeln allerdings teilweise Die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion<br />
daran, dass der Bund grundsätz- weist aufgrund der zahlreichen Akteure<br />
lich in der Lage ist, eine erfolgreiche eine starke Fragmentierung auf.<br />
<strong>Standort</strong>förderung zu betreiben, da<br />
viele der relevanten Informationen nur auf kantonaler Basis vorhanden<br />
seien. Im Gegenzug fragen sich die Vertreter der regionalen Organisationen<br />
und der Osec, ob insbesondere kleinere Kantone aufgrund ihres begrenzten<br />
Budgets überhaupt die Möglichkeiten haben, alle attraktiven<br />
Zielmärkte aktiv zu bearbeiten.<br />
Die Osec ist verpflichtet, generierte Leads an alle 26 Kantone weiterzugeben.<br />
Letztgenannte gehen dann selbständig auf den potenziellen Investor<br />
zu und übernehmen die Leadbearbeitung. Dies kann dazu führen,<br />
dass ein Investor 10–15 unterschiedliche Rückantworten und Ansprechpartner<br />
erhält. Da keine Vorselektion stattfindet und die Rückantworten<br />
nicht standardisiert werden, führt dies oft zu einer Überforderung des<br />
Investors.<br />
Es zeigt sich ebenfalls deutlich, dass teilweise ein nicht zu unterschätzendes<br />
Konkurrenzverhältnis zwischen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />
besteht. Dies kann zu gegenseitigen Abwerbungsversuchen führen und<br />
verhindern, dass potenzielle Investoren, welche im eigenen Kanton nicht<br />
angesiedelt werden können, an andere Kantone weitergeleitet werden.<br />
Ein kantonaler Vertreter brachte dieses Dilemma mit folgender Aus-<br />
sage eindrücklich auf den Punkt: «Für mich persönlich kann es politisch<br />
besser sein, wenn ein potenzieller Investor ins Ausland geht als in einen<br />
anderen Kanton.»<br />
Einige dieser Verbesserungspotenziale spiegeln sich auch im «Global Investment<br />
Promotion Benchmarking Report» der Weltbank wider. Dieser<br />
63
STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />
untersuchte die Qualität der Website und den Umgang mit ersten Rückfragen.<br />
Im Endergebnis belegte die <strong>Schweiz</strong> lediglich Rang 16 unter den<br />
21 untersuchten OECD-Ländern (Abb. 5).<br />
Das Ergebnis lässt sich zum Teil darauf zurückführen, dass die Osec<br />
zum Zeitpunkt der Datenerhebung das Mandat erst seit kurzem innehatte<br />
und noch in der Aufbauphase<br />
ihrer Arbeit war. Eine Für mich kann es politisch besser sein,<br />
konsequente Umsetzung der wenn ein potenzieller Investor ins Ausland<br />
identifizierten Verbesserungs- geht als in einen anderen Kanton.<br />
potenziale ist aber trotzdem<br />
unerlässlich. Die Kritikpunkte der einzelnen <strong>Standort</strong>promotoren sowie<br />
die Erkenntnisse der Weltbank-Studie können zu drei zentralen Handlungsfeldern<br />
zusammengefasst werden:<br />
– Es sollten qualitativ hochwertige, investorenfreundliche Basisinformationen<br />
bereitgestellt sowie erste Rückfragen professionell und<br />
zeitnah beantwortet werden.<br />
– Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes sollten die Kompetenzen<br />
und Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen klar aufgeteilt<br />
werden.<br />
– Die Koordination und die Kooperation zwischen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />
sollten verbessert werden, um eine Überforderung des<br />
Investors zu verhindern und kooperatives Verhalten zu fördern.<br />
Ansatzpunkte für ein gezielteres Vorgehen Basierend auf den drei zentralen<br />
Handlungsfeldern ergeben sich drei Ansatzpunkte für ein gezielteres<br />
Vorgehen der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion. Die Bereitstellung von<br />
Basisinformationen und die Beantwortung erster Rückfragen spielen im<br />
Entscheidungsprozess des Investors eine wichtige Rolle. Sie beeinflussen<br />
massgeblich, ob ein Land den Sprung von der Longlist mit teilweise<br />
15 bis 20 Kandidaten auf die Shortlist mit 3 bis 5 Kandidaten schafft oder<br />
nicht. Die gemäss einer aktuellen Ernst-&-Young-Studie 3 wichtigsten<br />
3 E&Y-Studie <strong>Switzerland</strong> 2009.<br />
BCG<br />
64
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 5: Die <strong>Schweiz</strong> unter ferner liefen<br />
RANGLISTE OECD-LäNDER<br />
1. österreich<br />
2. Schweden<br />
3. Deutschland<br />
4. Kanada<br />
5. Vereinigtes Königreich<br />
6. Frankreich<br />
7. Irland<br />
8. Spanien<br />
9. Australien<br />
10. Ungarn<br />
11. Neuseeland<br />
12. Finnland<br />
13. Tschechische Republik<br />
14. portugal<br />
15. Luxemburg<br />
16. <strong>Schweiz</strong><br />
17. Belgien<br />
18. Island<br />
19. Korea<br />
20. Dänemark<br />
21. USA<br />
ZWEI DIMENSIONEN FüR DIE BEWERTUNG/GEWICHTUNG<br />
1. QUALITäT DER WEBSITE:<br />
Aufbau und Struktur der Website 10%<br />
Darstellung der Informationen 10%<br />
Relevanz und präzision der Infor-<br />
mationen<br />
Qualität der Vermarktung des<br />
<strong>Standort</strong>s und der Dienstleistungen<br />
des <strong>Standort</strong>promotors<br />
2. UMGANG MIT ANFRAGEN:<br />
Auffindbarkeit der relevanten<br />
Stellen online und Erreichbarkeit<br />
eines kompetenten projektleiters<br />
Kommunikation mit dem potenziellen<br />
Investor<br />
Inhaltliche Relevanz und<br />
professionalität der Antworten<br />
Nachverfolgung der Anfragen und<br />
Konvertierung zu Leads<br />
Die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion erreicht im externen Vergleich durch die Weltbank – gemessen<br />
an den beiden Bewertungsdimensionen «Qualität der Website» und «Umgang mit<br />
Anfragen» – gesamthaft nur Platz 16 unter den OECD-Ländern.<br />
50%<br />
30%<br />
10%<br />
15%<br />
55%<br />
20%<br />
Quelle: Global Investment Promotion Benchmarking Report 2009 der Weltbank<br />
<strong>Standort</strong>faktoren für ausländische Investoren sind mehrheitlich national<br />
(Abb. 6). Dies deckt sich mit Interviewaussagen von bereits in der <strong>Schweiz</strong><br />
angesiedelten Unternehmen, welche bestätigen, dass die Entscheidung<br />
für die <strong>Schweiz</strong> aufgrund nationaler <strong>Standort</strong>faktoren getroffen<br />
65
STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />
Abb. 6: Wo die <strong>Standort</strong>vorteile liegen<br />
NATIONALE STANDORTFAKTOREN*<br />
1. politische Stabilität und<br />
Rechtssicherheit<br />
2. Lebensqualität<br />
3. Soziales Klima<br />
4. Kaufkraft<br />
5. Infrastruktur/Transport<br />
und Logistik<br />
6. Vorhandene R&D-Ressourcen<br />
7. Qualität des Bildungssystems<br />
8. Infrastruktur/Telekommunikation<br />
9. Stellenwert als Finanzzentrum<br />
10. Unternehmergeist<br />
12. Anreize, HQ nach CH zu verlegen<br />
(Holding-Strukturen)<br />
14. Zugang zu Investoren<br />
15. Internationale Kultur<br />
und Offenheit<br />
16. Arbeitsrecht<br />
≥ Zentrale Vermarktung<br />
* Nach Bedeutung geordnet<br />
REGIONALE/KANTONALE<br />
STANDORTFAKTOREN*<br />
11. Steuervorteil<br />
13. Verfügbare Arbeitskräfte/<br />
Spezialisten<br />
Finanzielle Fördermöglichkeiten<br />
Netzwerke/Cluster<br />
Behördliche Bewilligungen<br />
Verfügbares Bauland<br />
≥ Lokale Vermarktung<br />
Die meisten der für die Investoren entscheidenden <strong>Standort</strong>faktoren sind auf nationaler<br />
Ebene angesiedelt. Deshalb ist es sinnvoll, dass Basisinformationen hierzu auch von einer<br />
zentralen Organisation bereitgestellt werden.<br />
Quelle: E&Y <strong>Switzerland</strong> 2009; Interviews mit <strong>Standort</strong>förderern; BCG Analyse<br />
BCG<br />
66
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
wurde. Erst in einem zweiten Schritt wurde dann über den konkreten<br />
<strong>Standort</strong> innerhalb der <strong>Schweiz</strong> entschieden. Dementsprechend sollten<br />
bei den Basisinformationen auch primär die nationalen <strong>Standort</strong>faktoren<br />
in den Mittelpunkt gerückt werden. Zur Aufbereitung und Vermarktung<br />
dieser zentralen Basisfaktoren bietet sich eine zentrale Organisa-<br />
tion an, die diese Ressourcen besser bündeln, für eine Vereinheitlichung<br />
der Botschaft sorgen und damit zu einer besseren Wahrnehmung in den<br />
Zielmärkten beitragen kann.<br />
Das Internet gewinnt gemäss einer Studie der Development Counsellors<br />
International (DCI) 4 eine immer höhere Bedeutung bei der initialen <strong>Standort</strong>recherche.<br />
Die Qualität der<br />
Website trägt damit einen entscheidenden<br />
Teil zur Kommunikation<br />
von Basisinformationen<br />
gegenüber potenziellen Inves-<br />
toren bei. Basierend auf den Websites der in der Weltbankstudie identifizierten<br />
Best-Practice-Beispiele Tschechische Republik 5 , Frankreich 6<br />
und Österreich 7 lassen sich sechs Anforderungen an eine erfolgreiche<br />
Investoren-Website ableiten:<br />
– Auffindbarkeit: Ein aussagekräftiger Domainnamen wie beispielsweise<br />
www.invest-in-switzerland.com und Suchmaschinenoptimierung<br />
sind notwendig.<br />
– Mehrsprachigkeit: Die Seite und die Downloads sollten in den Sprachen<br />
der wichtigsten Zielländer verfügbar sein.<br />
– Aufbau und Design: Die Navigation sollte einfach und übersichtlich<br />
sein. Zudem ist eine gute visuelle Aufbereitung der Inhalte notwendig.<br />
– Inhalt: Investorenrelevante Informationen zu den zentralen <strong>Standort</strong>faktoren<br />
sowie ergänzende Informationen zur <strong>Schweiz</strong> sollten ver-<br />
4 Developers Counsellors International Report 2008:<br />
«Winning Strategies in Economic Development»<br />
5 www.czechinvest.org<br />
6 www.invest-in.france.org<br />
7 www.aba.gv.at<br />
Die Qualität der Website trägt einen<br />
entscheidenden Teil zur Kommunikation<br />
von Basisinformationen bei.<br />
67
STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />
fügbar sein. Dabei sollte möglichst auf aussagekräftige Statistiken und<br />
internationale Vergleiche zurückgegriffen werden. Zudem sollte die<br />
Website einen Q&A-Teil sowie Testimonials von angesiedelten Unternehmen<br />
enthalten.<br />
– Aufbereitung der Information: Informationen sollten kurz und prägnant<br />
dargestellt werden. Der Investor sollte aber die Möglichkeit haben,<br />
bei Bedarf auf vertiefende Detailinformationen zuzugreifen.<br />
– Kontakte und weiterführende Websites: Kontaktinformationen zu<br />
sämtlichen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren und weiterführende Links zu<br />
relevanten Websites von behördlichen und wirtschaftlichen Organisationen<br />
sollten einfach auffindbar sein.<br />
In den Basisinformationen sollte auch ein Verweis zu einer zentralen Anlaufstelle<br />
für Rückfragen enthalten sein. Diese sollte erste Anfragen potenzieller<br />
Investoren zeitnah und professionell beantworten, verfügbare<br />
Unterlagen den Interessenten zustellen und letztgenannte bei Bedarf an<br />
relevante Ansprechpartner weiterleiten. Wichtig ist zusätzlich, dass die<br />
zentrale Anlaufstelle die Kontakte weiterverfolgt. So sollte einige Tage<br />
nach der Anfrage bei den Investoren nachgefragt werden, ob ihre Anliegen<br />
zufriedenstellend beantwortet wurden und ob sie noch weitere Unterstützung<br />
benötigen.<br />
Zentrales Kriterium für den Erfolg der angebotenen Basisinformationen<br />
sowie die Professionalität der Beantwortung erster Rückfragen ist die<br />
Anzahl der generierten, qualitativ hochwertigen 8 Leads. Zudem sollte<br />
gemessen werden, innerhalb welcher Zeit auf schriftliche und telefonische<br />
Anfragen reagiert wird und in wie vielen Fällen die Anfragen mit der<br />
ersten Rückantwort zufriedenstellend beantwortet werden konnten.<br />
Optimierung des Ressourceneinsatzes bei der Marktbearbeitung Die<br />
<strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion ist aufgrund der zahlreichen Akteure<br />
stark fragmentiert. Dies führt zu Mehrspurigkeiten, Reibungsverlusten<br />
und damit zu einem suboptimalen Ressourceneinsatz. Für die wichtigs-<br />
8 Z.B. konkretes Ansiedlungsinteresse innerhalb der nächsten<br />
24 Monate.<br />
BCG<br />
68
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 7: Wer wo im Ausland trommelt<br />
KANADA UND<br />
OSTKüSTE<br />
GGBA 1<br />
Genf 1<br />
USA<br />
Osec 5<br />
BaselArea 1<br />
GGBA 3<br />
GZA 4<br />
Bern 2<br />
Freiburg 1<br />
Genf 1<br />
FRANKREICH<br />
Osec 2<br />
GGBA 2<br />
Bern 1<br />
Genf 1<br />
UK<br />
Genf 1<br />
BRASILIEN<br />
Osec 1<br />
GGBA 2<br />
DEUTSCHLAND<br />
Osec 1<br />
GGBA 2<br />
Genf 2<br />
BENELUX<br />
Genf 1<br />
ITALIEN<br />
GGBA 1<br />
Bern 1<br />
SüDAFRIKA<br />
Osec 1<br />
* Zusätzliche Abdeckung von Eastern Europ; ** Geplant ab 2010<br />
Anmerkung: Headcount schliesst Mitarbeiter auf Mandatsbasis ein.<br />
RUSSLAND<br />
Osec 2<br />
GGBA 2<br />
Genf * 1<br />
INDIEN<br />
Osec 6<br />
GGBA 2<br />
GZA 1<br />
Bern 1<br />
Genf 1<br />
Die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion ist wegen der zahlreichen Akteure stark fragmentiert.<br />
Dies führt zu Mehrspurigkeiten, Reibungsverlusten und damit zu suboptimalem Ressourceneinsatz.<br />
Für die wichtigsten Zielmärkte gibt es keine eindeutige Kompetenzverteilung<br />
zwischen den <strong>Standort</strong>promotoren der Kantone, der Regionen und des Bundes. So gibt es<br />
beispielsweise in China und den USA sieben verschiedene <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>-Repräsentanzen,<br />
alle mit begrenzten Ressourcen.<br />
Quelle: Interviews mit <strong>Standort</strong>förderern; Desk research<br />
ten Zielmärkte gibt es keine eindeutige Kompetenzverteilung zwischen<br />
den <strong>Standort</strong>promotoren der Kantone, der Regionen und des Bundes<br />
(Abb. 7). So unterhalten beispielsweise in China und den USA sieben<br />
unterschiedliche <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren Repräsentanzen, die<br />
diese sehr grossen Märkte mit begrenzten Ressourcen parallel bearbeiten.<br />
Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes sollten die Märkte<br />
anhand zweier Dimensionen segmentiert werden: dem Marktpotenzial<br />
und dem vorhandenen Wissen potenzieller Investoren über die <strong>Schweiz</strong>.<br />
jApAN<br />
Osec 3<br />
BaselArea 1<br />
Genf 1<br />
CHINA<br />
Osec 5<br />
BaselArea 1<br />
GGBA 2<br />
GZA 1<br />
Freiburg 1<br />
Genf 1<br />
Schaffhausen ** 1<br />
69
STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />
– Das Marktpotenzial ist entscheidend zur Beurteilung der Wichtigkeit<br />
möglicher Zielländer. Die Einschätzung folgt dabei der Vorgehensweise<br />
der Credit Suisse, bei der die heutige Bedeutung der Länder, basierend<br />
auf ihren Auslandsinvestitionen, und ihre zukünftige Bedeutung anhand<br />
ihres Wirtschaftswachstums beurteilt werden.<br />
– Eine zentrale Rolle kommt auch dem Wissen über die <strong>Schweiz</strong> zu,<br />
da potenzielle Investoren je nach Vorwissen ein anderes Informations-<br />
und Betreuungsbedürfnis haben. Diese zweite Dimension wurde mittels<br />
wirtschaftlicher, touristischer und kultureller Faktoren beurteilt.<br />
Basierend auf der resultierenden Segmentierung sollten künftig die<br />
Zuständigkeiten von Bund und Kantonen eindeutig abgegrenzt werden<br />
(Abb. 8). Die Entscheidung, welche Märkte die Kantone und Regionen<br />
und welche Märkte der Bund<br />
bearbeiten sollten, orientiert Für die wichtigsten Zielmärkte gibt es keine<br />
sich am Subsidiaritätsprinzip. eindeutige Kompetenzverteilung<br />
Kantone sollten in jenen Märk- zwischen Kantonen, Regionen und Bund.<br />
ten die Verantwortung für die<br />
Marktbearbeitung tragen, in welchen sie diese mit ihren Ressourcen<br />
effektiv wahrnehmen können. Der Bund hingegen sollte in Ländern die<br />
Federführung übernehmen, die zwar von hoher Bedeutung sind, in denen<br />
die Kantone aber nicht selbständig in der Lage sind, eine signifikante Anzahl<br />
potenzieller Investoren für sich zu gewinnen. Basierend auf den beiden<br />
Dimensionen und dem Subsidiaritätsprinzip können drei Arten von<br />
Märkten unterschieden werden:<br />
– Nahe Fokusmärkte: In Märkten mit einem hohen Potenzial und hohem<br />
Wissen über die <strong>Schweiz</strong> sind die Eintrittsbarrieren für <strong>Schweiz</strong>er<br />
<strong>Standort</strong>promotoren verhältnismässig tief. Potenzielle Investoren sind<br />
mit den <strong>Schweiz</strong>er Verhältnissen relativ gut vertraut, so dass weniger<br />
Aufbauarbeit geleistet werden muss. Kantone können direkt auf mögliche<br />
Investoren zugehen und machen dies teilweise auch sehr erfolgreich.<br />
Durch das relativ grosse Wissen über die <strong>Schweiz</strong> wird zudem<br />
regionalen und kantonalen Unterschieden mehr Beachtung geschenkt.<br />
Hier kommen die Stärken der regionalen und kantonalen <strong>Standort</strong>promotoren<br />
zum Tragen, da diese mit den lokalen Unterschieden bestens<br />
BCG<br />
70
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
MARKTPOTENZIAL —≥<br />
Abb. 8: Wo wer aktiv werden muss<br />
aktuell<br />
bedeutend<br />
zukünftig<br />
bedeutend<br />
aktuell/zukünftig<br />
nicht prioritär<br />
CHINA<br />
INDIEN<br />
MEXIKO<br />
BRASILIEN<br />
JAPAN<br />
gering<br />
WISSEN ÜBER DIE SCHWEIZ —≥<br />
RUSSLAND<br />
KANADA SKANDINAVIEN<br />
hoch<br />
SPANIEN<br />
Die Entscheidung, welche Märkte Kantone/Regionen und Bund bearbeiten sollten, orientiert<br />
sich am Subsidiaritätsprinzip. Kantone sollten in jenen Märkten die Verantwortung<br />
tragen, in welchen sie diese mit ihren Ressourcen effektiv wahrnehmen können. Der Bund<br />
sollte in Ländern die Federführung übernehmen, die zwar wichtig sind, in denen die Kantone<br />
aber nicht in der Lage sind, selbständig eine signifikante Anzahl potenzieller Investoren<br />
für sich zu gewinnen.<br />
vertraut sind. Zusätzlich profitieren die kantonalen <strong>Standort</strong>promotoren<br />
von kurzen Entscheidungswegen und der Investor kann während des gesamten<br />
Prozesses von einem einzigen Ansprechpartner betreut werden.<br />
USA<br />
UK<br />
FRANKREICH<br />
DEUTSCHLAND<br />
ITALIEN<br />
Zentrale Bearbeitung<br />
Regionale/kantonale Bearbeitung<br />
Quelle: CS; BCG Analyse<br />
71
STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />
– Ferne Fokusmärkte: In Märkten mit einem hohen Potenzial und geringem<br />
Wissen über die <strong>Schweiz</strong> muss zuerst Aufbauarbeit geleistet werden,<br />
um das Potenzial in Zukunft abschöpfen zu können. Diese Aufbauarbeit<br />
ist sehr ressourcenintensiv und kann sich über viele Jahre erstrecken. Es<br />
stellt sich deshalb die Frage, inwieweit die einzelnen Kantone (insbesondere<br />
kleinere) diese Aufgabe in den relevanten Zielmärkten effektiv wahrnehmen<br />
können. Basierend auf dem Subsidiaritätsprinzip sollte in fernen<br />
Fokusmärkten deshalb ein zentraler <strong>Standort</strong>promotor die Federführung<br />
übernehmen und die Marke <strong>Schweiz</strong> potenziellen Investoren näherbringen.<br />
Dies erleichtert die Bünde-<br />
lung vorhandener Ressourcen<br />
und verbessert damit die Wahrnehmung<br />
der <strong>Schweiz</strong> in diesen<br />
Ländern. Als Nebeneffekt wird<br />
In fernen Fokusmärkten sollte deshalb<br />
ein zentraler <strong>Standort</strong>promotor die Federführung<br />
übernehmen.<br />
zudem die Komplexität für Investoren reduziert, da diese zu Beginn mit<br />
einem Vertreter der <strong>Schweiz</strong> und nicht mit einer Vielzahl von Vertretern<br />
von ihnen unbekannten Kantonen in Kontakt stehen. Zudem erleichtert<br />
es auch den Aufbau des in asiatischen Märkten sehr wichtigen Vertrauensverhältnisses<br />
zwischen Investor und <strong>Standort</strong>promotor.<br />
– Nischenmärkte: Märkte mit geringem Potenzial können opportunistisch<br />
von allen kantonalen und regionalen <strong>Standort</strong>promotoren bearbeitet<br />
werden. Dies kann zum Beispiel angebracht sein, wenn ein <strong>Standort</strong>förderer<br />
spezielle Kontakte zu einem Land pflegt oder dieses aufgrund<br />
einer bestimmten Branche eine besondere Bedeutung für den Kanton<br />
oder die Region hat. Der Bund sollte sich in diesen Märkten zurückhalten,<br />
um seine Ressourcen gezielt in fernen Fokusmärkten einsetzen und<br />
dort die grösstmögliche Wirkung erzielen zu können.<br />
Die Bearbeitung der Zielmärkte muss hohen Qualitätsstandards genügen<br />
und sollte an relevanten Erfolgskennzahlen gemessen werden.<br />
Wichtig ist beispielsweise ein gezieltes Eventmanagement. Dabei bietet<br />
sich an, Veranstaltungen in Kooperation mit Multiplikatoren (z.B. Big 4,<br />
lokale <strong>Business</strong> Networks) zu organisieren und bei der Durchführung auf<br />
die Anwesenheit von Vertretern der offiziellen <strong>Schweiz</strong> (z.B. Boschafter<br />
oder Politiker) zurückzugreifen. Die Teilnehmer dieser Veranstaltungen<br />
BCG<br />
72
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
sollten bewusst ausgewählt werden. So sollten schwerpunktmässig Entscheidungsträger<br />
möglicher Investoren aus den Zielbranchen (vgl. Kapitel<br />
CS) angeschrieben und eingeladen werden. Der Aufbau eines positiven<br />
Images der <strong>Schweiz</strong> sollte<br />
durch möglichst regelmässige<br />
positive Medienberichterstattung<br />
gefördert werden. Zudem<br />
Die Bearbeitung der Zielmärkte muss hohen<br />
Qualitätsstandards genügen.<br />
sollte bei der Direktansprache von Investoren (Kaltakquise) eine hohe<br />
Anzahl erfolgversprechender Besuchstermine mittels vorgängiger telefonischer<br />
Abklärung des Grundinteresses sichergestellt werden.<br />
Während der Erfolg des Eventmanagements und der Direktansprache an<br />
der Anzahl qualitativ hochwertiger Leads gemessen werden sollte, kann<br />
der Erfolg bei den Veranstaltungen anhand der Anzahl relevanter Teilnehmer<br />
beziehungsweise bei der Imagepflege basierend auf der Anzahl<br />
positiver Medienbeiträge beurteilt werden.<br />
Verbesserung der Koordination zwischen den <strong>Standort</strong>promotoren<br />
Die Koordination und Kooperation zwischen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />
sollte mittels zweier Massnahmen verbessert werden. Zum<br />
einen sollte bei einer Anfrage über die zentrale Organisation ein klarer<br />
Prozess zur Leadverteilung und zur Standardisierung von Rückantworten<br />
definiert werden. Zum anderen sollten mittels eines Verhaltenskodexes<br />
(«Gentlemen’s Agreement») übermässige Abwerbungsversuche<br />
zwischen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren verhindert und die Weitergabe<br />
von Leads an andere Kantone gefördert werden.<br />
Leadverteilungs- und Standardisierungsprozess: Im Falle einer konkreten<br />
Anfrage über die zentrale Organisation sieht die aktuelle Regelung<br />
im Deal-Flow-Abkommen zwischen der Osec und den anderen <strong>Schweiz</strong>er<br />
<strong>Standort</strong>promotoren eine Weiterleitung an alle kantonalen und regionalen<br />
<strong>Standort</strong>promotoren vor. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass der<br />
Investor eine Vielzahl von Angeboten aus der <strong>Schweiz</strong> bekommt. In zwei<br />
aktuellen Beispielen erhielten jeweils ein amerikanischer und ein asiatischer<br />
Investor zwischen 10 und 15 Angebote. Des Weiteren gibt es keine<br />
Regelung zur Standardisierung dieser Rückantworten. Dies hat zur Folge,<br />
73
STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />
dass es für Investoren schwierig ist, die wichtigsten Unterschiede sofort<br />
zu erkennen. Die Vielzahl unstandardisierter Angebote kann einen Investor<br />
im schlechtesten Fall so stark verwirren, dass dieser sich grundsätzlich<br />
gegen die <strong>Schweiz</strong> entscheidet und einem Land zuwendet, welches<br />
seine Vorteile auf einfachere und verständlichere Weise anpreist.<br />
Diese Überforderung kann durch eine auf den Bedürfnissen des Investors<br />
