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Blaue Narzisse - Onlineartikel 2006/07

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Bl aue <strong>Narzisse</strong><br />

<strong>Onlineartikel</strong><br />

<strong>2006</strong>-20<strong>07</strong><br />

0


Inhaltsverzeichnis<br />

Die „Gefahr von rechts“ .......................................................................................................................... 9<br />

Wozu brauchen wir Parteien? ............................................................................................................... 10<br />

Ist das Internet ein Teil des Verkehrssystems? ..................................................................................... 11<br />

Zur Verfilmung von „Das Parfum“ ......................................................................................................... 12<br />

Auf dem linken Auge blind .................................................................................................................... 13<br />

Ein klein wenig „bloggen“ ..................................................................................................................... 14<br />

Schlachtfest der Medien – Über die Inszenierung der Tat des „Kannibalen von Rotenburg“ .............. 15<br />

Demokratieunterricht ........................................................................................................................... 16<br />

„Land der Wunder“ ............................................................................................................................... 18<br />

„Die sieben Samurai“............................................................................................................................. 19<br />

Frieden, Frieden über alles .................................................................................................................... 20<br />

"Hero" .................................................................................................................................................... 21<br />

Aufruf: Pressefreiheit für die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>"! .................................................................................... 22<br />

Flugblattaktion am 17. März <strong>2006</strong> ........................................................................................................ 23<br />

Neues aus Leipzig .................................................................................................................................. 24<br />

"Burschen schlachten!" - Methoden der Antifa .................................................................................... 25<br />

Gedichte ................................................................................................................................................ 26<br />

Dummheit .............................................................................................................................................. 28<br />

Einiges Europa ....................................................................................................................................... 29<br />

Die Neospießer ...................................................................................................................................... 30<br />

„Das Leben der Anderen“ – Eine Abrechnung mit dem MfS ................................................................ 31<br />

Überstädterung! .................................................................................................................................... 34<br />

Neofolk – mehr als nur eine Musikrichtung .......................................................................................... 35<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>. Von falschen Freunden und richtigen Feinden - Ein Resümee. ............................. 37<br />

Edwin Erich Dwinger: „ ...Und Gott schweigt ?“ ................................................................................... 41<br />

Zwischen Heulkrampf und ekstatischem Jubel - Gedanken zum gegenwärtigen Sprachgebrauch ...... 42<br />

„Mit viel Liebe und Engagement“ ......................................................................................................... 43<br />

Terror an der Rütli-Schule – Multikulti am Ende? ................................................................................. 44<br />

Heimat, wo bist du? .............................................................................................................................. 45<br />

Presse- und Meinungsfreiheit aus Europäischer Sicht. Ein Blick in die neue EU-Verfassung. .............. 46<br />

„Bist du am Leben interessiert?“ ........................................................................................................... 48<br />

Serie: Bücher aus der Mottenkiste (Teil 1). Demian. ............................................................................ 49<br />

Die multikulturelle Gesellschaft – eine Realität? .................................................................................. 51<br />

1


Wibke Bruhns: „Meines Vaters Land“ ................................................................................................... 54<br />

Macht und Verantwortung .................................................................................................................... 55<br />

Bier im Nachtbus ................................................................................................................................... 56<br />

Gedicht: der wald beginnt in der stadt ................................................................................................. 58<br />

Ankündigung: Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> expandiert nach Staßfurt ................................................................. 59<br />

Auswanderung – Die Fähigen gehen und die Dummen bleiben ........................................................... 60<br />

Serie: Bücher aus der Mottenkiste (Teil 2). Wladimir Kaminer: „Mein deutsches Dschungelbuch“. ... 61<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> auf Erfolgskurs. ....................................................................................................... 62<br />

Gedanken zu Aldous Huxley: „Schöne neue Welt. Ein Roman der Zukunft" ........................................ 63<br />

Wenn die Argumente ausgehen … ........................................................................................................ 66<br />

Der Zölibat des katholischen Priesters .................................................................................................. 68<br />

Das „andere Leben“ des Ulrich Mühe ................................................................................................... 69<br />

Bücher aus der Mottenkiste (3). Michail Bulgakow: „Der Meister und Margarita" ............................. 70<br />

Rekordverkauf in Staßfurt ..................................................................................................................... 71<br />

Heute: Vater- und Mutterlandsliebe zum Sonderpreis! ....................................................................... 72<br />

Unser ewiges Deutschland. Das Land der Dichter und Denker! ........................................................... 74<br />

Pünktlich zur WM: Deutschland über alles! Und das auch noch in den Feuilletons ... ......................... 75<br />

10 Thesen zum Thema: „Was passiert, wenn Deutschland Fußballweltmeister wird?“ ...................... 76<br />

Florians Ideen ........................................................................................................................................ 77<br />

Bücher aus der Mottenkiste (4). Heinrich Mann: „Der Untertan" ........................................................ 78<br />

Anonyme Post von der Antifa ............................................................................................................... 79<br />

Das Ende der Verkrampfung ................................................................................................................. 80<br />

Fussballästhetik ..................................................................................................................................... 81<br />

Walter Kempowski: Hamit. Tagebuch 1990 .......................................................................................... 82<br />

Vorankündigung: <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> im Radio. ........................................................................................... 83<br />

Bücher aus der Mottenkiste (5). Jostein Gaarder: „Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort" ..... 84<br />

Anfänge (1): Der Kapitalist .................................................................................................................... 85<br />

In was für einem Zeitalter leben wir? ................................................................................................... 88<br />

Anfänge (2): Der Anarch ........................................................................................................................ 89<br />

Ärger beim Chemnitzer Uni-Radio ........................................................................................................ 91<br />

Auf steinigen Pfaden ............................................................................................................................. 92<br />

Gedicht: chronos ................................................................................................................................... 94<br />

Adolf Hitler gestorben - Ein Nachruf ..................................................................................................... 95<br />

Anfänge (3): Unbekannter Wegbeobachter .......................................................................................... 97<br />

Symbole der Nation (2). Die Geschichte der deutschen Symbole ........................................................ 99<br />

2


Bücher aus der Mottenkiste (6). Franz Kafka: „Die Verwandlung" ..................................................... 100<br />

Sex im Internet .................................................................................................................................... 101<br />

Ein Armutszeugnis für unsere übersättigte Gesellschaft .................................................................... 101<br />

Virtueller Geschlechtsverkehr befriedigt ungenügend. ...................................................................... 101<br />

Horst Lange: Schwarze Weide ............................................................................................................. 103<br />

Die E-Mail ............................................................................................................................................ 104<br />

Grass – ein Sommerloch wird gefüllt .................................................................................................. 105<br />

Nachtrag zu: Die E-Mail ....................................................................................................................... 1<strong>07</strong><br />

Fuck you! ............................................................................................................................................. 108<br />

Islamische Meinungsführer disqualifizieren sich selbst! – Ein Anstoss zur Papst-Debatte ................ 110<br />

Riesenwirbel um nonkonforme Kölner Schülerzeitung ....................................................................... 113<br />

Revisionismus in Zeiten des intellektuellen Stillstandes ..................................................................... 115<br />

Gedicht: Aus fallenden Atomen .......................................................................................................... 117<br />

Mit Joachim Fernau über Geschichte sprechen .................................................................................. 118<br />

[/heretic] - Die unabhängige Jugendzeitung ....................................................................................... 119<br />

Am 7. Oktober <strong>2006</strong> – 57 Jahre danach .............................................................................................. 120<br />

na klar! ................................................................................................................................................. 122<br />

TDCler äußern sich zu ihrer Community ............................................................................................. 123<br />

Triff Deinen Chemnitzer. Eine Parallelgesellschaft wächst heran ....................................................... 125<br />

Höhere Wesen: Jean Baptiste Grenouille............................................................................................ 126<br />

Daniel Kehlmann: „Die Vermessung der Welt“ ................................................................................... 128<br />

Anstoß für Querdenker und ihre Zeitungen ........................................................................................ 129<br />

Gegenwinddurchlässig – ein Vorstoß in luftleeres Land. .................................................................... 130<br />

Chatten, Chatten, Chatten .................................................................................................................. 132<br />

Ode der Fragen .................................................................................................................................... 133<br />

Diffamierung der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> ....................................................................................................... 135<br />

Die Inszenierung zweier Genies .......................................................................................................... 136<br />

Was ist ein Podcast? ............................................................................................................................ 138<br />

Punktlandung ...................................................................................................................................... 139<br />

„Children of Men“: Keine Kinder, keine Hoffnung .............................................................................. 140<br />

Jubel bei allen arbeitslosen Sozialpädagogen ..................................................................................... 141<br />

Wo bleibt der Erfolg der Maßnahmen? .............................................................................................. 141<br />

Schweigt! ............................................................................................................................................. 142<br />

Politisch korrekte Schreibweise .......................................................................................................... 143<br />

Mensch und Computer ........................................................................................................................ 144<br />

3


Packende Action und echtes Agentenflair .......................................................................................... 145<br />

<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> 20<strong>07</strong> ............................................................................................................................ 146<br />

Ein Symptom dieser Gesellschaft ........................................................................................................ 147<br />

Über Helmut Kraussers Eros ................................................................................................................ 149<br />

Die Realität des Linksextremismus ...................................................................................................... 151<br />

Sei doch auch mal totalitär! ................................................................................................................ 153<br />

Bravo, Frau Künast! ............................................................................................................................. 154<br />

Triumphzug der Massen ...................................................................................................................... 155<br />

Im Gespräch: Stefan Herre von politicallyincorrect.de ....................................................................... 157<br />

Multikulturalismus und politischer Islam ............................................................................................ 158<br />

Die Ursprünge des Individualismus in der Antike ............................................................................... 160<br />

Der neuzeitliche Individualismus......................................................................................................... 162<br />

„Wenn Literatur politisch wird, ist sie fast immer schlecht!“ ............................................................. 164<br />

Terror lohnt sich wieder ...................................................................................................................... 166<br />

„Refugium gegen mainstream-kompatiblen Populismus von lechts und rinks“ ................................. 168<br />

Eigentum und youth bulges................................................................................................................. 170<br />

Stauffenberg. Der Kampf eines Idealisten ........................................................................................... 172<br />

Nährboden für die Gewalt von links .................................................................................................... 174<br />

Der Waldgang ...................................................................................................................................... 176<br />

Mythos pB! Theodor Körner zu Chemnitz ........................................................................................... 177<br />

Kirchentag: Lebendig und kräfitg und schärfer? ................................................................................. 179<br />

Ralph Giordano für kulturelle Selbstbestimmung ............................................................................... 181<br />

Gerd Schultze-Rhonhof: 1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte ....................................................... 183<br />

Perspektivlosigkeit führt zu Sozialismus ............................................................................................. 185<br />

Gegenöffentlichkeit im Netz ............................................................................................................... 186<br />

Rauschender Strom, brausender Wald – Heimat und Seelenformung im Lichte der FDGO .............. 187<br />

Sie fielen für Demokratie und Emanzipation … ................................................................................... 190<br />

Binnenmigration: „Für eine bessre Zukunft, verlassen wir die Heimat auch!“ ................................... 193<br />

Georg Quabbe: „Tar a Ri” – Variationen über ein konservatives Thema ............................................ 195<br />

Multi-Kulti-Kriminalität explodiert ...................................................................................................... 197<br />

Demokratie am Scheideweg ................................................................................................................ 199<br />

Demokratismus als Ideologie .............................................................................................................. 202<br />

Veränderbarkeit des Staates und der Demokratie ............................................................................. 204<br />

Ernst Jünger: Strahlungen ................................................................................................................... 2<strong>07</strong><br />

"Revolution und Fotze" ....................................................................................................................... 209<br />

4


Menetekel Afghanistan: Der Krieg, der nicht zu gewinnen ist. ........................................................... 211<br />

Die Geschichte vom Expat ................................................................................................................... 214<br />

Juden in der Wehrmacht ..................................................................................................................... 218<br />

Oswald Spengler – Der optimistische Pessimist .................................................................................. 221<br />

Edgar Julius Jung – Vordenker eines neuen Staates ........................................................................... 224<br />

Die Zwangsehe mit dem Islam PDF ................................................................................................. 227<br />

Klemens von Klemperer – ein konservativer Kritiker der Konservativen Revolution ......................... 228<br />

„Wir nennen es Arbeit“ ....................................................................................................................... 230<br />

Ernst Niekisch und die dritte imperiale Figur ...................................................................................... 231<br />

Die Tragik des deutschen Denkens – Friedrich Hölderlin .................................................................... 234<br />

Dekadenz und omnipräsente Gedankenlosigkeit ............................................................................... 236<br />

Armin Mohler und sein Credo ............................................................................................................. 238<br />

Die Lindenstraße ................................................................................................................................. 241<br />

„Bornholmer Straße“ statt „Lindenstraße“ ......................................................................................... 243<br />

Gutmenschen in der Bornholmer Straße ............................................................................................ 245<br />

„Im Kampf gegen den Untergang der deutschen Kultur kommt Mitteldeutschland eine Schlüsselrolle<br />

zu.“....................................................................................................................................................... 248<br />

Revolutionen und ihre Vorwehen ....................................................................................................... 250<br />

„Dem Burschi-Treffen entgegentreten!“ ............................................................................................ 252<br />

„Brothers Keepers“: Die schwarzen Hassprediger .............................................................................. 253<br />

Eliteuniversitäten: Amerikanische Exzellenz im Wettbewerb mit deutscher Gleichheit .................... 255<br />

Russische Polizisten im Einsatz gegen Spätaussiedler? ....................................................................... 257<br />

Über die Klimakatastrophe und andere Katastrophen ....................................................................... 259<br />

Lebensstile 2020: Die Dekadenz schreitet voran ................................................................................ 260<br />

Die Gefahr des Bürgerkrieges .............................................................................................................. 262<br />

Der Integrations-„Rausch“ der Politik ................................................................................................. 265<br />

10 Jahre Schicksalsjahr 1997: Die Wehrmachts-Ausstellung .............................................................. 268<br />

Sch(r)äuble locker? .............................................................................................................................. 270<br />

Die natürliche Ordnung ....................................................................................................................... 273<br />

Bunt statt braun .................................................................................................................................. 275<br />

Bismarcks Urenkel ............................................................................................................................... 277<br />

Wenn der Staat ein Moloch ist ............................................................................................................ 280<br />

„Konservativ sein ist richtig chic geworden.“ ...................................................................................... 283<br />

Der Türkensturm ................................................................................................................................. 285<br />

Antigermanismus - Der alltägliche Rassismus gegen Deutsche .......................................................... 288<br />

5


Russland - Rückkehr einer Weltmacht ................................................................................................ 292<br />

Tschetschenien - Krieg ohne Ende ...................................................................................................... 296<br />

„Wehrhafte Demokraten“ als Sektenjäger.......................................................................................... 300<br />

Wenn Kinder fehlen, ist eine Welt krank. ........................................................................................... 302<br />

„Denn der Mensch ist ein Raubtier …“ ................................................................................................ 304<br />

Alternativloser Schulzwang ................................................................................................................. 3<strong>07</strong><br />

Mügeln: Ein neuerliches Sebnitz ......................................................................................................... 308<br />

Schuldkult: „Nicht ein positives Wort über das Vaterland.“ ............................................................... 309<br />

Politische Beeinflussung von Schülern an Gymnasien ........................................................................ 312<br />

Ein Wort zu den sozialistischen Populisten von der NPD .................................................................... 314<br />

Die Gründung der Jenaer Urburschenschaft ....................................................................................... 315<br />

Mügeln und das neu geforderte NPD-Verbotsverfahren .................................................................... 317<br />

Regierungskrise in Belgien................................................................................................................... 319<br />

Wolfgang Sofsky: Verteidigung des Privaten. Eine Streitschrift .......................................................... 320<br />

Der Wandervogel in Japan .................................................................................................................. 321<br />

Richard Wagner: Das reiche Mädchen ................................................................................................ 323<br />

Eine wichtige Übung: Distanzieren ...................................................................................................... 324<br />

Moscheebau in Berlin: Eine demokratische Farce .............................................................................. 326<br />

Der Fall „Eva Herman“: Ein ereignisloses Spektakel............................................................................ 330<br />

Das dichterische und mythopoetische Kunstwerk von Oswald Spengler: Der Untergang des<br />

Abendlandes ........................................................................................................................................ 331<br />

Das Hambacher Fest 1832: „Wir pflanzen die Freiheit, das Vaterland auf!“ ...................................... 334<br />

Nazis gegen rechts ............................................................................................................................... 340<br />

Ein Wort zum Libertarismus ................................................................................................................ 342<br />

Carl Schmitt – Inquisitor gegen Moralismus und Entwurzelung ......................................................... 344<br />

Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn: Demokratie – Eine Analyse ........................................................... 348<br />

Multikulturelle Gesellschaft: Die Geburt eines Vielvölkerstaates ....................................................... 349<br />

Islampolitische Bruchlinien zwischen Libertären, Rechten und Liberalen .......................................... 350<br />

Familienpolitische Provokationen: Eva Herman und Gabriele Pauli ................................................... 352<br />

Das Standardwerk des volklichen Denkens ......................................................................................... 353<br />

Nicht radikal genug .............................................................................................................................. 356<br />

Der Umgang mit der RAF ..................................................................................................................... 357<br />

Ein Schock: Grüne Nazis? .................................................................................................................... 358<br />

Die Bildungslüge: Eine Anklage staatlicher Phantasielosigkeit ........................................................... 359<br />

Demokratie und Privatheit .................................................................................................................. 361<br />

6


Gentechnisch manipuliertes Essen? Nein Danke! ............................................................................... 363<br />

Pazifismus der Gedanken ODER die Schwäche des Geistes der heutigen Jugend .............................. 364<br />

Zum 90. Todestag von Walter Flex ...................................................................................................... 366<br />

Im Gespräch: Henryk M. Broder .......................................................................................................... 368<br />

Der Wanderer zwischen beiden Welten ............................................................................................. 372<br />

Die Linke und der Islam ....................................................................................................................... 375<br />

Die Wippermann-Krankheit: Linksblind .............................................................................................. 377<br />

Flex und die Ideen von 1914 ............................................................................................................... 379<br />

Verfassungsschutz und Bürgerfreiheit in NRW ................................................................................... 381<br />

Der Streit um die deutsche Nachkriegsdemokratie ............................................................................ 384<br />

Nachkriegsdemokratie II ..................................................................................................................... 385<br />

Diekmann und die 68er ....................................................................................................................... 388<br />

"Invasion": Angriff der Gleichmacher .................................................................................................. 389<br />

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ Art. 3 Abs. 2 GG ............................................................ 391<br />

Ein Wort zum Thema Gesundheit ....................................................................................................... 392<br />

Carl Schmitt, die Neocons und der Kampf gegen den Terror .............................................................. 393<br />

Joschka Fischer – Friedensnobelpreisträger in spe? ........................................................................... 397<br />

Spengler: Jahre der Entscheidung ....................................................................................................... 399<br />

Der Fall Eva Herman ............................................................................................................................ 404<br />

Aus Amoklauf wird Selbstmord ........................................................................................................... 405<br />

Michael Vogt: „Die Mechanismen der medialen Hinrichtung funktionieren ausgezeichnet.“ ........... 408<br />

Wie ein radikaler Verlierer zum Amokläufer wird .............................................................................. 411<br />

Konsequenter Liberalismus: Ludwig von Mises .................................................................................. 412<br />

Frankreichs Vorstadt-Intifada .............................................................................................................. 419<br />

Das deutsche Schulsystem – ein Erfolg! .............................................................................................. 421<br />

Reihe zum Libertarismus: Manchester heute ..................................................................................... 423<br />

Die Wahrheit der Religion II ................................................................................................................ 425<br />

Der Trost des Christentums ................................................................................................................. 427<br />

Was für ein Theater mit „Faust“.......................................................................................................... 429<br />

Jenseits von Gut und Böse? ................................................................................................................. 430<br />

Liberalismus und Anarchismus in eine Front! ..................................................................................... 432<br />

War Jesus ein Irrer? ............................................................................................................................. 436<br />

Ab ins alternative Altersheim: Die GRÜNEN werden alt. .................................................................... 438<br />

Kluge Bescheidenheit und Politik der Skepsis: Anmerkungen zum Philosophen Michael Oakeshott 440<br />

Das Kreuz mit dem Kreuz .................................................................................................................... 443<br />

7


Götz Kubitschek: Provokation ............................................................................................................. 449<br />

Der neue Mensch ................................................................................................................................ 451<br />

Politically Incorrect im Fadenkreuz des WDR ...................................................................................... 453<br />

Die Weihnachtsgeschichte .................................................................................................................. 455<br />

Oswald Spengler intim: Haß, Schmerz und Ekel .................................................................................. 457<br />

Ein 17jähriger Grieche und ein 20jähriger Türke ................................................................................ 460<br />

8


Die „Gefahr von rechts“<br />

Marco Kanne<br />

Freitag, den 02. Februar 20<strong>07</strong> um 15:46 Uhr<br />

Immer wieder dürfen wir den Medien Schreckensnachrichten über die vorgebliche Gefährlichkeit des<br />

Phänomens „Rechtsextremismus“ entnehmen. Und wenn man die jeweiligen Meldungen liest, so<br />

kann man als Beobachter den Eindruck bekommen, es gäbe eine tatsächliche „Gefahr von rechts“.<br />

Nehmen wir uns die offiziellen Zahlen des „Bundesamtes für Verfassungsschutz“ (VS) zur Hand. Das<br />

Personenpotential von tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten beläuft sich auf 39 000.<br />

Die Statistik weist für das Jahr 2005 15 361 Straftaten insgesamt aus, die durch tatsächliche oder<br />

vermeintliche Rechtsextremisten begangen wurden. Eine auf den ersten Blick erschreckende Zahl.<br />

Unter diesen 15 361 Straftaten befinden sich nun laut Bundesamt 958 Gewalttaten. Das macht einen<br />

Anteil von rund 6,2% der rechtsextremen Gesamtstraftaten. Wobei handelt es sich dann aber bei den<br />

restlichen 93,8%?<br />

Zahlen sagen mehr als tausend Worte ... über den Rechtsextremismus<br />

Die Masse der nicht mit Gewalt zusammenhängenden rechtsextremen Straftaten sind<br />

„Propagandadelikte“, also beispielsweise das Zeigen von Kennzeichen verfassungswidriger<br />

Organisationen (z.B. Hakenkreuz), oder eine schriftliche Meinungsäußerung, die als<br />

„volksverhetzend“ eingestuft wird.<br />

Warum stehen rechtsextreme Meinungsäußerungen – die sogenannten „Propagandadelikte“ – unter<br />

Strafe? Man will damit angeblich die „Würde der Opfer“ schützen. Ist dies nicht ein berechtigtes<br />

Anliegen? Das mag es mit Sicherheit sein, wenn es wirklich darum ginge, die Menschenwürde zu<br />

schützen. Aber selbst dann bliebe noch die Frage zu stellen, ob es der richtige Weg ist, eben<br />

Meinungsäußerungen zu bestrafen, die angeblich eben diese Würde verletzten würden, oder ob<br />

nicht die offene, freie und argumentative Auseinandersetzung den Opfern viel mehr gerecht würde,<br />

weil man sich dann wirklich argumentativ für diese engagieren würde? Und bedeutet<br />

Meinungsfreiheit als unverzichtbare Grundlage der freiheitlichen Demokratie nicht auch, ein Recht<br />

darauf zu haben, den größten Stuß und die größte Geschmacklosigkeit von sich geben zu dürfen,<br />

ohne Angst davor haben zu müssen, für diese Meinung in eine Gefängniszelle geworfen zu werden?<br />

Es steht unter Strafe, die „nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft“ zu verherrlichen oder<br />

zu billigen und ihre Verbrechen zu leugnen, weil dies die „Würde der Opfer“ verletzen würde.<br />

Demgegenüber scheint es aber die „Würde der Opfer“ nicht zu verletzen, wenn Linksextremisten die<br />

Vernichtung Deutschlands mit Parolen wie „Deutschland von der Karte streichen. Polen muß bis<br />

Frankreich reichen!“ fordern oder wenn sie beispielsweise am Jahrestag der schweren alliierten<br />

Bombenangriffe auf Dresden 1945 skandieren „Bomber Harris, do it again!” (“Bomber Harris, mach<br />

es noch mal!”), wenn sie also die Vernichtung menschlichen Lebens propagieren.<br />

Zweierlei Maß<br />

Wenn ein Linksextremist äußert, die Gulags in der Sowjetunion wären „geil“ gewesen, kann er damit<br />

rechnen, daß ihm diese Äußerung im Rahmen der Meinungsfreiheit zugestanden wird. Ein<br />

tatsächlicher Neo-Nazi, der die nationalsozialistischen KZs „geil“ findet, und dies auch äußert, der<br />

dürfte sich demgegenüber umgehend auf der Anklagebank wiederfinden.<br />

9


Wozu brauchen wir Parteien?<br />

Felix Menzel<br />

Mittwoch, den 10. Januar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das Interesse der Bürger am Parteienklüngel ist mittlerweile so gering, daß sich die Frage nach der<br />

Legitimation von Parteien von selbst ergibt. Wer sieht heute noch seine Interessen oder die des<br />

deutschen Volkes durch irgendeine Partei gut repräsentiert? Unternehmen und nicht-staatliche<br />

Institutionen können die Aufgaben von Parteien nicht viel schlechter erledigen, als diese es derzeit<br />

tun.<br />

Eine großartige Besserung würde die Abschaffung von staatlich geförderten Parteien allerdings nicht<br />

bringen. Aber wenigstens gäbe es dann eine Organisationsform weniger, die Intrigen fördert und<br />

unzählige Charaktere verdirbt.<br />

Die Emporkömmlinge von Parteien: Gerissene und Anpassungsfähige<br />

Innerparteiliche Demokratie ist zu einer Auslese der Gerissensten und Anpassungsfähigsten mutiert.<br />

Wem es um inhaltliche Akzente geht, der steht in Parteien auf verlorenem Posten. Nicht die Denker<br />

und Erneuerer setzen sich in einer Partei durch, sondern diejenigen, die es allen recht machen.<br />

So kommt es, daß immer wieder die gleichen heuchlerischen Typen auf der Karriereleiter der<br />

politischen Posten aufsteigen. Wenn diese dann seßhaft in den gemütlichen Sesseln der Ämter und<br />

Parlamente geworden sind, unterliegen sie nicht mehr dem Erfolgsprinzip. Einzig das Votum der noch<br />

zur Wahl gehenden Bürger zählt. Und leider gewinnt bei Wahlen nie der Kompetenteste.<br />

Die Regierung und die Parlamentarier sind vom Erfolgsprinzip abgekoppelt. Dies wirkt sich<br />

verheerend auf die Ergebnisse der Politik aus. Wenn Parlamentarier mißwirtschaften, so müssen<br />

nicht sie selbst die Suppe auslöffeln sondern der Bürger.<br />

Mißwirtschaft bleibt für Politiker meist folgenlos.<br />

Ein weiterer entscheidender Punkt: Parteien können willkürlich staatliche Macht einsetzen und<br />

niemand zieht sie für den Mißbrauch dieses Rechts zur Rechenschaft. Ein Beispiel dieser Willkür ist<br />

die Existenz und der Einsatz des Verfassungsschutzes. Warum gibt es ihn überhaupt?<br />

Wenn politische Bestrebungen kriminell sind, dann müssen sie von der Kriminalpolizei verfolgt<br />

werden. Wenn sie nicht kriminell sind, dann sind sie folgerichtig legal und schützenswert. Der<br />

Verfassungsschutz hingegen pickt sich Bestrebungen heraus, die nicht kriminell sind, die dem Staat<br />

aber trotzdem ein Dorn im Auge sind. Parteipolitiker und parteiliche Beamte setzen den<br />

Verfassungsschutz als Kampfmittel zur Festigung der eigenen Meinungsmacht ein. Der Staat<br />

vernichtet so geistiges Potential für unser Land. Kontroverse politische Konzepte erstickt er im Keim.<br />

Ist die Abschaffung von Parteien ein Fortschritt?<br />

Vielleicht ist es in einer Zeit, in der Berufspolitiker, die nichts anderes können, als schlechte,<br />

verantwortungslose und langweilige Politik zu machen, bereits ein Fortschritt, wenn man<br />

Berufspolitiker durch kompetente Persönlichkeiten aus Medien, Wirtschaft und privaten<br />

Organisationen ersetzt, die Schwarz auf Weiß Erfolge vorzeigen können. Wahrscheinlicher ist jedoch,<br />

daß sich die heute noch erfolgshungrigen Unternehmer sehr schnell an die Sessel der Ämter und<br />

Parlamente gewöhnen.<br />

10


Ist das Internet ein Teil des Verkehrssystems?<br />

Martin Lochschmidt<br />

Mittwoch, den 17. Januar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Was hat ein PC mit der Eisenbahn zu tun? Eigentlich nichts! Doch wenn man einen Zugang zum<br />

Internet nutzt? Auch dann besteht noch ein Unterschied, ob man durch die Gegend gefahren wird<br />

oder ob man sich bunte Seiten anschaut. Um Gemeinsamkeiten zu finden muss schon etwas länger<br />

gesucht werden, z.B. in der Vergangenheit.<br />

In den letzten Jahrhunderten wurden Briefe noch mit der Postkutsche und später mit der Eisenbahn<br />

transportiert. Heute gibt es mit der E-Post eine hervorragende Ergänzung dazu, vor allem für<br />

kurzfristige Mitteilungen, die in einem Telefongespräch nicht ausreichend kommuniziert werden<br />

können. Allerdings handelt sich dabei um das allgemein bekannte Paradebeispiel.<br />

Was ist Verkehr?<br />

Verkehr bedeutet nichts weiter als die Ortsveränderung von Gütern und Personen. Wenn wir uns den<br />

Gütern zuwenden, wird uns schnell klar, dass etliche Sachen über das Netz transportiert werden<br />

(Transport: lat.: hinüber tragen). Das fängt beim Geld an, geht weiter mit Musik und hört irgendwann<br />

bei der Bildung auf.<br />

Das Internet - eine riesige Datenautobahn?<br />

Früher musste man für alle zu transportierenden Informationen ein konventionelles Verkehrsmittel<br />

nutzen, heute funktioniert eben vieles elektronisch. Wer zieht denn nicht drei einfache Klicks einem<br />

langen Besuch in der Sparkasse vor? Warum Bücher lesen und Informationen suchen, wenn im<br />

Internet doch alles komprimiert geschrieben steht? Damit wird klar, was das Internet eigentlich ist,<br />

es vernetzt die ganze Welt und hat eine eigene Infrastruktur, die Teile des Verkehrssystems<br />

übernimmt und andere Teile ankurbelt, wie z.B. die Paketbeförderung von ersteigerten Gütern aus<br />

Internetauktionshäusern, für die es vorher gar keinen Markt gab.<br />

Zügiger Transport von Daten und Gütern<br />

Man kann einen gewissen Teil seines Lebens ausschließlich über das weltweite Netz planen. Natürlich<br />

bleibt der Rest nicht auf der Strecke, denn Bücher sind den Falschinformationen vorzuziehen, die<br />

man teilweise findet und in fremden Ländern ist man auch nur dann gewesen, wenn man sie<br />

betreten hat und nicht mit „Google Earth“ bestaunt hat.<br />

Für den modernen Menschen sind alle diese Informationen sicher nicht neu. Alle anderen seien<br />

jedoch dezent darauf hingewiesen, dass das Internet, trotz aller Schwächen, eben ein Teil des<br />

internationalen Verkehrssystems ist und das man damit arbeiten muss, auch wenn man schon 50 ist.<br />

Denn „kein Verkehr“ bedeutet nichts anderes als Stillstand.<br />

11


Zur Verfilmung von „Das Parfum“<br />

John Palatini<br />

Dienstag, den 31. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Vorab hieß es, die Verfilmung von Patrick Süskinds Erfolgsroman „Das Parfum“ sei stellenweise so<br />

schockierend, dass zahlreiche Kinobesucher den Saal noch vor Ende des Films verlassen mussten.<br />

Angeheizt durch diese Sensationsmeldung saßen in der Vorstellung wohl auch einige Kinogänger, die<br />

den Film ohne derart geschickt platzierte Publicity nicht angesehen hätten. Nach gut einer Stunde<br />

bemerkt man diese im Kinosaal zwangsweise, weil sie hörbar überfordert sind. Oder richtiger<br />

ausgedrückt: Sie langweilen sich. Währenddessen verstehen ihre jeweiligen Freundinnen zwar auch<br />

nicht so recht, worum es nun eigentlich geht, doch vor lauter Empathie mit den dahinsterbenden<br />

Schönheiten sind sie zumindest gerührt.<br />

Auf jeden Fall gilt: Das Buch ist besser. Natürlich! Beim Lesen erschafft sich der Leser eine mentale<br />

Projektion des Textes, die im Grunde zwangsläufig durch die Manifestation des prinzipiell<br />

Unausdeutbaren auf der Kinoleinwand enttäuscht werden muss. Denn während der Leser förmlich in<br />

die orgiastische Bildwelt des Romans hineingezogen wird und seine Fantasie, wie bei kaum einem<br />

anderen Text, köstliche Schwerstarbeit verrichten darf, stehen dem Kinobesucher die Bilder bereits<br />

vor Augen. Dieses grundsätzliche Problem einmal außer Acht gelassen, ist der Film auf den ersten<br />

Blick durchaus gelungen. Der belesene Zuschauer wird in eine Welt versetzt, die der vorgestellten<br />

wahrscheinlich recht nahe kommt: Die Handlung ist nah an der Romanvorlage; die Frauen sind<br />

ausgesprochen hübsch und sinnlich; viele Bilder, so das herrliche Lavendelfeld, sind wunderschön.<br />

Dennoch: Gerade im selbsttätigen Erschaffen eines durch den Text inspirierten Duftuniversums liegt<br />

der eigentliche, der sinnliche Reiz gerade dieses Romans und wohl auch die Ursache seines Erfolges.<br />

Dass der Film dies nicht zu leisten vermag, kann man Regisseur Tom Tykwer kaum vorwerfen. Sehr<br />

schade allerdings sind einige Abweichungen von der Vorlage gerade bei entscheidenden Details,<br />

durch welche die Radikalität der Geschichte letztendlich entwertet wird.<br />

Das Buch ist besser. Natürlich!<br />

Die Story ist, auch wenn der Untertitel die Geschichte eines Mörders ankündigt, keine<br />

Kriminalgeschichte. Vor allem ist Jean Baptiste Grenouille kein normaler Mensch und eben deshalb<br />

auch kein normaler Mörder. Die Geschichte von Jean Baptiste Grenouille ist aber die Geschichte<br />

eines außerhalb der menschlichen Ordnung stehenden Genies. Der Film allerdings leistet nicht, was<br />

Patrick Süskind mit seiner Romanvorlage gelang. Vor allem die angedeutete Sehnsucht nach der<br />

liebenden Nähe eines anderen Menschen und das darin enthaltene Bedauern der eigenen Taten,<br />

lassen Grenouilles Tod am Ende wie die Tat eines einsamen und traurigen Menschen aussehen.<br />

Der Film entwertet die Radikalität der Geschichte.<br />

Von dieser Warte aus ist der Film eine Enttäuschung, denn gerade auch in der Verfilmung hätte die<br />

Chance bestanden, den Zuschauer völlig ratlos und allein zurückzulassen, ihn also zu schockieren,<br />

anstatt ihn mit einer abgegriffenen Erklärung des Unerklärlichen abzuspeisen, ihn letzten Endes um<br />

die Wirkung eines Kunstwerks zu betrügen. Und so waren am Ende wohl viele, anspruchsvollere<br />

Zuschauer ebenso wie jene, die eine fulminante Jagd nach einem frauenmordenden Ungeheuer<br />

erwartet hatten, enttäuscht, oder aber gelangweilt. Letztendlich wird von Tom Tykwers Verfilmung<br />

wenig bleiben: Einige schöne Bilder, manchem wird auch die Musik gefallen haben, oder, um es mit<br />

einem Bild zu sagen: Der Film ist wie ein etwas zu schweres Parfum, das die Nase kurz streift, dann<br />

aber schnell verblasst, ohne, wie es manch anderen Düften gelingt, eine große Sehnsucht zu wecken.<br />

12


Auf dem linken Auge blind<br />

Marco Kanne<br />

Dienstag, den 30. Januar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Was für einen Grund gibt es für den 21 Millionen Steuer-Euro teuren, staatlichen „Kampf gegen<br />

Rechts“, wenn die offiziellen Zahlen jedenfalls eine geringere Gewalttätigkeit von Rechtsextremisten<br />

im Vergleich zu Linksextremisten belegen, die ja als Grundlage für eben diesen gelten, mal ganz<br />

davon abgesehen, daß es schon für eine angeblich freiheitliche Demokratie zwielichtig ist, wenn der<br />

Staat überhaupt gegen Meinungen vorgeht.<br />

Warum ist der Rechtsextremismus also die „größte Gefahr für die Demokratie“, wenn<br />

Rechtsextremisten sogar weniger gewalttätig sind als Linksextremisten? Warum wird keine<br />

äquivalente Menge an Finanzmitteln oder überhaupt Finanzmittel für einen „Kampf gegen Links“ zu<br />

Verfügung gestellt, wenn doch die höhere Gewaltbereitschaft linksextremer statistisch belegt ist?<br />

Linksdominierte Medien<br />

Diese Fragen sind nur dann zu beantworten, wenn man den vorgeblichen Grund für den staatlichen<br />

„Kampf gegen Rechts“ beiseite läßt, nämlich die Zahlen, die ja zu anderem Ergebnis führen müssen.<br />

Der Grund ist der, daß eben Linksextremisten links sind und damit im Grunde jene Ziele und<br />

Vorstellungen teilen, die auch das linksdominierte Medienestablishment teilt und welches dann<br />

natürlich auch die Politik unter Konformitätsdruck zu setzen im Stande ist. „Linksdominiert“ heißt in<br />

diesem Falle, daß sich nach einer Selbsteinschätzung im Rahmen der Studie „Journalismus in<br />

Deutschland“ der Universität Hamburg aus dem Jahr 2005, die deutliche Mehrheit der Journalisten<br />

als „links von der Mitte“ definiert, was sich dann auch in den entsprechenden Parteipräferenzen<br />

niederschlägt, an der Spitze Bündnis 90/Grüne mit 35,5% (!) gefolgt von der SPD mit 26; die CDU/CSU<br />

liegt weit abgeschlagen bei 8,7%. Es ist daher nicht verwunderlich, daß eine Einseitigkeit in der<br />

medialen Berichterstattung vorherrscht.<br />

Während jeder auch nur vermeintliche „Angriff“ durch angebliche „Rechtsextremisten“ zu einem<br />

Ereignis bundesweiter Bedeutung stilisiert und zu einer akuten „Gefahr für die Demokratie“<br />

phantasiert wird, so wie dies jüngst im „Fall Ermyas M.“ geschah, so werden Überfälle durch<br />

Linksextremisten und andere protegierte Gruppen gar nicht erst zur Sprache gebracht.<br />

Das Fazit<br />

Nach der Analyse der vorgebrachten Fakten, nach der Entblätterung des Kerns der Wahrheit steht<br />

nun der unabweisbar der Grund für das einseitige politische Klima in der Bundesrepublik<br />

Deutschland nackt und ungeschminkt da. Es geht im Grund nur um eins, um Macht und um die<br />

Sicherung der eigenen Vorteile. Natürlich, ein intellektuell und polisch offenes Meinungsklima wäre<br />

eine Gefahr für die linken Besitzstandswahrer in Politik, Medien und Kulturbetrieb. Ihre Positionen<br />

und Pensionen wären gefährdet, würden Mißstände und Versagen, welches sie mittelbar oder<br />

unmittelbar zu verantworten haben, offen angesprochen und die Konsequenzen dafür gezogen<br />

werden.<br />

Darum ist man auf dem linken Auge blind, weil man sich fürchtet. Das linksgerichtete Establishment<br />

fürchtet sich davor, daß wenn die entfachte Hysterie und die staatlich koordinierte und finanzierte<br />

Repression gegen alle(s), was rechts oder auch nur nicht links ist, nachläßt oder gar aufhört, daß man<br />

sich eben dann jenen annimmt, die für die wahren Probleme verantwortlich sind oder diese<br />

beschönigen und verharmlosen. Sie fürchten sich vor der Freiheit und das zu Recht!<br />

13


Ein klein wenig „bloggen“<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Es gibt einen neuen Trend im Internet oder er ist schon älter und ich habe ihn nur verpaßt, was nicht<br />

sonderlich schlimm wäre.<br />

Ich spreche jedenfalls von „Blogs“ und ihren Urhebern, den sogenannten „Bloggern“. „Blogs“ sind<br />

kleine Tagebücher, in denen man seine Fahrten durch das World Wide Web dokumentiert, andere<br />

für sich und seine Umwelt immens wichtigen Dinge kommentiert oder die Inhalte anderer Netzseite<br />

kritisiert. Für jene, die den aktuellen Errungenschaften unserer globalen Welt ebenfalls<br />

hinterherhinken, sei außerdem noch angemerkt, daß aufgrund der Einfachheit wirklich jedermann<br />

sich einen „Blog“ anlegen kann.<br />

Die neue Errungenschaft der „Blogs“, die als geballter Beweis für die Mündigkeit der Internetnutzer<br />

herhalten muß, verschafft dem gewillten, nach Informationen suchenden Leser ein noch größeres<br />

Chaos. Die Selektion, welche Informationen tatsächlich diese Bezeichnung verdienen und welche<br />

nicht, wird immer schwieriger. Der Pluralismus wird rein quantitativ ins Unendliche gesteigert. Für<br />

wen dies von Vorteil ist, bleibt fraglich.<br />

Unabhängig vom möglichen Nutzen dieser „Blogs“ finde ich es geradezu grotesk, daß bei vielen<br />

Menschen das Bedürfnis entstanden ist, ein öffentliches Tagebuch zu führen. Scheinbar angesteckt<br />

von den vorabendlichen Boulevard-Nachrichten und der Berichterstattung über die bewegenden<br />

Tagesabläufe der Promis möchten viele „Blogger“ diesen im wohlgehüteten Versteck der Virtualität<br />

nachahmen.<br />

14


Schlachtfest der Medien – Über die Inszenierung der Tat<br />

des „Kannibalen von Rotenburg“<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Im März 2001 ging ein Raunen durch den deutschen Blätterwald. Der „stern“ hatte mit seiner<br />

Reportage über den „Kannibalen von Rotenburg“, Armin Meiwes, gespickt mit unzähligen Details wie<br />

dem Verspeisen der Genitalien des freiwilligen Opfers Bernd B. geschockt. Als pietät- und<br />

verantwortungslos geißelte die Medienlandschaft die Berichterstattung des Wochenmagazins „stern“<br />

damals.<br />

Inzwischen steht allerdings fest, daß sich die Bedenkenträger nicht durchsetzen konnten. Zum<br />

fünfjährigen Jubiläum der Tat des „Kannibalen von Rotenburg“ erleben wir ein „Revival“ des Falles.<br />

Neben dem Prozeß gegen Meiwes wegen Mordes erregt dabei insbesondere ein über die Tat<br />

gedrehter Film namens „Rohtenburg“ die Gemüter. Dieser Horrorfilm sollte am 9. März in den<br />

deutschen Kinos anlaufen, wurde jedoch kurz davor verboten, um die Persönlichkeitsrechte des<br />

Armin Meiwes zu wahren.<br />

Unabhängig davon, ob es den spitzfindigen Juristen der Produktionsfirma des Filmes doch noch<br />

gelingen sollte, den Kinostart zu realisieren und so ihre Profitgier in Gänze zu befriedigen, haben es<br />

die Macher von „Rohtenburg“ mit freundlicher Unterstützung der maßgeblichen Medienvertreter in<br />

Deutschland geschafft, den Kannibalismusfall noch detailgetreuer als der „stern“ vor fünf Jahren der<br />

breiten Öffentlichkeit zu illustrieren.<br />

Ein erschreckendes Beispiel für die kranke Berichterstattung flimmerte gestern mit der Promi-<br />

Talkshow „Johannes B. Kerner“ (ZDF) über die Bildschirme. Kerner befragte den Hauptdarsteller von<br />

„Rohtenburg“ sowie einige Experten zum Film, dem Verbot und dem Prozeß gegen Meiwes. Dabei<br />

wurde unter anderem von dem „Schwanz in der Pfanne“, der trotz reichlichen Bratens nicht gar<br />

werden wollte, und anderen widerlichen Einzelheiten des Filmes und Falles berichtet. Die angebliche<br />

Absicht des Filmes, den Kannibalen psychologisch zu ergründen, dürfte aufgrund solcher Szenen für<br />

fast jeden potentiellen Zuschauer in den Hintergrund treten.<br />

Ein Ende des Medienspektakels um den Kannibalen ist nicht in Sicht. Die grausame Tat des<br />

„Kannibalen von Rotenburg“ wird auch in nächster Zeit exzessiv ausgeschlachtet werden. Für<br />

mögliche Zuschauer bleibt nur der gutgemeinte Rat, das zähe Fleisch vom Schlachtfest der Medien<br />

nicht zu essen.<br />

15


Demokratieunterricht<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Oft genug beschwerte ich mich in meiner Schulzeit über den faden Stoff – gerade in den<br />

geisteswissenschaftlichen Fächern Geschichte und Gemeinschaftskunde (Nachfolger von<br />

Staatsbürgerkunde). In der 10. Klasse änderte sich dies kurzzeitig. Neue Lehrmethoden, scheinbar<br />

extra auf mich zugeschnitten, fanden Eingang in die Unterrichtspraxis. Es war ein Unterricht der ganz<br />

besonderen Art – wesentlich lebensnäher als die fächerübergreifenden Experimente. Im Schulalltag<br />

führte man mir tagtäglich vor, was Demokratie wirklich ist.<br />

Am 9. November 2002 gründete ich mit einigen Schulfreunden eine pennale Burschenschaft. Mit<br />

diesem Akt gaben wir unserer Vaterlands- und Freiheitsliebe Ausdruck. In unserer damaligen<br />

Euphorie trugen wir stolz unser Coleur, ein schwarz-rot-goldenes Band und eine Pennälermütze,<br />

auch in der Schule. Die verdutzten Gesichter der Schüler und Lehrer hatten wir bereits erwartet,<br />

wollten etwaigen Mißverständnissen jedoch vorbeugen, indem wir uns der Schulleitung und unserer<br />

Klasse offen vorstellten. Der Direktorin erklärten wir unsere Beweggründe, eine pennale<br />

Burschenschaft zu gründen, unser zukünftiges Arbeiten auf basisdemokratischer Grundlage und<br />

unser Interesse an politischen Debatten. Sie reagierte wenig aussagekräftig, jedoch durchaus<br />

freundlich.<br />

Eine Woche später erfuhren wir die eigentliche Reaktion der Schulleitung: Unmittelbar nachdem wir<br />

uns der Direktorin Frau Buder (damals Schulleiterin des A.-v.-Humboldt-Gymnasiums; heute<br />

stellvertretende Schulleiterin des Andre-Gymnasiums) vorgestellt hatten, benachrichtigte sie weitere<br />

Schulbehörden, die Polizei und den Verfassungsschutz über unsere rechtsextremen Bestrebungen an<br />

der Schule. Mehrere Schüler und Lehrer bestätigten uns das Vorgehen von Frau Buder.<br />

Es begann eine stürmische Zeit für uns: Kurz nachdem wir so einiges über die Machenschaften der<br />

Schulleitung erfahren hatten, klingelte bei mir zu Hause das Telefon. Meine Mutter nahm den Hörer<br />

ab und am anderen Ende meldete sich meine Klassenlehrerin. Wenig überzeugend versuchte sie,<br />

meine Mutter zu belehren. Meine Mitgliedschaft in der pennalen Burschenschaft könne negative<br />

Auswirkungen auf meine Zukunft haben und diese pennale Burschenschaft sei doch eine<br />

rechtsextreme Organisation, meinte sie. Meine Mutter antwortete, sie finde es gut, daß ich im<br />

Rahmen der pennalen Burschenschaft Vorträge anhöre und selbst gestalten würde und fragte, ob die<br />

Schule denn überhaupt wisse, was wir, die pennale Burschenschaft, machen würden. Die Replik der<br />

Lehrerin, daß dies doch allgemein bekannt sei, überzeugte meine Mutter nicht. Auch bei den<br />

anderen Eltern der Mitbegründer unserer Burschenschaft hatte das Telefon geklingelt.<br />

Die Ereignisse spitzten sich in den darauffolgenden Wochen zu: Unzählige Elternabende fanden mit<br />

dem Thema „Was können wir gegen die rechtsextreme pennale Burschenschaft tun?“ statt; einen<br />

davon durfte meine Mutter wiederum miterleben. Unsere „außerschulischen Aktivitäten“ wurden im<br />

Gemeinschaftskundeunterricht mehrerer Klassen erörtert und wir bekamen ein Diskussionsverbot<br />

über das Thema „Burschenschaften“ verhängt, da wir von der NPD rethorisch geschult werden<br />

würden. Klare Hinweise von uns, daß dies eine Lüge sei und nicht belegt werden könne, wurden<br />

übergangen. Eine offene Diskussion war fortan bis zu meinem Abitur nicht mehr möglich. Man sprach<br />

lieber ohne uns über uns.<br />

Es gingen einige Wochen ins Land. Trügerische Ruhe kehrte ein. Doch dann dies: Die von mehreren<br />

linken Parteien und Gewerkschaften gestützte Jugendzeitung „Spiesser“ veröffentlichte in der Rubrik<br />

16


„Braune Brandstifter“ ein Interview mit einem ehemaligen Gründungsbursch unserer pennalen<br />

Burschenschaft, der aufgrund des öffentlichen Drucks ausgetreten war, heute allerdings wieder bei<br />

uns Mitglied ist, und mir. Umrahmt wurde dies von mehreren Kommentaren von Schülern und einer<br />

Lehrerin. Obwohl der negative Grundtenor des Interviews und seine Randerscheinungen<br />

vorhersehbar war, so zeigt die Doppelseite im „Spiesser“ dennoch die Vorgehensweise der Schule<br />

ganz deutlich. Ein Schüler, Ole (16) gibt Auskunft über den Unterrichtsstoff in Gemeinschaftskunde:<br />

„Und dann haben wir mit unserer Lehrerin in Gemeinschaftskunde gesprochen und sind gemeinsam<br />

zu dem Schluss gekommen, dass wir alle gegen diese Art Burschenschaft sind. Weil da wohl teilweise<br />

schon sehr enge Verbindungen zum Gedankengut des Nationalsozialismus zu sehen sind.“<br />

Die angesprochene Lehrerin, Frau Nothnagel, durfte sich selbstverständlich ebenfalls zu Wort melden<br />

und bekräftigte, daß die pennale Burschenschaft aus der demokratischen Grundordnung herausfalle.<br />

,Schon seltsam’, dachte ich mir in jenen Tagen, ,ist das Studium Lehramt Geschichte tatsächlich so<br />

lückenhaft, daß die angehenden Lehrkräfte nicht einmal die demokratische Geschichte der<br />

Burschenschaften seit 1815 kennenlernen?’<br />

Wenn Demokratie das ist, was Lehrer und Schulleitung damals vorlebten, dann muß ich wohl meine<br />

für den Gemeinschaftskundeunterricht auswendig gelernte Definition für „Demokratie“<br />

umschreiben. Anstelle eines pluralistischen Dialogs, erlebte ich Intrigen und Lügen. Anstelle von<br />

Freiheit für Schüler in ihrer Meinung und Schutz für Jugendliche in ihrer „Sturm und Drang“-Phase,<br />

Verleumdung und ein verbittertes politisches Klima. Zur sachlichen Auseinandersetzung mit<br />

andersgesinnten Schülern und Lehrern waren wir immer bereit, doch diese Möglichkeit räumte man<br />

uns nie ein. Trotz dem ausbleibenden Gespräch lernte ich in diesen Jahren über diese „unsere“<br />

Demokratie und ihre Spielregeln wesentlich mehr als in irgendeiner Unterrichtsstunde. Die Methode<br />

des Lernens durch eigene Erfahrungen prägte mich mehr als jedes Unterrichtsgespräch. Meine<br />

Naivität gegenüber den wohlklingenden Verlautbarungen der „politisch Korrekten“ wurde mir<br />

ausgetrieben. Die Enttäuschung über diese erzieherische Klasse bleibt dennoch und findet immer<br />

wieder neue Bestätigung.<br />

Zwei Jahre nach den geschilderten Vorfällen las ich bestürzt in einer „Kleinen Anfrage“ des SPD-<br />

Landtagsabgeordneten Johannes Gerlich vom 23. März 2005 die Antworten des damaligen<br />

sächsischen Innenministers Dr. Thomas de Maiziere:<br />

„Die Mitglieder der Burschenschaften wurden von Anfang an sowohl von Lehrkräften als auch seitens<br />

der Schülerschaft des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums aufmerksam beobachtet. Im<br />

Gemeinschaftskundeunterricht wurde u. a. auch über Burschenschaften im Zusammenhang mit<br />

rechtsextremistischem Gedankengut gesprochen.<br />

Von den Schulleitungen wurde übereinstimmend mitgeteilt, dass die der Burschenschaft<br />

angehörenden Schüler bei Diskussionen, z.B. im Leistungskurs Geschichte, zu Themen mit<br />

rechtsextremistischen Hintergrund keine Auffälligkeiten zeigen. Es gab bisher keine rechtsextremen<br />

oder nationalistischen Äußerungen im Unterricht.“<br />

Meine Äußerungen im Geschichtsunterricht und die meiner Freunde wurden offensichtlich an den<br />

Verfassungsschutz weitergeleitet und untersucht. Zynisch könnte ich mich bei meinem ehemaligen<br />

Geschichtslehrer Herrn Behrendt bedanken für die genaue Prüfung meiner Aussagen, doch dies wäre<br />

ungerecht, denn sicher ist er nur ein kleines Rad in diesem Getriebe. Ich hoffe für ihn, daß er sich den<br />

Dienst wenigstens vernünftig bezahlen läßt, denn Demokratieunterricht in dieser Form ist großartig,<br />

wirkungsvoll und einprägsam für das weitere Leben.<br />

17


„Land der Wunder“<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Wenn sich ein Mensch innerhalb eines Gefängnisses so frei bewegen kann, dass er es nicht dauernd<br />

als ein solches empfindet, ist er objektiv betrachtet trotzdem kein freier Mensch. Ist aber nicht die<br />

gesamte Welt ein Gefängnis?“<br />

Michael Klonovsky stellt mit seinem neuesten Roman „Land der Wunder“ ungewohnt deutliche<br />

Fragen. Seine Hauptfigur Johannes Schönbach, ein triebgesteuerter Intellektueller zwischen ganz<br />

unten und ganz oben, durchläuft die journalistische Landschaft vor und nach der Wende. Zu DDR-<br />

Zeiten muß er sein Studium der klassischen Philologie abbrechen, obwohl er Jahrgangsbester ist, und<br />

arbeitet fortan in einem Schnapslager. Er kämpft sich jedoch durch einige Zufälle begünstigt noch vor<br />

der Wende bis zum Korrekturleser der SED-Bezirkszeitung von Berlin hoch. Der Mauerfall begünstigt<br />

dann seinen weiteren Aufstieg bis hin zu einem angesehenen VIP-Redakteur, der um die Welt jetten<br />

kann und auf High-Society-Parties Champagner trinken darf.<br />

Schnell bemerkt Schönbach aber auch Schattenseiten des neuen Regimes: Sein ehemaliger Kollege<br />

und Freund Gottfried Kühl bekommt „die neue journalistische Freiheit“ zu spüren. Das Gewissen der<br />

Chefredaktion, Lohmann, weißt Kühl dauernd in die neuen Schranken, wirft ihm die Relativierung von<br />

Auschwitz vor, wenn Kühl die falschen Fakten betont und nicht nach der neuen „political<br />

correctness“ schreibt. Schönbach teilt viele Ansichten mit Kühl, weiß aber trotzdem, daß er sich<br />

anpassen muß, um aufzusteigen. Er ist zum Opportunisten verkommen. Trotzdem stößt er immer<br />

wieder auf Unangepaßte wie den Kulturredakteur Reger, der den geistigen Müll, den er produzieren<br />

soll, nicht erträgt und die Mechanismen der neuen Presselandschaft glaubt, durchschaut zu haben:<br />

„Journalismus ist die organisierte Zerstörung der geistigen Empfänglichkeit der dem Journalismus<br />

ausgesetzten Bevölkerung. […] In Deutschland wird seit Jahrzehnten die Deutsche Einheitsmeinung<br />

gepflegt, sei es die nationalsozialistische, realsozialistische oder freiheitlich-sozialdemokratische,<br />

immer muss die gerade herrschende gegen jedermann durchgesetzt werden, …“<br />

Schönbach erholt sich gegen Ende des Romans durch einen schweren persönlichen Vorfall ein wenig<br />

von seinem selbstgefälligen Leben. Als seine alte Studienangebetete stirbt, adoptiert er ihre beiden<br />

Kinder und findet nach eigenen Aussagen erstmals in seinem Leben eine wirklich wichtige Aufgabe.<br />

Viel wichtiger als Klonovsky´s immer wieder auftauchende, durchaus witzige Nebenschauplätze der<br />

Liebe und des ungebremsten Alkoholsuffs erscheinen mir die Gedanken seiner Figuren über die<br />

Presselandschaft in Deutschland. „Land der Wunder“ bestätigt gerade das vielerorts verbreitete<br />

Schwarzweißbild von der unfreien Presse in der DDR und der ach so freien in der Bundesrepublik<br />

Deutschland nicht, sondern fragt kritisch, wo Meinungs- und Pressefreiheit denn in der BRD<br />

beschnitten werden und welche Legitimationsgrundlage diesen Einschränkungen zugrunde liegen.<br />

18


„Die sieben Samurai“<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Samurai stellen heute das Symbol der japanischen Nationalkultur dar, obwohl sie längst aus der<br />

Geschichte verschwunden sind. In „Die sieben Samurai“ beweist sich noch, welche starke Faszination<br />

der Mythos der Samurai auf Außenstehende ausübt. Mit 20 Millionen Yen, 30.000 Mitwirkenden und<br />

einem Jahr Drehzeit war das Meisterwerk des berühmten japanischen Regisseurs Akira Kurosowa<br />

eines der teuersten Filme aller Zeiten in Japan und leitete zugleich die Geburtsstunde des Actionkinos<br />

ein. Neben den beeindruckenden Hauptfiguren wirkt der Film vor allem durch die auch zeitlich<br />

bedingte schlichte Art. Der Film beschreibt das Japan des 16. Jahrhunderts: eine Räuberbande<br />

plündert jedes Jahr aufs Neue ein entlegenes Dorf – eines Tages beschließen die Bauern, sich zur<br />

Wehr zu setzen. Es finden sich schließlich auch sieben Samurai, die bereit sind ihnen beim Kampf zu<br />

helfen. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange, bis es zur entscheidenden Schlacht kommt.<br />

Weiteres erzählt am besten der Film selbst – vorliegende Rezension soll ein kleiner Anreiz sein, den<br />

Film anzuschauen.<br />

19


Frieden, Frieden über alles<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Zum 61sten Male jährte sich am heutigen Tag die Bombardierung unserer Heimatstadt Chemnitz.<br />

3500 Menschen fanden an diesem Tag den Tot, Hunderttausende wurden in unserer Region<br />

obdachlos, 95 % der innerstädtischen Bausubstanz fielen den angloamerikanischen Brand- und<br />

Sprengbomben zum Opfer. Ein Beispiel – stellvertretend für Hunderte andere im Deutschland des<br />

Jahres 1945.<br />

Dies alles sind Fakten, die jedes Jahr einer Gebetsmühle gleich auf den vielen kleinen und großen,<br />

politisch korrekten oder unkorrekten Veranstaltungen nahezu heruntergespult werden. Außer Frage<br />

steht, dass es sich dabei um eine dringende Notwenigkeit handelt. Notwendig ist zu erinnern: für den<br />

einen aus Überzeugung, für den anderen aus bloßer Pflicht heraus. Der eine betont die Ursachen, ein<br />

anderer ihre Wirkung, wieder ein anderer die Suche nach Präventivmaßnahmen – doch keiner unsere<br />

bizarre Situation: alles spricht vom Frieden – unser scheidender Oberbürgermeister Dr. Peter Seifert<br />

(SPD) berichtet märtyrerhaft von seiner heute getätigten Unterschrift bei der weltweiten Aktion<br />

„Mayors for Peace“ (Bürgermeister für den Frieden), mit der sich alle unterschreibenden Städte zum<br />

Handeln für den Frieden verpflichten.<br />

Doch welchem Frieden wird hier gehuldigt? Dreht es sich hier wirklich um die wertfrei betrachtet –<br />

unanfechtbaren und notwenigen Bemühen nach Frieden – im Sinne Kants? Oder ist dieser Frieden<br />

nicht eigentlich nur eine Worthülse der „Neuen Welt“?<br />

Wohl eher letzteres: das uns verschriebene Allheilmittel ist mehr bittere Pille, denn wirklich<br />

gesundende Medizin. Spricht OB Seifert nun stellvertretend für seine vielen hundert<br />

opportunistischen Amtskollegen von der Notwendigkeit: „jedem Krieg präventiv und offensiv<br />

entgegen zu treten“, meint er nicht den edel-humanistischen Gedanken von wirklichem Frieden,<br />

sondern letztlich ein Sinndiktat der westlichen Wertegemeinschaft. Er verneint den nationalen<br />

Alleingang zu Gunsten der europäischen Lösung und huldigt einem bedingungslosen Frieden, in dem<br />

wir Verlierer selbst 61 Jahre nach dem Kriege noch als Unterlegene und gezwungene Prediger<br />

unserer diktierten Vorgesetzten zu sehen sind.<br />

20


"Hero"<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Was erwartet man normalerweise unter einem „Action-Film“? Spektakuläre Kampfszenen, viel Lärm,<br />

dramatische Szenen, die bis zum Kitsch reichen - also im Format Hollywoods. Doch es geht auch<br />

anders. Das beweist der in China gedrehte, bildgewaltige Martial-Art-Epos „Hero“.<br />

Ausgangspunkt der Handlung ist das China des dritten vorchristlichen Jahrtausends. Zu dieser Zeit<br />

war China in sieben Königreiche gespalten, die untereinander um die Vorherrschaft in China<br />

kämpften. Die Geschichtsschreibung bezeichnet den König des Reiches Qin - dessen Reich<br />

Namensgeber des vereinten Chinas war - als grausam und als den rücksichtslosesten Herrscher. Viele<br />

Attentäter versuchten ihn zu töten, in „Hero“ wird eine der Legenden erzählt.<br />

Nicht allein wegen den Begegnungen mit der alten chinesischen Kultur ist der Film sehr interessant,<br />

auch die Schwertkämpfe, das Spiel mit verschiedenen Farben und die ästhetische Darstellung des<br />

Geschehens fesseln den Betrachter. Die Wirkung der Ruhe und inneren Geschlossenheit heben den<br />

Film angenehm von Werken gleichen Genres ab. Bekannte chinesische Schauspieler wie Jet Li<br />

unterstützen die eindringliche Wirkung ebenso farbintensive Kostüme und passender Hintergrund.<br />

Damit bietet „Hero“ nicht nur eine Bereicherung für den historisch Interessierten sondern auch einen<br />

einmaligen ästhetischen Genuss!<br />

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Aufruf: Pressefreiheit für die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>"!<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Freitag, den 17. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Mit der Forderung "Pressefreiheit für die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>"! treten wir mit mehreren Aktionen heute<br />

an die Chemnitzer Schüler, Schulen und Kommunalpolitiker heran. Damit reagieren wir auf die<br />

Verleumdungen und Lügen der letzten Wochen und Monate gegenüber unserer Zeitschrift.<br />

Mit einer Flugblattaktion an den Chemnitzer Gymnasien verwirklichen wir unser Recht auf eine<br />

öffentlichkeitswirksame Gegendarstellung. Unseren Oberbürgermeister Dr. Seifert und alle Stadträte<br />

rufen wir ebenfalls zur Wahrung der Presse- und Meinungsfreiheit an Chemnitzer Gymnasien auf.<br />

