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Blaue Narzisse - Onlineartikel 2006/07

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Serie: Bücher aus der Mottenkiste (Teil 1). Demian.<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Samstag, den 15. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Der Vogel kämpft sich aus dem Ei.<br />

Das Ei ist die Welt.<br />

Wer geboren werden will,<br />

muss eine Welt zerstören.<br />

Der Vogel fliegt zu Gott.<br />

Der Gott heißt Abraxas.“<br />

Der Mensch muss (s)eine Welt zerstören, um sich selbst zu finden. Mit diesem Satz könnte man das<br />

Motto des wegweisenden Buches „Demian – Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend“, welches 1919<br />

erstveröffentlicht wurde, zusammenfassen. Es ist sozusagen die richtungsgebende Grundlage für<br />

Hesses Welterfolg „Der Steppenwolf“ und steht heute leider etwas zu sehr im Schatten, dieses<br />

zweifelsohne größten Werks Hesses – zu Unrecht – wie ich finde, zwar ist es nicht so groß und surreal<br />

wie der Steppenwolf, aber es ist einfühlsam und prägt den Leser mit einer Mischung aus sehnsüchtigemotionalem<br />

Suchen und knallhart–realistischer Analyse, in der sich der junge Leser zu jeder Zeit<br />

wiederzufinden vermag. Eine durchaus sehr lesenswerte Mischung.<br />

Aber worum geht es: Der etwa in der Mitte der Zwanziger stehende Emil Sinclair, welcher das Buch<br />

als Ich-Erzähler beschreibend strukturiert, führt den Leser episodenhaft durch seine Kindheit hin bis<br />

zu Jugenderlebnissen und beschließt die Reise mit dem Ende des Ersten Weltkrieges. Sinclair ist ein<br />

sehr sensibler Charakter – weich – leise – oft gehänselt – strebsam und fleißig – ein Muttersöhnchen.<br />

Dem Hessekenner fällt bereits hier der so Hessetypischste Menschentypus auf, ein wenig<br />

träumerisch, ein wenig verspielt, ein wenig Außenseiter. Schon jetzt werden starke<br />

autobiographische Züge erkennbar. Dieser Sinclair nun, trifft während seiner Schulzeit, auf den ihm<br />

völlig konträren Max Demian. Einige Jahre älter als er, besucht er trotzdem Sinclairs Klassenstufe, er<br />

ist selbstbewußt, geht auf die Leute zu und geht, wie Hesse es beschreibt „von Anfang an, eigenen<br />

subtilen und konsequenten Studien nach“ – anders als Sinclair ist er nicht Außenseiter aus fehlender<br />

Akzeptanz, sondern aus Passion. So lernen sich die beiden Außenseiter kennen und sie verbindet<br />

schnell eine innige Freundschaft – wenngleich Demian mehr die Rolle des großen Bruders inne hat<br />

und man sehr schnell davon ausgeht, dass er die dominante Person in dieser Freundschaft ist –<br />

Sinclair sieht von Anfang an zu ihm auf.<br />

Bereits ziemlich zu Anfang des Buches wird deutlich, dass die beiden mehr verbindet, als nur eine<br />

bloße Freundschaft. Demian wird immer mehr zum Lehrer Sinclairs – er bezeichnet ihn als einen „von<br />

ihnen“ und versucht ihn in vielen Situationen vor Gefahr und Unheil zu bewahren.<br />

Nach der Schulzeit trennen sich die Wege der beiden Freunde, doch einige Male trifft Emil auf Max,<br />

meist dann, wenn er es am wenigsten erwartet. Die Zeit des Studiums wird als eine Zeit des ziellosen<br />

Suchens beschrieben – eine Zeit in der Sinclair zwischen fanatischer Liebe, Alkoholexzessen und<br />

strikter Enthaltsamkeit hin- und herpilgert. Er lotet seine Grenzen aus, ist auf der Suche nach seinem<br />

Wesen, findet Antworten, die ihm kein Professor zu geben im Stande ist. Hesse bedient sich auch<br />

hier, seiner sehr typischen Schreibweise, welche die jugendlichen Gedankengänge so plastisch<br />

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