basierende Leadverteilung sowie eine Standardisierung der Rückantworten<br />
minimiert werden. Die deutsche <strong>Standort</strong>promotion auf Bundesebene,<br />
Germany Trade and Invest (GTAI), setzt an dieser Stelle einen<br />
strukturierten Prozess ein (Abb. 9). Die Notwendigkeit eines solchen<br />
Prozesses wurde in Deutschland vom Fachbeirat der GTAI, einem Gremium<br />
bestehend aus den Geschäftsführern der <strong>Standort</strong>förderer der<br />
einzelnen deutschen Bundesländer, im Jahre 2007 erkannt und gemeinsam<br />
erarbeitet.<br />
Herzstück des Prozesses sind sowohl die selektive Weiterleitung von<br />
Leads an einzelne Bundesländer als auch die Standardisierung der<br />
Rückantworten durch den GTAI-Projektleiter. Die Entscheidung, an welches<br />
Bundesland ein Lead weitergeleitet wird, findet auf Basis einer<br />
detaillierten Vorabklärung der In-<br />
vestorenbedürfnisse mittels eines<br />
Fragebogens statt. Der GTAI-Projektleiter<br />
entscheidet dann, wel-<br />
che Bundesländer die besten Möglichkeiten<br />
haben, ein erfolgverspre-<br />
Zwischen den <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>-<br />
promotoren besteht teilweise ein nicht<br />
zu unterschätzendes Konkurrenz-<br />
verhältnis.<br />
chendes Angebot an den Interessenten zu formulieren, und gibt den<br />
Lead an diese weiter. Bei Grossprojekten wird dieser Mechanismus allerdings<br />
ausser Kraft gesetzt und die Anfrage wird an alle Bundesländer<br />
weitergeleitet.<br />
Die Rückantworten der einzelnen Bundesländer werden anschliessend<br />
vom GTAI-Projektleiter in einer auf die Bedürfnisse des Investors zugeschnittenen<br />
PowerPoint-Präsentation zusammengefasst und standardisiert.<br />
Die <strong>Standort</strong>promotoren der einzelnen deutschen Bundesländer<br />
begrüssen diese Vorgehensweise explizit: «Wir sind mit der Vorgehens-<br />
BCG<br />
74
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 9: Von Deutschland lernen<br />
1<br />
Anfrage/<br />
detaillierte<br />
Vorabklärung<br />
(Fragebogen)<br />
POTENZIELLER<br />
INVESTOR<br />
Entscheidung<br />
über weiteres<br />
Vorgehen<br />
6<br />
2<br />
Selektive<br />
Weiterleitung<br />
auf Basis der<br />
Vorabklärung<br />
GTAI-<br />
PROJEKT-<br />
LEITER<br />
Standardisierung<br />
der Angebote<br />
zur besseren<br />
Vergleichbarkeit<br />
5<br />
3<br />
Anfrage eines<br />
Angebots von<br />
den Ländern<br />
STANDORT-<br />
FÖRDERER<br />
DER LÄNDER<br />
Angabe eines<br />
<strong>Standort</strong>angebots<br />
innerhalb<br />
einer Frist<br />
4<br />
Viele unstandardisierte Rückantworten überfordern manchen Investor. Das kann durch<br />
eine auf seinen Bedürfnissen basierende Leadverteilung und die Standardisierung minimiert<br />
werden. Die deutsche <strong>Standort</strong>promotion auf Bundesebene, Germany Trade and<br />
Invest (GTAI), setzt einen strukturierten Prozess ein.<br />
weise der GTAI bei der Leadverteilung und dem Standardisierungsprozess<br />
zufrieden und fühlen uns von der GTAI bzw. ihrer Vorgängerorganisation<br />
fair behandelt.»<br />
Abwerbungsversuche und Weitergabe von Leads: Zwischen den <strong>Schweiz</strong>er<br />
<strong>Standort</strong>promotoren besteht teilweise ein nicht zu unterschätzendes<br />
Konkurrenzverhältnis. Dieses äussert sich unter anderem in<br />
Abwerbungsversuchen, welche zu einem aus gesamtschweizerischer<br />
Perspektive ineffizienten Ressourceneinsatz führen. Zudem werden potenzielle<br />
Investoren, welche im eigenen Kanton nicht angesiedelt werden<br />
können, oft nicht gezielt an andere Kantone weiterverwiesen. Gemäss<br />
einem kantonalen <strong>Standort</strong>promotor kann es für ihn aus politischen<br />
Gründen sogar besser sein, wenn ein Investor sich für ein anderes Land<br />
entscheidet, als wenn er sich im Nachbarkanton niederlässt.<br />
Quelle: GTAI<br />
75
STANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT<br />
Zur Verbesserung der Kooperation unter den <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />
sollte deshalb im Rahmen eines Verhaltenskodexes («Gentlemen’s<br />
Agreement») festgehalten werden, welche Aktivitäten erwünscht und<br />
welche zu unterlassen sind. So sollten Kantone potenzielle Investoren<br />
aktiv ansprechen können, die Möglichkeit haben, kantonale Vorteile offen<br />
zu propagieren und Leads bei erfolgloser Ansiedlung im eigenen Kanton<br />
an andere Kantone weiterzuleiten. Im Gegensatz dazu sollten Investoren,<br />
welche sich in einem späten Stadium des Prozesses befinden, nicht aktiv<br />
von anderen Kantonen abgeworben werden. Um zu verhindern, dass sich<br />
der Investor letztlich in einem anderen Staat ansiedelt, sollten sich die<br />
einzelnen <strong>Standort</strong>promotoren nicht negativ über die anderen <strong>Schweiz</strong>er<br />
Akteure äussern.<br />
Konklusion Damit die <strong>Schweiz</strong> im sich intensivierenden globalen Wettbewerb<br />
um die Ansiedlung ausländischer Firmen weiterhin bestehen<br />
kann, müssen die <strong>Standort</strong>vorteile im Ausland gezielt vermarktet werden.<br />
Basierend auf der aktuellen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion ergeben sich<br />
drei zentrale Ansatzpunkte, um den Marktauftritt der <strong>Schweiz</strong> zu verbessern<br />
und die verfügbaren Ressourcen möglichst optimal einzusetzen:<br />
– Qualitativ hochwertige, investorenfreundliche Basisinformationen<br />
sollten zentral bereitgestellt und erste Rückfragen professionell beantwortet<br />
werden.<br />
– Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes bei der Marktbearbeitung<br />
sollten sich die Kantone auf die nahen Fokusmärkte konzentrieren, während<br />
der Bund die Federführung in fernen Fokusmärkten übernimmt.<br />
– Die Koordination und Kooperation zwischen <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />
sollte durch eine gezielte Leadverteilung, die Standardisierung<br />
von Rückantworten sowie die Formulierung eines «Gentlemen’s Agreement»<br />
verbessert werden.<br />
BCG<br />
76
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
In Kürze<br />
Die <strong>Standort</strong>promotion ist in der <strong>Schweiz</strong> föderalistisch auf-<br />
gebaut und damit primär eine Kompetenz der Kantone.<br />
17 der 26 Kantone haben sich zudem in drei regionalen Organi-<br />
sationen zusammengeschlossen, um nach aussen teilweise<br />
gemeinsam aufzutreten. Zusätzlich gibt es die <strong>Standort</strong>förderung<br />
des Bundes, die von der Osec ausgeübt wird.<br />
Das verfügbare Budget der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren<br />
beträgt insgesamt rund 30 Millionen Franken. Es ist relativ zum<br />
Bruttoinlandprodukt vergleichbar mit dem Budget ähn-<br />
licher Länder wie Österreich und Schweden. Durch die föderalistische<br />
Struktur ist das <strong>Schweiz</strong>er Budget allerdings<br />
deutlich stärker fragmentiert. Der Fokus der Aktivitäten liegt<br />
auf dem EU-Raum, den BRIC-Ländern und den USA, wobei<br />
sich die Kantone tendenziell auf Nahmärkte wie die EU-Länder<br />
konzentrieren.<br />
In Diskussionen mit <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotoren zeigt sich,<br />
dass alle drei Ebenen (Kantone, Regionen und Bund) klare<br />
Verbesserungspotenziale sehen. Diese kommen auch in einem<br />
Report der Weltbank zum Ausdruck, in welchem die <strong>Schweiz</strong>er<br />
<strong>Standort</strong>promotion lediglich auf Rang 16 von 21 untersuchten<br />
OECD-Ländern liegt.<br />
Zur Optimierung der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion stehen drei<br />
Lösungsansätze im Vordergrund:<br />
– Qualitativ hochwertige, investorenfreundliche Basis-<br />
informationen sollten zentral bereitgestellt und erste Rück-<br />
fragen professionell beantwortet werden.<br />
– Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes bei der Markt-<br />
bearbeitung sollten sich die Kantone auf die nahen Fokus-<br />
märkte konzentrieren, während der Bund die Federführung in<br />
fernen Fokusmärkten übernimmt.<br />
– Die Koordination und Kooperation zwischen <strong>Schweiz</strong>er<br />
<strong>Standort</strong>promotoren sollte durch eine gezielte Leadverteilung,<br />
die Standardisierung von Rückantworten sowie die Formu-<br />
lierung eines «Gentlemen’s Agreement» verbessert werden.
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Wie sich der Marktzugang zur <strong>Schweiz</strong><br />
professionalisieren lässt<br />
Wie bereits dargestellt, ist die schweizerische <strong>Standort</strong>förderung föderalistisch<br />
geprägt, wodurch eine <strong>Standort</strong>konkurrenz innerhalb der <strong>Schweiz</strong> entsteht. Die<br />
Kundenansprache ist zu wenig koordiniert, meist reaktiv und greift erst spät im<br />
Entscheidungsprozess der Zielfirmen ein. Um den Go-to-Market-Prozess zu beschleunigen<br />
sowie Aktivitäten früher und proaktiv tätigen zu können, wird im Folgenden<br />
ein Verfahren dargestellt, womit Zielfirmen identifiziert und segmentiert<br />
werden können. Ergänzend hilft ein gezieltes Key-Account-Management-Konzept,<br />
die Zielkundenansprache zu professionalisieren. In der praktischen Anwendung<br />
am Beispiel Indien hat sich die Umsetzbarkeit bestätigt. Bestätigt wurde auch die<br />
Idee, die Zielfirmen je nach ihrem wirtschaftlichen Gewicht und nach ihrem Fokus<br />
auf Europa über verschiedene Kanäle anzusprechen. Dieses Verfahren ist gegebenenfalls<br />
mit höheren Kosten verbunden; Erfahrungen aus dem <strong>Business</strong>-to-<br />
<strong>Business</strong>-Bereich (B2B-Bereich) zeigen aber, dass es sehr erfolgversprechend ist.<br />
Jan Burger / Alexander Kettenbach, Accenture<br />
Der aktuelle Go-to-Market-Ansatz der <strong>Schweiz</strong> basiert auf <strong>Business</strong> Hubs<br />
in den Zielmärkten und beinhaltet die Teilnahme an Messen, Investorenkonferenzen<br />
und weiteren Aktivitäten, welche jedoch primär reaktiv auf<br />
Anfrage der Zielfirmen hin einge-<br />
setzt werden. Da in der <strong>Schweiz</strong> aufgrund<br />
ihrer föderalistischen Struk-<br />
turen vorwiegend regionale Organisationen<br />
(Kantone oder regionale<br />
Wirtschaftsförderungsverbände wie<br />
Zielfirmen haben aufgrund der unko-<br />
ordinierten Ansprache regionaler<br />
Organisationen oft ein fragmentiertes<br />
Bild der <strong>Schweiz</strong>.<br />
die Greater Zurich Area) mit interessierten Firmen verhandeln, kann<br />
die fehlende Koordination zwischen den verschiedenen Organisationen<br />
zu Verwirrung bei den Zielfirmen und unter Umständen zur Wahl eines<br />
<strong>Standort</strong>s ausserhalb der <strong>Schweiz</strong> führen.<br />
Durch den nachfolgend beschriebenen Go-to-Market-Ansatz wird ein koordiniertes<br />
Vorgehen gefördert, so dass Firmen im Entscheidungsprozess 79
WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />
FOKUS AUF EUROPA —≥<br />
Abb. 1: Auswahl der Zielfirmen<br />
KEIN FOKUS ZIELMARKT EUROPA<br />
UMSATZ —≥<br />
MID VALUE CLIENTS<br />
FIRMA 1<br />
FIRMA 4<br />
TIEF<br />
FIRMA 5<br />
HIGH VALUE CLIENTS<br />
HOCH<br />
FIRMA 2<br />
FIRMA 3<br />
FIRMA 6<br />
Auf der Suche nach «High Value Clients». Die Selektion erfolgt nach Zielmärkten und -regionen<br />
(13 von Nordamerika über Brasilien bis Japan) und nach Zielbranchen (Life Science,<br />
International Management, Wealth Management) – und dann werden vor allem Firmen mit<br />
hohem Umsatz und einem bereits bestehenden strategischen Fokus auf Europa als Zielmarkt<br />
ausgewählt.<br />
proaktiv und frühzeitig angesprochen werden können. Hierbei kann ein<br />
Grossteil der bereits bestehenden Fähigkeiten, wie beispielsweise jene<br />
der <strong>Business</strong> Hubs, wiederverwendet und ausgebaut werden.<br />
Selektion von Unternehmen als Zielkunden Die Auswahl der Zielfirmen<br />
erfolgt in drei Dimensionen: nach Zielmarkt, nach Zielbranche und nach<br />
der Segmentierung der Zielfirmen in Bezug auf ihren Umsatz und ihren<br />
Fokus auf Europa. Zu den etablierten Zielmärkten gehören Nordamerika,<br />
UK, Skandinavien, die Benelux-Staaten, Deutschland, Frankreich<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
ACCENTURE<br />
80
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
und Italien, aus welchen in den letzten Jahren zahlreiche Firmen in die<br />
<strong>Schweiz</strong> übersiedelt sind. Dazu gehören aber auch neue, aufstrebende<br />
Märkte, die in den letzten Jahren global an Einfluss gewonnen haben –<br />
insbesondere Middle East, Russland, Indien, China und Japan. Um neben<br />
den Herkunftsmärkten auch einen Fokus auf Branchen zu legen, welche<br />
in der <strong>Schweiz</strong> besonders gefördert werden können, wurden von der Osec<br />
vorab Life Science, International Management und Wealth Management<br />
als Zielbranchen definiert. Nach der Selektion der Zielfirmen anhand<br />
von Herkunftsmärkten und Zielbranchen werden diese nach Umsatz und<br />
Fokus auf Europa in drei Segmente verteilt: High Value Clients, Mid Value<br />
Clients und Low Value Clients. Als High Value Clients werden Firmen<br />
identifiziert, die einen hohen Umsatz aufweisen und bereits jetzt einen<br />
strategischen Fokus auf Europa haben. Mid Value Clients sind ebenfalls<br />
Firmen mit bestehender europäischer Ausrichtung, welche jedoch mittlere<br />
Umsätze ausweisen. Low Value Clients sind kleinere Firmen, für die<br />
ein Selfservice-Ansatz empfohlen wird.<br />
Wie das Key Account Management ausgestaltet werden könnte Alle<br />
High- und Mid Value Clients werden nach der Identifizierung proaktiv angesprochen,<br />
wobei die Art der Ansprache vom Zielsegment abhängt: High<br />
Value Clients werden von einer Ansprechperson, einem Key Account Manager,<br />
betreut. Dieser kümmert sich um die Situationsanalyse, die Zielfirmensegmentierung<br />
und die<br />
frühzeitige Ansprache der Zielfirmen.<br />
Er begleitet die Verhandlungen<br />
mit der Osec und den<br />
Kantonen und behält weitere<br />
Belange des Kunden im Auge.<br />
Für Mid Value Clients wird ein<br />
standardisiertes Kampagnen-<br />
High Value Clients werden bei diesem Konzept<br />
von dedizierten Key Account Mana-<br />
gers betreut, für Mid Value Clients gibt es ein<br />
zentrales Kampagnenmanagement und<br />
für Low Value Clients werden Selfservice-<br />
Möglichkeiten angeboten.<br />
management pro Zielmarkt erarbeitet, in welchem die entsprechenden<br />
Firmen koordiniert angesprochen werden. Die Kampagnenmanagementpläne<br />
werden durch das Key Account Management sowie die Osec und<br />
die <strong>Business</strong> Hubs ausgearbeitet. Für Low Value Clients wird ein Selfservice-Ansatz<br />
empfohlen, welcher beispielsweise mit Hilfe einer Website<br />
umgesetzt wird.<br />
81
WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />
Abb. 2: Vom ersten Kontakt zur Übersiedlung<br />
EINBINDUNGSGRAD<br />
PARTNER<br />
KANTONE<br />
OSEC<br />
IDENTIFIZIERUNG & SEGMENTIERUNG DER ZIELFIRMEN<br />
PROAKTIVE ANSPRACHE DER ZIELFIRMEN JE NACH SEGMENT<br />
GEMEINSAME ERARBEITUNG EINES BUSINESS CASE<br />
VERHANDLUNGEN MIT OSEC / KANTONEN<br />
ÜBERSIEDLUNG IN DIE SCHWEIZ<br />
Je weiter die Konkretisierung der Ansiedlung voranschreitet, umso stärker kommen die<br />
Kantone zum Zuge. Zu Beginn – bei der Identifizierung und Segmentierung der Zielfirmen –<br />
liegt das Schwergewicht der Tätigkeiten eher bei der Osec.<br />
Der Go-to-Market-Ansatz ist von folgenden Aktivitäten geprägt: Nach der<br />
Identifizierung und Segmentierung der Zielfirmen werden diese je nach<br />
Segment frühzeitig und proaktiv über die <strong>Standort</strong>vorteile der <strong>Schweiz</strong><br />
informiert und beraten. Dabei werden passende Übersiedelungsszenarien<br />
skizziert. In dieser Phase tritt der Ansprechpartner stellvertretend<br />
für die ganze <strong>Schweiz</strong> auf, regionale Unterschiede werden vorerst in<br />
den Hintergrund gestellt. Konnte das Interesse an einer Übersiedlung<br />
geweckt werden, arbeiten die Zielfirma, die Osec und die Kantone gemeinsam<br />
einen <strong>Business</strong> Case aus. Dieser beinhaltet nun auch erste regionale<br />
Aspekte, damit in den weiteren Schritten ein stärkeres Gewicht<br />
auf die Vorzüge der einzelnen Regionen der <strong>Schweiz</strong> gelegt werden kann.<br />
Darauf folgen die Verhandlungen zur Übersiedlung und schliesslich der<br />
tatsächliche Umzug.<br />
Zu Beginn ist die Osec relativ stark in diesen Prozess eingebunden; in<br />
den eigentlichen Verhandlungen und bei der tatsächlichen Übersiedlung<br />
sind überwiegend die Kantone und Städte eingebunden. Beide Instanzen<br />
werden während des gesamten Prozesses von Partnern unterstützt.<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
ACCENTURE<br />
82
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 3: Beziehungsaufbau<br />
ZIELFIRMEN<br />
Ansprachen<br />
Anfragen<br />
KEY ACCOUNT<br />
MANAGER<br />
IDENTIFIZIERUNG<br />
LEAD-MANAGEMENT<br />
AUFBAU DER KUNDENBEZIEHUNG/<br />
VERHANDLUNG MIT OSEC<br />
UND KANTONEN<br />
UNTERSTÜTZUNG<br />
BEI UMSIEDLUNG<br />
SCHWEIZ ALS ATTRAKTIVER<br />
STANDORT FÜR GLOBALE FIRMEN<br />
Kooperation<br />
Information<br />
Für High Value Clients eines jeweiligen Zielmarktes dienen Key Account<br />
Managers als zentrale Ansprechpartner und stimmen sich je nach Bedarf<br />
mit der Osec, den Kantonen und den <strong>Business</strong> Hubs ab. Ihr Aufgabenbereich<br />
erstreckt sich von der Identifizierung bis hin zur Übersiedlung:<br />
Aufgrund von Marktänderungen ist die Identifizierung der Zielfirmen ein<br />
fortwährender Prozess. Wie bereits im letzten Abschnitt beschrieben,<br />
werden die identifizierten High Value Clients frühzeitig und proaktiv angesprochen<br />
und bis zur Übersiedlung vom Key Account Manager umfassend<br />
betreut. Um die Erfolge messen zu können, betreut der Key Account<br />
Manager darüber hinaus ein Pipeline-Management.<br />
Für Mid Value Clients wird pro Zielmarkt eine Kampagnenplanung erarbeitet,<br />
welche vor allem Messen, Investorenkonferenzen, Dinner Events,<br />
OSEC, KANTONE<br />
BUSINESS HUBS<br />
Für die High Value Clients ist es unerlässlich, auf einen Key Account Manager zu setzen.<br />
Er bildet die Schnittstelle zwischen den potenziellen Partnern auf der einen und der Osec,<br />
Kantonen und <strong>Business</strong> Hubs auf der anderen Seite. Die Betreuung geht auch nach der<br />
Ansiedlung weiter – Erfolgskontrolle.<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
83
WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />
Abb. 4: Massnahmenkatalog für Mid Value Clients<br />
KONFERENZEN<br />
Unterstützung<br />
MESSEN<br />
ZIELFIRMEN<br />
INFORMATIONEN Anfragen<br />
OSEC, KANTONE<br />
BUSINESS HUBS<br />
KAMPAGNENPLANUNG<br />
UND -REPORTING<br />
EINLADUNG AN EVENTS /<br />
GEZIELTE ANSPRACHE<br />
UNTERSTÜTZUNG<br />
BEI PLANUNG<br />
UNTERSTÜTZUNG<br />
BEI UMSIEDLUNG<br />
SCHWEIZ ALS ATTRAKTIVER<br />
STANDORT FÜR GLOBALE FIRMEN<br />
Für die Mid Value Clients sollten einerseits Online-Informationsdienste angeboten werden,<br />
andererseits Einladungen zu passenden Messen und Events erfolgen. An diesen Aktivitäten<br />
sind auf <strong>Schweiz</strong>er Seite alle Betroffenen beteiligt: Osec, Kantone, <strong>Business</strong> Hubs.<br />
Media Tours und Publikationen umfasst. Die Zielfirmen werden je nach<br />
Profil an entsprechende Events eingeladen, wo ein erster Kontakt möglich<br />
ist. Zusätzlich wird eine länderspezifische Website zur Verfügung gestellt,<br />
wo die Osec und die Kantone einheitlich auftreten. Bei der Planung<br />
der Übersiedlung unterstützen die Osec, die Kantone und <strong>Business</strong> Hubs<br />
den Kunden gemeinsam, während die <strong>Business</strong> Hubs den Kunden für Verhandlungen<br />
zur Seite stehen.<br />
Low Value Clients werden nicht proaktiv angesprochen. Vielmehr wird ihnen<br />
ein koordiniertes, integriertes Selfservice-Angebot unterbreitet, anhand<br />
dessen sie sich über die <strong>Schweiz</strong> als Wirtschaftsstandort informieren<br />
und mit der Osec Kontakt aufnehmen können. Ein Selfservice-Ansatz<br />
könnte beispielsweise eine länderspezifische Website beinhalten, die während<br />
der Erstellung des Kampagnenmanagements mit erarbeitet wird. So<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
ACCENTURE<br />
84
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
ist die Integrierung der anderen Marketingaktivitäten (Messen, Investorenkonferenzen<br />
usw.) gewährleistet und den Low Value Clients die Möglichkeit<br />
geboten, Kontakt aufzunehmen. Sobald eine Zielfirma Kontakt aufnimmt,<br />
wird sie entsprechend dem Aktivitätenplan im Prozess der <strong>Standort</strong>entscheidung<br />
optimal von den entsprechenden Stellen unterstützt.<br />
Mögliche Gestaltung eines Governance-Modells Die Ansprache der<br />
Segmente erfolgt je nach Zielmarkt und Zielfirma anfangs von der Osec<br />
oder den Kantonen. Grundsätzlich sollen die High- und Mid Value Clients<br />
von der Osec und den Kantonen gemeinsam und koordiniert angesprochen<br />
werden, während Low Value Clients nach selbständiger Kontaktaufnahme<br />
von derjenigen Instanz betreut werden, welche die beste Unterstützung<br />
anbieten kann. Das empfohlene Governance-Modell nach Segmenten kann<br />
durch Variationen und Kombinationen verfeinert werden:<br />
Eine Möglichkeit zur Verfeinerung ist die Betreuung der Zielmärkte durch<br />
die Osec, während Kantone, die sich in spezifischen Industrien spezialisiert<br />
und etabliert haben, Zielfirmen aus den entsprechenden Branchen<br />
betreuen. Im Laufe des Prozesses können auch die Zuständigkeiten variiert<br />
werden: Während die Osec zu Beginn stärker im Entscheidungsprozess<br />
eingebunden ist, steigert sich das Engagement der Kantone kontinuierlich<br />
bis hin zur Übersiedlung. Des Weiteren besteht die Möglichkeit,<br />
die Engagements nach Ländern<br />
aufzuteilen: Nahe gelegene Län-<br />
der könnten tendenziell eher von<br />
den Kantonen, entfernte Länder<br />
von der Osec bearbeitet werden,<br />
da teilweise bereits Kooperatio-<br />
Zuständigkeiten können neben den Segmen-<br />
ten auch nach Zielmarkt, Branchen,<br />
geographischer Nähe oder Sprache verteilt<br />
werden.<br />
nen der Kantone mit Nachbarländern existieren. Ausserdem ist zu prüfen,<br />
ob eine Verteilung der Zuständigkeiten nach Sprachen sinnvoll ist.<br />
Praxisbezug eines solchen Ansatzes Um den Praxisbezug eines solchen<br />
Ansatzes zu prüfen, wurde in Indien eine beispielhafte Segmentierung<br />
durchgeführt und ein Kampagnenmanagementplan erstellt. Der Erfolg<br />
bestätigt die Umsetzbarkeit des Key-Account-Management-Ansatzes in<br />
jeder Hinsicht.<br />
85
WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />
STRATEGISCHER FOKUS AUF EUROPA —≥<br />
Abb. 5: Praxistest zur Identifizierung und Segmentierung<br />
MID VALUE CLIENTS<br />
UMSATZ (IN USD) —≥<br />
HIGH VALUE CLIENTS<br />
12 8<br />
10 19<br />
> 300 MIO. < 600 MIO.<br />
> 600 MIO.<br />
In Indien wurden aus der «Economic Times»-Top-500-Liste die umsatzstärksten Unternehmen<br />
aus den Bereichen Banking, Pharma, Finanzwesen ausgewählt und nach ihrer<br />
Europa-Fokussierung sortiert. Die vielversprechendsten acht Firmen sind dabei jene im<br />
Quadrant oben rechts.<br />
Die Selektion der Zielfirmen erfolgte auf Basis der ET500, eines «Economic<br />
Times»-Rankings der Top-500-Firmen Indiens. Aus diesen 500 Firmen<br />
wurden jene in Betracht gezogen, welche im Banken-, Pharma- oder<br />
Finance-Umfeld tätig sind. Für die Segmentierung wurden nur Firmen<br />
analysiert, die einen Mindestumsatz von 300 Millionen Dollar aufweisen.<br />
In der Segmentierung wurden zwei Dimensionen angewendet: der Fokus<br />
der Zielfirmen auf Europa sowie der aktuelle Umsatz und die Umsatzentwicklung<br />