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Flugblattaktion am 17. März <strong>2006</strong><br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Freitag, den 17. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der heutige Tag wird für Schüler, Lehrer und uns wohl noch eine Weile in Erinnerung bleiben. Das<br />

Ereignis des Tages war unsere Flugblattaktion Pressefreiheit für die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“. Binnen<br />

kürzester Zeit sprach sich unsere Aktion an den Schulen herum. Die Überraschung ist uns gelungen:<br />

Viele Schüler interessierten sich für den Fall und die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“, so daß es zu einigen<br />

Gesprächen mit Schülern während des Tages kam. Auch im Unterricht wurde das Flugblatt<br />

gebührend behandelt. Rückmeldungen über die Ergebnisse dieser Diskussionen liegen uns nur<br />

vereinzelt vor. Es wäre schön, wenn IHR uns hierbei weiterhelfen könntet. Ein Teil der<br />

VerteilertruppeEin Redakteur unserer Zeitschrift darf in seiner Deutschklasse in nächster Zeit die<br />

Anliegen der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ und der Flugblattaktion erklären. Ohne ihm vorgreifen zu wollen, so<br />

möchten wir doch die wichtigsten Fakten und Erkenntnisse des Tagesverlaufs an dieser Stelle<br />

zusammentragen:<br />

Der Aufruf Pressefreiheit für die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“ soll die Chemnitzer Gymnasiasten ermutigen, sich<br />

nicht durch Vorurteile, Lügen und Verleumdungen leiten zu lassen, sondern mutig für die eigene<br />

Meinung einzustehen (und zwar auch öffentlich). Daß wir dabei nicht auf taube Ohren stoßen, zeigen<br />

die ersten positiven Resonanzen auf die Aktion. Deshalb: Traut euch!<br />

Das Fazit der Verteilaktion zeigt einmal mehr, daß es an Chemnitzer Schulen keine Presse- und<br />

Meinungsfreiheit gibt: Teilweise durften wir in den Schulgebäuden nicht verteilen; eine freie,<br />

unabhängige Meinung ist dort scheinbar nicht gewünscht. Dennoch fällt unser Resümee an den<br />

einzelnen Schulen durchaus positiv aus. Am Leibniz-Gymnasium und am Wirtschaftsgymnasium<br />

trafen wir viele aufgeschlossene Schüler, die bereit sind, sich andere Meinungen anzuhören. Das<br />

Kepler-Gymnasium glänzte wieder einmal mit Maulkorb. Couragierte Schüler bildeten die Ausnahme<br />

- kein Wunder bei der Erziehung. Am Agricola- und am Goethe-Gymnasium verteilten wir nur<br />

sporadisch. Ein Urteil zu fällen, steht uns hier nicht zu. Zu guter Letzt, das Andre-Gymnasium:<br />

Durchwachsen.<br />

Die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“ ist ein unabhängiges Schülerzeitungsprojekt. Vorrangig behandeln wir kulturelle<br />

Themen. Politische Agitation an den Schulen liegt uns fern. Alle Versuche, unserer Zeitschrift<br />

Querverbindungen zur NPD oder anderen Parteien zu unterstellen, laufen ins Leere. Die „<strong>Blaue</strong><br />

<strong>Narzisse</strong>“ wehrt sich gegen Indoktrination aber auch gegen Zensur und Maulkorb. Dies habt ihr heute<br />

gesehen und werdet es auch in Zukunft sehen.<br />

Verteiler vorm WirtschaftsgymnasiumNeben dem Aufruf Pressefreiheit für die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“<br />

bemühten sich heute auch Feinde der Meinungsfreiheit um die Gunst der Schüler. Mit dem Flugblatt<br />

Burschen schlachten! zog die „Antifaschistische Aktion“ ins Feld. Mit diesen „Burschen“ sind wir<br />

gemeint.<br />

Es ist erschütternd, ein Flugblatt in Händen zu halten, welches zur Schlachtung der eigenen Person<br />

aufruft. Der Aufruf zur Gewalt gegen unsere Personen ist ein neuer trauriger Höhepunkt in der<br />

Chronik der Verfolgung der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“.<br />

Trotz alledem werden wir weiter für die Freiheit der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ kämpfen. Die Aufforderung an<br />

euch, Chemnitzer Schüler, sei deshalb noch einmal wiederholt: Seid mutig, denkt selber!<br />

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Neues aus Leipzig<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Sonntag, den 19. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Zur Leipziger Buchmesse<br />

19. März <strong>2006</strong>. Die diesjährige Buchmesse neigt sich nunmehr mit großen Schritten ihrem Ende zu –<br />

Grund genug, auch von unserer Seite aus ein keines Resümee zu ziehen. Es war eine Messe der<br />

Superlative : knapp 2200 große und kleine Verlage aus nah und fern präsentierten sich auf dem<br />

Gelände der Neuen Messe Leipzig – teilweise war der Besucherandrang von mehreren<br />

Hunderttausend selbst der Messeleitung zu groß, so dass am gestrigen Tage die Eingänge Zeitweilen<br />

gesperrt werden mussten, um einer Überfüllung der Messehallen vorzubeugen.<br />

Im Detail. Würde man die Messe mit einem Begriff fassen müssen, wäre der<br />

wohl Treffendste:<br />

Überfluß, noch genauer - grenzenloser Überfluß – Luxus. Zwar ist es in Zeiten, in denen<br />

Wissenschaftler und Intellektuelle vor der Verdummung der Massen – explizit der Jugend - durch die<br />

moderne Medienlandschaft (vor allem im interaktiven Sinne) warnen, mehr als lobenswert, dort auf<br />

einen solch gewaltigen Andrang zu stoßen, der von ganz jung bis ganz alt nahezu jede Altersgruppe<br />

vertritt – doch sieht man genauer hin, merkt man schnell, dass der Wind aus einer anderen Richtung<br />

weht. Es geht weniger um die Verbreitung intellektueller Köstlichkeiten und das Hinweisen auf die<br />

Bonbons der Denklandschaft, denn als um blanken und unverhohlenen Kommerz. Kaufen, kaufen,<br />

kaufen – und über dies, sich präsentieren. Man meint da fast, die Messe sei ein bloßer Vorwand, um<br />

das Kasperletheater in den Reihen der Besucherschaft zu rechtfertigen. Da ist vom<br />

scheinintellektuellen Provinzdenker mit Hornbrillchen und immerfort kritischen Blick, der am arte-<br />

Stand zu wohnen scheint, über die vielen kunterbunt-illustren Leser der Comic- und Mangaabteilung<br />

(die allesamt in wirklich teilweise groteskesten Kostümen anreisten), bis zum Dunstkreis der Jungle<br />

World, die sich schon mal um den hauseigenen Stand des Verbrecher-Verlages scharren, wild<br />

rauchen, wild aussehen, Antikapitalistisches auf den Lippen tragen und dir dann doch ein Abo<br />

aufschwatzen wollen, alles vertreten. Man kommt sich da teilweise regelrecht langweilig vor, wenn<br />

man am Stand der P.M. einfach nach einem Heft fragt, was einem noch in der Sammlung fehlt oder<br />

bei Suhrkamp einen Hesseband ersteht.<br />

Fazit: Die diesjährige Leipziger Buchmesse ist zu einem unüberschaubaren Massen- und<br />

Medienspektakel entartet, in dem der Gedanke an das Buch als Wert an sich, viel zu schnell und<br />

leichtfertig einem unüberschaubaren und wirren Pluralismus geopfert wurde. Einzig die zwei wirklich<br />

interessanten Fakten, dass es die Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit und der Verlag Edition<br />

Antaios in diesem Jahr trotz viel Gerede und Geschwätz geschafft haben, auf der Messe vertreten zu<br />

sein und weiterhin die wirklich ausnahmslos sehenswerte Buchkunst-Abteilung, stimmen mich<br />

einigermaßen versöhnlich. Doch muß ich sagen und lege dies auch jedem Buchfreund und Kenner<br />

ans Herz, ist der Besuch im kleinen Buchladen um die Ecke wesentlich entspannter und<br />

überschaubarer, als ein mehrerer Fußballfelder großer Buchtempel, in dem man nur einen Bruchteil<br />

des Angebotes wirklich wahrnehmen und fassen kann.<br />

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"Burschen schlachten!" - Methoden der Antifa<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Montag, den 20. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Am Freitag, den 17. März <strong>2006</strong>, überraschte die Antifaschistische Aktion am Andre-Gymnasium mit<br />

einem Flugblatt mit dem Titel "Burschen schlachten!". Diese Antwort auf unseren Aufruf<br />

Pressefreiheit für die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>" richtet sich insbesondere an die pennale Burschenschaft<br />

Theodor Körner und die akademische Burschenschaft in Chemnitz. Der "<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>" wird auf<br />

diesem Flugblatt personelle Deckungsgleichheit mit der pB! Theodor Körner unterstellt. Dies ist<br />

schlichtweg falsch.<br />

Einige Autoren der "<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>" sind auch Mitglied der pB! Theodor Körner, jedoch bei weitem<br />

nicht alle. Unsere Printausgabe der Schülerzeitung (und auch die Internetausgabe) existieren<br />

unabhängig von politischen oder anderen gesellschaftlichen Organisationen. Kulturarbeit stellen wir<br />

in den absoluten Mittelpunkt unserer publizistischen Tätigkeit. So war es immmer und so wird es<br />

auch bleiben.<br />

Frappierender als die Tatsache, die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>" im Atemzug der Burschenschaften zu nennen,<br />

finde ich die Gangart der Antifaschistischen Aktion im Umgang mit dem politischen Feind. Wer seine<br />

politischen Feinde schlachten möchte, verdient keine Meinungsfreiheit und kein Publikum für diese<br />

Forderung. Der offene Aufruf zur Gewalt gegen Mitschüler kann nicht hingenommen werden. Er muß<br />

von den Schulleitungen sanktioniert werden. Dieses Flugblatt zeigt das ganze Ausmaß der Eskalation<br />

des Klimas an den Chemnitzer Gymnasien. Die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>" fordert ihre Daseinsberechtigung in<br />

politisch neutral zu bleibenden Schulen; ihre Gegner maßen es sich an, zum Schlachten der<br />

Mitschüler aufzurufen.<br />

"Burschen schlachten!" zeigt auch, daß uns keine andere Möglichkeit blieb, unser eigenes Flugblatt<br />

unangekündigt zu verteilen. Wir sind uns unserer Verantwortung für unsere Autoren bewußt und<br />

wollten sie durch eine Ankündigung nicht unnötig gefährden. Der Gewaltaufruf gegen<br />

andersgesinnte Mitschüler wie in diesem Fall die Mitglieder der pB! Theodor Körner besitzt<br />

skandalösen Charakter. Er soll einschüchtern und den Pluralismus der Meinungen unterdrücken.<br />

Die Schulleitungen der Chemnitzer Gymnasien müssen nach diesem Vorfall hart gegen die Verteiler<br />

und Urheber des ketzerischen Flugblattes "Burschen schlachten!" durchgreifen. Politische Neutralität<br />

muß zurückerkämpft werden, um Meinungsfreiheit für alle zu gewährleisten. Die Antifaschichstische<br />

Aktion hat den besten Beweis erbracht, daß unser begonnener Kampf um Presse- und<br />

Meinungsfreiheit an Chemnitzer Gymnasien weitergehen muß.<br />

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Gedichte<br />

Geschrieben von: rddts<br />

Montag, den 20. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Ein Ressort der Printausgabe der "<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>" lautet "Getextet". Schüler schreiben Gedichte<br />

und kleine Prosastücke für dieses Ressort. Das Gegenstück "Gesichtet" des Online-Magazins befaßt<br />

sich hingegen mehr mit Medienkritik und Schnappschüssen des Lebens. Trotzdem sollen auch hier<br />

Gedichte einen würdigen Platz finden.<br />

Die Redaktion<br />

Das erste Gedicht der Onlineausgabe kommt deshalb jetzt:<br />

Sag mir Kleine, wie geht es dir,<br />

ich warte seit Jahren hier.<br />

Mein Feder ist verbogen,<br />

ich selbst belogen.<br />

Doch ich dürste nach deinem Lachen,<br />

was könnten wir zusammen machen?<br />

Meilenweit entfernt<br />

haben wir uns kennengelernt,<br />

nur eine Woche Zeit<br />

für Gefühlsamkeit.<br />

Und dann warst du mir noch ferner,<br />

mein Leben ist umso ärmer,<br />

weil du mich ignorierst,<br />

mich abservierst.<br />

Und du erzählst von neuer Liebe!<br />

Du schüttest Sand in das Getriebe,<br />

meine Seele brennt vor Verlangen,<br />

Himmelschöre sangen,<br />

doch danach verstummten sie.<br />

Ich falle auf die Knie,<br />

betend zu einer höh'ren Macht,<br />

dass meine Seele wieder lacht.<br />

Doch so verrotte ich im Zimmer,<br />

ja Folter ist noch schlimmer,<br />

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du bist die reinste Qual!<br />

Doch ich liebe dich nunmal.<br />

Und so warte ich und weine,<br />

auf dass mein Engelein erscheine.<br />

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Dummheit<br />

Geschrieben von: Benjamin Meuche<br />

Mittwoch, den 22. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das nächste Gedicht: Dummheit<br />

Sieh nur, wie diese Menschen leben!<br />

Sie nehmen sich alles, statt alles zu geben.<br />

Die Wahrheit, die wir gefunden haben,<br />

verstehen sie nicht, diese dummen Sklaven!<br />

Meine Generation ist monoton,<br />

überall Kopien ohne Inspiration.<br />

Ein Blick in die Masse verrät es mir,<br />

Dummheit, oh Dummheit ich lebe mit dir.<br />

Sieh in dieser dummen Menschenmasse,<br />

so viele Menschen der besten Klasse;<br />

Medien manipuliert und Nachrichten schockiert,<br />

deren Weltbild selten variiert!<br />

Meine Generation ist monoton,<br />

überall Kopien ohne Inspiration.<br />

Ein Blick in die Masse verrät es mir,<br />

Dummheit, oh Dummheit ich lebe mit dir.<br />

Sieh nur, wie sie über uns lachen,<br />

gerade sie, diese dummen Narren!<br />

Unsere Köpfe voller kranker Gedanken;<br />

über das Leben, welches wir ihnen verdanken!<br />

Meine Generation ist monoton,<br />

überall Kopien ohne Inspiration.<br />

Ein Blick in die Masse verrät es mir,<br />

Dummheit, oh Dummheit ich lebe mit dir.<br />

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Einiges Europa<br />

Geschrieben von: Sebastian Schermaul<br />

Dienstag, den 28. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Wir alle wissen, daß Europa unsere Zukunft ist. Sich dagegen zu verwehren, wäre ein Kampf David<br />

gegen Goliath. In den letzten Wochen und Monaten wurde stark über diese Thematik diskutiert.<br />

Nicht nur auf Bundes- und Landesebene, sondern auch in Schulen oder politischen Organisationen, in<br />

Zeitungen und Rundfunksendern fand man Beiträge, Meinungen, Debatten und Feuilletons zu<br />

diesem umfangreichen Thema.<br />

Nun möchte ich hier nicht die gesamte Debatte um die europäische Verfassung wieder aufwärmen,<br />

sondern mir als ganz spezielles Beispiel den angedachten „europäischen Haftbefehl“ heraussuchen.<br />

Zunächst möchte ich Artikel 16 Absatz 2 unseres Grundgesetzes zitieren: „Kein Deutscher darf an das<br />

Ausland ausgeliefert werden.“ Dieser Satz regelt eigentlich bereits die ganze Sache bezüglich des<br />

europäischen Haftbefehls, wenn da nicht noch ein Satz 2 wäre, welcher besagt: „Durch Gesetz kann<br />

eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder<br />

an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt<br />

sind.“ Man sieht nun wieder, daß wir also doch vor der Auslieferung in ein anderes Land nicht<br />

geschützt sind.<br />

Das Hauptproblem liegt dabei aber bereits an dem Punkt, daß jedes europäische Land<br />

verständlicherweise andere Rechtvorschriften und Verordnungen besitzt. Aufgrund der seit<br />

Jahrhunderten gewachsenen Sitten und Gebräuche entstanden die Rechtsordnungen, Werte und<br />

Normen einer Gesellschaft und eines Landes. Diese sind uns meist unverständlich und kommen uns<br />

vollkommen absurd vor, da wir uns nicht die gewachsenen Traditionen der speziellen Völker<br />

hineindenken können. Gerade in der Türkei, als zukünftigem EU-Mitgliedsstaat, sind die<br />

Rechtsnormen und Gebräuche, vor allem im Umgang mit Frauen, weit entfernt von den unsrigen. Die<br />

Türkei ist natürlich auch ein beliebtes Urlaubsland und es ist schwer sich in einer Gesellschaft<br />

zurechtzufinden die sich schon nicht mehr mit den Werten der christlich-abendländischen Kultur<br />

identifiziert, sondern das genaue Gegenteil dazu bildet.<br />

Zur Untermauerung möchte ich noch ein Beispiel anführen, was fast jeden von uns betrifft. In den<br />

letzten Jahren wurde oft von Fällen aus der Türkei berichtet, wo Touristen Steine und Muscheln vom<br />

Strand mitnahmen. Am Zoll wurden diese Dinge dann konfisziert und die Touristen in Gewahrsam<br />

genommen. Meist wurden Urteile erst nach der Rückkehr der Touristen in ihr Heimatland gefällt.<br />

Nach Einführung des europäischen Haftbefehls und der Aufnahme der Türkei in die Europäische<br />

Union kann jeder „Steindieb“ in die Türkei ausgeliefert werden und für eine, bei uns nicht<br />

strafwürdige Tat, einige Wochen und Monate, wenn nicht sogar Jahre, im türkischen Gefängnis<br />

sitzen. Für uns ist diese Thematik unverständlich, da es niemanden interessiert, wie viele Steine ich<br />

vom Strand mit nach Hause nehme. Anders sieht es beim Diebstahl von Kulturgütern aus, den diese<br />

Art des Verbrechens ist auch bei uns strafwürdig und wird verfolgt.<br />

Ich konstatiere, daß man sich in Recht und Verordnungen aller Mitgliedsstaaten der EU gut<br />

auskennen muß, wenn man diese Länder besucht, um nicht schon mit einem Bein im Gefängnis zu<br />

stehen.<br />

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Die Neospießer<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Mittwoch, den 29. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Als ich neulich im weltweiten Netz unterwegs war, da stellte sich für mich die Frage nach dem, was<br />

Spießertum heute eigentlich sei, nicht wirklich. Doch rechnete ich nicht mit den „Kreativen“ der<br />

linken TAGESZEITUNG (TAZ). Auf deren Internetpräsenz ist also im Rahmen einer Werbekampagne zu<br />

erfahren, wie sich nach Ansicht dieser Zeitung der süffisant gemeinte Begriff eines „Neospießertums“<br />

definiert: „Genfood und Stammtischparolen kommen Ihnen nicht über die Lippen. Atomenergie ist<br />

schlecht, Globalisierung unfair, Umweltschutz und Multikulti nicht verhandelbar. Schwule sollen<br />

Ihretwegen heiraten, wenn Sie es denn unbedingt wollen. Amerikanische Präsidenten und arabische<br />

Diktatoren sind wie Skylla und Charybdis. Für Ihr Klopapier wird verdammt noch mal kein lebender<br />

Baum gefällt. Und Brasilien spielt den schönsten Fußball.“ Man kokettiert mit einem Wort, das man<br />

dereinst als Kampfbegriff gegen die „Bürgerlichen“ verwendet hat, denen man – mal offen, mal subtil<br />

– eine Affinität zum „Faschismus“ unterstellte. Hier wären dann aber in der Tat Parallelen zu sehen,<br />

denn den linken Neospießern kann durchaus eine gewisse „Unbekümmertheit“ im Umgang mit<br />

totalitären sozialistisch-kommunistischen Gewaltsystemen und deren Verbrechen nachgesagt<br />

werden, wenn beispielsweise ein gewisser Joschka Fischer den Jahrhundert-Massenmörder Stalin<br />

schwärmerisch bezeichnet als „[...] ja eigentlich so ein Typ wie wir, der hat es dann geschafft, einer<br />

der wenigen, die es geschafft haben [...]".<br />

Auch spricht die TAZ aus, womit die Linke an sich immer ein Problem hatte und hat, ja sich in diesem<br />

Punkt zu einer besonders hartnäckigen Realitätsverweigerung hinreißen ließ: „Vergessen Sie Ihre<br />

Vorbehalte gegen alte Kampfbegriffe und stellen Sie sich der Tatsache, dass Sie inzwischen selber das<br />

Establishment sind.“<br />

Bei dem einen oder anderen linken Ministerialbeamten, Hochschullehrer, Theaterintendanten oder<br />

Journalisten scheint die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, als man noch „heldenhaft“ das<br />

„bürgerlich-faschistische Establishment“ mittels Molotov-Cocktail- und Pflastersteinwürfen<br />

bekämpfte oder sich hierzu wenigstens einen „Joint“ reinzog, mindestens so groß zu sein, wie deren<br />

Gier nach Luxus, Macht und dem mehr oder minder öffentlichen Ausleben individueller Perversionen<br />

verschiedenster Art. Das ist etablierter Habitus in der linken Republik von heute, schizophren und<br />

heuchlerisch.<br />

Die in den Mantel des Unernst gekleidete Werbekampagne der TAZ kann ihren wahren Kern nicht<br />

gänzlich verhüllen: Die Linke befindet sich in einer Identitätskrise. Ihre Konzepte und Ideologien sind<br />

gescheitert und werden nach und nach selbst von Vertretern aus den eigenen Reihen zumindest<br />

rhetorisch relativiert oder gar verworfen. Bleibt zu hoffen, dass die Deutschen die Hilf- und<br />

Konzeptlosigkeit dieses politischen Spektrums schnell durchschauen und entsprechende<br />

Konsequenzen ziehen.<br />

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„Das Leben der Anderen“ – Eine Abrechnung mit dem MfS<br />

Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />

Donnerstag, den 30. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

So schlimm war die DDR ja gar nicht. Da hatte jeder seine Arbeit und eigentlich waren auch alle<br />

Massenorganisationen in Ordnung, so saß wenigstens niemand auf der Straße und selber denken<br />

mußte man auch nicht. Auch der Onkel Erich war ein Netter, daß er etwas seltsam lächerlich<br />

gesprochen hat, sollte seinen Wert als Mensch doch nicht schmälern. Übrigens waren fast alle Bürger<br />

Kleingarteneigentümer, nur an einem fehlte es: Zukunftsangst.<br />

Auf diese Weise entsteht ein positives Bild vom real existierenden Sozialismus, welches in der<br />

jüngsten Vergangenheit durch die Medienmacher verstärkt wurde. Die „DDR-Show“ exportierte den<br />

Spaßsozialismus auch in den reaktionären Westen. Wie lustig war diese kleine Republik doch! „Der<br />

kleine Trompeter“ und anderes Liedgut wurde aus der Mottenkiste geholt. Ebenso sprach man über<br />

den alltäglichen Mangel, der aber auch ganz gut war, weil er das Improvisationstalent förderte. So<br />

konnte man sich auch mit Cola die Haare stylen und irgendwie ließen sich die Ersatzteile für das High-<br />

Tech-Fahrzeug namens Trabant beschaffen. Der „Westen“ konnte lachen, während der „Osten“ in<br />

Erinnerung schwelgte, als wäre die Mauer noch einmal aufgerichtet worden.<br />

Ja, die Mauer - eine 3,40 Meter hohe Betonwand, die nicht nur eine jahrhundertealte Stadt<br />

verschandelte, sondern auch Familien brutal trennte. Das war nicht gut, sagt man. Aber damit ist die<br />

Kritik auch am Ende und die DDR hat eine fast romantisch-soziale Wirkung auf die „Ostalgiker“<br />

projiziert .<br />

Und so werden einige elementare Dinge völlig vergessen. Wo spricht man über die NKWD-<br />

Speziallager, in denen zwischen 1945 und 1949 bis zu 100.000 Menschen umkamen? Es waren<br />

menschenverachtende Baracken, die von den späteren Führern der DDR gebilligt wurden. Wer<br />

erwähnt die Arbeitslager, die noch in den 60ern existierten, als der Mensch schon auf dem Weg zum<br />

Mond war? Bis zu 10.000 Häftlinge waren dort eingesperrt. Das wird gerne verschwiegen, alles läßt<br />

sich aber nicht verheimlichen. Das MfS mit seinen 90.000 hauptamtlichen- und 175.000 inoffiziellen<br />

Mitarbeiten wird alles Gute verzerren, spätestens durch das „Leben der Anderen“ sind die Untaten<br />

dieser Behörde wieder Gegenstand der öffentlichen Wahrnehmung. Also sollten wir uns mit dem<br />

Inhalt dieses Filmes beschäftigen, denn wir haben diese Zeit nicht miterlebt.<br />

Im Mittelpunkt stehen der Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler und der Dramatiker Georg Dreymann.<br />

Ersterer klärt zu Beginn an der Hochschule einige Nachwuchstalente über die Verhörmethoden des<br />

MfS auf. Es geht darum, den Menschen zu brechen, solange bis er sich endlich selbst als „Feind des<br />

Sozialismus“ entlarvt. Das ist Wieslers Welt, der Kampf gegen alle, die ein friedliches Zusammenleben<br />

in der DDR gefährden. Es ist eine ideologische Auseinandersetzung, die er führt. All das ändert sich<br />

mit einem Theaterbesuch eines Dreymann-Stückes, der ihn von einem ehemaligen Hochschulfreund<br />

(Grubitz) spendiert wird. Es beginnt eine Kettenreaktion, nachdem Wiesler Zweifel an der politischen<br />

Integrität des Dramatikers äußert.<br />

Der gewissenslose Karriererist Grubitz begegnet nach der Aufführung dem Minister Hempf, welcher<br />

Dreymann überwachen lassen will. Grubitz trifft sofort den richtigen Ton und schon hat er den<br />

Auftrag, die Sache zu erledigen. Er nimmt Wiesler mit ins Boot und die eigentliche Handlung beginnt.<br />

Die ganze Wohnung des Künstlers wird überwacht und die eingesetzten Spitzel dürfen nun an seinem<br />

Leben teilhaben. Wiesler ist jedoch schnell ernüchtert. Er entdeckt in der Künstlerszene eine ganz<br />

andere, eine wirklich wahrhaftige Lebendigkeit, die sein Leben nicht hat. Bei ihm gibt es keine Liebe,<br />

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da hilft auch die Prostituierte nicht, die im Auftrag des MfS die Mitarbeiter bei Laune halten soll.<br />

Wiesler ist nur da, um zu funktionieren. Er erfährt weiterhin, daß Dreymann kein Feind der DDR ist,<br />

seine oftmals kritischen Künstlerkollegen sogar beruhigt, wenn es wieder einmal Ärger gibt. Ja, er<br />

muß erst zum Feind gemacht werden und nun kommt der fette Bonze Hempf ins Spiel, der es auf die<br />

Freundin des gefeierten Dramatikers abgesehen hat. Christa-Maria Sieland (CMS) soll mit ihm ins<br />

Bett steigen, um weiterhin auftreten zu können, was in einer Staatskarosse auch geschieht. Hier tritt<br />

Wiesler das erste Mal anders auf, indem er dafür sorgt, dass der Vorfall bemerkt wird, so entdeckt<br />

Dreymann seine Christa-Maria beim Aussteigen und beim Richten der Kleidung. Damit war die Sache<br />

offenkundig.<br />

Als nächster Schicksalsschlag bringt sich noch ein langjähriger Freund von ihm um, der Berufsverbot<br />

erhalten hat und schon war Dreymann ein „Feind der DDR“. Zur selben Zeit entwickeln sich bei<br />

Wiesler immer mehr Skrupel. Ist das wirklich der Staat, für den du kämpfen willst? Ein Staat, der von<br />

korrupten, dicken, unfähigen Menschen geführt wird, die es sich erdreisten, Existenzen und Gefühle<br />

zu vernichten? Eine Vernichtung, die nicht für die Sache ist, sondern bloß für sich selbst, für die<br />

Karriere. Von jetzt an hört Wiesler bewußt weg, wenn er im Dienst ist, außerdem ist er maßgeblich<br />

an der Verhinderung eines zweiten Treffens zwischen Hempf und CMS beteiligt. Die Gruppe um<br />

Dreymann verfaßt einen regimekritischen Artikel, der später im westdeutschen „Spiegel“ erscheint.<br />

Ein Skandal und niemand weiß, wo die undichte Stelle sitzt. Die wird erst entdeckt als CMS in Haft<br />

kommt (weil sie nicht ein zweites Mal mit einem dicken, schmierigen Minister ins Bett gestiegen ist)<br />

und die Sache ausplaudert. Immerhin will sie kein Auftrittsverbot erhalten.<br />

Jetzt kennt auch das Mißtrauen von Grubitz keine Grenzen mehr, der Wiesler schon lange skeptisch<br />

beäugt hatte. Jedoch tat er dies nicht, weil er „etwas spürte“, sondern weil er Ergebnisse brauchte,<br />

um weiter nach oben zu kommen. Wiesler muß ein Schwachpunkt sein, also soll er Christa-Maria<br />

zum IM machen, um alle Tatgegenstände, wie die Schreibmaschine für den bösen Artikel, genau zu<br />

lokalisieren. Hier wird das Pflänzchen der Courage wieder abgebrochen und Wiesler macht wieder<br />

mit, seine Existenz ist ja bedroht. Der Plan von Grubitz geht auf, denn CMS plaudert alles aus und<br />

kehrt wieder in die gemeinsame Wohnung mit Dreymann zurück, wo der „Showdown“ beginnt. Die<br />

Stasi durchsucht nun zum zweiten Mal die Wohnung offiziell, findet aber das entscheidende<br />

Beweisstück nicht. CMS rennt auf die Straße, weil sie ihren Verrat am Gewissen und der Liebe nicht<br />

ertragen konnte und richtet sich selbst. Wiesler steht mit Entsetzen daneben, aber es ist zu spät.<br />

Dreymann ist am Boden zerstört und die Stasi hat keine Beweise. Wieslers Karriere ist beendet und<br />

er verbringt die 5 Jahre bis zur Wende mit der Postkontrolle. Dreymann hat eine Schreibblockade<br />

und erfährt erst bei einer Aufführung zwei Jahre nach der Wiedervereinigung von seiner<br />

Bespitzelung. Er läßt sich seine Akten aushändigen und entdeckt, dass Wiesler die ganze Zeit eine Art<br />

Schutzengel für ihn gewesen ist, die Blockade endet hier. Später entdeckt Wiesler beim Lesen eines<br />

Dreymann-Buches in der Widmung seine alte Stasi-Dienstnummer und der Film ist zu Ende.<br />

Es ist kein glückliches Ende, die Liebe hat verloren und alles Gute wurde zerstört. Der Bonze Hempf<br />

hat die Wende überlebt und läßt es sich immer noch gut gehen. Wiesler trägt Zeitungen aus und die<br />

Gegend ist trist. Einen besseren Schluß hätte der Film auch nicht haben können, denn wer richtig in<br />

das Visier des MfS geraten ist, wurde auch gebrochen und die Haupttäter leben teilweise heute noch<br />

mitten unter uns. Wie viele Tragödien dieser Art wird es gegeben haben? Wie viele Fälle endeten<br />

noch schlimmer, weil es keine Wieslers gab? Die Mehrheit der hauptamtlichen Mitarbeiter hatte<br />

sicher keine Hemmungen bei ihren Taten. Dieser Film war also längst überfällig, weil er Realitäten<br />

zeigt und außer der Figur des Spitzels keine Beschönigung zu finden ist. Angesichts der Ostalgiewelle<br />

war es Zeit für bittere Wahrheiten. Schließlich wurden unzählige Menschenleben psychisch<br />

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vernichtet und das ist eben die andere Seite der DDR, die Seite, die nicht mehr witzig ist, die Seite,<br />

wovor Täter und Opfer immer noch Angst haben. Eine Angst, die überwunden werden muß, weil die<br />

DDR zum Glück auf dem Müllhaufen der Geschichte liegt, als einer der perversesten Staaten der<br />

Weltgeschichte.<br />

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Überstädterung!<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Freitag, den 31. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Gelangweilt blätterte ich heute nach einem ermüdenden Saunagang in irgendeinem<br />

Gesundheitsmagazin. Neben diversen Tips, wie man seine Rückenprobleme erfolgreich überwinden<br />

kann, stieß ich auf eine kleine Zahlensammlung: 80 % aller Frauen gehen wegem schlechten Sex<br />

fremd, 10 % aller Deutschen versuchten sich in den letzten zwei Jahren an einer Diät. Nichts neues<br />

also. Über einen Fakt erschrak ich jedoch: 2040 werden 2/3 aller Menschen in Städten leben.<br />

Was vorerst wie ein harmloses Zahlenspiel klingt, weckt in mir bei konkreterem Nachdenken<br />

gruselige Bilder. Angesichts dieser schieren Menschenmassen werden Gebäude von der Schablone<br />

dominant werden. Was entstehen da für „Städte“ ? Sind sie noch Heimat für die Bewohner ? Spielt es<br />

bald keine Rolle mehr, ob ich in Chemnitz oder Neapel lebe, da die Architektur dieselbe ist ? Beim<br />

Weiterblättern wurde mir erklärt, warum die Rückkehr in die „City“ so attraktiv ist. Die Energiepreise<br />

sind zu hoch, auf dem Land gibt es nicht genügend Attraktionen – gemeint sind wohl die „Events“ wie<br />

Disco, Feste, Szenekneipen etc.. Gut, zugegebenermaßen wird es sich langfristig für einen<br />

überregionalen Betreiber wohl kaum lohnen in einen Dorf mit 2000 Einwohnern eine Disco zu<br />

eröffnen. Trotzdem würde es sich lohnen, selber anzupacken. In vielen kleineren Städten<br />

Mitteldeutschlands regiert die Tristheit, interessante Jugendangebote gibt es nicht. Aber gerade hier<br />

bietet sich die Möglichkeit, Jugendkultur jenseits des beliebigen mainstreams aufzubauen. Wieso<br />

mangelt es viel zu oft in der ach so spritzigen, freien und kreativen Jugend an dieser essentiellen<br />

Eigenständigkeit ? Aus eigener Erfahrung – einer pennalen Burschenschaft in Chemnitz - weiß ich,<br />

dass sich langfristig solche Projekte lohnen, trotz aller Enttäuschungen und Neuanfänge.<br />

Doch wäre es fehlgeleiteter Optimismus darin allein eine Lösung des Problems „Verstädterung“ zu<br />

sehen. Die Probleme liegen tiefer: eine globalisierte Arbeitswelt zerstört schrittweise in einem<br />

drastischen Maße Bindungen an einen bestimmten Ort mit seiner Natur, seinen Vertrautheiten,<br />

Verwandten und Freunden. Damit wird der Einzelne anonymer und zugleich abhängiger. Haltepunkte<br />

weichen, die Verlässlichkeit schwindet. Wenn ich an keinen Ort mehr gebunden bin, keine Heimat<br />

mehr habe, wechseln meine Bekannten wie meine Orte. Tiefgründige Freundschaft wird seltener. Die<br />

Beziehung zum Ort wird zerstört, mit ihm auch die konkrete Verantwortung zu seiner Gestaltung.<br />

Wohnen wird zum reinen Konsumieren, was will man vom Mieter auch anderes erwarten wenn<br />

dieser eine Einheitswohnung vorgesetzt bekommt ? Die Geschichte kennt bereits ähnliche Beispiele;<br />

mit der Einführung der Planwirtschaft in der Sowjetunion verschwand auch der Privatbesitz der<br />

Bauern, niemand fühlte sich mehr für die Bauernhöfe, Traktoren und Geräte verantwortlich. „Sie<br />

gehören ja dem Staat!“ war eine gängige Floskel. Im Kambodscha der 70er Jahre unter der Diktatur<br />

Pol Pots wurden die Bewohner der Städte auf das Land vertrieben. In der Folge kamen in bestimmten<br />

Provinzen an einem Tag mehr ehemalige Stadtbewohner an, als die ländliche Provinz Einwohner<br />

besaß. Daran zeigt sich bereits die Abstrusität der damals herrschenden Vorstellung, man könne<br />

einfach per Erlass positiv die Struktur eines ganzen Landes verändern. Wie muß man sich dann die<br />

Struktur der Städte vorstellen, die durch massiven Zuzug zu gigantischen Ballungsgebieten<br />

anwachsen ? Angesichts der enormen Zahlen – 2/3 aller Menschen – bin ich pessimistisch, was die<br />

langfristige Attraktivität der großen Städte betrifft. Mit der wachsenden Verstädterung werden die<br />

verlassenen ländlichen Gebiete für Menschen, die sich einer menschenunwürdigen Vermassung und<br />

Verengung der Lebensfläche in der Großstadt entziehen wollen immer mehr an Reiz gewinnen.<br />

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Neofolk – mehr als nur eine Musikrichtung<br />

Geschrieben von: Martin Schurmann<br />

Samstag, den 01. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

In erster Linie bezeichnet der Begriff „Neofolk“ eine in den 80ern entstandene Musikrichtung. „Folk“<br />

stammt aus dem Englischen („folk“) und bedeutet Folklore, also die Volkskultur. In diesem Fall die<br />

musikalische Volkskultur. Und was „neo“ (griechisch „neos“) bedeutet, sollte ja jedem klar sein. Also<br />

eine neue, aber sich auf Tradition berufende Musikrichtung. Ohne in „Schubladen“ zu denken, aber<br />

man kann bei Neofolk von ruhiger, zum Teil sphärischer und je nach Empfinden auch melancholischer<br />

und schwermütiger Musik reden. Dabei rückt hauptsächlich die Gitarre in den musikalischen<br />

Vordergrund, unterstützt von dezent plazierten elektronischen Klängen. Viele Bands halten sich<br />

jedoch komplett an „natürliche“ Instrumentalisierung, wie Flöten, Geigen, Cello und eben die<br />

Akustikgitarre.<br />

Lyrisch geht es bei solchen Musikstücken – wie man sich denken kann – nicht gerade um Spasspartys<br />

oder der Lust an der Niveaulosigkeit, sondern vielmehr um die Ästhetik, die Romantik des Lebens. In<br />

einem Neofolk-Song kann es durchaus vorkommen, dass eine Viertelstunde über den Anblick eines<br />

Lagerfeuers berichtet wird. Doch das wird keinesfalls langweilig. Ganz im Gegenteil, beim Genießen<br />

eines solchen Liedes erinnert man sich schnell wieder daran, wie fantastisch die kleinen und im<br />

heutigen Leben unbedeutsamen Dinge sein können.<br />

Wie eben ein Lagerfeuer.<br />

In der Vielzahl der Neofolk-Bands geht es natürlich auch um andere Themen, wie beispielsweise das<br />

Heidentum, Satanismus, das Mittelalter oder die (kritische) Auseinandersetzung mit dem<br />

Christentum.<br />

Neofolk ist also romantische, naturverbundene Musik. Diese Musik wird zum Großteil auch von<br />

romantischen, naturverbundenen Menschen gehört. Aus diesem Grund kann man neben einer<br />

Musikrichtung „Neofolk“ auch von einer ganzen Subkultur „Neofolk“ sprechen. Wobei der Übergang<br />

zur Gothic-Szene sehr fließend ist. Eine strikte Einteilung und Definition dieser Subkultur halte ich<br />

daher für nicht möglich. Der Anteil der „Schwarzen“ in einem Neofolk-Konzert ist jedenfalls sehr<br />

hoch. Auch findet man sehr viele Bands auf dem Wave-Gotik-Treffen (jährlich in Leipzig). Doch im<br />

Gegensatz dazu gibt es auch viele, welche nichts mit der schwarzen Szene zu tun haben, jedoch<br />

Neofolk von morgens bis abends hören.<br />

Neofolk und Politik. Grundsätzlich ist die Mehrheit der Neofolkbands unpolitisch, wie beispielsweise<br />

In My Rosary oder Of The Wand And The Moon.<br />

Jedoch hat Neofolk oft den schlechten Ruf, eine rechtsradikale Musik zu sein. Ich möchte an dieser<br />

Stelle meinen bisher höflichen Stil kurz ablegen und sagen: „Das ist dummes Gequatsche von<br />

dummen Meschen, die vorgelegte Meinungen nachquasseln und von Selberüberlegen noch nie<br />

etwas gehört haben!“ (verzeiht mir die Verallgemeinerung).<br />

Natürlich gibt es rechtsradikale Neofolkbands. Es gibt aber auch rechtsradikale Punkbands oder<br />

rassistische HipHopper. Ist deswegen die ganze Szene versaut? Nein, ist sie nicht.<br />

Hierbei sei das Elfenfolk-Festival (22.01.2005) der Bands Nebelhexe, Faun und Sol Invictus erwähnt,<br />

welches unter dem Motto „Elfen gegen Rechts“ stattfand.<br />

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Ich kann also nur jedem empfehlen, einmal in diese vielseitige und interessante Musikrichtung<br />

reinzuhören. Vielleicht findet der eine oder andere dadurch seinen bisher unentdeckten Geschmack<br />

für die ruhigen Seiten des Lebens.<br />

Genießt es!<br />

PS:<br />

Damit das Suchen leichter fällt, hier noch einige Band-Vorschläge (neben den bereits erwähnten):<br />

Current ´93; Death in June; Orplid; Forseti; Hagalaz´ Runedance (der alte Name von Nebelhexe) und<br />

Dies Natalis.<br />

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Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>. Von falschen Freunden und richtigen<br />

Feinden - Ein Resümee.<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Sonntag, den 02. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Als ich im Mai 2004 mit Felix Menzel zusammensaß und wir uns vorgenommen hatten, nun endlich<br />

eine Schülerzeitung – genauer eine andere Schülerzeitung – ins Leben zu rufen, ahnte wohl keiner<br />

von uns beiden, welch furioses Projekt wir da zu erschaffen begannen. Keiner konnte ahnen, wie sich<br />

die ganze Sache entwickeln würde – keiner von uns beiden hätte wohl geglaubt, welcher Kampf uns<br />

bevor stand ... Nach vielen Überlegungen über Format, Name, Ausrichtung, Umsetzung, Finanzierung<br />

und ähnlichem startete am 1. September 2004 unter Felix’ Leitung der erste Verkauf unserer neuen<br />

Schülerzeitung: „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“. Der Name war schon lange im Kopf gereift und fügte sich<br />

einprägsam ins Gesamtkonzept ein. Als Schlagworte standen fest: Jugend – Freiheit – Gegenkultur.<br />

Ein klares Profil eben, dem wir uns bis heute strikt treu geblieben sind.<br />

Der erste Verkauf überraschte positiv und negativ zugleich. Am André-Gymnasium, am Goethe-<br />

Gymnasium und am Wirtschaftsgymnasium lief der Verkauf bestens und überstieg bei weitem unsere<br />

Erwartungen. Das Prinzip der fundierten Gegenöffentlichkeit schien sich bewehrt zu haben – doch, es<br />

gab auch andere Stimmen. Insbesondere am Humboldt-Gymnasium, welches ich selbst bis zum Juli<br />

2004 besuchte, regte sich seit der ersten Stunde Widerstand. Besondere Lorbeeren verdiente sich<br />

dabei die damalige Direktorin Frau Buder (heute stellvertretende Direktorin am André-Gymnasium),<br />

die unsere Zeitung bereits verboten hatte, ohne sie genau gelesen zu haben. Was war passiert? Als<br />

brave Schüler fragten wir natürlich bei jedem Direktor an, ob wir die Zeitung an der jeweiligen Schule<br />

verkaufen könnten – nicht anders bei Frau Buder. Doch diese lehnte ab – sinngemäß lautete die<br />

Begründung, dass zwar die Zeitung selbst nichts Verwerfliches an sich habe, aber die Tatsache, dass<br />

einige Redaktionsmitglieder in der „rechten Ecke“ stünden, mache die Zeitung verdächtig und<br />

verbietenswert. So könnte, laut Frau Buder, zwischen den Zeilen lesbar sein, was dem ungeübten<br />

Auge verschlossen bleibt. Und was meint sie mit der „rechten Ecke“? Sie zielte damit direkt auf<br />

unsere Mitgliedschaft in der pennalen Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz. Ja, einige von<br />

uns sind in dieser Burschenschaft und haben nie einen Hehl daraus gemacht. Wieso auch? Wir hatten<br />

und haben zu keiner Zeit etwas zu verbergen gehabt, nur hängt man seinem vermeindlichen „Feind“<br />

gern Dinge an, die aus Unwissenheit, Halbwahrheiten und Lügen geboren sind. Zu keiner Zeit gab es<br />

einen Überhang an schreibenden Burschenschaftern gegenüber den anderen Autoren.<br />

Doch allein diese Tatsache genügte Frau Buder, um den im Grundgesetz festgeschriebenen<br />

Grundsatz „Eine Zensur findet nicht statt“ ganz einfach außer Kraft zu setzen. Scheinbar war sie<br />

knapp 14 Jahre nach der Wende doch wieder in eine altbekannte Routine verfallen. Aber nicht<br />

genug, auch der Direktor des Agricola-Gymnasiums, Herr Hänel, ließ uns nicht an seiner Schule<br />

verkaufen. Später erfuhren wir, dass es wohl eine Absprache, im Buschfunk zwischen Humboldt- und<br />

Agricolagymnasium gegeben haben mußte, eben ganz nach vertrauter DDR-Manier.<br />

Das zweite Heft erschien im Januar 2005 und verkaufte sich ähnlich gut. Die große positive Resonanz<br />

auf unser Startheft erlaubte uns, in kurzer Zeit eine zweite Ausgabe zu veröffentlichen. Viele neue<br />

Autoren konnten gewonnen werden, von denen uns viele bis heute treu geblieben sind.<br />

Neu hinzu kam auch der Verkauf am Keplergymnasium, bei dem auch sehr viele Zeitungen an den<br />

Mann und die Frau gebracht werden konnten, wenngleich sich auch da schon ein wachsender Protest<br />

abzeichnete, der aber zum damaligen Zeitpunkt noch als kindisch abgetan werden konnte. An beiden<br />

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ekannten Schulen blieb die Zeitung verboten. Weiterhin verkauften wir erfolgreich am Gymnasium<br />

in Frankenberg.<br />

Im November 2004 erschien das erste Themenheft. Lyrik - war der thematische Schwerpunkt –<br />

„Tunnelwindung“ der Name. Dieses Heft wurde vor allem an die zahlreichen Abonnenten verschickt<br />

und von den Verantwortlichen auf Anfrage verkauft.<br />

Heft Nummer drei erschien im Juni 2005. Erstmals bemerkten wir, wie sehr sich die Öffentlichkeit der<br />

Chemnitzer Gymnasien polarisierte. Erstmals sahen wir uns mit einer Art Blockbildung konfrontiert,<br />

die sich klar in Gegner und Befürworter ordnen ließ und bis heute besteht, nur war das<br />

Mengenverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch ein sehr Ausgeglichenes. Die Gegner: Humboldt-,<br />

Agricola- und mittlerweile auch das Goethe-Gymnasium. Die Befürworter: André-, Wirtschafts- und<br />

von Anfang an das Leibnizgymnasium. Letzteren sei an dieser Stelle ein ausdrücklicher Dank<br />

ausgesprochen. Namentlich setzten und setzen sich Herr Gersdorf (Andrégymnasium), Frau Wießner<br />

(Wirtschaftsgymnasium) und Herr Langhoff (Leibniz- bzw. jetzt Karl-Schmidt-Rottluff-Gymnasium) für<br />

die Pressefreiheit und somit Meinungsfreiheit an Chemnitzer Schulen ein.<br />

Besonders vor diesem Hintergrund ist es fraglich, wie unsere Zeitung überhaupt Gegner haben kann,<br />

da die Kriterien zum Verbieten einer Schülerzeitung : politischer Extremismus – Sittenwidrigkeiten –<br />

persönliche Beleidigungen, zu keiner Zeit von uns erfüllt wurden, sondern sich immer nur nach den<br />

Gesetzen des meinungsmachenden Klüngels, unhaltbare Anschuldigungen herausbildeten, die sich<br />

bis heute hartnäckig halten. Dabei ist besonders interessant und erwähnenswert, dass es laut einer<br />

sächsischen Verordnung für Schülerzeitungen bis kurz nach dem ersten Verkauf unserer Zeitung nicht<br />

einmal Pflicht war, die Schulleitung um Zulassung zu bitten. Die Verordnung wurde kurz darauf<br />

ersatzlos gestrichen. Es bleibt an dieser Stelle ausdrücklich offen gelassen, ob es eine eventuelle<br />

Verflechtung zwischen dem Schulleitergeklüngel und der Verordnungsstreichung in Dresden geben<br />

kann. Die Phantasie der Leser ist hier gefragt!<br />

Trotz allem lief der Verkauf uneingeschränkt gut. Besonders erwähnenswert ist auch der sehr<br />

erfolgreiche Verkauf am Gymnasium Einsiedel – eigentümlicher Weise ist uns der Verkauf dort heute<br />

auch verboten, da die alte Schulleitung durch eine neue ersetzt wurde, die uns ähnlich den anderen<br />

Negativbeispielen nicht im Ansatz gewogen ist.<br />

Das recht erfolgreiche Jahr 2005 wurde mit dem Verkauf der Ausgabe Nummer vier im Oktober<br />

fortgesetzt. Da Felix nach seinem bestandenen Abi zum Studium nach Halle aufbrach, übernahm ich<br />

ab diesem Heft die Geschäfte des Hauptverantwortlichen.<br />

In der Zeit von Juni bis Oktober hatten einige Chemnitzer Schulen Zeit gehabt, ihre Front gegen uns<br />

noch zu verhärten. Zwar fragten wir bei den Schulleitungen an, doch der Verkauf an Agricola-,<br />

Goethe- und Einseidelgymnasium blieb chancenlos. Das bekannte Humboldt-Gymnasium hatte<br />

mittlerweile mit dem Keplergymnasium fusioniert und wurde nun nicht mehr von Frau Buder,<br />

sondern Herrn Lamm geleitet, der uns freundlicherweise den Verkauf gestattete und uns zu einem<br />

erfolgreichen Ergebnis verhalf, da wir an diesem Tag zusammen mit Schülern dieser Schule, eine<br />

enorme Menge unserer Zeitungen los bekamen.<br />

Obligatorisch blieb der Verkauf am André- und Wirtschaftsgymnasium bestehen, wenngleich sich<br />

auch feststellen ließ, dass sich die öffentliche Meinung durch die gezielte Hetze einiger Personen und<br />

Organisationen schrittweise summierend von uns abwandte. Besonders hervorzuheben sind hier<br />

zwei Einflüsse: das Projekt „P“ und eine gewisse Person namens Tom Lehmann. Was wollen diese<br />

Menschen, oder anders, was denken sie, gegen uns zu haben?<br />

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Zunächst einmal ist besagtes Projekt „P“ eine Aktion des Projektes „Schule ohne Rassismus – Schule<br />

mit Courage“, dass deutschlandweit agiert - besser agitiert. Das „P“ steht dabei für „Partizipation“ (zu<br />

deutsch: Teilnahme). Sinn des Projektes „Schule ohne Rassismus“ ist es, möglichst viele Schulen, zu<br />

Schulen ohne Rassismus umzugestalten. Das wäre ja an sich betrachtet eine gute und lobenswerte<br />

Sache und ist im Grunde zu begrüßen, doch klingt mir die Umsetzung mehr nach Zauberei, denn nach<br />

wirklich soziologisch fundierten Handlungsweisen, denn betrachtet man sich die Verwirklichung diese<br />

Ziels genauer, weiß man nicht, ob Lachen oder Weinen angebracht ist. Es ist so, dass einmal<br />

sogenannte „Workshops“ (zu deutsch: Weiterbildungen) veranstaltet werden, in denen die Schüler<br />

über die Gefahren des Rechtsextremismus in ihrer Umgebung (auch über die pB! Theodor Körner)<br />

und die Gefahren von Rassismus aufgeklärt werden. Der zweite Teil besteht dann darin, dass<br />

mindestens 75 % der Schüler einer Schule, für diese Idee unterschreiben müssen und dann –<br />

simsalabim – ist die Schule frei von Rassismus, voll von Courage und Mitgefühl für Andersaussehende<br />

oder Andersdenkende. Wenn das mal nicht der Stein der Weisen ist! Vielleicht sollten die deutschen<br />

Politiker auch mal ein Projekt „Deutschland ohne Arbeitslose“ starten – 75 % unterschreiben – und<br />

schon gibt’s keine Arbeitslosen mehr. Ich bin begeistert!<br />

Das Projekt „P“ an sich geht aber noch eine Stufe weiter: Ziel ist es, eine Stadt ohne Rassismus zu<br />

gestalten. Einzig Chemnitz und Bremen haben sich für diesen nicht umzusetzenden Schwachsinn<br />

entschieden. Gelder hierfür fließen aus Quellen des Bundestages und verschiedenen anderen<br />

Organisationen und Stiftungen. Dieses Projekt heißt deshalb „Partizipation“, da man an den<br />

Regierungsgeschäften der beiden Städte beteiligt sein möchte – man möchte, dass eine Vertretung<br />

dieser Organisation, in den Stadtrat kommt und sich dauerhaft gegen Diskriminierung und Rassismus<br />

einsetzen kann. Grundlage hierfür soll eine sogenannte „Antidiskriminierungsagenda“ sein, an der<br />

momentan eifrig gearbeitet wird. Aus verläßlichen Quellen ist mir dabei zu Ohren gekommen, dass<br />

auch über einen Artikel zum Verbot der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ nachgedacht werden sollte. Ob sich das<br />

bewahrheitet, wird die Zukunft zeigen.<br />

Aber was bedeutet das jetzt konkret? Die Vertretung im Stadtrat soll nicht gewählt werden, wie alle<br />

anderen Mitglieder, sondern als quasi unanfechtbares Kontrollorgan, ohne Wahl installiert werden –<br />

ist das nicht eigenartig? Ist das nicht gefährlich? Da kommt irgendein Projekt daher und beansprucht,<br />

sich in eine demokratische Instanz, die der Stadtrat ja ohne Frage ist, einzuschalten und dort<br />

mitzubestimmen? Noch mulmiger wird mir zu Mute, wenn ich sehe, wer da die Fäden zieht: nicht<br />

etwa Leute die frei von parteipolitischem Bekenntnis, märtyrerhaft gegen Diskriminierung und<br />

Ausgrenzung kämpfen, sondern es sind Leute aus dem Dunst- und Mitgliederkreis der Grünen, der<br />

PDS und der so genannten „Antifaschistischen Aktion“ – kurz gesagt Personen, die nicht selten aus<br />

einer Zeitepoche kommen, in der man anstatt Freiheit SED wählte ... Ein besonders ungutes Gefühl<br />

habe ich im Umgang mit einem gewissen Herrn Tom Lehmann – seines Zeichens Chef des Chemnitzer<br />

„Stadtstreichers“ und des meinungsmachenden Jugendmagazins „371“. Weiterhin Mitglied der<br />

„Grünen“ und mitverantwortlicher der Internetplattform „Triff deinen Chemnitzer“ und eben auch<br />

des Projekts „P“. Ihn lernte ich auf einer Veranstaltung der pB! Theodor Körner kennen, zu der er sich<br />

ohne Anmeldung, ganz unverbindlich mal hinzugesellt hatte, um sich wie er sagte, die ganze Sache<br />

mal anzusehen. Einige Zeit später traf ich in auf einer Veranstaltung der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ im<br />

DAStietz-Kulturkaufhaus. Wir hatten dort eine Vortragsreihe organisiert, zu der er als Gast anwesend<br />

war. Nach der Veranstaltung ging ich auf ihn zu und wollte ihn zur Rede stellen, da er mich kurze Zeit<br />

zuvor, auf einer Veranstaltung des Projekts „P“ als quasi stadtbekannten Neonazi abgestempelt<br />

hatte. Er machte mir daraufhin ohne Zweifel deutlich, dass er, wie er sagte, „was gegen die<br />

Burschenschaft und die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> habe“ und deshalb alles versuchen will, um unseren Einfluss<br />

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zu minimieren. Um schon einige Erfolge nennen zu können, benannte er mir einige Dinge aus<br />

meinem Privatleben, nannte mir Äußerungen aus dem Unterricht und Dinge, die ich so in meiner<br />

Freizeit veranstalte. Er machte mir gegenüber deutlich, dass er in engem Kontakt zum<br />

Verfassungsschutz steht und die Krönung: dass er Leute auf mich angesetzt hat, deren Aufgabe es ist,<br />

mich zu observieren, um alles über mich herauszubekommen. Schöne freie Welt!<br />

Es ist also erkennbar, dass wir es in Chemnitz grob überblickt sehr schwer haben. Wer anderer<br />

Meinung ist, wird in seinen Rechten beschnitten, wird zum Mensch zweiter Klasse.<br />

Wie ich viel später erfuhr, setzte er sich auch dafür ein, dass unsere Veranstaltungsreihe im DAStietz<br />

verboten wurde, ebenso ist bekannt, dass einige seiner Partei- und Gesinnungsgenossen im Stadtrat<br />

eine Studie in Auftrag gaben, die unser Blatt auf rechtsextreme Einflüsse zu prüfen hat. In diesem<br />

Zuge ist mir erst vor wenigen Tagen berichtet worden, dass einige Schüler von Chemnitzer Schulen<br />

im Internetforum „Triff deinen Chemnitzer“ davon berichteten, dass Mitarbeiter des<br />

„Verfassungsschutzes“ in mehreren Schulen versucht hätten, durch gezieltes Ansprechen einiger<br />

Schüler, Informationen über uns zu sammeln. Solche Methoden sind der Anfang vom Ende einer<br />

Demokratie!<br />

Im November 2005 erschien schließlich dann das zweite Themenheft. Es nannte sich<br />

„Jugendgeleitheft“ und befaßte sich mit aktuellen Problemen unserer Zeit, dabei vor allem der<br />

Jugend sowie der alternativen Jugendarbeit. Auch dieses Heft ging vornehmlich den zahlreichen<br />

Abonnenten und Interessenten zu, die auf Anfrage darum baten, da es sich um eine Zusatzausgabe<br />

handelte, die in wesentlich geringerer Auflage als Ergänzung dient.<br />

Zu Beginn diesen Jahres erschien schließlich die Nummer fünf. Aufgrund der großen Nachfrage war<br />

es uns möglich gewesen, die Auflage von bislang 300, auf 400 Stück zu erhöhen. Der Verkauf lief an<br />

den Schulen, die es uns noch gestatten haben, natürlich gut. Wie bekannt sein dürfte (und auch in<br />

anderen Artikeln des Online-Magazins) zu lesen ist, folgte dann die ruhmreiche Aktion des Projekts<br />

„P“, der gezielt unser Mitarbeiter Marcus Lehmann geopfert wurde. Auf seinen Schultern wurde<br />

ausgetragen, was man uns nicht ins Gesicht sagen konnte, in einer späteren Unterredung mit den<br />

Leuten vom Projekt „P“ und der Schulleitung, wurde er genötigt, bei uns auszusteigen.<br />

Verständlicherweise zog er sich danach von der Arbeit an der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ zurück.<br />

Da man uns keine Möglichkeiten bot, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, folgte die ebenso auf<br />

dieser Netzseite nachzuvollziehende Flugblattaktion. Eine Lehrerin am Kepler-Gymnasium, Frau<br />

Allert-Löwe, sagte dazu im Unterricht sinngemäß: „Es ist mir wirklich unbegreiflich, dass dieses<br />

Nazipack noch frei draußen rumlaufen kann!“<br />

Im Juni diesen Jahres wird die Ausgabe Nummer 6 erscheinen. Bei aller Hetze und allen Versuchen,<br />

uns das Wasser abzugraben, wächst unser Wille zum Weitermachen. Die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“ ist eine<br />

Blume, die dort am besten wächst, wo sie am meisten bekämpft wird, sie gedeiht dort am besten, wo<br />

demokratische Grundrechte einer Meinungsdiktatur geopfert werden, sie ist ein notwendiges<br />

Gegenzeichen unserer verlogenen Zeit. Sie ist ein Prinzip unseres Wesens.<br />

Libertá!<br />

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Edwin Erich Dwinger: „ ...Und Gott schweigt ?“<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Montag, den 03. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Bis heute ist die Entwicklung Deutschlands und Europas in den 20er und 30er Jahren im öffentlichen<br />

Gespräch geblieben. Tatsächlich war diese Zeit prägend für die weitere politische und soziale<br />

Entwicklung. Um so interessanter ist es, Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen.<br />

Edwin Erich Dwinger ist ein solcher. 1915 meldet er sich freiwillig zum Dienst in der deutschen<br />

Armee, wenige Tage später gerät er jedoch bereits an der Ostfront in russische Kriegsgefangenschaft.<br />

Es folgen Lagerinternierungen und Ernteeinsätze. Dwinger wird auch in den Strudel hinabgerissen,<br />

der Rußland lange Zeit prägen sollte: den russischen Bürgerkrieg (1918-1924). Um zu überleben,<br />

kämpft er auf weißer Seite gegen die rote Armee und wird damit unmittelbar Zeuge der Bestialitäten,<br />

die beide Seiten am Gegner und der Zivilbevölkerung verüben. Erst 1921 kann er in seine deutsche<br />

Heimat zurückkehren. In den folgenden Jahren entwickelt sich Dwinger zum Kommunisten,<br />

beeindruckt von der Aufbauleistung und dem Sendungsbewußtsein der jungen Sowjetunion. Bedingt<br />

durch die Machtübernahme Hitlers emigriert er 1933 in die Sowjetunion. Die Machthaber führen ihm<br />

ein glänzendes Reich vor, in dem Fortschritt und Menschlichkeit regieren. Dwinger will nun die<br />

Stätten seiner Kriegsgefangenschaft in der Ukraine besuchen und den neuen Reichtum alter<br />

Bekannter sehen. Doch sobald er die vorgegeben „Potemkinschen Dörfer“ und Musterfabriken<br />

verlässt, stößt er auf ein Bild des Grauens: Hungernde, als politisch verdächtigt Internierte und ein<br />

endloses Elend zeigen ihm das wahre Gesicht der jungen Sowjetunion. Gespräche mit den Opfern der<br />

Hungersnöte verdeutlichen dem jungen Kommunisten das gigantische Ausmaß einer unglaublichen<br />

Mißwirtschaft und die zahlreichen Opfer des politischen Terrors, durch welchen in der Geschichte<br />

der Sowjetunion insgesamt circa 35Millionen Menschen umkommen sollten. Schwer enttäuscht<br />

kehrt Dwinger nach Deutschland mit dem Resümee<br />

"Ich war Kommunist"<br />

zurück. Doch trotzdem behielt er seinen Glauben an das russische Volk, dass er einst kennengelernt<br />

hat. Zuletzt findet dies unter anderem Niederschlag in seiner Denkschrift gegen die<br />

nationalsozialistische Ideologie vom Untermenschen:<br />

"Der russische Mensch" aus dem Jahre 1941.<br />

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Zwischen Heulkrampf und ekstatischem Jubel - Gedanken<br />

zum gegenwärtigen Sprachgebrauch<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 04. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Ein langweiliges Leben voller Banalitäten erhält für den freiwillig langweilig Lebenden seinen Reiz<br />

wahrscheinlich nur dadurch, daß er sich Höhen und Tiefen in sein Leben einredet und diese inneren<br />

Erlebnisse intensiv auskostet. Dazu gehört die mannigfaltige Beschreibung der inszenierten<br />

tiefgreifenden Schicksalsschläge für ihn selbst und insbesondere für seine Umwelt.<br />

Jeder muß doch wissen, was für ein extraordinäres Leben er führt. Der langweilig Lebende täuscht<br />

sich so über seine Nichtigkeit hinweg und versucht mit seinen Schreien nach Aufmerksamkeit, sein<br />

angeknackstes Selbstbewußtsein zu kompensieren. Alltäglich maßlose Übertreibungen, ja gar eine<br />

unaufhaltsame Schlagzeilenproduktion, kennzeichnen die Sprache des modernen Deutschen.<br />

Der moderne Deutsche hat nicht mehr viel, worüber es sich mit berechtigtem Grund aus seiner Sicht<br />

lohnen würde aufzuregen - er hat ausreichend Geld, eine Frau und kann sich jedes Jahr einen<br />

