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Blaue Narzisse - Onlineartikel 2006/07

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„Das Leben der Anderen“ – Eine Abrechnung mit dem MfS<br />

Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />

Donnerstag, den 30. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

So schlimm war die DDR ja gar nicht. Da hatte jeder seine Arbeit und eigentlich waren auch alle<br />

Massenorganisationen in Ordnung, so saß wenigstens niemand auf der Straße und selber denken<br />

mußte man auch nicht. Auch der Onkel Erich war ein Netter, daß er etwas seltsam lächerlich<br />

gesprochen hat, sollte seinen Wert als Mensch doch nicht schmälern. Übrigens waren fast alle Bürger<br />

Kleingarteneigentümer, nur an einem fehlte es: Zukunftsangst.<br />

Auf diese Weise entsteht ein positives Bild vom real existierenden Sozialismus, welches in der<br />

jüngsten Vergangenheit durch die Medienmacher verstärkt wurde. Die „DDR-Show“ exportierte den<br />

Spaßsozialismus auch in den reaktionären Westen. Wie lustig war diese kleine Republik doch! „Der<br />

kleine Trompeter“ und anderes Liedgut wurde aus der Mottenkiste geholt. Ebenso sprach man über<br />

den alltäglichen Mangel, der aber auch ganz gut war, weil er das Improvisationstalent förderte. So<br />

konnte man sich auch mit Cola die Haare stylen und irgendwie ließen sich die Ersatzteile für das High-<br />

Tech-Fahrzeug namens Trabant beschaffen. Der „Westen“ konnte lachen, während der „Osten“ in<br />

Erinnerung schwelgte, als wäre die Mauer noch einmal aufgerichtet worden.<br />

Ja, die Mauer - eine 3,40 Meter hohe Betonwand, die nicht nur eine jahrhundertealte Stadt<br />

verschandelte, sondern auch Familien brutal trennte. Das war nicht gut, sagt man. Aber damit ist die<br />

Kritik auch am Ende und die DDR hat eine fast romantisch-soziale Wirkung auf die „Ostalgiker“<br />

projiziert .<br />

Und so werden einige elementare Dinge völlig vergessen. Wo spricht man über die NKWD-<br />

Speziallager, in denen zwischen 1945 und 1949 bis zu 100.000 Menschen umkamen? Es waren<br />

menschenverachtende Baracken, die von den späteren Führern der DDR gebilligt wurden. Wer<br />

erwähnt die Arbeitslager, die noch in den 60ern existierten, als der Mensch schon auf dem Weg zum<br />

Mond war? Bis zu 10.000 Häftlinge waren dort eingesperrt. Das wird gerne verschwiegen, alles läßt<br />

sich aber nicht verheimlichen. Das MfS mit seinen 90.000 hauptamtlichen- und 175.000 inoffiziellen<br />

Mitarbeiten wird alles Gute verzerren, spätestens durch das „Leben der Anderen“ sind die Untaten<br />

dieser Behörde wieder Gegenstand der öffentlichen Wahrnehmung. Also sollten wir uns mit dem<br />

Inhalt dieses Filmes beschäftigen, denn wir haben diese Zeit nicht miterlebt.<br />

Im Mittelpunkt stehen der Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler und der Dramatiker Georg Dreymann.<br />

Ersterer klärt zu Beginn an der Hochschule einige Nachwuchstalente über die Verhörmethoden des<br />

MfS auf. Es geht darum, den Menschen zu brechen, solange bis er sich endlich selbst als „Feind des<br />

Sozialismus“ entlarvt. Das ist Wieslers Welt, der Kampf gegen alle, die ein friedliches Zusammenleben<br />

in der DDR gefährden. Es ist eine ideologische Auseinandersetzung, die er führt. All das ändert sich<br />

mit einem Theaterbesuch eines Dreymann-Stückes, der ihn von einem ehemaligen Hochschulfreund<br />

(Grubitz) spendiert wird. Es beginnt eine Kettenreaktion, nachdem Wiesler Zweifel an der politischen<br />

Integrität des Dramatikers äußert.<br />

Der gewissenslose Karriererist Grubitz begegnet nach der Aufführung dem Minister Hempf, welcher<br />

Dreymann überwachen lassen will. Grubitz trifft sofort den richtigen Ton und schon hat er den<br />

Auftrag, die Sache zu erledigen. Er nimmt Wiesler mit ins Boot und die eigentliche Handlung beginnt.<br />

Die ganze Wohnung des Künstlers wird überwacht und die eingesetzten Spitzel dürfen nun an seinem<br />

Leben teilhaben. Wiesler ist jedoch schnell ernüchtert. Er entdeckt in der Künstlerszene eine ganz<br />

andere, eine wirklich wahrhaftige Lebendigkeit, die sein Leben nicht hat. Bei ihm gibt es keine Liebe,<br />

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