der letzten fünf Jahre (in US-Dollar). Der Fokus auf Europa<br />
wurde evaluiert, indem geprüft wurde, ob Headquarters, Produktionsstätten<br />
oder Marketing-Büros in Europa etabliert oder in Planung sind<br />
oder ob aktuelle Allianzen mit europäischen Firmen bestehen.<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
ACCENTURE<br />
86
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Die Mengenverteilung in den Segmenten lässt darauf schliessen, dass<br />
die proaktive und individuelle Ansprache der Zielfirmen nach Segment<br />
mit einem Key Account Manager pro Land möglich sein sollte. Während<br />
der Segmentierung ist<br />
aufgefallen, dass viele Firmen Für High Value Clients und Mid Value<br />
aus weiteren Branchen für die Clients werden verschiedene Ansprache-<br />
<strong>Schweiz</strong> interessant wären. ansätze gewählt, wobei die zugrun-<br />
Daher wird empfohlen, neben deliegenden Events für beide Segmente<br />
den von der Osec identifizierten<br />
Zielbranchen auch zusätzliche<br />
gemeinsam genutzt werden können.<br />
Branchen wie zum Beispiel Consumer Goods, Retail und High Tech in den<br />
Fokus mit aufzunehmen, zumal die <strong>Schweiz</strong> hier auch ausgewiesene Erfahrungen<br />
durch bereits angesiedelte Firmen vorweisen kann.<br />
Nach der erfolgreichen Segmentierung der Zielfirmen wurde ein Kampagnenmanagementansatz<br />
ausgearbeitet, welcher für jedes Segment<br />
einen einzelnen Strang ausweist, gleichzeitig aber auch Synergien<br />
zwischen den verschiedenen Ansprachekonzepten hervorbringt. Bei<br />
High Value Clients nimmt der Key Account Manager mit den Entscheidungsträgern<br />
Kontakt auf und lädt diese persönlich beispielsweise zu<br />
exklusiven Events ein. Mid Value Clients werden vorwiegend zu Investorenkonferenzen,<br />
Messen und Events in den Zielmärkten und -branchen<br />
eingeladen.<br />
Kosten-Nutzen-Betrachtung eines solchen Ansatzes Auf der Grundlage<br />
der beispielhaften Segmentierung und von Erfahrungen im B2B-<br />
Bereich wurde ein <strong>Business</strong> Case gerechnet, gemäss dem eine positive<br />
Bilanz des Key-Account-Management-Ansatzes erwartet werden kann.<br />
Generell sind auf der Aufwandseite vor allem die Key Account Manager,<br />
der zusätzliche Kommunikationsaufwand und die Kosten zum Aufbau<br />
von notwendigen Fähigkeiten zu beachten. Für die Umsetzung des Key-<br />
Account-Management-Ansatzes werden gegebenenfalls zusätzliche<br />
Planstellen benötigt. Darüber hinaus erhöhen sich der Planungs- und<br />
der Durchführungsaufwand aufgrund erhöhter Kommunikationstätigkeit<br />
und der Aufwand für den raschen Aufbau der benötigten Fähigkeiten wie<br />
beispielsweise Segmentierung und Marktforschung. Dem stehen eine<br />
87
WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />
Abb. 6: Potenzielle Erhöhung des jährlichen BIP nach fünf Jahren<br />
MIO. BIP P.A.<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
1<br />
2<br />
3<br />
JAHRE<br />
Indien: 90 Mio. BIP-Erhöhung nach 5 Jahren<br />
Zielländer: 900 Mio. BIP-Erhöhung nach 5 Jahren<br />
Am Beispiel Indien wird anhand von Osec-Statistiken mit einer BIP-Erhöhung von 18 Mio.<br />
CHF pro Jahr gerechnet. Bei einer Hochrechnung auf zehn Zielländer kann demzufolge von<br />
einer BIP-Erhöhung von jährlich 900 Mio. dank dem Key-Account-Management-Ansatz<br />
ausgegangen werden.<br />
Erhöhung des BIP, zusätzliche Steuereinnahmen und neu geschaffene<br />
Arbeitsplätze gegenüber.<br />
Eine Gegenüberstellung von Schätzungen aktueller Wandlungsraten und<br />
Erfahrungswerten bei Key-Account-Management-Ansätzen aus dem B2B-<br />
Bereich zeigt, dass durch die proaktive, frühzeitige Ansprache vor allem<br />
bei High- und Mid Value Clients die Wandlungsquoten erhöht werden<br />
können. Bei High Value Clients kann basierend auf den B2B-Erfahrungen<br />
eine Steigerung der derzeitigen Wandlungsrate um den Faktor 2,5 erwartet<br />
werden. Da auch Mid Value Clients proaktiv angesprochen werden,<br />
wird auch hier eine Erhöhung der Wandlungsrate um den Faktor 1,25 erwartet.<br />
Da für Low Value Clients zwar ein einheitlicher Auftritt angeboten<br />
4<br />
5<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
ACCENTURE<br />
88
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
wird, sie jedoch weiterhin reaktiv angesprochen werden, wird in diesem<br />
Segment mit keiner Erhöhung der Wandlungsrate gerechnet.<br />
Am Beispiel Indien, wo acht High Value Clients identifiziert wurden, wird<br />
ersichtlich, dass eine Wandlungsrate von beispielsweise fünf statt zwei<br />
Prozent bedeutet, dass jährlich zusätzlich 0,24 Firmen in die <strong>Schweiz</strong><br />
übersiedeln.<br />
Aus Osec-Statistiken geht hervor, dass die Übersiedlung einer Firma<br />
durchschnittlich einen BIP-Zuwachs von 75 Millionen Franken und 450<br />
zusätzliche Arbeitsplätze für<br />
die <strong>Schweiz</strong> mit sich bringt.<br />
Wenn sich zusätzlich 0,24 Firmen<br />
aus Indien in der <strong>Schweiz</strong><br />
niederlassen, bringt das eine<br />
BIP-Erhöhung von 18 Milionen<br />
<strong>Business</strong>-to-<strong>Business</strong>-Erfahrungen<br />
zeigen: Vor allem bei High- und Mid Value<br />
Clients kann eine erhöhte Erfolgsquote<br />
erwartet werden.<br />
Franken und 108 neue Arbeitsplätze. Wenn vergleichbare Werte in zehn<br />
Zielmärkten erreicht werden, steigt das BIP jährlich um 180 Millionen<br />
Franken – in fünf Jahren bereits um 900 Millionen.<br />
Kritische Erfolgsfaktoren Um den Go-to-Market-Ansatz des <strong>Standort</strong>s<br />
<strong>Schweiz</strong> bis 2015 erfolgreich zu fördern, sind vier kritische Erfolgsfaktoren<br />
zu beachten: eine professionelle Segmentierung, ein durchdachtes<br />
und professionell umgesetztes Key Account Management, eine proaktive<br />
Ansprache früh im Entscheidungsprozess und ein einheitliches Branding<br />
und Marketing der <strong>Schweiz</strong>.<br />
Die Basis des Go-to-Market-Ansatzes bildet eine professionelle, einheitliche<br />
und mehrdimensionale Aufteilung eines Zielmarktes in Zielkundensegmente.<br />
Basierend auf dieser Segmentierung werden unterschiedliche<br />
Ansprachen angewendet, um Kunden in diesem Segment zu<br />
bedienen. Hierfür müssen gezielte Fähigkeiten für Marktforschung und<br />
Zielkundensegmentierung rasch aufgebaut und leistungsstarke Marketingwerkzeuge<br />
zur Verfügung gestellt werden. Zur erfolgreichen Umsetzung,<br />
vor allem im High-Value-Bereich, ist es darüber hinaus nötig,<br />
ein professionelles Key-Account-Management-Konzept einzuführen. Die<br />
89
WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />
ACCENTURE<br />
Etablierung des Key Account Manager als zentraler Ansprechpartner<br />
bei High Value Clients ist bei diesem Ansatz eine zentrale Komponente,<br />
während das Kampagnenmanagement für High- sowie Mid Value Clients<br />
kundenzentriert und marktbasiert etabliert werden muss, um die Zielfirmen<br />
optimal, das heisst insbesondere<br />
frühzeitig, anzuspre- Der Erfolg steht und fällt mit der professichen.<br />
Ziel ist es, proaktiv einen onellen Segmentierung, dem optimalen Key<br />
gemeinsamen <strong>Business</strong> Case zu Account Management und dem einheitentwickeln<br />
und nicht erst reak- lichen Branding und Marketing der <strong>Schweiz</strong>.<br />
tiv auf Anfrage des Kunden zu<br />
handeln. Die zentrale Komponente bei allen erwähnten Aktivitäten ist es,<br />
den Zielfirmen aus allen Segmenten und Ländern ein einheitliches Bild<br />
der <strong>Schweiz</strong> zu präsentieren. Hierbei ist das Ziel, in einem ersten Schritt<br />
potenzielle Interessenten davon zu überzeugen, die <strong>Schweiz</strong> als Unternehmensstandort<br />
auszuwählen. Erst in einem zweiten Schritt erfolgt die<br />
Evaluation geeigneter <strong>Standort</strong>e innerhalb des Landes, die den Vorteilen<br />
der verschiedenen Regionen Rechnung trägt.<br />
Beurteilung eines solchen Ansatzes und Empfehlungen Nachdem ein<br />
Key-Account-Management-Ansatz ausgearbeitet und dessen Machbarkeit<br />
geprüft worden ist, wird die rasche Umsetzung eines solchen Ansatzes<br />
empfohlen. Folgende Quick Wins lassen sich realisieren, während<br />
weitere Aktivitäten zeitnah angegangen werden sollten. So kann der<br />
Marktzugang zur <strong>Schweiz</strong> zweckmässig professionalisiert werden und<br />
die erwünschten Benefits sind relativ bald spürbar.<br />
Während der Analysephase wurden vier Aktivitäten identifiziert, welche<br />
sich als Quick Wins eignen und daher umgehend umgesetzt werden könnten.<br />
Einer dieser Quick Wins stellt die Erstellung einer globalen, gemeinsamen,<br />
marktführenden Website von der Osec und den Kantonen dar. Zu<br />
einem späteren Zeitpunkt soll für jeden Zielmarkt eine länderspezifische<br />
Website von der Osec und den Kantonen erstellt werden, wobei diese ein<br />
einheitliches Bild vermitteln sollten, ohne sich gegenseitig oder mit der<br />
übergreifenden Website zu konkurrenzieren. Um dies zu gewährleisten,<br />
ist zu prüfen, ob die Länderwebsites auf Basis einer übergreifenden Website<br />
erstellt werden. Ein zweiter Quick Win ist die initiale Segmentierung<br />
90
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
der Zielfirmen für dedizierte Zielmärkte und Zielbranchen. Der Aufwand<br />
für die Segmentierung hält sich in Grenzen, während der Nutzen, aufgrund<br />
einer Vergleichsbasis für die zukünftigen Übersiedlungen und einer ersten<br />
Übersicht der Märkte, stark ins Gewicht fällt. Der dritte identifizierte<br />
Quick Win bezieht sich auf die bereits existierenden Kampagnen- oder<br />
Aktivitätenpläne. Diese können mit verhältnismässig geringem Aufwand<br />
überprüft und für den Key-Account-Management-Ansatz optimiert werden.<br />
Als letzter Quick Win wurden die aktuellen Publikationen, Messe-<br />
teilnahmen und Investorenkonferenzen identifiziert. Diese können mit<br />
wenig Aufwand auf die High- und Mid Value Clients angepasst und somit<br />
für den Key-Account-Management-Ansatz optimiert werden.<br />
Es empfiehlt sich, die Aktivitäten baldmöglichst im Detail zu identifizieren<br />
und zu beschreiben. Unbedingt am Anfang aller Bemühungen steht<br />
die Ausgestaltung des Key-Ac-<br />
count-Management-Konzepts,<br />
stellt es doch den Schlüsselfaktor<br />
dieses Ansatzes dar. Danach<br />
folgen die Berechnung des Konzeptes<br />
in einem detaillierten<br />
<strong>Business</strong> Case und die Definierung<br />
des Governance-Modells.<br />
Schnell und erfolgversprechend umsetzbar<br />
sind die Erstellung einer einheitlichen<br />
Website, die initiale Zielfirmensegmentierung<br />
und die Anpassung vorhandener<br />
Fähigkeiten an den Key-Account-Management-Ansatz.<br />
Darüber hinaus müssen Aktivitäten wie beispielsweise die Rekrutierung<br />
der Key Account Manager oder der Aufbau benötigter Fähigkeiten, die<br />
Erstellung von Länder-Websites, die proaktive Ansprache der Zielfirmen<br />
und die Einführung von Reporting-Tools zur Erfolgsmessung ausgearbeitet<br />
und geplant werden.<br />
91
WIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST<br />
In Kürze<br />
Die schweizerische <strong>Standort</strong>promotion ist stark fragmentiert.<br />
Bundesstellen, Kantone und Gemeinden gehen häufig<br />
unkoordiniert vor. Es ist unklar, wer wen zu welchem Zeitpunkt<br />
kontaktiert. Das führt zu langsamen Prozessen,<br />
zu reaktivem Eingreifen und gelegentlich zum Verlust eines<br />
potenziellen Kunden.<br />
ACCENTURE<br />
Das dargestellte Konzept setzt bei den Zielfirmen an. Diese<br />
müssen ausfindig gemacht und je nach Grösse und<br />
Europa-Orientierung unterschiedlich angesprochen werden.<br />
Dazu werden sie in drei Kategorien (High-, Mid- und Low-<br />
Value Clients) eingeteilt. Für die Kategorie High Value ist ein<br />
Key Account Manager einzusetzen, der die Zielfirma auf<br />
dem ganzen Weg bis zur Übersiedlung in die <strong>Schweiz</strong> begleitet.<br />
Mid Value Clients werden branchenspezifisch betreut.<br />
Low Value Clients können sich in einem leicht zugänglichen<br />
Informationssystem selbst bedienen.<br />
Das neue Konzept wird möglicherweise etwas teurer,<br />
aber nach konservativen Schätzungen sollte es die Erfolgs-<br />
quote der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>promotion deutlich<br />
verbessern. Das dürfte sich bei konsequenter Umsetzung<br />
und gleichen Umständen innerhalb von fünf Jahren<br />
in einem BIP-Wachstumsbeitrag von bis zu 900 Millionen<br />
Franken niederschlagen.<br />
92
WIE DIE SCHWEIZ GESEHEN WIRD
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Wie internationale Manager<br />
den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> beurteilen<br />
In der Rangliste der attraktivsten <strong>Standort</strong>e belegt die <strong>Schweiz</strong> nach Deutschland<br />
den zweiten Platz. Internationale Unternehmen schätzen vor allem die politische<br />
Stabilität und die Rechtssicherheit. Das <strong>Schweiz</strong>er Steuersystem verliert<br />
hingegen an Attraktivität und ist nicht mehr einer der Top-<strong>Standort</strong>faktoren. Zudem<br />
trauen die befragten Manager der <strong>Schweiz</strong> zu, die Wirtschaftskrise am besten<br />
zu meistern. Das starke Bankensystem führen sie als wichtigsten Erfolgsfaktor<br />
zur Krisenbewältigung an. Die grössten Herausforderungen für die <strong>Schweiz</strong><br />
liegen zukünftig in den Bereichen Innovation und Unternehmergeist sowie Forschung<br />
und Entwicklung.<br />
Markus Thomas <strong>Schweiz</strong>er, Ernst & Young<br />
Wie attraktiv ist der <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> für ausländische Investoren? Was<br />
sind die wichtigsten <strong>Standort</strong>faktoren? Und wie hat sich das Image der<br />
<strong>Schweiz</strong> vor dem Hintergrund der aktuellen Krise verändert? Um diese<br />
und weitere Fragen zu beantworten, hat im August 2009 ein unabhängiges<br />
Marktforschungsinstitut im Auftrag von Ernst & Young 700 international<br />
tätige Unternehmen weltweit befragt. 1 204 der Unternehmen haben<br />
aktuell Aktivitäten in der <strong>Schweiz</strong>. Befragt wurden Führungskräfte, darunter<br />
Geschäftsleiter, Bereichsleiter und Verwaltungsräte multinationaler<br />
Unternehmen.<br />
Die attraktivsten Länder der Welt Die <strong>Schweiz</strong> geniesst bei internationalen<br />
Unternehmen einen sehr guten Ruf: 20 Prozent der Unternehmen bezeichnen<br />
die <strong>Schweiz</strong> – nach Deutschland mit 23 Prozent – als einen der<br />
attraktivsten Investitionsstandorte weltweit. Damit belegt die <strong>Schweiz</strong><br />
1 Als Grundlage für die Befragung diente der European Investment<br />
Monitor (EIM) von Ernst & Young. Seit 1997 verfolgt die Datenquelle<br />
ausländische Direktinvestitionsprojekte, die neue Betriebsstätten<br />
und/oder neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Durch den Ausschluss<br />
von Portfolioinvestitionen liefert der European Investment<br />
Monitor einen detaillierten Überblick über die tatsächlichen Investitionen<br />
im Produktions- oder Dienstleistungsbereich durch ausländische<br />
Unternehmen in Europa. 95
WIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN<br />
Abb. 1: Investitionsstandorte: Platz 2 für <strong>Schweiz</strong><br />
Deutschland<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
USA<br />
Frankreich<br />
Grossbritannien<br />
China<br />
Indien<br />
Niederlande<br />
Russland<br />
Irland<br />
0% 5% 10% 15% 20% 25%<br />
«WENN IHR UNTERNEHMEN WICHTIGE GESCHÄFTSBEREICHE INS AUSLAND VERLAGERN<br />
WÜRDE, WELCHES LAND ERSCHEINT IHNEN AKTUELL AM ATTRAKTIVSTEN?»<br />
Die <strong>Schweiz</strong> ist neben Deutschland der attraktivste <strong>Standort</strong> für ausländische Investoren.<br />
Jeder fünfte Manager bezeichnet die <strong>Schweiz</strong> als einen der Top-Investitionsstandorte weltweit,<br />
wenn es um die Verlagerung wichtiger Geschäftsbereiche ins Ausland geht.<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>Switzerland</strong> 2009 – <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009<br />
Platz zwei der am meisten präferierten Länder, wenn es um die Verlagerung<br />
wichtiger Geschäftsbereiche ins Ausland geht.<br />
Den dritten Platz belegen die USA mit elf Prozent. Den vierten und den<br />
fünften Platz im Länderranking teilen sich Frankreich und Grossbritannien<br />
mit jeweils zehn Prozent. Insgesamt befinden sich sechs europäische<br />
Länder unter den Top-10-Investitionsstandorten weltweit, allesamt aus<br />
Westeuropa.<br />
ERNST & YOUNG<br />
96
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Die Schwellenländer China, Indien und Russland stehen zwar noch nicht<br />
so hoch in der Gunst der Investoren, dennoch ist insbesondere China den<br />
westeuropäischen Ländern Frankreich und Grossbritannien deutlich auf<br />
den Fersen.<br />
<strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong>: Stärken und Schwächen Besonders geschätzt<br />
wird die <strong>Schweiz</strong> für ihre politische Stabilität und die Rechtssicherheit.<br />
97 Prozent der Befragten bezeichnen den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> hinsichtlich<br />
dieses Faktors als attraktiv. Ähnlich gute Noten erhält die <strong>Schweiz</strong>, was<br />
die Lebensqualität und das soziale Klima angeht. Diese <strong>Standort</strong>faktoren<br />
erzielten jeweils 96 Prozent der positiven Bewertungen; im Jahr 2007<br />
lag der Anteil noch bei jeweils 100 Prozent. Ebenfalls gute Noten erhält<br />
die <strong>Schweiz</strong> auch in Bezug auf die Kaufkraft und die Transport- und Logistikinfrastruktur.<br />
Deutliche Einbussen hat hingegen die Attraktivität des Steuersystems<br />
zu verzeichnen. Während die befragten Manager im Jahr 2007 diesen<br />
<strong>Standort</strong>faktor noch als viertwichtigsten – nach der Lebensqualität,<br />
dem sozialen Klima und der politischen Stabilität und Rechtssicherheit<br />
– klassifizierten, rückt er in der aktuellen Befragung merklich in den Hintergrund<br />
und belegt nur noch Rang 11 der wichtigsten <strong>Standort</strong>faktoren.<br />
Alles in allem, so scheint es, sind ausländische Unternehmen der Meinung,<br />
dass die <strong>Schweiz</strong> in den vergangenen Jahren weiter an Attraktivität<br />
gewonnen habe. Im Vergleich<br />
zu 2007 sehen 41 Prozent der Befragten<br />
eine Verbesserung der<br />
<strong>Standort</strong>qualität und nur 23 Pro-<br />
zent eine Verschlechterung. Al-<br />
lerdings zeigt sich, dass der An-<br />
Folge der Steuerdebatten? Das <strong>Schweiz</strong>er<br />
Steuersystem verliert an Attraktivität<br />
und ist nicht mehr einer der Top-<strong>Standort</strong>faktoren.<br />
teil derer, die eine Verbesserung der <strong>Standort</strong>qualität wahrnehmen,<br />
deutlich abgenommen hat (minus 29 Prozentpunkte), während die Zahl<br />
der Kritiker grösser geworden ist (plus acht Prozentpunkte).<br />
Investitionsabsichten ausländischer Unternehmen Die aktuelle Wirtschaftskrise<br />
scheint sich zudem in den Investitionsplänen der Unter-<br />
97
WIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN<br />
Abb. 2: Stärken sind politische Stabilität und Rechtssicherheit<br />
Politische Stabilität und Rechtssicherheit (97%/98%)<br />
Lebensqualität (96%/100%)<br />
Soziales Klima (96%/100%)<br />
Kaufkraft (94%/–)<br />
sehr attraktiv eher attraktiv<br />
58% 39%<br />
Infrastruktur für Transport und Logistik (94%/81%)<br />
Attraktivität des Steuersystems (90%/96%)<br />
71% 25%<br />
51% 45%<br />
50% 44%<br />
36% 58%<br />
47% 43%<br />
«WIE BEWERTEN SIE DIE SCHWEIZ HINSICHTLICH DER FOLGENDEN STANDORTFAKTOREN?»<br />
(Ergebnisse 2009 / Ergebnisse 2007)<br />
Zu den Top-<strong>Standort</strong>faktoren der <strong>Schweiz</strong> zählen politische Stabilität und Rechtssicherheit,<br />
Lebensqualität und soziales Klima. Im Vergleich zu 2007 hat das <strong>Schweiz</strong>er Steuer-<br />
system an Attraktivität verloren und zählt nicht mehr zu den Top-<strong>Standort</strong>faktoren.<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>Switzerland</strong> 2009 – <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009<br />
nehmen niederzuschlagen. Nachdem 2007 insgesamt 74 Prozent der befragten<br />
Unternehmen planten, in der <strong>Schweiz</strong> zu investieren, sank dieser<br />
Anteil im Jahr 2009 auf 50 Prozent. Allerdings sind jene Unternehmen,<br />
die bereits in der <strong>Schweiz</strong> tätig sind, besonders aktiv: Von ihnen planen<br />
74 Prozent Folgeinvestitionen. Zurückhaltender geben sich Unternehmen,<br />
die nicht in der <strong>Schweiz</strong> tätig sind. In dieser Gruppe liegt der Anteil<br />
derer, die Investitionen planen, bei nur 28 Prozent.<br />
Trotz der gesunkenen Attraktivität des Investitionsstandorts <strong>Schweiz</strong><br />
ist die Zahl der potenziellen Auswanderer nur leicht gestiegen. Waren es<br />
ERNST & YOUNG<br />
98
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
2007 erst 24 Prozent, die daran dachten, ihre <strong>Schweiz</strong>er Aktivitäten ganz<br />
oder teilweise in andere Länder zu verlagern, sind es im Jahr 2009 bereits<br />
26 Prozent. Der<br />
Druck auf den <strong>Standort</strong><br />
bleibt somit bestehen.<br />
Wichtigstes Ar-<br />
gument für Verlage-<br />
Die Höhe der Personal- und Produktionskosten<br />
in der <strong>Schweiz</strong> ist Haupt-<br />
treiber für Abwanderungen ins Ausland.<br />
rungen bleiben die hohen Personal- und Produktionskosten – sie geben<br />
bei nahezu der Hälfte der potenziellen Abwanderer den Ausschlag für die<br />
Entscheidung, die <strong>Schweiz</strong> zu verlassen.<br />
Zur Erschliessung neuer Märkte oder wegen der Nähe zu Grosskunden<br />
liebäugeln nur 27 beziehungsweise 28 Prozent der Unternehmen mit dem<br />
Schritt in andere Länder.<br />
Innovationsstandort <strong>Schweiz</strong>? Bei der Innovationsfähigkeit schneidet<br />
die <strong>Schweiz</strong> im Vergleich mit anderen Ländern nur mittelmässig ab: In der<br />
«Weltrangliste» der innovativsten Länder liegt die <strong>Schweiz</strong> hinter China,<br />
den USA, Deutschland und Indien auf dem fünften Rang – nur 23 Prozent<br />
der Befragten bezeichnen die <strong>Schweiz</strong> als einen von fünf besonders innovativen<br />
<strong>Standort</strong>en. 54 Prozent entscheiden sich für China, 44 Prozent<br />
für die USA, 35 Prozent für Deutschland und 31 Prozent für Indien.<br />
Interessanterweise werden die Schwellenländer China, Indien und Russland<br />
im Durchschnitt von 30 Prozent der Befragten genannt, die etablierten<br />
Industrieländer nur von 19 Prozent. Die Befragungsergebnisse zeigen<br />
somit deutlich, wie eng inzwischen das Rennen zwischen den wichtigen<br />
Hightech-<strong>Standort</strong>en ist und welche Bedeutung die BRIC-Länder aus<br />
Sicht der Unternehmen schon heute haben.<br />
Wie gross die Herausforderung ist, vor der die etablierten Industrieländer<br />
einschliesslich der <strong>Schweiz</strong> stehen, zeigen zudem die Ergebnisse zu<br />
der Frage, wo aus Sicht der Befragten die «Googles» oder «Microsofts»<br />
der Zukunft entstehen werden – Unternehmen also, die es schaffen,<br />
sich innerhalb kürzester Zeit als Weltmarktführer im Bereich Hightech-/<br />
Wachstumsbranchen zu etablieren.<br />
99
WIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN<br />
Abb. 3: Mittelmass beim Thema Innovation<br />
China<br />
USA<br />
Deutschland<br />
Indien<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
Grossbritannien<br />
Frankreich<br />
Niederlande<br />
Russland<br />
Irland<br />
SUMME NACH REGIONEN<br />
Asien<br />
Westeuropa<br />
Nordamerika<br />
Osteuropa<br />
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% 55%<br />
«WELCHE DREI LÄNDER SIND IHRER MEINUNG NACH DERZEIT<br />