Mittelmeerurlaub leisten. Die schönen Dinge fliegen an ihm ebenso vorüber wie erschreckende<br />

Phänomene unserer Welt. Er ist viel zu gestreßt, um sich mit diesen Lappalien auseinanderzusetzen -<br />

höchstens ein kurzer tief betroffener oder entzückter Aufschrei durchdringt seinen Körper. Diese<br />

Aufschreie sind es auch, die auf den ersten Blick so ganz anderes über das Seelenleben des<br />

modernen Deutschen vermuten lassen, als es die Realität offenbart. Nach längerer Beobachtung<br />

steht dann jedoch fest, daß die ergreifenden, sentimentalen Worte zu nichts weiter dienen, als der<br />

Ausschmückung eines uninteressanten Lebens.<br />

Die deutsche Sprache ist seit Jahren leidgeprüft. Zu recht wird die Sprachverhunzung durch<br />

Anglizismen und andere Blüten der "New Speech" wie zum Beispiel der mehr und mehr<br />

einkehrenden "SMS-Sprache" in den normalen Schreib- und Sprachgebrauch angeprangert. Ein<br />

weiteres, mich bedenklich stimmendes Alltagsphänomen ist die Emotionalisierung der Sprache. Der<br />

moderne Deutsche ist dem Heulkrampf nahe, wenn er von dem Nichtbestehen einer Prüfung erfährt,<br />

und gerät in Ekstase, wenn er sie bestanden hat - zumindest seinen Worten zufolge. Man ist "total<br />

fertig", wenn man die S-Bahn verpaßt hat, und "total happy", wenn man sie gerade noch erwischt<br />

hat. Leider sind dies keine Anzeichen für einen sensibleren Umgang untereinander, sondern nur<br />

Versuche, den Gesprächspartner kurzzeitig mittels der Übertreibungen aus seiner Gleichgültigkeit<br />

herauszureißen. Der inflationäre Gebrauch von Begriffen wie "Angst" kann gleichermaßen gedeutet<br />

werden. Der "Ängstliche" meint nicht den erdrückenden Zustand der Angst. Vielmehr möchte er<br />

seine Sorge deutlich machen, daß ihm ohne starke Ausdrücke niemand zuhören würde und sich<br />

niemand an sein gesagtes erinnern würde. Warum sollte der Gegenüber sich auch für die Sorgen<br />

anderer in einer ich-orientierten Gesellschaft interessieren?<br />

Auf Kraftausdrücke der "wiedererstarkten Jugend" und die damit einhergehende „Prollsprache“<br />

möchte ich nicht näher eingehen - dies wäre in der Tat zu niederschmetternd.<br />

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„Mit viel Liebe und Engagement“<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Dienstag, den 04. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Aktuelle Reaktionen auf die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“<br />

Für die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“ schreibt nicht jeder, und nicht jeder liest sie. Das muss auch nicht sein, galt<br />

doch von Anfang an die klare Überzeugung, dass die Qualität vor der Quantität stehen soll.<br />

Schließlich ist doch Tag ein, Tag aus zu beobachten, wie uns (Jugend-)Publikationen ohne jeden<br />

Gehalt überfluten und im Prinzip nichts anderes als kommerzielle und/oder spaßgesellschaftliche<br />

Papierverschwendung darstellen. Trotzdem (oder gerade deshalb) kann sich die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“<br />

über den Umfang ihrer Beachtung - vor allem der letzten Wochen - nicht beklagen.<br />

In der letzten Ausgabe (14/06) der bedeutenden konservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“<br />

erschienen beispielweise zwei größere Artikel über das Projekt. Man bescheinigte den Autoren und<br />

Mitarbeitern, die Zeitschrift mit „(...) viel Liebe und Engagement zu gestalten“ und dass man „zum<br />

Schrecken der Linken“ nach den Erfolgen in Chemnitz die konzeptionelle Ausdehnung auf andere<br />

Städte plane.<br />

Im Weblog des „Instituts für Staatspolitik“ bemerkte man den aktivistischen Geist der Idealisten um<br />

die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“, die trotz Kälte und anderen (politischen) Widrigkeiten stadtweit für die<br />

Meinungs- und Pressefreiheit an Chemnitzer Gymnasien kämpften.<br />

Die Leser und Autoren der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ können sich also mit Recht in ihrer Überzeugung<br />

bestätigt sehen, sich nichts vorsetzen zu lassen, sondern weiter selbst nach Antworten auf die sich<br />

stellenden Fragen zu suchen, eine andere Haltung als die von satter und kommoder Trägheit und<br />

Konsum geprägte Masse der Jugend zum Leben zu finden und zu dem, was dieses Leben erst wert-<br />

und sinnvoll macht.<br />

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Terror an der Rütli-Schule – Multikulti am Ende?<br />

Geschrieben von: John Palatini<br />

Donnerstag, den 06. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Man will es den Kommentatoren im Fernsehen kaum glauben. Doch seit es nun auch die BILD-<br />

Zeitung dem Volk erklärt hat, dass es vorbei sein soll mit den Blütenträumen einer ganzen<br />

Generation, dämmert es auch dem letzten Skeptiker.<br />

Hier in den neuen Bundesländern klingt die Debatte vielleicht etwas unverständlich. Zunächst sollte<br />

man wissen, dass die Multikulti-Bewegung in Deutschland keineswegs eine harmlose Träumerei im<br />

Geiste des Weltfriedens ist, sondern knallharte 68er-Ideologie. Dabei geht es keineswegs allein<br />

darum, dass den verschiedenen Minderheiten in diesem Land Schutz gewährt und ihnen die<br />

Erhaltung ihrer kulturellen Identität ermöglicht werden soll. Nein: Es ging von vornherein um die<br />

Etablierung großer, nicht-deutscher Populationen, mit dem Ziel, die kulturelle Einheit dieses Landes<br />

zu untergraben und aufzulösen. Deshalb leben zum Beispiel türkische Frauen seit 30 Jahren in diesem<br />

Land und sprechen kaum drei Worte deutsch.<br />

Gestört hat das niemanden, weder den Staat, noch die Frau, denn innerhalb der perfekt<br />

organisierten türkischen Großkommunen wie in Berlin ist die deutsche Sprache keine Notwendigkeit.<br />

Selbst die Beamten der Verwaltung sprechen dort Türkisch. Das alles funktioniert prächtig. Keine<br />

türkische Frau wird dort Probleme haben, wo sie türkischer leben kann als in ihrer Heimat. Probleme<br />

gibt es erst dort, wo die Welten wirklich aufeinander prallen.<br />

An Berlins Hauptschulen ist dies der Fall, wie das Beispiel der Rütli-Schule eindrucksvoll beweist. Das<br />

die Schüler kaum Deutsch können, wen wundert es, wenn sie außerhalb der Schule weder mit<br />

deutscher Kultur, noch mit deutscher Sprache in Kontakt kommen. Sie leben aufgehoben in ihren<br />

Familien und Kommunen; sprechen, hören und lesen Türkisch, erlernen die Rollenbilder ihrer Kultur<br />

und die dazu gehörigen Vorstellungen von Recht und Moral. Solche Schüler reagieren aggressiv,<br />

wenn sie ein deutscher Lehrer zum Lernen oder zur Disziplin anhalten will, vor allem wenn ihnen<br />

dämmert, dass sie in Deutschland kaum eine Perspektive haben werden, die über dem<br />

Sozialhilfeniveau liegen wird. Diese Schüler sind die Opfer einer bewusst falsch verstandenen<br />

Multikulti-Ideologie.<br />

Seit sich abzeichnet, dass der Wohlfahrtsstaat in Zukunft nicht mehr alle Verlierer der Gesellschaft<br />

mit üppigen Sozialleistungen wird ruhig stellen können, geht die Angst um in Deutschland. Denn<br />

wochenlange Straßenschlachten und unzählige brennende Autos wie unlängst in Frankreich scheinen<br />

dann auch hier zur Option einer nicht mehr fernen Zukunft zu werden. Der soziale Frieden ist in<br />

Gefahr.<br />

Viele Medienverantwortliche haben das inzwischen erkannt. Freuen wir uns darüber, denn die<br />

Verabschiedung gescheiterter Denkmodelle ist der erste Schritt auf der Suche nach neuen Wegen.<br />

Wenn Berlins Bildungssenator aber behauptet, die Rütli-Schule sei ein „Ausreißer“, ein Einzelfall,<br />

dann nimmt er entweder die Realität nicht zur Kenntnis, oder aber er lügt aus Gründen der<br />

Staatsräson!<br />

Um jeder böswilligen Fehlinterpretation vorzugreifen: Der Autor positioniert sich mit diesen Zeilen<br />

nicht gegen Ausländer, sondern gegen das Multikulti-Projekt. Der Autor wünscht sich eine<br />

Verbesserung der gegenwärtigen Verhältnisse durch eine bessere Integration der türkischen<br />

Menschen in die deutsche Gesellschaft, im Interesse alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.<br />

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Heimat, wo bist du?<br />

Geschrieben von: Torsten Görke<br />

Samstag, den 08. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

In Deutschland findet in diesem Jahr die Fußballweltmeisterschaft statt, 2010 die nächste in<br />

Südafrika. Dort wird man gewiss viel von der traditionellen Lebensweise, viel von der Identität Afrikas<br />

lernen und sich möglicherweise daran erfreuen. Ich zerbreche mir aber den Kopf darüber, was die<br />

Gäste nach den wenigen Wochen aus eben unserem Land für Eindrücke mitnehmen sollen. In einem<br />

Land, in dem ganze Stadtteile deutschen Bodens von nicht integrierten Türken bevölkert sind und<br />

unsere Sprache nicht einmal mehr kennen, in dem Schüler nur durch Polizeischutz dem Unterricht<br />

nachgehen können, in diesem, unserem Land wird die Welt nicht zu Gast bei Deutschen sein,<br />

sondern allenfalls bei einer gesamteuropäisch-asiatischen Völkeransammlung.<br />

Es mag für den Leser hart klingen, aber alle Euphemismen um die Integration in Deutschland muss<br />

man jetzt zurücklassen. Ich schmähe hier niemanden, die Türken, Inder, Kroaten, Russen, um nur<br />

einige zu nennen, tun mir unendlich leid. Menschen, die nicht wissen, wo sie hingehören, für die<br />

Heimat ein Fremdwort geworden ist, deren Seelen vielfach noch in ihrem Herkunftsland hängen,<br />

denen gilt es jetzt zu helfen. Sie sind Opfer schlechter Politik und machtgieriger Parteienkartelle. An<br />

die weltweiten Auswirkungen, die sich auf kurz oder lang herauskristallisieren werden, möchte ich<br />

noch gar nicht denken.<br />

„Wo es mir gut geht, bin ich zu Hause“; dies gilt traurigerweise immer noch für viele Menschen. Und<br />

bedeutet den Rückfall in ein modernes Nomadentum. Nun, es geht den Menschen mit<br />

unterschiedlicher ethnischer Herkunft in Deutschland aber nicht mehr gut. Vom Sozialstaatgedanken<br />

sagt man sich mehr und mehr los, die Folgen sind überall sichtbar. Das von uns kürzlich aufgegriffene<br />

Thema mit der Rütli-Schule ist nur ein Beispiel. Bei vielen Jugendlichen, auch unter Deutschen,<br />

herrscht folgender Grundsatz: „legal, illegal, scheißegal“. Und so nimmt das Bandenwesen seinen<br />

Lauf. Mehrfach wurde über die Missstände auch schon von den Massenmedien berichtet, quälend<br />

lange Debatten im nur sporadisch besetzten Bundestag geführt. Hier frage ich mich aber, was da<br />

hinter verschlossenen Türen wirklich entschieden wird. Das bleibt eurer Vorstellungskraft<br />

vorbehalten.<br />

Ich behaupte, dass nur im Schutze der Heimat große Kulturwerte geschaffen werden können. Im<br />

Zuge der „Befreiung“ durch die Sowjets am Ende des 2. Weltkrieges wurden Millionen Deutsche aus<br />

ihrer Heimat vertrieben. Die Flucht endete zwar im deutschen Sprachraum, über materielle Verluste<br />

sah man auch noch schweren Herzens hinweg. Was aber in riesigem Maße auf ihre geistige Existenz<br />

einwirkte, war der Verlust ihrer Heimat. Viele verkrafteten das nicht und gingen in melancholischen<br />

Erinnerungen unter. Was ist heute los? Geschichte wiederholt sich …<br />

Dann und wann werden die Menschen hoffentlich zur Besinnung kommen. Andernfalls werden sie<br />

aus ihren Multikulti-Träumen finster herausgezerrt. Konsequent Stellung beziehen, und nicht immer<br />

nur ängstlich abwägen, ist jetzt wichtig.<br />

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Presse- und Meinungsfreiheit aus Europäischer Sicht. Ein<br />

Blick in die neue EU-Verfassung.<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Sonntag, den 09. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“<br />

[Verfassung der Europäischen Union/Charta der Grundrechte/Kapitel II/ Artikel 11/Absatz (2) <strong>07</strong>.<br />

Dezember 2000 – Nizza]<br />

Die Verfassung der Europäischen Union ist nicht gerade unumstritten. Genauer gesagt, momentan<br />

scheint es mehr Gegner, als Befürworter zu geben. Dem einen Staatschef fehlt der Bezug zu Gott, ein<br />

anderer sieht die Rechte seines Landes und die Mitsprache innerhalb der Gemeinschhaft zu kurz<br />

kommen – was Valerie Giscard d`Estaing als sein Denkmal für die Geschichtsbücher bereits in<br />

greifbarer Nähe sah, scheint nun längst in weite Ferne gerückt. Das Datum für Einführung und<br />

Gültigkeit der EU-Verfassung, wird seit der Proklamation im Jahre 2000, im sonnigen Nizza, von Jahr<br />

zu Jahr nach hinten verschoben. Derzeit ist das Jahr 20<strong>07</strong> eingeplant. Kommissionen arbeiten<br />

händeringend an Verbesserungen, Streichungen und Erweiterungen zugleich. Was der eine<br />

gestrichen haben wünscht, betont der andere als Unentbehrlich – es scheint so schnell keine<br />

Einigung in Sicht – gut so! - bleibt doch dem einigermaßen politikinteressierten Bürger der EU bzw.<br />

seiner Vaterländer genug Zeit, um sich hinreichend in die Materie einzulesen und dieses<br />

undurchdringliche Machwerk auf Tücken und Gefahren hin gründlich zu durchsuchen.<br />

Setzt man nun voraus, diese Verfassung bekomme irgendwann einmal Gültigkeit, so ist doch der<br />

detaillierte Blick auf Auszüge dieser Entwurfsverfassung, sicher nicht uninteressant und weckt das<br />

Interesse, nach tiefgründigem Studium.<br />

Als Chefredakteur der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ interessiert mich besonders der Absatz der Presse- und<br />

Meinungsfreiheit – nicht etwa, weil ich ernsthaft Angst hätte, unser freigeistiges Literaturprojekt<br />

könnte, nach einer eventuellen Einführung, europaweit verboten werden – nein - vielmehr haben die<br />

Ereignisse der letzten Zeit, die sich rund um die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“ abspielten, mein Interesse stark auf<br />

den Gedanken der Meinungsfreiheit allgemein gelenkt. Mich beschäftigt die Frage: Wie kann die<br />

Meinungsfreiheit innerhalb Europas gewährleistet werden, wenn schon an einigen Chemnitzer<br />

Schulen, gegen im Grundgesetz festgeschriebene Grundsätze wie „Eine Zensur findet nicht statt“,<br />

willkürlich verstoßen wird? Mich interessiert die wachsende Macht der Massenmedien, sowie die<br />

schwindende Macht der kleinen alternativen und vor allem unabhängigen Medien, im Kontext eines<br />

sich schleichend formierenden Europäischen Superstaates.<br />

„Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“ Dieser Satz wird nun dem mehr oder<br />

weniger geschulten Betrachter und Studierenden dieser Verfassung genau so trocken serviert, wie<br />

die vielen tausend anderen Absätze und Paraphrasen. Was bedeutet das eigentlich? Ist das nicht<br />

letztlich genau so eine Worthülse, wie das „Eine Zensur findet nicht statt.“, im Deutschen<br />

Grundgesetz, was jeder beliebige Schulleiter der nächsten besten Dorfschule, irgendwo in<br />

Deutschland, ganz einfach außer Kraft setzten kann?<br />

Fakt ist zunächst eines: Es ist eine ungeheure Leistung der zuständigen verfassungserarbeitenden<br />

Kommissionen, die Belange einer so vielschichtig kulturell, aber auch traditionsgeprägten<br />

Gemeinschaft wie der EU, in einem, in diesem Zusammenhang noch vergleichsweise kurzen Umfang,<br />

aufzusummieren und zu filtern. Ziel war es ja, eine Verfassung zu erarbeiten, die den Bauern in<br />

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Portugal mit ihren Traditionen genauso gerecht wird, wie dem mittlerweile sehr freiheitsverwöhnten<br />

Deutschen oder den progressiven Skandinaviern. Fakt ist auch, dass es dazu unumgänglich war, die<br />

Wesensmerkmale der verschiedenen Volksgruppen des Europäischen Kontinents, zunächst zu<br />

erkennen, sie dann auf das Wesentlichste zu reduzieren und dann in den Kontext der anderen<br />

Traditionen zu stellen. Dieser Kontext bildete dann die Grundlagen für alle sich weiterhin<br />

anschließenden Regelungen und Gesetze.<br />

Und so ergibt sich dann auch der oben benannte Satz, der zukünftig die Pressefreiheit Europas<br />

garantieren soll. Er gilt dann gleichfalls für die momentan recht konservativen Italiener, mit ihrem<br />

Berlusconi-auf-allen-Kanälen- Einheitsfernsehen, wie für die, schon von ihrer Geschichte aus,<br />

pluralistisch und programmatisch-liberal eingestellten Franzosen, aber auch für die Deutschen, die<br />

selbst dann noch schweigen und konsumieren, wenn auf den fünftausend angebotenen<br />

Fernsehkanälen, synchron Dauerverblödung zum kollektiven intellektuellen Genozid, verabreicht<br />

wird.<br />

Ich glaube nicht im Ansatz, dass es irgendeinen internationalen Medienmogul, der daran interessiert<br />

ist, möglichst viele kleine und mittlere europäische Medien aufzukaufen und sie mit seinem bereits<br />

bestehenden Megamedienunternehmen zu vereinigen, auch nur annähernd interessiert, dass<br />

innerhalb der EU „Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität“ zu achten sind. Wer will denn das<br />

kontrollieren? Sollte es irgendwann mal ein zentrales Brüsseler Kontrollorgan geben, wird dieses ja in<br />

Arbeit ersticken müssen, wenn von Frankreich bis vielleicht bald zur Türkei, alle Medienkartelle zu<br />

verhindern sind – dies wird sicher nach kürzester Zeit im totalen Chaos enden…was dann in<br />

consequentum die Grundlage für das Ende der Pressefreiheit legt – ja die Europäische<br />

Mediengleichschaltung nicht mehr ausgeschlossen läßt.<br />

In Summa: Meiner Ansicht nach, kann es keine Europäische Verfassung geben, die nicht notwendig<br />

dazu beitragen würde, dass nationale Interessen einem großen unüberschaubaren Einheitsbrei zum<br />

Opfer fallen. Es ist schlichtweg unmöglich, alle Interessen, der ständig wachsenden Mitgliederschar,<br />

auf einen annehmbaren Nenner zu bringen und parallel dazu, die Eigenständigkeit der<br />

Mitgliedsländer nicht grundlegend außer Kraft zu setzen – sei es nun die Frage von Meinungs- und<br />

Pressefreiheit oder die Frage nach dem Euro oder die Frage, ob Kleinasien nun mehrheitlich<br />

europäisch oder doch mehr orientalisch geprägt sei.<br />

Es gibt also schlichtweg zwei Möglichkeiten: entweder kommen interessenbedingte<br />

Zuständigkeitsgebiete, der vor allem länderspezifische Eigenheiten zugrunde liegen, zurück in<br />

nationale Hand oder es wird ein Konsens gebildet, der alles über einen Kamm schert und einen<br />

letztlich undefinierten Brei ergibt, der auf oben benannten Worthülsen basiert und dessen<br />

Eigendynamik die Herren in Brüssel aber noch tüchtig das Fürchten lehren wird.<br />

Noch haben die Bürger Europas die Zeit, sich gegen die Gleichschaltung zu wehren – aber wie ich die<br />

Geschichte kenne, wird es dies sicher nicht tun. Deshalb schon jetzt: Auf ins intellektuelle Exil!<br />

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„Bist du am Leben interessiert?“<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Mittwoch, den 12. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Zugegebenermaßen gehört Xavier Naidoo nicht zu jenen deutschen Popmusikinterpreten, die sich in<br />

jedem ihrer Lieder über ihren letzten Liebeskummer oder die letzte Liebschaft auslassen. Die neueste<br />

Single von Xavier Naidoo „Bist du am Leben interessiert?“ beschäftigt sich mit Identität; beinahe<br />

hätte ich geschrieben der „nationalen Identität“, aber „neue Identität“ trifft es wohl besser.<br />

Seit „Du“ Deutschland bist, ist die Frage nach der eigenen Identität wieder gesellschaftsfähig. Xavier<br />

Naidoo schließt sich diesem Diskurs mit der gleichen Oberflächlichkeit, wie es die Kampagne „Du bist<br />

Deutschland“ vorgemacht hat, an. Er mahnt seine Zuhörer, sich ihres Herkommens bewußt zu sein<br />

und wachsam die mühevolle Geschichte der eigenen Ahnen fortzuführen. Wie die Gestaltung der<br />

Zukunft demnach aussehen sollte, weiß Xavier Naidoo auch: „Die ganze Generation einer Nation“<br />

solle sich „den Frieden wie auf einen Thron“ setzen, denn Krieg ist ja schlimm, und wer Krieg treibt,<br />

der kann laut Naidoo seine Söhne und Töchter nicht lieben.<br />

Der Wunsch nach einer friedliebenden Nation ist sicher zu begrüßen, jedoch verkennt Xavier Naidoo<br />

in seinem argumentativen Geflecht, daß es uns bzw. auch ihn nur gibt, weil sich unsere Vorfahren<br />

durchgesetzt haben – im Leben und auch im Krieg. Das „Wissen (unserer Vorfahren) von mehr als<br />

10.000 Jahren“, von dem Naidoo spricht, impliziert ebenfalls Erkenntnisse über die richtigen<br />

Methoden zur Familien-, Stammes- und Volkserhaltung. Anstatt diesen harten und erfolgreichen<br />

Kampf unserer Ahnen zu würdigen, schmeißt Xavier Naidoo mit hohlen Phrasen um sich.<br />

Viel heiße Luft wirbelt „Bist du am Leben interessiert?“ auf. So bleibt auch die abschließende<br />

Forderung der neuen Single diffus. Naidoo fordert das Volk auf, die alten Lieder, „die tief in deiner<br />

Seele liegen“, herauszubringen und zu singen.<br />

Lieber Xavier Naidoo, deinem Wunsch möchten wir gerne entsprechen. Wie wäre es, wenn wir mit<br />

alten deutschen Volksliedern wie „Es war ein König in Thule“ oder „Wenn alle Brünnlein fließen“ die<br />

große Revolution der alten Lieder beginnen?<br />

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Serie: Bücher aus der Mottenkiste (Teil 1). Demian.<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Samstag, den 15. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Der Vogel kämpft sich aus dem Ei.<br />

Das Ei ist die Welt.<br />

Wer geboren werden will,<br />

muss eine Welt zerstören.<br />

Der Vogel fliegt zu Gott.<br />

Der Gott heißt Abraxas.“<br />

Der Mensch muss (s)eine Welt zerstören, um sich selbst zu finden. Mit diesem Satz könnte man das<br />

Motto des wegweisenden Buches „Demian – Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend“, welches 1919<br />

erstveröffentlicht wurde, zusammenfassen. Es ist sozusagen die richtungsgebende Grundlage für<br />

Hesses Welterfolg „Der Steppenwolf“ und steht heute leider etwas zu sehr im Schatten, dieses<br />

zweifelsohne größten Werks Hesses – zu Unrecht – wie ich finde, zwar ist es nicht so groß und surreal<br />

wie der Steppenwolf, aber es ist einfühlsam und prägt den Leser mit einer Mischung aus sehnsüchtigemotionalem<br />

Suchen und knallhart–realistischer Analyse, in der sich der junge Leser zu jeder Zeit<br />

wiederzufinden vermag. Eine durchaus sehr lesenswerte Mischung.<br />

Aber worum geht es: Der etwa in der Mitte der Zwanziger stehende Emil Sinclair, welcher das Buch<br />

als Ich-Erzähler beschreibend strukturiert, führt den Leser episodenhaft durch seine Kindheit hin bis<br />

zu Jugenderlebnissen und beschließt die Reise mit dem Ende des Ersten Weltkrieges. Sinclair ist ein<br />

sehr sensibler Charakter – weich – leise – oft gehänselt – strebsam und fleißig – ein Muttersöhnchen.<br />

Dem Hessekenner fällt bereits hier der so Hessetypischste Menschentypus auf, ein wenig<br />

träumerisch, ein wenig verspielt, ein wenig Außenseiter. Schon jetzt werden starke<br />

autobiographische Züge erkennbar. Dieser Sinclair nun, trifft während seiner Schulzeit, auf den ihm<br />

völlig konträren Max Demian. Einige Jahre älter als er, besucht er trotzdem Sinclairs Klassenstufe, er<br />

ist selbstbewußt, geht auf die Leute zu und geht, wie Hesse es beschreibt „von Anfang an, eigenen<br />

subtilen und konsequenten Studien nach“ – anders als Sinclair ist er nicht Außenseiter aus fehlender<br />

Akzeptanz, sondern aus Passion. So lernen sich die beiden Außenseiter kennen und sie verbindet<br />

schnell eine innige Freundschaft – wenngleich Demian mehr die Rolle des großen Bruders inne hat<br />

und man sehr schnell davon ausgeht, dass er die dominante Person in dieser Freundschaft ist –<br />

Sinclair sieht von Anfang an zu ihm auf.<br />

Bereits ziemlich zu Anfang des Buches wird deutlich, dass die beiden mehr verbindet, als nur eine<br />

bloße Freundschaft. Demian wird immer mehr zum Lehrer Sinclairs – er bezeichnet ihn als einen „von<br />

ihnen“ und versucht ihn in vielen Situationen vor Gefahr und Unheil zu bewahren.<br />

Nach der Schulzeit trennen sich die Wege der beiden Freunde, doch einige Male trifft Emil auf Max,<br />

meist dann, wenn er es am wenigsten erwartet. Die Zeit des Studiums wird als eine Zeit des ziellosen<br />

Suchens beschrieben – eine Zeit in der Sinclair zwischen fanatischer Liebe, Alkoholexzessen und<br />

strikter Enthaltsamkeit hin- und herpilgert. Er lotet seine Grenzen aus, ist auf der Suche nach seinem<br />

Wesen, findet Antworten, die ihm kein Professor zu geben im Stande ist. Hesse bedient sich auch<br />

hier, seiner sehr typischen Schreibweise, welche die jugendlichen Gedankengänge so plastisch<br />

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nachzeichnet, dass sie dem Leser oft selbst sehr tangieren – weil vieles, was da geschrieben steht,<br />

auch im eignen Entwicklungsprozeß enthalten war oder noch ist.<br />

Die Zeit vergeht schnell und Emil kehrt nach seinem abgeschlossenen Studium zu Demian zurück. Er<br />

wohnt mit seiner Mutter in einer großen Villa am Rande der Stadt, in der Emil in der Folgezeit oft zu<br />

Besuch ist.<br />

Demian und seine Mutter erklären nun Sinclair, dass sie immer auf ihn gewartet haben und ihn seit<br />

langem schon als einen „von ihnen“ ansehen. Hesse meint damit eine Gruppe von Menschen, die es<br />

in jeder Gesellschaft gibt – Menschen die so reflektiert leben, dass sie auf eine Stufe der Erkenntnis<br />

kommen, die das Leben und Wirken der „anderen“ meilenweit entfernt erscheinen läßt. Hesse<br />

nimmt aber hierbei keine Wertung vor, er beschreibt lediglich den Vorgang der Erkenntnis – einer<br />

Erkenntnis die so tief geht, dass sie Ansichten erzeugt, die auf „höheren“ Gesetzen beruhen. Man<br />

könnte diese Leute vereinfacht als Querdenker oder geistige Aristokraten bezeichnen, typische<br />

Hessefiguren, die in keine Schublade passen und die sich konsequent gegen jegliche Kategorisierung<br />

zur Wehr setzen - dabei aber weiter kommen als alle anderen.<br />

Max und seine Mutter hatten nun schon lange erkannt, dass Emil auch ein eben solcher sei, nur, dass<br />

er bislang immer nur die Anlage dazu hatte, sich aber dessen nicht bewußt war. Der Prozeß des<br />

Lernens, an Universität und Lebenserfahrungen schließlich, läßt Emil in den Kreis der „reflektierten<br />

Querdenker“ aufsteigen und nun erstmalig in seinem Leben eine wirkliche Heimat finden.<br />

Aber warum muss nun der Mensch, laut Hesse, eine Welt zerstören, um sich selbst zu finden? Hesse<br />

benutzt diese Metapher doppelsinnig. Einmal meint er damit, dass man sich als Mensch dazu<br />

zwingen muss, alle Dinge von den vielfältigsten und auch manchmal vielleicht abwegigsten<br />

Perspektiven zu betrachten - so kann ein scheinbarer Abweg, bei genauerer Betrachtung, zu einem<br />

bloßen Umweg werden, der durch Erkenntnis zum selben Ziel führt – Einsicht in die Zusammenhänge<br />

unserer Welt – genau genommen Faust vor dem Ersten Weltkrieg – herausfinden, was die Welt im<br />

Innersten zusammenhält und dabei Umwege in Kauf nehmen, die von Exzeß bis Extase führen<br />

können.<br />

Hesse meint also mit dieser „Welt“ jene, die auch Georg Grosz in seinen oft kritisch betrachtenden<br />

Bildern anprangert – die europäische Dekadenz der Jahrhundertwende, die in Halbwelten haust,<br />

eigentlich ungebildet ist, aber die Welt mit ihrer Borniertheit direkt in den Abgrund reißt – da sie<br />

Macht hat - die zweite Deutungsebene: der Erste Weltkrieg. Hesse zeichnet nach, wozu Kleingeist<br />

und fehlende Bildung führt, geht aber dabei noch einen Schritt weiter: mit der fast nihilistischen<br />

Gelassenheit Nietzsches, nimmt er die Geschehnisse als gegeben hin, er erkennt, dass es keinen<br />

anderen Ausweg gibt als den Krieg. Es ist klar, dass er den Krieg notwendig verabscheut, er weiß<br />

aber, dass er nicht zu umgehen sein wird, er beschreibt ihn als „Reinigungsprozeß“ von den alten<br />

Hüllen, die das neue Jahrhundert noch in die Knie zwingen – er hofft auf einen neuen Frühling, nach<br />

dem Winter des Krieges. Es sagt, dass nur das Radikale dem Menschen die Schuppen von den Augen<br />

nimmt, um sein eigentlich verletzliches Wesen zu erkennen. Der Querdenker hat dabei die Aufgabe<br />

des Beobachters, der sich von keiner radikalen Ansicht beeindrucken läßt und die Sache mit Einsicht<br />

von außen betrachtet. Ihm bleibt nur das Warten auf bessere Zeiten.<br />

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Die multikulturelle Gesellschaft – eine Realität?<br />

Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />

Dienstag, den 18. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

In Deutschland leben 14 Millionen Menschen mit „Migrationshintergrund“ und in den Großstädten<br />

kann ein Deutscher auch schon mal zu einer Minderheit gehören. Außerdem kommt durch die<br />

Globalisierung die ganze Welt zusammen und sämtliche menschlichen Barrieren werden Stück für<br />

Stück abgebaut. Irgendwelche Nationalitäten interessieren bei Eheschließungen angeblich sowieso<br />

nicht, dafür gibt es genügend Beispiele aus der Welt der Reichen und Schönen. Die Völker werden<br />

verschwinden, unaufhaltsam. Diese Fakten und Mutmaßungen werden denjenigen entgegnet, die<br />

eine multikulturelle Gesellschaft für unmöglich bzw. in Deutschland für gescheitert halten. Zur<br />

Vorgeschichte:<br />

Ende 2005 schwappte eine Gewaltwelle über Frankreich und für viele Beobachter brannten nicht<br />

bloß Autos oder Müllcontainer, sondern eine ganze Gesellschaftsidee und das, obwohl die schwarzen<br />

Jugendlichen die französische Sprache beherrschen und nach den Idealen der glorreichen Revolution<br />

alle Menschen gleich sind. In Deutschland sprach man hingegen ausschließlich von<br />

orientierungslosen Jugendlichen, denen man helfen müsste, in Lohn und Brot zu kommen. Das war<br />

zwar scheinheilig, weil man hierzulande keine Unternehmer auffordern würde z.B. links- und<br />

rechtsextreme Jugendliche gezielt einzustellen, aber das Beste kommt noch: Hierzulande in der<br />

„Bunten Republik“ wäre so was ganz und gar unmöglich, doch ein paar Monate später sieht sich eine<br />

Direktorin außer Stande den Lehrbetrieb an ihrer Schule einfach so fortzuführen. Im Vergleich zu den<br />

Geschehnissen in Frankreich ist das zwar bloß minimal, aber unser Nachbarland war uns ja schon des<br />

Öfteren voraus. Jedenfalls reagierten die Medien und plötzlich wurde die Bevölkerungspolitik der<br />

BRD hinterfragt. Das jahrelange eher dumpfe Grollen der bürgerlichen Parteien (die<br />

Aschermittwochsreden der CSU mal ausgeschlossen) äußerte sich plötzlich in Einbürgerungstests, es<br />

wurde sogar offen von Abschiebung ausländischer Gewalttäter gesprochen.<br />

Natürlich verstummten die Töne der Alt 68´er nicht. Dass man sich als geistiger Brandstifter etabliert,<br />

wenn „MultiKulti“ in Frage gestellt wird, ist klar. Aber neuerdings kommt neben den oben gegebenen<br />

Gründen Realitätsfremdheit zum Argumentationsbrei hinzu. Zuviel hätte sich in den letzten<br />

Jahrzehnten geändert, womit es keine andere Option mehr geben würde.<br />

Diesen Gedanken muss man natürlich auf den Grund gehen. Da sich immer mehr Deutsche so sehr<br />

nach dem Ausland sehnen, werde ich auch dahin meinen ersten Blick werfen. In den USA, die ja am<br />

ehesten multikulturell sein müsste, spricht man überhaupt nicht mehr von einem Schmelztiegel, der<br />

alles vereinigen wird, weil die ethnischen Gruppen ihre Identität behalten wollen und auch aus<br />

Holland hörte man in der jüngeren Vergangenheit nicht unbedingt Erfolge, was ein friedliches<br />

Miteinander angeht. Überhaupt treffen ständig Volksgruppen gewaltsam aufeinander - die<br />

Nachrichten sind voll davon - soviel zum Thema, dass wir uns in der schönen neuen Welt alle lieb<br />

haben. In Zukunft wird sich die Beispielliste beliebig erweitern.<br />

Zurück ins kalte Deutschland:<br />

Wenn man in die Vergangenheit schaut, wird man feststellen, dass es bei Tacitus angefangen, über<br />

die Hugenotten bis zum türkischen Kleinunternehmer immer wieder „Ausländer“ in Deutschland<br />

gegeben hat. Der gravierende Unterschied ist jedoch deren Anteil an der Bevölkerung und die<br />

Veränderungen die damit verbunden sind. Wenn man durch manche Großstädte läuft, könnte schon<br />

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die Frage aufkommen, in welchem Land man eigentlich gerade ist. Ein weiterer Unterschied zur<br />

früheren Situation sind Verwerfungen im sozialen Frieden.<br />

Auch hierzulande tauchen immer wieder Schlagzeilen auf, die von Übergriffen von Ausländern auf<br />

Deutsche und umgekehrt berichten: Ein Bürger aus Libyen vergewaltigte eine Chemnitzerin, ein 17jähriger<br />

in unserer Stadt wurde von 15 Russen zusammengeschlagen, oder ein Schwarzafrikaner<br />

wurde durch Potsdam geprügelt. Um das gegeißelte Wort Ausländerkriminalität zu vermeiden,<br />

tauchen nur selten Statistiken auf. Allerdings muss man konstatieren, dass Ausländer<br />

überproportional vergewaltigen, töten oder an anderen Gewaltverbrechen beteiligt sind. Das ist<br />

nicht ausländerfeindlich, sondern lediglich Zahlenmaterial – und Realität.<br />

In einer Studie über Jugendkriminalität prallen in 60% der Fälle in Großstädten wie Dortmund<br />

verschiedene ethnische Gruppen aufeinander und in Berlin sieht man ganz offensichtlich, wie ein<br />

Miteinander gescheitert ist. In einer anderen Schule in der Hauptstadt rät der Direktor sogar<br />

deutschen Eltern davon ab, ihr Kind dahin zu schicken. Des weiteren ist die Arbeitslosenquote unter<br />

Ausländern, die oftmals in ghettoähnlichen Vierteln leben, höher, weswegen man oft von<br />

Armutskriminalität spricht, aber eine gesunde Gesellschaft ist doch krisenfest?<br />

Ohne Regulierung geht also offensichtlich nichts mehr, jedoch ist bis jetzt wenig passiert, um einen<br />

echten Anpassungsprozess in Gang zu setzen, denn da wäre die Gesellschaft nicht mehr<br />

multikulturell und so wird der assimilierte Teil der Zugewanderten von den Integrationsunwilligen<br />

weiterhin diskreditiert. In einem Land, was nach dem westfälischen Frieden teilweise, und während<br />

der napoleonischen Herrschaft de facto vollständig fremdbeherrscht wurde, wird das dauerhaft<br />

keine imagesteigernde Wirkung erzielen.<br />

Richtig interessant wird es dann, wenn man einen Blick auf die Befürworter dieser nicht gefestigten<br />

Gesellschaft wirft. Meistens handelt es sich dabei um Politiker, die früher Anhänger von<br />

Massenmördern wie Mao waren und heute mit dicken Autos durch die Straßen Berlins chauffiert<br />

werden. Angesprochen auf Problemlösungen reagieren sie bloß mit dem Ruf nach mehr<br />

Arbeitsbeschaffungsprogrammen für Ausländer etc., wäre das nicht diskriminierend? Oder es kommt<br />

die Mär von der Ausländerfeindlichkeit, aber ist es nicht eher feindlich gegenüber Bürgern anderer<br />

Nationen, indem man sie zu Zehntausenden verpflanzt und dann in der „neuen Welt“<br />

orientierungslos schalten und walten lässt, obwohl es tiefgreifende Unterschiede in der Lebensweise,<br />

im Frauenbild,der Religion und dem Werteverständnis gibt?<br />

Eine weitere Gruppe sind selbstverständlich Künstler und andere Prominente, die seit jeher einen<br />

Drang zum Reisen haben und sich nicht unbedingt dauerhaft in ihrer eigentlichen Heimat, welche für<br />

die Betreffenden manchmal sowieso eine andere Bedeutung hat, aufhalten müssen. Allerdings<br />

handelt es sich dabei um eine verschwindend geringe Minderheit, die Ruhm erreicht hat, den die<br />

Mehrheit unseres Volkes nie erreichen wird. Welcher normale deutsche Büroangestellte fliegt einmal<br />

in der Woche über den großen Teich?<br />

Manche Träume bleiben eben unerfüllt, wie der Traum der Liebe ohne Grenzen, denn bi-nationale<br />

Ehen werden wesentlich häufiger geschieden als Ehen zwischen Angehörigen einer Nation. So bleibt<br />

auch Heidi Klum nicht nur vom Aussehen her eine Ausnahme.<br />

Zusammenfassend ist die Diskrepanz zwischen Schein und Sein natürlich riesig. Viele Vorstellungen,<br />

was multikulturelle Gesellschaft angeht, sind zu naiv, zu einfach, zu platt. Als ob man einen frommen<br />

Moslem von heute auf morgen in eine säkularisierte Gesellschaft einbauen kann. Dafür müsste er<br />

sich selbst verleugnen, sich sofort auf ein funktionierendes Rad im unbekannten Gefüge reduzieren,<br />

52


was eigentlich menschenverachtend ist. Aber für die immer noch deutsche Mehrheit wird es keine<br />

andere Lösung als eine „Leitkultur“ geben. An grundlegenden Sachen wie die Akzeptanz unserer<br />

Werte und das Sprechen der deutschen Sprache wird kein Weg vorbeiführen. In diesem Dilemma,<br />

erzeugt durch Gruppeninteressen (soviel zum Miteinander), befinden sich nun die Politiker, welche<br />

die Wirklichkeit akzeptieren müssen. Selbst Altkanzler Schmidt (SPD) sprach von Fehlern, die in der<br />

Vergangenheit passiert sind und Daniel Cohn-Bendit (Grüne) meint überraschenderweise:<br />

„Die multikulturelle Gesellschaft ist hart, schnell, grausam und wenig solidarisch, sie ist von<br />

beträchtlichen sozialen Ungleichgewichten geprägt und kennt Modernisierungsgewinner ebenso wie<br />

Modernisierungsverlierer.“<br />

Das sollte nicht das Ziel eines Gesellschaftsentwurfes sein und eines schon gar nicht: Realität.<br />

53


Wibke Bruhns: „Meines Vaters Land“<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Donnerstag, den 20. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Bücher über Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es mehr als genug. Hinzu<br />

kommt, dass die Beurteilung des Verhaltens der damaligen Generation oft von oben herab erfolgt.<br />

Der Autor weiß oft allein schon durch die „Gnade der späten Geburt“ (Helmut Kohl), worin die Schuld<br />

der Betroffenen liegt. Diesen Stil verkörpert Guido Knopp durch seine stets anklagenden, aber selten<br />

abwägenden Geschichts-Reportagen. Um so interessanter ist es, selbstständig am Beispiel einer<br />

alltäglichen typischen deutschen Familie das Leben dieser Zeit nachzuempfinden. „Wer bin ich denn,<br />

heute zu urteilen, wo es darum geht, Früheres zu begreifen? ... Ich habe da keine Rechnungen<br />

aufzumachen und muß meinen Hochmut zügeln. ,Ihr, die ihr auftauchen werdet, aus der Flut, in der<br />

wir untergegangen sind, gedenkt, wenn ihr von unseren Schwächen sprecht, auch der finsteren Zeit,<br />

der ihr entronnen seid.“ mahnt Bertolt Brecht die Nachgeborenen. „60 Jahre später kann ich hier<br />

nicht sitzen ohne Erbarmen und ,recht haben‘. Mein Glück war die Zäsur. Was ist mit denen, die<br />

beides gelebt haben? Sollten sie, wie von DDR-Bürgern oft verlangt, die ersten 40 Jahre ihres Lebens<br />

für ungültig erklären? Immerzu Buße?“ Wibke Bruhns versucht am Beispiel ihrer Familie in<br />

Halberstadt Deutschland 1914-1945 nachzuzeichnen. Dies ist ihr gelungen. Über manche zwanghaft<br />

moralisierend wirkende Kommentare mag man hinwegsehen - ein guter Schreibstil gleicht diese<br />

Patzer leicht aus.<br />

54


Macht und Verantwortung<br />

Geschrieben von: Fellix Menzel<br />

Samstag, den 22. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Debatten über die Probleme in unserem Lande beschwören zwangsläufig die Frage nach den<br />

Verantwortlichen der Misere herauf. Aktuell zeigt sich dies am Diskurs um das Scheitern von<br />

„Multikulti“. Auffallend dabei ist, daß sich zum einen niemand schuldig bekennt und zum anderen die<br />

Suche nach den Schuldigen mehr oder weniger im Sande verläuft; Konsequenzen hat jedenfalls<br />

niemand zu befürchten.<br />

Der erste Schritt zur Lösung politischer und gesellschaftlicher Probleme muß jedoch klären, wer für<br />

sie verantwortlich ist. Wer hatte die Macht, die falschen Entscheidungen zu treffen und wer hat die<br />

Macht, heute immer noch falsch zu entscheiden?<br />

Wenn ich mir Gedanken über Machtkonstellationen mache, so nicht aus analytischem oder<br />

intellektuellen Vergnügen, sondern, weil ich glaube, daß die entscheidungsberechtigten Instanzen<br />

und Strukturen unseres Landes in ihrem Aufbau und ihrer Beschaffenheit selbst Ursache oder sogar<br />

Hauptproblem sind. Wie ist dies zu verstehen? Eindeutigen, konkreten Machtkonstellationen lösen<br />

sich seit Jahren auf und undurchsichtige Verflechtungen von Politik, Medien, Wirtschaft und<br />

Lobbyisten bescheren uns vor allem die Schwierigkeit, Entscheidungsprozesse nachzeichnen zu<br />

können und die Entscheidungsträger zur Verantwortung zu ziehen. Bildlich gesprochen kann dies mit<br />

einem Schachspiel verglichen werden, bei dem unklar ist, wer der Schachspieler ist und wer nur eine<br />

Figur ist, die so gesetzt wird, wie sie gebraucht wird. Die Rollenverteilungen für die einzelnen<br />

Entscheidungsakteure verschwimmen, so daß die Frage nach Macht und Verantwortung an<br />

Schwierigkeit zunimmt.<br />

Macht zu haben, bedeutet nicht mehr nur, Entscheidungen fällen zu können, sondern auch sie<br />

richtungsweisend zu beeinflussen. In unserem Massenzeitalter erweist sich das Volk als eine<br />

unbekannte Variable. Beherrscht jemand – vielleicht die Medien, vielleicht die Politik – die<br />

öffentliche Meinung oder kann das Volk maßgeblich eine Stimmung vorgeben, nach der sich die<br />

Entscheidungsträger richten?<br />

Ob eine unaufhörliche Gewaltenzersplitterung politischer und gesellschaftlicher Macht der richtige<br />

Weg zu einer verantwortungsvollen Politik und Politikbeeinflussung ist, wage ich zu bezweifeln.<br />

Aufgrund der zersplitterten Strukturen, die starke (autoritäre) Entscheidungsträger bestens<br />

verhindern, müssen wir nicht nur nach der Verantwortung einzelner politischer, journalistischer oder<br />

wirtschaftlicher Akteure fragen, sondern über das System an sich nachdenken.<br />

Bei diesem Nachdenken sollten wir die Forderung nach stärkeren Charakteren nicht vergessen.<br />

Charaktere, die sich klipp und klar verantworten und eine Mentalität prägen, die eigene Erfolge<br />

genauso wie das eigene Versagen gerecht zu beurteilen weiß, werden gebraucht – für das Land und<br />

vor allem für uns, die Jugend.<br />

55


Bier im Nachtbus<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Montag, den 24. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Wer kennt das nicht: man ist Abends unterwegs – war bei einer Feierlichkeit oder kommt von der<br />

Freundin nach Hause. Um noch vor dem Morgengrauen nach Hause zu kommen, nimmt man den<br />

Nachtbus, der einen als letzte kostengünstige Mitfahrvariante bleibt – Taxis gibt es ja wie Sand am<br />

Meer – nur leider zu saftigen Preisen. In Chemnitz gibt es da verschiedene Möglichkeiten, der letzte<br />

planmäßig fahrende Bus legt 00:30 Uhr im Stadtzentrum ab. Danach fahren im Stundentakt noch<br />

zwei, die aber mehrere Linien miteinander verbinden und abfahren, so dass man Umwege bis zu<br />

einer Stunde in Kauf nehmen muss. Aber warum schreibe ich das? Ich wohne am Stadtrand von<br />

Chemnitz, einer Stadt mit rustikal-urbanem Charakter – irgendwo zwischen aufstrebender Kleinstadt<br />

und scheinbar künstlichem Glanz und Kitsch einer Großstadt. Mit momentan etwa 230.000<br />

Einwohnern, bei sinkender Tendenz, weder besonders groß noch besonders klein – und auch sonst,<br />

keine besonderen Vorkommnisse. Ich bin sehr oft in dieser Stadt unterwegs – und habe mindestens<br />

zwei- bis dreimal die Woche das vermeindliche Vergnügen, diesen Nachtbus nehmen zu müssen, um<br />

von Freizeitaktivitäten, lauschigen Abenden oder Besuchen, wieder nach Hause zu kommen. Da ich<br />

überzeugter Umweltfanatiker bin, kann ich es nicht aushalten, mit einem Auto auch noch die Umwelt<br />

mit Abgasen zuzumüllen, nur weil ich nicht nach Hause laufen will. Also muss ein Kompromiß<br />

gefunden werden…<br />

Diese Busfahrten sind nun immer eine sehr interessante Möglichkeit zu privaten soziologischen<br />

Weiterbildungskursen. Man steigt ein, geschafft und müde von einem anstrengenden Tag oder<br />

vielleicht irgendwie glücklich über einen Abend zu zweit. Man hat allerlei Gedanken und möchte am<br />

liebsten so schnell wie möglich Heim und schlafen. Aber zuvor steht noch eine nicht immer freiwillige<br />

Lektion in Passagierkunde an. Also, es gibt da mehrere Typen:<br />

Zuerst das Liebespaar. Egal in welchem Alter, vielleicht gerade von einer Party nach Hause<br />

gekommen, meist unter der Mitführung allerlei alkoholischer Getränke – in jedem Falle frisch verliebt<br />

– mit einer ganzen Schmetterlingsfarm im Bauch (meist aber in Wirklichkeit viel zu vielen Alkopops) -<br />

mit der Intension schnell nach Hause – die Frage "zu mir oder zu dir" ist schon längst beantwortet<br />

und man beginnt nun schon das, was sich dann zu fortgeschrittener Stunde noch freizügiger<br />

fortsetzen läßt. Und die beiden lassen sich nicht stören – sind aber dabei nicht direkt laut, nur<br />

meistens auch nicht immer ästhetisch.<br />

Wo man auch schon beim zweiten Vertreter wären: der Enttäuschte. Auch er ein eher ruhiger bis<br />

introvertiert-depressiver Charakter, auch er hat sich vielleicht gerade von einer Party oder<br />

irgendeinem „Szeneladen“, mit den Worten „Hier ist ja eh nichts los“ oder „Ich muss morgen früh<br />

zeitig raus“, verabschiedet, sitzt er nun da, meistens sind es ja nun mal Männer, mir Bier in der Hand<br />

oder und Musik im Ohr – und will nicht so recht drüber nachdenken, dass er auch diesmal wieder<br />

keine Partyschnecke abschleppen könnte. Meistens betrachtet er sein Spiegelbild im Fensterglas des<br />

Busses und schweift ab und zu einem der Päarchen hinüber, um dann aber gleich wieder ins Fenster<br />

zu sehen – selbstverständlich wird er nicht zeitig raus müssen, selbstverständlich wird er morgen von<br />

einer „absolut langweiligen Party“ erzählen, bei der „nichts für seinen Geschmack“ dabei gewesen<br />

sei. Sicher werden auch noch ein zwei Flaschen Bier vor dem Fernsehnachtprogramm geleert – bevor<br />

er sich im Morgengrauen ins Bett wälzt – sicher zu der Zeit, in der auch bei den Liebespaaren die<br />

Augen zufallen.<br />

56


Ganz anders da die vielen wirklich Betrunkenen … meist männlich, auf zehn betrunkene Männer<br />

kommt in der Regel nur eine betrunkene Frau. Immer das selbe Erscheinungsbild: meist abgetragene<br />

Kleidung – aber nicht immer – ich unterscheide in assimilierte und nicht assimilierte Trinker – aber<br />

das führt jetzt zu weit – weiterhin charakteristisch, ein zwei Discounterplastiktüten, mit meist<br />

unzweifelhaftem Inhalt – und dann immer der scheue Blick in die Runde – oft Blicke nach draußen in<br />

die Nacht und auch oft in die Tüten – nachzählen, wie viele Braustolz heute den Brummschädel<br />

verursachen werden. Diese Gruppe ist Angsteinflößend und bedauernswert in einem. Sie sind hilflos<br />

und laut zugleich … brüllen manches Mal, werden gewalttätig – suchen Streit und wollen doch nicht<br />

verletzt werden. Sie haben verloren. Nicht selten schlägt einem schon zu Anfang der Busfahrt eine<br />

Mischung aus kaltem Rauch, Biergeruch (oft auch von Bierlachen im Bus) und Erbrochenem<br />

entgegen.<br />

Ja, es gibt noch viele Typen, wie die Jungendlichen, die in der Gruppe unterwegs sind und den ganzen<br />

Bus unterhalten, die älteren Herrschaften, die vor allem zu Weihnachten oder in der Grillsaison von<br />

Festen und Betriebsfeiern kommen und den Chef (der heute auch mal ganz volkstümlich mit dem Bus<br />

fährt) kumpelhaft duzen - immerhin ist man ja über dem Trinken perdu geworden – Montag ist es<br />

dann wieder Dr. Schmidt. Dann gibt es noch die Nachtmenschen, die irgendwie ziellos mit dem Bus<br />

unterwegs sind. Meistens stehen sie vorn beim Busfahrer und versuchen ihn in irgend ein banales<br />

Gespräch zu verwickeln. Auch sie mit Aldi – oder Lidltüte. Und viele viele andere.<br />

Auf Grund dessen, dass ich wohl zu jenen Leuten gehöre, die im Bus weder durch exzessives<br />

Knutschen, noch zu laute Musik oder Gegröle ausfallen, kann ich in Ruhe beobachten und eines ist<br />

mir vor allem bewusst geworden, seit dem ich aus Überzeugung keinen Alkohol mehr trinke: nahezu<br />

alle Passagiertypen sind Brüder und Schwestern in ihrem kollektiven Suff. Chemnitz hat ein<br />

Alkoholproblem – und sicher nicht nur wir – ich glaube das Problem ist größer – es ist ein Problem<br />

unserer Gesellschaft – unserer Zeit. Noch nie habe ich so viele Betrunkene so verschiedenster<br />

Zusammensetzung gesehen, wie in meinen Nachtbusfahrten. In Deutschland wird angefangen von<br />

der Einweihung einer neuen Telefonzelle bis hin zur Familienfeier oder Bertiebseröffnung – immer<br />

getrunken.<br />

Die Ergebnisse lassen sich dann am späten Abend bestaunen, wenn die Berufstrinker, die<br />

gefährdeten Hobbyschlucker und Partytrinker, von der Bildfläche verdrängen. Wenn Busse<br />

unterwegs sind, die in Summa eine Promillezahl im zweistelligen Bereich aufweisen, wird es mir doch<br />

ein bißchen kühl und ängstlich ums Herz – nicht zuerst um meine eigene Generation, da man die zu<br />

Großteilen jetzt schon abschreiben kann – nein mehr um unser Land – unsere Zukunft.<br />

Ich will jetzt keinen Moralapostel spielen und auch nicht dafür werben, dass jetzt jeder einen Trinker<br />

zur Pflege bei sich aufnehmen soll, aber ich möchte daran erinnern, dass man soziale Probleme und<br />

Spannungen – Einsamkeit und tiefe Trauer – nicht immer zuerst in den Gebieten von Elend und Not,<br />

viele tausend Kilometer von uns entfernt bemerken soll, sondern dass man die Augen zuerst in seiner<br />

Umgebung aufhalten soll – das Elend beginnt nebenan – inmitten eines der reichsten Länder der<br />

Erde!<br />

57


Gedicht: der wald beginnt in der stadt<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Donnerstag, den 27. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

…<br />

manche reisen um die welt-<br />

zu suchen, was sie bei sich nicht finden können.<br />

manche treiben dahin-<br />

zu suchen, was die reisenden schon fanden.<br />

manche sind frei und suchen nicht.<br />

in dieser nacht,<br />

haben sie dein bild an den himmel projiziert -<br />

um ihre kriege zu beenden.<br />

sie haben deinen duft in die straßen strömen lassen -<br />

um den haß von der welt zu tilgen.<br />

ich laufe quer durch die wälder,<br />

die sich in die stadt ausbreiten<br />

auf den vielen brachen<br />

gedeiht neues wesen –<br />

und denke an dich.<br />

58


Ankündigung: Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> expandiert nach<br />

Staßfurt<br />

Thomas Bartsch<br />

Mittwoch, den 03. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> startet am 10. Mai <strong>2006</strong> am Dr. Frank-Gymnasium in Staßfurt. Mit unserer kleinen<br />

Redaktionsmannschaft werden wir das Format einer freigeistigen, kulturellen und unabhängigen<br />

Schülerzeitung in Staßfurt etablieren. Zum „Welttag der Pressefreiheit“ am 3. Mai <strong>2006</strong> kündigen wir<br />

mit einer Flugblattaktion an unserer Schule das Erscheinen der neuen Schülerzeitung an.<br />

Gewöhnlich versuchen sich Medien und Politik am „Welttag der Pressefreiheit“ an einer globalen<br />

Draufsicht auf die Presse, erörtern Probleme von Journalisten im Umgang mit totalitären<br />

Regierungen und lobpreisen den Mut ausgewählter Journalisten. Eine Dimension von Welt<br />

vernachlässigen sie dabei, auf die es uns ankommen muß: Welt beschreibt primär die von uns<br />

wahrnehmbare Welt, unsere Umwelt.<br />

In unserer Schulumwelt möchten wir unsere Pressefreiheit nutzen, denn Pressefreiheit ist nur dort,<br />

wo man sie nutzt. Entgegen negativer Beispiele aus der Welt – insbesondere aus der Dritten Welt –<br />

herrscht bei uns Meinungs- und Pressefreiheit. Bis hinein in das Schulgesetz ist den Schülern ihre<br />

Pressefreiheit garantiert. Paragraph 54 des Schulgesetzes von Sachsen-Anhalt regelt die Freiheit der<br />

Schulpresse. Schülerzeitungen fallen demnach nicht in den Verantwortungsbereich der Schule und<br />

des Direktors sondern können eigenmächtig und auf eigene Verantwortung von Schülern<br />

herausgegeben werden.<br />

Von diesem Recht werden wir Gebrauch machen und voller Enthusiasmus die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> in<br />

Staßfurt zum Gedeihen führen. Alle Staßfurter Gymnasiasten rufen wir auf, sich an unserem Projekt<br />

zu beteiligen. Die Redaktion in Staßfurt soll weiter wachsen.<br />

Es gibt wenige kulturelle Angebote für Jugendliche in Staßfurt und in Sachsen-Anhalt. Die <strong>Blaue</strong><br />

<strong>Narzisse</strong> bietet ein wertvolles Angebot zur kulturellen Bildung für Gymnasiasten und schafft eine<br />

attraktive Möglichkeit, selbst aktiv erste Erfahrungen im Journalismus zu sammeln.<br />

59


Auswanderung – Die Fähigen gehen und die Dummen bleiben<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Freitag, den 05. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

150.000 Deutsche wanderten laut dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2004 aus – Tendenz:<br />

steigend. Der Wettkampf um die besten Köpfe geht immer öfter verloren. Die Gründe sind der<br />

schlechte Wirtschaftsstandort Deutschland, das marode Sozialsystem und die wuchernde Bürokratie.<br />

Protest dagegen formiert sich nicht und so gehen die Fähigen weiter und weiter. Die Dummen<br />

hingegen bleiben. Dauernd spricht man über Globalisierung. Großkonzerne verlagern sich nach<br />

Asien, verringern so ihre Kosten für die Produktion und Autohersteller zieht es nach Osteuropa.<br />

Billiglohnländer profitieren und Deutschland versucht krampfhaft, den eigenen Platz im<br />

Wirtschaftsgeflecht zu bestimmen.<br />

Wo der eigene Platz ist, fragen sich auch immer mehr junge, aufstrebende Akademiker. Ihre<br />

Antworten fallen leider viel zu unterschiedlich aus: Norwegen, Amerika, Shanghai und manchmal<br />

auch Deutschland. Die deutsche Nachwuchselite zieht weg. Die Globalisierung schafft eine<br />

grenzenlose Individualisierung der Fähigen. Wer sein Fach sehr gut beherrscht, der findet überall auf<br />

der Welt lukrative Angebote.<br />

Der Einzelne richtet seine berufliche Zukunft nicht nach hehren Idealen aus. Ob er seine Nation<br />

voranbringt, interessiert ihn nicht; er stellt seinen eigenen Nutzen in den Vordergrund.<br />

Selbstverwirklichung steht für ihn über der Volksidentität.<br />

Der akademische Bodensatz<br />

Ein Blick auf die Hochschullandschaft verrät neben der Tendenz zum Auswandern traurige<br />

Wahrheiten über den akademischen „Bodensatz“. Die Massenuniversitäten bewirken sinkendes<br />

Niveau und schlechtere Berufschancen für den durchschnittlichen Akademiker. Viele Studenten<br />

plagen sich bis zu 20 Jahren in miefigen Klassenzimmern und überfüllten Hörsaälen. Der Mehrwert<br />

ihrer Mühen ist häufig verschwindend gering. Gerade die Geisteswissenschaftler sind ein Problemfall.<br />

Mehr als 30 % brechen vorzeitig ihr Studium ab und für die viel zu vielen Geisteswissenschaftler gibt<br />

es viel zu wenige geisteswissenschaftliche Berufe. Für Politologen, Philosophen und Soziologen steht<br />

die Jobampel auf Rot.<br />

Die Politologin Christina Schneider gibt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 26. April<br />

<strong>2006</strong> zu bedenken, daß Massenuniversitäten die Ausmaße der Arbeitslosigkeit vertuschen sollen. Die<br />

Öffnungen der Universitäten fänden bewußt in den Geisteswissenschaften statt, da die Regierung so<br />

auf eine billige Weise die Arbeitslosenstatistik schönen könne.<br />

Das Heer der Dummen<br />

Das Phänomen der Binnenmigration hat es bereits gezeigt: Die Fähigen gehen und die Dummen<br />

bleiben. Die Globalisierung schafft neben den exzellent ausgebildeten Spezialisten auch ein Heer der<br />

Verlierer. Sie haben nicht die Kraft wegzugehen und sich anderswo eine neue Existenz aufzubauen.<br />

Zu Eigeninitiative reicht es auch nicht und so bemitleiden sie sich gegenseitig in ihrer ertragbaren<br />

„Armut“.<br />

Deutschland muß aufpassen, nicht zum Heer der Verlierer zu mutieren. Deutschland muß wieder<br />

gewinnen und wenn Deutschland wieder gewinnen soll, dann muß jeder einzelne eine Mentalität des<br />

Gewinnens verinnerlichen.<br />

60


Serie: Bücher aus der Mottenkiste (Teil 2). Wladimir<br />

Kaminer: „Mein deutsches Dschungelbuch“.<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Montag, den 08. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Die Straßen waren leer, es war kalt und regnete. Vor dem Marx-Denkmal standen drei<br />

angetrunkene Männer mit roten Zipfelmützen, wahrscheinlich waren sie vom Gartenzwerg-Kongress.<br />

Der eine pinkelte, seine zwei Freunde hielten sich an Marx fest.“ Wladimir Kaminer reist durch die<br />

deutsche Provinz. Per Zug lernt der Autor unter anderem Tübingen, Kaiserslautern, Sinsheim, Fulda,<br />

Quedlinburg, Heidelberg, Halle und auch unsere Heimatstadt Chemnitz kennen. Dabei entsteht ein<br />

trostloses Bild. Wenngleich ein lockerer, sprunghafter und anekdotenhafter Stil das Buch dominiert,<br />

schimmern zwischen den Zeilen witzige und zugleich ernüchternde Bilder hervor. Kaminer greift<br />

dabei wesentlich auf eigene, aktuelle Erlebnisse zurück, an tiefgehenden historische Berichte über<br />

die besuchten Orte mangelt es. Ärgerlich, wenn ich bedenke, dass gerade zu Aachen, Naumburg,<br />

Marburg und Regensburg sicher einiges zu erzählen wäre. Leider bleibt es nur bei Einblicken in<br />

Studentenkneipen und Vorlieben bezüglich Bratenfett.<br />

Fazit: Ein amüsantes, schnell zu lesendes Buch dem es aber an Tiefgang fehlt.<br />

61


Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> auf Erfolgskurs.<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Montag, den 08. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Wien, 06. Mai <strong>2006</strong>. Das zurückliegende Wochenende, war für unser Literaturprojekt „<strong>Blaue</strong><br />

