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Blaue Narzisse - Onlineartikel 2006/07

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Schlachtfest der Medien – Über die Inszenierung der Tat<br />

des „Kannibalen von Rotenburg“<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Im März 2001 ging ein Raunen durch den deutschen Blätterwald. Der „stern“ hatte mit seiner<br />

Reportage über den „Kannibalen von Rotenburg“, Armin Meiwes, gespickt mit unzähligen Details wie<br />

dem Verspeisen der Genitalien des freiwilligen Opfers Bernd B. geschockt. Als pietät- und<br />

verantwortungslos geißelte die Medienlandschaft die Berichterstattung des Wochenmagazins „stern“<br />

damals.<br />

Inzwischen steht allerdings fest, daß sich die Bedenkenträger nicht durchsetzen konnten. Zum<br />

fünfjährigen Jubiläum der Tat des „Kannibalen von Rotenburg“ erleben wir ein „Revival“ des Falles.<br />

Neben dem Prozeß gegen Meiwes wegen Mordes erregt dabei insbesondere ein über die Tat<br />

gedrehter Film namens „Rohtenburg“ die Gemüter. Dieser Horrorfilm sollte am 9. März in den<br />

deutschen Kinos anlaufen, wurde jedoch kurz davor verboten, um die Persönlichkeitsrechte des<br />

Armin Meiwes zu wahren.<br />

Unabhängig davon, ob es den spitzfindigen Juristen der Produktionsfirma des Filmes doch noch<br />

gelingen sollte, den Kinostart zu realisieren und so ihre Profitgier in Gänze zu befriedigen, haben es<br />

die Macher von „Rohtenburg“ mit freundlicher Unterstützung der maßgeblichen Medienvertreter in<br />

Deutschland geschafft, den Kannibalismusfall noch detailgetreuer als der „stern“ vor fünf Jahren der<br />

breiten Öffentlichkeit zu illustrieren.<br />

Ein erschreckendes Beispiel für die kranke Berichterstattung flimmerte gestern mit der Promi-<br />

Talkshow „Johannes B. Kerner“ (ZDF) über die Bildschirme. Kerner befragte den Hauptdarsteller von<br />

„Rohtenburg“ sowie einige Experten zum Film, dem Verbot und dem Prozeß gegen Meiwes. Dabei<br />

wurde unter anderem von dem „Schwanz in der Pfanne“, der trotz reichlichen Bratens nicht gar<br />

werden wollte, und anderen widerlichen Einzelheiten des Filmes und Falles berichtet. Die angebliche<br />

Absicht des Filmes, den Kannibalen psychologisch zu ergründen, dürfte aufgrund solcher Szenen für<br />

fast jeden potentiellen Zuschauer in den Hintergrund treten.<br />

Ein Ende des Medienspektakels um den Kannibalen ist nicht in Sicht. Die grausame Tat des<br />

„Kannibalen von Rotenburg“ wird auch in nächster Zeit exzessiv ausgeschlachtet werden. Für<br />

mögliche Zuschauer bleibt nur der gutgemeinte Rat, das zähe Fleisch vom Schlachtfest der Medien<br />

nicht zu essen.<br />

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