DIE INNOVATIVSTEN LÄNDER DER WELT?»<br />
In der «Weltrangliste» der innovativsten Länder steht die <strong>Schweiz</strong> hinter China, den USA,<br />
Deutschland und Indien auf dem fünften Rang – 23 Prozent der Befragten bezeichnen die<br />
<strong>Schweiz</strong> als einen von fünf besonders innovativen <strong>Standort</strong>en.<br />
Hier spielt die <strong>Schweiz</strong> nach Meinung der Befragten ganz klar in der zweiten<br />
Liga: Die USA, Indien und China werden demnach die Heimat solcher<br />
zukünftiger Giganten sein. Nur fünf Prozent der Befragten glauben, dass<br />
die <strong>Schweiz</strong> entsprechendes Potenzial hat.<br />
<strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong>: Trotz Krise stark Aus Sicht der Befragten kann sich<br />
der <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> trotz der Wirtschaftskrise als Top-<strong>Standort</strong> behaupten:<br />
93 Prozent der Befragten sind zuversichtlich, dass die <strong>Schweiz</strong> die Krise<br />
erfolgreich bewältigen kann. 44 Prozent sind sogar der Meinung, dass<br />
97%<br />
94%<br />
45%<br />
7%<br />
Lateinamerkia 3%<br />
Mittlerer Osten 2%<br />
Afrika 1%<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>Switzerland</strong> 2009 – <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009<br />
ERNST & YOUNG<br />
100
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 4: Nachholbedarf beim Unternehmergeist<br />
USA<br />
Indien<br />
China<br />
Deutschland<br />
Grossbritannien<br />
Russland<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
Frankreich<br />
Niederlande<br />
Irland<br />
SUMME NACH REGIONEN<br />
Asien<br />
Westeuropa<br />
Nordeuropa<br />
Osteuropa<br />
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%<br />
«AUS WELCHEM LAND ERWARTEN SIE IN DEN KOMMENDEN JAHREN<br />
AM EHESTEN EIN NEUES ‹GOOGLE› ODER ‹MICROSOFT›?»<br />
Beim Thema «Unternehmergeist» spielt die <strong>Schweiz</strong> ganz klar in der zweiten Liga: Die USA,<br />
Indien und China werden demnach die Heimat solcher zukünftiger Giganten sein. Nur fünf<br />
Prozent der Befragten glauben, dass die <strong>Schweiz</strong> entsprechende Potenziale habe.<br />
die <strong>Schweiz</strong> unter allen europäischen Ländern die besten Voraussetzungen<br />
habe, um die Krise zu bewältigen.<br />
Als wichtigsten Erfolgsfaktor, um die Krise zu bewältigen, führen zwei<br />
von drei Managern das starke Bankensystem an. Bei den Themen Innovation<br />
und Unternehmergeist sowie Forschung und Entwicklung scheiden<br />
sich dagegen die Geister. Unternehmen mit Aktivitäten in der <strong>Schweiz</strong><br />
vergeben deutlich bessere Noten als Unternehmen ohne Aktivitäten in<br />
der <strong>Schweiz</strong>.<br />
61%<br />
35%<br />
50%<br />
8%<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>Switzerland</strong> 2009 – <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009<br />
101
WIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN<br />
Abb. 5: Herausforderungen: Innovation/Unternehmergeist und F&E<br />
Starkes Bankensystem<br />
Innovation und Unternehmergeist<br />
Hoher Anteil an international tätigen Unternehmen<br />
F & E von hervorragender Qualität<br />
Branchenspezialisierung<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />
«WELCHE STANDORTVORTEILE HAT DIE SCHWEIZ IHRER MEINUNG NACH,<br />
UM AUS DER KRISE HERAUSZUKOMMEN?»<br />
Unternehmen mit Investments in der <strong>Schweiz</strong><br />
Unternehmen ohne Investments in der <strong>Schweiz</strong><br />
Herausforderungen für die <strong>Schweiz</strong> liegen in den Bereichen Innovation und Unternehmergeist<br />
sowie Forschung und Entwicklung. Unternehmen mit Sitz in der <strong>Schweiz</strong> geben deutlich<br />
bessere Noten als Unternehmen ohne Aktivitäten in der <strong>Schweiz</strong>.<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>Switzerland</strong> 2009 – <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009<br />
ERNST & YOUNG<br />
102
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
In Kürze<br />
Die Umfrageergebnisse zeigen: Die <strong>Schweiz</strong> ist als Investi-<br />
tionsstandort für multinationale Unternehmen nach wie<br />
vor sehr beliebt, insbesondere wenn es um die Verlagerung<br />
von wichtigen Geschäftsbereichen ins Ausland geht.<br />
Ausländische Investoren sind infolge der Wirtschaftskrise<br />
und der Steuerdebatten der vergangenen Monate aber auch<br />
zurückhaltender geworden.<br />
Die grössten Herausforderungen für die <strong>Schweiz</strong> sehen inter-<br />
nationale Manager vor allem in den Themen «Innovation<br />
und Unternehmergeist» sowie «Forschung und Entwicklung».<br />
Während Unternehmen mit Investments in der <strong>Schweiz</strong><br />
diese beiden Themenbereiche mehrheitlich als <strong>Standort</strong>vorteile<br />
bezeichnen, sind Unternehmen ohne Investments in<br />
der <strong>Schweiz</strong> davon deutlich weniger überzeugt. Das Interesse<br />
des Auslandes sollte daher in Zukunft – insbesondere im<br />
Rahmen der <strong>Standort</strong>promotion – stärker auf den Forschungs-<br />
und Entwicklungsstandort <strong>Schweiz</strong> gelenkt werden.<br />
In Kombination mit Steuervorteilen für innovative Unternehmen<br />
könnten so wichtige Anreize geboten werden, um<br />
den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> erfolgreicher in Richtung Innovationsführerschaft<br />
zu bewegen und die Attraktivität der <strong>Schweiz</strong><br />
als Top-<strong>Standort</strong> für multinationale Unternehmen zu erhalten<br />
und auszubauen.<br />
103
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Auf welche <strong>Standort</strong>faktoren<br />
die <strong>Schweiz</strong> setzt<br />
Die globalisierte und wettbewerbsintensive Wirtschaftswelt stellt alle Volkswirtschaften<br />
vor die gleichen Herausforderungen: eine objektive Selbsteinschätzung<br />
der eigenen Stärken und Schwächen sowie eine Analyse, die zeigt, wie ausländische<br />
Marktteilnehmer das inländische Wirtschaftsumfeld und den Wirtschaftsstandort<br />
<strong>Schweiz</strong> einschätzen. In diesem Kontext muss auch die <strong>Schweiz</strong>, als<br />
eine der erfolgreichsten Wirtschaftsnationen der Welt, regelmässig ihre Attraktivität<br />
und Wettbewerbsfähigkeit überprüfen. 1 Ziel sollte es sein, festzustellen,<br />
welche <strong>Standort</strong>faktoren die <strong>Schweiz</strong> international vermarktet und wie diese extern<br />
wahrgenommen werden.<br />
Robert Reppas, Deloitte AG<br />
Bei der vorliegenden Untersuchung wurde analysiert, auf welche <strong>Standort</strong>faktoren<br />
die <strong>Schweiz</strong> bei ihrer Vermarktung setzt und wie das Ausland<br />
diese bewertet. Zentraler Ausgangspunkt für die Analyse war eine<br />
Liste mit klassischen <strong>Standort</strong>faktoren, welche für die Beurteilung in<br />
harte und weiche Faktoren (Tabelle 1) unterteilt wurden. Diese <strong>Standort</strong>faktoren<br />
wurden aus heutiger Sicht analysiert. Ob und inwieweit diese<br />
Faktoren auch die entscheidenden Faktoren der Zukunft sein werden,<br />
wurde nicht berücksichtigt. Ein <strong>Standort</strong>faktor gilt als hart, wenn er einen<br />
quantifizierbaren Einfluss auf die Bilanz eines Unternehmens hat.<br />
Harte <strong>Standort</strong>faktoren können damit zur Messung der Wirtschaftlichkeit<br />
eines <strong>Standort</strong>s dienen. Im Gegensatz dazu können weiche <strong>Standort</strong>faktoren<br />
nicht in die Bilanz eines Unternehmens integriert werden.<br />
Trotzdem spielen sie beim <strong>Standort</strong>entscheid eine zentrale Rolle. 2<br />
1 In diesem Zusammenhang siehe auch Deloitte White Paper 2009,<br />
«Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts <strong>Schweiz</strong>: 18 Wachstumsinitiativen».<br />
2 Siehe S. Cortrie, «Weiche <strong>Standort</strong>faktoren als Angelegenheit der<br />
kommunalen Wirtschaftsförderung», und I. Balderjahn, «<strong>Standort</strong>-<br />
marketing». 105
AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />
Tab. 1: Harte und weiche Faktoren<br />
HARTE STANDORTFAKTOREN WEICHE STANDORTFAKTOREN<br />
Arbeitsmarkt Forschung und Entwicklung<br />
Ausbildungsmarkt Innovationsfähigkeit<br />
Finanz- und Bankensystem Institutionen<br />
Immobilienmarkt<br />
15 Faktoren, welche die Wahl des <strong>Standort</strong>s erheblich beeinflussen können. Hier werden sie nach<br />
ihrer Messbarkeit unterteilt. Als hart gelten jene Faktoren, die relativ einfach zu beziffern sind<br />
(vom Arbeitsmarkt bis zur Steuerbelastung), als weiche die nur schwer messbaren Faktoren (z.B.<br />
Lebensqualität, politische Stabilität, Innovationsfähigkeit), die aber nicht minder wichtig sind.<br />
Nebst der Gliederung nach messbaren Grössen lassen sich die Faktoren<br />
auch nach ihrer nationalen oder regionalen Ausrichtung aufteilen (Tabel-<br />
le 2). 3 Beide Betrachtungsweisen sind in die Untersuchung eingeflossen.<br />
Bei der Beurteilung wurde ein primär quantitativer Ansatz verfolgt.<br />
Kernstück bildet sowohl die Eruierung der Häufigkeit der Nennung dieser<br />
<strong>Standort</strong>faktoren durch Kantone und andere Interessenvertreter<br />
als auch ein anschliessendes Ranking. Es wurden dabei frei verfügbare<br />
Publikationen und Marketinginformationen analysiert. Um auf kantonaler<br />
Ebene eine möglichst repräsentative Datenbasis zu erhalten, wurden<br />
insgesamt 15 Kantone in die Analyse mit einbezogen (Tabelle 3). Dabei<br />
3 Bezüglich der Aufteilung in nationale und regionale <strong>Standort</strong>faktoren<br />
ist anzumerken, dass die Übergänge fliessend sein können. So<br />
lässt sich argumentieren, dass zum Beispiel der Faktor «Steuersystem»<br />
auch ein nationaler oder «Infrastruktur» auch ein regionaler<br />
<strong>Standort</strong>faktor ist. Für diese Analyse wurde die in Tabelle 2 dargestellte<br />
Einteilung verwendet.<br />
Lebensqualität<br />
(personenbezogener <strong>Standort</strong>faktor)<br />
Infrastruktur politische Verhältnisse<br />
Marktaktivität und -situation Unternehmensbezogene Faktoren<br />
Nähe, Grösse und Zugang zu<br />
produktionsfaktormärkten<br />
Staatliche Förderung<br />
Steuersystem<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
DELOITTE<br />
106
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Tab. 2: Nationale und regionale Faktoren<br />
NATIONALE STANDORTFAKTOREN REGIONALE STANDORTFAKTOREN<br />
Ausbildungsmarkt Arbeitsmarkt<br />
Finanz- und Bankensystem Immobilienmarkt<br />
Forschung und Entwicklung Marktaktivität, -situation<br />
Infrastruktur Staatliche Förderung<br />
Institutionen Steuersystem<br />
Innovationsfähigkeit<br />
Lebensqualität<br />
Nähe, Grösse und Zugang zu<br />
produktionsfaktormärkten<br />
politische Verhältnisse<br />
Unternehmensbezogene Faktoren<br />
Als <strong>Standort</strong>faktoren werden Bereiche in Betracht gezogen, die nur auf nationaler Ebene zu beeinflussen<br />
sind (z.B. Finanzsystem, Infrastruktur, Bildungswesen), und solche, die eher in den<br />
Händen von regionalen Körperschaften liegen (z.B. Arbeitsmarkt, Immobilien, Steuern).<br />
wurde auf ein breites Spektrum geachtet, um die Unterschiede hinsichtlich<br />
Grösse, Sprache, wirtschaftliche Dynamik usw. repräsentativ abdecken<br />
zu können. Die Ergebnisse der Analyse wurden zusätzlich durch<br />
Interviews mit drei Kantonen (Freiburg, Schaffhausen, Zug) validiert. Die<br />
Initiative «Greater Zurich Area» 4 wurde als Vertreterin einer regionalen<br />
Marketingplattform in die Untersuchung aufgenommen. Um schliesslich<br />
eine gesamtschweizerische Perspektive einbringen zu können, wurde<br />
das <strong>Standort</strong>marketing der Osec und von <strong>Location</strong> <strong>Switzerland</strong> mit einbezogen.<br />
5 Damit ergibt sich ein ausgewogenes Bild des gesamtschweizerischen<br />
<strong>Standort</strong>marketings.<br />
4 Zur »Greater Zurich Area» gehören die Kantone: Aargau, Glarus,<br />
Graubünden, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Zug und Zürich.<br />
5 Es handelt sich hierbei um die <strong>Standort</strong>promotion von der Osec und<br />
<strong>Location</strong> <strong>Switzerland</strong>, «The international management gateway to<br />
Europe 07/08».<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
107
AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />
Tab. 3: 15 Kantone auf dem Prüfstand<br />
KANTON<br />
Aargau Luzern St. Gallen<br />
Basel Neuenburg Thurgau<br />
Bern Obwalden Waadt<br />
Freiburg Schaffhausen Zug<br />
Genf Schwyz Zürich<br />
In der Umfrage wurden 15 hinsichtlich Sprache und Wirtschaftsdynamik möglichst repräsentative<br />
Kantone berücksichtigt. Die Basisdaten stammen aus frei verfügbaren Publikationen;<br />
in drei Kantonen (Freiburg, Schaffhausen, Zug) wurden vertiefende Interviews geführt.<br />
Die Resultate der Studie lassen sich in drei Hauptaussagen unterteilen,<br />
die in den nachfolgenden Abschnitten im Detail dargestellt werden:<br />
– Nationale <strong>Standort</strong>faktoren sollten zentral vermarktet werden, während<br />
das Marketing regionaler Faktoren hauptsächlich von den Kantonen<br />
übernommen werden sollte.<br />
– Industriespezifisches <strong>Standort</strong>marketing kann die Attraktivität der<br />
Kantone erhöhen.<br />
– Die <strong>Schweiz</strong> sollte Vorkehrungen treffen, um die unterschiedliche Wahrnehmung<br />
der <strong>Standort</strong>faktoren im In- und Ausland zu vereinheitlichen.<br />
Nationale versus regionale <strong>Standort</strong>faktoren Die quantitative Analyse<br />
der nationalen und regionalen <strong>Standort</strong>faktoren erlaubt einen Vergleich<br />
zwischen den Kantonen, Regionen und der Gesamtschweiz. Daraus lassen<br />
sich interessante Rückschlüsse in Bezug auf die Kohärenz der genannten<br />
Faktoren und damit auf die gesetzten Schwerpunkte ziehen<br />
(siehe Abbildung 1). 6<br />
6 Basis ist die Untersuchung der Internetseiten der jeweiligen Kantone.<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
DELOITTE<br />
108
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 1: Worauf die <strong>Standort</strong>kantone Wert legen<br />
FAKTOREN GGBA GZA<br />
NATIONALE<br />
STANDORTFAKTOREN BS<br />
BL<br />
Infrastruktur<br />
Lebensqualität<br />
Ausbildungsmarkt<br />
Institutionen<br />
Innovations-<br />
fähigkeit<br />
Forschung und<br />
Entwicklung<br />
Unternehmensbezogene<br />
Faktoren<br />
politische<br />
Verhältnisse<br />
Finanz- und<br />
Bankensystem<br />
Nähe, Grösse<br />
und Zugang zu<br />
produktions-<br />
faktormärkten<br />
REGIONALE<br />
STANDORTFAKTOREN<br />
Steuersystem<br />
Arbeitsmarkt<br />
Immobilienmarkt<br />
Marktaktivität,<br />
-situation<br />
Staatliche<br />
Förderung<br />
SELB-<br />
STäNDIGE<br />
NA-<br />
TION<br />
BE FR GE NE VD AR SH SZ ZG ZH GZA LU OW SG TG OS<br />
EC CH<br />
Es besteht zwischen Bund und Kantonen und zwischen den Kantonen keine vollständige<br />
Einigkeit darüber, welche Kriterien für die <strong>Standort</strong>wahl besonders wichtig sind. Übereinstimmung<br />
herrscht noch am ehesten bei der Infrastruktur, der Lebensqualität und dem<br />
Steuersystem. Innovationsfähigkeit wird hingegen in der Nordwestschweiz und in der<br />
Romandie eindeutig höher gehängt als in der Zentral- und in der Ostschweiz. Staatliche<br />
Förderung steht für den Bund im Vordergrund, nicht aber für die meisten Kantone.<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
109
AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />
Das Beispiel «Greater Zurich Area» (GZA) zeigt sehr deutlich, dass benachbarte<br />
Kantone nicht zwangsläufig die gleichen <strong>Standort</strong>faktoren<br />
hervorheben. So besteht bei der GZA und ihren Nachbarkantonen lediglich<br />
bei zwei Faktoren (Infrastruktur und Steuersystem) Übereinstimmung.<br />
Dies deutet darauf hin, dass das <strong>Standort</strong>marketing auf kantonaler<br />
und regionaler Ebene nur bedingt koordiniert wird.<br />
Das gleiche Bild zeigt sich auf nationaler Ebene: Die Osec und <strong>Location</strong><br />
<strong>Switzerland</strong> fördern sowohl nationale als auch regionale <strong>Standort</strong>faktoren.<br />
Im Zentrum stehen übereinstimmend die neun Faktoren Infrastruktur,<br />
Lebensqualität, Ausbildungsmarkt, Innovationsfähigkeit, Forschung<br />
und Entwicklung, Steuersystem, Institutionen, Arbeitsmarkt und staatliche<br />
Förderung. Die vier Faktoren politische Verhältnisse, Finanz- und<br />
Bankensystem, Marktaktivität/-situation und unternehmensbezogene<br />
Faktoren werden jeweils nur von einem der beiden Organe erwähnt.<br />
Die Schlussfolgerung ist in beiden Fällen die gleiche: Zur besseren Vermarktung<br />
der <strong>Schweiz</strong> bedarf es einer besseren Koordination zwischen<br />
den beteiligten Kantonen, Regionen und gesamtschweizerisch tätigen<br />
Stellen. Es ist demnach naheliegend, dass die <strong>Schweiz</strong> im Ausland nicht<br />
einheitlich wahrgenommen wird, was die Wirkung des <strong>Standort</strong>marketings<br />
schwächt. Weiterhin kann die Frage gestellt werden, inwieweit<br />
die regionalen <strong>Standort</strong>faktoren zur Differenzierung beitragen können,<br />
wenn die nationalen <strong>Standort</strong>faktoren alle in etwa gleich wahrgenommen<br />
werden. Sobald sich ein Unternehmen für die <strong>Schweiz</strong> entschieden<br />
hat, dürfte die Differenzierung durch regionale <strong>Standort</strong>faktoren ausschlaggebend<br />
sein. Aus dieser Betrachtung lassen sich drei Schlussfolgerungen<br />
ableiten:<br />
≥ Die Vermarktung der <strong>Standort</strong>faktoren sollte unter den beteiligten<br />
Stellen besser abgestimmt werden, z.B. durch Aufteilung in regionale<br />
und nationale <strong>Standort</strong>faktoren.<br />
≥ Eine bessere Koordination der Aktivitäten unter Wahrung kantonaler,<br />
regionaler und nationaler Interessen wäre wünschenswert. Eine bessere<br />
Vernetzung der jeweiligen Aktivitäten würde zu einem einheitlicheren<br />
Auftritt im Ausland und damit einer grösseren Aussenwirkung führen.<br />
DELOITTE<br />
110
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 2: Die Life-Science-Zentren der <strong>Schweiz</strong><br />
BIO VALLEY BASEL 64<br />
Bern<br />
Basel<br />
Freiburg<br />
BIO ALPS 70<br />
Luzern<br />
Aarau<br />
GREATER ZURICH AREA 96<br />
Sarnen<br />
Zürich<br />
ANDERE 47<br />
Life Science gehört zu jenen Wirtschaftszweigen, für welche die <strong>Schweiz</strong> als <strong>Standort</strong> sehr<br />
interessant ist – insbesondere jene Regionen, in denen bereits Cluster von Unternehmen<br />
aus dieser Branche bestehen.<br />
≥ Ein verstärkter Fokus auf regionale <strong>Standort</strong>faktoren und Besonderheiten<br />
als differenzierendes Element dürfte sich positiv auf die Ansiedlung<br />
von Unternehmen auswirken.<br />
«In der Vergangenheit hat man sich bei der Vermarktung von <strong>Standort</strong>faktoren<br />
stark auf das Produkt an sich fokussiert. Neuerdings sehen wir<br />
eine Verschiebung hin zu einem stärkeren Fokus auf das Service-Angebot.<br />
Jeder Kanton hat Universitäten, Hochschulen, eine gute Infrastruktur<br />
mit Anbindung an einen Flughafen usw., aber was den entscheidenden<br />
Unterschied macht, um ein neues Unternehmen für unseren Kanton<br />
Zug<br />
Schwyz<br />
Frauenfeld<br />
St. Gallen<br />
Genf BIOPLOLO TICINO 21<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
111
AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />
zu gewinnen, sind unsere einzigartigen Merkmale, wie der Service und<br />
unser Einsatz, den wir potenziellen Investoren von Anfang an bieten.»<br />
Christophe Gevisier, Director International Markets Fribourg Development Agency<br />
Industriespezifisches <strong>Standort</strong>marketing als Chance für die Regionen<br />
Die regionale Vermarktung von <strong>Standort</strong>faktoren lässt sich unterschiedlich<br />
umsetzen. Eine Möglichkeit besteht darin, sich auf die in der Region<br />
vorhandenen Industrie-Cluster zu beziehen, um sich dadurch von Wettbewerbern<br />
zu differenzieren. Im Folgenden wird ein möglicher Ansatz am<br />
Beispiel des Sektors Life Science dargestellt.<br />
Die <strong>Schweiz</strong> verfügt in mehreren Regionen über eine stark ausgeprägte<br />
Konzentration von Life-Science-Unternehmen (siehe Abbildung 2).<br />
Diese Bildung von Industrie-Clustern ist häufig zu beobachten und kann<br />
eine Reihe von Ursachen haben. Folgende Gründe stehen dabei häufig<br />
im Vordergrund:<br />
– Verfügbarkeit von geschulten Mitarbeitern, die bereits für in der Region<br />
angesiedelte Unternehmen tätig sind<br />
– Vorhandene Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen<br />
– Verfügbarkeit von Rohstoffen<br />
– Historische Gründe<br />
Betrachtet man diese Gründe aus Sicht der <strong>Standort</strong>faktoren, ergibt sich die<br />
folgende Liste mit fünf Top-<strong>Standort</strong>faktoren für die Life-Science-Industrie:<br />
– Forschung und Entwicklung<br />
– Innovationsfähigkeit<br />
– Arbeitsmarkt<br />
– Ausbildungsmarkt<br />
– Infrastruktur<br />
Analysiert man die Regionen mit Life-Science-Clustern bezüglich dieser<br />
fünf Top-Faktoren (siehe Abbildung 3), so fällt auf, dass die Kantone ihre<br />
Region nicht konsequent mit Hilfe dieser <strong>Standort</strong>faktoren vermarkten.<br />
Laut der Erhebung vermarktet die Region Genf – Waadt auf ihrer Internet-<br />
DELOITTE<br />
112
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 3: Was für Life Science wichtig ist<br />
Forschung und Entwicklung<br />
Innovationsfähigkeit<br />
Arbeitsmarkt<br />
Ausbildungsmarkt<br />
Infrastruktur<br />
LS INDUSTRIE «FOOTpRINT»<br />
BASEL GENF/WAADT GZA<br />
Alle untersuchten Kantone nennen diesen <strong>Standort</strong>faktor<br />
75% dieser Kantone nennen diesen <strong>Standort</strong>faktor<br />
25% dieser Kantone nennen diesen <strong>Standort</strong>faktor<br />
Keiner der untersuchten Kantone nennt diesen <strong>Standort</strong>faktor<br />
F&E, Innovationsfähigkeit, Ausbildung und Infrastruktur gelten für Life Science als entscheidende<br />
<strong>Standort</strong>faktoren. Just in der Hochburg Basel wird hingegen der Faktor «Arbeitsmarkt»<br />
gar nicht genannt.<br />
seite diese fünf <strong>Standort</strong>faktoren am konsequentesten. Basel hingegen<br />
vermarktet den <strong>Standort</strong>faktor Arbeitsmarkt nicht explizit und die Region<br />
GZA legt in ihrem Internetauftritt keinen Fokus auf spezifische Life-<br />
Science-<strong>Standort</strong>faktoren.<br />
Aus dem vorliegenden Beispiel lässt sich folgender Rückschluss ziehen:<br />
Regionen, die über ausgewiesene Industrie-Cluster verfügen, sollten die<br />
sich daraus ergebenden Entscheidungsfaktoren herausstreichen und in<br />
ihre Vermarktungsstrategie aufnehmen. Die konsequente Vermarktung<br />
erhöht die Erfolgschancen, weitere Unternehmen aus einer bestimmten<br />
Industrie anzuziehen. Anzumerken ist allerdings, dass einige Regionen<br />
bewusst eine breitere Fächerung der Industrieansiedlungen bevorzugen,<br />
um so das Risiko einer Monostruktur zu minimieren.<br />
Eigenwahrnehmung versus Aussenwahrnehmung Die bisherigen Beobachtungen<br />
beschränkten sich darauf, wie die <strong>Schweiz</strong> ihre eigenen<br />
SELBST-<br />
STäNDIGE<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
113
AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />
Abb. 4: Ansichtssache<br />
FAKTOREN<br />
NATIONALE<br />
STANDORTFAKTOREN<br />
STANDORTFAKTOREN RANGFOLGE<br />
DELOITTE<br />
INTERNE SICHT<br />
E&Y<br />
EXTERNE SICHT<br />
Lebensqualität 2 2<br />
Ausbildungsmarkt 4 7<br />
Innovationsfähigkeit 7 10<br />
Forschung/Entwicklung 7 10<br />
Finanz- und Bankensystem 9 6<br />
Infrastruktur 1 5<br />