<strong>Narzisse</strong>“, ein zugegeben sehr Erfolgreiches. Wie schon im letzten Jahr beteiligten wir uns an der<br />

Ausschreibung des „Carl von Hochenegg Preises“, der freigeistigen Wiener Burschenschaft Libertas.<br />

Im letzen Jahr erreichten wir den ersten Platz und konnten das üppige Preisgeld, für die Förderung<br />

von Freigeist und Meinungsfreiheit in der jungen Chemnitzer Literaturlandschaft, gewinnbringend<br />

einsetzen. Auch in diesem Jahr belegten waren wir wieder ganz vorn mit dabei: Für das<br />

Neuentstehen des Onlinemagazins und die Expansion der Printausgabe ins Sachsen-Anhaltinische<br />

Staßfurt, erreichten wir den zweiten Platz, des dieses Jahr noch höher dotierten Preises. In seiner<br />

bewegenden Dankesrede würdigte unser Netzseitenverantwortlicher und Mitarbeiter Marco Kanne,<br />

den Einsatz der Redaktion, sowie die unermüdliche Arbeit und der vielen Unterstützer und<br />

überzeugten Helfer, im alltäglichen Kampf für Presse- und Meinungsfreiheit.<br />

Sicher ist, dass auch das diesjährige Preisgeld eine wertvolle Stütze unserer Arbeit sein wird und auch<br />

weiterhin unserem Kampf Rückendeckung gibt.<br />

Unbedingt sollte auch erwähnt werden, dass es auch in Wien den einen oder anderen verwirrten<br />

Geist gibt, der sich offen gegen die Verteidigung von Meinungsfreiheit einsetzt: So wurden zwei<br />

unserer Mitarbeiter, auf dem Heimweg von der Preisverleihung in Wien, brutal<br />

zusammengeschlagen. Die Täter konnten ungestraft entkommen und sind nach übereinstimmenden<br />

Aussagen, von Zeugen und auch Äußerungen gegenüber betreffenden Mitarbeitern, eindeutig der<br />

„Antifaschistischen Bewegung“ zuzuordnen. Man weiß also zunehmend, wie es diese Gruppe mit der<br />

Wahrung von Menschenrechten hält – wollten sie nicht vor erst kurzer Zeit „Burschen schlachten“?<br />

Man kann also festhalten, dass sich unser Einsatz lohnt und gelohnt hat. Durch die erneute<br />

Würdigung unserer Arbeit, sehen wir Fortschritte und ernten die Erträge unserer mühevollen Saat.<br />

Dies ist aber kein Grund, um sich nun auf den neuerlichen Lorbeeren auszuruhen: der Zwischenfall in<br />

Wien, sowie die permanenten Hetzkampagnen gegen unsere Grundüberzeugung, sind Wasser auf<br />

unsere Mühlen und weisen den Weg in eine weiterhin kämpferische Zukunft.<br />

62


Gedanken zu Aldous Huxley: „Schöne neue Welt. Ein Roman<br />

der Zukunft"<br />

Geschrieben von: John Palatini<br />

Donnerstag, den 11. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

1932 veröffentlicht, erfreut sich der „im Jahre 632 nach Ford“ angesiedelte Roman Aldous Huxleys<br />

auch heute noch großer Beliebtheit. Die Menschen der Zukunft verehren nicht mehr Jesus Christus,<br />

sondern Henry Ford als ihren Heiland. Überhaupt ersann der Autor eine ferne, man möchte meinen<br />

schrecklich schöne Welt, die nur noch wenig mit dem Vertrauten zu tun hatte. Doch schon 1949<br />

staunte Huxley selbst darüber, dass er für das Eintreffen der meisten seiner Prognosen einen viel zu<br />

großzügigen Zeitrahmen angenommen hatte. Vieles war schon in kürzester Zeit Wirklichkeit<br />

geworden. Kinder werden in der „schönen, neuen Welt“ industriell geboren und anschließend<br />

aufwendig genormt, heißt: auf Linie erzogen. In den Schlafsälen der Brut- und Normungszentralen<br />

wird ihnen alles notwendige eingeflüstert. Durch hundertfache Wiederholungen lernen sie im Schlaf<br />

den Sinn ihres neuen Lebens kennen und lieben. Aus der Art geschlagene Problemfälle sind kaum<br />

noch denkbar: Weder Menschen mit Behinderungen noch Individualisten, die den Leitspruch der<br />

Weltkultur – Gemeinschaftlichkeit, Einheitlichkeit, Beständigkeit – nicht unterschreiben wollen. Für<br />

die wenigen, die dennoch zur bestehenden Gesellschaft inkompatibel sind, existieren geeignete<br />

Lösungen. Revolutionen jedenfalls wird es nicht mehr geben.<br />

Wohlstand für alle<br />

Für alle anderen ist die neue Welt eine Welt voller Annehmlichkeiten: Immer wird es nur so viele<br />

Menschen geben, wie für die Beständigkeit des Systems erforderlich sind; für alle existiert ein<br />

sicherer Arbeitsplatz; keine Konkurrenz mehr; kein Kampf um einen Platz an der Sonne. Jeder tut,<br />

wozu er erschaffen wurde und liebt sein Leben. Stahlwerker lieben die Hitze, Kanalarbeiter den<br />

Dreck. Alle sind in ihrem jeweiligen Metier glücklich. Wohlstand für alle. Freizeit und Konsum im<br />

Überfluss. Keine einengenden Moralvorstellungen mehr: Sexualität schon für Kinder – jeder mit<br />

jedem. Krankheiten sind ausgerottet, nur das Sterben noch nicht. Doch das der Tod nichts trauriges<br />

ist, auch das lernen die Kleinsten schon im Schlaf. So lässt es sich leben: Viel besser als mit all den<br />

Gefühlen, die uns Tag ein Tag aus plagen. Trauer, Leidenschaft, Liebe – solche Affekte zeitigen<br />

unvorhersagbare Abweichungen und sind deshalb Gift für eine beständige Gesellschaft.<br />

Gefühlsbefreit wird Sex zur Freizeitveranstaltung, zum kollektiven Hobby, für das man sich nach der<br />

Arbeit mit immer neuen Partnern verabredet.<br />

Kulturelle Bedürfnisse sind unnötig!<br />

Neun Jahre Krieg waren nötig, um den gefährlichen Individualismus auszurotten. In der Zukunft<br />

gehört nun jeder jedem. Privatsphäre ist nicht mehr nötig. Alleinsein ein nicht mehr vorhandenes<br />

Bedürfnis. Im Gegenteil: Ruhe vor den anderen und stille Naturbetrachtungen machen den neuen<br />

Menschen Angst. Auch Bücher erzeugen bei ihnen Panik. Dies freilich nicht zufällig: In ihrer Kindheit<br />

konditioniert – Blumen und Bücher zusammen mit Elektroschocks – immer wieder in unzähligen<br />

Lektionen, und schon waren die sentimentale Bedürfnisse nach Abgeschlossenheit, Natur und<br />

Literatur für immer erloschen. Dahinter nun steckt eine einfache Logik: Landschaft und Bücher<br />

kosten nichts. Von Bücherlesern und Naturbetrachtern wird keine Fabrik in Gang gehalten – und<br />

allein darum geht es doch: das stabile System. Die Menschen der neuen Welt sind deshalb auch<br />

wackere Konsumenten. Sie tun das, was nötig ist, um das System am Leben zu erhalten: Sie arbeiten<br />

und stellen Güter her, die sie in ihrer Freizeit konsumieren.<br />

63


Die Masse der Menschen lebt heute nicht anders als sie Huxley uns<br />

vorstellt.<br />

Ist die schöne neue Welt doch näher als uns lieb sein kann? Die Jagd nach der neuesten Mode, dem<br />

angesagtesten Trend, dem hippesten Teil, die immer weiter enthemmte Sexualität, der Totalverlust<br />

moralischer und ethischer Grundüberzeugungen, der Kauf dich glücklich Religionsersatz, die<br />

Tendenz, das Gefühl der Leere immer exzessiver zu betäuben? Natürlich: Die Masse der Menschen<br />

lebt heute nicht anders als sie Huxley uns vorstellt: Sie gehen arbeiten, nutzen Freizeit- und<br />

Konsumangebote um ihr Geld wieder los zu werden und trinken viel, regelmäßig und immer dann,<br />

wenn ein Loch sich auftut. Ganz auf den Genuss dressiert, vergessen sie das Kinderkriegen und<br />

versuchen – hier noch ein Unterschied – hilflose, am Materiellen orientierte Beziehungen zu führen.<br />

Doch die Menschen unserer Zeit berauschen sich nicht allein, um ihre innere Leere zu kompensieren<br />

und der Sinnfrage zu entgehen. Sie haben vor allem auch Angst vor ihrer Zukunft. Und dieser<br />

Unterschied ist entscheidend, denn Angst ist in der neuen Welt ein Fremdwort. Dort gibt es keinen<br />

Grund Angst zu haben; keine Gefahr droht, kein Zusammenbruch des (Sozial-)System, keine<br />

Revolution, kein Krieg. In unserer Welt hingegen gibt es Gründe genug: Vor allem leiden wir daran,<br />

dass unsere ganz private kleine Welt zerbrechen könnte, dass sie im Sog des berstenden Systems,<br />

zerrieben zwischen Arbeitslosenquote und Rentenloch, untergeht und wir fortan, mit Unglück<br />

gestraft, ganz elend dahin vegetieren müssten. Allein schon diese Vorstellung lässt vielen Mitgliedern<br />

unserer Wohlstandsgesellschaft das Leben im Hier und Jetzt zur Hölle werden. Aus diesem<br />

Blickwinkel haben die Machthaber der neuen Welt ganz Recht: Ihre Menschen wollen keinen Sinn,<br />

keine Freiheit; sie wollen Sicherheit; eine heile Welt, die funktioniert und funktioniert und immer so<br />

fort, ohne das man fürchten müsste, dass es morgen vorbei sein könnte.<br />

In Wahrheit sehnen die Menschen unserer Zeit doch genau eine solche Welt herbei. Freiheit schön<br />

und gut, aber bitte mit Sicherheiten, denn was nützt die Freiheit, wenn ich mir nichts leisten kann,<br />

wenn ich permanent unglücklich bin, Schmerzen leide und Trauer trage, älter werde, krank bin,<br />

Schönheit und Jugend verliere, ständig begehre und keiner meiner Wünsche sich erfüllen lässt, die<br />

Drogen allmählich ihren Dienst versagen und alle anderen mehr haben als ich. Gerade dort, wo die<br />

individuelle Kompensation spröde wird, wächst die Sehnsucht nach einer neuen, einer ganz anderen<br />

Ordnung, als sie sich jeder von uns wünschen kann. Um so bedrückender und aussichtsloser die<br />

Masse der Menschen die je individuelle Wirklichkeit empfindet, um so mehr von ihnen werden bereit<br />

sein, neuen Propheten zu folgen und von ihrer Freiheit auf dem Altar der Glücksverheißungen zu<br />

opfern; einer Freiheit mit der sie ohnehin nichts anfangen können, die sie überfordert und<br />

unglücklich macht. Deshalb wird es so kommen: Der Ruf nach einer schöneren, neuen Welt wird<br />

lauter werden!<br />

PS (marxistische Schlussvariante): Bei Huxley sind es neun Jahre Krieg, Milzbrandbomben, Millionen<br />

Tote und dann das kollektive Wir anstatt des unerträglich gewordenen Ichs. Ein neues Paradies, in<br />

dem allen, ob sie es wollten oder nicht, die Verantwortung für das eigene Leben, die Freiheit, auch<br />

das Recht auf Unglück und Leiden genommen ist. Ließe sich statt dessen der Traum von der<br />

Emanzipation nicht doch noch einmal träumen? Der Traum von einer Welt, in der wir alle erkannt<br />

haben, dass es die eine Totalität unserer Existenz nicht gibt, dass statt dessen das Riesenreich der<br />

Geschichte, der Philosophie und Religion, der Kunst und Wissenschaft auf jeden von uns wartet, –<br />

eine Welt, in der alle teil haben am Erkunden und Genießen der unermesslichen Schätze, die unsere<br />

Vorfahren für uns geborgen und erschaffen haben, – eine Welt, in der wir trotz unsere Individualität<br />

glücklich zusammen leben, ohne Zwangskollektivierung und Ausschaltung unseres Willens, ein Reich<br />

der Freiheit für alle Menschen, in dem alle begriffen haben, dass Freude und Leid, Glück und Unglück,<br />

64


Glanz und Elend immer die Seiten einer Medaille sind, deshalb nie überwunden werden können und<br />

zu uns Menschen gehören bis zum Ende unserer Zeit. Wie viel Wunderbares hat der Mensch, dieses<br />

fragile Wesen gerade zwischen diesen Polen seiner Existenz hervorgebracht, worauf müssten wir<br />

heute verzichten, wie unermesslich die Langeweile, wären der Mensch und seine Gesellschaft nichts<br />

anderes als beständig.<br />

65


Wenn die Argumente ausgehen …<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Sonntag, den 14. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Chemnitz ist in vielerlei Hinsicht eine typische mitteldeutsche Stadt. Eine hohe aber noch nicht<br />

unmittelbar alarmierende Arbeitslosenquote – soziale Probleme und Spannungen, vor allem in den<br />

Brennpunkten – eine teilweise irrsinnig bis groteske Stadt- bzw. Kommunalpolitik, die versucht die<br />

Wunden der Wendezeit einigermaßen zu heilen (aber nicht selten doch lieber die Wende rückgängig<br />

gemacht haben wöllte…) – und unter anderem auch, eine latent wachsende und immer bedrohlicher<br />

werdende Kriminalität. Der eingeweihte und ortskundige Chemnitzer weiss, nicht selten aus eigener<br />

Erfahrung heraus, welche Stadtteile man vor allem in den Nachtstunden besser meiden sollte. Ich<br />

möchte hier auf keinen Fall pauschalisieren, zwar ist ein klarer Trend mithin noch keine<br />

wissenschaftlich belegte Studie, aber alle die Gegenteiliges zu behaupten versuchen, können ja ein<br />

Selbstexperiment im „Heckertgebiet“ (zu DDR-Zeiten das Vorzeigearbeiterviertel schlechthin, heute<br />

mehr und mehr Brennpunkt Nummer 1. Nicht zuletzt durch die massive Ansiedelung von<br />

Spätaussiedlern aus Osteuropa) oder auf dem „Sonnenberg“ (ebenfalls altes Arbeiterviertel aus der<br />

Gründerzeit. Heute zumeist Wohngebiet sozial schwacher Familien und ebenfalls vieler<br />

Spätaussiedler) starten. Ich möchte dafür nichts garantieren.<br />

Nimmt man sich jetzt unter<br />

http://www.sachsen.de/de/bf/staatsregierung/ministerien/smi/index.html , nun einmal die<br />

aktuellen Zahlen der Kriminalitätsstatistiken zur Hand, so stellt man zunächst fest, dass in vielen, allzu<br />

blumig daher kommenden, Formulierungen immer wieder betont wird, wie positiv sich doch alles zu<br />

entwickeln scheint. Zitat:<br />

„Im Jahr 2005 registrierte die Polizei im Freistaat Sachsen insgesamt 318166 Straftaten. Das<br />

entspricht dem niedrigsten Kriminalitätsniveau seit 1993. Im Vergleich zu 2004 wurden 17597 Delikte<br />

(5,2 Prozent) weniger registriert. Dabei kamen auf 100 000 Einwohner 7406 Straftaten, 364 weniger<br />

als im Jahr 2004.“<br />

Es geht also aufwärts – zumindest scheint es so. Denkt man aber ein wenig genauer nach, so stellt<br />

man fest, dass es kurz nach der Wende, also auch 1993, nicht gerade ruhig zuging. Zwar war ich in<br />

diesem Jahr selbst erst 7 Jahre alt, doch erinnere ich mich noch gut, welche Auseinandersetzungen<br />

sich die damals wesentlich radikaleren und teilweise sehr gewalttätigen Gruppen von „Skinheads“<br />

und „Punks“ lieferten. Es war die Zeit von Hausbesetzungen [einige Chemnitzer Häuser sind bis heute<br />

noch in Hausbesetzerhand: „Stadtindianer“ (Kaßberg), „Immermannstraße“ (Kaßberg), „Alternatives<br />

Jungendzentrum“ (Fürth)]. Es ist also kurz gesagt Augenwischerei, ja schon fast gezielte Täuschung,<br />

wenn von offizieller Seite aus behauptet wird, dass sich die Kriminalität rückläufig entwickeln würde.<br />

Denn weiter unten steht zum Beispiel zu lesen:<br />

„Gewaltdelikte machen im Rahmen der Straßenkriminalität weniger als ein Zehntel aller Fälle aus,<br />

lassen aber eine steigende Tendenz erkennen. 2005 wurden 1705 gefährliche und schwere<br />

Körperverletzungen erfasst, 10,4 Prozent mehr als 2004.“<br />

oder<br />

„2005 fanden 45,9 Prozent aller Diebstähle in Sachsens Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz<br />

statt. Bei Diebstahl in/aus Kfz waren es sogar 59,1 Prozent, bei Diebstahl von Kraftwagen 52,4<br />

Prozent.“<br />

66


Besonders auffallend ist in Chemnitz die steigende Tendenz von Gewaltstraftaten mit schwerer bis<br />

gefährlicher Körperverletzung, Diebstahl- und Raubdelikte, sowie Sachbeschädigung. Immer wieder<br />

werden in diesem Zusammenhang vor allem Jugendliche und junge Erwachsene als Täterkreis<br />

benannt. Und wen wundert es, wenn man sich das sich zunehmend verschlechternde Umfeld<br />

ansieht, dass alles andere als Aufbruchstimmung vermittelt. Fast wöchentlich wird von Schlägereien<br />

mit teilweise brutalsten Ausgängen berichtet. So waren die Notärzte in der Nach vom 30. April auf<br />

den 01. Mai im Dauereinsatz. Fast auf allen der insgesamt 9 Chemnitzer „Hexenfeuern“ kam es zu<br />

schweren Auseinandersetzungen, nicht selten unter erheblichem Alkoholeinfluß.<br />

Besonders erschreckte mich die Tatsache, dass in der Nacht vom Freitag auf Sonnabend, also<br />

gestern, erneut 4 Mitarbeiter der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ Opfer von Gewalt wurden. Der Ausgang war<br />

weniger erfreulich: ein Mitarbeiter verlor einen Schneidezahn, ein weiterer bekam durch einen<br />

Schlag ins Gesicht ein blaues Auge, dem Dritten wurde der Rucksack samt persönlicher Dokumente<br />

gestohlen, der Vierte hatte Glück und kam mit dem Schrecken davon. Es wurden umgehend zwei<br />

Anzeigen wegen Körperverletzung und Diebstahl erstattet.<br />

Es geht jetzt nicht darum, hier Horrorszenarien an die Wand zu malen und Angst zu schüren. Es wird<br />

sicher noch (hoffentlich sehr lange dauern) bis wir New Yorker Zustände haben sollten – doch eines<br />

steht fest, die Gesellschaft radikalisiert sich zunehmend und immer seltener wird gedacht – wenn die<br />

Argumente ausgehen, ist Gewalt ein immer probateres Mittel, gegen Armut, Unsicherheit und<br />

Zukunftsängste, einer immer zeilloseren Generation.<br />

67


Der Zölibat des katholischen Priesters<br />

Geschrieben von: Gastautor Pfarrer Georg Alois Oblinger<br />

Dienstag, den 16. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Oftmals ist es die erste Frage, die Jugendliche einem katholischen Priester stellen: „Leben Sie<br />

tatsächlich ehelos?“ Nicht selten werden dann auch Einwände gegen diese Lebensform geäußert: Sie<br />

sei nicht mehr zeitgemäß, sogar leibfeindlich, sie entspräche nicht dem Willen Jesu, sie sei für viele<br />

ein Hindernis, Priester zu werden, und sie würde von vielen Priestern sowieso nicht gelebt werden.<br />

Wie ist es nun tatsächlich? Die Männer die Jesus in seine Nachfolge rief, waren mehrheitlich<br />

verheiratet. Doch dann berichtet die Bibel, daß sie alles verließen, um Jesus nachzufolgen. Die<br />

Nachfolge Jesu war ihnen so wichtig, daß sie Haus und Hof, Frau und Kinder zurückließen. Sie<br />

vertrauten Jesu Worten: „Amen, ich sage euch, jeder, der um des Reiches Gottes willen Haus oder<br />

Frau, Brüder, Eltern oder Kinder verlassen hat, wird dafür schon in dieser Zeit das Vielfache erhalten,<br />

und in der kommenden Welt das ewige Leben.“ (Lk 18,28-30)<br />

Bereits in den ersten christlichen Jahrhunderten wurde diese Lebensform dann als verpflichtend<br />

festgelegt, so im Jahr 305 in der Synode von Elvira (Spanien) und im Jahr 390 in der zweiten Synode<br />

von Karthago.<br />

Doch der Zölibat hatte es noch nie leicht. Es gab immer wieder Männer ohne wirkliche Berufung, die<br />

den Priesterberuf wegen finanzieller Vorteile ergriffen, aber das hohe Ideal des Zölibates nicht leben<br />

konnten. Erstaunlicherweise hat die Kirche aber nie die Zölibatsforderung gelockert, sondern sie<br />

bekräftigt und auf die Einhaltung dieser Verpflichtung gepocht, so vor allem Papst Gregor VII. im 11.<br />

Jahrhundert und das Konzil von Trient im 16. Jahrhundert. Auch nach dem Zweiten Vatikanischen<br />

Konzil (1962-1965) wurde entgegen der Erwartung vieler der Zölibat nicht aufgegeben.<br />

Praktische Gründe dafür und dagegen dürften sich die Waage halten. Den schon genannten Gründen<br />

gegen den Zölibat muß die größere Verfügbarkeit des ehelosen Priesters entgegen gehalten werden.<br />

Auch kann sich der unverheiratete Priester in Zeiten schwerer Verfolgung leichter zum Widerstand<br />

entscheiden. Dies kann durch die Geschichte belegt werden.<br />

Doch der eigentliche Grund ist ein tieferer. Jesus selbst erzählt ein Gleichnis von einem Mann, der<br />

eine kostbare Perle fand und daraufhin alles verkaufte, was er besaß, um diese eine Perle zu kaufen.<br />

Dieser Mann war offensichtlich ein Idealist. Wer für ein großes Ziel lebt, ist bereit, um dessentwillen<br />

auch auf vieles zu verzichten, aber dabei eine größere innere Freiheit zu gewinnen. Das wird<br />

allerdings nie allen Menschen begreifbar sein, am wenigsten dem angepassten Mitläufer. So schloss<br />

schon der Apostel Paulus sein Plädoyer für die Ehelosigkeit um des Gottesreiches willen mit des<br />

Worten „Wer es fassen kann, der fasse es.“<br />

68


Das „andere Leben“ des Ulrich Mühe<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 18. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Am letzten Freitag wurde dem Schauspieler Ulrich Mühe der Deutsche Filmpreis für seine Rolle als<br />

Stasihauptmann Gerd Wiesler in „Das Leben der Anderen“ in der Kategorie „Beste Hauptrolle“<br />

verliehen. Mühe kennt die Künstlerszene der DDR, die er im preisgekrönten Film vom Dachboden aus<br />

belauscht, bestens. Bis 1989 wurde er selbst als damals bereits erfolgreicher Schauspieler vom MfS<br />

beobachtet.<br />

An den 4. November 1989 wird sich Ulrich Mühe sein Leben lang erinnern können. Der am 20. Juni<br />

1953 im sächsischen Grimma geborene Sohn eines Kürschnermeisters organisierte an diesem Tag<br />

eine Demonstration mit einer Million Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz mit. Er trat als<br />

Redner auf, um endlich dem Nachdruck zu verleihen, was er schon lange spürte. Heute sagt er offen,<br />

die DDR war eine Diktatur.<br />

Kunst in der Diktatur<br />

Ulrich Mühe stieg in den 80er Jahren schnell auf. Der vielseitige und wandlungsfähige Schauspieler<br />

durfte am Deutschen Theater in Berlin die großen Heldenrollen interpretieren. Auch in Fernseh- und<br />

Kinofilmen überzeugte er. So war es nicht weiter verwunderlich, daß er auch aus dem Westen erste<br />

Angebote bekam. Über die Landes- und Mauergrenzen hinweg erwirbt er sich durch den<br />

westdeutschen Film „Das Spinnennetz“ nach Joseph Roth Anerkennung.<br />

Die Dreharbeiten hierzu haben für den DDR-Schauspieler jedoch ein Nachspiel. Sein Arbeitsvisum für<br />

den Dreh nutzt Mühe auch zu privaten Theater- und Kinobesuchen. Die Stasi verpaßt ihm dafür einen<br />

Denkzettel. Sie bestellen ihn zur erneuten Musterung und schüchtern ihn gehörig ein. Die<br />

Staatssicherheit hat Mühe ständig im Auge.<br />

Dies war der einzige Kontakt von Ulrich Mühe zur Stasi. Sie beobachteten ihn auf das genaueste.<br />

Mühe konnte sich davon in seiner Stasiakte überzeugen. Der Vorfall zeigt aber auch, daß Künstlern<br />

zumindest ein wenig Narrenfreiheit eingeräumt wurde.<br />

War Mühe mit einer IM verheiratet?<br />

Heute beschäftigt Mühe nicht nur seine eigene Akte. Über seine ehemalige Frau, Jenny Gröllmann,<br />

ebenfalls Schauspielerin, kursieren seit Jahren Gerüchte, sie sei Informelle Mitarbeiterin der<br />

Staatssicherheit gewesen. Unter dem Decknamen „Jeanne“ wurde sie als IM geführt.<br />

Ein Rechtsstreit muß nun klären, ob Jenny Gröllmann davon wußte. Eins hat Gröllmann schon<br />

erreicht: Ulrich Mühe darf nicht mehr behaupten, daß seine damalige Frau bei der Stasi gearbeitet<br />

hat. Die Passagen im Begleitbuch zum Film „Das Leben der Anderen“, in denen Mühe dies angibt,<br />

mußten geschwärzt werden. Der Vertrieb des Buches geriet ins Stocken.<br />

Mit der Vergangenheit ist Ulrich Mühe noch nicht fertig. Er will auch nicht fertig werden. Zu sehr<br />

sehnt er sich nach einer Fortsetzung des im Oktober 1989 begonnenen Dialogs.<br />

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Bücher aus der Mottenkiste (3). Michail Bulgakow: „Der<br />

Meister und Margarita"<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Samstag, den 20. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Selten konnte ich sagen, dass ich ein Buch mit solch einer Begeisterung in wenigen Tagen gelesen<br />

habe. Es ist die Magie der Sprache, die Gewalt des Geheimnisvollen, das Erschaudern vor dem<br />

Übermächtigen was den Leser an diesem Buch fesselt. Wer die ersten Kapitel gelesen hat, wird die<br />

Übersetzung aus dem Russischen von Thomas Reschke nicht so schnell aus der Hand legen. Der erste<br />

Teil erzählt einen ungewöhnlichen Vorfall: der Kopf des berühmten Literaten Berlioz rollt an den<br />

Patriarchenteichen vom Drehkreuz der Straßenbahn. Dieser Vorfall selbst mag im Moskau der Jahre<br />

1929 – 1940 nicht sensationell sein, Unfälle wird es immer geben. Sensationell ist vielmehr die<br />

Person, die hinter diesen Ereignissen steckt und dem Verunglückten nicht nur seinen Tod voraussagt<br />

sondern auch behauptet, Pontius Pilatus begegnet zu sein und mit Immanuel Kant beim Frühstück<br />

den sechsten Gottesbeweis diskutiert zu haben. Von seinen Untergebenen Korowjew, Asasello und<br />

dem schwarzen Kater Behemoth unterstützt, belässt es der Unbekannte nicht bei diesen Vorfällen.<br />

Moskau wird bald von einer Serie unheimlicher Vorfälle heimgesucht. In der städtischen Nervenklinik<br />

treffen sich die Opfer des Gaunerpärchens, Rettung scheint nicht in Sicht. Nur dem unbekannten<br />

Meister und Margarita scheint ein anderes Schicksal beschieden zu sein.<br />

Alles Nähere würde das eigene Lesen verderben. Aber es ist nicht nur der spannende Inhalt, der das<br />

Lesen ständig begleitet, sondern auch der gute Stil Bulgakows. Es lohnt sich!<br />

70


Rekordverkauf in Staßfurt<br />

Geschrieben von: Florian Sasse<br />

Dienstag, den 23. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Am 19. Mai <strong>2006</strong> wurde erstmals die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> am Dr.-Frank-Gymnasium in Staßfurt verkauft.<br />

Ein großer Teil des Lehrkörpers machte seit geraumer Zeit unfreiwillig Werbung für unsere nette,<br />

kleine Kulturzeitung, so daß uns der Verkauf nicht schwer fiel. In den meisten Fällen mußten wir nicht<br />

zu den Schülern gehen, sondern sie kamen zu uns. Auf diesem Wege gingen innerhalb von zwei<br />

Hofpausen über 100 Ausfertigungen an den Mann. Das bedeutet Rekordverkauf der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong><br />

an einer Schule binnen weniger Stunden. Ein herzliches Dankeschön geht deshalb an alle Schüler und<br />

Lehrer, die uns geholfen haben, den Verkauf positiv zu gestalten.<br />

Das Meinungsbild der Lehrerschaft war sehr unterschiedlich, jedoch wurde uns im Nachhinein sogar<br />

angeboten, die einzelnen Artikel im Unterricht zu besprechen.<br />

71


Heute: Vater- und Mutterlandsliebe zum Sonderpreis!<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Donnerstag, den 25. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

So, nun ist es genau so geworden, wie ich mir das gedacht hatte, als vor Jahren bekanntgegeben<br />

wurde, dass Deutschland die Fußball-WM <strong>2006</strong> ausrichten soll. Es muss so vor drei oder vier Jahren<br />

gewesen sein, als man mit stolzgeschwellter Brust verkündete, in diesem Jahr das Ausrichterland sein<br />

zu dürfen.<br />

Es sind wohl noch knapp zwei Wochen hin, bis das große Spektakel anzulaufen beginnt und schon ist<br />

man selbst als bekennender Nichtfan, voll von Überdruß und Abneigung gegen diesen wahrlich<br />

gigantomanischen Werbe- und Marketingapparat, der uns auf Schritt und Tritt die WM näher bringen<br />

soll. Es ist eine wahre Schwemme von WM-Gewinnspielen, WM-Medienberichten, WM-<br />

Werbeaktionen und so weiter, über uns hereingebrochen und das ganze nur, damit man am Ende<br />

sagen kann, dass doch wieder Brasilien das Rennen gemacht hat – da helfen auch extra aus Amerika<br />

eingeflogene Fitneßtrainer rein gar nichts!<br />

Ein wenig erinnert mich dieser ganze Irrsinn an das altbekannte Prinzip im alten Rom: „panem et<br />

circenses“ – Brot und Spiele – gebt dem Volk zu Fressen und einen ordentlichen Wettkampf und<br />

schon ist es nicht mehr ganz so relevant, wer nun im Imperium wieder mal wen bestochen hat oder<br />

welcher römische Geheimdienst jetzt welche römische Zeitung ausspioniert – eben ganz wie heute,<br />

da sage mal einer, die Geschichte wiederholt sich nicht!<br />

Aber mal im Ernst: man ist ja als bekennender Außenseiter und Mainstreamverachter schon einiges<br />

an Aktionen gewöhnt, schon allein der Wirbel um diverse Kommunal- bzw. Bundestagswahlen,<br />

stellen den denkenden Menschen vor die ernstliche Frage der menschlichen Zurechnungsfähigkeit<br />

bzw. vor die Frage ob es einem Kandidaten vielleicht doch gelingt, eine noch sinnentleertere<br />

Worthülse als sein jeweiliger Vorgänger zu verkaufen und ihn damit in seiner geld- und machtgeilen<br />

Unzurechnungsfähigkeit noch zu toppen. Aber zur Wahl entscheidet man eh nach Gefallen an Schlips<br />

und Föhnfrisur. Und das ist es, was mich gestern bewegte, als ich mal wieder auf einer<br />

Fußwanderung durch unsere Stadt unterwegs war: unglaublich aber wahr – Deutschland ergötzt sich<br />

regelrecht an einem flauschigen Nationalstolz. Oder wie soll man es anders bezeichnen, wenn vom<br />

Mc-Donalds-Pappbecher bis hin zur Zahnbürste, scheinbar alles in unseren Konsumtempeln, jetzt in<br />

deutscher Tricolore zu haben ist? Da gibt es doch tatsächlich im Aldi eine Deutschlandfahne,<br />

wohlgemerkt keine Bundesfahne (was den Eingeweihten freuen mag), für schlappe 2.99 Euro. Ich<br />

gebe zu – ich bin Patriot. Nicht vom Gefühl her, sondern rein aus ratio. Patriotismus definiere ich für<br />

mich selbst, als gesundes Verständnis für meine Herkunft, als klaren Blick für meine Heimat und<br />

Wurzeln und somit auch ein Verständnis gegenüber ausländischen Patrioten und ihre kulturellen<br />

Eigenheiten.<br />

Was hätten wohl die vielen tapferen Waffenbrüder der Freicorps von Lützow gesagt, wenn ihre<br />

Farben nun im Aldi zum Konsumgut verkommen und es vom Handybildschirmhintergrund bis zum<br />

patriotischen Einweckglas, alles im einheitlichen Schwarz-Rot-Gold gibt? Ich weis es nicht. Aber über<br />

eines bin ich mir ziemlich sicher, diese WM ist ein riesenhafter Commerzmolloch, dem es um<br />

keinerlei Werte geht, außer um einen: Verdienen! Der Fußball ist ein ertragreiches Mittel zum Zweck<br />

und im Hintergrund verdienen sich Kapitalisten eine goldene Nase nach der anderen. Der Deutsche<br />

frißt natürlich alles, was er vorgesetzt bekommt. In Zeiten von kollektiver Betroffenheit und<br />

Anteilnahme über den sich zum 60-sten Male jährenden „Tag der Befreiung“, hätte es keiner gewagt<br />

72


auch nur einen Ton zum Thema „Ich bin Stolz auf meine Fußballnation“ zu sagen – heute ist das<br />

Wurst. Und das Gute ist – es ist auch übermorgen Wurst, was man heute postuliert. Bei einem<br />

Gespräch sagte der Soziologe Prof. Dr. Bernd Rabehl einmal: „Das größte Problem der deutschen<br />

Geschichte ist ein fast krankhafter Opportunismus der breiten Volksmassen.“ Oh, ihr erbärmlichen<br />

Deutschen!<br />

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Unser ewiges Deutschland. Das Land der Dichter und<br />

Denker!<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Sonntag, den 28. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Ich sitze im Bus in Richtung Heimat und denke über nichts direkt und unmittelbar Wichtiges nach. An<br />

einer Haltestelle steigt eine Horde Jungendlicher ein. Alle so um die 13/14 Jahre alt. Alle tragen<br />

Kapuzenjacken, eine Bierflache in der Hand und riechen nach kaltem Rauch. Es ist kurz nach Mittag.<br />

Sie setzten sich hinter mich und reden lautstark über irgendwelche trivialen Dinge, die meinen<br />

Horizont weder zu erweitern, noch zu verengen vermögen. Der eine setzt seine Kapuze ab und man<br />

erkennt einen kahlen Schädel, der über einem eingefallenen Gesicht sitzt – halb Mann, halb Kind.<br />

Erst jetzt erkenne ich die Marke „Thor Steinar“ auf seinem Pullover. Er hat die Jacke nun geöffnet<br />

und lehnt, leicht seitlich nach rechts gestützt, an der Busscheibe. Er redet in einem eigenartig harten<br />

Ton über die scheiß Ausländer, die eine Wohnung über ihm wohnen. Da sei immer tierisch viel Lärm<br />

in der Nacht. Er spricht auch davon, dass er Zecken extrem scheiße findet und im Lessingpark schon<br />

mal Zweie so richtig verdroschen habe. Er erntet bewundernde Blicke von seinen Kumpels.<br />

Ich steige an meiner Haltestelle aus. Es ist früher Nachmittag und ein Mann mit einem Dackel sitzt im<br />

Bushäuschen. Der Mann trägt eine braune und grob gearbeitete Hose; hat das rot-weiß karierte<br />

Hemd, tief in diese hineingezogen. Darüber halten schwarze Hosenträger alles zusammen. Er spricht<br />

mit seinem Dackel. Ein Ausländer setzt sich neben ihn, er steht auf. Ich folge Ihm.<br />

Im Park spielen Kinder. Zwei junge Mütter sitzen auf den Parkbänken, rings um den Spielplatz und<br />

rauchen, während sie auf ihnen Handys herumtippen. Die Kinder nehmen ihre Fahrräder<br />

auseinander. Die Mütter sprechen banale Dinge.<br />

An dem Stehtisch, vor der Dönerbude steht ein Alkoholiker. Er hat keinen Döner gegessen, aber<br />

einen Korn bestellt. Der Rauch seiner Zigarette steigt in den windstillen Frühsommermittag.<br />

Was will ich sagen? Will ich kritisieren? Nein! Ich bin gelähmt. Sicher erwartet man nun die ständig<br />

resignierende Frage: „Was ist nur aus Deutschland geworden? Wo sind die Denker von früher – die<br />

unser Land in Fahrt brachten?“ Aber ich stelle diese nicht. Ich frage mich vielmehr nach der<br />

Bedeutung von Einzelschicksalen und ihrer Relevanz für das Ganze – oder anders gesagt: „Sind wir<br />

am Ende?“. Die Antwort: Ja. Wir sind es. Seien wir endlich wieder stolz Deutsche zu sein!<br />

74


Pünktlich zur WM: Deutschland über alles! Und das auch<br />

noch in den Feuilletons ...<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 30. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Deutschen feiern Deutschland wieder. Die in wenigen Tagen beginnende Fußball-WM spornt<br />

Sportler, Wirtschafts- und Eventmanager sowie Journalisten zu Höchstleistungen an. Bei Klinsis<br />

Spaßtruppe ist alles total positiv; die Nationalmannschaft liegt voll im Soll. Die Wirtschaft hat ihre<br />

Arbeit zuverlässig erledigt. So können wir stolz mit unseren ALDI-Deutschlandfahnen dem WM-Sieg<br />

entgegen jubeln.<br />

Und auch der deutsche Blätterwald produziert fleißig. Sogar die dauergekränkten Feuilletonisten<br />

dürfen am positiven deutschen Bild mitarbeiten. Zusammen mit einigen besonders mutigen<br />

Buchautoren bringen sie uns „Das Beste an Deutschland“ näher.<br />

Matthias Matussek ist ein besonders mutiges Kerlchen. Er veröffentlichte pünktlich zur WM das Buch<br />

„Wir Deutschen. Warum uns die anderen gern haben können.“, obwohl er damit eigenen Aussagen<br />

zufolge Gefahr läuft, in die Psychiatrie eingeliefert zu werden, weil er das Wort „Nation“ in den Mund<br />

genommen und positiv konnotiert hat. Doch sein Mut wurde durch die deutschen Feuilletons<br />

belohnt. Zwar feiern die Fachkommentatoren des Blätterwalds die Arbeit nicht, doch distanziert sich<br />

auch keiner. DIE WELT vom 24. Mai <strong>2006</strong> bemängelt lediglich die Eile, die man Matusseks Buch<br />

anmerke und daß er die Nation zu sehr aus medialer Sicht sehe. Trotzdem trägt DIE WELT Matusseks<br />

Forderungen, das Bürgertum solle wieder erstarken, geflissentlich mit. Oder doch nicht? So richtig<br />

klar wird dies nicht. Wer möchte sich schon in brüchigen Zeiten genau festlegen?<br />

Die SÜDDEUTSCHE wird da schon etwas konkreter. Sie vergleicht Matussek mit King Kong. Der<br />

derzeitige Kulturchef des SPIEGEL rumpele sich so durch die Heimat. „Ein etwas durchgedrehter Trip<br />

durch eine Art Zoo, in dem sich Paul Nolte, (...) und Alexander von Humboldt rauschhaft mit Harald<br />

Schmidt (...) begegnen“ sei die Neuerscheinung. Mehr als ein stilistisch hochwertiges Buch attestiert<br />

man Matussek jedoch nicht.<br />

Nichts Halbes und nichts Ganzes<br />

Die Ausführungen über die politische Dimension der neuen „Heimatbücher“ bleiben in den<br />

Feuilletons Gewäsch. Wolfgang Weimer versteigt sich in „Cicero“ zu der tollkühnen Prognose, daß<br />

Bücher wie „Wir Deutschen“ eine „ultimative Welle der Restauration“ der alten Bürgerlichkeit<br />

ankündigen.<br />

Dabei zeugen gerade Weimers und Matusseks Beiträge zur „Auflockerung“ im Umgang mit sich selbst<br />

nicht von bürgerlichen Tugenden. Beide schwimmen nur auf der Begeisterungswelle eines<br />

derzeitigen Trends. Und sie schwimmen so geschickt, daß sie sich nach Abflauen der Welle auf jeden<br />

Fall anderen Trends widmen können. Klare, tiefgründige und eindeutige Gedanken zur deutschen<br />

Nation findet man bei ihnen nicht. Dazu muß man weiterhin bei den wirklich Konservativen, bei<br />

Weißmann und Mohler zum Beispiel, einen Blick riskieren.<br />

75


10 Thesen zum Thema: „Was passiert, wenn Deutschland<br />

Fußballweltmeister wird?“<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Donnerstag, den 01. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Fußballwahnsinn treibt bislang schon eigenartige Blüten und ich bin mir sicher, dass er auch noch<br />

eigenartigere zu treiben im Stande ist. Generell halte ich den eventuellen Sieg der deutschen<br />

Mannschaft, der momentan wie eine Verheißung gepredigt wird, mehr für den „worst case“ … Lassen<br />

wir’s rankommen. Hier auf jeden Fall ein Bild dessen, was den Deutschen nach der WM alles so an<br />

Fußballfaschismus erwarten könnte:<br />

1.) Jürgen Klinsmann bekommt das große Bundesverdienstkreuz am Bande.<br />

2.) Oliver Kahn läßt sich, obwohl er zur WM nicht viel tun mußte, seinen Maybach vergolden.<br />

3.) In jeder Stadt wird eine der größten Straßen nach einem Deutschen Nationalspieler benannt. Die<br />

Berliner „Straße unter den Linden“ wird in „Gerald-Asamoah-Allee“.<br />

4.) Es wird energisch behauptet, der Sieg sei maßgeblich von den Amerikanischen Fitnesscoaches<br />

beeinflußt gewesen, woraus sich ein generelles Kritikverbot am „großen Bruder“ ableitet.<br />

5.) Das WM-Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ wir eins zu eins auf die deutsche<br />

Ausländerpolitik übertragen, wobei das „zu Gast“, durch ein „zu Hause“ ersetzt wird.<br />

6.) Angela Merkel muss keine Politik mehr betreiben, sondern wird von selbst zur gefeierten<br />

Politikerin, weil sie bis zum Ende ihrer Amtszeit nur noch vom „grandiosen Sieg in ihrer Amtszeit“<br />

berichten muss. So bekommt sie spielend durch, dass 2008 die 10 Millionengrenze der Arbeitslosen<br />

überschritten wird – ist ja in Anbetracht „dieses Sieges“ für die deutschen Medien nicht von<br />

Relevanz.<br />

7.) Ein Fußballminister wird eingeführt.<br />

8.) In jedem deutschen Kaufhaus wird eine Fußballabteilung eingerichtet. Zum Beispiel gibt es dann<br />

dort von der Klobürste bis zum Fußabtreter alles in trendy Schwarz-Rot-Gold.<br />

9.) Die Nationalhymne wird von Oliver Pocher als Mitgrölfansoundtrack vertont.<br />

10.) Nur ein Fußballpatriot ist ein richtiger Patriot. Alles andere sind Neonazis.<br />

Ich bete, dass Brasilien wieder mal das Rennen macht!<br />

76


Florians Ideen<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Montag, den 05. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Florian Langenscheidt, Herausgeber und Gesellschafter der Langenscheidt-Verlagsgruppe, kennt 250<br />

gute Gründe, Deutschland heute (!) zu lieben. Mir fallen da auf anhieb ein paar mehr ein, jedoch<br />

gehören Erscheinungen einer höchst kurzlebigen und orientierungslosen Massenkultur nicht<br />

unbedingt dazu. Warum Herr Langenscheidt bei einem bekannten „Top-Model“ ins Schwärmen<br />

gerät, das mag sich dem insbesondere männlichen Beobachter ja vielleicht noch erschließen, beim<br />

erklärten „Stolz“ auf Sabine Christiansen, Birkenstock und den Grünen Punkt kann man dann aber als<br />

Patriot nur noch mit dem Kopf schütteln. Als typischer Vertreter der orientierungslosen und satten<br />

„Generation Golf“, also jener tragenden Säule der Spaßgesellschaft, bastelt Langenscheidt sich<br />

seinen „Nationalstolz“ aus konsumistischen und boulevard-medialen „Leistungen“ und<br />

„Leistungsträgern“ und trifft dabei genau den Geschmack des Establishments.<br />

Ja, wenn uns eines noch gefehlt hat, dann ein Buch á la Langenscheidt. Für knapp 40 Euro darf man<br />

sich auf 500 Seiten mit verkappten Werbeanzeigen berieseln lassen, die man bei RTL2 oder SAT.1<br />

umsonst bekommt und die in literarischer Form nicht weniger nervig oder einfallslos sind, als eben<br />

im TV. Natürlich bin ich z.B. auch stolz auf die hohe Wertschätzung, die allgemein der Marke „Made<br />

in Germany“ (noch) in aller Welt entgegengebracht wird, aber solche und ähnliche ökonomische und<br />

Lifestyle-Bagatellfragen treten für mich angesichts der demographischen Entwicklung unseres Volkes,<br />

des exzessiven und repressiven Regimes des Multikulturalismus, sowie einer „Kultur des Todes“<br />

(Papst Benedikt XVI.), die für Konsum- und Triebbefriedigung die Beseitigung menschlicher<br />

„Störfaktoren“ legitimiert, nun wirklich in den Hintergrund.<br />

Langenscheidt hat nun mit diesem Buch eine Art moderne Litfasssäule geliefert, eine<br />

Werbebroschüre für die in diesem „Werk“ genannten Konzerne und Selbstdarsteller. Er ist damit ein<br />

Protagonist des gegenwartsbezogenen und ökonomisch motivierten Kulissen-Patriotismus, was<br />

seinen Ausdruck auch im Engagement Langenscheidts für Aktionen wie „Du bist Deutschland“ oder<br />

„Land der Ideen“ findet. Was das ganze mit Vaterlandsliebe zu tun hat, warum ich Deutschland<br />

wegen der Weltraum- und Indianertunte „Bully“ Herbig und nicht etwa wegen der großen Opfer und<br />

Leistungen vergangener Generationen lieben sollte, dies wird nicht klar, soll es ja auch nicht. Dieses<br />

vorgeblich „leidenschaftliche Plädoyer für Deutschland“ (Pressemitteilung) bezieht sich nicht auf<br />

Deutschland als eine überzeitliche Größe, als ein kulturelles Kontinuum, als eine sinnstiftende und<br />

Orientierung gebende Konstante, nein in diesem Buch dreht sich alles um „... das Beste an<br />

Deutschland von heute, nicht um vergangene Leistungen“ (ebenfalls Pressemitteilung).<br />

„Liebe zu Deutschland“ soll das Buch zeigen, am Ende ist es nichts anderes als ein nicht ganz so lautes<br />

und offenkundiges Bekenntnis zur „Berliner Republik“ und deren „Werte“: Multikulti, Konsum,<br />

Werterelativismus, „Selbstverwirklichung“. Diese „Werte“ sind es aber, denen wir die Zerstörung der<br />

Familien, die Zerstörung der Nachbarschaften und anderer gewachsener Gemeinschaften und<br />

sinnvoller Normvorstellungen zu „verdanken“ haben. Langenscheidt fordert also „Liebe“ zu dem Gift,<br />

welches Deutschland weiter leise zersetzt. Irgendwie zynisch. Aber auch langweilig.<br />

Langenscheidt, Dr. Florian<br />

Das Beste an Deutschland. 250 Gründe, unser Land heute zu lieben<br />

Verlag Deutsche Standards Editionen GmbH<br />

77


Bücher aus der Mottenkiste (4). Heinrich Mann: „Der<br />

Untertan"<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Sonntag, den 11. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Diederich Heßling war ein weiches Kind, …“ so beginnt einer der bekanntesten Romane Heinrich<br />

Manns. Als Bruder des ungleich bekannteren Thomas Mann, fristet er heute leider mehr ein<br />

Schattendasein. Zwar sind Titel wie „Professor Unrat“ oder eben besagter „Untertan“ nicht gerade<br />

unbekannt, doch wirkten „Buddenbrooks“ und „Zauberberg“ bis heute weit stärker nach.<br />

Inhaltlich zeichnet Heinrich Mann in seinem Buch eine erschreckende Charakterskizze: Ein<br />

überempfindliches und schwächlich anmutendes Kind entwickelt sich in seinem Heranwachsen früh<br />

in die soziale Leere hinein. Ungeliebt und vielgescholten erkennt es nur eine Möglichkeit um<br />

weiterem Unheil zu entkommen: Die Anpassung – den Opportunismus. Konkret die Assimilation mit<br />

einer wilhelminischen Muskelspiel- und Protzgesellschaft, die außer vieler hohler Phrasen, wenig<br />

konkrete Werte zu vermitteln weis. Statt dessen stehen Scheinwerte wie Mannestugend, Ehre und<br />

Vaterland im Flakscheinwerfer einer nationalistisch übergeschnappten Nation. Zwar sind diese Werte<br />

an sich nichts verwerfliches, doch kümmert es den bürgerlichen Nationalen mit Zwirbelbart wenig,<br />

ob seine Stammtischparolen nach einem „Platz an der Sonne“, wirklich auf fruchtbaren Boden fallen<br />

– Hauptsache man redet sich euphorisch einen Krieg zurecht, der Europa grundlegend zu Grunde<br />

richten sollte.<br />

Diederich Heßling ist nun einer dieser bürgerlichen Spießer. Er macht jede Mode der Kaiserzeit mit,<br />

kämpft mit Schmiß und Bierglas in der Hand für Kaiser und Vaterland. Der Herrscher des Reiches wird<br />

dabei zur grundlegenden Identifikationsgestalt: jeglicher Normen beraubt, steigert sich der kleine<br />

plumpe Mensch mehr und mehr in das väterliche Vorbild hinein. So wird aus einem Held ein Heiliger.<br />

Seine Liebe zu diesem Gottgleichen läßt ihn seine Herkunft vergessen, läßt ihn gegen seinen<br />

Mitarbeiter Napoleon Fischer ins Feld ziehen, obwohl dieser als Sozialdemokrat, um das legitime<br />

Recht der Mitarbeiter, auf soziale Verbesserungen kämpft – immerhin befindet man sich in mitten<br />

einer spätindustrialisierten Gesellschaft. Er tauft sich selbst zum Jünger seines „Messias“.<br />

Heßlings Problem war seit jeher eine spießbürgerliche, wenn auch anerzogene, Engstirnigkeit und<br />

fehlende Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Er ist ein Würstchen, dass schon im Sandkasten<br />

stets von seinen Spielgefährten ausgelacht worden war und der nun eine Lebensaufgabe im Glaube<br />

an Kaiser und Reich, sowie eine umfassend überlegene Nation, gefunden hat. Und das Schlimme<br />

dabei ist: Aufgrund seiner nun erdachten Lebensaufgabe, hält er sich für elitär! Seine nun<br />

gewonnene Zugehörigkeit zur Elite eines „elitären“ Landes, läßt ihn Grundprinzipien menschlicher<br />

Zivilisation übertreten, sie hinwegfegen. Und warum? Weil er sie selbst nie gekannt hat. Er ist jetzt<br />

der Folterknecht im SM-Studio. Eine gelungene Skizze des neogermanischen Herrenmenschen!<br />

78


Anonyme Post von der Antifa<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 13. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Liebe Chemnitzer Antifanten,<br />

für euren netten Brief an mich in eurer Zeitschrift flimmern bedanke ich mich recht herzlich. Leider<br />

habe ich nirgends einen Absender, ein Impressum oder eine Angabe über den Autor gefunden, so<br />

daß ich dir, lieber Autor, auch nicht privat schreibe, sondern den öffentlichen Kontaktweg suchen<br />

möchte. Ich bin mir aber sicher, daß meine Gedanken dich auch auf diesem Weg schnell erreichen.<br />

Liebe AntifantInnen, ich weiß, eure Post war nicht böse gemeint. Ihr lobt mich aufgrund meines<br />

„aufgeräumten Kinderzimmerschreibtischs“ und wollt mich auch nicht mehr schlachten, doch<br />

trotzdem muß ich euch kritische Worte erwidern, da ihr in einigen euren Annahmen grundlegend<br />

falsch liegt (z.B. bin ich überzeugter Kapitalist, „verkürzte Kapitalismuskritik“ findet ihr bei mir nicht).<br />

Beziehungsweise bestätigt eurer Brief nur, daß ihr Andersgesinnte vielleicht doch schlachten wollt –<br />

zwar nicht körperlich, aber mental.<br />

Burschen "schlachten"?<br />

Die inhaltlichen Differenzen zwischen uns versucht ihr jedenfalls nicht mit sachlichen Argumenten<br />

auszutragen, sondern durch persönliche Diffamierungen – in diesem Fall hat es mich getroffen, was<br />

nicht sonderlich tragisch ist, aber ich weiß, daß ihr auch andere Opfer sucht. Ihr mögt den freien<br />

Diskurs nicht und ihr seid ihm auch nicht gewachsen. Leider fallen auf eure plumpe Hetze noch zu<br />

viele Jugendliche herein, denn es ist einfacher zu hetzen, anstatt zu diskutieren.<br />

Ich bitte euch, doch endlich in eine inhaltliche Debatte einzusteigen. Stoff, über den es lohnt, sich<br />

auszutauschen, findet ihr auf den Seiten dieses Onlinemagazins genug. Um euch dennoch etwas auf<br />

die Sprünge zu helfen, sozusagen um euch eine kleine Starthilfe zu geben, möchte ich euch folgende<br />

drei Fragen stellen:<br />

1. Was soll an die Stelle der von euch verhaßten Nation treten?<br />

2. Was, wenn nicht tradierte Werte und Normen, sollen eine Gesellschaft zusammenhalten und dafür<br />

sorgen, daß der Mensch sich nicht wie ein Tier benimmt?<br />

Und falls euch diese Fragen viel zu theoretisch und abstrakt sind, so bitte ich euch doch wenigstens<br />

um die Beantwortung der Frage drei:<br />

3. Warum seid ihr zu feige, persönlich für eure Überzeugungen einzustehen? Warum schreibt ihr<br />

eure Hetze immer nur anonym?<br />

Ich hoffe, ich überfordere euch nicht. Gerne gebe ich euch auch Platz auf den Seiten dieses<br />

Onlinemagazins, eure Antworten vorzutragen – nehmt mir es aber nicht übel, wenn dies nur unter<br />

eurem richtigen Name möglich ist.<br />

Ich bin gespannt auf eure geistigen Ergüsse. Derweil wünsche ich euch ein paar schöne Sommertage,<br />

kifft nicht so viel, das schadet den Gehirnzellen! Bis demnächst,<br />

Euer Felix Menzel<br />

PS: Ihr habt sehr schöne Fotos von mir geschossen. Könntet ihr mir diese bitte per E-Post zuschicken,<br />

damit ich sie mir in mein Familienalbum kleben kann? Vielen Dank schon mal im Voraus.<br />

79


Das Ende der Verkrampfung<br />

Geschrieben von: John Palatini<br />

Donnerstag, den 15. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Es ist keine vier Wochen her, da stand ich in einem Supermarkt in Kanada und traute meinen Augen<br />

nicht, ob des schier unglaublichen Angebots an solchen Produkten, die mit den kanadischen Farben<br />

verziert waren; – von Tassen, Tellern, Stiften, über Wimpel und Fahnen in XXL war alles zu haben,<br />

worauf sich ein Ahornblatt drucken ließ. Bei uns, dachte ich mir, würde es doch nirgendwo eine Tasse<br />

– ich suchte gerade eine – in schwarz-rot-gold zu kaufen geben. Der Kanadier lässt sich, wie mir<br />

scheint, mit dem Wort 'unverkrampft' recht gut beschreiben, und das eben nicht nur in Bezug auf<br />

den Umgang untereinander und gegenüber Fremden, sondern gerade auch mit Blick auf die<br />

Verwendung nationaler Symbole.<br />

Die Nationalflagge weht in Kanada vor fast allen alleinstehenden Häusern, sie ist vor jedem Hotel,<br />

selbstverständlich vor allen öffentlichen Gebäuden, am Flughafen und im Park gehisst, und vor den<br />

Niagara-Fällen auch. Dabei präsentiert der Kanadier sein Land keineswegs als das zwangsläufig<br />

schönste und beste der Welt. Er kommt ohne den Glauben aus, dass es allein der kanadische way of<br />

life sei, mit dem die Welt sich erlösen ließe. Der Kanadier zeigt Flagge, weil ihm sein Land gefällt, weil<br />

er gern hier lebt und weil man ihm die positive Identifikation mit seiner Heimat niemals hat verekeln<br />

wollen. Das zu erleben, tat gut.<br />

Zurück in Deutschland erzählte ich die Anekdote aus dem Supermarkt. Drei Tage später, ich traute<br />

meinen Augen nicht, schenkte mir ein Freund mit breitem Grinsen eine Frühstückstasse in schwarzrot-gold.<br />

Seitdem hat sich auf unseren Straßen, in den Gesichtern der Menschen und an den Autos<br />

viel verändert. Wir zeigen wieder Farbe, zum Glück nicht nur auf Frühstückstassen, und das ist gut.<br />

Gestern erlebte ich im Freien das zweite Spiel der deutschen Mannschaft inmitten einer größeren<br />

Menge deutscher Fans. Applaus als die deutsche Mannschaft einlief, ein zackiges "Aufstehen!" und<br />

auch die Zögerlichen erhoben sich und sangen die Nationalhymne mit; dann lange zittern, ein<br />

unermüdliches Anrennen gegen eine defensive polnische Mannschaft und schließlich, in der<br />

Nachspielzeit das erlösende und hoch verdiente Tor, der Sieg.<br />

So weit, so gut, ein spannendes Fußballspiel, wie es viele schon gegeben hat. Doch der nun nicht<br />

mehr enden wollende Jubel, die Freude, das Schwenken der Fahnen, die Umarmungen, – all das in<br />

einem Ausmaß und einer Intensität, wie ich es nach einem Vorrundenspiel kaum für möglich<br />

gehalten hätte. Auf dem Marktplatz versammelten sich Hunderte, fast alle mit Fahnen, Trikots und<br />

Hüten in schwarz-rot-gold. Sie sangen, tanzten, freuten sich. Es war so schön. Ich dachte an Kanada<br />

und musste schmunzeln. Das Wort unverkrampft kam mir erneut in den Sinn, doch dieses Mal stand<br />

ich mitten in Deutschland.<br />

Ich wünsche mir, dass diese frühe Euphorie noch weiter um sich greift. Hoffen wir, dass in den<br />

Supermärkten noch viele Fahnen in den Regalen liegen. Eine Nationalflagge im Haus zu haben, ist<br />

alles andere als falsch oder anrüchig. Sie zu zeigen, am Tag der deutschen Einheit zum Beispiel, sollte<br />

selbstverständlich werden. Egal, ob unsere Mannschaft am Ende siegt oder nicht, wenn das<br />

wenigstens bliebe: ein neuer, ein unverkrampfter Umgang mit unseren nationalen Symbolen, das<br />

wäre was. Macht Schluss mit diesem masochistischen Naserümpfen beim Gedanken an unsere<br />

Nation! Freuen wir uns über unsere Mannschaft, feiern wir ihre Siege und vor allem: tragen wir die<br />

überall spürbare, nicht zu übersehende Verabschiedung der kollektiven Verkrampfung in die Zukunft.<br />

80


Fussballästhetik<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Samstag, den 17. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Alles dreht sich zurzeit in Deutschland um die Weltmeisterschaft: täglich finden mindestens drei<br />

Spiele statt, die Identifikation mit unserer Nationalmannschaft ist auch in Chemnitz allgegenwärtig<br />

und an allen Ecken und Enden wird an Fussball erinnert. Gewiss gäbe es für den geübten Beobachter<br />

genug Anlass, die Masseneuphorie zu kritisieren: wie auf Knopfdruck holt plötzlich auch der letzte<br />

Deutsche die alten Reichsfarben schwarz-rot-gold aus dem Keller, vollkommen vergessen bleibt die<br />

Tatsache, dass man für das selbstverständliche Zeigen der Symbole der eigenen Nation vor wenigen<br />

Wochen noch besserwisserisches Stirnrunzeln geerntet hätte. Aber ich will nicht in Miesmacherei<br />

verfallen. Es ist – unabhängig davon, wie man sie verarbeitet – tatsächlich ein sehr schöner Anblick,<br />

überall die deutschen Farben zu sehen. Für denjenigen, der weiß, welche Geschichte, welches<br />

Leiden, welche Freuden und welche Kraft unseres Volkes die Farben auch in ihrer<br />

Entstehungsgeschichte symbolisieren, muss allein die Verwendung von schwarz-rot-gold viel<br />

bedeuten. An diesen Farben liegt etwas schicksalhaftes, bindendes und damit auch selbstbewußtes<br />

was Deutschland so bitter notwendig hat. Vergleicht man das kritische, sich vor Dauerdiskussion und<br />

ewiger Nörgelei dahinquälende Deutschland mit dem starken, selbstbewussten, ja standhaften<br />

Fussball-Deutschland, verspürt man etwas, was ich bisher zwar in seiner Entfaltung nur im kleinen<br />

Rahmen erlebt habe, was aber gerade da auch umso wichtiger war: Gemeinschaftsgefühl.<br />

Bisher bleibt es sicher nur bei einer vagen Partygemeinschaft, die es an Oberflächlichkeit nicht<br />

mangeln lässt. Aber hier kann man wenigstens im Ansatz erkennen, welche Kraft eine Gemeinschaft<br />

entfalten kann. Meiner Generation fehlt dieses Erlebnis vollkommen und wenn es sich hier auch<br />

sicher nicht um ein Ereignis von historisch absoluter Brisanz handelt, merkt man doch im Ansatz: es<br />

gibt ihn, den starken Kontrast zu einer zerfallenden, verwesenden Gesellschaft.<br />

Das Wesen des Fußballs selbst verkörpert diesen Kontrast: jeder Spieler hat ein klares Ziel, eine klare<br />

Aufgabe, die ihm eine klar umrissene Individualität gibt, durch die er gerade – weil diese eben für<br />

den Gesamterfolg vonnöten ist – zum Sieg der eigenen Mannschaft beiträgt. Hier beweist sich die<br />

eigene Fähigkeit, hier gibt es kein Ausweichen mehr, keine Schattendiskussion. Hier zählt nur ob die<br />

eigene Aufgabe erledigt wurde oder nicht. Die Konzentration auf das Wesentliche, die unserer<br />

Gesellschaft immer mehr abhanden kommt, hat sich im Sport erhalten. Damit geht eine Frische und<br />

Tatendrang einher, die sich außerhalb des Sports vollkommen in Beliebigkeit und Spekulationen<br />

verloren hat. Aktionismus mag viele Schwachstellen haben. Es steht aber fest, dass Erfahrung nur<br />

durch Taten und Mut gesammelt werden kann. Hier sollte der fussballerische Elan und Kampfeswille<br />

neue Ansätze für das kleine und gerade deshalb so wichtige Gestalten im eigenen Leben sein.<br />

81


Walter Kempowski: Hamit. Tagebuch 1990<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 20. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die letzten beiden Sätze in Walter Kempowskis „Hamit“ sind die prägnantesten im gesamten<br />