Institutionen 5 14<br />
politische Verhältnisse 11 1<br />
Unternehmerbezogene<br />
Faktoren<br />
Nähe, Grösse und<br />
Zugang zu produktionsfaktormärkten<br />
REGIONALE<br />
STANDORTFAKTOREN<br />
9 na<br />
Steuersystem 5 13<br />
Arbeitsmarkt 3 11<br />
Immobilienmarkt 7 na<br />
Marktaktivität, -situation 12 na<br />
Staatliche Förderung 14 na<br />
14<br />
eine maximale Differenz von 3 Rängen<br />
eine Differenz von 4 bis 5 Rängen<br />
eine Differenz von mehr als 5 Rängen<br />
UNTERSCHIEDE<br />
Die interne und die externe Gewichtung der <strong>Standort</strong>faktoren weichen erheblich voneinander<br />
ab. So sind das Steuersystem und der Arbeitsmarkt in der Aussensicht wesentlich weniger<br />
wichtig als in der Selbsteinschätzung (mehr als fünf Ranglistenpunkte Abstand). Dafür werden<br />
in der Aussensicht die politischen Verhältnisse deutlich wichtiger eingestuft als in der internen<br />
Betrachtung. Diese gelten in der Aussensicht sogar als der absolut wichtigste Faktor.<br />
na<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
DELOITTE<br />
114
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Stärken wahrnimmt und im Ausland vermarktet. Über die bisher gezogenen<br />
Rückschlüsse hinaus ist es jedoch entscheidend, die interne mit der<br />
externen Wahrnehmung zu vergleichen. Konkret lautet die Fragestellung,<br />
ob aus der Perspektive des Zielpublikums die richtigen Schwerpunkte in<br />
der Vermarktung gesetzt werden. Um diese <strong>Standort</strong>bestimmung vorzunehmen,<br />
wurde die 2009 von E&Y durchgeführte Studie «<strong>Switzerland</strong><br />
2009: <strong>Switzerland</strong> and Europe in the eyes of international managers»<br />
(Seite 62) mit den Resultaten dieser Untersuchung verglichen. Die <strong>Standort</strong>faktoren<br />
wurden dazu erneut in die Bereiche nationale und regionale<br />
<strong>Standort</strong>faktoren unterteilt (siehe Abbildung 4). 7<br />
Der Vergleich zeigt, dass die <strong>Schweiz</strong> intern vier <strong>Standort</strong>faktoren signifikant<br />
anders bewertet als das Zielpublikum. 8 Konkret geht es um je<br />
zwei nationale und zwei regionale Faktoren. Während für die <strong>Schweiz</strong><br />
der Faktor Institutionen auf Rang 5 liegt, ist er aus der internationalen<br />
Perspektive nicht von grosser Bedeutung (Platz 14). 9 Umgekehrt sind die<br />
politischen Verhältnisse aus externer Sicht sehr wichtig, während dieser<br />
Faktor aus interner Sicht in der Vermarktung der <strong>Schweiz</strong> nur wenig<br />
Bedeutung erhält. Unter diesen Faktor fallen unter anderem politische<br />
Stabilität, politische Autonomie und die Wahrung der Grundrechte.<br />
Bei den regionalen <strong>Standort</strong>faktoren liegt der Unterschied beim Arbeitsmarkt<br />
und beim Steuersystem. Beide haben aus interner Sicht eine hohe<br />
Bedeutung; sie finden sich im internationalen Vergleich jedoch nicht in den<br />
7 Eigene Darstellung in Anlehnung an E&Y, «<strong>Switzerland</strong> 2009»,<br />
und BCG, «<strong>Standort</strong>faktoren sind mehrheitlich national». Die<br />
vier E&Y-Faktoren finanzielle Fördermöglichkeiten, Netzwerke/<br />
Cluster, behördliche Bewilligungen und verfügbares Bauland ent-<br />
sprechen den Deloitte-Faktoren Institutionen, unternehmensbezogene<br />
Faktoren und Immobilienmarkt.<br />
8 Signifikant bedeutet eine Differenz von mehr als fünf Rängen bei<br />
der Rangfolge – roter Punkt.<br />
9 Der Faktor «Institutionen» beinhaltet unter anderem Punkte wie<br />
Rechtssicherheit, die Unterstützung bei der Ansiedlung und die<br />
Kooperation mit bereits ansässigen Unternehmen. Der Fokus<br />
der E&Y- Studie lag auf westlichen Ländern. Eine interessante<br />
Fragestellung wäre, wie sich die Bewertung dieses Faktors bei<br />
gezielter Betrachtung von Wachstumsmärkten wie z.B. den BRIC-<br />
Staaten oder asiatischen Ländern ändern würde. BRIC-Länder<br />
und Asien werden von den untersuchten Kantonen nicht speziell<br />
erwähnt.<br />
115
AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />
Abb. 5: Wo wir uns wirklich täuschen<br />
INNENSICHT<br />
INSTITUTIONEN: Die <strong>Schweiz</strong> sieht<br />
dies als einen starken Faktor, das<br />
Ausland nicht<br />
STEUERSYSTEM: Die <strong>Schweiz</strong> sieht<br />
sich bei diesem Thema im Gegensatz<br />
zu ausländischen <strong>Standort</strong>en weiterhin<br />
als führend. Es wird generell<br />
keine Unterscheidung hinsichtlich<br />
Unternehmens- und Einkommenssteuer<br />
vorgenommen<br />
ARBEITSMARKT: Auch hier ist die<br />
Innensicht wesentlich positiver als<br />
die externe Wahrnehmung<br />
Am gravierendsten ist wohl die schweizerische Selbsttäuschung in Sachen Steuersystem. Das<br />
wird von uns als sehr wichtig eingestuft und entsprechend vermarktet. Ausländische Inves-<br />
toren nehmen insbesondere die Unternehmenssteuern nicht mehr als derart vorteilhaft wahr.<br />
Top-10-Rängen wieder. Hinterfragt man die Aussage hinsichtlich des Faktors<br />
Steuersystem etwas genauer, ergibt sich ein differenzierteres Bild. 10<br />
Es ist entscheidend, bei der Vermarktung des <strong>Standort</strong>s die relevanten<br />
Faktoren für den Betrachter im Ausland hervorzuheben. Die Konsequenz<br />
aus dieser Analyse ist eindeutig: Um die Wirkung der <strong>Standort</strong>promotion<br />
zu erhöhen, ist es unerlässlich, dass sich die beteiligten Parteien<br />
der Relevanz einzelner <strong>Standort</strong>faktoren für das Zielpublikum bewusst<br />
werden und entsprechend handeln. Denn nur wenn vermarktet wird, was<br />
tatsächlich relevant ist, kann die gewünschte Wirkung erzielt werden.<br />
10 Die innerschweizerische Sicht wird durch die aktuelle Studie von Arthur<br />
D. Little, «Headquarters on the Move – Benchmarking of Global<br />
and Regional Headquarters in <strong>Switzerland</strong>», bestätigt.<br />
AUSSENSICHT<br />
pOLITISCHE VERHäLTNISSE: Während<br />
die externe Sichtweise diesen<br />
Faktor als ein Alleinstellungsmerk-<br />
mal der <strong>Schweiz</strong> ansieht, wird<br />
er von der <strong>Schweiz</strong> kaum vermarktet<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
DELOITTE<br />
116
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Länderspezifische Vermarktung der <strong>Standort</strong>faktoren als Chance Mit<br />
der Untersuchung wurde ebenfalls analysiert, inwieweit die Kantone die<br />
<strong>Standort</strong>faktoren in einzelnen Zielländern unterschiedlich vermarkten.<br />
Es ist wichtig, bestimmte Länder oder Regionen differenziert anzugehen,<br />
um die unterschiedlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen. So ist es<br />
naheliegend, die zunehmende Bedeutung der BRIC-Länder als Investoren<br />
der Zukunft zu würdigen und diese mit gezielten Marketingprogrammen<br />
abzuholen.<br />
Insgesamt ergibt sich in dieser Hinsicht ein wenig positives Bild. Nur wenige<br />
Kantone gehen diesbezüglich bisher differenziert vor und lediglich der<br />
Kanton Schaffhausen verfolgt eine länderspezifische <strong>Standort</strong>promotion.<br />
Hieraus können folgende Empfehlungen abgeleitet werden:<br />
≥ Ein verstärktes länderspezifisches Marketing der <strong>Standort</strong>faktoren<br />
könnte die Attraktivität der <strong>Schweiz</strong> zusätzlich steigern. So könnte beispielsweise<br />
der Kanton Genf im Zielland China mit seinen chinesischen<br />
Kindergärten und Schulen werben.<br />
≥ Zur Wahrung eines einheitlicheren Auftritts könnte die <strong>Standort</strong>-<br />
promotion <strong>Schweiz</strong> in ausgewählten Zielmärkten durch nationale Interessenvertreter<br />
wie die Osec oder <strong>Location</strong> <strong>Switzerland</strong> erfolgen oder<br />
zumindest durch diese koordiniert werden.<br />
117
AUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT<br />
In Kürze<br />
Die <strong>Schweiz</strong> wird bei der Vermarktung ihrer <strong>Standort</strong>faktoren<br />
im Ausland nicht einheitlich wahrgenommen, was<br />
die Wirkung des <strong>Standort</strong>marketings schwächt. Einer<br />
der Hauptgründe ist, dass die Vermarktung der nationalen<br />
und regionalen <strong>Standort</strong>faktoren durch Kantone und<br />
nationale Organisationen nicht konsistent stattfindet oder<br />
zumindest koordiniert wird. Nationale <strong>Standort</strong>faktoren sollsollten zentral und einheitlich durch nationale Interessenvertreter<br />
vermarktet werden. Regionale <strong>Standort</strong>faktoren<br />
sollten in die Zuständigkeit der Kantone fallen und durch<br />
diese vermarktet werden.<br />
Anhand der <strong>Schweiz</strong>er Life-Science-Industrie wurde die Bedeutung<br />
von Industrie-Clustern bei der Vermarktung<br />
von <strong>Standort</strong>en herausgestrichen. Einige Regionen heben<br />
dies in ihrer Vermarktung aber nicht genügend hervor.<br />
Die Bedeutung der verschiedenen <strong>Standort</strong>faktoren wird<br />
intern und extern sehr unterschiedlich wahrgenommen. Es ist<br />
zu empfehlen, die Innen- und die Aussensicht anzugleichen.<br />
Die Bedeutung einzelner <strong>Standort</strong>faktoren kann sich über<br />
die Zeit verändern. Ob und inwieweit die heutigen Stand-<br />
ortfaktoren auch in der Zukunft von Bedeutung sind, sollte<br />
kontinuierlich hinterfragt werden, damit die <strong>Standort</strong>-<br />
promotion neue Gegebenheiten berücksichtigen und ihnen<br />
Rechnung tragen kann.<br />
DELOITTE<br />
118
RAHMENBEDINGUNGEN
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Unternehmenssteuern – es besteht<br />
Handlungsbedarf<br />
Die <strong>Schweiz</strong> ist im globalen Steuerwettbewerb nach wie vor gut positioniert,<br />
kommt jedoch zunehmend unter Druck: einmal aus dem Ausland, aber auch<br />
durch hausgemachte Probleme. Beides gefährdet die <strong>Standort</strong>attraktivität. Herausforderungen,<br />
auf die es nun zu reagieren gilt mit dem Ziel, die Position der<br />
<strong>Schweiz</strong> im internationalen Wettbewerb nachhaltig zu sichern. Im ersten Schritt<br />
sind die selbst gemachten Probleme zu lösen. Danach werden konkrete Antworten<br />
auf den politischen Druck aus dem Ausland zu finden sein. Die Einführung<br />
neuer Steuermodelle – beziehungsweise die Adaption bewährter ausländischer<br />
Modelle – könnte ein gangbarer Weg sein, die <strong>Schweiz</strong> global attraktiv und stabil<br />
zu positionieren.<br />
Jörg Walker / Thomas Linder, KPMG<br />
Gegenwärtig ist die <strong>Schweiz</strong> ein attraktiver <strong>Standort</strong> für ausländische Gesellschaften.<br />
Das gilt besonders für globale Headquarters europäischer<br />
Unternehmen sowie die Europasitze aussereuropäischer Unternehmen.<br />
Ausschlaggebendes Kriterium für die <strong>Standort</strong>entscheidung ist nicht selten<br />
die vorteilhafte Besteuerung. 1 Traditionell ein Staat mit vergleichsweise<br />
tiefen Steuersätzen für<br />
Gewinne von Unternehmen, be- Aufgrund des anhaltenden Steuerwettwegt<br />
sich in der <strong>Schweiz</strong> die ef- bewerbs zwischen den Kantonen werden die<br />
fektive Steuerbelastung einer Steuern auf einem tiefen Niveau gehalten,<br />
ordentlich besteuerten Gesell- und damit bleibt die <strong>Schweiz</strong> gegenüber<br />
schaft derzeit abhängig von ausländischen Mitbewerbern bei der gene-<br />
Sitzkanton und -gemeinde zwirellen Steuerbelastung konkurrenzfähig.<br />
schen 12,7 und 24,3 Prozent (inklusive<br />
Bundessteuer). Im Vergleich zum Ausland zeigt sich, dass die steuergünstigsten<br />
Kantone wie Zug, Schwyz oder Obwalden mit der direkten<br />
internationalen Konkurrenz, wie etwa Irland, gut mithalten können. Doch<br />
1 Vgl. Rothenbühler, Andre; Die <strong>Schweiz</strong> als attraktivster Holdingstandort;<br />
in: Finanzplatz-Informationen, 2005. 121
UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />
auch weniger steuergünstige Kantone, wie Genf, belegen aus internationaler<br />
Perspektive einen Platz im oberen Mittelfeld – und liegen damit<br />
noch vor westlichen Industrienationen wie Deutschland (29,4 Prozent),<br />
Frankreich (33,3 Prozent) oder Grossbritannien (28 Prozent). Insgesamt<br />
ist davon auszugehen, dass sich aufgrund des anhaltenden Steuerwettbewerbs<br />
zwischen den Kantonen die Steuern auf einem tiefen Niveau halten<br />
werden und damit die <strong>Schweiz</strong> gegenüber den ausländischen Mitbewerbern<br />
bei der generellen Steuerbelastung konkurrenzfähig bleibt.<br />
Wie kann die ordentliche Steuerbelastung von Unternehmen weiter<br />
gesenkt werden? Als Instrument zur Förderung strukturschwacher<br />
Regionen gewährt der Gesetzgeber Steuererleichterungen von bis zu<br />
100 Prozent für maximal 10 Jahre. Davon profitieren Gesellschaften, die<br />
sich erstmals in der <strong>Schweiz</strong> niederlassen, eine grössere Anzahl neuer<br />
Arbeitsplätze schaffen und damit dem wirtschaftlichen Interesse der<br />
entsprechenden Region dienen. Während auf Stufe der Staats- und Gemeindesteuern<br />
die Mehrzahl der Kantone Steuererleichterungen dieser<br />
Art gewähren, sind diese auf der Ebene der Bundessteuer nur in bestimmten,<br />
als besonders förderungswürdig<br />
qualifizierten Regionen<br />
möglich. 2 Die steuerlichen Vorteile greifen nur, weil sie<br />
Kantonen wie Schaff- eingebettet sind in weitere <strong>Standort</strong>vorhausen<br />
oder Waadt brachten teile, die der <strong>Schweiz</strong> einen internationalen<br />
diese einen spürbaren Nutzen Wettbewerbsvorteil verschaffen.<br />
in Form von Neuansiedlungen.<br />
Neben solchen regional- und wirtschaftspolitisch motivierten Steuererleichterungen<br />
kann seit Jahrzehnten auf kantonaler Ebene für gewisse<br />
Unternehmenstypen eine privilegierte Besteuerung in Anspruch genommen<br />
werden. Steuerlich privilegiert sind die Holdinggesellschaft, die gemischte<br />
Gesellschaft und die Prinzipalgesellschaft; zusätzlich existieren<br />
einige spezielle Besteuerungsmodelle zur Konzernfinanzierung. Diese<br />
Modelle haben in Kombination mit einem gewissen Gestaltungsspielraum<br />
2 Anfang 2008 wurde der Kreis der förderungswürdigen Gebiete enger<br />
gezogen. Bis 2011 gilt jedoch eine Übergangslösung: Steuererleichterungen<br />
auf Ebene der Direkten Bundessteuer dürfen gewährt werden,<br />
jedoch nur maximal 50 Prozent der zulässigen Steuererleichterung<br />
(Vgl. Gehriger, Olivier/ Monsch, Carola; Lex Bonny als Steuerplanungsintrument<br />
– Quo Vadis?, in: Der <strong>Schweiz</strong>er Treuhänder, 2008/1-2.<br />
KpMG<br />
122
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
auf kantonaler Ebene dafür gesorgt, dass die <strong>Schweiz</strong> sich international<br />
als attraktiver <strong>Standort</strong> behaupten kann. Während Holdings und gemischte<br />
Gesellschaften von Staats- und Gemeindesteuern ganz oder teilweise<br />
steuerbefreit sind, erfahren Prinzipal- und Finanzierungsgesellschaften<br />
auch durch die direkte Bundessteuer eine attraktive Behandlung.<br />
All diese steuerlichen Vorteile greifen jedoch nur, weil sie eingebettet sind<br />
in weitere <strong>Standort</strong>vorteile, die der <strong>Schweiz</strong> einen internationalen Wettbewerbsvorteil<br />
verschaffen. Dazu zählt die Anziehungskraft des Finanzplatzes<br />
<strong>Schweiz</strong>, die hervorragende Infrastruktur und gute Verfügbarkeit<br />
von hoch qualifizierten Arbeitskräften, aber auch das stabile politische<br />
Umfeld sowie eine subjektiv hohe Lebensqualität, zu der die grosse Anzahl<br />
ausländischer Communities einen wichtigen Beitrag leistet. Nicht<br />
zuletzt soll auch der wichtige steuerliche Faktor einer vergleichsweise<br />
niedrigen Individualbesteuerung erwähnt werden. Durch die bilateralen<br />
Verträge mit der EU hat es die <strong>Schweiz</strong> zudem geschafft, trotz der Nichtmitgliedschaft<br />
drohende Wettbewerbsnachteile grösstenteils zu verhindern<br />
und den Zugang zu den europäischen Märkten sicherzustellen.<br />
Als Folge davon ist die <strong>Schweiz</strong> heute ein <strong>Standort</strong> mit einer hohen Dichte<br />
an multinationalen Konzernen, die einen wichtigen Stützpfeiler der<br />
<strong>Schweiz</strong>er Volkswirtschaft darstellen und wesentlich zum wirtschaftlichen<br />
Wohlergehen beitragen. 3 Dies verdankt sie auch der Konzentration<br />
auf Konzernfunktionen mit hoher Wertschöpfung, die umso mehr von<br />
Bedeutung sind, als die <strong>Schweiz</strong> als Land mit geringen natürlichen Rohstoffvorkommen<br />
und relativ teurem Humankapital weder für die Rohstoffförderung<br />
noch als <strong>Standort</strong> für Massenproduktion in Frage kommt.<br />
Was macht die <strong>Schweiz</strong> für Headquarters attraktiv? Das <strong>Schweiz</strong>er Erfolgsmodell<br />
der Holding kommt bevorzugt als Konzerngesellschaft zur<br />
Führung geographischer Wirtschaftsräume, wie zum Beispiel «Europe,<br />
Middle East & Africa (EMEA)», zum Einsatz und stellt eine Unternehmung<br />
3 Internationale Unternehmen tragen im Umfang von rund 10 Prozent zum<br />
BIP bei, was dieselbe Quote ist wie z.B. für das Finanzwesen; vgl. Swiss<br />
Holdings, Konzernstandort <strong>Schweiz</strong> im globalen Wettbewerb, 2008.<br />
123
UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />
dar, deren Zweck hauptsächlich in der dauernden Verwaltung von Beteiligungen<br />
an anderen Unternehmen besteht. Es wird vorausgesetzt,<br />
dass langfristig mindestens zwei Drittel der Aktiven aus Beteiligungen<br />
bestehen oder mindestens zwei Drittel der Erträge Beteiligungs- und<br />
Dividendenerträge sind und dass in der <strong>Schweiz</strong> keine Geschäftstätigkeit<br />
ausgeübt wird. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, entrichten Holdinggesellschaften<br />
– mit Ausnahme des Ertrags aus schweizerischem<br />
Grundeigentum – auf Ebene der Staats- und Gemeindesteuern keine<br />
Gewinnsteuer. Auf Ebene der direkten Bundessteuer werden die Erträge<br />
einer Holdinggesellschaft, wie beispielsweise Management Fees, Zinsen<br />
und in gewissem Umfang Lizenzeinnahmen, grundsätzlich ordentlich<br />
zum effektiven Steuersatz von 7,83 Prozent besteuert. Auf Beteiligungserträge<br />
kann jedoch der Beteiligungsabzug angewendet werden, was zu<br />
einer faktischen Freistellung von Dividenden und Kapitalgewinnen führt.<br />
Häufig haben multinationale Konzerne neben dem Halten von Beteiligungen<br />
auch andere Konzernfunktionen, wie Immaterialgüterverwaltung,<br />
Marketing, Vertrieb und ähnliche, in die <strong>Schweiz</strong> verlagert. Dabei können<br />
je nach Wichtigkeit und Grösse der Investition Steuererleichterungen<br />
gewährt werden oder andere privilegierte Besteuerungsmodelle, wie die<br />
Prinzipalgesellschaft, für Unternehmen mit zentralisierter Einkaufs- und<br />
Vertriebsstruktur zur Anwendung kommen. Die Besteuerung als Prinzipal<br />
wurde im Jahre 2001 von der Eidgenössischen Steuerverwaltung als<br />
Antwort auf die zunehmende Zentralisierung von Funktionen und Risiken<br />
innerhalb international tätiger Konzerne entwickelt. Grundvoraussetzung<br />
für die Gewährung der Prinzipalbesteuerung ist, dass die <strong>Schweiz</strong>er<br />
Prinzipalgesellschaft in der <strong>Schweiz</strong> unbeschränkt steuerpflichtig<br />
ist und der Vertrieb im Ausland über Konzerngesellschaften erfolgt, die<br />
als abschlussberechtigte Agenten oder Kommissionäre agieren. In der<br />
Praxis stellen die Steuerbehörden insbesondere darauf ab, dass ein ausreichender<br />
Geschäftsbetrieb aufgebaut wird, um die zentralen Funktionen<br />
und Risiken zu übernehmen. Die wichtigsten Entscheidungsträger<br />
müssen daher in der <strong>Schweiz</strong>er Gesellschaft angestellt sein. Bei der<br />
Berechnung des steuerbaren Gewinns einer Prinzipalgesellschaft wird<br />
ein prozentualer Anteil des Verkaufsgewinns aus Handel dem Ausland<br />
zugeordnet, wodurch abhängig vom Sitzkanton der effektive Steuersatz<br />
KpMG<br />
124
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
für eine Prinzipalgesellschaft auf fünf bis acht Prozent zu liegen kommt,<br />
was im europäischen Umfeld äusserst wettbewerbsfähig ist.<br />
Warum kommen Handels- und Vertriebsgesellschaften in die <strong>Schweiz</strong>?<br />
Neben der zentralen Lage mitten in Europa, der exzellenten Infrastruktur<br />
und der sehr guten Verfügbarkeit von Wissen und Know-how sind es die<br />
günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen, die Unternehmen anziehen.<br />
Insbesondere die Kantone Genf und Zug gelten als Zentren für Tradinggesellschaften.<br />
So wickeln zahlreiche im Rohstoffhandel tätige Konzerne<br />
einen grossen Teil ihrer Handelstätigkeit aus der <strong>Schweiz</strong> heraus<br />
ab. Dabei operieren solche Unternehmen steuerlich häufig als gemischte<br />
Gesellschaften. Dieses Privileg findet Anwendung, sofern eine Gesellschaft<br />
überwiegend ausland-<br />
bezogen ist und die Geschäftstätigkeit<br />
in der <strong>Schweiz</strong> nur eine<br />
untergeordnete Rolle spielt. In<br />
der Regel bedeutet das, dass<br />
sowohl der Verkauf als auch der<br />
Einkauf mindestens zu 80 Prozent<br />
im Ausland erfolgen muss.<br />
Die Erträge aus dem Ausland werden für die Staats- und Gemeindesteuern<br />
nur anteilig besteuert, was zu einem effektiven Steuersatz von acht<br />
bis zwölf Prozent führt. Durch den wachsenden Welthandel ist davon<br />
auszugehen, dass auch in Zukunft Unternehmen nach attraktiven <strong>Standort</strong>en<br />
für ihre Handelstätigkeiten Ausschau halten werden.<br />
Auch als <strong>Standort</strong> für Finanzgesellschaften internationaler Konzerne<br />
wird die <strong>Schweiz</strong> genutzt, indem die Fremdfinanzierung der Gruppengesellschaften<br />
über eine <strong>Schweiz</strong>er Holding abgewickelt wird. Dies führt zu<br />
einer Besteuerung der Finanzerträge von 7,83 Prozent, was im internationalen<br />
Vergleich aber wenig konkurrenzfähig ist. 4 Die Eidgenössische<br />
Steuerverwaltung hat daher 1991 mit Rundschreiben das Konzept der<br />
<strong>Schweiz</strong>er Finanzbetriebsstätte eingeführt. Eine solche Betriebsstätte<br />
4 Sog. Tax Arbitrage.<br />
Neben der zentralen Lage mitten in Europa,<br />
der exzellenten Infrastruktur und der<br />
sehr guten Verfügbarkeit von Wissen und<br />
Know-how sind es die günstigen steuer-<br />
lichen Rahmenbedingungen, die Unternehmen<br />
anziehen.<br />
125
UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />
vereinnahmt ebenfalls Zinsen von Gruppengesellschaften des Konzerns.<br />
Da es sich aber lediglich um die Betriebsstätte einer ausländischen Finanzgesellschaft<br />
handelt (zum Beispiel mit Sitz in Luxemburg), wird mittels<br />
eines kalkulatorischen Zinsabzugs ein Teil der Einkünfte dem ausländischen<br />
Sitz zugeordnet. Im Zusammenspiel mit dem richtigen <strong>Standort</strong><br />
für den Sitz der Gesellschaft führt dies zu einer effektiven Gewinnsteuerbelastung<br />
in der <strong>Schweiz</strong> von einem bis zwei Prozent. In jüngster Vergangenheit<br />
zeigt sich vermehrt ein Trend, Finanzgesellschaften anstelle<br />
von Betriebsstätten einzusetzen, die aber den gleichen Besteuerungsgrundsätzen<br />
unterliegen.<br />
Die Mängel in der <strong>Schweiz</strong>er <strong>Standort</strong>attraktivität sind hausgemacht<br />
Die signifikantesten Mängel sind im Bereich der Stempelsteuern, der<br />
Verrechnungssteuer sowie des Missbrauchsbeschlusses zu suchen. In<br />
den meisten EU-Staaten wurden Emissionsabgaben und Umsatzabgaben<br />
mittlerweile entweder abgeschafft oder sie stehen zur Disposition. Die<br />
<strong>Schweiz</strong> hält dagegen nach wie vor an beidem fest, und das, obwohl insbesondere<br />
die Emissionsabgabe von einem Prozent auf dem eingebrachten<br />
Eigenkapital einen gewichtigen <strong>Standort</strong>nachteil darstellt, gerade für<br />
Finanzierungsgesellschaften. Des Weiteren verunmöglicht die Praxis der<br />
Steuerverwaltung zur Auslegung des Obligationenbegriffs bei der Verrechnungssteuer<br />
und Emissionsabgabe die Errichtung einer schweizerischen<br />
Gesellschaft für Cash-Pooling- und Treasury-Funktionen.<br />
Auch die Verrechnungssteuer von 35 Prozent kann hemmend wirken. Zwar<br />
verfügt die <strong>Schweiz</strong> über ein Netz von über 90 Doppelbesteuerungsabkommen<br />
(DBA), was im internationalen Vergleich viel ist. Doch bei genauerer<br />
Betrachtung der Quellensteuersysteme von Staaten wie Luxemburg<br />
oder den Niederlanden zeigt sich, dass jene zum Teil so günstige Bedingungen<br />
vorsehen, dass eine Gewinnrepatriierung mit tieferen oder ohne<br />
Quellensteuern möglich ist. 5 Wieder andere Länder, wie zum Beispiel<br />
Grossbritannien oder Zypern, kennen gar keine Quellensteuern mehr. 6<br />
5 Vgl. Kuhn, Stefan/Sottile, Guiseppe; <strong>Schweiz</strong> verliert als Holding- Holdingstandort<br />
an Bedeutung, in: <strong>Schweiz</strong>er Treuhänder 10/2008.<br />
6 Vgl. KPMG International, European Tax Planner, 2008.<br />
KpMG<br />
126
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Verschärft wird diese Situation noch durch die zu restriktive Haltung der<br />
Eidgenössischen Steuerverwaltung bei der Gewährung der Abkommensberechtigung.<br />
Solche Vorschriften, die eine Repatriierung von Gewinnen<br />
für den betroffenen Konzern mit hohen Kosten verbinden, wirken sich auf<br />
die <strong>Standort</strong>attraktivität der <strong>Schweiz</strong> negativ aus. Es wäre deshalb zu<br />
begrüssen, wenn die <strong>Schweiz</strong><br />
dem Trend anderer Staaten<br />
folgen und ihre Verrechnungssteuergesetzgebung<br />
anpassen<br />
würde. So könnten zum Beispiel<br />
Dividenden, welche an eine Ge-<br />
Es wäre zu begrüssen, wenn die <strong>Schweiz</strong><br />
dem Trend anderer Staaten folgen<br />
und ihre Verrechnungssteuergesetzgebung<br />
anpassen würde.<br />
sellschaft mit Sitz in einem DBA-Land gezahlt werden, grundsätzlich von<br />
der Verrechnungssteuer ausgenommen werden. Zusätzlich würde eine<br />
Senkung des Verrechnungssteuersatzes auf 15 Prozent für natürliche<br />
Personen im Ausland die <strong>Schweiz</strong> im internationalen Umfeld konkurrenzfähiger<br />
machen, da damit gemäss den meisten DBA kein Rückerstattungsverfahren<br />
mehr nötig wäre.<br />
Schliesslich können die schweizerischen DBA zudem nur dann genutzt<br />
werden, wenn neben den in den DBA enthaltenen Bedingungen zusätzlich<br />
die im Missbrauchsbeschluss geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.<br />
Missbräuchlich ist die DBA-Inanspruchnahme insbesondere dann, wenn<br />
der Empfänger in der <strong>Schweiz</strong> mehr als die Hälfte der im Ausland quellenbesteuerten<br />
Einkünfte (zum Beispiel Lizenzeinnahmen aus Immaterialgüterrechten)<br />
in Form von Aufwand an Personen im Ausland weiterleitet<br />
(als Lizenzzahlungen, Zinsen, Management Fees usw.). Damit werden<br />
oft auch Strukturen behindert, welche über genügend Substanz in der<br />
<strong>Schweiz</strong> verfügen und in keiner Weise als missbräuchlich zu qualifizieren<br />
sind. Holland, Luxemburg und Zypern werben dagegen mit Strukturen,<br />
die eine Weiterleitung von über 99 Prozent der vereinnahmten Zinsen<br />
und Lizenzgebühren zulassen. Der Missbrauchsbeschluss ist nationales<br />
Recht und wurde 1962 vor allem auf Druck der USA eingeführt. Obwohl<br />
inzwischen nicht mehr auf die USA anwendbar, hält die <strong>Schweiz</strong> weiter<br />
daran fest – freiwillig, ohne dass dies von internationaler Seite weiter<br />
verlangt worden wäre. Die Aufhebung des unilateralen Missbrauchsbeschlusses<br />
würde die <strong>Standort</strong>attraktivität zusätzlich verbessern, ohne<br />
127
UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />
zu Steuerausfällen zu führen. Zumindest aber sollte die Anwendung auf<br />
eigentliche Missbrauchsfälle beschränkt werden.<br />
Um die Attraktivität des <strong>Standort</strong>es <strong>Schweiz</strong> nicht zu gefährden, sollte<br />
die <strong>Schweiz</strong> in naher Zukunft ihre Haltung bezüglich der gegenwärtig<br />
vorhandenen hausgemachten <strong>Standort</strong>nachteile überdenken. Dabei<br />
muss jedoch festgehalten werden, dass Themen wie die Abschaffung<br />
der Stempelabgaben sowie der Kapitalsteuer im Rahmen der Unternehmenssteuerreform<br />
III bereits thematisiert werden.<br />
Das Ausland verstärkt den Druck auf den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> Allen voran<br />
die Europäische Union, mit welcher der Steuerstreit über die <strong>Schweiz</strong>er<br />
Steuervergünstigungen anhält, weil sie steuerlich privilegierte Gesellschaften<br />
als staatliche Beihilfe, den Wettbewerb verfälschend und<br />
mit dem Freihandelsabkommen von 1972 unvereinbar qualifiziert. Auch<br />
ist nicht auszuschliessen, dass mit den in den USA geplanten Änderungen<br />
zusätzlicher Druck auf den<br />
<strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> ausgeübt Da internationale Konzerne generell ein<br />
wird und die <strong>Schweiz</strong>er Erfolgs- hohes Mass an Rechtssicherheit<br />
modelle ins Blickfeld der Kritik brauchen, wäre es zu riskant, die Fordegeraten<br />
könnten. Indiz dafür rungen der EU einfach zu ignorieren.<br />
sind diverse in Washington eingereichte<br />
Gesetzesvorschläge, die die <strong>Schweiz</strong> nach wie vor als Steueroase<br />
qualifizieren – ungeachtet dessen, dass dies ebenso unbegründet<br />
wie falsch ist. Im Ergebnis führte derlei Polemik international zu einem<br />
Imageverlust, dem nur schwer zu begegnen ist.<br />
Gerade der Steuerstreit mit der EU könnte für die <strong>Schweiz</strong> angesichts der<br />
grossen Bedeutung der Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften<br />
zu einer echten Herausforderung, wenn nicht gar zur Zerreissprobe werden.<br />
Dabei wäre es sicher falsch, wenn die <strong>Schweiz</strong> die privilegierten Steuerregimes<br />
einfach kampflos aufgeben würde, denn das würde die Attraktivität<br />
des <strong>Standort</strong>es schlagartig erheblich vermindern. Da internationale<br />
Konzerne generell ein hohes Mass an Rechtssicherheit brauchen, wäre es<br />
jedoch zu riskant, die Forderungen der EU einfach zu ignorieren. Der Bundesrat<br />
hat sich in diesem Fall für einen Dialog mit der EU entschieden.<br />
KpMG<br />
128
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Dabei ist es wichtig, dass die <strong>Schweiz</strong> als Nichtmitglied der EU darauf<br />
besteht, ihre Steuerpolitik weiterhin selbständig zu bestimmen und ihren<br />
<strong>Standort</strong> mit Nachdruck<br />
verteidigt. Es ist jedoch davon<br />
auszugehen, dass die <strong>Schweiz</strong><br />
in dieser Diskussion gewisse<br />
Zugeständnisse machen müssen<br />
wird. Im gleichen Zuge<br />
muss daher an Nachfolgeregelungen oder Alternativen für die kantonalen<br />
Steuerprivilegien gearbeitet werden, die konform mit den EU-Vorschriften<br />
sind und den Unternehmen die wichtige Rechtssicherheit langfristig gewähren.<br />
Dabei täte die <strong>Schweiz</strong> gut daran, sich an der direkten Konkurrenz<br />
im EU-Raum zu orientieren, die zum Teil äusserst attraktive und vor<br />
allem von der EU anerkannte Systeme eingeführt hat. Damit bietet sich<br />
der <strong>Schweiz</strong> die Chance, im Steuerstreit mit der EU eine Lösung zu finden<br />
und gleichzeitig durch Adaption erfolgreicher ausländischer Modelle ihre<br />
Position im <strong>Standort</strong>wettbewerb zu sichern und weiter zu stärken.<br />
Der Wettbewerbsdruck wächst Waren es traditionell vor allem die Benelux-Länder,<br />
welche mit innovativen Modellen mit der <strong>Schweiz</strong> um die<br />
Ansiedlung internationaler Gesellschaften buhlten, so sind in den letzten<br />
Jahren zum Beispiel Länder wie Irland, Österreich oder Zypern zunehmend<br />
aktiv geworden, und auch einige Staaten Osteuropas sowie Singapur steigern<br />
den Steuerwettbewerb beachtlich. 7 Auch hier muss die <strong>Schweiz</strong> reagieren,<br />
will sie nicht Gefahr laufen, ins Hintertreffen zu geraten.<br />
Im Streit mit der EU ist insbesondere die Tatsache, dass Lizenzen, Zinsen<br />
und andere Einkünfte von der privilegierten Besteuerung profitieren können,<br />
scharf kritisiert worden. Die Freistellung von Beteiligungserträgen<br />
als solche ist jedoch unbestritten. Eine Abschaffung des Holdingprivilegs<br />
wäre daher für reine Holdinggesellschaften grundsätzlich nicht nachteilig,<br />
können doch Beteiligungserträge ohnehin vom Beteiligungsabzug<br />
profitieren. In diesem Zusammenhang würde sich jedoch eine Überarbei-<br />
7 Vgl. Denner, Reiner Wyss, Markus; Holdingstandort <strong>Schweiz</strong> im<br />
internationalen Vergleich, in: <strong>Schweiz</strong>er Treuhänder 6-7/2006.<br />
Gerade der Steuerstreit mit der EU könnte<br />
für die <strong>Schweiz</strong> zu einer echten Heraus-<br />
forderung, wenn nicht gar zur Zerreissprobe<br />
werden.<br />
129
UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />
tung des Beteiligungsabzugs aufdrängen. Mit der Unternehmenssteuerreform<br />
II fällt per 1. Januar 2011 zwar die Beteiligungsquote für Dividendenerträge<br />
von 20 auf 10 Prozent, doch damit bewegt sich die <strong>Schweiz</strong><br />
weiter lediglich im Mittelfeld. So müsste vor allem eine volle Befreiung 8<br />
sowie der Verzicht der Verrechnung mit Verlustvorträgen eingeführt werden.<br />
Im EU-Raum wird dies bereits so praktiziert. Manche Staaten gehen<br />
noch einen Schritt weiter und erlauben die Verlustverrechnung innerhalb<br />
des Konzerns oder kennen die Gruppenbesteuerung. 9 In der <strong>Schweiz</strong><br />
wird dagegen seit je jede Gesellschaft grundsätzlich als eigenes Steuersubjekt<br />
betrachtet. Demgegenüber kennen die meisten OECD-Staaten<br />
eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten von im gleichen Staat<br />
ansässigen Gruppengesellschaften. Auch diesbezüglich besteht für die<br />
<strong>Schweiz</strong> Handlungsbedarf.<br />
Gleichzeitig empfiehlt sich die Einführung eines Privilegs für Zins- und<br />
Lizenzerträge. Belgien und die Niederlande haben mit der National Interest<br />
Deduction beziehungsweise der Interest Box bereits heute Privilegien<br />
für Zinserträge eingeführt. Belgien kennt, ebenso wie Luxemburg,<br />
die Niederlande und Irland, zudem eine partielle Steuerbefreiung von<br />
Lizenzerträgen in gewissen Fällen. Auch hier gilt es festzuhalten, dass<br />
diese Modelle von der EU ausnahmslos akzeptiert wurden. Übernähme<br />
die <strong>Schweiz</strong> ähnliche Modelle, so würde sie zum einen mit ihrer Konkurrenz<br />
gleichziehen und zum anderen durch Kombination von Freistellung<br />
von Beteiligungserträgen mit privilegierter Besteuerung von Zinsen und<br />
Lizenzen eine attraktive Alternative zur heutigen Holding schaffen, die<br />
den Massstäben der EU entspräche.<br />
Eine strategisch zentrale Funktion fehlt jedoch: Forschung und Entwicklung<br />
(F&E). Diese sind bei den steuerlichen Anstrengungen, mehr<br />
Unternehmen von einer Ansiedlung in der <strong>Schweiz</strong> zu überzeugen, bislang<br />
schlicht zu kurz gekommen. Eigentlich ist die <strong>Schweiz</strong> aufgrund<br />
8 Keine Zuweisung von Finanzierungs- und Verwaltungsaufwand auf<br />
Beteiligungserträge.<br />
9 Vgl. Kuhn, Stefan/Sottile, Guiseppe; <strong>Schweiz</strong> verliert als Holding-<br />
Vgl. Kuhn, Stefan/Sottile, Guiseppe; <strong>Schweiz</strong> verliert als Holdingstandort<br />
an Bedeutung, in: <strong>Schweiz</strong>er Treuhänder 10/2008.<br />
KpMG<br />
130
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
erstklassiger Rahmenbedingungen, hochqualifizierter Fachkräfte und<br />
wissenschaftlicher Reputation als Forschungsstandort geradezu prädestiniert,<br />
doch fehlen lukrative steuerliche Anreize, wie sie im europäischen<br />
Ausland – zum Beispiel in Belgien, Irland oder Frankreich – fest<br />
etabliert sind. In jüngster Zeit sind diese aber zunehmend bei <strong>Standort</strong>entscheidungen<br />
das Zünglein an der Waage, die <strong>Schweiz</strong> hat im Wettbewerb<br />
um den besten Forschungsstandort in Europa immer häufiger<br />
das Nachsehen. 10 Ohne lukrative Fördermassnahmen und Investitionsanreize<br />
läuft das Land in Gefahr, immer mehr wertvolle F&E-Aktivitäten<br />
ans Ausland zu verlieren. Und auch für Neuansiedlungen stellt dies einen<br />
gewichtigen <strong>Standort</strong>nachteil dar. In den EU-Staaten ist die steuerliche<br />
Begünstigung von F&E bereits weit verbreitet. Beispielsweise erlauben<br />
einige Länder die mehrfache steuerliche Abzugsfähigkeit von F&E-Kosten<br />
oder räumen dem Lizenzertrag aus durch Forschung und Entwicklung<br />
entstandenen Patenten eine privilegierte Besteuerung ein. 11 Dazu<br />
kommt, dass die EU die Förderung<br />
von F&E ausdrücklich Der <strong>Schweiz</strong> fehlen lukrative steuerliche<br />
erwünscht bzw. begrüsst. Die Anreize für Forschung und Entwicklung.<br />
<strong>Schweiz</strong> tut also gut daran,<br />
innovative Lösungen zu erarbeiten, um ihren Status als F&E-<strong>Standort</strong><br />
auch zukünftig sichern zu können und internationale Unternehmen dazu<br />
zu motivieren, weitere Funktionen in die <strong>Schweiz</strong> zu verlagern. Und damit<br />
neben den traditionellen Erfolgsfunktionen Führung und Finanzierung<br />
auch die dritte strategische Funktion im Konzern fest am <strong>Standort</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> zu etablieren: Forschung und Entwicklung.<br />
10 Vgl. Müller, Andreas / Linder, Thomas; Steuerliche Anreize für ForForschung und Entwicklung, Ein <strong>Standort</strong>vergleich – Handlungsbedarf<br />
der <strong>Schweiz</strong>, in: Der <strong>Schweiz</strong>er Treuhänder, 2008/3.<br />
11 Vgl, Linder, Thomas; Es fehlen steuerliche Anreize, in: Finanz und<br />
Wirtschaft, 6.10.2007.<br />
131
UNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF<br />
In Kürze<br />
Die <strong>Schweiz</strong> muss im internationalen Wettbewerb attraktiv<br />
bleiben, um Konzernfunktionen mit hoher Wertschöp-<br />
fung in den Bereichen Führung, Finanzierung und Forschung –<br />
und die damit verbundenen Arbeitsplätze – langfristig<br />
in der <strong>Schweiz</strong> halten und neue anziehen zu können, da diese<br />
einen wesentlichen Anteil zum BIP beisteuern. Grund-<br />
sätzlich besteht die Gefahr, dass Konzerne Funktionen aus<br />
der <strong>Schweiz</strong> in andere Länder verlagern, weil sie dort<br />
besseren Zugang zu günstigen Arbeitskräften oder niedrigen<br />
Produktionskosten haben oder weil die Steuerbelastung<br />
attraktiver ist. Dieser Möglichkeit ist durch eine Verbesserung<br />
des Steuersystems gezielt entgegenzuwirken. Gleichzei-<br />
tig müssen neue Märkte mit Potenzial identifiziert werden.<br />
Wie sich der Steuerwettbewerb unter den Kantonen<br />
auf die <strong>Standort</strong>attraktivität der <strong>Schweiz</strong> auswirken wird,<br />
wird sich zeigen. Ohne Eingreifen der Politik ist davon<br />
auszugehen, dass der Trend zu sinkenden Steuersätzen an-<br />
halten wird. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass<br />
dies den Druck auf die <strong>Schweiz</strong> weiter erhöhen wird. Bereits<br />
heute erkennen einige Länder, wie Japan oder Mexiko,<br />
Konzerngesellschaften in Ländern mit einer tiefen Steuer-<br />
belastung nicht an beziehungsweise besteuern deren<br />
Gewinn im eigenen Land. Es wäre eine Überlegung wert, sich<br />
vom Trend zur Steuersatzsenkung zu entfernen, im<br />
Gegenzug aber eine Korrektur über zusätzliche, von der EU<br />
anerkannte Privilegien und/oder Ausnahmen von der<br />
Bemessungsgrundlage vorzunehmen. Die Niederlande und<br />
Luxemburg haben es erfolgreich vorgemacht.<br />
Strategien für die Früherkennung internationaler und europäi-<br />
scher Entwicklungen sollten verbessert werden, um rechtzeitig<br />
politische Lösungen zu finden und den gleichberechtigten<br />
Marktzugang für <strong>Schweiz</strong>er Unternehmen v.a. zum euro-<br />
päischen Binnenmarkt aufrechtzuerhalten. Aktuell besteht<br />
daher Handlungsbedarf in Bezug auf den bedrohten Zu-<br />
gang für Kapitalanlageprodukte zum europäischen Markt.<br />
KpMG
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Wo die <strong>Schweiz</strong> Spitze verkörpert:<br />
Bildung, Forschung und Innovation<br />
Die Qualität der Ausbildung und damit der Zugang zu gut ausgebildeten, adaptationsfähigen<br />
Arbeitskräften ist eine der tragenden Säulen für den wirtschaftlichen<br />
Erfolg eines Landes. Die <strong>Schweiz</strong> verfügt über einen ausgezeichneten,<br />
hochentwickelten und den Bedürfnisses des Landes angepassten tertiären<br />
Bildungssektor. Die zwei vom Bund getragenen ETHs, die zehn kantonalen Universitäten<br />
sowie die acht Fachhochschulen decken die ganze Breite des fachlichen<br />
Angebotes sowohl grundlagenfokussiert wie auch anwendungsorientiert<br />
ab. Das duale Bildungssystem mit den beiden Ausbildungswegen – Berufslehre/Berufsmatura/Fachhochschule<br />
und Gymnasium/Matura/Hochschulstudium<br />
– trägt dazu bei, dass die <strong>Schweiz</strong> über hervorragend ausgebildete Berufsleute<br />
verfügt.<br />
Dr. Margrit Leuthold, ETH Zürich<br />
Allgemein ist ein wachsender Akademisierungsgrad der Gesellschaft<br />
festzustellen. Im Beobachtungszeitraum 1995 bis 2007 konnte die<br />
<strong>Schweiz</strong> den Anteil der Bevölkerung mit Hochschulabschluss von 16<br />
auf 26 Prozent steigern. Im OECD-Vergleich ist die <strong>Schweiz</strong> neben<br />
Deutschland und Japan das einzige Land, in welchem der Frauenanteil<br />
im Hochschulbereich tiefer ist als<br />
derjenige der Männer. Die Ingenieur-<br />
und naturwissenschaftlichen<br />
Studiengänge sind im Hinblick auf<br />
technologische Entwicklungen und<br />
Leistungsfähigkeit eines Landes von<br />
besonderer Bedeutung. Hier liegt<br />
die <strong>Schweiz</strong> mit einem Anteil von 23<br />
Prozent eher im unteren Bereich.<br />
«Die ETH Zürich ist für eine Soft-<br />
ware-Entwicklungsfirma wie SAP eine<br />
ausgezeichnete Partnerin sowohl<br />
in der Forschungszusammenarbeit wie<br />
auch als Garant für erstklassige<br />
Absolventen.»<br />
Oliver Christ, Direktor SAP Research <strong>Schweiz</strong><br />
Finnland und Österreich liegen mit 29 Prozent an der Spitze. Bezüglich<br />
Bildungsausgaben ist die <strong>Schweiz</strong> mit 5,9 Prozent des Bruttoinlandproduktes<br />
im mittleren Segment positioniert. Die öffentlichen Ausgaben für<br />
die Hochschulen liegen bei 1,4 Prozent.<br />
133
WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />
<strong>Schweiz</strong>er Hochschulen top Hochschul-Rankings werden beachtet.<br />
Dabei belegen die <strong>Schweiz</strong>er Hochschulen regelmässig Spitzenplätze –<br />
was wiederum exzellente Studierende anzieht. International rangiert die<br />
ETH Zürich im THES-Ranking auf Platz 20, im Shanghai Jiao Tong Ranking<br />
auf Platz 23, gefolgt von der Universität Zürich auf Platz 50. Innerhalb Europas<br />
liegt die ETH Zürich auf Platz 4, die Universität Zürich auf Platz 13.<br />
Insgesamt sind sechs <strong>Schweiz</strong>er Universitäten weltweit unter den ersten<br />
200 und europaweit unter den ersten 60.<br />
Aufgeschlüsselt auf einzelne Forschungsgebiete belegt die <strong>Schweiz</strong><br />
insbesondere in den Life Sciences, Physik, Chemie und Umweltwissenschaften<br />
sowie klinischer Medizin Spitzenplätze. Hier haben die kontinuierliche<br />
Qualitätsförderung<br />
und die Bereitstellung von aus-<br />
reichenden Mitteln über Jahrzehnte<br />
eine kritische Masse von<br />
hervorragenden Wissenschaftlern<br />
hervorgebracht, die in diesen Gebieten<br />
Weltklasseforschung betreiben<br />
– oft in enger Zusammenarbeit<br />
mit der Industrie. Diese<br />
Fachgebiete wiederum bilden zu<br />
einem grossen Teil die forschende<br />
Industrie und KMUs ab: ins-<br />
«Die eindrücklichen und stetig wachsenden<br />
Zahlen der letzten Jahre zeigen das<br />
enorme Innovationspozential der Forschenden<br />
an unserer Institution. Die ETH<br />
Zürich setzt konsequent eine Strategie um,<br />
die einen effizienten, zielgerichteten<br />
Wissens- und Technologietransfer und eine<br />
enge Zusammenarbeit mit der natio-<br />
nalen und internationalen Wirtschaft ermög-<br />
licht.» Silvio Bonaccio, ETH Transfer<br />
besondere die pharmazeutische Industrie, und die Präzisions- und Medizinaltechnologie<br />
sind in der <strong>Schweiz</strong> Erfolgsgeschichten.<br />
Als Beispiel dient die ETH Zürich. Sie pflegt neben starker Grundlagenforschung<br />
in besonderem Masse auch die folgenden Forschungsbereiche<br />
mit Wirtschaftsrelevanz: biomedizinisches Engineering an der<br />
Schnittstelle zwischen Ingenieur- und Materialwissenschaften mit Biologie,<br />
Medizin und Bewegungswissenschaften als Teil der immer wichtiger<br />
werdenden Gesundheitswissenschaften; Energieforschung in der<br />
ganzen Breite; Modellierung in verschiedenen Bereichen wie Systembiologie,<br />
chemische Reaktionen, Klima, Materialeigenschaften; Computer-<br />
und Ingenieurwissenschaften sowie Produktionstechnologie,<br />
ETH<br />
134
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 1: Die ETH ist Spitze<br />
TIMES HIGHER EDUCATION RANKING 2009 2008<br />
Gesamplatzierung 20 24<br />
Ingenieurwissenschaften 10 13<br />
Naturwissenschaften 12 15<br />
Life Sciences 49 67<br />
SHANGHAI jIAO TONG UNIVERSITY RANKING 2009 2008<br />
Gesamplatzierung 23 24<br />
Ingenieurwissenschaften 41 69<br />
Naturwissenschaften 09 15<br />
Life Sciences 47 71<br />
Chemie 06<br />
physik 17<br />
Informatik 23<br />
Gesamtrankings und Rankings einzelner Fachgebiete zeigen, dass die ETH Zürich hervorragend<br />
platziert ist und ihren Rang in einem Jahr leicht verbessern konnte. Besonders hervorzuheben<br />
sind die Platzierungen in den Naturwissenschaften, der Chemie und den Ingenieurwissenschaften.<br />
Quelle: www.fc.ethz.ch/facts/ir/rankings, http://www.fc.ethz.ch/facts/ir/rankings<br />
Architekturforschung von den geschichtlichen Ursprüngen bis zu den<br />
Technologien für nachhaltige Zukunftsstädte, mit einem grossen Beitrag<br />
zur Wertschöpfung in der <strong>Schweiz</strong> und als Export.<br />
Die ETH Zürich als Innovationsmotor Eine Vordenkerrolle in der Gestaltung<br />
der Zukunft zu übernehmen und ihre Leistungen in Forschung und<br />
Lehre in den Dienst der Gesellschaft und Wirtschaft zu stellen: dieses<br />
Ziel hat sich die ETH Zürich seit ihrer Gründung vor mehr als 150 Jahren<br />
gesetzt. Sie ist heute eine treibenden Kraft für den technologischen<br />
Fortschritt in der <strong>Schweiz</strong> und zählt auf globaler Ebene zu den Pionieren<br />
bei der Entwicklung neuer Erkenntnisse und Technologien.<br />
135
WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />
Die Schnittstellen der ETH Zürich zur Wirtschaft sind entscheidend für<br />
die Innovationskraft der <strong>Schweiz</strong>. Nicht weniger als 30 Prozent der derzeitigen<br />
Wirtschaftsführer haben ein Studium an der ETH Zürich absolviert.<br />
Zudem spielt die Nähe zur ETH als Ausbildungs- und Forschungsstätte<br />
bei <strong>Standort</strong>entscheiden eine essentielle Rolle. Bezüglich der Ausbildung<br />
stehen die beiden ETHs in ständigem Dialog mit der <strong>Schweiz</strong>er<br />
Industrie, damit sie einerseits die Nachfrage nach Hochschulabgängern<br />
in den verschiedenen Ausbildungsbereichen, andererseits aber auch all-<br />
fällige neue Bedürfnisse bezüglich zu vermittelnden Wissensinhalts erfassen<br />
kann. Mit den wichtigen Wirtschaftsverbänden findet ein regelmässiger<br />