Tagebuch. „Heimat können wir abhaken. Geblieben ist das Heimweh.“<br />

Kempowski, Jahrgang 1929, stammt aus Rostock. Dort verbrachte er seine Kindheit und Jugend. 1948<br />

verurteilte ihn ein sowjetisches Militärtribunal zu 25 Jahren Arbeitslager wegen Spionage, die er im<br />

Zuchthaus Bautzen absitzen sollte. Nach acht Jahren kam er jedoch bereits frei. Mittlerweile wohnt<br />

er seit über 40 Jahren im Westen Deutschlands, im beschaulichen Nartum südwestlich von Hamburg.<br />

1990 wurde Kempowski erstmals wieder mit seiner Jugend und seiner Zeit in Bautzen konfrontiert.<br />

Mit seinem Tagebuch 1990 „Hamit“, das jüngst im Knaus-Verlag erschienen ist, gewährt er uns einen<br />

Einblick in seine persönlichen Gedanken über das sich wiedervereinigende Deutschland.<br />

Hamit sagt man im Arzgebirg für Heimat. Kempowski ist es jedoch bei seiner Rückkehr nach Rostock<br />

und seinen Fahrten durch die entlegen anmutenden Ecken Mitteldeutschlands gar nicht heimatlich<br />

zumute. Er fühlt sich fremd in seiner angestammten Heimat. Mehr noch als seine Erinnerungen an<br />

seine Zeit in der DDR, eine Zeit hinter Gittern, befremdet ihn die Veränderung der Heimat.<br />

Kempowski sieht die Trümmer, die nach 40 Jahren DDR hinterlassen wurden.<br />

Als befremdlich empfindet er aber auch den Diskurs im Westen über die deutsche Einheit. Mit<br />

etlichen Tagebucheinträgen dokumentiert der Schriftsteller, wie SPD, Linke und die bis heute<br />

wortführenden Intellektuellen unseres Landes bis weit in das Jahr 1990 hinein den Gedanken einer<br />

Wiedervereinigung kaum ertragen konnten. Sie verbanden mit der Wiedervereinigung ein ihnen<br />

unheimliches Wiedererstarken der tot geglaubten Nation.<br />

Kempowski gehört nicht zu ihnen und gerät trotzdem nicht in Feierlaune. „Hamit“ erinnert ein wenig<br />

an jene Stimmung, die Werner Bergengruen mit seiner „Deutschen Reise“ auslöst. Bergengruen war<br />

im Spätsommer 1933 mit dem Fahrrad durch Deutschland gefahren. 1945 schrieb er im Vorwort zu<br />

dieser „Deutschen Reise“: „Ein letztes Mal durfte ich all das insgeheim schon zur Zerstörung<br />

Verdammte und heute unwiederbringlich Dahinsinkende auf mich wirken lassen und von dieser<br />

Wirkung mir und anderen Rechenschaft abgegeben.“<br />

Walter Kempowski ist dieses letzte Mal verwehrt geblieben. Ihm bleibt nur das Heimweh.<br />

82


Vorankündigung: <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> im Radio.<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Freitag, den 23. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Am Montag, den 26. Juni <strong>2006</strong> findet ein Radiointerview statt. Dieses wird im Rahmen der Sendung<br />

"cheek2chime" unter www.radio-unicc.de zu hören sein. Thematisch wird sich die Sendung mit der<br />

"bunten Welt der Kunst" beschäftigen. Inhaltlich werde ich zu den Themen Dadaismus, Streetart und<br />

natürlich die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> sprechen. Beginn ist 19:00 Uhr unter dem Link "livestream".<br />

Alle Leser und Freunde unserer Zeitung sind recht herzlich eingeladen, in diesem Fall einmal etwas<br />

von uns zu hören! Für alle, die an diesem Tag keine Zeit haben direkt zuzuhören, wird das Interview<br />

in absehbarer Zeit auch als mp3 zum Download bereitstehen.<br />

83


Bücher aus der Mottenkiste (5). Jostein Gaarder: „Durch<br />

einen Spiegel, in einem dunklen Wort"<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Freitag, den 23. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Was sagt einem so ein komischer Titel? Nichts? Richtig! So ging mir das auch, als ich dieses Büchlein<br />

zum ersten mal in die Hand nahm – aber schon nach wenigen Seiten wurde klar, was gemeint ist: der<br />

Mensch im Spiegel seines Wesens. Mensch als dunkles, schlicht unergründliches Wort – was wir im<br />

Spiegel sehen sind nur wir selbst… oder?<br />

Zwar werden in dieser Serie eigentlich nur richtig alte Bücher vorgestellt und „Durch einen Spiegel, in<br />

einem dunklen Wort“, ist mit 13 Jahren nicht gerade alt, jedoch es steckt tief in der Mottenkiste. Will<br />

sagen, kaum einer der Gaarder-Leser kann mit dem Buch etwas anfangen. Es steht, wie so oft bei<br />

wirklichen Dichtergrößen, im Schatten des Hauptwerkes. Hört man „Sophies Welt“, so geht einem<br />

ein Licht auf – vielleicht auch noch beim „Kartengeheimnis“, aber dann kommt - wie so oft - nichts.<br />

Eigentlich schade! Sind es doch meist die sperrigen und weniger bekömmlichen Bücher, vor oder<br />

nach einer Phase mit Megaauflagen, die uns als wirkliche Spezialitäten erscheinen.<br />

Es ist Weihnachten – die schwer krebskranke Cecilie liegt in ihrem Dachgeschoßzimmer und wartet,<br />

von ihrem Vater ins Wohnzimmer zu den Gästen hinunter getragen zu werden. Sie ist vielleicht<br />

gerade mal 15, hat ihr Leben noch ganz vor sich und steht doch, auf eine bizarre Art und Weise,<br />

bereits am Ende. Tagtäglich bekommt sie Spritzen, sie ist nach einer langen Zeit im Krankenhaus<br />

wieder zu Hause – alle wissen warum. Keiner sagt den Grund. Oft hat sie Fieber, sie schläft viel und<br />

ist sehr schwach.<br />

Sie verlebt den schönen Weihnachtsabend in Familie und wird am Abend wieder zu Bett gebracht. In<br />

der Nacht erscheint ihr ein Engel – gut, jetzt könnte man denken, was ist denn das für ein Kitsch –<br />

doch halt! Da kommt kein Engel, wie man ihn aus Märchen kennt: lange blonde Haare, weißes<br />

Kleidchen, Dauergrinsen… eigentlich mehr eine Engelin … nein es kommt Ariel. Ariel ist zunächst mal<br />

ein Neutrum, also geschlechtslos. Es ist etwa einen Meter groß und hat keine Haare. Es (also das<br />

Engel) spricht zu Cecilie. Es spricht von seiner Heimat, dem was wir „Himmel“ nennen und davon, das<br />

eigentlich alle Engel so aussehen. Es sagt zum Beispiel, dass jeder Mensch schon im Himmel ist, da<br />

dieser unmittelbar über dem Boden beginnt. Und das ist auch das Grundprinzip dieses kurzen, aber<br />

schwergewichtigen Buches: Nichts ist so, wie wir es kennen. Ariel kennt nichts, was uns hier auf der<br />

Erde normal ist. Sei es die stechende Kälte, wenn man Schnee in den Händen hält, sei es Helligkeit,<br />

sei es Trauer und Freude. Cecilie ist gezwungen, alles was sie vermeindlich als „Wahrheit“ kennt,<br />

einmal zu hinterfragen und zum anderen, es zu erklären. Wie erklärt man einem Engel, wie sich<br />

Schnee in der Hand anfühlt, wenn er weder heiß noch kalt kennt, werde hart noch weich?<br />

Gaarder entwirft in seinem Werk eine lesenswerte Reise durch die menschliche Erkenntnisprozesse.<br />

Er versucht, ein Stück hinter das Bild im Spiegel zu schauen. Er malt wie so oft Bilder einer Welt, die<br />

den menschlichen Horizont eigentlich übersteigen.<br />

84


Anfänge (1): Der Kapitalist<br />

Geschrieben von: Sebastian Schermaul<br />

Montag, den 26. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Mit "Anfänge" möchten wir drei Texte präsentieren, die im Herbst 2004, kurz nach dem Erscheinen<br />

der ersten Ausgabe der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>, entstanden sind.<br />

Die Texte dienten als Vorlage für einen Dialog. Für diesen Dialog dachten wir uns mehrere fiktive<br />

Figuren aus. Eine davon ist der Kapitalist.<br />

Hallo ich bin’s, der Kapitalist.<br />

Einige von euch kennen mich bestimmt schon, einige hassen mich auch, aber das macht mir nichts<br />

aus, denn ich bin so, wie ich bin. Man kann mich überall antreffen, in jeder Gesellschafts- und<br />

Sozialschicht und in jedem Volk. Denn ich bin wichtig, niemand kann meinen Fängen entgehen, ich<br />

kriege euch alle.<br />

Ich bin’s, der euch das Geld aus der Tasche zieht oder euch für harte Arbeit nur wenig von diesem<br />

gibt. Das ist auch richtig so, denn ich besitze das Geld und ihr nicht, aber ich kann im Vergleich zu<br />

euch darüber frei verfügen. Genauso, wie über die Natur. Mir ist doch egal, ob hier seltene Bäume<br />

wachsen oder eine vom Aussterben bedrohte Tierart lebt, mir kommt es nur darauf an, möglichst viel<br />

Gewinn aus dem bisschen Umwelt zu schlagen. Die kann sich ja schließlich glücklicherweise nicht<br />

wehren und nicht schreien, so daß ich sie genüsslich Quadratmeter für Quadratmeter aussaugen<br />

kann. Genauso wie das Proletariat, das mir sowieso vollkommen ausgeliefert ist.<br />

Aber eigentlich bin ich gar nicht so böse, wie immer alle behaupten. Ich schaffe nämlich auch viel<br />

Gutes in der Welt. Ich sorge dafür, daß ihr alle Arbeit habt, denn ohne mich als Unternehmer würdet<br />

ihr alle arm und verlumpt auf der Straße sitzen. Des weiteren sorge ich dafür, daß ihr alle was zu<br />

essen habt, denn ich bezahle euch ja auch. Wenn es kein Geld mehr geben würde, würde auch keiner<br />

freiwillig mehr arbeiten gehen, da ja alles kostenlos wäre und am Ende ist von allem nichts mehr da,<br />

weil niemand für Nachschub gesorgt hat. Vor diesem Schicksal will ich euch bewahren und noch sehr,<br />

sehr lange Euer aller Freund sein.<br />

Deshalb verbleibe ich freundschaftlich Euer Kapitalist.<br />

85


Symbole der Nation (1). Die Kraft des Symbols<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Dienstag, den 27. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Verlust des Symbolischen scheint plötzlich durchbrochen zu werden: zur Fußball-WM wird<br />

wieder Flagge gezeigt, die Völker entdecken ihre Zeichen neu. Gerade uns Deutsche mag das<br />

erstaunen, nationale Symbolik und Identität besaß bei uns bisher einen schlechten Stellenwert: man<br />

fühlte sich in der „Westbindung“, beim großen Bruder USA oder der EU besser aufgehoben als im<br />

eigenen Vaterland. Doch welche Kraft steckt hinter nationalen Symbolen ? Was geben nationale<br />

Symbole ihren Trägern ? Welche Aussagekraft steckt hinter ihnen ? Wir möchten uns in der Serie<br />

„Symbole der Nation“ – angeregt durch die Fußball-WM - mit der Aussage-Kraft nationaler Symbolik<br />

beschäftigen. Zugleich sollen die Ursprünge unserer deutschen nationalen Symbolik aufgezeigt<br />

werden. Der Mensch orientiert sich an Symbolen. Ob es etwa bei politischen Bewegungen die<br />

schwarze oder rote Fahne ist, im Katholizismus das Christuskreuz oder eben beim Staat und der<br />

Nation das Hoheitszeichen, etwa der Adler, die aufgehende Sonne Japans oder der heilige Michael<br />

als Zeichen der Deutschen: immer orientiert sich der Mensch an Zeichen, an Symbolen, also<br />

Sinnbildern. Zum einen vermitteln diese eine starke Verbindlichkeit, die das politische, religiöse oder<br />

nationale Bekenntnis im Symbol verankern. Das Symbol lässt sich nicht mehr in Frage stellen. Es übt<br />

eine so starke Kraft auf den Menschen aus, dass dieser für einen kurzen Moment alles rationale<br />

Abwägen aufgibt und seine Kraft vollkommen aus dem Symbol schöpft. Oft sind es Symbole, die den<br />

Alltag prägen: das Händeschütteln, Anstecker auf dem Rucksack oder ein freundliches Lächeln. Diese<br />

mögen keinen rationalen Sinn haben, sie werden kurzfristig nicht von Erfolg gekrönt sein. Eine<br />

Begründung gibt es für sie nicht. Trotzdem sind sie unverzichtbar - Symbole und darüber hinaus Riten<br />

ermöglichen erst gemeinschaftliches Zusammenleben. Warum, kann niemand erklären. Symbole sind<br />

also etwas Heiliges, Unantastbares, Unnahbares. Sie entziehen sich jeder Diskussion.<br />

Zur WM tritt diese Unnahbarkeit wieder stärker in den Vordergrund. Die Fans fiebern mit ihrer<br />

Nationalmannschaft um den Sieg, sie feuern sie an, ungeahnte Kräfte werden freigesetzt. Noch läuft<br />

dies auf recht trivialer Ebene ab: in den Nationalfarben kann man alles kaufen, eine wirkliche<br />

Unantastbarkeit lässt sich nur in Ansätzen erkennen. So kommt es eben auch vor, dass mit der<br />

Bierflasche in der Hand und dem Deutschlandlied auf den Lippen den anderen Fans vor die Füße<br />

gekotzt wird.<br />

Aber es gibt auch positive Gegenbeispiele nationaler Symbolik: in Rom, auf dem „Altare di Patria“ –<br />

Altar des Vaterlandes – brennt die ewige Flamme der italienischen Nation. Ihr Ursprung weist in das<br />

römische Reich zurück – sobald die Flamme untergehen würde, würde auch das Reich zerfallen.<br />

Italien hat die Flamme Roms aufgenommen und vertritt somit sein Selbstverständnis als Nachfolger<br />

des antiken Roms. Erst hier – am „Altar des Vaterlandes“, lernt man, was eine Nation ist und woran<br />

es gerade in Deutschland zugleich fundamental mangelt. Die Italiener gehen unverkrampft mit ihrer<br />

Geschichte um, sie haben genug Grund dazu. In Rom werden die antiken Denkmäler gepflegt und die<br />

im regelmäßigen Wechsel die Flamme bewachenden Soldaten beweisen eindrucksvoll, dass es sich<br />

nicht um Denkmalspflege handelt.<br />

Auch in Deutschland gibt es ähnliche nationale Weihestätten: das Brandenburger Tor, den Kyffhäuser<br />

oder einfach nur die Geburtsorte großer Deutscher. Man denke an das Geburtshaus Schillers in<br />

Marbach am Neckar oder den Hölderlin-Turm in Tübingen. Warum werden diese nicht entsprechend<br />

geschmückt ? Vor dem Brandenburger hing zeitweise Telekom-Werbung. Traurig, wenn man<br />

bedenkt, dass sich hier einmal das Herz des preußischen Staates befand. Symbole der Nation – das ist<br />

86


zuerst der vollkommene Verzicht auf Trivialitäten. Nur Symbole können Grundlegendes, Identität,<br />

nationale Identität vermitteln. Kein Geschichtsbuch kann dem Bürger einer Nation erklären, warum<br />

er Teil der Nation ist, warum er sich mit ihr verbunden fühlt, warum ihr Schicksal auch sein Schicksal<br />

ist, warum sie Vaterland ist. Erst Symbole schaffen Identität. Alles andere ist Beiwerk.<br />

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In was für einem Zeitalter leben wir?<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 29. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Gute Frage. Sie mit einem Wort zu beantworten, ist schwerer als anfangs gedacht, auch wenn<br />

zusammengesetzte Substantive erlaubt sind. Massengesellschaft, vielleicht? Nein, das trifft es nicht.<br />

Unsere Gesellschaft ist heterogener denn je. Schwule und Lesben, Menschen mit den<br />

verschiedensten Migrationshintergründen und Einheimische, die jedoch alle anders aussehen und<br />

etwas anderes verrücktes treiben, sie alle tragen zu unserer pluralistischen Gesellschaft bei. Ja, das<br />

ist es: Wir leben im Zeitalter des Pluralismus. Plural – wir, ihr, sie – diese Dimension paßt auch nicht.<br />

Ein „Wir“ gibt es nicht mehr, wir haben ja gerade festgestellt, wie unterschiedlich wir alle sind.<br />

Pluralismus meint deshalb die Unterschiedlichkeit von Menschen. Unterschiedlichkeit?<br />

Ein Blick ins Wohnzimmer einer kleinbürgerlichen Familie; kleinbürgerlich, das sind ja zumindest<br />

schon mal viele in unserer pluralistischen Welt, die so ganz ohne richtige Arbeiter, richtige<br />

Bürgerliche, richtige Sozialisten und richtige Konservative auskommt.<br />

Das Zeitalter der unbegrenzten Möglichkeiten<br />

Der Blick verrät jedenfalls jeden Abend das gleiche Bild: gebannt schauen alle fern; und in der<br />

Nachbarwohnung wird auch fern gesehen und die da drüber wohnen, die schauen auch fern oder auf<br />

irgendeiner anderen Bildschirm. Schauen wir wo anders hin, nicht immer nur auf die Bildschirme!<br />

Betrachten wir beispielsweise die Schuhe der Jugend von heute. Turnschuhe, Turnschuhe,<br />

Turnschuhe, Turnschuhe, Springerstiefel, oh, das muß ein Punk sein, oder eine Glatze, zumindest mal<br />

was anderes, bei den Schuhen. Es geht weiter: Turnschuhe, Turnschuhe, Turnschuhe, ...<br />

Pluralismus scheidet aus – genug gesehen, so unterschiedlich sind die Menschen nun doch nicht.<br />

Nicht mal die Jugend von heute nutzt ihre Freiheit, nicht mal bei den Schuhen; und das, obwohl ihr<br />

alle Möglichkeiten offenstehen.<br />

Das Informations- und High-Techzeitalter<br />

In was für einem Zeitalter leben wir? Eine Antwort will sich nicht finden lassen. Oder? Na klar, das<br />

Informations- und High-Techzeitalter, da ham mers. Information, das ist klasse, das bedeutet, daß<br />

alle Menschen richtig viel wissen. Testen wir mit einem kleinen Experiment, ob wir richtig liegen.<br />

Fangen wir einfach an: wir fragen unsere lieben Mitbürger, zufällig auf dem Marktplatz ausgewählt,<br />

nach dem Namen unseres Bundespräsidenten. „Hä, Bundespräsident, Jürgen Klinsmann vielleicht?<br />

Gerhard Schröder? Joschka Fischer? Angela Merkel, Edmund Stoiber, ja und mehr kenn ich nich.<br />

Politik ist sowieso doof.“<br />

Wieder ein Fehlschuß, Mist!<br />

Information und High-Tech fallen aus, Pluralismus ist schon längst ausgeschieden und Masse trifft es<br />

auch nicht. Das Rätsel bleibt ungelöst und vielleicht ist das die Lösung: Wir leben im Zeitalter der<br />

Unübersichtlichkeit und Verblendung. Wenn nicht, ist es auch egal. Hauptsache, wir werden<br />

Fußballweltmeister!<br />

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Anfänge (2): Der Anarch<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Montag, den 03. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Guten Abend,<br />

ich nenne mich Anarch und der Allgemeinheit gefällt es, mich mit gewissen wertenden Titulierungen<br />

zu umschreiben. Diesen entspringt jedoch im seltensten Fall Akzeptanz. Ich könnte Ihnen wohl auch<br />

viel mehr von mir erzählen doch kann ich nicht gewährleisten, daß Sie es bis auf den letzten Grund<br />

des Seelen- und Geistesspiegels verstehen. Mein Wesen streift durch viele Orte und kennt viele<br />

Bewusstseinszustände, aber stets meidet es die ordnenden Namen und Titulierungen - mögen diese<br />

der Masse auch einziger vager Schlüssel zu meinem Verständnis sein.<br />

Ich habe zwei Geschwister – den Rebell und den Soldaten. Es würde zweifelsohne zu weit führen, sie<br />

bis ins letzte Detail zu beleuchten und in ihrem vielschichtigen Charakter offenzulegen. Zudem kann<br />

ich für mich selbst nicht garantieren, dass meine Eltern – die Ehre und das Gewissen - mich der Lüge<br />

bezichtigen. Trotzdem will ich es versuchen, den einst wandelte ich auch in ihrem Geiste bis ich zu<br />

dem reifte, der ich heute bin.<br />

Mein Bruder, der Rebell trägt wesentlich weniger Jahre als ich. Wenn er mit seinem wilden,<br />

traumzerfetzten Gesicht schweißgebadet die Holztür unserer kleinen Waldbehausung aufreißt und<br />

unzufrieden in seine Heimat und die Welt schaut spürt er in sich den Drang gegen all die<br />

Ungerechtigkeiten entschlossen zu kämpfen. Wie, ja weshalb, weiß er nicht. Ihn trägt nur das Gefühl<br />

des Hasses auf das Unrecht. Spöttelnd sitzt dann sein älterer Bruder, der Soldat auf der Gartenbank<br />

und schaut seinem Geschwisterchen nach. Auch er kennt diesen Teil in sich, doch hat er ihn erweitert<br />

und zugleich überwunden. Der reinen Gegnerschaft setzt er die Identität gegenüber. Ihn trägt nicht<br />

mehr allein die Verachtung oder das Gefühl für das Unrecht, sondern vor allem die Liebe zur Pflicht.<br />

Man könnte ihn auch den Asket oder den Mönch nennen. Am besten ihr fragt meine werte Frau<br />

Gemahlin - die Tradition - nach seinen vielen geistigen Brüdern in der Geschichte. Gleich wird ihnen<br />

allen das Prinzip der Entsagung und des Verzichts auf irdische und materielle Güter, ja auf jegliche<br />

Güter sein. Doch wenn ich meinen Bruder mitleidsvoll nach all diesen Verlusten frage, so spottet er<br />

wieder und meint: „Dadurch wurde ich nur freier.“. Ja, warum wurde er freier, werte Gäste? Hat er<br />

nicht allen entsagt?<br />

Ihn trägt wie mich das Gefühl – das Gefühl das sittlich absolut richtige zu tun und durch den Verzicht<br />

an Geist, Erkenntnis und charakterlicher Größe zu reifen. Ihn interessiert nicht, ob die gebrachten<br />

Opfer irgend etwas nützen, sondern allein der Umstand seine Pflicht gegenüber dem eigenen<br />

Gewissen und Gott zu erfüllen. Der Soldat könnte gar nicht anders leben, weil er anders nicht<br />

glücklich werden kann. Ja, ich weiß – Soldat. Dies führt wieder in die Sphären des Militärs und gibt<br />

eine Schablone nur zu gut her. Doch bedenkt das Soldat zu sein zuerst eine Haltung gegenüber sich<br />

selbst bekräftigt und nicht den Umstand der Mittel und Notwendigkeiten der Zeiten. Diese sind<br />

sicher, gerade in unserer Zeit in der der technisierte Krieg seine wahnsinnig mörderisch und<br />

unmenschliche Fratze in die Leiber und Kinder der Völker brennt. Doch dies zählt nicht, sondern<br />

allein die Bereitschaft zur Pflicht, zur Aufopferung also die unbedingte Bereitschaft sich einer<br />

selbstgewählten sittlichen Ordnung zu unterwerfen und nach ihren Prinzipien zu leben. Doch dies<br />

wird gerade in der Zeit in der ich lebe immer schwieriger, da die Bereitschaft zur Pflicht mit<br />

Dummheit und Naivität verwechselt wird. Aber die Verachtung der Massen stärkt uns Brüder nur.<br />

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Genug. Jetzt habe ich euch von meinen Brüdern und so auch schon fast alles von mir erzählt, denn<br />

ich bin mir sicher, daß ihr meine beiden Brüder besser nachempfinden könnt als mich selbst. Denn<br />

mehr Zeit will man mir auch nicht gewähren. Doch nur so viel sei euch gesagt:<br />

Ich musste erst wie sie leben um zum Anarch zu reifen. Nun trägt mich nur die Tradition meines<br />

Geistes und meiner Werte die über die Zeiten aus mir selbst herangereift sind. Meine Umwelt<br />

brauche ich nicht mehr um ich selbst zu werden. Auf die gleichen, sklavischen Massen blicke ich<br />

mitleidig und werte fortan meine Umwelt nur all zu gern. Ich bin endlich vollkommen frei und ich<br />

selbst geworden, ergraut scheint das Ziel fast erreicht.<br />

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Ärger beim Chemnitzer Uni-Radio<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 06. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Am 26. Juni <strong>2006</strong> hat unser Herausgeber der Chemnitzer Print-<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>, Benjamin Jahn<br />

Zschocke, dem Chemnitzer Studentenradio, UNiCC, ein Interview über Dadaismus, Streetart und sein<br />

Selbstverständnis von Kunst gegeben. Mehrere Hörer der Sendung sowie Redakteure des Radios<br />

empörten sich heftig darüber. Anlaß gab nicht der Inhalt des Interviews. Für Aufregung sorgte<br />

vielmehr der persönliche Hintergrund von Benjamin Jahn Zschocke: seine Mitgliedschaft in der<br />

pennalen Burschenschaft Theodor Körner und sein Engagement für die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>.<br />

Radio UNiCC - "Einzig, nicht artig."<br />

Radio UNiCC bezeichnet sich selbst als „einzig, nicht artig“. Seit Ende 2001 versucht Radio UNiCC,<br />

seinen Hörern ein alternatives Radio-<br />

programm anzubieten. Dies geschieht hauptsächlich über das Internet. Zusätzlich dazu kann das<br />

Campus-Radio jeden Tag von 18-19 Uhr auf der UKW-Frequenz 102,7 des Radio T empfangen<br />

werden. Das Interview mit Benjamin Jahn Zschocke fiel nicht in diesen wichtigsten Zeitraum des<br />

Radioprogramms. Und dennoch hagelte es Proteste.<br />

Robert Piehler, Vorstandsmitglied des Chemnitzer Uniradios, begründet die Empörungswelle wie<br />

folgt: „Die Einladung von Herrn Zschocke war nicht per se problematisch für Radio UNiCC, sondern<br />

die Art der Präsentation.“ Die Moderatorin habe Herrn Jahn Zschocke „nicht kritisch genug befragt“<br />

und dessen politischen Hintergrund nicht ausreichend illustriert.<br />

Daß einer noch studierenden, jungen Moderatorin solche Fehler unterlaufen, ist sicher kein<br />

Ausnahmefall. Deshalb verwundern auch die harten Auseinandersetzungen beim Uniradio. Wie Herr<br />

Piehler mitteilt, ist aus persönlichen Gründen ein Redaktionsleiter nach den Vorfällen<br />

zurückgetreten.<br />

Die ganze Aufregung kann Benjamin Jahn Zschocke nicht verstehen. „Eine ungeahnte und sehr oft<br />

unreflektierte Kontroverse brach über meine Person herein.“, sagt er zu den Vorfällen nach dem<br />

Interview. Er wolle nur über Kunst diskutieren und nicht über Politik. Gleichzeitig warnt er vor einer<br />

übereiligen Ausgrenzung von Andersdenkenden. Den Umgang von Radio UNiCC mit ihm findet er<br />

nicht akzeptabel: „Man redet nicht mit mir, sondern über mich.“<br />

Radio UNiCC muß sich fragen lassen, warum anscheinend viele ihrer Hörer und einige ihrer<br />

Redaktionsmitglieder nicht die Toleranz aufbringen, einem kontroversen Gast in der Sache<br />

zuzuhören. Die harten Auseinandersetzungen und Konsequenzen beim Uniradiosender lassen<br />

vermuten, daß die Redakteure doch artiger sind, als sie zugeben möchten. Die Antwort, daß ein<br />

kleiner journalistischer Fehler diese heißen Debatten ausgelöst hat, wirkt jedenfalls wenig<br />

überzeugend. Es ist eher zu vermuten, daß Benjamin Jahn Zschocke von einigen Beteiligten voreilig<br />

stigmatisiert wurde und sich einige Verantwortliche von Radio UNiCC wünschen, kontroverse<br />

Interviewpartner in Zukunft von Debatten auszuschließen. Das ist leider in unserem Land nicht einzig,<br />

aber artig.<br />

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Auf steinigen Pfaden<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Sonntag, den 09. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Wer die Entwicklung unseres Projektes einigermaßen stringent verfolgt hat, kann mit Sicherheit nach<br />

einiger Zeit feststellen, was unser Anspruch ist – was genau es zu vermitteln gilt; was nicht. Aber<br />

selbst dem weniger tiefgründigen Leser von Online- oder Printausgabe, wird ersichtlich, wo unsere<br />

Weisung liegt – was unser Projekt so ausnahmslos einzigartig macht. Es ist also an der Zeit, es auf den<br />

Punkt zu bringen. Nicht Widerstand<br />

Immer wieder hört man in vermeindlich „konservativen“ Kreisen das flammende Wort Widerstand<br />

aufleuchten. Immer konkreter die Vorstellung, einer fast gänzlich moralisch verfallenen Generation,<br />

von der unbedingten Notwenigkeit vom „Kampf gegen das System“. Weniger konkret die Vorstellung<br />

von Umsetzung und Tat. Alles verliert sich in blutleerem Fabulieren, in wenigen Fällen wird aus dem<br />

Wort auch eine Tat – und selbst dann bleibt der Erfolg aus. Denn: es gibt kein System zu bekämpfen,<br />

so lange sich die Reihen der Kämpfenden noch nicht einmal in der Präphase der Mobilmachung<br />

befinden.<br />

Ernst Jünger bringt es in seinem Roman „Auf den Mamorklippen“ treffend auf den Punkt:<br />

„Wachsende Allergie gegen das Wort „Widerstand“ kam hinzu. Ein Mann kann mit den Mächten der<br />

Zeit harmonieren, er kann zu ihnen im Kontrast stehen. Das ist sekundär. Er kann an jeder Stelle<br />

zeigen, wie er gewachsen ist. Damit erweist er seine Freiheit - physisch, geistig, moralisch, vor allem<br />

in der Gefahr.“<br />

Was lohnt ein Widerstand gegen eine Zeit, die barbarisch ist - die mit Unkultur wirbt, um noch<br />

Bestehendes zu vernichten? Nach dem altrömischen Motto „divide et impera“, also „teile und<br />

herrsche“, wird man selbst Teil dessen, was man bekämpft. Durch die Denkrichtung „Ich bin gegen<br />

das System“, wird man selbst Soldat in der feindlichen Armee. Man wird Spielball in der Mühle<br />

unserer Zeit – vor allem zu Gunsten jener, die zur Sicherung ihrer Macht nicht nur Befürworter,<br />

sondern auch deren Gegner fest im Wesen der Zeit integriert haben.<br />

Der vielleicht gutwillig Kontrastrebende wird so zur reactio der berechnenden actio und<br />

verschwendet somit seine Energien, in ein sinnloses Hin und Her der bestehenden<br />

Machtverhältnisse. Seine zuvor vielleicht noch nutzbaren Energien, wirklich etwas ändern zu wollen,<br />

reiben sich so auf – verbrauchen sich, bis er schlußendlich genau dort ist, wo er nicht hinwollte – in<br />

den Armen der Zeit, die er selbst opportun umsorgt.<br />

Spaltung vorbeugen<br />

In je mehr Gruppen und Subgruppen sich ein Volkskörper von selbst teilt, um so besser ist er<br />

regierbar. Das ist ein Fakt, der sich bereits auf antike Staatsphilosophie zurückführen läßt und der bis<br />

heute nichts an Aktualität eingebüßt hat.<br />

Die Medien fördern diesen Trend. Ziel der heutigen Berichterstattung ist es mehr und mehr, das zu<br />

betonen, was uns trennt, nicht was uns verbindet. Es gibt eine eigene Fernsehsendung für<br />

Hausfrauen, Hundeliebhaber, Eisenbahnfreunde, Schwule, eine für Lesben, für Fußballfreunde, eine<br />

für Fußballfeinde … Die Einordnung in eine Gruppe muss nicht mehr im sozialen Alltag erkämpft<br />

werden, sie wird durch das bloße Anwählen eines Kanals schon zur Wirklichkeit. Natürlicher<br />

Platzhaltungskampf wird so im Wohnzimmer – und vor allem ohne Gegner - entschieden. Alle haben<br />

in ihrer unnatürlichen Schwäche recht.<br />

92


Kritisch betrachtet ist es aber so, dass eine Berichterstattung und Medienkultur eigentlich das<br />

hervorheben sollte, was einen Volkskörper zusammenhält – wie soll das aber funktionieren, wenn<br />

Medienkonzerne weltweit operieren und für die ganze „westlich-zivilisierte Welt“ nur ein<br />

Standartprogramm im Angebot haben? Kein Wort von sensibler Einfühlung in die Seelen derer, die<br />

sich diese Ergüsse dann als der Weißheit letzter Schluß zu Gemüte führen.<br />

Die bislang ungekannte Euphorie, bei der Teilnahme der Deutschen Nationalmannschaft zur Fußball<br />

WM, ist nicht allein dadurch zu erklären, dass eine einheitlich vorteilsbetonende Berichterstattung<br />

ein neues, wenn aber auch diesmal blutleeres, Zusammengehörigkeitsgefühl suggeriert hat. Kaum<br />

einer blieb davon verschont.<br />

Kultur statt Politik<br />

Es ist aber nun keineswegs so, dass unser Kulturprojekt den Anspruch hätte, jenes neue und<br />

vorteilsbetonende Medienorgan zu sein, noch es sein zu können. Wer nicht realistisch denkt ist ein<br />

Träumer und wird früher oder später hart auf dem Boden der Tatsachen aufschlagen.<br />

Jedoch: Das bekannte Prinzip der Gegenkultur bewährt sich dort, wo man konsequent an ihm<br />

arbeitet. Wie bereits zuvor erwähnt, ist Politik mehr oder minder schlecht für den Charakter. In der<br />

Egobefriedigung im ständigen Hetzen nach Posten und Titeln, saugen sich schwarze Löcher an<br />

vielleicht nutzenswerter Energie satt. Binden alles, was irgendwie gefährlich – weil progressiv wäre.<br />

Es muss also der Ansatz sein, der defacto momentan einfach nicht zu ändernden Zeit, wertfrei zu<br />

begegnen und ihr eine neue Gegenzeit oder besser eine Gegenöffentlichkeit entgegen zu setzen.<br />

Wichtig ist, dass Autarkie vor eigenem Nutzen liegt. Sicherlich wird das konsequente Streben so nicht<br />

erleichtert, doch jeder Schritt der in Autarkie gegangen ist, hinterläßt bleibende Spuren. Ziel ist es,<br />

dass sich die finden, die zusammengehören, auf dass ihr Streben Spuren hinterlässt.<br />

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Gedicht: chronos<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Dienstag, den 11. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Hier wieder einmal ein neuer Ansatz in Richtung Lyrik ... chronos<br />

schimmernde ungewissheit wälzt sich<br />

durch die lilafarbenen wälder<br />

sie verharrt im unterholz<br />

wittert gefahr und güte der lebenden<br />

zittert nicht, wenn die atomaren winter<br />

das land veröden.<br />

er hält alle spinnenfäden<br />

an denen unsere leben hängen<br />

in den matt graugrünen fingerstümpfen<br />

schon ein windhauch läßt sie reißen<br />

will anfang<br />

kann ende sein.<br />

wer chronos fassen will<br />

muss baphomet bezwingen<br />

muss schneller sein als ein gedanke<br />

wer ihm begegnet<br />

muss verwesen<br />

bei lebendigem leibe.<br />

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Adolf Hitler gestorben - Ein Nachruf<br />

Geschrieben von: Gastautor Björn Clemens<br />

Mittwoch, den 12. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Am 8. Juli <strong>2006</strong> ist nach kurzer, schwerer Krankheit der mächtigste Politiker aller Zeiten, Adolf Hitler,<br />

im Alter von 117 Jahren von uns gegangen. Nachdem er am 9. Juni von dem Virus der Fußball-<br />

Weltmeisterschaft befallen wurde, haben ihn deren Strapazen, die fröhlichen Feiern und die<br />

ausgelassene Laune überanstrengt. Davon konnte er sich nicht mehr erholen. Am Tag der größten<br />

Euphorie verschied er still und leise. Bis 1945 führte Hitler die deutsche Politik als Hauptfigur auf der<br />

politischen Bühne. Nach einem desaströsen Mißerfolg zog er sich in die zweite Reihe zurück. Von<br />

dort gelang es ihm seitdem, wesentlich wirkungsvoller die Geschicke seines Volkes zu gestalten. Um<br />

das zu erreichen, wechselte er, dem es stets nur auf eigene Machtpositionen angekommen war, in<br />

aufsehenerregender Weise die Seiten. Von einem Extrem ins andere fallend, suchte Hitler den<br />

machiavellistischen Schulterschluß mit Linken, Antifaschisten und Nationalmasochisten aller Couleur.<br />

Zu diversen Randgruppen begann er freundschaftliche Beziehungen zu pflegen. Sie konnten seine<br />

neue Strategie zu manchem Vorteil nutzen.<br />

Mit dem genialen Schachzug, in den Hintergrund zu treten, um von dort die Strippen zu ziehen,<br />

bestieg Hitler eine Erfolgsleiter, die alles in den Schatten stellte, was er in der kurzen Anfangsblüte<br />

seiner ersten Karriere zu erreichen vermochte. Wie Bundestrainer Jürgen Klinsmann nahm Hitler sein<br />

Domizil in der Ferne. Von Neuschwabenland gelang es ihm, die offiziellen Regenten seines Staates<br />

mit unsichtbarer Hand zu leiten und zu bevormunden. Die bloße Erwähnung seines Namens und<br />

seines Lieblingsprojektes Auschwitz genügte, um die Mächtigen erzittern zu lassen und<br />

Entscheidungen in die gewünschte Richtung zu lenken. Hitler und sein Wirken standen Pate bei der<br />

Herstellung eines besonderen Verhältnisses zum Staate Israel, der diesem zu umfangreicher<br />

finanzieller und diplomatischer Alimentation verhalf, er unterstützte die deutsche Teilnahme am<br />

Kosovokrieg, der mit den Ergebnissen seiner früheren Arbeit begründet wurde, er erwirkte die<br />

ausgedehnte Verteilung deutscher Steuergelder in Gestalt diverser Wiedergutmachungszahlungen an<br />

die verschiedensten Lobbyistenverbände. Zahlreiche weitere Beispiele könnten hier angeführt<br />

werden. Hitlers Regie war immer unentbehrlich. Dabei nahm sein Einfluß mit größer werdendem<br />

zeitlichen Abstand zu seiner aktiven Spielzeit zu, bis er bei seinem Tod einen nahezu göttlichen<br />

Nimbus erworben hatte. Hitler hatte erreicht, daß die Begriffe von Volk und Nation bei Strafe der<br />

Volksverhetzung nicht mehr anders als zur Schmähung benutzt werden, die deutsche Fahne nicht<br />

mehr gehißt und die Nationalhymne nicht mehr gesungen werden durfte. Stattdessen war ein das<br />

ganze Land umspannendes Netz von Bußstätten, Gedenkorten und Mahnmalen entstanden, an<br />

denen die von Hitler begründete Zivilreligion gefeiert wird.<br />

Nebenbei baute sich Hitler auf wirtschaftlichem Gebiet ein Imperium auf. Die Filmindustrie rettete er<br />

genauso vor dem Zusammenbruch, wie die großen Buchverlage, deren Geschichtsabteilungen zu<br />

zwei Dritteln aus Werken bestehen, in denen Hitler, seine Generäle, sein Wien, sein Wagner, seine<br />

Helfer, seine Frauen, seine Hunde und seine Unterhosen ausgiebig erörtert werden. Die<br />

Tageszeitungen und Talkshows im Fernsehen konnten jederzeit mit Hitler rechnen, wenn das<br />

Interesse des Publikums nachließ. Schnell wurde mit seiner Hilfe der Geist des Rechtsextremismus<br />

beschworen, ein Aufstand der Anständigen zelebriert und Stimmung und Nachfrage waren wieder<br />

hergestellt.<br />

95


Dann jedoch kam auch für Adolf Hitler der Tag, an dem er seinem Alter Tribut zollen mußte. Der<br />

ehemalige Führer zog sich einen Infekt zu und verlor über Nacht die Kraft, einer patriotischen<br />

Normalisierung im Lande, die mit der Fußball WM plötzlich und unerwartet einsetzte,<br />

entgegenzutreten. Er konnte nicht verhindern, daß die Nation Gefallen am ungezwungenen Umgang<br />

mit ihren Fahnen und Farben fand, daß das Wort Deutschland mit Freude und Enthusiasmus<br />

ausgesprochen und das Deutschlandlied mit Stolz auf offener Straße angestimmt werden konnte. Am<br />

9. Juli erlag er seiner Krankheit. Die Beerdigung wird im kleinen Kreise ewig Gestriger und<br />

Gutmenschen stattfinden. Wir verleihen unserer Hoffnung Ausdruck, daß der überraschende Zauber<br />

der WM den bösen Geist Adolf Hitlers auf Dauer vertreiben konnte und es interessierten Personen<br />

nicht gelingen wird, ihm zu einer Wiederauferstehung zu verhelfen.<br />

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Anfänge (3): Unbekannter Wegbeobachter<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Sonntag, den 16. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die meisten Menschen mögen mich nicht sonderlich. Sie liegen lieber in der prallen Sonne, schlürfen<br />

Cocktail für Cocktail, Sangria für Sangria oder lassen das Bier in Strömen in ihre Kehlen rinnen. Voller<br />

Leere starren sie mit einem dichten, unsichtbaren Vorhang vor den Augen auf die Wellen des heran<br />

brausenden Meeres. Die vielen unterschiedlichen Farbtupfer des wilden Spieles auf See nehmen sie<br />

dabei nicht im geringsten wahr. Ich führe ein einsames, tristes und zumeist unscheinbares Leben. Die<br />

Mehrheit der Strandbesucher wird es ebenso als langweilig oder gar verdrießlich charakterisieren.<br />

Auf diesem kalten Globus kenne ich keine Schöpfung, die sich meiner Gedanken annimmt, meine<br />

Gefühlswelt versteht, mit mir diskutieren möchte oder einfach den naturgewaltigen Moment ohne<br />

jede störende Aufregung bestaunt. Als ein sehnsüchtiges Wesen würde ich mich beschreiben, wenn<br />

mich jemand erstaunlicherweise einmal fragen würde. Ich hoffe auf jeden Funken Zärtlichkeit und<br />

Mitgefühl, doch dazu müßte man mich fassen können. Dies gelingt genauso wenig wie eine Taube<br />

mit den Händen zu ergreifen, die du auf dem Marktplatz eifrig den ganzen Vormittag jagtest. Ich<br />

schwebe besinnlich daher, stehe nicht unter Zeitdruck und dehne meine Gliedmaßen langsam<br />

ausstreckend, um sie später wie ein frierendes Kind wieder einzuziehen. Ein kuscheliges Beieinander<br />

erahne ich dabei, doch leider erklimme ich den Berg der Einsicht, daß dieses Phantasieren reine<br />

Einbildung ist. Nässe und frostige Kälte empfinde ich, wenn ich mich wieder zusammenkauere. Ganz<br />

allein mit meinem eigenen „Ich“ vereinsamt mein schweigendes Gemüt.<br />

Manchmal habe ich den Eindruck, in solchen Augenblicken verbänden sich meine verbitterten Tränen<br />

mit den schuldlosen, vielen kleinen Regentropfen und bestrafen den starren, ausgebrannten<br />

Menschen auf dieser Erde. Bei einer Tasse Früchtetee könnte er in seinem mollig warmen Nest die<br />

Füße auf die Heizung legen und sie entfrösteln, dabei Kraft tanken für die wesentlichen Aufgaben<br />

seines Fristens oder einmal wieder seinen Liebsten die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdient<br />

haben. Doch was macht er stattdessen? Er wirft wutentbrannt und in einem laut kreichendem Ton<br />

den Scheibenwischer an. Stets plagt ihn die Angst, seinen nächsten belanglosen Termin zu verpassen.<br />

Mit einer überaus arroganten Gemeinheit beschwert er sich über mich und malträtiert dann zu allem<br />

Überfluß auch noch meinen Leidensgenossen, den Regen. Manche Menschen freuen sich, wenn es<br />

wie aus Kannen gießt, ihren Feldern somit neuer Lebensmut eingehaucht wird oder sie zur rechten<br />

Zeit eine längst überfällige Abkühlung erwischt. Diese Menschen sind rar. Sie werden gewöhnlich<br />

dumme Bauern, die gerade deswegen die größten Kartoffeln ernten, genannt. Aber auch sie wollen<br />

mich nicht in ihr vergleichsweise gutmütiges Herz schließen.<br />

Geifernden Haß gießt man über mich; eine Kelle mit kochend heißem Wasser nach der anderen, kein<br />

Zögern und immer tiefer in die blutigen Wunden. Sie werfen mir Autounfälle, Zeitverzögerungen und<br />

schlechte Weitsicht vor, dabei möchte ich doch nichts lieber als das sie endlich wieder genüßlich, den<br />

Dolch nicht bereits im Rücken spürend, in die Ferne blicken können. Meine ausgesandten Warnrufe<br />

(Wie wenn nicht so, soll ich denn sonst mit den Menschen kommunizieren?) erreichen keine<br />

Schaltzentrale dieser kleinen, nichtigen Wesen. Als noch viel schlimmer muß ich es betrachten, daß<br />

diese Häufleins von Elend da unten meine Signale gänzlich falsch deuten und glauben, ich begehre<br />

es, sie mit Waffen zu ärgern, die sie selbst noch nicht erfunden haben.<br />

97


Ach ja, was soll ich nur unternehmen? Selbstmord geht nicht. Lebe ich doch gar bis in alle Ewigkeit.<br />

Besinnung fällt mir immer schwerer. Meine Träume drehen sich seltener und seltener, um den<br />

gedanken-<br />

versunkenen Wanderer, der gerade an einem winzigen Teich hockt und die morgendliche Pracht<br />

seiner Umgebung bewundert. Er hält länger als den bedeutungslosen Wimpernschlag inne, als er<br />

mich in die unendlichen Weiten vom Teich herauf emporsteigen sieht. Ich kann ihn in meinen Bann<br />

ziehen. Er ist meiner Schönheit willenlos ausgeliefert, sich ergötzend an der Schau des Moments, den<br />

ich nur für ihn allein so meisterhaft inszeniere.<br />

Im Traume des Wanderers und in meinem eigenen schreite ich einsam davon. Keiner stört sich an<br />

meinem Verschwinden. Ich sage leise „Auf Wiedersehen!“ und begebe mich auf meine nächsten<br />

Abenteuerreisen; stets in der Hoffnung, es denke vielleicht irgendwann jemand an mich zurück. Ich<br />

erinnere mich gewiß an jeden von euch, verabschiede mich aber jetzt und wünsche euch einen<br />

schönen, sonnenreichen Tag!<br />

Euer ergebenster Freund<br />

Der Nebel<br />

98


Symbole der Nation (2). Die Geschichte der deutschen<br />

Symbole<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Mittwoch, den 19. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Ursprünge unserer nationalen Symbolik reichen bis in das Mittelalter zurück. Entgegen der<br />

landläufigen Meinung, die deutschen Farben seien erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstmals<br />

aufgetaucht, lassen sie sich bereits in dem Wappentier des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches<br />

Deutscher Nation finden. Sie repräsentieren das "Sacrum Imperium", das Heilige Reich. Dieses Reich<br />

berief sich auf zwei Traditionsstränge: zum einen sollte an das zusammengebrochene Römische Reich<br />

angeknüpft werden. Die Erinnerung an das Chaos der Völkerwanderung stärkte die Sehnsucht nach<br />

einer starken Reichsgewalt - wenngleich der Zusammenbruch der alten römischen Herrschaft ja<br />

bereits durch die Vielzahl an Völkern innerhalb des Reiches und die Unregierbarkeit eines riesigen<br />

Imperiums vorbereitet wurde. Hinzu kam die christliche Identität, die auch in der kaiserlichen<br />

Symbolik ihren Niederschlag fand. So bestand die Reichskrone aus verschiedensten Juwelen, die alle<br />

jeweils wieder ihren besondere Farbe und Größe besaßen. Jeder Juwel besaß seinen sinnvollen Platz,<br />

zwei identische Seitenplatten beruhen auf der heiligen Zahl 12 und ihrem Quadrat, 144. Ihnen liegt<br />

die Vision Gottes aus Kapitel Vier der Offenbarung Johannis zugrunde:<br />

„Und siehe, ein Thron war gesetzt im Himmel, und auf dem Thron saß einer, und der da saß, war<br />

anzusehen gleichwie der Stein Jaspis und Sarder; und ein Regenbogen war um den Thron, anzusehen<br />

gleichwie ein Smaragd. Und um den Thron waren vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen<br />

saßen vierundzwanzig Älteste, mit weißen Kleidern angetan, und hatten auf ihren Häuptern goldene<br />

Kronen. Und von dem Throne gingen aus Blitze, Stimmen und Donner; und sieben Fackeln mit Feuer<br />

brannten vor dem Thron, welches sind die sieben Geister Gottes. Und vor dem Thron war es wie ein<br />

gläsernes Meer, gleich dem Kristall, und mitten am Thron und an dem Thron vier himmlische<br />

Gestalten, voll Augen vorne und hinten.“<br />

In diesen Zeilen läßt sich die Kraft erahnen, die von der Reichsidee ausging. Die relativ starke<br />

nationale Homogenität sicherte die Bindung der Untertanen an ihren Kaiser, Strukturen und<br />

Hierarchien innerhalb der Reichsgemeinschaft entstanden. Ausdruck fand die kaiserliche Autorität<br />

vor allem in dem Adlerwappen: ursprünglich enthielt der Adler die goldene, die kaiserliche Farbe.<br />

Schrittweise setzte sich eine schwarze Tingierung auf goldenem Feld durch. Die roten Krallen des<br />

Adlers entstanden wahrscheinlich unbeabsichtigt: Blattgold wurde bei mittelalterlichen<br />

Buchmalereien oft mit roter Mennige unterlegt, damit es besser auf dem Pergament haften blieb. An<br />

den Rändern – den Klauen des Adlers – löste sich aber die Farbe oft wieder ab, somit trat das Rot der<br />

Krallen zum Vorschein. Der Adler als typisches Symbol Deutschlands hat sich bis heute in seiner<br />

grundsätzlichen Form erhalten.<br />

Quelle:<br />

Karlheinz Weissmann: Die Zeichen des Reiches. Symbole der Deutschen<br />

99


Bücher aus der Mottenkiste (6). Franz Kafka: „Die<br />

Verwandlung"<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Samstag, den 22. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Was ist eines der zentralsten Probleme, das sich einem Menschen, vor allem in seiner Jungend,<br />

aufdrängt? Um es kurz zu machen: Das Anderssein. Die zwangsläufige ob nun gewollte oder<br />

ungewollte Kollision mit dem Thema: Wo stehe ich – Wo die anderen? In den meisten Fällen lässt<br />

sich dieses Problem, mit dem auch hier wieder wirksamen Allheilmittel des opportunen Handelns,<br />

lösen. Man passe sich möglichst unauffällig einer Gruppe an – gehöre dazu – gehe in ihr auf - und vor<br />

allem: Man sorge dafür, dass man Andersartige ausgrenzt, um den Bestand der eigenen Gruppe nicht<br />

zu gefährden.<br />

Doch, was passiert, wenn einem das oft so einfache Anpassen nicht ermöglicht wird? Was, wenn eine<br />

Behinderung, ein irreparabler „Schaden“, die Aufnahme verweigert oder noch schlimmer – das<br />

eigene Sein, in aller Konsequenz und Gedankenschärfe, als nichtig erklärt …? Ähnlich erging es Gregor<br />

Samsa, dem Protagonisten aus Kafkas Parabel „Die Verwandlung“. Zwar war Samsas Wesen nicht von<br />

Anfang an darauf ausgelegt gewesen, zu einer Gruppe zu gehören, jedoch litt er spät an den Folgen<br />

seines „irreparablen Schadens“.<br />

Zur Person: Samsa ist ein Angestellter in einer Versicherungsgesellschaft. Er wohnt zu Hause bei<br />

Mutter, Vater und Schwester. Er allein versorgt die mittelgroße Familie. Der Vater streng und<br />

unnachgiebig – die Mutter leise und unterlegen. Klar werden schon in der Personenkonstellation<br />

autobiographische Züge erkennbar. Zwar ist der Vater der eigentliche Hausherr, aber Samsas Stellung<br />

als Alleinversorger, lässt ihn doch zumindest einen gewissen Respekt der restlichen Familienglieder<br />

zuträglich werden. Trotzdem leidet er. Er leider an Einsamkeit, seiner Depression, er leidet an seinem<br />

Beruf, seinem Wesen. Er ist sagen wir, nicht der klassischste aller Pessimisten, aber trotzdem ein erst<br />

zu nehmender.<br />

Die recht spröde Handlung dümpelt so lange dahin, bis er sich, aus keinem erkennbaren Grund, in<br />

einen riesenhaften Käfer verwandelt. Er wacht am Morgen auf und merkt die Auswirkung eines<br />

bizarren Vorfalls. Aus Armen wurden Flügel, der Rücken zum Panzer, die Ohren zu Fühlern. – Rasch<br />

schlägt die Stimmung innerhalb seiner Familie um. Mit dem ersten Dienstausfall zieht sich zuerst die<br />

geliebte Mutter zurück, später auch die wesentlich tolerantere Schwester. Seinem cholerischen Ideal<br />

folgend, entwickelt sich der Vater zum „Haupthasser“, hetzt im Kreise der Familie gegen den Ballast,<br />

wird ausfällig und gewalttätig.<br />

Samsa ist gefangen – in seinem Körper – seiner Wohnung. Er ist gestraft, ohne den Grund zu kennen.<br />

Kafkas subtile Schreibweise lässt den Leser an seinen Gedanken teilhaben. So schnell er sich in die<br />

Geschichte eingeblendet hatte, so unvermittelt blendet er sich auch wieder aus ihr hinaus. Der Leser<br />

bleibt allein, mit mehr Fragen, als er Antworten bekommen kann – und das ist es ja, was einen guten<br />

Text ausmacht – Fragen zu hinterlassen, die die eigene Verortung besser erkennen lassen.<br />

100


Sex im Internet<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Montag, den 24. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die dauerhafte Flucht in virtuelle Onlinenetzwerkwelten ist widerwärtigster Eskapismus. Mehr als<br />

genug Menschen sind ihm bereits verfallen. 20 % der deutschen Jugendlichen chatten täglich oder<br />

mehrmals die Woche. Viele von ihnen stundenlang. Zirka 7 % der Internetnutzer sind süchtig nach<br />

der Magie des weltweiten Netzwerkes und bei einer amerikanischen, nicht-repräsentativen<br />

Befragung von 9000 Nutzern gaben 8 % zu, mehr als 11 Stunden die Woche mit Sexangeboten ihre<br />

Zeit im Netz zu verbringen. Diese und die vielen anderen, die ihre heimlichen Begehren im Internet<br />

nicht offenbaren, werden sich jetzt freuen, denn langsam drängen sich Sexvideospiele in die Nischen<br />

des Onlineangebots. Flucht aus dem Alltag ist ein menschliches Bedürfnis. Früher sind die Menschen<br />

Wandern gegangen: Der junge Taugenichts oder Heinrich von Ofterdingen sind in die weite Welt<br />

ausgezogen, um dem strengen Elternhaus zu entkommen und die „<strong>Blaue</strong> Blume“ zu finden. Die<br />

jungen Wandervögel brachen mit den Konventionen des wilhelminisch geprägten Bürgertums, und<br />

wanderten auch – in den Harz – wo auch schon Goethe, Eichendorff und Heine ihre eskapistischen<br />

Bedürfnisse auslebten. Und auch die 68er flüchteten – sie flüchteten vor tradierten Normen, ohne so<br />

recht zu überlegen, ob es ohne sie geht, aber auch dieser Eskapismus war ein vitaler, ein lebendiger<br />

Eskapismus.<br />

Ein Armutszeugnis für unsere übersättigte Gesellschaft<br />

Das Trägermedium der neuen Generation der süchtigen Eskapisten ist tot. Es lebt nicht und hat auch<br />

noch nie gelebt. Wenn nur die Maschine Antworten auf die Foren-, Chat- oder Blogeinträge<br />

produzieren würde, wie es der computerspielsüchtige bereits länger kennt, dann würde der<br />

Internetjunkie auch weiter spielen, bloggen und chatten. Es reicht ihm der virtuelle Kontakt zu den<br />

Mitmenschen – es reicht ihm die Simulation sozialer Kontakte. Dies ist ein Armutszeugnis für einen<br />

Menschen und für unsere übersättigte Gesellschaft, die tatenlos diesem Verfall zusieht!<br />

Onlinesexvideospiele sind ein ganz besonderes Phänomen. Was geschieht hier mit dem Körper der<br />

spielenden Person? Wird sie in das virtuelle Netzwerk aufgesaugt? Kann das Internet als Prothese für<br />

die menschlichen Sinnesorgane fungieren? Die Allzweckwaffe Computer hat hier noch<br />

Nachholbedarf, denn gänzlich kann sie unseren Körper und seine Funktionsfähigkeit nicht ersetzen.<br />

Virtueller Geschlechtsverkehr befriedigt ungenügend.<br />

Der virtuelle Geschlechtsverkehr wurde noch nicht zu einem unvergeßlichen Erlebnis optimiert. Für<br />

den umtriebigen Internetnutzer eröffnet sich ein Problem, wenn er seine sexuellen Triebe<br />

befriedigen will. Auch die neuesten Onlinesexvideospiele können dieses Problem nicht lösen.<br />

Während der „Player“ mit dem Joystick oder der Maus seine Sexpuppe, in der er sich gerne<br />

wiederfinden würde, steuert, muß er auch noch seine körperlichen Bedürfnisse – sprich: Onanieren –<br />

befriedigen. Das virtuelle Sexvergnügen wird dadurch behindert, daß der Internetnutzer<br />

zwischendurch ganz real immer mal abspritzen muß und es danach den meisten wahrscheinlich<br />

geringere oder keine Freude mehr bereitet, das Spiel fortzusetzen.<br />

Ein Porno vergnügt mehr als Sex online nachzuspielen.<br />

Beim Anschauen eines Pornos ist die simultane körperliche Befriedigung kein Problem. Onlinespielen<br />

fehlen noch die technischen Spitzfindigkeiten, um gleichzeitig körperliche Ekstase und<br />

101


triebbefriedigende Interaktivität anzubieten. Das virtuelle Netzwerk hat es noch nicht gänzlich<br />

geschafft, den Körper in die eigene Welt aufzusaugen.<br />

102


Horst Lange: Schwarze Weide<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Sonntag, den 03. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Reihe „Die vergessene Bibliothek" aus dem Verlag V. F. Sammler hat sich zum Ziel gesetzt<br />

Romane und Erzählungen zu veröffentlichen, „die neben unbestreitbarer literarischer Qualität auch<br />

dokumentarischen Wert aufweisen und den heutigen Leser unmittelbar ansprechen". Den<br />

Schwerpunkt dabei bildet die Welt des alten Europa: weltabgeschiedene Alpendörfer, das Leben der<br />

Adeligen, Handwerker und Bauern. Eine verlorene und doch so nahe, immens reichhaltige Welt vor<br />

der Vertreibung der Deutschen und der damit verbundenen Zerstörung des Osten Deutschlands. Der<br />

schlesische Dichter Horst Lange kann nun als unmittelbarer Zeuge dieser Zerstörung gelten. Horst<br />

Lange kam in der Kaserne des Königsgrenadier-Regiment Nr. 7 in Liegnitz am 6. Oktober 1904 zur<br />

Welt. Die militärische Welt prägte ihn damit von Geburt an, sein Vater war Regimentsschreiber und<br />

Vizefeldwebel Ernst Lange. Die erlebte Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt unter den Soldaten<br />

sollte sich später in seinem Roman Ulanenpatrouille niederschlagen. Aber Horst Lange erfuhr noch<br />

eine andere, für das Entstehen der „Schwarzen Weide" wesentlichere Prägung: die feuchte und<br />

moorige Landschaft um Liegnitz, das „Bruch". Hier liegt auch der kleine Fluss „Schwarze Weide".<br />

Typische, positiv wie negativ besetzte Charakterfiguren sind in dieser ländlichen Gegend zu Hause:<br />

der grobschlächtige, von Todesangst geplagte Bauer Starkloff, der verschlagene Gastwirt Smorczak,<br />

der väterliche Oberst ebenso wie die sich immer mehr zu Entscheidungskraft durchringende,<br />

verantwortungsbewußte Hauptfigur Dimke, die selbstbewußte Cora und die durch ihre<br />

Introvertiertheit beeindruckende Irene. Alle sind Teil eines gewaltigen Spiels, das von der Schwarzen<br />

Weide beherrscht wird.<br />

In ihren sumpfigen Gewässern geschieht auch der Mord, der als Höhepunkt des Buches die Handlung<br />

zum Kippen bringt und die Verhältnisse neu ordnet. Nach vielen Jahren kehrt Dimke als Erbe zurück<br />

nach Kaltwasser, in das Dorf der Schwarzen Weide, wo er einst unter dem Schutz seines Onkels lebte.<br />

Der Ermordete hat ihn als Erbe eingesetzt, er will nun die chaotischen Verhältnisse ordnen. Doch<br />

bereits im zweiten Kapitel der Schwarzen Weide prophezeit Dimke den Fluch des Ermordeten: „...ich<br />

konnte mir nicht vorstellen, daß er einmal, lahm und vom Tode ausgezehrt, im Bett sterben würde,<br />

sondern er mußte draußen vornüber stürzen wie ein Baum, der gefällt wird und manches mit sich<br />

reißt.". Schließlich greift die „Schwarze Weide" noch einmal fundamental in das Leben des Dorfes<br />

ein, reißt tiefe Wunden und verschwindet wieder. Doch sie hinterlässt auch Klarheit, Hoffnung und<br />

Glück. Dem verantwortungsbewußten und beherzten Handeln Dimkes gelingt es, die negativen<br />

Seiten der Schwarzen Weide wenigstens zu lindern.<br />

Ein sehr gut lesbares Buch - allein schon durch die prächtigen<br />

Landschaftsbeschreibungen.<br />

Ebenso vermittelt Lange anhand der Hauptfigur eine richtige Lebenshaltung. Wie die Spinne oder<br />

auch Fliege im Netz erkennen wo man steht, was man tun kann, was man will und was man<br />

akzeptiert und achtet.<br />

103


Die E-Mail<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Mittwoch, den 06. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Schalten Sie den Computer ein, stellen Sie eine Verbindung mit dem Internet her und dann kommt<br />

es: Eine junge Dame spricht zu Ihnen „Sie haben Post“ und verkündet damit, daß Sie eine neue E-Mail<br />

erhalten haben. Dabei ist AOLs „Sie haben Post“ das Vortäuschen falscher Tatsachen, denn per E-<br />

Mail spricht niemand mit Ihnen. Vielmehr erwartet Sie ein nerviger Newsletter oder ein<br />

fragmentarischer, elektronischer Brief eines Kollegen oder Freundes. Die Möglichkeiten der<br />

Kommunikation bestimmen den Umgang der Menschen untereinander maßgeblich mit. Wir wählen<br />

täglich aus einer Vielzahl von Kommunikationswegen denjenigen, der den schnellsten, korrektesten<br />

oder einfachsten Zugang zu unseren Freunden oder Kollegen verspricht. Mit E-Mails können schnell<br />

und einfach kurze Nachrichten und große Datenpakete versandt werden.<br />

Die Vorteile der E-Mail lassen sich leicht bestimmen. Unabhängigkeit von der unmittelbaren<br />

Erreichbarkeit des Empfängers, die Möglichkeit zum Datentransfer und keine zusätzlichen Kosten.<br />

Weitere Punkte könnten aufgezählt werden. Der grundsätzliche Vorteil bleibt der gleiche. Im<br />

Gegensatz zu anderen Kommunikationswegen geht die E-Mail beim Abarbeiten von Arbeitsprozessen<br />

als klarer Punktsieger heraus.<br />

Persönliche Gespräche sind unerläßlich. E-Mails nichts weiter als<br />

Hilfswerkzeuge.<br />

Die E-Mail paßt wunderbar ins rationale Zeitalter. Was dabei auf der Strecke bleibt, wird kaum<br />

thematisiert und diejenigen, die es thematisieren, verinnerlichen es nicht.<br />

"Sie haben Post."<br />

Wieviele Freundschaften und Beziehungen sind schon an E-Mails zerbrochen? An der Unmöglichkeit,<br />

auf die Schnelle etwas so genau zu formulieren, wie man es in einem persönlichen Gespräch<br />

herüberbringen könnte? Wieviele Freundschaften und Beziehungen wurden schon per SMS beendet?<br />

Kommunikation besteht nicht nur aus Worten und Sätzen bzw. Versatzstücken von ihnen. Der<br />

Zugang zum Freund gelingt über Mimik und Gestik und über den Blickkontakt. Doch das alles zählt<br />

nicht im rationalen Zeitalter, im Zeitalter der E-Mail. Kommunizieren mit dem Körper stammt aus<br />

archaischen Zeiten, aus Zeiten, in denen die seelische Vielfalt noch gegen die Rationalität gewann.<br />

Verfall der Umgangsformen<br />

E-Mails lösen keine zwischenmenschlichen Probleme. Wer dies trotzdem versucht, der läßt<br />

Gleichgültigkeit gegenüber seinen Mitmenschen gedeihen, denn er sieht die unmittelbare Reaktion<br />

auf seine Anliegen, Vorwürfe und Komplimente nicht. Der Absender sieht die Freude in den Augen<br />

seines Empfängers nicht, er sieht die seltenen Tränen eines Mannes nicht, er erlebt nichts, er tippt<br />

nur.<br />

104


Grass – ein Sommerloch wird gefüllt<br />

Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />

Samstag, den 09. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Höß, Mengele, Schleyer, Schönhuber, (Hardy) Krüger und ... Günter Grass. Wenn man vor wenigen<br />

Tagen nach den Gemeinsamkeiten dieser Personen gefragt hätte, wäre man wohl spätestens beim<br />

letzten Namen nie auf die Idee gekommen, dass alle Mitglieder der Waffen- SS waren. Natürlich hat<br />

das rein gar nichts mit einem charakterlichen Vergleich zu tun, aber die Situation erscheint trotzdem<br />

ein wenig grotesk, vor allem wenn man bedenkt, dass seine Division Hitler befreien sollte.<br />

Verblasst sein Ruhm?<br />

Ein Günter Grass, der gegen das gemeinsame Gedenken von Reagan und Kohl an einem<br />

Soldatenfriedhof war, obwohl einige Kameraden von ihm dort lagen, ein Günter Grass, der oft genug<br />

die deutsche Vergangenheit in jenen zwölf Jahren thematisierte, in Russland ein anerkannter<br />

Antifaschist ist, der die Kanzlerschaft von Kurt-Georg Kiesinger nicht verstand, weil er für ihn alles<br />

Andere als ein Essengeldkassierer in der NSDAP war, ja genau dieser war selbst Mitglied einer<br />

nationalsozialistischen Organisation und hat es 62 Jahre lang verschwiegen.<br />

Hauptvorwurf: Grass hat es zu spät gesagt.<br />

Genau an diesem Punkt hören viele auf zu denken. Natürlich könnte man die Person Grass jetzt<br />

kabarettistisch auseinandernehmen oder sein Verhalten als „widerlich“ geißeln, wie das einige getan<br />

haben. Der seriöseste Gedanke ist vielleicht noch Teile seines literarischen Werkes im<br />

Zusammenhang mit seiner für heutige Verhältnisse nicht ganz normalen Mitgliedschaft als Selbsthass<br />

zu sehen, der natürlich auf die Nation projiziert wird. Sein fast höhnischer Ausspruch über die<br />

angeblich vielen Widerstandskämpfer und der damit einhergehenden Überraschung, wie ein<br />

gewisser Österreicher überhaupt an die Macht gekommen ist, lässt sich eventuell in diese Richtung<br />

der Enttäuschung deuten. Hauptsächlich sind es jedoch harte Vorwürfe mit harten Konsequenzen auf<br />

der Tagesordnung, die sich vor allem gegen die Person richten. Kann man diesen älteren Herren nicht<br />

einfach in Ruhe lassen? Genau das sollte getan werden, denn viel interessanter sind die Reaktionen<br />

auf die ungewöhnliche Offenbarung von Grass. Von „Beichte“ bis „Schock“ ist da die Rede, nicht<br />

wenige werden darüber lachen.<br />

Nun, 62 Jahre ist ein relativ langer Zeitraum, aber so unwahrscheinlich ist es ja auch nicht, dass seine<br />

Laufbahn als Schriftsteller mit einer frühzeitigen „Beichte“ anders verlaufen wäre. Insofern ist an den<br />

Äußerungen nichts Ungewöhnliches zu finden, was bei den Folgen langsam anders aussehen wird<br />

Konsequenz Nummer eins: Grass hat seine Stellung als moralische Instanz<br />

verloren.<br />

Damit stellt sich zuerst die Frage, wie viele moralische Instanzen wir in Deutschland überhaupt<br />

brauchen? Immerhin haben wir einen deutschen Papst, den man vielleicht öfter zuhören sollte und<br />

auf der anderen Seite gibt es, immer noch oder bald wieder, Bundesverdienstkreuzträger Michel<br />

Friedman. Ob man jetzt die Tatsache, dass er ukrainischen Prostituierten Kokain angeboten hat,<br />

schlimmer findet, als die Geschichte von Grass, bleibt natürlich ganz frei dem Leser überlassen. Alles<br />

in allem kann es Günter Grass sowieso völlig egal sein, ob er so eine Stellung hat oder nicht.<br />

Konsequenz Nummer zwei: Grass soll seine Auszeichnungen zurückgeben.<br />

Weil Grass Mitglied der Waffen-SS war, und damit moralisch diskreditiert ist, soll er den<br />

immateriellen Lohn für seine Arbeit abgeben, der für einen Menschen sehr bedeutend sein kann.<br />

105


Wenn er es allerdings eher gesagt hätte, wäre er trotzdem moralisch diskreditiert gewesen und hätte<br />

den Lohn nie bekommen. Dieser Minderheit der Stimmen geht es also lediglich um die Mitgliedschaft<br />

und nicht um die Person und sein Werk. Diese „Persönlichkeiten“ machen sich überhaupt keine<br />

Gedanken über die damalige Zeit und die Optionen, die man als 17-jähriger damals hatte. Die Fakten,<br />

dass man mit NS-Gedankengut infiltriert wurde und eben keine militärischen Landkarten und<br />

Rüstungsstatistiken oder Guido-Knopp-Bücher vor sich liegen hatte, werden völlig außer Acht<br />

gelassen. Es gelingt der Öffentlichkeit nicht, die Geschichte aus der Zeit heraus zu verstehen.<br />

Das Überraschende ist, dass hier mit jemanden halbwegs hart ins Gericht gegangen wird, der<br />

eigentlich eine gute Reputation hat. Nicht auszudenken, was mit einem Autor vom konservativen<br />

Ufer passiert wäre, dass hätte sich die Linke wohl nicht nehmen lassen, über ihn herzufallen.<br />

106


Nachtrag zu: Die E-Mail<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 12. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Letzte Woche stellte ich in meinem Artikel über die E-Mail die Frage in den Raum, wieviele<br />

Beziehungen per SMS beendet werden.<br />

Inzwischen habe ich die Zahl gefunden. Es sind 40 % aller Beziehungen. Eine erschreckende Zahl.<br />

1<strong>07</strong>


Fuck you!<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Mittwoch, den 13. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Lautes Knallen der Straßenbahntüren. Innendrin drängen sich doppelt so viele Mitfahrer, wie die<br />

Bahn eigentlich zu fassen glaubt. Ein Handy klingelt – noch eines - und noch eines. „Ja Gruß, bin<br />

grade in der Bahn und in 10 Minuten bei dir, blablabla…“. Ein Kind schreit aus voller Kehle, die<br />

Mutter versucht es zu besänftigen. Die Umstehenden empfinden Hass. Die Ampel rot – die<br />

Straßenbahn hält abrupt an – alle werden zusammengepfercht. An der nächsten Haltestelle wird es<br />

noch enger - eine neue Flut von hektischen Menschen komprimiert die in der Bahn befindliche Masse<br />

erneut. Von draußen brennt sie Sonne in die Gesichter der Angespannten. „Könnte ich mal bitte<br />

vorbei?“ – „Müssen sie so drängeln?“ Einem wird es zuviel: Er schreit seine Wut über diese alltägliche<br />

Sinnlosigkeit laut heraus: --------------------„Fuck you!“--------------------- Das Ergebnis? Stille, Entrückung,<br />

leises Entsetzen – und doch: im eigentlich dialektischen Sinne eine „neue Qualität“. Eine neue<br />

Qualität die bedeutet, einer hat sich artikuliert. Einer hat still Kulminiertes ausgesprochen. Grund zu<br />

Achtung für seinen Mut und zu Verachtung für seine vulgäre Art – hätte man selbst so handeln<br />

können? Ein kollektiv schwaches Gewissen verurteilt einen der Mut hat – weil er etwas an sich hat,<br />

was sie nicht haben – dafür hassen sie ihn.<br />

Das Prinzip Expressionismus<br />

So oder so ähnlich könnte man heute viele Beispiele benennen, in denen sich Ärger über die Zeit<br />

anstauen könnte. Vor allem in den Dschungeln unserer urbanisierten Welt, wird die Quote derer, die<br />

sich von der Vermassung allen Wesens erdrückt glauben, täglich größer. Es gibt Wesen in jeder Welt,<br />

die darauf stoßen – die das Prinzip des Chaos ordnen wollen – zumindest es verstehen. Sinn ist<br />

jedoch nicht Unordentliches in Ordnung zu bringen – nicht die umgefallenen Zinnsoldaten wieder in<br />

Reih und Glied aufzustellen, sondern zu artikulieren, dass sie Umgefallen sind. Das Prinzip ist nicht<br />

neu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts formierte sich in den Köpfen, die von Aufrüstung und falschem<br />

Gehorsam der Kaiserzeit geprägt waren, eine Ahnung die böses Erwarten ließ. Und tatsächlich, ein<br />

ungeahnter Krieg wurde heraufbeschworen und geführt, Europa wurde nicht nur mit<br />

Siebenmeilenstiefeln durchschritten, sondern auch zerstampft.<br />

Im Lärm des Krieges und vorallem seiner Nachwehen entstand eine revolutionäre Kunstbewegung. In<br />

Malerei, Graphik, Dichtung und Musik brach man alte Krusten auf. Nicht leise und geordent, schön<br />

und dekadent, wie man es sich noch von dem Kriege leisten konnte, wollte man sein, sondern laut,<br />

schrill und vulgar - zum einen, um der Welt den Spiegel vorzuhalten - zum anderen um eigene Ängste<br />

zu verarbeiten, um Unsicherheit zu verbergen. Keiner wollte verändern, fast alle Expressionisten<br />

hatten lediglich den Anspruch zu zeigen - aufmerksam zu machen. Dem trägen Volkskörper der<br />

Nachkriegszeit, der gern in Selbstmitleid zerfloss und der auch gern alles hätte vertuschen und<br />

relativieren wollte, hielt man einen gnadenlosen Spiegel vor. Dort wo es für den Spiegel nicht mehr<br />

ausreichte schrie man, um den wunden Punkt zu verorten.<br />

Perspektiven - Kunst?<br />

Zurück zur überfüllten Straßenbahn. Was bringt ein Hinweis auf eine kunsthistorische Epoche, wenn<br />

man heute nicht nachvollziehen kann, wie sich die Schreienden damals wohl gefühlt haben müssen.<br />

Fakt ist: Expressionismus ist heute immer noch genauso "angesagt" wie vor 80 Jahren. Des Prinzip<br />

heißt immer noch: Provokation und Verschiebung der Zumutbarkeit zu Gunsten einer kollektiven<br />

Aufmerksamkeit.<br />

108


So sind Maler und Bildhauer wie Markus Lüpertz in Deutschland oder internationale Musikbands wie<br />

"Slipknot" oder der Sänger Marilyn Manson - heutige Vertreter dieser Strömung.<br />

"Slipknot"<br />

Wer das nicht glaubt, sieht sich Musikclips an - schaut sich die Bilder genauer an und wird dann<br />

abgestoßen sein. Zumindest in den meisten Fällen.<br />

Kunst kann man unter anderem in einem politischen Hintergrund sehen. Das bedeutet zum Beispiel,<br />

dass alles menschliche Handeln im Kontext der Gesellschaft zu sehen ist. Die Kunst des<br />

Expressionmus bestand früher und besteht heute darin, zu schocken. Gut, jetzt sagt mancher sicher<br />

Provokation ist blutleer - das stimmt auch - denn es geht nicht um Provokation, sondern darum mit<br />

Lärm und ungewöhnlichen Mitteln, auf den Punkt aufmerksam zu machen, der die Gesellschaft ad<br />

absurdum führt.<br />

109


Islamische Meinungsführer disqualifizieren sich selbst! –<br />

Ein Anstoss zur Papst-Debatte<br />

Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />

Sonntag, den 17. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Papst war in Deutschland und besuchte seine bayrische Heimat. Dabei erfreute er nebenbei<br />

zahlreiche Gläubige, die dem Heiligen Vater in Massen zujubelten, ihm aber auch zuhörten. Es gab<br />

herzliche Worte und einen riesigen Medienrummel. Diese kurzen Sätze könnte man so stehen lassen,<br />

aber in der Bundesrepublik Deutschland müssen solche Ereignisse natürlich noch kritisch hinterfragt<br />

werden. Es ist ja auch ein Ärgernis, wenn man keine Ärgernisse hat. Es fällt schwer, harsche Kritik an<br />

Gottes Stellvertreter auf Erden zu entfachen, dafür hat der Papst einfach ein zu gutes Ansehen in<br />

Deutschland. Er sei zu nett, wurde publiziert. Also wurde viel über die vermissten Reformvorhaben<br />

gesprochen. Im Sinne von „Wir sind Kirche“ sollen so viele Sachen reformiert werden, dass man sich<br />

fragen muss, warum sie überhaupt noch der katholischen Kirche angehören. Dennoch bleibt<br />

festzuhalten, dass der Besuch trotz eines Farbbeutelanschlags auf das Geburtshaus des Pontifex<br />

Maximus und einer ganz kleinen Schwulendemonstration ohne größeren Lärm über die Bühne ging.<br />

Aber eben nur eigentlich, denn stark verspätet wurde eine Ansprache des Papstes in der Aula der<br />

Regensburger Universität ausgewertet und von „islamischen Repräsentanten“ angegriffen.<br />

Kritik am Islam?<br />

Nachdem am 14. September <strong>2006</strong> bereits erste Missfallsbekundungen im weltweiten Netz zu lesen<br />

waren, wurde der Tonfall einen Tag später noch aggressiver. Man fordere nicht nur eine<br />

Entschuldigung, sondern der Türkei-Besuch des Kirchenführers solle abgesagt werden. Ein<br />

regelrechter Aufschrei ging durch die islamische Welt. Was war passiert?<br />

Der Pontifex referierte in Regensburg über „Glaube, Vernunft, Universität.“ Die Kernaussage war<br />

seine Kritik an der Verengung des Vernunftbegriffes in der westlichen Welt, in welchem es keinen<br />

Gott mehr gibt. Dies führt zu einer Einschränkung des Denkens und Handelns und dazu, dass ein<br />

Dialog des Westens mit tief religiösen Gesellschaften erschwert wird, wenn Gott an Wichtigkeit<br />

einbüßt. Jedoch entwickelte sich der Ausgangspunkt seiner Überlegungen zum Zankapfel. Er nannte<br />

einen Dialog zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos mit einem persischen<br />

Gelehrten, den der Kaiser wahrscheinlich während der Besatzung von Konstantinopel aufgeschrieben<br />

hat, als er mit der islamischen Welt besonders stark in Berührung kam. Dabei kritisiert er<br />

Mohammed, der seine Lehre mit dem Schwert verbreitete. Für den Kaiser war ein derartiges<br />

Verhalten untragbar, weil der Glaube in erster Linie mit der Seele zutun hat und nicht mit dem<br />

Körper. Also kann man nur mit der freien Rede jemanden vom Glauben überzeugen, aber eben nicht<br />

mit Gewalt, die ja auch keinem vernunftbegabtem Handeln entspricht. So schlussfolgerte der Papst:<br />

„Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch<br />

Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß Handeln, ist dem Wesen Gottes<br />

zuwider.“<br />

Daraus entsteht für den Leser eine Einheit zwischen Vernunft und Glauben, die heute – auch mit<br />

Blick auf religiöse Gewalttaten in Problemregionen – in unserer Gesellschaft angezweifelt wird.<br />

Deshalb ist gerade diese Ansprache von Papst Benedikt XVI. so bemerkenswert, weil sie nicht nur<br />

eine Absage an die Säkularisierung darstellt, sondern auch an religiösen Übereifer. Das er hierbei<br />

Zitate über den Islam verwendet hat, ist legitim. Schließlich handelt der Gläubige im Islam nicht<br />

autonom, sondern ist dem Willen Allahs unterworfen, egal was er fordert. In allen Lebensumständen<br />

110


gibt es keine andere Wahl, auch nicht die Wahl der Vernunft, die dem heiligen Krieg ja durchaus<br />

entgegensteht. Damit handelt es sich allerdings weder um einen Angriff auf Muslime, noch um eine<br />

vollständige Verurteilung des islamischen Glaubens. Er hat lediglich eine historische Trennlinie<br />

zwischen Christentum und Islam sichtbar gemacht, zwischen Abendland und Morgenland. Denn Gott<br />

lässt in unserer Welt größere Spielräume zu, er ermöglicht Veränderung und Fortschritt, während im<br />

Islam z.B. die Rechtsordnung völlig unveränderlich ist. Wer dies jedoch aus einer anderen Perspektive<br />

sieht, nämlich, dass mehr Freiheit auch in Dekadenz und Gottlosigkeit münden kann und deshalb die<br />

festen Säulen des muslimischen Glaubens benötigt, wurde vom Papst in keinster Weise angegriffen.<br />

Das er aber seine eigene Sichtweise, die Differenzierung öffentlich machte und eine gute Begründung<br />

lieferte, war dann der Anlass für den, von einigen Muslimen heraufbeschworenen Konflikt, obwohl<br />

der Text aus dem Mittelalter stammt und kein Wort darüber verloren wurde, dass es keine<br />

Weiterentwicklung im Islam gegeben hätte.<br />

Wer steht hinter den Angriffen?<br />

In Deutschland meldete sich ein gewisser Ali Kizilkaya zu Wort, der Vorsitzende des „Islamrats für die<br />

Bundesrepublik.“ Der Islamrat ist von der als extremistisch eingestuften „Islamischen Gemeinschaft<br />

Milli Görus“ (IGMG) unterwandert, in deren Münchner Moschee die Terroranschläge des 11.<br />

September 2001 begrüßt wurden. Ein ganzes Netz von Vereinigungen wird über die „IGMG“<br />

gesteuert und genug Unternehmen mit Sympathisanten unterstützen das Ganze. Es gibt etliche<br />

Querverbindungen zu anderen Vereinigungen, bis ins Ausland. So existierten Kontakte zu<br />

islamistischen Parteien in der Türkei, die sich mittlerweile zur AKP zusammengeschlossen haben und<br />

nach dem Gewinn der letzten Parlamentswahl regieren. Deshalb ist auch der Protest aus der Türkei<br />

nicht weiter verwunderlich. Die „IGMG“ hat aber auch Verbindungen zur Muslimbruderschaft in<br />

Ägypten, die ebenfalls protestiert hat und wo es personelle Verbindungen zur Terrorgruppe Gamaat<br />

al-Islamiya geben soll, die bei Mordaktionen gegen christliche Araber und europäische Touristen<br />

beteiligt war. Über die „Islamic Call Society“ bestehen zudem Kontakte bis Libyen. Alle Aktivitäten in<br />

dieser Form sind sehr dubios und deuten extremistische Hintergründe nicht nur an, die u.a. zur<br />

Etablierung einer Parallelgesellschaft in Deutschland dienen könnten. Udo Ulfkotte schildert dies in<br />

„Der Krieg in unseren Städten“ ausführlich.<br />

Die Kritik dieser Organisationen am Heiligen Vater kann nur als blanker Hohn empfunden werden,<br />

wenn Menschen Entschuldigungen verlangen, die Zitaten aus dem Koran wie diesem zustimmen:<br />

„Siehe, schlimmer als das Vieh sind bei Allah die Ungläubigen, die nicht glauben.“ (Sure 8, Vers 55)<br />

Für die Zukunft?<br />

Sollte eine weitere Aufhetzung gegen den Pontifex Maximus erfolgreich sein, müsste er wohl schon<br />

aus Vernunftsgründen die Reise in die Türkei selbst absagen, für die Türkei wäre dies auch ein<br />

entsprechender Rückschlag um etwaige EU-Bemühungen. Schuld daran ist der Papst jedoch nicht,<br />

sondern aggressive Islamisten, die in der Öffentlichkeit besser dastehen wollen und Unwissende, die<br />

tatsächlich von einem rhetorischen Angriff auf den Islam ausgehen oder die umstrittene Ansprache<br />

in ihrer Komplexität nicht erfasst haben.<br />

Es ist zu hoffen, dass sich dennoch eine vernünftige Mehrheit herausbildet, welche sich den<br />

attackierenden Hasspredigern entgegenstellt und über den Tellerrand hinausblickt, dem Oberhaupt<br />

der römisch-katholischen Kirche das Recht zugesteht, sich frei äußern zu können und die<br />

Selbstdisqualifikation von Personen anerkennt, die eine große Persönlichkeit der Gegenwart<br />

unwürdig beschimpfen, denn solche Dinge haben mit „Dialog“ und „Frieden“ gar nichts zu tun. Es<br />

handelt sich dabei leider um eine andere Offenbarung. Wenn sich die islamischen Kritiker Gedanken<br />

111


über die Gefühle der katholischen Gläubigen machen würden und nicht nur über die eigenen, so<br />

würden sie feststellen, dass sie mit ihren Äußerungen Gefühle und Ordnungen verletzen. Der Heilige<br />

Vater ist in Religionsfragen unfehlbar.<br />

112


Riesenwirbel um nonkonforme Kölner Schülerzeitung<br />

Geschrieben von: Redaktion der "Objektiv"<br />

Mittwoch, den 20. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Kleine Zeitung, große Wirkung: Die neue Kölner Schülerzeitung „Objektiv“ sorgte in den letzten<br />

Wochen für bundesweite Schlagzeilen und einen Sturm der Entrüstung im politischen Establishment<br />

der Domstadt. Die Klassifizierungen reichten dabei von „rechtsextrem“ über „rassistisch“ bis hin zu<br />

Vergleichen mit der Hitlerjugend! Was war geschehen?<br />

Eine engagierte Mannschaft aus dem Umfeld der Jugendorganisation der Bürgerbewegung pro Köln<br />

hatte beschlossen, eine Schülerzeitung herauszubringen, in der auch politisch non-konforme Themen<br />

behandelt werden sollten. Ohne falsche Tabus oder Denkverbote der „political correctness“. Heraus<br />

kam eine bunte Mischung aus Unterhaltung, Freizeittips und einigen politischen Artikeln. Finanziert<br />

wurde das vierfarbige, 24-Seiten starke DIN-A4-Heft komplett durch Werbeanzeigen – eine<br />

hervorragende Leistung des Oberstufenschülers Martin Schöppe, der als Herausgeber auch die<br />

Anzeigenkunden besorgte.<br />

Inhaltlich und stilistisch ist „Objektiv“ ganz an seinem jungen Zielpublikum orientiert. Eine<br />

übersichtliche Seitengestaltung und nicht allzu lange Texte sorgen für kurzweiligen Lesespaß. Dabei<br />

gibt es neben Freizeittips – etwa zu einer neuen Kölner Kletterhalle – zum Beispiel auch einen<br />

Cartoon und ein Preisrätsel im Heft. Als politische Inhalte lag der jungen Redaktionsmannschaft u.a.<br />

die große Gewaltbereitschaft unter türkischen Jugendlichen und der geplante Neubau einer<br />

Großmoschee in Köln am Herzen. Themen, die in den Kölner Medien – vergleichbar auch zur<br />

bundesweiten Situation – meist unter den Teppich gekehrt werden. Frei nach dem Motto: Was nicht<br />

sein darf. Schließlich sollen die multikulturellen Blütenträume der Alt-68er ja nicht zerplatzen.<br />

Gleichzeitig ließen die Blattmacher in einem Interview auch den Jugendbeauftragten von pro Köln zu<br />

Wort kommen. Ein wohltuender Ausgleich angesichts der sonst üblichen Medienblockade gegenüber<br />

der unbequemen Bürgerbewegung, die im Kölner Stadtrat mit immerhin fünf Mandatsträgern<br />

vertreten ist.<br />

Genau das war wohl auch der Grund für die völlig überzogenen Reaktionen der etablierten Kölner<br />

Parteien auf die mit einer Auflage von 3.000 Stück erschienene Schülerzeitung. Junge Union und<br />

Jungsozialisten verabschiedeten gemeinsame Presseerklärungen, die Jungen Liberalen konstruierten<br />

sogar eine Nähe zu den Methoden der Hitlerjugend! Die Kölner Tageszeitungen und die<br />

überregionale Presse, hier besonders Spiegel Online, phantasierten von angeblich rassistischen<br />

Tendenzen des Blattes, wobei sie vor allem eine fiktive Geschichte von „Jessica und Ali“ als<br />

vermeintlichen Beleg heranzogen. Dabei weiß wohl jeder Jugendliche, der in einer (noch) deutschen<br />

Großstadt lebt, daß das in der Geschichte be-schriebene aggressive Machogehabe mancher<br />

türkischer Jugendlicher in der Realität noch viel schlimmer sein kann. Aber warum werden hier die<br />

„platten Klischees“ und „Vorurteile“ kritisiert, während ansonsten bei der Darstellung von<br />

rechtsorientierten Jugendlichen, zum Beispiel in TV-Krimis oder anderen Fernsehsendungen, stets<br />

nur die einfältigsten Stereotype vom „primitiv-gewalttätigen Skinhead“ bis hin zum „arrogantwiderwärtigen<br />

Burschenschaf-ter“ guten Gewissens verwendet werden dürfen?<br />

Eine Frage, auf die die etablierte Politik und die Medien-Macher keine Antwort geben wollen.<br />

Schließlich soll die Verschiebung des politischen Koordinatensystems in diesem Land nach links nicht<br />

öffentlich thematisiert werden. Noch ein Grund mehr für eine unabhängige Schülerzeitung, die den<br />

Jugendlichen neben der vorgefertigten Einheitsmeinung des herrschenden Zeitgeistes auch andere<br />

113


Argumente und alternative Erklärungsmuster anbietet. Denn nur durch das Vorstellen und Abwägen<br />

aller Argumente und Meinungen kann sich jeder selbst ein „Objektiv“es Bild machen! Die nächste<br />

Ausgabe der Schülerzeitung befindet sich übrigens schon in der Vorbereitung.<br />

Anmerkung der Redaktion der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>: In den folgenden Wochen werden wir verschiedenen<br />

Jugendzeitungen Platz zur Selbstdarstellung geben beziehungsweise selbst über Jugendzeitungen<br />

berichten. Zum Abschluß dieser Reihe werden wir die einzelnen Projekte und die derzeitige<br />

Gesamtlage von nonkonformen Schüler- und Jugendzeitungen kommentieren.<br />

114


Revisionismus in Zeiten des intellektuellen Stillstandes<br />

Geschrieben von: Gastautor Peeter Helme<br />

Samstag, den 23. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Begriff 'Revisionismus' wird von modernen Wörterbüchern als eine Bewegung oder Strömung<br />

bezeichnet, deren Ziel eine Änderung zwischenstaatlicher, verfassungsrechtlicher oder ideologischer<br />

Wertsetzung darstellt. In einem breiteren westlichen Sprachgebrauch aber ist 'Revisionismus' in den<br />

letzten Jahrzehnten zu einem effektiven politischen Schimpfwort geworden. In einem zunehmenden<br />

Maße ist es nunmehr das gesamte weite Feld des konservativen Denkens, das in einen<br />

Revisionismusverdacht gerät. Mit dieser Entwicklung erhält der besprochene Begriff nun eine<br />

verstärkte Brisanz für die politische Situation der Gegenwart.<br />

Das Wort 'Revisionismus' besitzt seine etymologischen Wurzeln im Lateinischen, wo das Verb<br />

revidere so viel wie 'wieder hinsehen' oder 'erneut anschauen' bedeutet und insofern zunächst<br />

einmal ohne weitere politische Konnotation bleibt. Die Nebenbedeutung, die den Begriff zu einem so<br />

brisanten in der Gegenwart macht, erhielt er erst im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts.<br />

Sebastian Haffner hat in seinen 'Anmerkungen zu Hitler' fehlende 'Selbst-Revision' bei Hitler<br />

angeklagt. Hitler habe die Grundlagen seines im Ersten Weltkrieg entwickelten Weltbildes niemals<br />

wieder verändert, niemals revidiert. So zeigt sich die Fähigkeit zum Revisionismus als eine<br />

erwachsene Fähigkeit. Revisionismus ist eben die Fähigkeit, seine eigenen Ideen und Standpunkte<br />

stets wieder aufs Neue zu prüfen und weiter zu entwickeln und ist somit ein Gegenentwurf zum sich<br />

in Europa immer weiter verbreitenden Versuch, ein für alle Mal Geschichte fest zu legen. Diese<br />

Tendenz, Urteile über Geschichte zu verewigen, ist alles andere als humanistisch oder<br />

wissenschaftlich. Hinter dieser Entwicklung verbirgt sich eine totalitarismusnahe Pseudoreligiösität.<br />

Das Ziel der Linken: ein geschichtshermetisches Utopia<br />

Der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Kagan sieht in seinem Essay 'Macht und Ohnmacht'<br />

in der Politik Europas das Begehren, ein geradezu geschichtshermetisches Utopia herbeizusehnen.<br />

Eine solche Idee der Geschichtsüberwindung hat eine Reihe von Denkern beschäftigt. Geistiger<br />

Mittelpunkt einer Vielzahl Intellektueller dürfte Jürgen Habermas, Fürsprecher neupositivistischer<br />

Philosophie und Leitfigur der kontinentaleuropäischen Linken, sein.<br />

Inspirierend mag hier Hans Blumenberg gewirkt haben, der mit seinem Hauptwerk 'Die Legitimität<br />

der Neuzeit' (1966) das Standardwerk der vermeintlichen menschlichen Schaffenskraft geschrieben<br />

hat. Er definiert die Neuzeit als diejenige Epoche, die sich von jenseitigen Bedingungen frei gemacht<br />

hat, und sich so selbst befähigt sieht, schöpferisch tätig zu sein. Eine solche Welt kann tatsächlich<br />

revisionsfrei sein, da sie ihr eigenes Ziel, ihren eigenen Endzustand definieren kann. Eine Anders-,<br />

Um- oder Neudenkung der Geschichte kann dort ausgeschlossen werden — wie aus sowjetischer<br />

Erfahrung bekannt ist.<br />

Revisionismus verträgt sich nicht mit materialistischen Werten wie<br />

Einfachheit und Schnelligkeit.<br />

Revisionistisches Denken sollte als eine geistige Überlebensmöglichkeit des Menschen in einer Welt<br />

gesehen werden, die sich in Richtung intellektuellem Stillstand bewegt.<br />

Es macht wenig Sinn, die Hauptschuld bei den Pseudohumanisten zu suchen — sie versuchen zwar,<br />

den Horizont des Geistes einzuengen, doch liegt die Schuld tatsächlich in uns allen. Da der Mensch<br />

versucht ist, seine subjektiven Wünsche schnell und einfach zu verwirklichen, sind die Ziele, in deren<br />

115


Namen wir unsere eigene, kleine Welt errichten, in zunehmendem Maße von materiellem Denken<br />

geprägt. Es ist die geistige Welt, die an Substanz verliert — das geistige Abenteuer wird selten.<br />

Die Ideologie des Materialismus und der menschlichen Selbstermächtigung wird einen noch weiter<br />

gehenden Prozess der Primitivisierung erfahren, da sie Symbole und emotionale Werte immer weiter<br />

ausschalten wird. Diese stellen eine Gefahr für den Wunsch nach einmaliger Festzerrung von<br />

Geschichte dar.<br />

Der Neuanfang: Revisionismus im eigenen Leben<br />

Um diese einfältige Welt zu stören, ist noch nicht einmal geschichtswissenschaftlicher oder<br />

politischer Revisionismus von Nöten — es reicht durchaus, wenn mehr Menschen an den<br />

vermeintlich selbstverständlichen Dingen des Alltags zweifeln, wenn mehr Menschen sich fragen,<br />

welche ihrer Wünsche wirkliche eigene sind und nicht auf die Ideale einer vom heideggerschen<br />

'Gerede' berauschten Gesellschaft ausgerichtet sind.<br />

Dabei stellt sich die Frage nach einer Veränderung der großen, weiten Welt erst gar nicht —<br />

eigentlich ist sie bereits beantwortet: Wir müssen die Welt nicht ändern, sie wird es schon selbst tun,<br />

wenn wir nur endlich anfangen, intensiv zu denken und zu fühlen.<br />

Peeter Helme, Redakteur der Netzzeitschrift “Kriteerium” (www.kriteerium.ee).<br />

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Gedicht: Aus fallenden Atomen<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Mittwoch, den 27. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Nach langen Dürrezeiten jetzt endlich wieder mal etwas lyrisches: Aus<br />

fallenden Atomen<br />

Den fallenden Atomen<br />

Galt unser Schreckenswort<br />

Brannten wir Phantomen<br />

Glauben in den Innen-Ort<br />

Lichter bannten sich in Ferne<br />

Unserm starken Blicke hin<br />

Steh, Schau, Schweig und: Lerne<br />

In der Totale sieht der Sinn<br />

Und ein Pfeilschuß, schnellstes Licht<br />

Brannte es an fernsten Horizont<br />

Staub der alten dunklen Bücher bricht<br />

Blicken an die Himmelsfront.<br />

117


Mit Joachim Fernau über Geschichte sprechen<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Samstag, den 30. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Auf allen Kanälen erzählen und illustrieren Guido Knopp und Co. Geschichte. Sendungen angefangen<br />

von „Zeitzeichen“ des Radiosenders WDR 5 bis hin zu Knopps berühmten „Hitlers Frauen“<br />

emotionalisieren historische Ereignisse, finden aber keinen Weg, Geschichte unverkrampft zu<br />

verarbeiten. Die Erzähler der Geschichte rudern geschickt an den bereits jahrzehntelang<br />

existierenden Tabus unserer Gesellschaft vorbei und bedienen sich altbewährter Denkmuster. Ein<br />

Weg aus der Verkrampfung ist nicht in Sicht.<br />

Dem Erzählen von Geschichte fehlt einer, der sie locker anpackt und der damit eingängig unterhalten<br />

kann. Es fehlt ein Joachim Fernau. Wenn Joachim Fernau heutzutage die Möglichkeit bekommen<br />

würde und eine Radiosendung mit Geschichte und seinen Geschichten füllen dürfte, dann würde er<br />

wahrscheinlich so beginnen:<br />

„Liebe Hörer, ich weiß, Sie stehen gerade im Stau oder machen nebenbei den Abwasch. Darf ich<br />

dennoch kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Ich danke Ihnen und will mich auch nicht länger bei<br />

der Vorrede aufhalten, denn wir haben heute wichtiges vor: Wir möchten über Geschichte sprechen<br />

– heute über die Geschichte der Preußen, der armen Leute in Preußen und für morgen denke ich mir<br />

auch noch etwas aus. Keine Angst, ich habe nicht vor, Ihnen Jahreszahlen noch und nöcher an den<br />

Kopf zu werfen. Lassen Sie uns also beginnen.<br />

Wenn ein Bayer einen Preußen ärgern will, sagt er: ‚Wir haben schon mit Messer und Gabel<br />

gegessen, als ihr noch auf den Bäumen saßt.’“<br />

Leider ist Joachim Fernau seit fast 20 Jahren tot. Er starb am 24. November 1988 in Florenz. Joachim<br />

Fernau, geboren am 11. September 1909 in Bromberg (Westpreußen), gehört zu den begnadetsten<br />

deutschen Geschichtserzählern des 20. Jahrhunderts. Nachdem er im 2. Weltkrieg als<br />

Kriegsberichterstatter gearbeitet hatte, widmete er sich journalistischen und schriftstellerischen<br />

Aufgaben. Dabei herausgekommen sind über zwanzig Bücher; manche mit einer Auflage von mehr<br />

als einer Million; die dem Leser Geschichte lebhaft und auf unterhaltsame Weise beibringen.<br />

Fernau erzählt einmalig. Er plaudert über die alten Griechen und Römer, äußert sich äußerst<br />

subjektiv zum Nibelungenlied und weiß ganz genau, wer die Genies der Deutschen sind. Seine<br />

schnodderige Art macht Geschichte lebendig. Spontan, witzig und überraschend redet Fernau drauf<br />

los.<br />

Die saloppen Einschätzungen über die Monumente der deutschen Geschichte und seine historischen<br />

Anekdoten wirken unaufdringlich. Man hört Joachim Fernau beim Geschichtenerzählen gerne zu.<br />

Er überraschte regelmäßig seine Stammleser und war ein Autor, der gegen den Strich dachte und<br />

schrieb und doch stand er auf einem festen Fundament. Die deutsche Seele zu erforschen, lag ihm<br />

am Herzen. Joachim Fernau fordert seine Leser zu einem unverkrampften Deutschsein auf. Mit<br />

Berechtigung, denn bei ihm ist diese Forderung nicht nur Lippenbekenntnis, sondern das Resultat des<br />

eigenen Lebenswerkes.<br />

118


[/heretic] - Die unabhängige Jugendzeitung<br />

Geschrieben von: Redaktion der [/heretic]<br />

Dienstag, den 03. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Schülerzeitung "Objektiv" hat sich bereits auf den Seiten dieses Onlinemagazins vorgestellt.<br />

Heute ist die nächste Jugendzeitung an der Reihe.<br />

[/heretic] ist ein unabhängiges Projekt von Schülern, Studenten und jungen Arbeitnehmern. Der<br />

Name der Zeitung hat im ersten Durchgang keinen Bezug zum Häretiker oder der Häresie aus dem<br />

katholischen Weltbild, vielmehr ist es ein Hinweis darauf, dass sich der Inhalt außerhalb der<br />

bequemen, "offiziellen Lehre" in unserer erstarrten Gesellschaft bewegt. Themen aus den<br />

verschiedensten Bereichen sollen also undogmatisch und kritisch beleuchtet werden und dazu<br />

anregen über die Inhalte weiter nachzudenken. Jeder, der möchte, kann sich aktiv an diesem Projekt<br />

beteiligen, indem er die Zeitung in seinem Umfeld verteilt oder Artikel schreibt und einschickt. Auch<br />

Gedichte sind Willkommen!<br />

[/heretic] erscheint vierteljährlich und wird in einer Auflage von je 10.000 Exemplaren gedruckt und<br />

vor Schulen gratis verteilt. Über das Internetportal www.heretic-online.de können unsere Leser dann<br />

ein gratis Online-Abo abschliessen und so ständig auf dem Laufenden bleiben.<br />

Anmerkung der Redaktion der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>: In den folgenden Wochen werden wir verschiedenen<br />

Jugendzeitungen Platz zur Selbstdarstellung geben beziehungsweise selbst über Jugendzeitungen<br />

berichten. Zum Abschluß dieser Reihe werden wir die einzelnen Projekte und die derzeitige<br />

Gesamtlage von nonkonformen Schüler- und Jugendzeitungen kommentieren.<br />

119


Am 7. Oktober <strong>2006</strong> – 57 Jahre danach<br />

Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />

Montag, den 09. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Da sitze ich schon mal im Zug und will meine Ruhe haben und werde dennoch durch irgendwelche<br />

Klingeltöne von der Landschaft abgelenkt. Damit musste ich natürlich rechnen, weil ich ja nicht<br />

alleine in dem, mittlerweile seelenlosen, Transportmittel vor mich hinstarrte. Aber inmitten des<br />

ganzen Lärmes fiel mir etwas auf, was mich veranlasste, diesen Artikel zu schreiben. Dieses Mal höre<br />

ich keine Britney- Spears Titel oder Furzgeräusche, sondern eine Melodie, an die ich mich nur selten<br />

erinnere – die Nationalhymne der DDR. Natürlich ohne Text, weshalb die Genossen sicher stolz<br />

wären, denn die Erinnerungen scheinen zu verbleichen, nach 16 Jahren Einheit, und da ist es doch<br />

schon was, wenn ein junger Mensch, mittels modernster Technik auf Weltniveau, die Hymne sogar<br />

richtig vorträgt. Auch einen FDJ-Aufnäher habe ich erblickt. Schon frage ich mich: „Sind das nun die<br />

letzten Reste der unsäglichen Ostalgiewelle oder handelt es sich um geschichtliche Ignoranz?“<br />

Eigentlich kann mir das egal sein, da mir beides nicht gefällt, also ignoriere ich das Geschehen, denn<br />

ich glaube es besser zu wissen, solange bis nach einigen Momenten eine Diskussion um den<br />

Jugendlichen herum beginnt:<br />

„Da hatte wenigstens jeder Arbeit und jeder der gut war, konnte studieren.“<br />

Etliche solche Halbsätze waren dann zu hören. „Kostenlose medizinische Versorgung“, „weniger<br />

Ausländer als heute“ oder „damals wurde mehr für Jugend gemacht“. Ein anderer habe von seinen<br />

Eltern gehört, dass es in der DDR menschlicher zugegangen wäre als heute. Moment mal!<br />

Ein Staat, der seine eigene Bevölkerung einsperrte, mit einem Geheimdienst, der mehr Mitarbeiter<br />

als die Gestapo hatte, soll menschlicher gewesen sein als der angeblich freieste Rechtsstaat, den wir<br />

heute haben? Wie kann man denn so was denken?<br />

Die Diskussion geht weiter: „Heute kann ich aber überall hin, wo ich will“, daraufhin entgegnete der<br />

Meinungsführer: „Mit welchem Geld???“ Schlussendlich einigte sich ein Großteil der Runde darauf,<br />

dass die heutigen Zeiten besser seien. Alle haben ein Handy, einen Computer und vor allem<br />

Computerspiele und irgendwie wäre Honecker doch noch peinlicher als die Merkel heute gewesen.<br />

Freie Wahlen besser als Existenzsicherung?<br />

Ist das alles, was unseren Staat besser als die DDR macht? Irgendwelche Neuerungen, die man eines<br />

Tages vielleicht sogar im Sozialismus hervorgebracht hätte. Sind sie überhaupt wertvoller als eine<br />

funktionierende staatliche Versorgung?<br />

Die Gruppe wäre in schallendes Gelächter ausgebrochen, hätte ich von „freien Wahlen“ erzählt oder<br />

von „völlig freier Arbeitsplatzwahl“, in einer Zeit mit überdimensionalen Arbeitslosenzahlen. Wie<br />

sehr hätte man mich ausgelacht, wenn ich von einem gerechteren Staat gesprochen hätte und auch<br />

nur einer aus der Gruppe auf die Idee gekommen wäre, mir die uneingeschränkte Freiheit von<br />

korrupten Politikern an den Kopf zu werfen. Sicher sind meine Einfälle und Überzeugungen auch in<br />

diesem Fall beinahe grenzenlos, schließlich habe ich mit dem Sozialismus an sich Probleme, denn er<br />

ist mit Freiheit nicht kompatibel, er schafft uniforme Gesellschaften und ist gnadenlos gegenüber<br />

seinen Gegnern. Dann war da noch die Entleerung der Seelen durch staatlich geförderten Atheismus.<br />

Davon lassen sich aber Menschen, die ein Desinteresse für Politik und Geschichte besitzen, nicht<br />

überzeugen.<br />

120


Hauptsächlich interessieren sie sich nämlich für Brot und Spiele, um weiterzuleben und dabei noch<br />

Spaß zu haben. In diesem Fall bin ich mit meinen freiheitlichen Gedanken in der Minderheit, wenn<br />

ich die Freiheit nicht mit Hyperwohlstand kombinieren kann. Nämlich genau dieser wird zur Zeit<br />

abgebaut und das zu Recht, weil die nächsten Generationen sonst arge Probleme bekommen würden<br />

und weil er eine Gesellschaft auch zu dekadent werden lässt. Ja, so kann man das sagen.<br />

Wäre die DDR untergegangen, wenn der Westen keinen Wohlstand in der damaligen Form gehabt<br />

hätte? Vielleicht, aber hätte sich eine Volksbewegung zur Wiedervereinigung entwickelt? Aufgrund<br />

der größeren Freiheiten? Warum wollten überhaupt so viele Bürger hinter der Mauer zum „goldenen<br />

Westen“ gehören? Ja, wegen des Wohlstandes, des Geldes wegen und nicht wegen des Vaterlandes,<br />

was mit Glück vielleicht an zweiter Stelle kam. Wollte man damals zur BRD aufgrund der winkenden<br />

Unabhängigkeit von der Sowjetunion, wegen der Freiheit oder weil die D-Mark im sozialistischen<br />

Ungarn für die Bevorzugung der kapitalistischen Westdeutschen sorgte?<br />

Wer sich diese Überlegungen zu Gemüte führt, wird feststellen, dass in den Köpfen anscheinend auf<br />

Sand gebaut wurde. Viele Vorzüge fanden sich nur im Schlepptau von Reichtum und Macht wieder,<br />

was unglücklicherweise das Denken geprägt hat. Dann gab es bei einigen noch wahnwitzige Ideen,<br />

wie den Luxus auf der einen Seite mit der sozialen Sicherheit auf der anderen Seite des<br />

Stacheldrahtes zu kombinieren. Das die darauf folgende Nichterfüllung, gepaart mit einer Menge von<br />

weiteren Fehleinschätzungen, zu Frust führt, ist deshalb nicht verwunderlich und hat auf beiden<br />

Seiten die Aggressivität weiter angeheizt. Nur deshalb hat die SED-Nachfolgepartei noch heute eine<br />

Vielzahl von dauerhaften Stammwählern.<br />

Staatsidee der BRD?<br />

Dass es einigen Leuten egal ist, in welchem Staat sie leben, getrennt oder vereint, mit den<br />

Landsleuten, mit Selbstbestimmung oder nicht, sollte nachdenklich machen. Nur wenn die Kasse<br />

stimmt, sind alle zufrieden. Es ist also offensichtlich, dass Wohlstand kein<br />

Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugt. Man kann sich nicht über eine gemeinsame Währung<br />

definieren und wenn die Nationalfahne bloß noch für Fußballspiele taugt, fehlt ein Bindeglied<br />

zwischen zwei Landesteilen, die immer noch sehr unterschiedlich sind, obwohl schon viel passiert ist.<br />

Die Wiederentdeckung der Nation könnte auch in diesem Bereich eine Menge unnötige Barrieren<br />

und Vorurteile abbauen. Außerdem haftet an ihr nicht die Vergänglichkeit, die der Wirtschaftskraft<br />

eigen ist. Leider wird sich dahingehend nichts ändern, wenn für die Entscheidungsträger des<br />

deutschen Volkes Nutzungsmehrung darin besteht etliche Millionen, die für Deutschland vorgesehen<br />

waren, nach Polen zu transferieren und wenn die Integration nicht erst beim Islam sondern schon an<br />

den neuen Ländern scheitert, werden wohl auch weiterhin Protestparteien die Ordnung in Gefahr<br />

bringen.<br />

121


na klar!<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Donnerstag, den 12. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der dritte Artikel unserer Reihe. Diesmal rezensiert einer unserer Autoren selbst eine junge Zeitung:<br />

die na klar!, die Bundeszeitung des jugendbewegten Freibundes.<br />

Na klar! - an was mag der unkundige Leser bei dieser Überschrift denken? Es handelt sich auf jeden<br />

Fall um etwas Bejahendes, Selbstsicherheit und Kraft ausstrahlendes. Nichts destruktives, nicht nur<br />

herumnörgeln, sondern selbst Vorbild sein; im Idealfall: selbst schaffen.<br />

Angesichts der Tatsache, dass die naklar! durch einen Jugendbund herausgegeben wird, ist der Name<br />

zweifelsohne richtig gewählt. Schließlich liegt es an der Jugend, mit Ideen und Tatendrang ihr Umfeld<br />

zu gestalten und in es hineinzuwirken. Die na klar! lässt den Außenstehenden einen Einblick in das<br />

Leben des Freibundes wagen: die Themen reichen von gemeinsamen Wanderfahrten über<br />

Bundestreffen bis hin zum Gedichtwettstreit, indem das Gefühl für die deutsche Muttersprache<br />

vertieft wird. Auf den letzten Seiten finden sich unter der Überschrift “Das geht dich an” auch<br />

Berichte zu aktuellen Ereignissen sowie Terminbekanntgaben - die na klar! erscheint vierteljährlich in<br />

mehreren hundert Auflagen.<br />

Insgesamt erschließt sich dem Leser ein beeindruckendes Jugendleben. Die Bezeichnung<br />

“ganzheitlich” trifft hier wohl am ehesten zu. Sowohl Geistiges, Körperliches als auch Seelisches<br />

werden nicht vergessen und bedingen sich gegenseitig. Beim Gedichtwettstreit oder der<br />

Gruppenfahrt werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Das Leben des Freibundes basiert auf<br />

den Traditionen der deutschen Jugendbewegung, in der Zeitschrift finden sich immer wieder Bezüge<br />

zu ihr.<br />

Dem Leser wird jedoch schnell klar, dass es sich hier um die Repräsentation eines Jugendbundes<br />

handelt, nicht um ein unabhängiges, selbstständiges Magazin. Doch das kann auch den Reiz dieser<br />

Zeitung ausmachen. Auf 28 Seiten gelingt es, bündisches Lebensgefühl in Ansätzen zu vermitteln.<br />

Dem Leser wird schnell bewusst werden, dass wer den Freibund und auch die Autoren der na klar!<br />

näher kennen lernen will persönlich - etwa bei einem Herbstlager - vorbeischauen muss.<br />

Anmerkung der Redaktion der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>: In den folgenden Wochen werden wir verschiedenen<br />

Jugendzeitungen Platz zur Selbstdarstellung geben beziehungsweise selbst über Jugendzeitungen<br />

berichten. Zum Abschluß dieser Reihe werden wir die einzelnen Projekte und die derzeitige<br />

Gesamtlage von nonkonformen Schüler- und Jugendzeitungen kommentieren.<br />

122


TDCler äußern sich zu ihrer Community<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Freitag, den 13. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Was denken die Nutzer von Triff Deinen Chemnitzer über ihre Community? Wir haben sie gefragt.<br />

BN-Online: Wie gefällt es dir bei Triff Deinen Chemnitzer? Welche Vorteile<br />

hat diese Community für dich?<br />

Isabel: Es ist super hier! Man lernt neue Leute in der Umgebung kennen und kann mit Freunden<br />

quatschen und erfährt, was es so neues gibt und wo was los ist! Die Anzeigen sind auch super, da<br />

man dort verkaufen oder kaufen kann.<br />

André: Es ist ganz nett hier und man kann viel Spaß haben. Die Vorteile und Besonderheiten sehe ich<br />

in der Regionalität der Community. Man kann bei Lust und Laune einfach und schnell Leute treffen,<br />

um sie auch außerhalb des TDC kennen zu lernen.<br />

Emily: Also ich finde TDC relativ sinnlos, aber man kann eben Zeit vertrödeln und auch schauen, wie<br />

man auf andere wirkt.<br />

Christian: Das TDC ist eine nicht zwingend notwendige aber interessante Einrichtung! Man lernt recht<br />

schnell neue Leute kennen, auch wenn man ihnen eher nur schreibt, aber da es meistens Chemnitzer<br />

sind, steht einem Treffen bei gegenseitiger Sympathie ja nichts im Wege! Ganz witzig ist die Art sein<br />

Profil einzurichten. Andere vernachlässigen das etwas.<br />

Tobias: Der Vorteil ist, daß viele Leute hier angemeldet sind und auch immer genug online sind! Der<br />

Nachteil: Viel zu viel geistiger Dünnschiß!<br />

Chrissi: Naja, es geht so. Mir persönlich gibt es hier zu viele notgeile Leute, die nur auf Abenteuer aus<br />

sind oder durch schleimige Nachrichten uninteressant für mich sind. Der Vorteil ist, daß ich hier<br />

einige Freunde kennengelernt habe, die ich nicht mehr missen möchte und daß ich mit Leuten in<br />

Kontakt bleiben kann, die ich sonst nicht oft sehe.<br />

Cindy: Also TDC hat viele Vorteile. Man lernt nicht nur nette Leute aus der Umgebung kennen,<br />

sondern man liest sich viel die Blogs durch. Es ist viel Spannendes dabei und viel Tiefgründiges, was<br />

einen bewegt. Und außerdem kann man seine Meinung äußern.<br />

BN-Online: Seid ihr auch noch Mitglied bei anderen Communities?<br />

Cindy: Ich denke, dass wird fast jeder hier sein.<br />

Emily: Ich bin noch Mitglied bei Photocase, weil ich halt gern fotografiere und da hat man die Chance,<br />

daß man ein bißchen bekannter wird damit.<br />

Tobias: Ja, ich bin bei chemunicate.de, chemnitz-community.de und talk-about-le.de.<br />

Isabel: Früher ja, aber TDC ist die beste Community. Da sind die Leute wenigstens nur aus der<br />

Umgebung.<br />

André: Diese Fun-Community (TDC – Anmerk. d. Red.) hier reicht aus.<br />

BN-Online: Wie viel Zeit investiert ihr in TDC?<br />

Chrissi: Ich bin vielleicht zwei- bis dreimal die Woche für maximal eine Stunde online.<br />

Emily: Ich bin am Tag einmal im TDC. Vielleicht so eine Stunde.<br />

123


Christian: Wenn ich mal im Netz bin, sehe ich immer mal vorbei. Es kann auch sein, daß ich es mal ein<br />

bis zwei Wochen schleifen lasse. Immerhin gibt es da draußen auch noch das reale Leben!<br />

Tobias: Keine Ahnung, es hält sich in Grenzen.<br />

Cindy: Das ist sehr unterschiedlich. Ich bin aber dennoch jeden Tag online, um meine Mails zu<br />

beantworten, aber ab und an kann ich auch mal stundenlang hier verbringen, zumindest, wenn mich<br />

die Chatsucht packt.<br />

André: Unterschiedlich, mitunter mehrere Stunden täglich, weil nebenbei das Browserfenster offen<br />

ist.<br />

BN-Online: Findest du, daß es problematisch ist, wenn man sich zu lange in<br />

Communities wie zum Beispiel TDC „aufhält“?<br />

Christian: Ach warum, soll doch jeder solange und so oft im Netz sein, wie er will! Für manche<br />

Menschen ist ein Chat oder eine Community die einzige Art, Leute kennen zu lernen. Viele sind zu<br />

schüchtern. Dieses Gefühl verliert man oft, wenn man einfach nur schreibt! Ist ein ganz witziger<br />

Zeitvertreib!<br />

Emily: Und ich denk schon, daß es problematisch ist, zu viel Zeit mit so etwas zu verbringen, weil man<br />

zwar auch irgendwie Kontakte knüpft, aber ich denke im real life heißt „Kontakte knüpfen“ was ganz<br />

anderes als im TDC und so etwas sollte man schon draufhaben.<br />

André: Problematisch würde es erst dann, wenn man sich selbst nicht soweit kontrollieren kann, daß<br />

wichtigeres dem TDC weichen muß.<br />

Tobias: Kommt auf die Person an, aber bei mehreren Stunden am Tag wird’s auf jeden Fall<br />

problematisch.<br />

Cindy: Nein, daß finde ich nicht. Ich denke hier ist fast jeder in dem Alter, wo er sich selber<br />

einschätzen kann.<br />

Chrissi: Das, denke ich, kommt auf den Charakter eines Menschen an. Ich hatte auch Zeiten, in denen<br />

ich aus akuter Langeweile den ganzen Tag im TDC verbracht habe. Aber ich habe noch ein Leben<br />

außerhalb des Internets, was einigen anderen wohl zum Verhängnis wird und sie das TDC als ihr<br />

Leben betrachten und dadurch "reale" zwischenmenschliche Beziehungen nicht mehr zu pflegen<br />

wissen bzw. es verlernen.<br />

Isabel: Das kann zum Problem werden. Ja, man muß sich zusammen reißen. Zu viel Zeit damit zu<br />

verbringen, nur mit Leuten zu schreiben, schränkt sicher auch das soziale Verhalten in Discos oder<br />

auf Partys ein. Doch im Großen und Ganzen gibt es schlimmeres als Communities.<br />

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Triff Deinen Chemnitzer. Eine Parallelgesellschaft<br />

wächst heran<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Freitag, den 13. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

In Chemnitz sorgt eine Partycommunity für Furore. Triff-deinen-Chemnitzer.de (kurz: TDC) hat sich<br />

binnen weniger Jahre mit mehreren Tausend Mitgliedern zu einer der erfolgreichsten<br />

Regionalcommunities Deutschlands gemausert. Die Jugend trifft sich bei TDC. Dort unterhält man<br />

sich, handelt wie auf einem Flohmarkt und sucht nach Bekanntschaften oder der großen Liebe.<br />

Mancher zeigt sich von seiner besten Seite, und mancher von seiner schlechtesten, so wie im<br />

richtigen Leben.<br />

Die TDClerin Isabel, 18, sagt über ihre Lieblingscommunity: „Es ist super hier! Man lernt neue Leute in<br />

der Umgebung kennen und kann mit Freunden quatschen und erfährt, was es so neues gibt und wo<br />

was los ist! Die Anzeigen sind auch super, da man dort verkaufen oder kaufen kann.“ Der<br />

Erfolgsfaktor von TDC ist tatsächlich dessen Anbindung an die Region – viele Mitglieder kennen sich<br />

oder können sich ohne weiteres kennenlernen. Triff Deinen Chemnitzer wahrt den Bezug zum realen<br />

Leben. So finden zum Beispiel regelmäßig eigene Partys statt.<br />

Für die meisten Mitglieder ist TDC eine feste Größe ihrer Freizeitbeschäftigung geworden. Hier<br />

treiben sie sich zwischen einer halben und zwei Stunden täglich herum, diskutieren, verkaufen ihre<br />

alten Handys und suchen nach einem neuen Schnäppchen.<br />

TDC entwickelt sich aufgrund der Größe und der Möglichkeiten für die einzelnen Mitglieder immer<br />

mehr zu einer Parallelgesellschaft mit der Besonderheit, daß öffentlicher Raum und privater<br />

zusammenfallen – eine Tendenz, die bald das ganz reale Leben erfassen wird. Die schönen Facetten<br />

des Lebens kommen in dieser Parallelgesellschaft ebenfalls zum Tragen wie die weniger schönen.<br />

Wie egozentrisch die Jugendlichen sind, zeigen sie in ihren eigenen Bildergalerien. 15-jährige<br />

Mädchen stellen sich mit eigenen Bildern, auf denen sie fast nackt zu sehen sind, dem Votum der<br />

anderen Mitglieder. Viele junge Männer tun es ihnen inzwischen gleich. Voyeurismus und Egozentrik<br />

haben sich in der TDC-Gesellschaft breit gemacht.<br />

Eine virtuelle Gesellschaft ist prädestiniert für grenzenlose Selbstinszenierung. Die Jugend bettelt um<br />

Aufmerksamkeit. Sie erhofft sich davon ein kleines Stück Liebe und mancher wünscht sich insgeheim,<br />

ein kleines Stückchen berühmt zu werden.<br />

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Höhere Wesen: Jean Baptiste Grenouille<br />

Geschrieben von: John Palatini<br />

Dienstag, den 24. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Auch wenn der Untertitel von „Das Parfum“ die Geschichte eines Mörders ankündigt, so ist sie doch<br />

keine gewöhnliche Kriminalgeschichte. Vor allem ist Jean Baptiste Grenouille kein normaler Mensch<br />

und eben deshalb auch kein normaler Mörder. In der Figur Grenouilles begegnet der Leser einem<br />

außerhalb der menschlichen Ordnung stehenden und agierenden Genie. Der Film allerdings leistet<br />

genau in Bezug auf diese entscheidende Perspektive nicht, was Patrick Süskind mit seiner<br />

Romanvorlage gelang. Vor allem die angedeutete Sehnsucht Grenouilles nach der liebenden Nähe<br />

eines anderen Menschen und das darin enthaltene Bedauern seiner eigenen Taten, lassen seinen<br />

beabsichtigten Tod am Ende wie die Tat eines einsamen und traurigen Menschen aussehen.<br />

Geboren auf dem Fischmarkt von Paris im Jahre 1738, aufgewachsen in einem Heim, verkauft an den<br />

Gerber Grimal, wird Grenouille schließlich, Dank seines unglaublichen Geruchssinns, Lehrling des<br />

angesehenen Parfumeurs Baldini. Seine Umwelt nimmt er vor allem riechend wahr. Sehen und<br />

Sprechen sind für ihn völlig untergeordnete Fähigkeiten. Das wird auch im Film ausgesprochen<br />

deutlich. Nicht aus der Erscheinung der Welt und den Handlungen und Aussagen der Menschen fügt<br />

sich für Grenouille die Symphonie des Lebens; wesentlich ist ihm allein der Geruch aller Dinge. Leben<br />

ist für ihn die Komposition alles Duftenden; ein Kosmos, der anderen Menschen unbegreiflich und<br />

verschlossen bleibt. Die Frage nach einem ganz normalen Leben, nach Frau und Kindern, nach einem<br />

Beruf und der Einbindung in ein soziales Umfeld, für Grenouille stellt sie sich nicht. Alle Tätigkeiten,<br />

jede Kommunikation von seiner Seite erfolgt im Grunde nur, um den Gerüchen der Welt auf der Spur<br />

zu bleiben.<br />

Für Grenouille ist das Leben eine Komposition alles Duftenden.<br />

In den Gassen der Stadt wittert er den Duft eines Mädchens, gerät in Ekstase, geht ihr nach und tötet<br />

sie, um ihren Duft ungestört in sich hineinzusaugen. Um diesen aber dauerhaft zu bewahren, fehlt<br />

ihm die Kenntnis eines dafür geeigneten Verfahrens. In Paris ist ein solches nicht zu finden. Aus<br />

diesem Grund verlässt Grenouille nach Erhalt seines Gesellenbriefs die Stadt. Er begibt sich nach<br />

Grasse, dem Mekka des Parfumhandwerks. Dort erlernt er das entscheidende Verfahren der<br />

Enfleurage. Um jedoch den Duft der Frauen zu konservieren, muss er auch hier zum Mörder werden;<br />

für Grenouille allerdings ein Problem, das sich nicht stellt. Seine Sehnsucht gilt fortan allein der<br />

Kreation eines himmlischen Parfums aus dem Duft junger Frauen. Schlussendlich sind es<br />

fünfundzwanzig, die in Grasse ihr Leben verlieren.<br />

Nach seiner letzten Tat wird Grenouille gefasst und zum Tode verurteilt. Einen wirklichen<br />

Spannungsbogen in Bezug auf die Aufklärung der Morde fehlt. Die Suche nach dem Mörder wird von<br />

Süskind auf die Darstellung der verängstigten Bürgerschaft und einige Massenpsychosen reduziert.<br />

Im Roman wird Grenouille schließlich gefasst, weil er zufällig erkannt wurde; im Film sind die Häscher<br />

einfach da. Doch genau darum geht es auch nicht! „Das Parfum“ ist kein Krimi, sondern ein<br />

Kunstwerk; - die höchst gelungene Inszenierung eines einmaligen, jenseits der menschlichen Moral<br />

agierenden Genies.<br />

„Das Parfum“ ist ein Kunstwerk.<br />

Baldini, der Pariser Meisterparfumeur, vergleicht die Erschaffung eines Parfums mit der Komposition<br />

eines musikalischen Meisterwerks. Er selbst allerdings beherrscht gerade einmal die technischen<br />