Austausch statt. Im Rahmen des jährlichen «ETH Industry Dialogue<br />
on the Future», von SwissRe organisiert, werden zukunftsweisende,<br />
für den Industriestandort <strong>Schweiz</strong> zentrale Themen aufgegriffen.<br />
Mit ETH Production Technologies stellt die ETH Zürich ihre modernsten<br />
Apparaturen und das notwendige Know-how zur Verfügung, um der fertigenden<br />
Industrie bei der Entwicklung von Geräten und Technologien<br />
zur Seite zu stehen. Dafür werden ihre Kompetenzen in verschiedenen<br />
Instituten, Zentren und Plattformen gebündelt. Exemplarisch dafür stehen<br />
die «inspire AG», eine Forschungs- und Entwicklungsorganisation für<br />
die <strong>Schweiz</strong>er Maschinenindustrie, das Material Research Center, eine<br />
Plattform im Bereich Materialforschung mit Beteiligung von über 50 Forschungsgruppen<br />
aus neun Departementen, oder das Institut für virtuelle<br />
Produktion, welches die Entwicklung virtueller Systeme für die Planung<br />
von komplexen Fertigungssystemen und -prozessen unterstützt.<br />
Das Departement Management, Technologie und Ökonomie wurde als<br />
Weiterentwicklung des Departements für Betriebswissenschaften im<br />
Jahr 2004 gegründet, in der Erkenntnis, dass ein grosser Bedarf besteht<br />
an jungen ETH-Absolventinnen und -Absolventen mit einem naturwissen-<br />
schaftlichen oder Ingenieur-Studium und darauf aufbauenden weiterführenden<br />
Studien auf Master- oder PhD-Ebene in Technologiemanagement<br />
und Ökonomie. Das Departement forscht in den Gebieten Supply<br />
Chain Management sowie Personal- und Strategiemanagement. Die<br />
steigenden Studierendenzahlen aus dem In- und Ausland sowie die rasche<br />
Absorption der Abgänger durch den Marktzeugen von einem echten<br />
ETH<br />
136
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 2: Gut, wo es darauf ankommt<br />
FORSCHUNGSBEREICH pLATZ 1 pLATZ 2 pLATZ 3 pLATZ 4 pLATZ 5<br />
Life Sciences CH US UK NL DE<br />
Agronomie, Biologie und<br />
Umweltnaturwissenschaften<br />
CH SE DK US UK<br />
Klinische Medizin CH DK BE NL US<br />
physik, Chemie und<br />
Erdwissenschaften<br />
Ingenieur- und<br />
Technikwissenschaften<br />
US CH NL DK UK<br />
US DK CH NL IL<br />
Was wissenschaftliche Publikationen angeht, ist die <strong>Schweiz</strong> just in jenen Disziplinen hervorragend<br />
platziert, welche für die Innovationskraft der Wirtschaft entscheiden sein können<br />
– in den Natur- und Ingenieurwissenschaften.<br />
Quelle: Bibliometrische Untersuchung zur Forschung in der <strong>Schweiz</strong>, SBF, 2007<br />
Bedürfnis an Berufsleuten mit kombinierten Kompetenzen in Natur-/Ingenieurwissenschaften<br />
und Technologiemanagement.<br />
Kompetenzen in der Lehre In der Lehre steht die Vermittlung von fundiertem<br />
Grundlagenwissen und Können im Vordergrund, welches disziplinübergreifende<br />
Zusammenarbeit erlaubt. Weitere entscheidende Qualifikationen<br />
sind geistige Beweglichkeit und Weltoffenheit, die Förderung<br />
von Managementfähigkeiten, vernetztes Denke sowie die Sensibilisierung<br />
für gesellschaftsrelevante Themen. Dies wird sichergestellt durch<br />
einen international zusammengesetzten, hochkompetenten Lehrkörper,<br />
einen forschungsbasierten Unterricht auf dem neuesten Stand des Wissens,<br />
eine qualitativ und quantitativ gute Betreuung und Infrastruktur<br />
sowie durch frühe Gewinnung von internationaler Erfahrung durch Industrie-<br />
und Forschungspraktika und Austauschsemester im Ausland.<br />
Zusammenarbeit mit Wirtschaftspartnern Beide ETHs haben seit ihrer<br />
Gründung eine Tradition der engen Zusammenarbeit mit der Industrie,<br />
und zwar sowohl mit Grossunternehmungen als auch mit KMUs.<br />
Ausländische Firmen wie Google, welche sich in der <strong>Schweiz</strong> ansiedeln,<br />
137
WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />
geben regelmässig zwei Faktoren an, die eine wesentliche Rolle spielen<br />
für ihren <strong>Standort</strong>entscheid: Zugang zu erstklassig ausgebildeten<br />
Hochschulabgängern und die Möglichkeit zu Forschungskooperationen<br />
mit einer der besten Hochschulen im technisch-naturwissenschaft-<br />
lichen Bereich.<br />
Dabei beschränken sich die Interaktionen<br />
der ETH mit der In-<br />
dustrie nicht nur auf die punktuelle<br />
Zusammenarbeit in individuellen<br />
Forschungsprojekten.<br />
Man beobachtet weltweit, dass<br />
Firmen Teile ihrer Forschungs-<br />
«Die hervorragenden wissenschaftlichen<br />
Leistungen im Bereich Computer-<br />
graphik waren für den <strong>Standort</strong>-Entscheid<br />
von Disney ausschlaggebend.»<br />
Markus Gross, Departement Informatik, ETH Zürich<br />
abteilung auf einen Universitätscampus verlegen, um direkten Zugriff<br />
auf Forschende zu gewinnen. Die folgenden zwei Beispiele neueren Datums<br />
illustrieren, dass dieser Trend auch bei der ETH Zürich bereits zu<br />
beobachten ist.<br />
IBM Research Zurich baut in Rüschlikon auf dem eigenen Campus ein<br />
neues Nanotechnologie-Forschungslabor. Die ETH Zürich mietet sich<br />
langfristig in dieser topmodernen Infrastruktur ein, um dort ab 2011 in<br />
Zusammenarbeit mit IBM, aber auch mit interessierten weiteren Forschungspartnern,<br />
das Potenzial der Nanotechnologie für verschiedenste<br />
Anwendungsbereiche im Rahmen einer langjährigen Partnerschaft zu<br />
erforschen.<br />
Disney Research betreibt im Rahmen einer engen Forschungspartnerschaft<br />
mit der ETH Zürich Disney Research Zurich, eine eigene Forschungsstätte<br />
auf dem Campus der ETH. Dabei arbeiten Mitarbeiter von<br />
Disney Research und der ETH Zürich unter einem Dach an den zukünftigen<br />
Technologien der Filmindustrie.<br />
Beide Partnerschaften bieten einer grossen Zahl von Doktorierenden<br />
die Gelegenheit, in enger Zusammenarbeit mit der Industrie erstklassige<br />
Forschungsprojekte zu bearbeiten. Innovative, klare und auf die<br />
Bedürfnisse der Industriepartner massgeschneiderte Regelungen in<br />
ETH<br />
138
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 3: In Sachen Innovation knapp hinter den USA<br />
2008/09 RANKING 2007/08 RANKING 2006/07 RANKING<br />
USA 1 1 6<br />
<strong>Schweiz</strong> 2 2 1<br />
Dänemark 3 3 4<br />
Schweden 4 4 3<br />
Singapur 5 7 5<br />
Finnland 6 6 2<br />
Deutschland 7 5 8<br />
Niederlande 8 10 9<br />
japan 9 8 7<br />
Gemessen am Innovationsfaktor innerhalb des «Global Competitiveness Report» des WEF<br />
belegt die <strong>Schweiz</strong> in dieser Disziplin Rang zwei hinter den USA, noch vor den skandinavischen<br />
Ländern und Singapur.<br />
Quelle: World Economic Forum (WEF) – Global Competitiveness Report (2006/07–2008/09)<br />
Bezug auf die Rechte an den entstehenden Immaterialgütern erlauben<br />
eine offene Zusammenarbeit und führen zu nachhaltigem Nutzen für<br />
alle beteiligten Parteien.<br />
Das kürzlich etablierte Industrial Relations Program der ETH erlaubt es<br />
einer interessierten Industrie, Optionen an der ETH schrittweise auszuloten:<br />
Um einer Firma für sie wichtige Kompetenzen der ETH Zürich<br />
aufzuzeigen, wird zu Beginn eine auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete<br />
Übersicht in Form einer Kompetenzanalyse erstellt, aufgrund welcher interessante<br />
Gesprächspartner aus dem Expertenpool ausgewählt werden<br />
können. Ein Laborrundgang und ein gemeinsamer Workshop, das «Idea<br />
Lab», generieren Ideen für gemeinsame Projekte.<br />
Technologie-Transfer als Schlüssel zur Innovation Die <strong>Schweiz</strong> rangiert<br />
seit Jahren auf den Spitzenplätzen. Im «Global Competitiveness Report<br />
20008/2009» des WEF liegt sie bezüglich Innovation an zweiter Stelle.<br />
139
WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />
Ein wichtiger Indikator ist die Tatsache, dass die <strong>Schweiz</strong> im Verhältnis<br />
zu ihrer Bevölkerung die höchste Anzahl Patentanmeldungen aufweist,<br />
ebenso am meisten Publikationen pro Wissenschaftler und den höch-<br />
sten Zitationsindex. Die <strong>Schweiz</strong>er Hochschulen sind an dieser Spitzenposition<br />
massgeblich beteiligt.<br />
Eines der Erfolgsrezepte liegt im Ausbau und in der systematischen Entwicklung<br />
der Stelle für Technologietransfer, «ETH Transfer», sowie im<br />
Bereitstellen eines Umfeldes, dass die wissenschaftliche Neugier und<br />
den «entrepreneurial spirit» von ETH-Studierenden bereits zu Beginn<br />
des Studiums fördert. Bei ETH Transfer ist das exzellente Know-how der<br />
Mitarbeitenden mit langjähriger Forschungs- und Industrieerfahrung, Er-<br />
fahrung im Patentwesen und<br />
Spin-off-Gründungen gepaart mit<br />
einer starken institutionellen<br />
Unterstützung der ETH-Leitung.<br />
Vor einigen Jahren wurde die<br />
Transferstelle grundlegend neu<br />
konzipiert und bietet eine breite<br />
Service- und Produktepalette<br />
an. Sie unterstützt ETH-Ange-<br />
hörige bei allen Fragen zu Zu-<br />
sammenarbeit mit der Indusrie,<br />
Erfindungen, Patentanmel-<br />
«Das ‹Industrial Relations Program› steht<br />
im engen Zusammenspiel mit der<br />
globalen Strategie der ETH. Wichtige Themen<br />
wie Themen wie Energie und Medizin-<br />
technik geben die Leitlinien vor, entlang<br />
welcher das ‹Industrial Relations<br />
Program› – gemeinsam mit der ETH Foun-<br />
dation – seine Kandidaten prioritär<br />
für eine industrielle Partnerschaft angeht.»<br />
Niklaus Bühler, ETH Transfer<br />
dungen und Lizenzierungen sowie bei der Gründung einer ETH-Spin-off-<br />
Firma. Externen Interessenten wie Firmen und Ämtern vermittelt sie<br />
Kontakte zu Forschungsgruppen der ETH Zürich.<br />
Jährlich durchgeführte Venture-Wettbewerbe, die die ETH gemeinsam<br />
mit McKinsey und neu mit der Kommission für Technologie und Innovation<br />
(KTI) durchführt, bieten Jungunternehmern mit den besten <strong>Business</strong>plänen<br />
die Chance, ihren Traum von einer eigenen Firma wahr werden zu<br />
lassen. Weitere wichtige Erfolgsfaktoren der ETH Zürich sind die konsequente<br />
Begleitung des Prozesses vom Forschungsresultat zum Produkt<br />
und die Förderung eines kooperativen und kompetitiven Geistes bereits<br />
bei den Studierenden.<br />
ETH<br />
140
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
ANZAHL<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Abb. 4: Technologie-Transfer an der ETH Zürich<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
2005<br />
2006<br />
2007<br />
Patents Licences Start-ups/Spin-offs<br />
Eine gemessen an der Bevölkerungszahl sehr hohe Anzahl von Patentanmeldungen (gestützt<br />
von einem starken Patentschutz) und eine grosse Zahl von Start-ups und Spin-offs spricht für<br />
eine hochentwickelte Kultur des Technologietransfers zwischen Hochschulen und Wirtschaft.<br />
Quelle: www.transfer.ethz.ch<br />
Spin-offs: eine Erfolgsgeschichte Die permanente Förderung und Unterstützung<br />
von Spin-offs führte zu einer Erfolgsgeschichte: von 1997 bis<br />
2009 wurden 177 Firmen gegründet, die Überlebensrate nach fünf Jahren<br />
beträgt 88 Prozent. Insgesamt wurden über 1000 direkte Arbeitsplätze,<br />
weitere 500 bis 600 bei Zulieferern und mehr als 500 Millionen Franken<br />
Kapitalgewinne geschaffen.<br />
Mit einem starken Patentschutz sorgt die <strong>Schweiz</strong> dafür, dass geistiges<br />
Eigentum entsprechend geschützt ist, was ebenfalls zur Attraktivität der<br />
<strong>Schweiz</strong> als Wirtschaftsstandort beiträgt. Die ETH Zürich setzt Patente<br />
insbesondere dort ein, wo Kooperationen mit der Industrie und die Gründung<br />
von Unternehmen damit direkt gestützt werden. Ziel der Verwertung<br />
wissenschaftlicher Erkenntnisse und Innovation ist die Maximierung des<br />
2008<br />
141
WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />
Nutzens für Wirtschaft und Gesellschaft und nicht die Profitmaximierung<br />
für die ETH. Sie unterstützt deshalb Massnahmen, welche zu einem<br />
zielgerichteten, einfachen und schnellen Wissenstransfer führen.<br />
Zusammenarbeit mit anderen <strong>Schweiz</strong>er Hochschulen Die ETH pflegt<br />
eine Vielzahl von Kooperationen in Lehre und Forschung mit anderen<br />
<strong>Schweiz</strong>er Hochschulen, insbesondere mit dem lokalen Partner Universität<br />
Zürich und der ETH in Lausanne, um bestehende Synergiepotenziale<br />
zu nutzen.<br />
Im Bereich des Innovationsmanagements stehen insbesondere mit der<br />
Universität St. Gallen, aber auch mit dem IMD in Lausanne und den<br />
wirtschaftlichen Fakultäten anderer <strong>Schweiz</strong>er Hochschulen hervorragende<br />
Partner zur Verfügung. Die Kombination betriebswirtschaftlicher<br />
Stärken mit der naturwissenschaftlich-technologischen Stärke der ETH<br />
Zürich kann einen wesentlichen Mehrwert generieren. Mit dem Aufbau<br />
eines eigenen Departements für Technologie- und Innovationsmanagement<br />
hat die ETH Zürich Teile des ökonomischen Know-hows internalisiert.<br />
Entsprechend bestehen denn zurzeit nur wenige externe Kooperationen<br />
in diesem Bereich.<br />
ETH<br />
142
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Abb. 5: Erfolgreich mit Spin-offs<br />
NU<strong>MB</strong>ER OF SPIN-OFFS<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
Biotech and Pharmaceutical<br />
Chemicals<br />
Electrical & Electronics<br />
IT<br />
Material Sciences<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
2005<br />
Mechanical & Avionics<br />
Medtech & Diagnostics<br />
Micro & Nanotech<br />
Sensors & Analytics<br />
others<br />
2006<br />
2007<br />
Die branchenmässige Struktur der jährlichen Spin-offs ändert sich schnell. Konstant nennenswert<br />
sind aber dennoch die Bereiche Biotech und Pharma, Informationstechnologie<br />
und Materialtechnik. Die Mikro- und Nanotechnologie hat in den letzten Jahren an Bedeutung<br />
erkennbar zugelegt.<br />
Quelle: www.transfer.ethz.ch<br />
143
WO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION<br />
In Kürze<br />
Was braucht es aus Sicht der ETH Zürich, um die Spitzen-<br />
stellung zu halten?<br />
Geeignete politische Rahmenbedingungen:<br />
Die Politik muss für politische, rechtliche und finanzielle<br />
Rahmenbedingungen sorgen, welche einerseits die <strong>Schweiz</strong>er<br />
Hochschulen bei den kommenden Herausforderungen<br />
wie stark steigende Studierendenzahlen und die globale Kom-<br />
petition um Talente unterstützten, andererseits Anreize<br />
zur Ansiedelung von ausländischen Firmen als wichtige Hochschulpartner<br />
schaffen.<br />
Exzellenz und Ungleichheit:<br />
Mit mehr Mut zur Exzellenzförderung und zur Ungleichbehandlung<br />
und Differenzierung der Hochschulen können<br />
die Human-Ressourcen der <strong>Schweiz</strong> noch gewinnbringender<br />
genutzt werden.<br />
Unternehmerisches Denken:<br />
An den Hochschulen müssen das unternehmerische Denken<br />
auf allen Stufen sowie Industriekooperationen intensiviert<br />
und der Technologie-Transfer verstärkt werden.<br />
ETH<br />
144
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
<strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong>:<br />
Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
Die <strong>Schweiz</strong> muss darum besorgt sein, ihren Schlüsselbranchen attraktive<br />
rechtliche Rahmenbedingungen zu bieten. Die Grundlage dafür ist ein flexibles<br />
Gesellschaftsrecht, welches pragmatisch in der Anwendung ist und gleichzeitig<br />
allen Beteiligten Rechtsschutz und hohe Rechtssicherheit bietet. Zudem ist<br />
der Wettbewerbsvorteil im Arbeitsrecht zu wahren. Bestehendes sowie in der<br />
Entstehung befindliches geistiges Eigentum muss effektiv geschützt werden.<br />
Im Finanzdienstleistungs- und im pharmazeutisch-biotechnischen Bereich<br />
muss sich die <strong>Schweiz</strong> durch kompetente und effiziente Regulierungsbehörden<br />
von Konkurrenzstandorten abheben. Die Einführung innovativer Produkte beziehungsweise<br />
die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit dürfen nicht durch<br />
unnötige Barrieren behindert werden. Schliesslich gilt es auch, den diskriminierungsfreien<br />
Zugang zum europäischen Markt aufrechtzuerhalten und auszubauen.<br />
Martin Frey / Roxana Leske, Baker & McKenzie, Zürich<br />
Die Bedeutung rechtlicher Institutionen für wirtschaftliche Entwicklung<br />
und Wachstum ist vermehrt in den Fokus geraten. Mittlerweile ist unbestritten,<br />
dass effiziente rechtliche Institutionen mit wirtschaftlicher<br />
Prosperität korrelieren. Gezielte Anpassungen des rechtlichen Umfelds<br />
für die relevanten Wirtschaftszweige tragen somit zur Sicherung des<br />
Wohlstandes bei. Unternehmerische Tätigkeiten, welche Arbeitsplätze<br />
für hochqualifizierte Fach- und<br />
Führungskräfte schaffen, sind Gezielte Anpassungen des rechtlichen<br />
aufgrund ihres hohen Wert- Umfelds für die relevanten Wirtschaftszweige<br />
schöpfungspotenzials und ihrer tragen zur Sicherung des Wohlstandes bei.<br />
Bedeutung für das Wachstum<br />
des lokalen tertiären Wirtschaftssektors aus Sicht der <strong>Schweiz</strong> besonders<br />
attraktiv. Die <strong>Schweiz</strong> muss deshalb bestrebt sein, Betriebe mit<br />
entsprechenden Beschäftigungsstrukturen anzusprechen. Sie muss somit<br />
ein attraktives rechtliches Umfeld für die Ansiedlung entsprechender<br />
Betriebe gewährleisten. 145
STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />
BAKER & MCKENZIE<br />
Der <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> ist insbesondere für die chemische und pharmazeutische<br />
Industrie sowie für Dienstleistungsbetriebe attraktiv. Als<br />
wesentliche Branchen fallen insoweit die Finanzdienstleister sowie<br />
wissensintensive Aktivitäten der pharmazeutisch-biotechnologischen<br />
und chemischen Industrie ins Gewicht. Von Bedeutung sind zudem Konzernleitungsgesellschaften<br />
und Dienstleistungsgesellschaften im Marketing-,<br />
Verkaufs- oder Technologiebereich. Nachfolgend sind deshalb<br />
rechtliche Aspekte und daraus resultierende Massnahmenvorschläge<br />
summarisch zusammengefasst, welche in der jüngeren Beratungspraxis<br />
identifiziert wurden und die<br />
Attraktivität der <strong>Schweiz</strong> für Die Kontingentierung der Aufenthalts-<br />
Unternehmen dieser Branchen bewilligungen sollte im Hinblick auf Fachin<br />
rechtlicher Hinsicht gezielt und Führungskräfte ausserhalb des EUverbessern<br />
könnten. Dabei gilt Raumes überdacht und durch eine bedarfs-<br />
es einerseits, den jeweiligen gerechtere Regelung ersetzt werden.<br />
Handlungsbedarf zum Erhalt<br />
und zur Verbesserung bestehender Wettbewerbspositionen zu erkennen,<br />
andererseits aber auch die Voraussetzungen für die Erschliessung<br />
zukunftsträchtiger Tätigkeitsfelder zu identifizieren.<br />
Allgemeine rechtliche Faktoren In einem ersten Schritt werden die<br />
rechtlichen Faktoren beleuchtet, die generell für die Ansiedlung von<br />
Unternehmen eine Rolle spielen, namentlich das Gesellschafts- und<br />
Arbeitsrecht, das Immaterialgüterrecht, aber auch die regulatorischen<br />
Bedingungen, denen ein unternehmerisches Engagement unterworfen<br />
ist. Insgesamt bietet die <strong>Schweiz</strong> ansiedlungswilligen Unternehmen gute<br />
Rahmenbedingungen. Dazu gehören:<br />
Eines der liberalsten Arbeitsrechte Europas Das schweizerische Arbeitsrecht<br />
stellt unbestritten eine Stärke des schweizerischen <strong>Standort</strong>s<br />
dar. Es garantiert, dass sich Angebot und Nachfrage flexibel über<br />
die Marktmechanismen selbst regulieren, gerade auch im Bereich hervorragend<br />
qualifizierter Fachkräfte. Die Mitwirkung der Arbeitnehmer<br />
an unternehmerischen Entscheidungen ist gesetzlich nur in sehr engen<br />
Grenzen vorgesehen. Auch die Gewerkschaften verfügen in den meisten<br />
Branchen nicht über nennenswerte Verhandlungsmacht, so dass dem<br />
146
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
unternehmerischen Handlungsspielraum insoweit keine hemmenden<br />
Barrieren entgegenstehen.<br />
Für die weitere positive Arbeitsmarkt-Entwicklung der <strong>Schweiz</strong> in Bezug<br />
auf hochqualifizierte Spezialisten darf die Erteilung von Arbeits- und<br />
Aufenthaltsbewilligungen kein Hindernis darstellen. Gerade im technischen<br />
Bereich ist es teilweise unerlässlich, auf Fachkräfte ausserhalb<br />
des EU-Raumes zurückgreifen zu können. Die für die entsprechenden<br />
Arbeitsbewilligungen geltenden starren Kontingente vertragen sich<br />
schlecht mit dem Bedürfnis des «Innovationsstandortes <strong>Schweiz</strong>», flexibel<br />
und schnell auf die nötigen Spezialisten zugreifen zu können. Zu<br />
berücksichtigen ist, dass im Wettbewerb um die Gewinnung von hochqualifizierten<br />
Fachkräften mit Berufserfahrung die bestmögliche Aufrechterhaltung<br />
der bestehenden Familienverhältnisse eine wesentliche<br />
Rolle spielt. Deshalb ist auch der Nachzug von Familienangehörigen und<br />
Betreuungspersonen möglichst einfach zu gestalten.<br />
≥ Die Kontingentierung der Aufenthaltsbewilligungen sollte im Hinblick<br />
auf Fach- und Führungskräfte (einschliesslich der haushaltszugehörigen<br />
Betreuungspersonen) ausserhalb des EU-Raumes überdacht<br />
und durch eine bedarfsgerechtere Regelung ersetzt werden. Die uneinheitliche,<br />
zum Teil restriktive Bewilligungspraxis der kantonalen Migrationsämter<br />
sollte zudem zum Beispiel in Form von Richtlinien im Sinne<br />
einer wachstumsorientierten, kontinuierlichen «<strong>Schweiz</strong>er» Praxis harmonisiert<br />
werden.<br />
Schutz geistigen Eigentums Das <strong>Schweiz</strong>er Immaterialgüterrecht entspricht<br />
grundsätzlich den europäischen und internationalen Standards.<br />
Die geplante Zentralisierung des verfahrensrechtlichen Rechtsschutzes<br />
durch Einführung eines <strong>Schweiz</strong>er Bundespatentgerichts dürfte die Professionalität<br />
und Rechtssicherheit im Patentrecht weiter erhöhen. Bezüglich<br />
der Regelung der nationalen Erschöpfung im Patentrecht konnte<br />
mit der Ausnahme im Fall staatlich regulierter Preise ein guter Kompromiss<br />
zwischen den Interessen der Pharmaindustrie und den Anliegen der<br />
Konsumenten gefunden werden. Positiv zu erwähnen ist ebenfalls die<br />
Möglichkeit zur Patentierbarkeit von Genen und Gensequenzen. Dabei<br />
147
STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />
wurde – im Einklang mit der EU-Biotechnologie-Richtlinie – der Grundsatz<br />
des uneingeschränkten Stoffschutzes beibehalten.<br />
Schwächen lassen die Normen in Bezug auf die praktische Durchsetzung<br />
von Ausgleichsansprüchen im gewerblichen Rechtsschutz erkennen: Bei<br />
einer Verletzung geistigen Eigentums ist es oft schwierig, den Anspruch<br />
im Umfang des vollen Schadens gegenüber dem Verletzer durchzusetzen.<br />
Gewisse Schadensposten – wie vorprozessuale Anwaltskosten – können<br />
nicht geltend gemacht werden. Für den Verletzer geistigen Eigentums<br />
hingegen ist das finanzielle Risiko selbst im Fall eines Unterliegens verhältnismässig<br />
gering. Derartigen Anreizen für Immaterialgüterrechtsverletzungen<br />
sollte stärker entgegengetreten werden. Denkbar sind etwa:<br />
≥ Ausweitung des ersatzfähigen Schadens auf sämtliche angemessenen<br />
vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten<br />
≥ Beweiserleichterungen bei der Feststellung der Höhe des durch die<br />
Rechtsverletzung entstandenen Schadens (Schätzungen des Klägers,<br />
z.B. Lizenzanalogien, als widerlegbare Vermutung für den entstandenen<br />
Schaden)<br />
≥ Einführung eines «Verletzer-Zuschlags» (auch wenn der pönale Charakter<br />
einer Schadensersatzleistung den zentraleuropäischen Rechtssystemen<br />
grundsätzlich wesensfremd ist).<br />
Flexibles und pragmatisches Gesellschaftsrecht Die Flexibilität und<br />
der Pragmatismus des <strong>Schweiz</strong>er Gesellschaftsrechts werden als positiver<br />