Verfahren, ohne aber seinen Gegenstand – den Duft – auch nur im Ansatz zu verstehen. Ihm geht die<br />

126


technische Meisterschaft über alles, weil sie seine einzige Hoffnung ist, dem Universum der Düfte<br />

wenigstens einige, wenn auch höchst unvollkommene Kreationen abzuringen.<br />

Grenouille hingegen muss seinem Gegenstand nichts abringen. Spielerisch hantiert er mit den<br />

verschiedensten Essenzen. Er ist ihr begnadeter Meister. Technische Fertigkeiten benötigt er nicht,<br />

um etwas zu kreieren, das andere dann als schön empfinden, sondern – auf einer völlig anderen<br />

Ebene – um sich sein eigenes Universum der Düfte überhaupt erst zu erschaffen. Was er Baldini als<br />

dessen Lehrling liefert, sind Kunstwerke, die Gefallen finden und seinen Meister zum ersten<br />

Parfumeur Frankreichs erheben. Doch niemand außer Grenouille selbst ist in der Lage, die<br />

eigentlichen Tiefen dieser Kompositionen, ihre Abgründe – bestehend aus Speiseresten und<br />

Exkrementen – zu erahnen. In der Gegenüberstellung des Handwerkers Baldini und des eigentlichen<br />

Meisters Grenouille gestaltet Süskind am auffälligsten die Charakteristik des Genies. Die Szenen in<br />

der Werkstatt Baldinis und das hinreißende Spiel Dustin Hoffmanns in der Rolle des Parfumeurs sind<br />

die Höhepunkte des Films.<br />

127


Daniel Kehlmann: „Die Vermessung der Welt“<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Samstag, den 28. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Daniel Kehlmann stürmt die Bestsellerlisten. Sein aktuellstes Werk „Die Vermessung der Welt" ist<br />

mittlerweile in allen Buchläden zu finden - obwohl sein Schreibstil keineswegs in die aktuelle<br />

bundesdeutsche Popliteratur passt. Kehlmanns Schreibstil steht für etwas eigenes, besonderes, was<br />

sich nicht einfach in die aktuelle Literatur einordnen lässt, sondern vielmehr untergründige<br />

literarische Traditionen zu bedienen scheint. Mit „Die Vermessung der Welt„ greift er ein historisches<br />

Thema auf und entfaltet daran seine unverwechselbare Sprachmagie. „Die Vermessung der Welt“<br />

Ende des 18. Jahrhunderts baut auf zwei Persönlichkeiten auf: Carl Friedrich Gauß und Alexander von<br />

Humboldt. Gauß, ein mathematisches Wunderkind, ein sturer Kopf mit Hang zur Melancholie,<br />

verlässt kaum das heimische Göttingen. Dort schafft er das System der modernen Mathematik,<br />

erklärt die Planetenbewegungen und begründet die moderne Physik. Ohne Gauß wäre unsere<br />

heutige Mathematik nicht denkbar.<br />

Humboldt hingegen ist vor allem ein unermüdlicher preußischer Arbeiter, den seine unerschöpfliche<br />

Neugierde in den heißen, dichten Dschungel Südamerikas und in die Weiten der sibirischen Taiga<br />

treibt. Gegen innere und äußere Widerstände, gegen Tropenkrankheiten und eine vollkommen<br />

unbekannte Wildnis gelingt es ihm, immer tiefer in den Dschungel vorzudringen und eine<br />

vollkommen unentdeckte Welt für die europäischen Entdecker und Kolonialisatoren durch Forschung<br />

zu strukturieren.<br />

Beiden deutschen Wissenschaftlern ist eine sehr seltene Paarung von Instinkt, Selbstdisziplin und<br />

Kreativität eigen. Diese Paarung taucht immer wieder im Buch auf, wenn die Handlung zu kippen<br />

droht. Bei der Besteigung des Chimborazo nähern sich Humboldt und sein Gefährte Bonpland mit<br />

sinkender Lichtdichte zugleich dem Ende, dem Nichts. Sie schauen in endlos scheinende Schluchten,<br />

sehen Halluzinationen, sprechen in mehreren Personen gleichzeitig und wähnen sich bereits als tot.<br />

Wenige Tage später erreicht Europa die Nachricht, dass Humboldt als einziger Mensch den höchsten<br />

Punkt der Erde erreicht habe. Humboldt hat nicht vergessen, während der Besteigung genauste<br />

Messungen vorzunehmen.<br />

„Die Vermessung der Welt„ hat einen deutlich erzählerischen Charakter, der für Kehlmann typisch<br />

ist. Er verzichtet auf Kommentierungen und lässt vielmehr die Hauptpersonen selbst sprechen. Dabei<br />

treibt er manche Dialoge derart ins Groteske, dass man diese schon als Zeugnis bester Ironie<br />

bezeichnen kann. So beschimpft etwa Gauß seinen Sohn ununterbrochen während der Fahrt nach<br />

Berlin und schmeißt dessen neuesten stolzen Besitz - ein Buch von Turnvater Jahn - aus dem<br />

Kutschenfenster. Hier wird deutlich, dass Carl Friedrich Gauß im wissenschaftlichen Bereich ein Genie<br />

gewesen sein mag, im familiären Bereich aber ein Versager blieb und seine Familie meist im Stich<br />

ließ.<br />

Kehlmanns aktuelles Werk lässt sich gut lesen, schon allein wegen der typischen, besonderen<br />

Sprache. Zusätzlich lohnt es sich aber auch, sich einmal von der literarischen Seite zwei berühmten<br />

deutschen Wissenschaftlern zu nähern.<br />

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Anstoß für Querdenker und ihre Zeitungen<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Montag, den 30. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Im September 2004 erschien die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> das erste Mal, im Februar <strong>2006</strong> die [/heretic] und<br />

ebenfalls in diesem Jahr wagte sich die Objektiv an die Öffentlichkeit. Die Gemeinsamkeit der drei<br />

Projekte liegt in ihrem Denken jenseits des Mainstreams. In kurzer Abfolge sind drei anspruchsvolle<br />

Jugendzeitungen entstanden, die ihren Leserkreis mit non-konformen Gedankengängen<br />

konfrontieren.<br />

Zu hoffen ist, daß alle drei Projekte die Jugend zum Nachdenken über selten thematisierte Probleme<br />

bewegt und eine interne Diskussion über sinnvolle Medienprojekte zwischen den jungen,<br />

querdenkenden Zeitungsmachern in Gang kommt. Non-konforme Jugend- und Schülerzeitungen sind<br />

dringend notwendig. Sie können einen wichtigen Beitrag für einen Informations- und<br />

Meinungspluralismus in der deutschen Jugend leisten.<br />

Gewöhnliche Schülerzeitungen schaffen es, tausendmal vorgekaute Meinungen in einer frischen,<br />

spontanen Art und Weise wiederzugeben. Die in diesem Onlinemagazin vorgestellten Zeitungen<br />

rücken demgegenüber eine neue Denkhaltung in den Fokus des Geschehens.<br />

Mit Ächtung dämmen Schulen, Parteien und Medien den Einfluß der non-konformen<br />

Jugendzeitungen ein. Immer wieder greifen die gleichen Mechanismen: Mit dem Vorwurf des<br />

Rechtsextremismus wird auf den Projekten der jungen Medienmacher herumgetrampelt. Auf<br />

inhaltliche Debatten lassen sich die Gegner der Querdenker nicht ein.<br />

Ganz entgehen kann man dieser unreflektierten Kritik wohl nicht. Wir als junge querdenkende<br />

Medienmacher müssen uns jedoch gründlich hinterfragen, ob wir genug tun, um dem Aufkommen<br />

einer Ächtung unserer Zeitungen vorzubeugen.<br />

Transparenter werden! Für mehr Authentizität sorgen!<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>, die [/heretic] und die Objektiv stellen sich nicht transparent genug dar. Es fehlt<br />

der einen Zeitung mehr, der anderen weniger Authentizität. Diesen Mangel müssen wir beheben. Es<br />

muß dem Leser klar werden, welche Gesichter und welche Namen hinter den Zeitungen stehen. Der<br />

Eindruck, daß es sich um randständige Projekte aus dubiosen Untergrundschichten oder<br />

zwielichtigen Milieus handelt, darf nicht entstehen. Vielmehr müssen wir die Intentionen unserer<br />

Zeitungen präziser formulieren und mehr Transparenz und Offenheit zeigen.<br />

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Gegenwinddurchlässig – ein Vorstoß in luftleeres Land.<br />

Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />

Donnerstag, den 02. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Vor etwas weniger als drei Wochen fand in Chemnitz eine von Sächsischer Antifa und Privatinitiativen<br />

ins Leben gerufene Demonstration statt. Unter dem Motto „Schöner leben ohne Naziläden“, aber<br />

auch „Schöner leben ohne Nazis“, versammelten sich etwa 2000 Antifanhänger unter Polizeischutz in<br />

Chemnitz, um dann erstaunlich faschistoid durch die Stadt zu marschieren. Ziel der Kundgebung<br />

waren zwei vermeindlich rechtsextreme Ladengeschäfte am Rande der Stadt, auf deren „Gefahren“<br />

man mit dieser Demonstration aufmerksam machen wollte. Diese zwielichtige Veranstaltung wurde<br />

nicht nur genutzt, um wieder einmal medienwirksam darauf hinzuweisen wie geschlossen sich<br />

Chemnitz gegen „Rechte Ideale“ formiert (zahlreiche Kommunalpolitiker nahmen daran teil,<br />

nachdem in einer Stadtratssitzung dafür Werbung gemacht wurde), sondern auch um explizite<br />

Ängste und Vorurteile bei den zumeist jungen und jüngeren Teilnehmern zu schüren. So wurde in<br />

einer Rede auf der Demonstrationskundgebung unter anderem auch auf unser Zeitungsprojekt<br />

eingegangen. Gezielt wurden die beiden „Intellektuellen Köpfe“ Felix Menzel und Benjamin Jahn<br />

Zschocke verbal als gewissermaßen graue Eminenzen im Vorhof der hoch gebildeten rechtsextremen<br />

Subkultur diffamiert. In Beispielen ging man auf unsere angeblichen Verflechtungen bis in die<br />

höchsten und einflussreichsten (politischen) Institutionen ein. Wirklich nachvollziehbare Quellen<br />

wurden wie immer nicht genannt. Sicherlich verließ der ein oder andere aufmerksame Zuhörer die<br />

Veranstaltung mit einer Mischung aus Angst und Angriffslust.<br />

Aber die gezielte Irreführung hat Methode. Beim Versuch unser Projekt zu attackieren, versagen die<br />

üblichen Angriffsstrategien. Alle Angriffspunkte der üblichen „Verfahrensweise“ erweisen sich schnell<br />

als zu unsicher. Keiner von uns profiliert sich durch unflätiges Benehmen in der Öffentlichkeit, keiner<br />

ist aggressiv und verbalisiert sich so, wie man es gern hören möchte. Ebenso wenig fühlt man sich<br />

hier einer wie auch immer gearteten Subkultur zugehörig, was auch eine Verbalisierung in diese<br />

Richtung ausschließt. Deshalb ist man sozusagen jetzt zum „Plan-B“ übergegangen:<br />

Verbalisieren<br />

Durch die gezielte und bewusst polemische Formulierung von Parolen und deren ständige<br />

Wiederholung in jugendkulturgemäßen Medien erzeugt man eine gewisse Wiedererkennbarkeit der<br />

zu bekämpfenden Personen und Institutionen. Durch das Verwenden von eingängigen Sprüchen auf<br />

Plakaten, Ansteckern, Sprühschablonen und in Printmedien, wird eine stets wiedererkennbare<br />

„Kultur des Hasses“ erzeugt, deren Abfluss sich in der unkontrollierten Entfaltung von Hirngespinsten<br />

aller Art, Schritt für Schritt mehr in den Köpfen der zumeist nach Identität suchenden Jugendlichen<br />

manifestiert. Eine Kritik an der zur „Eigenen Meinung“ gewordenen Gehirnwäsche, wird automatisch<br />

mit einer Fundamentalkritik an der Person selbst gleichgesetzt, was eine objektive Betrachtung des<br />

Sachverhaltes nunmehr unmöglich erscheinen lässt.<br />

Personalisieren<br />

Nicht wie sonst üblich wird eine ganze Masse von Wirkungen und deren Ursachen, sowie zugehörige<br />

Anhänger in einen Kontext gebracht, der dann zur Disposition steht, sondern durch das<br />

Konzentrieren auf eine sehr kleine Gruppe von umso gefährlicheren Rädelsführern wird eine subtile<br />

Angst vor einem unberechenbaren Gegner geschürt. Das hat zwei Vorteile. Zum einen kann man<br />

gekonnt die (Verbal-)Attacke auf eine unüberschaubare Masse von „Gegnern“ umgehen und somit<br />

auch um die Gegenreaktion herum kommen. Zweitens ist eine zielgenauere und medienwirksamere<br />

130


Angriffsmöglichkeit geschaffen, da der Rahmen der „Operation“ in überschaubaren<br />

Größenordnungen bleibt. Will sagen, man kennt seine „Gegner“ mit Namen und scheint sich auch<br />

sicher, dass ein eventuell erfolgreicher Angriff, die ganze angehängte Systematik zu Fall bringen<br />

könnte.<br />

Politisieren<br />

Besonders bei Kulturschaffenden, die zumeist von Haus aus unpolitisch sind, wird versucht eine<br />

genaue Einordnenbarkeit zu konstruieren, die das klare Feindbild nun zu seiner Abrundung bringt.<br />

Was sonst subtil formuliert wird, kommt jetzt vermeindlich wissenschaftlich daher und vermittelt<br />

den Eindruck von hoher Wichtigkeit und verbreitet den Geruch einer „kurz bevor stehenden Gefahr“.<br />

Besonders eignet sich in Deutschland natürlich die beliebte Faschismuskeule, um seine Gegner<br />

mundtot zu machen. Alle nur im Anschein rechten Bestrebungen werden inhaltlich verdreht und<br />

zugespitzt wiedergegeben und in die Achse des Bösen, aus Verfassungsfeinden und<br />

Auschwitzleugnern eingereiht. Somit wird ihnen ein wieder erkennbares Image aufdiktiert, welches<br />

die Bekämpfung nun auf die Bühne der Politik verlagert und somit den erreichbaren Wirkungsgrad<br />

um ein Vielfaches erhöht.<br />

Glorifizieren<br />

In einem Fernsehbeitrag über uns war vor kurzem über uns zu hören: „Also eines muss man ihnen ja<br />

lassen, sie sind intelligent und wissen genau was sie tun.“ Mit diesen Anspielungen auf einen, vor<br />

allem mit Geistesmacht geführten, Kampf versucht man das „Schlachtfeld“ eine Etage zu heben. Die<br />

Problematik wird zunächst den weniger gebildeten Aggressionsträgern, mit dem Verweis auf die<br />

Kompliziertheit der Materie, entzogen. Nachdem sich die ganz klugen Köpfe damit wissenschaftlich<br />

beschäftigt haben, werden deren geistige Ergüsse in Form von Broschüren oder Studien<br />

veröffentlicht. Diese wiederum werden dann wieder der großen Massen von Anhängern zugänglich<br />

gemacht, versehen mit Hinweisen und Bekämpfungsstrategien. Der gewünschte Effekt wird dadurch<br />

noch einmal vertieft - die eigene Leistung in ihrer Wichtigkeit scheinbar erweitert.<br />

Eines muss aber bei alledem klar sein: Eine Einordnung ist immer nur dann möglich, wenn das<br />

Politische dem Künstlerischen vorauseilt oder ihm sogar das Wasser abgräbt. Ganz eindeutig ist das<br />

nicht der Fall. All jene die Glauben im Kontrast zu uns zu stehen, gar unsere Gegner zu sein, befinden<br />

sich in einem scherzhaften Irrglauben. Denn welches Ziel treffen die abgefeuerten Granaten, wenn<br />

da kein Gegner ist? Sie stoßen vor in luftleeres Land, verletzen womöglich noch das eigene Klientel.<br />

Unsere Wirkungskreise sind nicht jene, welche man zu bekämpfen sucht. Einmal sind sie noch<br />

wesentlich vielschichtiger als oft angenommen und zum Zweiten werden sie all den politisch<br />

verblendeten Geistern auf ewig verschlossen bleiben, da zuerst eine Hinterfragung der eigenen<br />

Handlungsmuster vonnöten wäre, was aber leider zumeist aussichtslos erscheint.<br />

131


Chatten, Chatten, Chatten<br />

Geschrieben von: Diane Wolf<br />

Sonntag, den 05. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Es stellt sich doch immer die gleiche Frage. Ist es spannend, macht es Spaß, hin und her zu chatten?<br />

Besteht da ein gewisser Reiz? Mit anderen zu schreiben, zu flirten, einfach Gedanken auszutauschen,<br />

oder ganz einfach der Langenweile zu entfliehen. Aber es stellt sich auch die Frage, was für Folgen<br />

das hat? Es gibt so viele Chatseiten und immer mehr Menschen, die sich einloggen, aber warum?<br />

Viele sind einsam und suchen jemanden fürs Leben, wollen mit jemandem reden, weil sie in ihrer<br />

Umgebung niemand finden, der mit ihnen reden könnte. Aber auch viele Jugendliche chatten nur aus<br />

Spaß. Es macht ja auch Spaß, Geheimnisse auszutauschen, mehr über die andere Person zu erfahren<br />

und sich vielleicht mal zu treffen.<br />

Doch das Chatten ist eine Art, in eine andere Welt zu versinken und da vergessen viele meist den<br />

Alltag und sitzen Stunden lang am PC, chatten und schreiben, was das Zeug hält. Meist werden<br />

Hausaufgaben vergessen oder Pflichten nicht erfüllt. Ja, ja, das kann zu schlechten Noten in der<br />

Schule führen.<br />

Aber nicht nur Jugendliche auch Erwachsene chatten sehr gern, sogar bis spät in die Nacht hinein,<br />

doch die Folgen sind meist immer die gleichen: Sie erscheinen dann zu spät am Arbeitsplatz, haben<br />

schlechte Laune, arbeiten unkonzentriert und haben kaum Zeit für die Kinder.<br />

Das Chatten kann man jedoch nicht aufhalten. Immer mehr fühlen sich zum Chatten hingezogen.<br />

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Ode der Fragen<br />

Geschrieben von: rddts<br />

Mittwoch, den 08. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

In welcher literarischen Gattung lassen sich die eigenen Empfindungen so genau und komprimiert<br />

darstellen wie in der Lyrik? Wo Epik und Dramatik ausschweifend werden und letztendlich im Leser<br />

nichts als Verwirrung stiften, schafft ein Gedicht Klarheit. Die Botschaft ist entsprechend deutlich und<br />

wenn auch nicht vollkommen entschlüsselbar, so reizt sie doch frei nach Gottfried Benn die Gehirne<br />

und lässt sie schöpferisch werden. Hier eine Kostprobe der Gedichte eines jungen Chemnitzers, der<br />

unter dem Pseudonym rddts veröffentlicht. [Anmerkung der Redaktion]<br />

Ode der Fragen<br />

Wie gern würde ich deinen Rücken berühren,<br />

der mit Schweißperlen benetzt;<br />

Wie gern würde ich deinen Atem spüren,<br />

doch brächte ich ihn jetzt!<br />

Die Einsamkeit, die mich quält,<br />

ist der Neid, der mich zerfrisst.<br />

Die Stärke, die mich stählt,<br />

ist die Angst, dass man mich vergisst.<br />

Die Sehnsucht, die mich erfüllt<br />

ist ein Sumpf voller Fallen.<br />

Gedanken, stark unterkühlt,<br />

ein Hilferuf durch die Hallen.<br />

Hass, der mich belebt<br />

ist der sichere Tod.<br />

Gift, das an mir klebt,<br />

eine Ladung Schrot.<br />

Geister, unheilvolle Boten,<br />

hoffend, dass man stirbt.<br />

Schrecken, Ahnungen der Toten,<br />

dass der Körper die Scheide wird.<br />

Wahnsinn, der mich erstürmt<br />

in einem unaufhaltsamen Rennen.<br />

Schutz, der mich umschirmt<br />

133


wird mich vom Leben trennen.<br />

Eine irrsinnige Suche,<br />

die nicht enden will,<br />

umgeben von Luzifers Tuche,<br />

und es wird totenstill ...<br />

134


Diffamierung der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong><br />

Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />

Samstag, den 11. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Seit einigen Tagen geistert eine Seite durchs Netz (www.braune-narzisse.tk), welche die <strong>Blaue</strong><br />

<strong>Narzisse</strong> verunglimpft. Dabei werden Äußerungen verzerrt dargestellt und mit ideologischen<br />

Kampfbegriffen aus dem extrem linken Milieu versehen. Wir ersparen uns an dieser Stelle einzelne<br />

Kommentierungen, weil wir auf andere Fakten hinweisen und keine Zeit für einen Kleinkrieg opfern<br />

wollen. Wer ist hier extrem?<br />

Die Initiative zu diesem „Projekt“ nennt sich demokratisch. Wenn man jedoch ein paar Links, die auf<br />

www.braune-narzisse.tk angepriesen werden, näher betrachtet, wird man beispielsweise zu<br />

Indymedia weitergeleitet. Über diese Seite kann man sich dann auch in diversen<br />

Verfassungsschutzberichten im Bereich Linksextremismus informieren. Soviel zur Demokratie.<br />

Außerdem wird man beim Lesen ständig mit aggressiven Kommentaren konfrontiert, die<br />

anscheinend eine geistige Infiltration erzeugen sollen. Des weiteren werden Handlungsweisen der<br />

BRD als unmenschlich diffamiert und es wird der „böse Kapitalismus“ angeprangert und zwar auf<br />

eine Weise, die über eine normale Kritik hinausgeht.<br />

Braune <strong>Narzisse</strong>?<br />

Diese kurzen Informationen reichen also aus, um diese Initiative als unseriös und nicht objektiv<br />

einzuordnen.<br />

Anerkennung?<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> ist eine freigeistige Zeitung mit einigen konservativen Autoren, die über den<br />

Tellerrand hinausblicken und etwas provokanter werden. Damit macht man sich natürlich nicht<br />

überall beliebt. Schon gar nicht bei Gruppen, in denen man meint, die Weisheit für sich gepachtet zu<br />

haben und wo die Toleranz nur bis Trotzkismus, Sozialismus und Kommunismus reicht. Aber eines ist<br />

doch interessant! Diese Leute haben sich mit uns beschäftigt. Ja, sie haben Zeit dafür geopfert, wo<br />

sie sich doch auch anderen Aktivitäten hätten widmen können. Dafür ein großes Dankeschön!<br />

Danke Antifa! Danke für die Erhöhung unseres Bekanntheitsgrades!<br />

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Die Inszenierung zweier Genies<br />

Geschrieben von: John Palatini<br />

Dienstag, den 14. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Verfilmung von „Das Parfum“ regt dazu an, über die Hauptfigur Jean Baptiste Grenouille länger<br />

nachzudenken. Grenouille ist ein abscheuliches Genie. Süskinds Inszenierung des Genies drängt zu<br />

Vergleichen mit der Darstellung Mozarts in zahlreichen Biografien und literarischen sowie filmischen<br />

Kunstwerken. Am bekanntesten ist Milos Formans Film „Amadeus“ nach Peter Shaffers<br />

gleichnamigem Theaterstück. Mit Ausnahme seines Konkurrenten Antonio Salieri kann niemand<br />

erahnen, was für ein unbegreifliches, und in seinen Tiefen abgründiges Werk von Mozart da<br />

erschaffen wird. Immerhin kann Salieri erkennen, dass er mit Mozarts Kompositionen ein die<br />

Grenzen des menschlichen Fassungsvermögens sprengendes Opus in den Händen hält, das er in<br />

seiner Tiefe weder verstehen, noch kopieren kann. Unerträglich leidet er deshalb an Mozarts Größe.<br />

Die leidenden Konkurrenten der Genies: Salieri und Baldini<br />

Auch Giuseppe Baldini weiß genau, dass er ein Stümper ist. Er empfindet Grenouille als Stachel in<br />

seinem Fleisch, weil er ihn als die Verkörperung seiner eigenen Unfähigkeit begreift. Um so mehr<br />

leidet er, weil sein Erfolg ausschließlich von seinem begnadeten Lehrling abhängt. Erst als dieser Paris<br />

endlich verlassen hat, fällt er zum ersten Mal seit Jahren in einen friedlichen Schlaf. Pech nur, dass es<br />

gerade sein Haus ist, das auf der Pont au Change in dieser Nacht zusammenstürzt und ihn begräbt.<br />

Doch Genie sein bedeutet noch mehr: Halten beide die künstlerischen Konventionen im eigenen<br />

Interesse scheinbar ein – Mozart um Geld zu verdienen, Grenouille um seinen Gesellenbrief zu<br />

erhalten – so fehlt ihnen auf anderen Gebieten jede Fähigkeit zur Einsicht in das, was den Menschen<br />

als richtige Form der Gestaltung des Lebens und des Zusammenlebens erscheint. Mozart wird immer<br />

wieder als derjenige dargestellt, der zu einem Leben nach bürgerlichen Maßstäben nicht in der Lage<br />

ist: Er arbeitet nachts, schläft bis Mittag, kann nicht mit Geld umgehen und gibt sich sinnlichen<br />

Genüssen exzessiv hin. In Formans Film wird seine extraordinäre Position in der Gesellschaft, die<br />

immer nur eine scheinbare Dazugehörigkeit ist, vor allem durch sein Faible für extravagante<br />

Perücken und sein hysterisches Lachen verdeutlicht.<br />

Auch Grenouille sprengt in diesem Zusammenhang die Konventionen. Allerdings kommt es bei ihm<br />

vordergründig nicht zu gesellschaftlichen Konflikten, weil er, anders als Mozart, auf die Gesellschaft<br />

nicht angewiesen ist. Grenouille benötigt die Frauen wie Mozart die Geselligkeit, um sein Genie<br />

radikal und gegen jede von ihm völlig unreflektierte Moral und ohne Rücksicht gegen sich selbst zu<br />

verwirklichen.<br />

Ein letzter Punkt: Das extreme Lebens des Genies freilich ist durch eine nach menschlichen<br />

Maßstäben kaum zu ertragende Einsamkeit geprägt: Mozart ist einsam, trotz seiner Frau, die ihn<br />

nicht versteht; und natürlich: auch Grenouille ist einsam. Das Genie kann niemals in der Gesellschaft<br />

aufgehen. Es strebt ausschließlich für sein Werk. Darin ist das Genie radikal und ohne jede<br />

Begrenzung egoistisch. Moralische Grenzen werden von ihm bewusst übergangen oder aber gar nicht<br />

erst zur Kenntnis genommen.<br />

Genies sind einsam. Sie streben ausschließlich für ihr Werk.<br />

Aus diesem Grund ist der Versuch, im Film eine Reflexionsebene anzudeuten, auf der Grenouille eine<br />

potentielle Liebe zu dem von ihm zuerst ermordeten Mädchen durchspielt, bei genauerer<br />

Überlegung eine traurige Konzession an die Erwartungen des Publikums. Durch die ästhetisch<br />

136


ansprechenden Rückblenden, in denen das Mädchen nicht tot ist, entsteht der Eindruck des<br />

Bedauerns und der Wehmut.<br />

Doch der Grenouille des Romans ist zu solchen Reflexionen und Gefühlen überhaupt nicht in der<br />

Lage. Er lässt sich am Ende dann auch nicht töten, weil er nicht geliebt würde, weil er einsam wäre,<br />

sondern deshalb, weil er sein Genie verwirklicht und den höchsten Gipfel erklommen hat, weil er<br />

tatsächlich der Herrscher der Welt, ja selbst ein neuer Messias sein könnte. Nein, er hat durch die<br />

Kreation seines perfekten Dufts das Göttliche in die Welt geholt, und ist, indem er alle Grenzen<br />

menschlichen Unvermögens überwunden hat, selbst zum Gott geworden; er steht auf dem<br />

allerhöchsten Gipfel, sein Leben hat sich erfüllt und eben deshalb kann er diese Welt auch verlassen<br />

und sterben.<br />

137


Was ist ein Podcast?<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Freitag, den 17. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Radio zum MitnehmenPodcasts sind kleine Radiosendungen oder Filmschnipsel, die über das<br />

Internet mit Hilfe einer dafür geschaffenen Software, z.B. das von Apple kostenlos angebotene<br />

itunes, abonniert werden können. Ein Vorteil von Podcasts ist, daß sich der Internetnutzer die<br />

Sendungen zeitversetzt auf seinem PC oder MP3-Player anhören kann. Jeder Nutzer stellt sich dabei<br />

sein eigenes Programm selbst zusammen. Der bekannteste, aber nicht beliebteste Videopodcast, ist<br />

der allwöchentliche von Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin möchte über diesen Kanal innovativ<br />

über ihre Politik informieren. Die Tagesschau, die Linkspartei, verschiedene Film-Podcasts, die Trailer<br />

von Kinofilmen zeigen, und viele mehr haben bereits einen eigenen Videopodcast etabliert.<br />

Angefangen hat das Podcasting mit Radiosendungen. Beliebt bei den Usern ist hier zum Beispiel der<br />

WDR-Podcast „Ditsche“ mit Olli Dittrich.<br />

Hören und Sehen, was dir wirklich gefällt.<br />

Jedoch soll jetzt nicht der Eindruck entstehen, daß Podcasting nur ein weiteres Werbemittel für die<br />

großen Radio- und Fernsehsender wäre. Weit gefehlt! Einen Podcast kann eigentlich jeder erstellen,<br />

der über ein billiges Mikrofon und einen PC verfügt. Und immer mehr nutzen diese Möglichkeit auch.<br />

Wer einen Podcast erstellen will, der muß einfach nur eine MP3-Datei erstellen beziehungsweise für<br />

ein Video eine MPEG-4-Datei.<br />

Das RSS-Feed macht es dann möglich, daß andere Nutzer die ins Internet gestellten Audio- und<br />

Videodateien kostenlos im Abonnement beziehen können.<br />

Zielgenaue Auswahl der gewünschten Inhalte<br />

Der Begriff „Podcast“ ist zusammengesetzt aus dem Gerät, womit man Radio und Fernsehen<br />

mitnehmen kann, dem iPod, und dem englischen „broadcast“ (zu deutsch: Rundfunk). Das Neue am<br />

Podcast ist nicht die Möglichkeit, Audio- und Videodateien anderen Nutzern im Internet zugänglich<br />

zu machen. Das geht schon lange. Neu ist, daß die Internetnutzer auf einfache Weise, sich ihr<br />

Programm selbst zusammenstellen können. Niemand muß sich<br />

seine Lieblingssendungen mühsam auf unzähligen WWW-Seiten zusammensuchen.<br />

Podcasts vereinfachen die Suche und Auswahl von Radio- und Fernsehsendungen. Nutzt dies und<br />

hört und seht künftig nur das, was euch wirklich interessiert.<br />

138


Punktlandung<br />

Geschrieben von: Miriam Spranger<br />

Montag, den 20. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Punktlandung“, so heißt eine junge Schülerband aus Mittweida. Demnächst findet ihr in diesem<br />

Onlinemagazin einen Bericht über sie. Und heute gibt es bereits einen ersten Liedtext von ihnen.<br />

[Anmerk. d. Red.]<br />

Zweifel<br />

Zweifel von mir aus daran, dass ich dir immer helfen kann<br />

Doch zweifel nie daran, dass ich versuch zu tun, was ich kann<br />

Und zweifel meinetwegen auch daran, dich immer zu versteh’n<br />

Doch zweifel nie daran, dass ich’s versuch.<br />

Zweifel ruhig daran, dass ich immer an deiner Seite geh’<br />

Doch vergiss’ dabei nicht, dass ich trotzdem hinter dir steh’<br />

Und zweifel immer noch daran, dass ich dir alles erzähl’<br />

Doch das bedeutet nicht, dass ich dich belüg’.<br />

Drum zweifel auch nicht an Versprechen, die ich dir geb’<br />

Denn sie zu halten ist das einzige, was zählt<br />

Im Grunde kannst du zweifeln, woran du willst<br />

Mit einer Ausnahme<br />

Zweifel nicht an mir …<br />

139


„Children of Men“: Keine Kinder, keine Hoffnung<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Donnerstag, den 23. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das Jahr 2027. Seit nunmehr 18 Jahren wurde weltweit kein einziges Kind mehr geboren, da ein<br />

unbekanntes Phänomen dazu geführt hat, dass alle Frauen unfruchtbar wurden. Die menschliche<br />

Spezies sieht ihrem baldigen Aussterben entgegen. Vor diesem Hintergrund bestimmen<br />

Hoffnungslosigkeit, Chaos und Gewalt den Alltag. Großbritannien bildet den letzten sicheren Ort und<br />

wird von illegalen Immigranten überschwemmt, die ihre in Chaos untergegangene Heimat auf der<br />

Suche nach Hoffnung und Schutz verlassen haben. Die britische Regierung reagiert mit restriktiver<br />

Behandlung der Illegalen und mit Isolation.<br />

Theo (Clive Owen) ist ein kleiner Beamter im Energieministerium. Seit dem Tode seines Sohnes hat er<br />

sich in sich selbst zurückgezogen. Sein Leben ändert sich schlagartig, als er von einer<br />

Terroristenbande entführt wird, zu deren führenden Mitgliedern auch seine Exfrau Julia (Julianne<br />

Moore) gehört.<br />

"Keine Kinder,keine Zukunft,keine Hoffnung."<br />

Er soll für eine illegale Immigrantin Transferdokumente besorgen, damit diese unbehelligt aus dem<br />

abgeriegelten London an die britische Küste reisen kann. Das Geheimnis der schwarzen Illegalen<br />

offenbart sich Theo erst später: Sie ist im achten Monat schwanger und damit die Hoffnung der<br />

Menschheit. Eine gefährliche und abenteuerliche Reise durch eine gottverlassene, hoffungslose Welt<br />

nimmt ihren Lauf.<br />

Ganz im Sinne des Zeitgeistes<br />

Oberflächlich betrachtet zeichnet Cuarón ein Bild von einer Zukunft, die durchaus möglich erscheint.<br />

Leider gelingt es ihm nicht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit möglichen Gründe für eine solche<br />

Zukunft aufzuzeigen und sich damit gegen den herrschenden Zeitgeist zu stellen.<br />

Kinderlosigkeit wird als plötzlicher Donnerschlag inszeniert, an dem ja niemand schuld ist, nicht etwa<br />

als Folge von Dekadenz, Atomisierung und Verantwortungslosigkeit. Der britische Staat wird als<br />

unmenschlich dargestellt, weil er sich der Flut von illegalen Immigranten erwehren will, die ja zu<br />

einer Destabilisierung dieser letzten Insel der Stabilität und zum totalen Untergang führen könnten,<br />

würde man – so scheinbar das Ansinnen des Regisseurs – sie „einfach reinlassen“. Der Gipfel an<br />

zeitgeistiger Linientreue manifestiert sich jedoch in der Person, die zur Rettung der Menschheit<br />

auserkoren ist: Eine schwarze, illegale Immigrantin. Und ihr Kind ist „natürlich“ ein Mädchen – was<br />

auch sonst?<br />

Nicht mehr, als Unterhaltung<br />

Dem Film gelingt wie kaum einem anderen seines Generes, ein Bild von einer möglichen, düsteren<br />

Zukunft realistisch zu zeichnen. Handwerklich und atmosphärisch ist „Children of Men“ sicher einer<br />

der besseren Filme der letzten Zeit, politisch leider jedoch so überkorrekt, dass er als<br />

zeitgeistkritisches Kunstwerk nicht taugen kann. Der Film hat nicht den Mut, die wahren Probleme<br />

unserer Zeit zu reflektieren und Tabus zu brechen, um wachzurütteln und zum tiefergehenden<br />

Nachdenken über die zeitgeistimmanenten Probleme – ethnische und kulturelle Konflikte,<br />

Zerstörung der Familie, geistige und soziale Verwahrlosung, Werteverfall, Vermassung - anzuregen.<br />

Was bleibt, ist deshalb im Grunde nur ein Film, der unterhalten kann, nicht mehr und nicht weniger.<br />

Aber das hat ja durchaus seine Berechtigung.<br />

140


Jubel bei allen arbeitslosen Sozialpädagogen<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Sonntag, den 26. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Amoklauf von Sebastian B. aus Emsdetten an seiner alten Geschwister-Scholl-Realschule freut<br />

alle arbeitslosen Sozialpädagogen. Sie können sich Hoffnung auf eine neue Arbeitsstelle in einer<br />

kriselnden Schule machen. „Vater Staat“ entsendet sicher bald eine neue Schar von<br />

verständnisvollen Sozialpädagogen und Psychologen an Schulen, um die Kriminalität von Schülern zu<br />

bekämpfen. Zudem wird er Initiativen zur Gewaltprävention mit Fördergeldern unterstützen. Wenn<br />

an Berliner Schulen Ausländer ihre Lehrer solange terrorisieren, daß diese sich nicht mehr imstande<br />

fühlen, regulären Unterricht abzuhalten, dann rufen Politiker und Journalisten schnell nach<br />

zusätzlichen pädagogischen Hilfskräften. Wenn irgendwo in Deutschland ein ehemaliger Schüler im<br />

altbekannten Schulhaus Amok läuft, hört man die gleiche Rhetorik. Immer soll der Staat etwas tun.<br />

Sozialpädagogen und Psychologen sollen die Integration von Außenseitern fördern und<br />

beschwichtigend in Konflikte eingreifen.<br />

Wo bleibt der Erfolg der Maßnahmen?<br />

Das Problem der Kriminalität an Schulen ist allen seit Jahren bekannt.<br />

Der Amoklauf des Sebastian B. aus Emsdetten ist nur ein auffälliges Beispiel für die Unruhen an<br />

Schulen. Die Beständigkeit von Gewaltexzessen zeigt jedoch, daß die bisher getroffenen Maßnahmen<br />

nicht gewirkt haben. Und trotzdem fragt kaum einer, ob es richtig ist, dieses Problem durch die<br />

Zuhilfenahme von staatlich eingesetzten Sozialpädagogen und Psychologen zu lösen.<br />

Woher kommt dieses riesige Vertrauen in die staatliche Allmacht? Bei den dringendsten Aufgaben in<br />

unserem Land versagt der Staat. So ist es in der Bildung. Und so ist es auch in der Bekämpfung von<br />

Gewalt.<br />

Eltern und Lehrer müssen ihre sozialen Aufgaben erkennen.<br />

Gewalt an Schulen verhindern, alle Schüler fordern und fördern ist nicht die Aufgabe von<br />

Sozialpädagogen, sondern eine selbstverständliche Aufgabe von Lehrern und Eltern. Nur weil diese<br />

häufig wegschauen, kommt es überhaupt zu der Vielzahl von Konflikten. Eltern und Lehrer und nicht<br />

pädagogische Hilfskräfte müssen das tun, was selbstverständlich klingt. Sie müssen sich vernünftig<br />

um ihre Kinder und Jugendlichen kümmern.<br />

Ein Jugendlicher, der an einen Sportverein gebunden ist, wird nicht den ganzen Tag mit<br />

„Ballerspielen“ vor dem Computer verbringen. Hier ist die Aufgabe der Integration. Lehrer und Eltern<br />

müssen dafür sorgen, daß ihre Kinder Gemeinschaften, Sport- oder Musikvereine finden, wo sie sich<br />

gut aufgehoben fühlen. Beim Musizieren kommt man nicht auf dumme Gedanken – zumindest nicht<br />

auf so dumme wie Sebastian B. aus Emsdetten.<br />

141


Schweigt!<br />

Geschrieben von: D.D.<br />

Mittwoch, den 29. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Ein Gedicht einer Chemnitzer Studentin:<br />

Schweigt!<br />

Wie ein Messer,<br />

das blutige Spuren zieht,<br />

narben sich die Worte<br />

in meine Rinde.<br />

Wie der Mond in der Nacht<br />

bin ich allein.<br />

Sternengruppen leuchten<br />

nur töricht und schwach.<br />

Wie eine Bleistiftmine<br />

breche ich<br />

unter der Last<br />

eurer Dummheit.<br />

Schweigt lieber,<br />

wie die Fische,<br />

statt sinnlos<br />

ätzende Säure zu spucken.<br />

142


Politisch korrekte Schreibweise<br />

Geschrieben von: Martin Delker<br />

Samstag, den 02. Dezember <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Immer öfter stößt man auf sogenannte geschlechtsneutrale, antisexistische Schreibweisen. Anfangs<br />

wurde zum Beispiel aus „Schüler“ „Schülerinnen und Schüler“. Der effektive Sinn solcher<br />

Schreibweisen erschließt sich dem Verfasser allerdings nicht. Hat sich doch vor wenigen Jahren noch<br />

jeder damit angesprochen gefühlt und außer ein paar radikalen Feministinnen dürfte sich auch eine<br />

Frau nicht diskriminiert gefühlt haben. Nachdem sich diese Formulierungen jedoch als zu aufwendig<br />

erwiesen haben, kam „Schüler/innen“ auf. Auch andere Satzteile lassen sich so geschlechtsneutral<br />

schreiben, wie „jede/r“. Das mag zwar kürzer und weniger umständlich erscheinen, bringt jedoch<br />

ästhetische Einbußen und Schwierigkeiten beim Lesen mit sich. In jüngster Zeit setzt daher die<br />

Schreibweise „SchülerInnen“ durch.<br />

Von Schülerinnen und Schülern, Schüler/innen zu SchülerInnen<br />

Auf immer mehr öffentlichen Mitteilungen findet man das sogenannte Binnen-I. In Österreich ziert es<br />

mittlerweile sogar schon Verkehrschilder. Dort wollte man auch die Nationalhymne<br />

geschlechtsneutral formulieren. Aber das alles ist für manchen Sprachreiniger noch lange nicht<br />

genug.<br />

Das Wort „man“ sei auch sexistisch und müsse durch „mensch“ ersetzt werden. Man könnte ja<br />

darüber lachen, würden nicht immer mehr Personen solche geschlechtsneutralen Formulierungen<br />

benutzen.<br />

Kuriose Blüten treibt das ganze schon jetzt, wenn zum Beispiel laut einer „Bibel in gerechter Sprache“<br />

im alten Israel Pharisäerinnen und Pharisäer predigten. Oder man hört von Burschenschaften, die<br />

während der Befreiungskriege von Studentinnen und Studenten gegründet wurden. Es sollen auch<br />

schon auf Vereinsfesten „Mitgliederinnen und Mitglieder“ begrüßt worden sein.<br />

Man stelle sich nun aber vor, daß Vertreter des männlichen Geschlechts ähnliches einfordern.<br />

Werden dann männliche Personen „geerzt“ statt gesiezt? Was passiert mit der dritten Person Plural?<br />

Man könnte sich ja dann vielleicht auf „sier“ einigen. Die Schäden, die solch ein vollkommen<br />

übertriebener Gleichstellungswahn an der deutschen Sprache und deutschem Kulturgut anrichtet<br />

und anrichten wird, müssen wohl nicht weiter erläutert werden.<br />

143


Mensch und Computer<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 05. Dezember <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Computer können alles messen. Sie spionieren die Menschen aus. Ein kurzes Flanieren des Menschen<br />

durch das weltweite Netz genügt dem Computer, um dessen Wünsche und Interessen zu erfassen.<br />

Der Mensch schaut bei dem Bücherladen amazon.de vorbei und sucht nach ein paar Büchern und<br />

CDs.<br />

Beherrschen Computer den Menschen?<br />

Der Computer speichert sogleich die Literaturvorlieben des Menschen. Beim nächsten Besuch auf<br />

amazon.de unterbreitet der Computer dem Menschen bereits auf ihn zugeschnittene<br />

Literaturvorschläge, wenn dieser noch nicht einmal richtig zur Tür reingekommen ist.<br />

Die Fähigkeiten des Computers übersteigen die des Menschen. Der Computer merkt sich alles und<br />

errechnet binnen weniger Sekunden treffsichere Prognosen. Ist der Computer deshalb ein<br />

metaphysisches Wesen? Ein Schreckgespenst oder vielleicht sogar Gott?<br />

Der Computer weiß alles über Sie. Obwohl der Mensch eifrig behauptet „Alle Menschen sind gleich.“<br />

hat der Computer diese These längst widerlegt und nutzt die Ungleichheit der Menschen aus.<br />

144


Packende Action und echtes Agentenflair<br />

Geschrieben von: Wolfgang Frei<br />

Montag, den 11. Dezember <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Fertigstellung von Mission Impossible 3 war langwierig, denn Regisseur sowie Schauspieler<br />

wurden ausgetauscht und der Starttermin des Films mehrmals verschoben. Am Ende bekam TV-<br />

Starregisseur JJ Abrams den Zuschlag, der mit Alias und Lost gerade die TV-Landschaft eroberte. Dank<br />

Alias hatte er schon ausgiebig Erfahrung im Agentengenre vorzuweisen und Tom Cruise wurde auch<br />

aus diesem Grunde auf ihn aufmerksam. Cruise ließ Abrams erstaunlich viel freie Hand. Dieser nutze<br />

das aus und holte praktisch sein gesamtes Alias-Team mit an Bord. So überrascht es dann auch nicht,<br />

dass der Film genauso gut den Titel „Alias: Der Film“ hätte tragen können.<br />

Mission Impossible 3<br />

Die Parallelen sind mehr als deutlich. Dies ist aber keine Kritik. Denn dank JJ Abrams bekommt man<br />

nach dem schwachen zweiten Teil endlich wieder einen Actionfilm vorgesetzt, der zwar eine 08/15-<br />

Story besitzt, jedoch wieder Agentenflair und packende Action hat. Zudem ist Owen Davian einer der<br />

besten Bösewichte seit langem. Auf Grund der guten schauspielerischen Leistungen und der super<br />

Inszenierung ist der Film eines der Unterhaltungshighlights <strong>2006</strong>. Man sollte einfach ohne Vorurteile<br />

gegenüber Tom Cruise an den Film rangehen. Seine privaten Eskapaden waren wohl<br />

hauptverantwortlich dafür, dass der Film im Kino etwas untergegangen ist. Am Film selbst kann es<br />

jedenfalls kaum gelegen haben.<br />

Paramount spendiert dem Actionkracher leider nur eine durchwachsene DVD. Das Bild ist bestenfalls<br />

als durchschnittlich zu bezeichnen. Dafür kriegt man einen guten Sound. Die Extras sind für eine<br />

Single Disc OK. Für alle Fans von guten Actionkrachern gibt’s dennoch eine Kaufempfehlung von mir.<br />

Anmerkung der Redaktion: Diesen Artikel haben wir aus der größten Kölner Schüler- und<br />

Jugendzeitung Objektiv übernommen. Für die Genehmigung möchten wir uns bei der Redaktion der<br />

Objektiv bedanken.<br />

145


<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> 20<strong>07</strong><br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 14. Dezember <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Im März <strong>2006</strong> startete dieses Onlinemagazin. Seitdem sind regelmäßig Artikel zu Kultur, Jugend und<br />

Zeitgeschehen erschienen. Etwa zwanzig Autoren haben sich an unserem Onlineprojekt beteiligt.<br />

Die Kontinuität der Onlineausgabe der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> hat uns nun dazu veranlaßt, unsere<br />

Konzentration gänzlich dem Onlinemagazin zu widmen. Im Februar 20<strong>07</strong> präsentieren wir deshalb<br />

eine weiterentwickelte Version von blauenarzisse.de.<br />

Drei konkrete Neuerungen planen wir derzeit:<br />

Erstens stellen wir von der Blogsoftware, die wir derzeit benutzen, auf ein kostenloses Content<br />

Management System um. Dadurch können wir die Seiten dieses Onlinemagazins facettenreicher<br />

gestalten und einige neue Experimente wagen.<br />

Zweitens wird man nicht mehr nur von uns lesen, sondern man wird auch von uns hören. Wir starten<br />

ab Februar 20<strong>07</strong> einen eigenen Podcast. Monatlich werden wir ein kleines Wortprogramm zum<br />

Hören produzieren und ins Netz stellen. Sollte uns bis Februar niemand zuvorkommen, dann ist unser<br />

Podcast der erste konservative auf dem Markt. Was ein Podcast ist, haben wir vor nicht allzu langer<br />

Zeit erklärt.<br />

Drittens machen wir uns derzeit Gedanken, wie wir ein anständiges Blog organisieren bzw. ein<br />

kleines Blognetzwerk von nonkonformen Denkern aufbauen können. Genaues können wir noch nicht<br />

sagen. Bis jetzt ist angedacht, ein Expertenblog zum Thema „Die Zukunft unserer Medien“<br />

einzurichten und zusätzlich jedem unserer Leser anzubieten, ein eigenes Blog aufzubauen.<br />

Wichtig ist uns hierbei, verantwortungsvoll mit dem Bloggen umzugehen. Zur großflächigen<br />

Archivierung von Belanglosigkeiten über das Internet möchten wir nicht beitragen. Unsere Blogs<br />

sollen vielmehr interessante Stichpunktzettel gespickt mit guten Beobachtungen und<br />

Gedankenexperimenten werden.<br />

Wir möchten die Möglichkeiten der „Neuen Medien“ ausloten und einen verantwortungsvollen<br />

Umgang mit Innovationen aufzeigen. Konservative beschäftigen sich bisher nur marginal mit<br />

innovativen Medienstrategien. Dies muß sich ändern. Unsere Vorhaben bieten dafür erste Ansätze.<br />

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Ein Symptom dieser Gesellschaft<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Sonntag, den 17. Dezember <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der „Fall Stephanie“ und die Geschehnisse rund um die Gerichtsverhandlung des Vergewaltigers,<br />

Mario Mederake, haben die Bundesrepublik in der jüngsten Zeit aufgewühlt.<br />

Öffentliche Entrüstung, hilflose Suche nach Erklärungen oder gar Forderungen nach dem Tod des<br />

Sexualverbrechers prägten die Stimmung, welche besonders durch Boulevardmedien katalysiert und<br />

verstärkt wurde. Ohne Zweifel sind die Taten von Mederake für einen gesunden Menschen<br />

unbegreiflich, jedoch bleibt zu fragen, ob der Täter wirklich das „Monster“ (Dresdner Morgenpost)<br />

oder die „feiste Sex-Bestie“ (Berliner Kurier) ist, zu der er stilisiert wurde, ob er also wirklich nur die<br />

kranke, perverse Ausnahme einer ansonsten moralisch gesunden Regel ist und in wie weit die<br />

(mediale) Öffentlichkeit durch den „Fall Stephanie“ einen medialvoyeuristischen Trieb auslebte und<br />

von der eigenen Verkommenheit mittels hypermoralistischer Aufwallung abzulenken versuchte.<br />

Das Verbrechen<br />

Am Morgen des 11. Januar <strong>2006</strong> entführt der 36-jährige Mederake die damals 13-jährige Stephanie.<br />

Er lauert ihr auf dem Weg zur Schule auf und zerrt sie in sein Auto. Noch am gleichen Tage<br />

alarmieren die Eltern die Polizei. Von diesem Zeitpunkt an beginnt für die Schülerin ein<br />

fünfeinhalbwöchiges Horrorszenario, in dem sie jede vorstellbare und unvorstellbare Form von<br />

Vergewaltigung und Peinigung über sich ergehen lassen muss.<br />

Die Polizei tappt bei ihren Ermittlungen wochenlang im Dunklen, kommt nicht voran mit der Suche<br />

nach Stephanie. Fast einen Monat nach der Entführung des Mädchens setzten die Eltern eine<br />

Belohnung für Hinweise aus.<br />

Am 15. Februar endlich wird Stephanie in Dresden, nur wenige hundert Meter von ihrem Elternhaus<br />

entfernt, aus der Wohnung von Mederake befreit, nachdem ein Passant einen vom Opfer verfassten<br />

Hilferufzettel mit Hinweis auf den Entführungsort findet, den Stephanie bei nächtlichen Zwangs-<br />

„Spaziergängen“ mit dem Täter hat unbemerkt fallen lassen können. Die Polizei nimmt daraufhin den<br />

arbeitslosen Anlagenbauer fest. Am nächsten Tag wird gegen den vorbestraften Kinderschänder<br />

Haftbefehl erlassen. Der sächsische Innenminister räumt nach dem Aufkommen von massiven<br />

Vorwürfen Pannen bei den Ermittlungen im „Fall Stephanie“ ein.<br />

Der „Fall“ und die (mediale) Öffentlichkeit<br />

Mit der Befreiung Stephanies aus der Gewalt ihres Peinigers beginnt das mediale Interesse<br />

aufzuflammen. Das Mädchen schildert im „Spiegel“ und in der ZDF-Sendung „Johannes B. Kerner“ ihr<br />

Martyrium, im „Focus“ meldet sich die Familie des Opfers zu Wort. Kontroverse Diskussionen über<br />

das Für und Wider der öffentlichen Auftritte von Stephanie sind die Folge.<br />

Als die Staatsanwaltschaft Dresden am 6. November Anklage erhebt, erreicht die mediale<br />

Aufmerksamkeit gegenüber dem Täter eine neue Qualität. Bei der Anklageverlesung im Dresdner<br />

Landgericht springt der Angeklagte auf, schreit um sich und kann nur durch das Eingreifen von sechs<br />

Justizbeamten mit Mühe gebändigt werden. Es soll nicht die letzte aufsehenerregende Aktion des<br />

Sexualstraftäters Mederake während der Gerichtsverhandlung bleiben.<br />

Zwei Tage später schon gelingt dem Angeklagten auf Grund lascher Sicherheitsmaßnahmen die<br />

Flucht auf das Dach der JVA. Statt den Sexualstraftäter sofort von dort entfernen zu lassen, werden<br />

Psychologen eingesetzt, Decken und Lebensmittel gereicht. Mederake bleibt 20 Stunden lang auf<br />

147


dem Dach, bis er freiwillig von dort wieder zurückkehrt. Die Bilder des Peinigers von Stephanie, der<br />

auf dem Dach stehend das Opfer, die gesamte Justiz, diesen Staat und diese Gesellschaft verhöhnt<br />

und jedem den laschen Umgang dieser Gesellschaft mit Sexualverbrechern vor Augen führt, gehen<br />

durch das ganze Land. Die Empörung ist riesig.<br />

Das Urteil<br />

Die Gerichtsverhandlung wird nach diesem Vorfall fortgesetzt. Der psychologische Gutachter<br />

attestiert Mederake eine „seelische Abartigkeit“ und eine „Persönlichkeitsstörung“, hält ihn für voll<br />

schuldfähig. Auf Grund einer erkannten „anhaltenden Gefährlichkeit“, empfiehlt er die<br />

„Sicherheitsverwahrung“ im Anschluss an die Haftstrafe.<br />

Am 14. Dezember fällt das Urteil gegen Mederake. Er wird zu 15 Jahren Haft wegen Geiselnahme,<br />

Vergewaltigung, sexuellem Kindesmissbrauchs und Körperverletzung verurteilt und es wird<br />

anschließende Sicherheitsverwahrung angeordnet – Höchststrafe.<br />

Stephanies Eltern bekunden Erleichterung, die Medien nehmen das Urteil wohlwollend zur Kenntnis.<br />

Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan. Alles im Lot also. Wirklich?<br />

Die dünne Trennlinie<br />

So schnell wie der Fall die mediale Öffentlichkeit beherrschte, so schnell ist er wieder aus selbiger<br />

verschwunden. Eine tiefergehende Diskussion über die Frage nach dem „Warum?“ hat nicht<br />

stattgefunden. Medien, Politiker und Bürger konnten sich einmal mehr in moralistischem<br />

Fingerzeigen üben. Man hatte eine perverse, zu tiefst böse Gestalt gefunden, der man die ganze<br />

Abartigkeit dieser Gesellschaft anlasten und sie einer kollektiven Beichte gleich, für alle eigenen<br />

Sünden, Verfehlungen und Irrungen verurteilen konnte.<br />

Auf eine sehr bequeme Art und Weise wurde so das Gewissen der Massen und Verantwortlichen<br />

entlastet, ohne dass auch nur ein unbequemer Gedanke daran verschwendet werden musste, wie<br />

dünn heute die Trennlinie zwischen akzeptierten und beförderten Perversionen und den brutalen<br />

Taten Mederakes und anderer, zwischen dem möglichst störungsfreien und konsequenzlosen<br />

Konsumieren von Befriedigungen und dem Verbrechen ist.<br />

Mederake ist mit Nichten das allein Böse in einer sonst heilen Welt. Er ist in erheblichem Maße ein<br />

Produkt dieser Gesellschaft, ein Indikator, welcher die in ihr wohnenden Abgründe unabweisbar an<br />

das Licht des Tages befördert. Er ist ein Symptom dieser Gesellschaft, nicht ihre eigentliche<br />

Krankheit.<br />

148


Über Helmut Kraussers Eros<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Mittwoch, den 17. Januar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Mit dem Todestrieb beschäftigte sich Helmut Krausser in seinem Roman „Thanatos“. In seinem<br />

neuesten Roman „Eros“ ist der Liebestrieb dran. Ein anonym bleibender Ich-Erzähler bringt die<br />

Lebensgeschichte des millionenschweren Industriellen Alexander von Brücken, der seine einzige<br />

Lebensaufgabe darin sieht, seiner Jugendliebe nachzueifern, in Romanform. Der Millionär Alexander<br />

von Brücken steigert sich in eine krankhafte Obsession zu seiner Jugendliebe Sofie hinein, die die<br />

Umbrüche in der deutschen Nachkriegsgeschichte leibhaftig miterlebt. Sofie findet in ihrem Leben<br />

nichts endgültiges, wonach sie sich richten möchte. Sie findet nie den passenden Mann und nie die<br />

passende politische Ideologie. Alexander von Brücken hat dieses endgültige bereits mit 14 Jahren<br />

gefunden und es läßt ihn Zeit seines Lebens nicht mehr los.<br />

Die Moderne, in der wir und Kraussers Romanfigur von Brücken leben, hat alle Autoritäten<br />

dekonstruiert. Gott ist tot. Es gibt keine kräftige Nation mehr, die unmißverständliche Pflichten<br />

verteilt und auf die Vernunft können wir auch nicht mehr vertrauen. Der Mensch ist sich selbst<br />

überlassen. Er fühlt sich nicht mehr einer Autorität unterworfen, sondern versucht nur noch, im<br />

pseudorationalistischen Zeitalter mitzukommen.<br />

Trotz der geistigen Armut unserer Tage herrscht Zufriedenheit in unserer Gesellschaft. Allein die<br />

wenigen, die ihr Leben nach etwas ideellem ausrichten wollen, suchen verzweifelt nach<br />

Möglichkeiten. Um die dekadente Gesellschaft als Suchender nach endgültigen Verbindlichkeiten<br />

durchzustehen, gibt es zwei Varianten.<br />

Die eine Variante ist ein ganzheitliches Leben: Gemäß dem humanistischen Bildungsideal der<br />

Dekadenz die eigene aufrechte Haltung entgegensetzen. Wer ein ganzheitliches Leben pflegt, der ruft<br />

sich selber die Aufforderung zu, ein anständiges Leben in einer Gesellschaft zu führen, die auf<br />

Anstand pfeift.<br />

Die Frage ist, ob es in einer solchen Gesellschaft nicht lächerlich wirkt, aufrecht und anständig zu<br />

gehen. Gewürdigt wird der aufrechte Gang jedenfalls nicht.<br />

Der andere Ausweg ist die Ausrichtung des eigenen Lebens auf einen einzigen großen Wurf, auf eine<br />

kleine fixe Idee. Der Mensch kann sich zum Beispiel durch Kunst eine künstliche Transzendenz<br />

schaffen. Oder doch nicht? Mit dem Durchbruch des allgegenwärtigen Journalismus, der kritischen,<br />

häufig unzureichend reflektierten Kommentierung von allem und jedem, und der Industrialisierung<br />

der Künste wird diese letzte Bastion, diese letzte Möglichkeit, Transzendenz herzustellen,<br />

verschwindend gering.<br />

Der große Wurf in einer kaputten Gesellschaft gelingt in Form von Kunst nur den allerwenigsten. In<br />

Form von Politik kann dieser Wurf wohl überhaupt nicht mehr gelingen. Für den<br />

überdurchschnittlichen, aber nicht genialen, und für das gescheiterte Genie gibt es entlang dieses<br />

zweiten Ausweges nur eine Möglichkeit, den großen Wurf beziehungsweise die kleine fixe Idee zu<br />

verwirklichen. Eine letzte, traurige Variante liegt in der Obsession, in einer krankhaften, vollkommen<br />

irrationalen Zwangsvorstellung einem Gegenstand oder einer Person gegenüber.<br />

Alexander von Brücken ist so einer: überdurchschnittlich begabt und wirtschaftlich erfolgreich ohne<br />

großes Zutun. Dennoch würde seinem Leben ohne die krankhafte Sehnsucht nach Sofie etwas fehlen.<br />

Helmut Krausser gelingt es mit „Eros“ einmal mehr, ein „Ich“ zu inszenieren, welches Auswege aus<br />

149


einer Welt voller Leere sucht. Kraussers Protagonisten, diesmal Alexander von Brücken, finden dabei<br />

immer wieder groteske Auswege aus der eigenen Verlorenheit.<br />

Einen Kritikpunkt muß sich Krausser jedoch anhören. In „Eros“ führt er Alexander von Brücken durch<br />

die Nachkriegszeit mit ihren entscheidenden Umbrüchen, der 68er Studentenrevolte, dem<br />

Linksterrorismus in den 70er Jahren und der deutschen Teilung. Diese Umbrüche und die Rahmung<br />

des Romans bleiben leider viel zu farblos. Alles geschieht so, wie es der Leser erwartet.<br />

Sofie wird in ihrer Studentenzeit Marxistin, beteiligt sich in den 70ern an Banküberfällen und landet<br />

in den 80ern im DDR-Exil. Alexander von Brücken eifert ihr immer nach. Entweder er oder einer<br />

seiner Kontaktmänner trifft sie über die Jahre hin und wieder oder bewahrt sie vor einem<br />

Schicksalsschlag. Die Nachkriegsgeschichte und die Geschichten von Sofie und Alexander von<br />

Brücken wirken den gesamten Roman über ziemlich einfallslos.<br />

Helmut Krausser liegt mit „Eros“ nicht vollkommen daneben, doch er hat schon besseres<br />

geschrieben. „Eros“ kommt nicht an die Qualität von „Thanatos“, „Fette Welt“ oder der<br />

„Schmerznovelle“ heran.<br />

150


Die Realität des Linksextremismus<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Mittwoch, den 24. Januar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Gefahr, welche durch die extreme Linke für unser Land ausgeht, wird medial und politisch<br />

unterschätzt oder bewusst verharmlost. Doch wie ist es um jene Seite der politischen Landschaft<br />

bestellt, gegen die man keinen „Kampf“ ausgerufen hat, gegen die sich kein „zivilgesellschaftliches<br />

Engagement“ richtet? Zahlen und mehr<br />

Die Verfassungsschutz-Statistik verzeichnet für das Jahr 2005 eine Gesamtzahl der linksextremen<br />

Straftaten von 2305. Deutlich weniger also, als die Gesamtzahl der rechtsextremen Straftaten. Ist<br />

damit nicht schon die höhere Gefährlichkeit des Rechtsextremismus belegt? Wenn man bei dieser<br />

oberflächlichen Betrachtung bleiben würde mit Sicherheit. Wir aber wollen uns diese Zahlen einmal<br />

genauer ansehen.<br />

Im Zeitraum 2005 verzeichnete die Polizei von den linksextremistischen Gewalttaten von 896,<br />

darunter eine versuchte Tötung. Dies macht einen Anteil von 39%(!) an den linksextremen<br />

Gesamtstraftaten. Bei den übrigen 1 409 (61%) linksextremen Straftaten, die nicht als „Gewalttaten“<br />

eingestuft werden, handelt es sich interessanterweise in der Mehrheit (713) um<br />

Sachbeschädigungen. Wie Sachbeschädigungen ohne den Einsatz physischer Gewalt zu Stande<br />

kommen, muß dem neutralen Beobachter allerdings ein Rätsel bleiben.<br />

Unter den linksextremen Gesamtstraftaten findet sich jedoch kein einziges Propagandadelikt. Zu<br />

erklären ist dies ganz einfach damit, daß es für Linke nicht möglich ist, sogenannte<br />