<strong>Standort</strong>faktor stets betont. Die Aufrechterhaltung dieser Wesenszüge<br />
in der Zukunft sollte daher ein wichtiges Anliegen sein. Auch<br />
sind Spielräume bezüglich der Ausgestaltung der Vergütungssysteme<br />
von grosser Bedeutung: ein enges regulatorisches Korsett in diesem Bereich<br />
würde die Attraktivität des <strong>Standort</strong>es <strong>Schweiz</strong> für hervorragende<br />
Führungskräfte zweifellos schwächen. Den Interessen der Gesellschafter<br />
(der Investoren) eines Unternehmens ist gleichermassen Rechnung<br />
zu tragen, ohne dass die Freiheit der internen Organisation der Unternehmen<br />
und das systemtragende Prinzip der Privatautonomie zu stark<br />
durch formale Anforderungen und detaillierte Organisationspflichten<br />
eingeschränkt werden.<br />
BAKER & MCKENZIE<br />
148
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
≥ Das schweizerische Gesellschaftsrecht muss weiterhin flexibel bleiben<br />
und die private Gestaltungsautonomie bezüglich der internen Organisation<br />
darf – auch in Bezug auf die Vergütung der Verwaltungsräte und<br />
Direktoren – nicht über Gebühr reguliert werden.<br />
Schwachstelle: Rechtsunsicherheiten im Konzernrecht Obwohl die<br />
<strong>Schweiz</strong> nicht über ein formalisiertes Konzernrecht verfügt, können für<br />
die meisten konzernrechtlichen Probleme befriedigende Lösungen im<br />
<strong>Schweiz</strong>er Recht gefunden werden. Einige Fragen sind jedoch mit erheblicher<br />
Rechtsunsicherheit behaftet, so dass Forderungen nach gesetzlich<br />
fixierten Regelungen nicht verstummen. Gerade der Konkurs<br />
einer Konzerngesellschaft birgt grosse Haftungsrisiken für dessen Organe<br />
sowie die Verwaltungsräte<br />
der Konzermutter, welche sich<br />
auch durch sorgfältige Planung<br />
nicht beseitigen lassen. Wesentliche<br />
Risikofaktoren bilden<br />
vor allem konzernübliche Sachverhalte<br />
wie Darlehensgewährungen<br />
(insbesondere Up- und<br />
Cross-Stream-Darlehen oder<br />
Das schweizerische Gesellschaftsrecht<br />
muss weiterhin flexibel bleiben und<br />
die private Gestaltungsautonomie bezüglich<br />
der internen Organisation darf nicht<br />
über Gebühr reguliert werden – auch nicht<br />
in Bezug auf die Vergütung der Verwal-<br />
tungsräte und Direktoren.<br />
die Teilnahme bei einem Cash-Pooling), Forderungsverzichte oder die<br />
Erbringung von Leistungen durch Konzernuntergesellschaften, soweit<br />
deren Drittüblichkeit («dealing at arm’s length») nicht nachgewiesen<br />
werden kann. Dadurch werden nicht nur Transaktionen innerhalb des<br />
Konzerns erschwert, auch die Gewinnung qualifizierter Führungskräfte<br />
für die jeweiligen Verwaltungsräte wird schwieriger und teurer.<br />
≥ Gesetzliche Regelungen im Bereich des Konzernrechts wären im<br />
Hinblick auf die bestehenden Rechtsunsicherheiten und Haftungsrisiken<br />
wünschenswert. Die abschliessende Darstellung eines kohärenten<br />
Massnahmenpaketes würde den vorliegenden Rahmen überschreiten.<br />
≥ Beispielhaft könnte ein gesetzlich verankertes Konzernrecht eine<br />
Sonderregelung im Bereich der Treuepflichten nach Art. 717 OR im Falle<br />
von verbundenen Unternehmen enthalten, nach der eine Handlung im<br />
149
STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />
Interesse des Konzernverbundes als pflichtwahrend eingestuft wird. Bedingung<br />
dieser Sonderregelung müsste jedoch sein, dass die Konzernzugehörigkeit<br />
im Gesellschaftszweck und damit auch im Handelsregister<br />
offengelegt wird und der Konzernverbund jederzeit für die Verbindlichkeiten<br />
gegenüber den Gläubigern aufkommt.<br />
≥ Im Hinblick auf das Cash-Pooling (beziehungsweise die konzerninterne<br />
Finanzierung im Allgemeinen) sollten klare gesetzliche Grundlagen<br />
geschaffen werden, die es Konzerngesellschaften erlauben, an einem<br />
Cash-Pool teilzunehmen, ohne die involvierten Organe einem Haftungsrisiko<br />
auszusetzen.<br />
Harmonisierung bei wirtschaftsrechtlichen Institutionen als Investitionsvorteil<br />
Staatliche Handels- und Grundbuchregister verbessern den<br />
Schutz des Publikums im Rechtsverkehr, stellen jedoch in der <strong>Schweiz</strong><br />
zum Teil einen nicht unerheblichen Kostenfaktor bei Rechtsgeschäften<br />
dar. Die unterschiedliche, teils formalistische Auslegung des Registerrechts<br />
durch die kantonalen Behörden einerseits sowie die nicht selten<br />
unverhältnismässig hohen Notariatstarife andererseits führen jedoch<br />
zu als unnötig wahrgenommenen Rechtsunsicherheiten und Rechtsverkehrskosten.<br />
Auch in zeitlicher Hinsicht hat sich das Verfahren um die<br />
dezentralisierten Register zu einem Negativfaktor entwickelt.<br />
≥ Wir empfehlen eine einheitliche, pragmatische sowie transparente<br />
Handhabung des Registerrechts sowie die Begrenzung der Gebühren auf<br />
ein als vernünftig empfundenes Mass, welches sich – auch ausserhalb<br />
des Geltungsbereiches des Fusionsgesetzes – an den aufgewendeten<br />
Arbeitsstunden orientiert.<br />
Die <strong>Schweiz</strong> im Herzen Europas Herausfordernd gestaltet sich die<br />
Entwicklung der Position der <strong>Schweiz</strong> im Kontext zunehmender Vereinheitlichung<br />
der rechtlichen Rahmenbedingungen auf internationaler und<br />
europäischer Ebene. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den daraus resultierenden<br />
faktischen und politischen Druck auf die <strong>Schweiz</strong>, ihr Recht<br />
den europäischen Gegebenheiten anzugleichen, um den Zugang zu den<br />
betreffenden internationalen/europäischen Märkten nicht zu verlieren.<br />
BAKER & MCKENZIE<br />
150
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Beispielhaft seien in diesem Zusammenhang Regulierungsbemühungen<br />
der Europäischen Union im Kapitalmarkt- oder Verbraucherschutzrecht<br />
genannt. Eine Umsetzung solcher Vorstösse ohne Berücksichtigung der<br />
Interessen der Nicht-EU-Länder bedeutet nicht selten einen faktischen<br />
Regulierungszwang auch für <strong>Schweiz</strong>er Unternehmen. Zu einem echten<br />
<strong>Standort</strong>-Nachteil für die Ansiedlung von Konzerngesellschaften in der<br />
<strong>Schweiz</strong> könnte sich gegenüber europäischen <strong>Standort</strong>-Wettbewerbern<br />
zum Beispiel auch der Ausschluss der <strong>Schweiz</strong> von den EU-Regelungen<br />
über grenzüberschreitende Fusionen entwickeln.<br />
≥ Nicht alle wirtschaftsrechtlichen Hindernisse oder Nachteile können<br />
durch unilaterale Massnahmen beseitigt oder gemindert werden, sondern<br />
erfordern einen politischen Dialog im internationalen Kontext. Der<br />
Früherkennungsradar für internationale und europäische Entwicklungen<br />
und ihre möglichen Auswirkungen auf den <strong>Standort</strong> <strong>Schweiz</strong> sollte daher<br />
verbessert und es sollten Strategien zu einer politischen Einflussnahme<br />
auf internationaler, vor allem europäischer Ebene festgelegt werden.<br />
Forschungs- und Entwicklungszentren im Bereich Pharma/Biotech<br />
Für die <strong>Standort</strong>attraktivität von Forschung- und Entwicklungseinheiten<br />
können neben den genannten allgemeinen Rahmenbedingungen ergänzende<br />
rechtliche Aspekte im Immaterialgüterrecht sowie im Aufsichtsrecht<br />
einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor darstellen.<br />
Forderungen von Branchenvertretern für die Sicherung der <strong>Standort</strong>attraktivität<br />
wurden bereits in laufenden Gesetzgebungsvorhaben berücksichtigt<br />
(Stichworte: Bundespatentgericht, nationale Erschöpfung<br />
usw.). Darüber hinaus sehen die laufenden Revisionsvorhaben bezüglich<br />
des Heilmittelgesetzes vor, dass im Ausland bereits freigegebene Medikamente<br />
in der <strong>Schweiz</strong> unter vereinfachten Bedingungen zugelassen<br />
werden können, während parallel die Rechtssicherheit im Zulassungsbereich<br />
durch Erlass konkretisierender Ausführungsverordnungen im<br />
Heilmittelrecht weiter erhöht werden soll.<br />
≥ Über die laufenden Revisionsbemühungen hinaus ist zu fordern, dass<br />
die Zulassungsverfahren von Medikamenten noch stärker vereinheitlicht<br />
151
STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />
und die Kooperation mit anderen (internationalen) Zulassungsbehörden<br />
weiter vorangetrieben wird. <strong>Schweiz</strong>erische Sonderlösungen sind so weit<br />
wie möglich abzubauen.<br />
Schutzlücken wurden zudem im Bereich des schweizerischen Erstanmeldungsschutzes<br />
für Arzneimittel identifiziert, welcher dem Schutz der<br />
für die Zulassung eines Medikaments wichtigen klinischen und präklinischen<br />
Prüfdaten dient und einen einfachen Marktzugang für Nachahmerpräparate<br />
verhindern soll.<br />
Der Schutzbereich des Erstanmeldungsschutzes<br />
ist nach der<br />
aktuellen <strong>Schweiz</strong>er Praxis (u.a.<br />
nach der Auslegung des geltenden<br />
Rechts durch die Swissmedic)<br />
bei der Fortentwicklung<br />
BAKER & MCKENZIE<br />
Die Zulassungsverfahren von Medikamenten<br />
sollten noch stärker vereinheitlicht<br />
und die Kooperation mit anderen (interna-<br />
tionalen) Zulassungsbehörden weiter<br />
vorangetrieben werden.<br />
bestehender Präparate mit im Wesentlichen inhaltsgleichen Substanzen<br />
oder Kombinationspräparaten aus bereits zugelassenen Stoffen<br />
nicht eröffnet, selbst wenn eine neuartige Substanzkombination zu einer<br />
Wirkstoffverbesserung führt. Die europäische Regelung geht in diesem<br />
Bereich weiter und sieht einen sogenannten Unterlagenschutz auch für<br />
Kombinationspräparate vor. Auch wenn die Defizite in diesem Bereich<br />
bereits erkannt wurden, sehen die aktuellen Gesetzesinitiativen keine<br />
vollständige Angleichung des Schutzbereiches des Erstanmelderschutzes<br />
an das europäische Recht vor.<br />
≥ Die Reichweite des schweizerischen Erstanmelderschutzes ist – im<br />
Wege einer Anpassung der bestehenden gesetzlichen Regelung – an den<br />
internationalen bzw. europäischen Standard anzugleichen. Aus Gründen<br />
der Rechtssicherheit sollte die Frage der Schutzbereichsgrenzen nicht<br />
allein der Auslegung durch die Swissmedic überlassen werden.<br />
Wie in anderen Rechtsbereichen auch wird die Attraktivität eines<br />
Rechtssystems nicht nur durch die materielle Rechtslage bestimmt. In<br />
der Wahrnehmung der Investoren von gleicher oder sogar noch grösserer<br />
Bedeutung dürfte die Umsetzung der materiellen Regelungen sein.<br />
Entsprechend wichtig ist ein reibungsloses, effizientes Zulassungs-<br />
152
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
verfahren. In dieser Hinsicht besteht bei Swissmedic Handlungsbedarf:<br />
Das <strong>Schweiz</strong>er Zulassungsverfahren ist in der Regel langsamer als die<br />
Verfahren bei den entsprechenden amerikanischen und europäischen<br />
Behörden FDA und EMEA.<br />
≥ Swissmedic sollte sich – ohne nachteiligen Einfluss auf die Qualität<br />
der Prüfung – um eine Straffung ihres Zulassungsverfahrens bemühen.<br />
Ziel sollte es sein, die durchschnittliche Dauer des Zulassungsverfahrens<br />
von acht auf drei Monate zu senken.<br />
Für die Sicherung und den Ausbau von Forschung und Entwicklungszentren<br />
ist eine liberale Regulierung der Forschungsaktivitäten von essentieller<br />
Bedeutung. In Bezug auf die Forschung am Menschen verfügt die <strong>Schweiz</strong><br />
mit dem Stammzellenforschungsgesetz sowie mit der geplanten neuen<br />
Verfassungsbestimmung Art. 118a BV und dem Humanforschungsgesetz<br />
bereits über eher liberale, forschungsfreundliche Rahmenbedingungen.<br />
Eine Verbesserung der regulatorischen Bedingungen für den Forschungsstandort<br />
insbesondere im Ausserhumanbereich ist dennoch denkbar.<br />
Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen zu kommerziellen<br />
Zwecken oder deren Einfuhr ist aufgrund des 2005 durch Volk und<br />
Stände angenommenen Moratoriums bis 2010 untersagt. Der Bundesrat<br />
schlägt eine Verlängerung dieses Moratoriums bis 2013 vor. Im Hinblick<br />
auf den <strong>Standort</strong>wettbewerb ist die Signalwirkung einer solchen Verlängerung<br />
– ohne nähere Auseinandersetzung mit der sachlichen Rechtfertigung<br />
dieses Eingriffs in die Forschungsfreiheit – auf potenzielle Forschungsinvestoren<br />
kritisch zu hinterfragen.<br />
≥ Die Verlängerung des Moratoriums sollte überdacht werden. Dem<br />
Schutzbedürfnis der Stimmbürger und der Rechtssicherheit der Antragsteller<br />
kann durch eine klare gesetzliche Regelung der Bewilligungsanforderungen<br />
in der Freisetzungsverordnung ausgewogen Rechnung getragen<br />
werden.<br />
Die Befugnis der verschiedenen Ethikkommissionen (im Anwendungsbereich<br />
des Stammzellenforschungsgesetzes, des Transplantationsge-<br />
153
STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />
setzes, des Gentechnikgesetzes oder künftig auch des neuen Humanforschungsgesetzes),<br />
konkrete Projekte zu bewilligen, droht zu einem<br />
weiteren Hemmschuh für die Entwicklung der Biotechnologie in der<br />
<strong>Schweiz</strong> zu werden. Aufgrund ihrer Zusammensetzung wirken die Ethikkommissionen<br />
oft eher als politische Gremien, in welchen die Debatte<br />
über im Gesetzgebungsprozess offen gelassene Punkte – wie etwa eine<br />
klare Definition der ethischen Schutzgüter oder mögliche Rechtfertigungen<br />
bei Eingriffen – fortgesetzt wird. Entsprechend unberechenbar<br />
sind für die Betroffenen – und damit letztlich auch für die Investoren –<br />
die Entscheide der Ethikkommissionen.<br />
Finanzdienstleister Die aktuelle Herausforderung für die <strong>Schweiz</strong> als<br />
Finanzdienstleistungsstandort besteht einerseits darin, trotz zunehmendem<br />
Druck auf das traditionelle Geschäftsmodell Offshore-Banking<br />
die Position im Vermögensverwaltungsgeschäft halten zu können. Andererseits<br />
könnte die <strong>Schweiz</strong> die Chance nutzen, sich als attraktiver<br />
<strong>Standort</strong> für neue Dienstleistungen und Produkte im Bereich der Finanzdienstleistungen<br />
zu positionieren. Dem Bereich alternative Investments<br />
sollte deshalb weiterhin verstärkt Beachtung geschenkt werden.<br />
Bisher ist der Anteil der <strong>Schweiz</strong> am globalen Markt für Private Equity<br />
als Domizilstandort (sowohl für die Fonds wie auch das Management)<br />
eher marginal, obwohl die <strong>Schweiz</strong> als <strong>Standort</strong> rechtlich gut geeignet<br />
ist. Die aktuellen Problemfelder des Fonds-<strong>Standort</strong>s <strong>Schweiz</strong> liegen<br />
hauptsächlich in Unsicherheiten bei der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen<br />
Behandlung bestimmter Leistungsströme an<br />
die Fondsmanager innerhalb der komplexen Investmentstrukturen. Die<br />
<strong>Standort</strong>attraktivität könnte aber auch in rechtlicher Hinsicht durch einige<br />
gesetzgeberische Massnahmen weiter verbessert werden.<br />
Investment-Vehikel im Private-Equity-Bereich werden bevorzugt in der<br />
Rechtsform einer Limited Partnership aufgesetzt. Das schweizerische<br />
Recht sieht die Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen<br />
(KGK) als regulierte Rechtsform vor. In der Praxis wird das unmittelbar<br />
nur für KGK geltende Mindesterfordernis von fünf Kommanditären<br />
in eine Mindestanlegerzahl für alle <strong>Schweiz</strong>er Anlageformen ausgelegt.<br />
BAKER & MCKENZIE<br />
154
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
Ausnahmen werden gesetzlich nur für Pensionskassen oder Lebensversicherungen<br />
zugelassen. Dies behindert Kapitalanlagelösungen für institutionelle<br />
Anleger und Family Offices. Eine nach schweizerischem Recht<br />
aufgesetzte Fondsstruktur bleibt ihnen weitestgehend verschlossen.<br />
≥ Der Anwendungsbereich für Einanlegerfonds sollte erweitert werden.<br />
Ähnlich wie in den anderen Bereichen bildet die Dauer der Zulassungsverfahren<br />
für neue oder ausländische Produkte (time to market) ein zentrales<br />
<strong>Standort</strong>kriterium. Ein marktgerechter, effizienter Zulassungs-<br />
und Regulierungsprozess ist daher auch im Finanzdienstleistungssektor<br />
unabdingbar.<br />
Insbesondere im Bereich der alternativen Anlagen scheinen die personellen<br />
Ressourcen bei der zentralen <strong>Schweiz</strong>er Aufsichtsbehörde FINMA<br />
aus- und umbaufähig. Gezielte, auch organisatorische Veränderungen in<br />
diesem Bereich könnten viel für die zeitliche Straffung des Bewilligungsverfahrens<br />
und grössere Entscheidungsfreudigkeit bei der Bearbeitung<br />
von Anträgen bewirken. Es muss darauf geachtet werden, dass seitens<br />
der FINMA gemachte mündliche Zusagen mit Bezug auf Bearbeitungsfristen<br />
eingehalten werden. Die Einführung von Englisch als offiziell zulässige<br />
Dokumentationssprache für die im Bewilligungsverfahren einzureichenden<br />
Unterlagen ohne das Erfordernis einer Übersetzung würde<br />
eine wesentliche Kosten- und Zeitersparnis bedeuten.<br />
≥ Die personellen Ressourcen der FINMA sollten in qualitativer wie<br />
quantitativer Hinsicht gezielt aufgestockt und eine bessere Durchlässigkeit<br />
zum Finanzdienstleistungssektor angestrebt werden.<br />
≥ In Ergänzung zu den bestehenden Regelungen könnte ein Meldeverfahren<br />
für kollektive Kapitalanlagen sinnvoll sein, so dass Produkte<br />
ohne vorherige Prüfung durch die FINMA der Aufsicht unterstellt werden<br />
könnten.<br />
Die Regulierung des international agierenden Finanzdienstleistungssektors<br />
ist nicht mehr nur eine unilaterale Fragestellung. So wird eine EU-<br />
155
STANDORT SCHWEIZ: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />
Richtlinie, die sich für eine Verschärfung der Aufsicht über alternative<br />
Anlageformen ausspricht und bisher im Entwurf vorliegt, im Fall ihrer<br />
Umsetzung auch für die <strong>Schweiz</strong> wichtige Bedeutung erlangen. In Drittstaaten<br />
ansässige Manager alternativer Investmentfonds müssen nach<br />
dem Richtlinienentwurf für den Vertrieb ihrer Produkte in der EU gewisse<br />
Anforderungen erfüllen und unter anderem die Unterstellung unter ein<br />
gleichwertiges regulatorisches Regelwerk nachweisen. Geeignete Massnahmen<br />
könnten in diesem Zusammenhang sein,<br />
≥ im Rahmen von bilateralen Vereinbarungen den diskriminierungsfreien<br />
Zugang schweizerischer Anlageprodukte zum europäischen Raum<br />
zu erwirken;<br />
≥ die Anerkennung schweizerischer kollektiver Kapitalanlagen in interessanten<br />
ausländischen Märkten ausserhalb der EU durch den Abschluss<br />
von entsprechenden Abkommen mit ausländischen Aufsichtsbehörden<br />
zu fördern;<br />
≥ den Anwendungsbereich der freiwilligen Unterstellung unter die<br />
schweizerische Kapitalmarktaufsicht zu erweitern.<br />
BAKER & MCKENZIE<br />
156
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
In Kürze<br />
Die Flexibilität des Gesellschafts- und Arbeitsrechts<br />
muss auch in Zukunft gewahrt werden. Die <strong>Schweiz</strong> ist in<br />
diesem Bereich weitestgehend frei von international-<br />
rechtlichen Zwängen und muss deshalb ihre Gestaltungs-<br />
hoheit für eine Verbesserung der <strong>Standort</strong>attraktivität<br />
nutzen. Praktikable Lösungen für die Konzernwirklichkeit<br />
sollten angestrebt werden.<br />
Da Wachstum in den Schlüsselbranchen nicht ohne bestqua-<br />
lifizierte Arbeitskräfte möglich ist, sollten flexible Rege-<br />
lungen für die zügige Erteilung von Arbeits- und Aufenthalts-<br />
bewilligungen nebst Familienangehörigen und Betreuungs-<br />
personen unabhängig vom Herkunftsland gefunden werden.<br />
Die Praxis der Handels- und Grundbuchregisterbehörden<br />
muss vereinheitlicht und die Rechtsverkehrsgebühren<br />
müssen auf ein angemessenes, am Zeitaufwand orientiertes<br />
Mass reduziert werden.<br />
Beste Forschungsbedingungen entstehen nur mit einer<br />
liberalen Regulierung. Für das Bewilligungsverfahren müssen<br />
rechtlich klare Kriterien vorgegeben werden, um Ent-<br />
scheidungen für einen Investor im Rahmen eines Ventures<br />
kalkulierbar zu machen.<br />
Die Erweiterung des Anwendungsbereiches für Einanlegerfonds<br />
ist zu empfehlen. Das Bewilligungsverfahren bei der FINMA<br />
muss zeitlich stark gestrafft werden. Personelle Verstärkungen<br />
und mehr Durchlässigkeit mit der Wirtschaft dürften einen<br />
wesentlichen Schritt in diese Richtung bedeuten.<br />
Strategien für die Früherkennung internationaler und euro-<br />
päischer Entwicklungen sollten verbessert werden, um rechtzeitig<br />
politische Lösungen für die Aufrechterhaltung des<br />
gleichberechtigten Marktzugangs für <strong>Schweiz</strong>er Unternehmen<br />
v.a. auf dem europäischen Binnenmarkt zu finden. Aktuell<br />
besteht Handlungsbedarf in Bezug auf den bedrohten Zugang<br />
für Kapitalanlageprodukte zum europäischen Markt.
STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC<br />
HERAUSGEBER<br />
Credit Suisse Als eine der weltweit führenden Banken bietet die<br />
Credit Suisse ihren Kunden Dienstleistungen in den Bereichen<br />
Private Banking, Investment Banking und Asset Management an.<br />
Die Boston Consulting Group ist eine global agierende Managementberatung<br />
und weltweit führend im Bereich der Strategieentwicklung.<br />
Accenture ist ein weltweit agierender Managementberatungs-,<br />
Technologie- und Outsourcing-Dienstleister mit mehr als 176 000<br />
Mitarbeitern, die für Kunden in über 120 Ländern tätig sind.<br />
PricewaterhouseCoopers ist das weltweit führende Prüfungs-<br />
und Beratungsunternehmen. Unser Netzwerk umfasst über<br />
163 000 Mitarbeitende in 151 Ländern.<br />
Ernst & Young ist führender Qualitätspartner in den Bereichen<br />
Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung, Risiko-<br />
management-Beratung, Transaktionen und Accounting Services.<br />
Deloitte ist mit Mitgliedsunternehmen in 140 Ländern eines<br />
der führenden Netzwerke in den Bereichen Wirtschaftsprüfung,<br />
Steuerberatung, Consulting und Corporate Finance.<br />
Die ETH Zürich als führende technisch-naturwissenschaftliche<br />
Hochschule steht für Exzellenz in Lehre und Forschung und<br />
gilt als ein Innovationsmotor für die <strong>Schweiz</strong>er Wirtschaft.<br />
KPMG <strong>Schweiz</strong> ist ein führender Anbieter von Audit, Tax und<br />
Advisory Services. Autor Jörg Walker leitet die Steuerabteilung<br />
und ist Mitglied der Geschäftsleitung.<br />
Baker & McKenzie Zurich gehört zu einer der weltgrössten Wirtschaftskanzleien<br />
mit Anwälten in 39 Ländern und berät seit vielen<br />
Jahren internationale Klienten bei der Ansiedlung in der <strong>Schweiz</strong>.<br />
159
Initiant Daniel Küng, CEO, Osec, Zürich<br />
Herausgeber & Autoren Accenture: jan Burger, Alexander Kettenbach;<br />
Baker & McKenzie: Martin Frey; Boston Consulting Group: Matthias<br />
Naumann, Christian Schmid; Credit Suisse: jonathan Horlacher,<br />
Fabian Heller, Oliver Adler, Frédéric junod, Martin Neff; Deloitte:<br />
Robert Reppas; Ernst & Young: Markus Thomas <strong>Schweiz</strong>er; KpMG:<br />
jörg Walker, Thomas Linder, Michael Ruckstuhl; pricewaterhouseCoopers:<br />
Markus Neuhaus, Christina Kunz; ETH: Margrit Leuthold<br />
Themenkonzept & projektleitung Beat Leimbacher, manage2impact, Zumikon<br />
Redaktion Medard Meier, Gisler.Meier.Repele.Z’Graggen, Zürich<br />
übersetzung CLS Communication AG, Zürich<br />
Gestaltung Yves Winistoerfer, Blackbox AG, Kilchberg<br />
Korrektorat Marianne Sievert<br />
Druck NZZ Fretz AG, Schlieren<br />
Sponsoren Credit Suisse, CLS Communication AG, Zürich<br />
CLS Communication bietet vielfältige Sprachdienstleistungen,<br />
massgeschneiderte prozesse und innovative Technologien.<br />
Dank unserer globalen präsenz können unsere Kunden auf einen<br />
24-Stunden-Service bauen.