„Propagandadelikte“ zu begehen. Steht beispielsweise das Zeigen der Hakenkreuzfahne in der<br />

Bundesrepublik unter Strafe, so ist es demgegenüber keine Straftat, die Fahne der<br />

menschenvernichtenden UdSSR-Diktatur oder auch jene des DDR-Regimes öffentlich zu zeigen.<br />

Das vom Verfassungsschutz geschätzte linksextreme Personenpotential lag im Jahr 2005 bei 30.600.<br />

Damit macht das Personenpotential des Linksextremismus im Vergleich zu dem des<br />

Rechtsextremismus rund 22% weniger aus.<br />

Höhere Gewalttätigkeit von links<br />

Was ist aber der Unterschied von Links- und Rechtsextremismus, der die Behauptung einer<br />

besonderen Gefährlichkeit des Rechtsextremismus und die Verharmlosung des Linksextremismus<br />

rechtfertigt? Welche besondere und schwerwiegende Begründung liegt vor, wenn im „Kampf gegen<br />

Rechts“ – also in der Bekämpfung eines ganzen politischen Spektrums, angefangen von<br />

Rechtsliberalen, über Konservative bis hin zu tatsächlichen oder mutmaßlichen Neonazis bzw.<br />

Rechtsextremisten – 21 Millionen Euro an Steuergeldern durch die Bundesregierung ausgegeben<br />

werden?<br />

Grundlage dafür können jedenfalls nicht die nackten Zahlen des Bundesamtes für Verfassungsschutz<br />

bezüglich der Gewaltbereitschaft der jeweiligen Vertreter des Links- bzw. Rechtsextremismus sein.<br />

Auf Grundlage genau dieser Zahlen muß man eigentlich zur umgekehrten Schlußfolgerung kommen,<br />

denn trotz des 22% geringeren Personenpotentials des Linksextremismus im Vergleich zum<br />

Rechtsextremismus, wurden nur 7% weniger Gewalttaten von Linksextremisten begangen. Würden<br />

Sachbeschädigungen als „Gewalttaten“ mitgezählt werden, würde sich die Gesamtzahl linksextremer<br />

Gewalttaten nochmals fast verdoppeln. Statistisch gesehen kommen damit auf jeden<br />

151


Linksextremisten 0,029 Gewalttaten im Zeitraum 2005, auf jeden Rechtsextremisten jedoch nur<br />

0,025. Damit ist eine höhere Gewalttätigkeit des Linksextremismus statistisch belegt.<br />

Konsequenzen ziehen<br />

Angesichts der vorliegenden Zahlen ist das Verhalten des medialen und politischen Establishments<br />

verantwortungslos. Wer die signifikante Gefahr, die höhere Aggressivität und Gewalttätigkeit linker<br />

Extremisten verharmlost oder verschweigt, der macht sich zum Mittäter.<br />

Primär Politik und Medien stehen in der Pflicht, nicht länger wegzusehen, wenn unter dem<br />

Deckmantel beispielsweise sozialistischer, mulikultureller, antifaschistischer usw., also linker<br />

Zielsetzungen Gewalt gegen (andersdenkende) Menschen oder Sachen ausgeübt wird.<br />

Jedoch fängt die Verantwortung für ein offenes, tolerantes und freiheitliches Meinungsklima bei<br />

jedem Bürger selbst an. Es darf nicht weggesehen oder verharmlost werden, wenn Linke andere<br />

Menschen beleidigen oder angreifen. Hier wäre die vielbeschworene „Zivilcourage“ wirklich<br />

angebracht.<br />

152


Sei doch auch mal totalitär!<br />

Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />

Montag, den 19. Februar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Manchmal entdecke ich merkwürdige Nachrichten, ob im Netz oder in der Zeitung, bei denen ich<br />

einfach nur noch staune, weil ich sie nicht verstehe. Geht euch das auch so? Hat ihr nicht auch<br />

manchmal das Gefühl, dass wir den 1. April haben? Irgendwer will mich hinters Licht führen, denke<br />

ich mir dann, aber ich täusche mich dabei. Es stimmt tatsächlich und damit bleibt nur eine Frage<br />

offen: Wie gehe ich damit um? Nehmen wir ein Paradebeispiel:<br />

Schulischer Erziehungsauftrag<br />

2003 fanden Demonstrationen gegen den Irak-Krieg statt und in den Medien waren dabei sehr viele<br />

Schülerdemonstrationen zu finden. Um euch jetzt die Utopie von einer 100%-Quote zu nehmen, sei<br />

nur gesagt, dass ich des Öfteren nicht anwesend war, da Mister Bush die Schreie aus Chemnitz im<br />

Weißen Haus sicher nicht gehört hätte. Der Grund ist aber sowieso völlig egal, denn zu<br />

Demonstrationen sollte niemand gezwungen werden – logisch – wir leben ja nicht in der DDR. Eine<br />

Schuldirektorin (Marie-Luise Bock, nennen wir sie Böcki) in Herten-Westerholt (NRW) sieht das ein<br />

wenig anders, wahrscheinlich will sie auch mal Sozialismus spielen. Ist ja auch toll, wenn alle<br />

Sozialisten sind! Die Anderen werden halt erschossen oder nur schikaniert. Böcki´s humaner<br />

Gesinnung ist es wohl zu verdanken, dass zwei Schülerinnen nur Letzteres ertragen müssen. Worum<br />

ging es?<br />

Sozialismus spielen mit Schülern<br />

Die Schule plante im Rahmen von Projekttagen gegen Rassismus ebenfalls eine Demonstration, bei<br />

der jedoch die 100%-Quote erreicht werden sollte. Das fanden die Sozialisten ja schon früher ganz<br />

toll. Unglücklicherweise weigerten sich die bereits erwähnten Schülerinnen daran teilzunehmen,<br />

nicht weil sie Rassisten sind, sondern weil der Meinung waren, ein hier lebender Ausländer müsste<br />

sich der „deutschen Art“ anpassen.<br />

Alle müssen gegen Rassismus marschieren!<br />

Das Wort „deutsch“ brachte für Böcki wohl das Faß zum Überlaufen. Man hätte schließlich im<br />

Unterricht intensiv über „Nazi-Vokablular“ wie „Arier“, „Herrenrasse“ und eben auch „deutsche Art“<br />

gesprochen. Ob es dabei um die Gefahr von Essen nach Deutscher Art ging und inwiefern Sauerkraut,<br />

aufgrund der Vermischung verschiedener Sorten durch die Globalisierung, überhaupt noch arisch ist,<br />

konnte leider nicht ermittelt werden. Jedenfalls mussten die beiden VerbrecherInnen eine<br />

Stellungnahme abgeben, wieso sie nicht zu Demonstration gingen.<br />

Zurück zum Ernst des Lebens<br />

Es ist in der Tat bitter, wenn Direktoren, die de facto eine Machtposition gegenüber ihren Schülern<br />

besitzen auf Mittel zurückgreifen, die Zwang bedeuten und jegliche Erziehung zu einem mündigen<br />

und freigeistigen Bürger unterbinden. Auch der stille Aufschrei in den Medien wird diesen<br />

couragierten jungen Menschen nicht weiterhelfen, wenn diese Frau nicht aus ihrem Beruf entfernt<br />

wird. Jetzt könnten Wochen und Monate folgen, in denen Rache ausgeübt wird. Um wieder formal zu<br />

werden: Frau Marie-Luise Bock, Menschen wie Sie, sollten sich schämen!<br />

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Bravo, Frau Künast!<br />

Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />

Montag, den 19. Februar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Nicht umweltgerechte Autos von deutschen Autobauern veranlassten Frau Renate Künast (Bündnis<br />

90/Die Grünen) zu dieser Aussage in der „Financial Times Deutschland“:<br />

"Leute, kauft Hybrid-Autos von Toyota!“<br />

An der Herstellung von "Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ waren im Jahr <strong>2006</strong> in Deutschland laut<br />

Statistischem Bundesamt 802.000 Beschäftigte beteiligt. Die Exportquote betrug 53,8 Prozent.<br />

Gerade letzteres wird Hybrid-Autos aus Deutschland wahrscheinlich machen, wenn es eine<br />

entsprechende Nachfrage gibt, die ein Unternehmen sicher nutzen wird.<br />

Wenn die Verbraucher, für die Frau Künast mal als Ministerin tätig war, diese Aussage jedoch<br />

wörtlich nehmen sollen, hätten wir wohl bald einige Arbeitslose mehr in diesem Land. Dieses<br />

Szenario ist natürlich vollkommen unrealistisch, wäre aber aus der Perspektive der Grünen-<br />

Fraktionschefin im Bundestag durchaus konsequent, wenn sich an den Motoren von deutschen Autos<br />

nichts ändert. Hieraus lässt sich ein hoher Stellenwert der Ideologie ablesen. Außerdem geht die<br />

Aussage mit den stärkeren radikal-ökologischen Meinungen innerhalb der Grünen Partei konform,<br />

womit das Profil als Oppositionspartei geschärft werden soll. Eigentlich sollte es bei Existenzfragen<br />

von Menschen darum nicht gehen, denn in erster Linie ist Frau Künast als Vertreterin des deutschen<br />

Volkes in den Bundestag eingezogen. Von dem sollte man als Politiker eigentlich Schaden abwenden<br />

und nicht zufügen. Zumindest ausländische Händler und Verbraucher dürften solche Aussagen in<br />

diesem Kontext auch irritieren.<br />

Irritiert dürfte auch jedermann beim Lesen der nächsten Forderung sein, welche schon etwas älter<br />

ist.„Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) hat dazu aufgerufen, deutsche Produkte zu<br />

kaufen und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen. Jeder könne etwas für mehr Beschäftigung in<br />

Deutschland tun. "Er muss sich überlegen, wo die Produkte hergestellt sind, die er kauft", sagte<br />

Künast der Bild am Sonntag. "Die Babypuppen kommen alle aus China, die Strampler aus der Türkei,<br />

die Turnschuhe aus Vietnam. Das gibt es alles auch von deutschen Herstellern." Weitere<br />

Kommentare erübrigen sich damit.<br />

154


Triumphzug der Massen<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 20. März 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Triumphzug der MassenIn und vor manchen Diskotheken rottet sich der gesamte gesellschaftliche<br />

Mob zusammen. Dieser Mob benimmt sich so affig, wie es kein Individuum je allein blicken lassen<br />

würde. Ähnliches gilt für politische Demonstrationen: Auch hier verlieren die Beteiligten jeglichen<br />

Sachverstand und hören stumpf auf die populistischsten Marktschreier. Hinter all diesen<br />

Zusammenrottungen steckt das soziologische Phänomen der Masse. Wenn sich einzelne Individuen<br />

zu Massen zusammenrotten, erkennt man sie nicht wieder.<br />

Eine Masse entsteht, wenn eine Menge von Menschen sich zusammenrottet und ein gemeinsames<br />

Bewusstsein entwickelt. Die Angehörigen der Masse verlieren dabei ihr individuelles Bewusstsein<br />

und geben die eigenen intellektuellen Fähigkeiten zugunsten des nivellierenden Charakters der<br />

Masse auf. In der Masse herrscht Gleichheit und die Charaktereigenschaften der Beteiligten<br />

verkehren sich in ihr.<br />

Die Masse ist dumm und aggressiv.<br />

Welche Eigenschaften die Masse ausbildet, dazu hat Gustav Le Bon (1841-1931) in „Psychologie der<br />

Massen“ Anhaltspunkte gegeben. Le Bon erklärt, warum sich der Mensch in der Masse anders<br />

benimmt als allein. Während das Individuum reflektiert, überlegt und relativ vernünftig handelt,<br />

schlägt dieses Verhalten in einer Masse in das blanke Gegenteil um. Menschen in einer Masse<br />

werden aggressiv und ihr Intellekt kommt nicht mehr zum Tragen. Vielmehr akkumuliert sich die<br />

Dummheit und die eigenen Sitten verrohen. Le Bon weist diese Verhaltensweisen zum Beispiel bei<br />

Demonstrationen nach. Daß sich in dieser Hinsicht seit über hundert Jahren nicht viel verändert hat,<br />

zeigten die Hartz4-Demos vor zwei Jahren. Die protestierende, dumme Masse interessierte sich nicht<br />

für wirtschaftspolitische Lösungen. Mit „Weg mit Hartz4“ meinte die Masse: Wir sind nicht bereit, auf<br />

die staatliche „Kohle“ zu verzichten. Wir wollen mehr Geld, alles andere ist uns egal.<br />

Die Masse beherrscht Politik und Lebensstil jedoch auch jenseits der Spitzenzeiten politischer<br />

Demonstrationen. Ein Beispiel gefällig? Bitteschön: Kaum einer würde so affig zu lauter Musik<br />

herumspringen wie es in Diskotheken gang und gäbe ist. Wenn dies jedoch alle machen, macht es<br />

der einzelne auch mit. Ob dieses Rumgehampel Schwachsinn ist oder nicht, spielt dann keine Rolle<br />

mehr.<br />

Die Masse beherrscht Politik und Lebensstil.<br />

Macht und Einfluß der Massen sind immens. Eliten hingegen kommen kaum noch zum Gestalten<br />

unserer Gesellschaft. Der spanische Philosoph Jose Ortega y Gasset führte Anfang der 1930er Jahre in<br />

„Der Aufstand der Massen“ aus, dass die Führer der Massen elitäre Eigenschaften vermissen lassen.<br />

Die Führer der Massen sind vielmehr selbstzufrieden, hoch spezialisiert, aber ohne Blick für das<br />

Ganze und ohne den Anspruch, aus der eigenen Gesellschaft ein Artefakt zu meißeln. Sie verwalten<br />

ihre eigene Macht und ihr eigenes Geld ihrer selbst willen.<br />

Steht uns ein Kampf der Kulturen bevor? Aggressive, islamische Masse<br />

gegen dekadente, europäische Masse?<br />

Der „Triumph der Massen“ hat weitreichende Folgen für die heutige Zeit. Drei Ebenen sind dabei<br />

interessant:<br />

155


Das Problem der Macht und Stärke einer Masse könnte sich bald „im Kampf der Kulturen“ zwischen<br />

dem christlichen Abendland und dem Islam entladen. Wer hier wohl die größere Durchschlagskraft<br />

an den Tag legt, hat sich in Frankreich bei den Rassenunruhen vor eineinhalb Jahren gezeigt.<br />

Aggressive Massen, wie die islamischen „Youth Bulges“, siTriumph der Massennd in der Lage,<br />

herrschaftsfreie Räume zu erkämpfen, d.h. aggressive islamische Banden besetzen z.B. Wohnviertel,<br />

in denen das Gewaltmonopol des Staates nichts mehr gilt. Sollte es in Europa zu einem „Kampf der<br />

Kulturen“ kommen, dann steht die aggressive, islamische Masse der dekadenten, europäischen<br />

Massengesellschaft entgegen. Sollte es nicht zu einem „Kampf der Kulturen“ kommen, steht eine<br />

gegenseitige Assimilierung und Nivellierung der beiden Kulturen bevor.<br />

In einer Zeit, in der öffentliche Aufmerksamkeit quasi zu einer Währung geworden ist, wächst der<br />

Einfluß der Masse weiter. Wer etwas von dem knappen Gut Aufmerksamkeit abbekommen will, der<br />

muß sich nach bestimmten Regeln richten. Eine der Regeln besagt: Widerspreche der Masse nicht.<br />

Erfolg haben nur die Marktschreier, die „Weg mit Hartz4“ brüllen; nicht diejenigen, die sorgsam die<br />

deutsche Wirtschaftspolitik reformieren wollen und dazu unpopuläre Lösungen vorschlagen.<br />

Und dennoch: Umso knapper Aufmerksamkeit wird, umso interessanter werden Nischenmärkte für<br />

Produzenten. Diejenigen, die chancenlos im Kampf um die Aufmerksamkeit der Masse sind, müssen<br />

sich auf Nischenmärkte konzentrieren.<br />

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Im Gespräch: Stefan Herre von politicallyincorrect.de<br />

Geschrieben von: BN-Redaktion<br />

Freitag, den 06. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

No PCBeim täglichen Flanieren durch die deutsche Presselandschaft erblickt das Auge selten neue<br />

oder aufregende Dinge. Umso schöner, wenn es dann doch einmal einen Farbtupfer findet. Das Blog<br />

politicallyincorrect.de ist ein solcher Farbtupfer. <strong>Blaue</strong>narzisse.de sprach mit Stefan Herre, dem<br />

Initiator des Blogs, über die Entwicklung von politicallyincorrect.de, die politische Korrektheit in<br />

Deutschland und die Gefahren des Islams.<br />

<strong>Blaue</strong>narzisse.de: Stefan, dein Blog heißt politically incorrect. Was ist an deinem Blog denn so<br />

politisch inkorrekt?<br />

Stefan Herre: Dazu bedarf es nur mal eines Blickes in eine deutsche Tageszeitung: Die dortige<br />

Berichterstattung ist zumeist implizit und explizit islamfreundlich und amerikafeindlich. Über Bush<br />

wird zu 99 % negativ berichtet, wohingegen der Islam als eine "Bereicherung unserer Kultur"<br />

gewertet wird. Diese Einseitigkeit ist eine große Bedrohung für unsere Demokratie und unsere<br />

Grundrechte, dem ich mit meinem Blog aktiv entgegenwirken will. Es ist für mich eine vordringliche<br />

Aufgabe, die "political correctness" als eine schwere Bedrohung unserer Freiheit zu entlarven.<br />

Wer schreibt alles für PI und wie ist die Resonanz auf eure kritische Kommentierung?<br />

Unser PI-Autorenteam besteht aus fünf Personen: Unser "fleißiges Bienchen" Dr. Beate Klein aus<br />

Berlin; Jens von Wichtingen aus Kapstadt (Übersetzungen); "Turmfalke" – unser investigativer Islam-<br />

und Umweltexperte; "gw", unser Video-Experte, der erst vor kurzem von unserem Partnerblog<br />

Outcut TV zu uns gewechselt ist, und ich, der den Laden zusammen hält. Die Resonanz auf unsere<br />

Berichterstattung ist sehr positiv, wie auch die stetig wachsende Leserzahl beweist. Es scheint, als<br />

hätten viele "da draußen" nur darauf gewartet, dass esStefan Herre eine Nachrichtenquelle wie uns<br />

als Korrektiv zu den Massenmedien gibt. Natürlich gibt´s auch die üblichen Diffamierungskampagnen<br />

von links gegen uns – aber das spornt uns eigentlich nur noch mehr an, als dass es uns in irgendeiner<br />

Weise tangiert.<br />

Warum berichtet ihr ausgerechnet über die Gefahren des Islams so ausführlich?<br />

Weil es zur Zeit die größte Bedrohung unserer Freiheit ist. Das Problem ist, dass es immer noch viel<br />

zu viele Menschen gibt, die sich mit dem Thema Islam und speziell mit den Gewalt-Suren im Koran<br />

nicht genügend befassen. Wenn ein Imam dann solchen Leuten in einer Talkshow weismacht "Islam<br />

heißt Frieden", dann glauben sie es ihm. Dabei sieht die tägliche Wirklichkeit diametral anders aus.<br />

Eure Berichterstattung und Kommentierung der Gefahren des Islams ist politisch inkorrekt und<br />

erfrischend. Israel, die USA und die Bundesrepublik Deutschland hinterfragt ihr hingegen nicht so<br />

kritisch. Wieso durchbrecht ihr die Political Correctness bei diesen Themen nicht?<br />

Das stimmt so nicht. Wir kritisieren grundsätzlich alles, was unsere Freiheit, unsere Demokratie und<br />

unsere Grundrechte bedroht – egal ob von links oder von rechts und egal ob es aus den USA kommt<br />

oder aus Usbekistan. Wenn der Eindruck entsteht, wir würden – z.B. gegenüber US-Präsident Bush –<br />

zuweilen zu positiv berichten, so ist dies sicherlich auch ein Resultat der einseitig Bush-feindlichen<br />

Berichterstattung der etablierten Medien. Da übernimmt man, ich gestehe, dann gerne reflexartig<br />

eine Gegenposition.<br />

Vielen Dank für das Interview!<br />

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Multikulturalismus und politischer Islam<br />

Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />

Dienstag, den 10. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der radikale Multikulturalismus stellt eine Form des Rassismus dar, dessen Propagandisten die<br />

Wörter "Toleranz" und "Pluralismus" im Munde führen. Seine verfassungsrechtliche Verwirklichung<br />

käme einer vollständigen Preisgabe der zivilisatorischen Errungenschaften unserer republikanischen,<br />

auf Menschen- und Bürgerrechte gegründeten Staatsordnung gleich.<br />

In der Antwort auf seine Auszeichnung mit dem Baltasar-Gracián-Kulturpreis im Jahre 2001 nahm der<br />

liberal-konservative Soziologe Erwin K. Scheuch die prinzipielle Unvereinbarkeit eines radikalen<br />

Multikulturalismus mit dem Modell des demokratischen Rechtsstaates aufs Korn: "Warum ist 'Volk'<br />

ein Unwert? Und warum wird der Gebrauch des Wortes tabuisiert? Demokratie bedeutet die<br />

Bindung der und des politischen Ordnungsrahmens an das Volk. Demokratie impliziert<br />

Wertegemeinschaft, eine kulturelle Übereinstimmung. Das aber gilt als Unwert für den Gegenbegriff<br />

der multikulturellen Gesellschaft. Das [...] bedeutet einen völligen Werterelativismus. […] Je fremder<br />

die Kultur der Zuwanderer, um so erwünschter, wenn durch deren Sitten der christliche Wertekanon<br />

als nur einer unter vielen Werten verblassen soll. Wird umgekehrt gefordert, daß etwa in Nigeria die<br />

Muslime unterlassen sollen, den Christen ihre Scharia aufzuzwingen, so gilt das als kultureller<br />

Imperialismus. Multikulturalismus bedeutet mithin, die Situation von Wertkonflikten im Alltag<br />

herbeizuwünschen."<br />

Wir können Scheuchs Diagnose zuspitzen: Multikulturalismus ist ausschließlich in westlichen<br />

Demokratien darauf gerichtet, „die Situation von Wertkonflikten im Alltag herbeizuwünschen“, da<br />

der (noch) herrschende Wertekanon säkularer Rechtsstaatlichkeit „problematisiert“ werden soll. Wo<br />

jedoch unter islamischem Vorzeichen eine „monokulturelle Gesellschaft“ verwirklicht ist, werden<br />

„Wertkonflikte“, die den herrschaftlichen Islam in Frage zu stellen vermöchten, nicht<br />

herbeigewünscht. Dies gilt auch für Landnahmen des politischen Islam mitten in Europa, dem<br />

Widerstand zu leisten von multikulturalistischer Seite als unerwünschte Provokation eines<br />

Wertekonflikts gegeißelt wird. Polemik? Jedenfalls dürfte es außerordentlich schwierig sein, eine<br />

Stellungnahme etwa irgendeines bedeutenden rot-grünen deutschen Politikers oder „Intellektuellen“<br />

zu finden, der die Anerkennung eines „unabhängigen Kosovo“ für problematisch hält, weil – neben<br />

Hunderttausenden serbisch-orthodoxer Christen – infolge des Triumphs der albanisch-muslimischen<br />

Gewaltsezessionisten auch die Gesamtheit der in dieser Region beheimateten Juden vertrieben<br />

wurde. Ein anderes, aus EU-Perspektive vielleicht noch näher liegendes Zeugnis multikulturalistischer<br />

Affinität zu einem Zurückweichen gegenüber dem „monokulturalistischen“ Herrschaftsanspruch des<br />

Islam (wenn nicht gar dessen aktiver Ermunterung) ist die Stellungnahme des Cheftheoretikers des<br />

originären kanadischen Multikulturalismus zum „Karikaturenstreit“: Charles Taylor sieht im<br />

Zusammenhang mit der Veröffentlichung islam-kritischer Karikaturen die Berufung auf Presse- und<br />

Meinungsfreiheit als „eher lächerlich“ an.<br />

Die in den Vereinigten Staaten lebende Exil-Iranerin Maryam Namazie hält Menschen- und<br />

Bürgerrechte nicht für lächerlich, weshalb sie den multikulturalistischen Feinden des „westlichen“<br />

Verfassungsstaates ins Stammbuch schreibt: „’Multikultis’ gehen so weit zu behaupten,<br />

Menschenrechte hätten ausschließlich westlichen Charakter und seien mit einer islamischen<br />

Gesellschaft unvereinbar. […] Die Niederlage der Nazis und ihrer Theorie der biologischen<br />

Unterschiede haben den Gedanken rassischer Überlegenheit gewaltig in Misskredit gebracht.<br />

158


Trotzdem fand der antihumane Gehalt, der im Rassismus steckte, eine andere, in der heutigen Zeit<br />

weniger aneckende Ausdrucksform. Statt rassistischer Begriffe werden nun kulturelle Begriffe<br />

bemüht, um Unterschiede zu manifestieren. Deshalb ist der Multikulturalismus nichts anderes als die<br />

neue Ausdrucksform des Faschismus, und seine Verfechter und Anhänger sind die Anhänger eines<br />

zeitgemäßen Holocausts.“<br />

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Die Ursprünge des Individualismus in der Antike<br />

Geschrieben von: Frank Bielau<br />

Montag, den 16. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Antike ist ein Grundpfeiler der heutigen Demokratie.Jene Ordnung, die wir heute „Demokratie“<br />

nennen, hat sich im Widerstreit mit anderen Ideologien aus der Synthese verschiedener politischer<br />

Vorstellungen entwickelt. In der „Demokratie“ vereinigen sich Ideen der politischen Linken wie<br />

Gleichheit und Mitleidsethik mit den Elementen des Liberalismus: also Rationalismus, - oft<br />

materialistisch interpretiert – Wertepluralismus und Individualismus. Die ersten Propheten des<br />

Individualismus tauchen bereits im antiken Griechenland auf – dort wollen wir beginnen:<br />

Kritik an den demokratischen Grundvorstellungen kann nur dann sinnvoll geäußert werden, wenn<br />

man die Geschichte der Begriffe im einzelnen kennt – andernfalls wird man sein Thema nur<br />

unzureichend bearbeiten können, denn politische Begriffe bilden im Rahmen ihrer<br />

Entwicklungsgeschichte eine Einheit, eine Gesamtheit; und so wird ihre Bedeutung auch erst dann<br />

deutlich, wenn man ihre Genese kennt. Gleichheit und „Linke Ethik“ (Mitleidsethik, „Ethik der<br />

Schwachen“) lassen sich als linke Werte aus dem Christentum verhältnismäßig leicht ableiten, sie<br />

sollen hier deshalb nicht näher untersucht werden. Schwieriger sind die anderen Begriffe zu erfassen.<br />

Thema dieser Untersuchung aber soll die Entwicklungsgeschichte des Individualismus sein.<br />

Man darf annehmen, daß die Politische Gemeinschaft in der Frühgeschichte der indoeuropäischen<br />

Völker eine Selbstverständlichkeit gewesen ist. Die Menschen haben in Übereinstimmung mit ihrer<br />

heidnischen Religion gelebt: Familie, die staatliche Gemeinschaft und ihre Werte waren direkt aus<br />

den religiösen Vorstellungen abgeleitet, und aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse der<br />

Verhaltensforschung und der Soziobiologie legen nahe, daß sie damit zugleich im Einklang mit ihrer<br />

Natur gelebt haben. So waren die religiösen Vorstellungen der Alten offenbar nichts anderes als das<br />

kulturelle Abbild der menschlichen Natur.<br />

Aristoteles: Nikomachische Ethik<br />

Genauso sehen das dann auch die Hauptvertreter der klassischen griechischen Philosophie. „Der<br />

Mensch ist ein gemeinschaftliches Wesen“ – so lauten die berühmten ersten Worte der Politik des<br />

Aristoteles. Es gibt demnach eine natürliche Weltordnung, ein Ideal, dem die Menschen sich im<br />

Rahmen ihrer Möglichkeiten anzunähern haben. Gelingt ihnen das, führen sie ein „Gutes Leben“ und<br />

erfahren Glück. Platons Staat ist die geistesgeschichtliche Urform der organischen, hierarchischen<br />

Gemeinschaft, und auf deren Nähe zum historischen Nationalsozialismus ist schon oft hingewiesen<br />

worden. Auch Rom hat in Cato und Cicero Vertreter der klassischen Naturrechtskonzeption.<br />

Aristoteles: Politik<br />

Mit dem Beginn des kulturellen Niedergangs treten die ersten Propheten des Individuums in<br />

Griechenland auf. Sie nennen sich „Sophisten“ und sind, das ist bemerkenswert, Zeitgenossen<br />

Platons. Kennzeichnend für das Wirken der Sophisten war ein Perspektivwechsel: Nicht mehr die<br />

alte, religiös begründete kosmische Ordnung war nun maßgeblich; es ging für den einzelnen nicht<br />

mehr darum, seinen durch die Natur vorbestimmten Platz in dieser Ordnung zu finden und sich dort<br />

zu verwirklichen, statt dessen um die subjektive Maximierung des eigenen, des individuellen Vorteils.<br />

Der Sophist Protagoras spricht es aus: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, (der seienden, daß sie<br />

sind, der nichtseienden, daß sie nicht sind)“.<br />

160


Platon: Politeia<br />

Schon das Hauptanliegen Platons ist die Widerlegung der Sophisten, und sein gesamtes Werk ist<br />

ohne sie undenkbar. So erkennen wir in der klassischen Philosophie der Antike insgesamt die reactio<br />

auf die „modernen“, revolutionären Vorstellungen der Sophisten. Platon, Aristoteles oder Cicero sind<br />

konservative Kräfte, die in ihrem Werk dem Versuch, die alte Ordnung aus den Angeln zu heben,<br />

Widerstand entgegensetzen.<br />

Der Untergang der alten Welt entscheidet das Ringen zwischen „progressiven“ und konservativen<br />

Kräften. Die Masseneinwanderung aus dem Orient, zunächst nach Griechenland, später ins Römische<br />

Reich, zerstört die gewachsenen indoeuropäischen Gemeinschaften und befördert die Dekadenz, die<br />

schließlich auch den letzten Rest der natürlichen Werteordnung beseitigt. In ganz Europa wandern<br />

die Völker, und in der Folge werden auch hier bestehende Gemeinschaften zerstört, Bevölkerungen<br />

neu durchmischt und atomisiert. Der Einzelne ist auf sich selbst zurückgeworfen und versucht, so gut<br />

es geht durchs Leben zu kommen. Am Ende dieses Prozesses ist das Prinzip der staatlichen<br />

Gemeinschaft weitgehend vergessen – es wird erst mit dem Aufstieg des Nationalismus im 19.<br />

Jahrhundert wiederkehren. An seine Stelle aber tritt zunächst die Opposition zwischen dem<br />

Herrscher und dem Untertan.<br />

Epiktet: Das Buch vom geglückten Leben<br />

Ein Kapitel ist noch nachzutragen: In der Spätzeit der Antike blüht die individualistische Philosophie<br />

des dekadenten Hellenismus, etwa die Lehre Epikurs oder der Stoa. Gerade die stoische Philosophie<br />

war in den höheren Schichten im kaiserlichen Rom populär, und sie findet auch in unserer Zeit noch<br />

ihre Anhänger. Die Stoa ist ein Programm für Zeiten der Dekadenz, sie hat keinesfalls den Anspruch,<br />

den Niedergang insgesamt aufzuhalten, sondern empfiehlt dem je einzelnen den Rückzug auf sich<br />

selbst. Indem das Individuum sich mit den Verhältnissen arrangiert, kann es auch in schweren Zeiten<br />

ein erfülltes Leben führen, wenn es gelingt, tugendhaft zu leben. Der Erfolg der Stoa besiegelt den<br />

Untergang der antiken Ordnung. Denn wenn die Eliten sich mit dem Niedergang abfinden, gibt es<br />

keine beharrende Kraft mehr, die den Prozeß insgesamt noch aufhalten kann.<br />

161


Der neuzeitliche Individualismus<br />

Geschrieben von: Frank Bielau<br />

Montag, den 16. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Gerade das einsame, vertiefte Lesen alter Bücher bildet!Mit Thomas Hobbes ist, zumindest für die<br />

Neuzeit, der entscheidende Anfang gemacht: Die geistige Vorstellung vom Individuum ist in der Welt<br />

und beginnt, ihre Wirkung zu entfalten. Zwar hat es immer wieder Ansätze gegeben, dem<br />

gemeinschaftlichen Prinzip wieder Geltung zu verschaffen – aber der Individualismus hat allen<br />

Versuchen widerstanden und ist bis heute das Maß der Dinge. Jeder neue Versuch setzt aber<br />

zunächst das Verständnis voraus, was Individualismus bedeutet, und wie er entstanden ist.<br />

Als in der Renaissance der europäische Geist wieder erwacht, sind die großen gesellschaftlichen<br />

Umwälzungen längst abgeschlossen. Der erste große politische Denker jener Zeit ist der Florentiner<br />

Niccoló Machiavelli. In seinem Hauptwerk, Il Principe (Der Fürst), entwickelt er Strategien für den<br />

Machterhalt regionaler Herrscher. Er gilt als einer der Begründer des Individualismus in der Neuzeit,<br />

und in der Tat ist sein Blick auf den Menschen unzweifelhaft individualistisch. Es ist jedoch nicht zu<br />

übersehen, daß Machiavellis Bild der Gesellschaft lediglich beschreibenden Charakter hat, er<br />

beobachtet den Menschen seiner Zeit und versucht, daraus Konzepte zum Machterhalt abzuleiten. Er<br />

findet also die atomisierte Gesellschaft, den sozial und sittlich entwurzelten Menschen bereits vor<br />

und macht ihn daher zur Grundlage seiner Überlegungen.<br />

Niccoló Machiavelli: Il Principe<br />

Von größerer Bedeutung für die Genese des neuzeitlichen Individualismus ist daher der Engländer<br />

Thomas Hobbes. Bekannt ist heute vor allen Dingen das zweite Buch seines Hauptwerks Leviathan, in<br />

dem Hobbes den Naturzustand als „Kampf aller gegen alle“ definiert und düster diagnostiziert, der<br />

Mensch sei dem Menschen ein Wolf. Der einzige Ausweg aus dieser unerträglichen Situation sei ein<br />

Vertrag, der einem Einzigen absolute Macht über alle anderen einräumt.<br />

Für unser Thema ist aber das weniger beachtete erste Buch des Leviathan interessant, denn dort<br />

entwickelt Hobbes die Methodik seiner weiterführenden Überlegungen. Er ist fasziniert von den<br />

modernen Naturwissenschaften und befaßt sich zunächst ausgiebig mit der Geometrie Euklids. Die<br />

Ungenauigkeit geisteswissenschaftlicher Untersuchungen ist ihm unerträglich, und seine Vision ist:<br />

die Übertragung exakter, naturwissenschaftlicher Methodik auf geisteswissenschaftliche Bereiche,<br />

etwa die politische Theorie. Sein erster gedanklicher Schritt ist daher die Analyse, die Reduktion des<br />

Staates auf die Grundbestandteile, die Individuen. Das führt ihn zu seinem Naturzustand, zu dem<br />

Kampf aller gegen alle.<br />

Thomas Hobbes: Leviathan<br />

Den Menschen versteht Hobbes in der Logik seiner Methode als Automaten mit bestimmten<br />

Eigenschaften, Bedürfnissen, Trieben, Leidenschaften. Er wird so berechenbar, bestimmte<br />

Bedingungen führen unweigerlich zu bestimmten, zumindest z.T. vorhersagbaren Reaktionen. Eine<br />

entscheidende Konsequenz der Methodik ist, daß die Interaktion der einzelnen Menschen<br />

untereinander sowie ihr möglicher Bezug auf eine Gemeinschaft praktisch keine Bedeutung mehr<br />

hat. Jedes einzelne Element wird als bindungsloses, asoziales Individuum begriffen, das auch schon<br />

für sich allein denkbar und lebensfähig ist, und dessen größtes Problem die Angst sein muß, von<br />

seinen Mitmenschen umgebracht zu werden. Hobbes’ Synthese ist dann die Gründung des Staates<br />

und die freiwillige Unterordnung aller Individuen unter einen allmächtigen Herrscher, der verhindert,<br />

daß einer den anderen tötet.<br />

162


Carl Schmitt: Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn<br />

und Fehlschlag eines politischen Symbols<br />

Das neue, in naturwissenschaftlicher Methodik entstandene, aber unzweifelhaft vereinfachende<br />

Modell vom Staat hat nichts mehr von einer Gemeinschaft: Es handelt sich um eine atomistische<br />

Ansammlung von Automaten, prinzipiell von Gleichen, die ihren individuellen Vorteil auch<br />

gegeneinander suchen und die in ihrer Interaktion vom Souverän kontrolliert und begrenzt werden.<br />

Der Staat insgesamt ist in dieser Vorstellung ein gigantischer Mechanismus und als solcher<br />

naturwissenschaftlichem Verständnis ebenso zugänglich wie jede andere Maschine. Hier liegt der<br />

eigentliche Ursprung des modernen Individualismus, denn der neue Ansatz, so fragwürdig er uns<br />

erscheint, ist von nachfolgenden Denkern wie Baruch de Spinoza, David Hume oder John Stuart Mill<br />

aufgegriffen und weiterentwickelt worden. Aber nicht nur die Vordenker des Liberalismus berufen<br />

sich auf Hobbes.<br />

Auch rechte Denker waren von der Exaktheit und Funktionalität des neuen Modells beeindruckt, und<br />

so gibt es eine zweite Traditionslinie, die von Hobbes über Carl Schmitt zu Helmut Schelsky oder<br />

Bernhard Willms reicht – lauter Denker, die zwar zur politischen Rechten gehören, deren<br />

gesellschaftliche Vorstellungen aber individualistisch ausgerichtet sind.<br />

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„Wenn Literatur politisch wird, ist sie fast immer<br />

schlecht!“<br />

Geschrieben von: BN-Redaktion<br />

Freitag, den 20. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Im Gespräch mit blauenarzisse.de spricht Michael Klonovsky über seine neuesten Buchprojekte, die<br />

Faszination des Werkes von Nicolás Gómez Davilá, den Zeitgeist und seine ganz eigenen Strategien,<br />

sich diesem zu entziehen. Klonovsky, Jahrgang 1962, wurde in Schlema (Erzgebirge) geboren, wuchs<br />

in Ostberlin auf und verdient seit der Wende seine Brötchen als Schriftsteller und Journalist. Derzeit<br />

ist er als Chef vom Dienst beim FOCUS tätig.<br />

<strong>Blaue</strong>narzisse.de: Herr Klonovsky, zum Herbstanfang 20<strong>07</strong> erscheint bei Reclam eine von Ihnen<br />

herausgegebene Aphorismensammlung von Nicolás Gómez Dávila. Was fasziniert Sie an dem<br />

kolumbianischen Reaktionär?<br />

Michael Klonovsky: Seine Zeitgeistferne. Sein Einzelgängertum. Die Verbindung von Hochmut und<br />

Demut. Sein – vollkommen hoffnungsloser – Wunsch nach Rückverzauberung der Welt. Und<br />

natürlich vor allem seine enorme Prägnanz. Er war imstande, Sachverhalte gewissermaßen letztgültig<br />

zu formulieren.<br />

Welche Sachverhalte hat Dávila denn letztgültig formuliert? Meinen Sie damit etwa Setzungen wie<br />

„Die Politiker sind in der Demokratie die Kondensatoren der Dummheit.“?<br />

Ach Gott, soll ich jetzt seitenlang zitieren? Beschränken wir uns auf ein zum aktuellen<br />

Oettinger/Filbinger-Knatsch passendes Beispiel: „Der veraltete Konformismus ist das Ärgernis des<br />

herrschenden Konformismus.“<br />

Dávila hätte sicherlich eine tagespolitische Debatte wie die Oettinger-Affäre nicht einmal<br />

mitbekommen. Fehlt einem Denker, der sich von seiner Zeit abgewendet hat und sich in seiner<br />

riesigen Bibliothek über Metapolitik und Metaphysik Gedanken macht, nicht manchmal das konkrete<br />

Ereignis, an dem er seine Theorien hochziehen kann?<br />

Solche sogenannten Debatten, wie sie hierzulande stattfinden, nicht mitzubekommen, halte ich<br />

einstweilen für die Lösung. Ansonsten sind die konkreten Ereignisse, solange Menschen agieren,<br />

doch ohnehin immer dieselben. Ein wirklich bedeutender Denker kann also gar nicht völlig<br />

danebenliegen oder veralten. Im Gegenteil schafft oft gerade der Rückzug die bessere Draufsicht – so<br />

wie ein Maler ein paar Schritte von seinem Bild zurücktritt, um es zu überschauen.<br />

Glauben Sie, daß sich heutzutage jemand nach einem extrem kulturpessimistischen Denker sehnt? Wo<br />

glauben Sie, das Publikum für Ihr Buch und Dávila zu finden?<br />

Gómez Dávila war kein Pessimist, in bezug auf den Untergang der Industriegesellschaft war er sogar<br />

sanft optimistisch. Scherz beiseite: Wenn Sie übers Publikum reden wollen, bin ich die falsche<br />

Adresse. Wer's liest, der liest's, wer nicht, der nicht. Die Auswahl beginnt mit dem Satz: „Der erste<br />

Schritt der Weisheit besteht darin, fröhlich zuzugeben, dass es keinen Grund gibt, dass unsere Ideen<br />

irgendjemanden interessieren könnten.“ Allerdings wird die Halbwertszeit von Gómez Dávila nicht<br />

unbeträchtlich sein, man kann ihn auch in zehn oder fünfzig Jahren für sich entdecken.<br />

Wenigstens haben Sie für die Aphorismensammlung einen deutschen Verlag (Reclam) gefunden. Bei<br />

Ihrem Roman „Land der Wunder“ war das nicht so. Dennoch erhielten Sie aus den Reihen der<br />

164


deutschen Feuilletonisten gute Kritiken. Sind Sie damit besänftigt oder stört Sie immer noch das<br />

politisch korrekte Meinungsklima in Deutschland?<br />

Mit "Land der Wunder" habe ich – fürs erste – einen beachtlichen Misserfolg errungen, was<br />

womöglich mit dem verzögerten Erscheinen des Romans aufgrund seiner offenkundigen<br />

Undruckbarkeit im Land der Wunder zusammenhing; als er schließlich erschien, war die Schublade<br />

„Wenderoman“ schon belegt. Ich führe das nur aus, weil ich mir keineswegs sicher bin, ob es<br />

tatsächlich vor allem Gründe der Politischen Korrektheit waren, die zu den Ablehnungen führten – es<br />

ist ja kein eigentlich politischer Roman. Aber natürlich stört mich dieses Meinungsklima, so wie mich<br />

jeder Zeitgeist stört.<br />

Vor 1990 arbeiteten Sie in Ostberlin unter anderem als Maurer und Korrekturleser, jetzt sind Sie<br />

aufgestiegen zum Schriftsteller und Journalist. Woher rührt Ihre Unzufriedenheit? Hatten Sie sich<br />

mehr erhofft?<br />

Wie kommen Sie darauf, dass ich unzufrieden sei? Also mit dem besagten Meinungsklima würde ich<br />

auch als Losverkäufer oder Bundeskanzler hadern, und ich hätte von „Land der Wunder“ gern 100<br />

000 Stück verkauft, aber ansonsten, ich bin quietschvergnügt. Haben Sie sich nicht amüsiert über<br />

„Land der Wunder“? Also ich muss immer noch lachen, wenn ich manche Passagen lese.<br />

Eine Annegret Kunkel (Sophie Dannenberg) schreibt über „Das bleiche Herz der (68-)Revolution“; der<br />

Ingeborg-Bachmann-Preisträger von 2004, Uwe Tellkamp, getraut sich über rechtsintellektuelle<br />

Terroristen zu schreiben („Der Eisvogel“) und Sie thematisieren ebenfalls schwierig anzusprechende<br />

Befindlichkeiten in unserem Land. Tut sich etwas in der deutschen Literaturszene?<br />

Wissen Sie, wenn Literatur politisch wird, ist sie fast immer schlecht. Ansonsten habe ich zwar Frau<br />

Dannenberg gelesen, aber Herrn Tellkamp nicht, und ich habe keine Ahnung, was sich so in der<br />

deutschen Literaturszene tut.<br />

Können wir deshalb von Ihnen eher weitere essayistische „Philosophien der Passionen" erwarten und<br />

uns an Geschichten rund um Wein, Frauen und Radfahren erfreuen oder denken Sie eher an weitere<br />

Romane?<br />

Frauen und Wein werden mit absoluter Gewissheit in allen Büchern vorkommen, die ich schreibe,<br />

egal welche Genrebezeichnung der Verlag raufdruckt. Konkret sitze ich gerade an einem Buch über<br />

Giacomo Puccini, aber das ist eher essayistisch. Romane? Mal sehen.<br />

Frauenphantasien, Wein, Zustände körperlicher Ekstase in Hochgebirgen auf dem Rennrad und ein<br />

bißchen Heidegger und Dávila. Wie haben Sie in so eine originelle Lebensphilosophie hineingefunden?<br />

Und, wie lange wollen Sie noch als Radrennfahrer mit tiefgründigen Detailkenntnissen von Biergärten<br />

aktiv bleiben?<br />

Nun, diese Aufzählung entbirgt ja noch keine Lebensphilosophie, sondern bloß die simple Tatsache,<br />

dass der Schreiber auch einen Körper besitzt. Ich weiß, dass meine literarische Themenauswahl<br />

etwas bizarr wirkt, aber es handelt sich durchweg um Dinge, die mir große Freude bereiten, und<br />

wenn einer schreiben und ein bisschen denken kann, dann traktiert er jedes Thema auf solidem<br />

Niveau. Die Heidegger-Lektüre – um bei Ihrem Beispiel zu bleiben, es gäbe auch andere – empfinde<br />

ich als genauso anstrengend und beglückend wie das Bergaufradeln, und danach wird selbstredend<br />

gebechert. Wie lange? Na, möglichst bis zuletzt.<br />

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Klonovsky!<br />

165


Terror lohnt sich wieder<br />

Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />

Montag, den 23. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der frühere mazedonische Innenminister Ljube Boškoski muß sich seit dem 16. April 20<strong>07</strong> vor dem<br />

Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag für Ausschreitungen mazedonischer<br />

Sicherheitskräfte im Kampf gegen albanische Freischärler in Mazedonien im August 2001<br />

verantworten. Der Innenminister einer demokratischen Republik soll wegen eines Verbrechens im<br />

Kriege belangt werden, währenddessen die Verantwortlichen für den völkischen Sezessionskrieg<br />

albanischer Extremisten gegen Mazedonien selbstverständlich nichts befürchten müssen. Was lehrt<br />

uns dieser Fall?<br />

Widerstand gegen „albanische Freischärler“ wird in Washington und Berlin auch den Mazedoniern<br />

nicht verziehen – selbst, wenn es sich nur um Stunden handelt, die verstreichen, bis eine<br />

demokratisch legitimierte Regierung sich dazu bereiterklärt, mit einer Räuber- und Mörderbande ein<br />

„Abkommen“ abzuschließen, um eine republikanische zugunsten einer sozusagen „multikulturellen“<br />

(ethno-föderalistischen) Verfassungsordnung preiszugeben: „Die Kämpfe in Mazedonien wurden am<br />

13. August 2001 mit dem unter Druck Washingtons und der EU geschlossenen Abkommen von Ohrid<br />

beendet. Es soll den Albanern einen der Größe ihrer Bevölkerungsgruppe gemäßen Zugang zu<br />

staatlichen Mitteln ermöglichen und ist in den vergangenen Jahren auch weitgehend eingehalten<br />

worden.“ (FAZ, 16.4.20<strong>07</strong>)<br />

Was ist mit dem Recht Mazedoniens auf Selbstverteidigung?<br />

Da die führenden Mächte der NATO die albanischen Freischärler der UCK offenbar nicht nur im<br />

Kosovo, sondern auch im benachbarten Mazedonien als ihre Landarmee betrachteten, kann die<br />

strafrechtliche Verfolgung dieser „Kombattanten“ kaum von Interesse für das Haager Jugoslawien-<br />

Tribunal sein. In der FAZ vom 16. April 20<strong>07</strong> heißt es: „Gegen Angehörige der albanischen<br />

Minderheit, die etwa ein Viertel der mazedonischen Bevölkerung stellt, hat die Haager<br />

Chefanklägerin Carla Del Ponte keine Beschuldigungen erhoben.“ Mehr noch: Die Gewaltakte der<br />

islamischen NATO-Verbündeten spielen in der Logik der Chefanklage nicht einmal dort eine Rolle, wo<br />

es um die sachliche Beurteilung dessen geht, was Angehörigen der legalen mazedonischen<br />

Hoheitsgewalt vorgeworfen wird: „Über die Rolle der Freischärler ist in der Haager Anklageschrift<br />

nichts weiter zu erfahren. Ausführlich dargestellt wird aber der Gegenschlag [sic!] von Polizei und<br />

Armee auf das als Rückzugsort der Täter vermutete Dorf Ljuboten.“ Die Anklageschrift legt den<br />

Mazedoniern substantiell zur Last, so gehandelt zu haben, wie NATO und UCK zu handeln pflegen:<br />

sich bei ihrer Kriegführung nicht auf „legitime militärische Ziele“ (waren die von der NATO<br />

bombardierten Donaubrücken etwa solche?) beschränkt und Gefangene gefoltert zu haben. (Wie<br />

„verteidigt“ sich beispielsweise der NATO-Mitgliedstaat Türkei gegen die Wünsche seiner kurdischen<br />

Bürger nach kultureller Autonomie?)<br />

Die Albaner haben in Mazedonien ihr Ziel erreicht: extra für sie „befreite<br />

Zonen“.<br />

„Es ist ein Fehler, mit Terroristen zu sprechen“, bemerkte der EU-„Außenminister“ Javier Solana<br />

heuchlerisch, als radikalnationalistische Albaner sich im Frühjahr 2001 auch im Nordwesten<br />

Mazedoniens formiert hatten, wo sie – nach dem Vorbild der UCK-Terroristen im serbischen Kosovo<br />

und Metohija – „befreite“ Zonen einrichteten und Angehörige der slawischen Mehrheitsbevölkerung<br />

Mazedoniens gewaltsam vertrieben. Ermuntert hatte sie der Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999,<br />

166


die Passivität der Kfor-Verwaltung gegenüber dem von Albanern ausgehenden Genozid an den<br />

Kosovo-Serben – und das damals bereits offen zutage tretende weitgehende Desinteresse des<br />

Haager Jugoslawien-Tribunals an jedweder strafrechtlichen Verfolgung albanischer Unruhestifter.<br />

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„Refugium gegen mainstream-kompatiblen Populismus von<br />

lechts und rinks“<br />

Geschrieben von: BN-Redaktion<br />

Dienstag, den 24. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Im Gespräch mit jo@chim, dem Betreiber von antibuerokratieteam.de, sprachen wir über das<br />

Freiheitsverständnis eines Libertären und über die These, daß Weblogs die Meinungsvielfalt in<br />

Deutschland nachhaltig verbessern. Antibuerokratieteam.de sieht sich selbst als ein radikal liberales<br />

Weblog jenseits von „lechts und rinks“, das sich den Idealen der Aufklärung und des Rationalismus<br />

verpflichtet fühlt.<br />

jo@chim, Sie bezeichnen sich selbst als kulturprogressiven Libertären. Können Sie es mit Ihrer<br />

politischen Einstellung überhaupt noch überzeugt in der FDP aushalten?<br />

Singen kann ich nicht, Trachtenverein liegt mir nicht und ich hasse Fußball – bleibt also nur noch<br />

diese Option, um meiner urdeutschen Neigung zur Vereinsmeierei zu frönen. Nein, im Ernst: Peter<br />

Sloterdijk hat einmal bemerkt, dass unser Parteiensystem lediglich die Auswahl zwischen vier<br />

Spielarten von Sozialdemokratie anbietet – und die FDP ist darunter sicher diejenige, in der am<br />

meisten Liberale zu finden sind. Wo, wenn nicht dort, sollte ich für ein radikales Verständnis von<br />

Liberalismus werben? Im Unterschied zu vielen anderen Libertären habe ich auch ein eher<br />

pragmatisches Verständnis von Politik, das sich durchaus positiv auf Gestaltungsmöglichkeiten<br />

hinsichtlich mehr Freiheit und mehr Markt im Rahmen unseres halb-kapitalistischen (oder: halbsozialistischen<br />

– je nachdem aus welcher Perspektive man das betrachtet) Systems bezieht. Das<br />

heisst aber nicht, dass es mir immer leicht fällt, diese Partei angesichts der allzuoft grassierenden<br />

Substanzlosigkeit des deutschen Partei-Liberalismus „auszuhalten“.<br />

Warum kommentieren Sie die Geschehnisse im „Narrenzirkus“ BRD?<br />

Narrenzirkus BRD. Nun gut – alle Staaten sind IMHO (meiner unmaßgeblichen Ansicht nach,<br />

Übersetzung der Red.) Manegen für autoritäre Dompteure, hohe Seilschaften, laute Maulakrobaten,<br />

Salto schlagende Traumtänzer, viele dumme Dressierte und einige fein integrierte Clowns vor einer<br />

Masse zahlender Claqueure! Da geht dieses Land durchaus keinen Sonderweg. Warum ich schreibe?<br />

Vielleicht, weil ich einer aus der Liste bin? Ansonsten aus Mitteilungsdrang natürlich und weil ich<br />

mich gerne mit anderen austausche. Vor allem aber auch, weil es mir wichtig erscheint, gegen die<br />

kollektivistischen Großideologien Nationalismus und Sozialismus anzuschreiben, die ich für die<br />

beiden Grundtorheiten des vergangenen Jahrhunderts halte. Und weil mir vor der Naivität vieler –<br />

angesichts des neuen religiös verbrämten Totalitarismus, der unter dem „Banner des Propheten“<br />

marschiert – graut.<br />

Experten meinen, dass sich durch Blogs die Meinungsvielfalt in unserem Land enorm steigert. Welche<br />

Bedeutung und welche Chancen haben Weblogs, die wie Ihres eine weniger populäre Meinung<br />

vertreten? Verändert sich gar durch Weblogs das Meinungsgefüge in unserem Land und bekommen<br />

auch Sie ein „Stück von diesem Kuchen“ ab?<br />

Na, die Vielfalt der Meinungen wird sich ja wohl nicht „steigern“? Web 2.0 erleichtert es aber,<br />

Meinungen, auch unbequeme oder extreme, zu veröffentlichen, selbst wenn man kein Journalist<br />

oder Internet-Profi ist. Mit einem gewissen Grad an Anonymität und „live“ – weltweit. Rote, braune<br />

oder islamistische Hassprediger finden somit natürlich eine ideale technische Plattform – aber damit<br />

kann ich besser leben, als mit Schlapphüten, die mir per Sperrverfügung die eigene Urteilskraft<br />

168


aberkennen wollen. Über publizistische Reichweiten ist mit der Masse der seit 2004 auch hierzulande<br />

entstehenden Weblogs und Communities verschiedener Couleur allerdings noch lange nichts<br />

ausgesagt – die Szene tendiert oft auch dazu, „im eigenen Saft zu schmoren“ und ihre Rolle im<br />

Meinungsbildungsprozess maßlos zu überschätzen. Im Gegensatz zu den USA befindet sich die<br />

politische Blogosphäre im deutschsprachigen Raum in den Kinderschuhen, die direkte Wirkung auf<br />

politische Prozesse ist eher (noch?) marginal. Ein radikal liberales Projekt wie unseres ist eher als<br />

Refugium gegen mainstream-kompatiblen Populismus von lechts und rinks angelegt, denn auf<br />

„Massenwirkung“. Größere Geldüberweisungen sind, wohl nicht zuletzt deshalb, leider auch noch<br />

nicht hier eingegangen. Mit aktuell 500 bis 800 „Unique Readers“ (identifizierbaren Leser) täglich<br />

backen wir im Vergleich zu größeren Weblogs wie dem „Bildblog“ oder der „Achse des Guten“ nach<br />

wie vor kleine Küchlein.<br />

Was ist für Sie Freiheit?<br />

Wie viele Seiten hat Ihr Magazin? Ok, kurz: ich definiere Freiheit vor allem negativ aus dem<br />

Widerspruch zwischen der Autonomie des Individuums und der Autorität von Kollektiven,<br />

gleichgültig ob Sie als „Klasse“, „Nation“ oder „demokratische Majorität“ daher kommen. Freiheit ist<br />

Abwesenheit von Zwang staatlicher und nicht-staatlicher Natur, der mir mein ursprüngliches und<br />

grundlegendes Recht auf „Selbst-Eigentum“ bestreiten will. Ich sehe mich daher nicht nur als „Anti-<br />

Etatisten“, sondern auch als antiautoritären Individualisten. Dies übrigens ausdrücklich in<br />

Abgrenzung zu libertär-konservativen Ansätzen, die sich Wissen um eine „natürliche Ordnung“<br />

anmaßen, die durchzusetzen sei. Ich halte es ganz im Sinne des Liberalen F.A. von Hayek: "Diese<br />

Scheu, ungelenkten sozialen Kräften zu vertrauen, steht in engem Zusammenhang mit zwei anderen<br />

Wesenszügen des Konservatismus: seiner Vorliebe für Autorität und seinem Mangel an Verständnis<br />

der Wirtschaftskräfte."<br />

Wir danken Ihnen für das aufschlußreiche Interview!<br />

Danke für die Gelegenheit, den Lesern Ihres sehr ansprechend gestalteten Magazins einige Fragen<br />

beantworten zu dürfen. Wer gerne weiter diskutieren möchte: ich werde dieses Interview auch auf<br />

antibuerokratieteam.de veröffentlichen – dort können Sie gerne kommentieren!<br />

169


Eigentum und youth bulges<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Montag, den 30. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Soziologe und Genozidforscher Gunnar Heinsohn (Universität Bremen) widmet sich in seinem<br />

Werk „Söhne und Weltmacht. Terror im Aufstieg und Fall der Nationen“ dem Phänomen der youth<br />

bulges. Mit youth bulge, einem von Gary Fuller (USA) 1995 eingeführten Begriff, meint Heinsohn, den<br />

Überschuß an jungen Männern einer Nation, die nicht hungern und betteln, deren Suche nach einer<br />

angesehenen gesellschaftlichen Position aber aussichtslos ist.<br />

Die erfolglosen 15-25jährigen aus islamischen und Dritte Welt-Staaten bilden ein Massenheer, dem<br />

die westlichen Industrienationen mit ihren niedrigen Geburtenraten nicht gewachsen sind. Politisch<br />

und milit&auml;risch deutet sich eine Niederlage insbesondere f&uuml;r Europa an. Ob sich eine<br />

wirtschaftliche f&uuml;r die bisherigen Weltm&auml;chte ebenfalls anbahnt, h&auml;ngt davon ab,<br />

wann die Staaten mit gro&szlig;em youth bulge begreifen, was Eigentum ist.<br />

Heinsohn zufolge stacheln die USA durch den globalen „Kampf gegen den Terror“ junge Männer aus<br />

dem islamischen Kulturkreis nicht an, Selbstmordattentäter und Terroristen zu werden. Die USA<br />

treiben niemand in die Arme eines Osama bin Ladens oder anderer Topterroristen. Der Zorn der<br />

Terroristen hat eine andere Ursache: Junge, aufstrebende Männer finden in ihrer Gesellschaft keine<br />

berufliche Position, die ihnen angemessen erscheint. Aufgrund des Überschusses an jungen Männern<br />

ist dies nicht möglich, da auf jede Stelle zehn Bewerber kommen. Hinzu kommt, daß die<br />

Erfolgsaussichten auf eine Frau durch die fehlende berufliche Position sinken. Ideologische und<br />

religiöse Motive spielen in der Theorie Heinsohns eine untergeordnete Rolle; sie fungieren allenfalls<br />

als Katalysator der inneren und äußeren Konflikte. Der eigentliche Grund für Terror, Bürgerkriege<br />

und Genozide in bestimmten Kulturkreisen ist deren demographische Lage; es ist der Überschuß an<br />

jungen Männern.<br />

Die überflüssigen 15-25jährigen sehen keine Perspektive. Terrorismus ist<br />

ihr Ausweg aus der Ausweglosigkeit.<br />

Youth bulges sind keineswegs ein Phänomen des 20./21. Jahrhunderts. Europas Aufstieg an die<br />

Weltspitze vom 16. bis 19. Jahrhundert korreliert mit den Geburtenüberschüssen der werdenden<br />

europäischen Großmächte. Während 1480 50 Millionen Menschen in Europa lebten, bevölkerten<br />

1900 460 Millionen den Kontinent. Ein zweiter Faktor für den Aufstieg Europas darf dennoch nicht<br />

unterschlagen werden: Die europäischen Großmächte vollzogen; spätestens im 18./19. Jahrhundert<br />

den Übergang zu Eigentumsgesellschaften.<br />

Im fehlenden Verständnis für Eigentum und dem großflächigen Fehlen von Eigentumstiteln sieht<br />

Gunnar Heinsohn einen entscheidenden Grund für die rückständigen Verhältnisse der Dritten Welt.<br />

Eigentumstitel haben Besitztitel noch nicht abgelöst. Was heißt das? Hat ein Bauer ein Haus, so<br />

besitzt er es lediglich. Er kann auf seinem Grundstück produzieren, also zum Beispiel Viehzucht<br />

betreiben oder in seinem Haus einer Tätigkeit nachgehen. Das Haus jedoch besitzt keinen Wert,<br />

solange kein beglaubigter Eigentumstitel vorliegt. Wenn das Haus des Bauern einen Eigentumstitel<br />

hätte, so könnte der Bauer damit handeln. Er könnte es z.B. mittelfristig mit einer Hypothek belegen<br />

lassen, um Geld für innovative, wirtschaftliche Unternehmungen zu bekommen. Erst, wenn Güter<br />

oder Immobilien mit Eigentumstiteln versehen sind, beginnt das Wirtschaften. Durch die Schaffung<br />

von Eigentum (d.h. die Überführung von Besitztümern in Eigentumsgegenstände) wird Geld emittiert<br />

und Kredite sowie Verpfändungen ermöglicht, so daß Geld in Umlauf gelangt.<br />

170


Mit Besitz läßt sich produzieren, mit Eigentum wirtschaften.<br />

Den basalen Unterschied zwischen Besitz und Eigentum, zwischen Produzieren und Wirtschaften, hat<br />

die Dritte Welt noch nicht verinnerlicht. Was würde aber passieren, wenn die Dritte Welt – wie<br />

Europa 1500 bis 1900 – youth bulge und Eigentumsgesellschaft vereinen könnte? Eine sichere<br />

Prognose dafür ist nicht möglich. Heinsohn drückt sich in „Söhne und Weltmacht“ auch davor,<br />

konkrete Szenarien dafür zu entwerfen. Etwa, weil die Wahrscheinlichkeit, daß sich<br />

Eigentumsgesellschaften auf dem „schwarzen Kontinent“ entwickeln, so gering ist? Wenn youth<br />

bulge-Staaten beginnen würden zu wirtschaften, so hätte dies eine wirtschaftliche und politische<br />

Expansion zur Folge. Besitzergreifend handeln youth bulges schon heute. Aufständige Islamisten, die<br />

sich in den westlichen Industrienationen Raum verschaffen, sind der beste Beweis dafür. Wenn die<br />

zornigen jungen Männer neben ihrer Aggressivität die Grundzüge des effektiven Wirtschaftens<br />

anfangen zu begreifen, dann werden sie in Europa und daheim expandieren.<br />

Die youth bulges werden ihren Machtansprüchen mit Gewalt Nachdruck<br />

verleihen.<br />

Bis 2020 werden die youth bulges empfindlich zuschlagen. Mit Eigentum im Rücken würde dieses<br />

Zuschlagen für Europa noch schmerzlicher ausgehen als ohnehin schon. Vielleicht ist es deshalb<br />

genau richtig, die Dritte Welt mit Hilfe von sinnlosen Entwicklungsgeldern nicht auf die Beine<br />

kommen zu lassen.<br />

171


Stauffenberg. Der Kampf eines Idealisten<br />

Geschrieben von: Christian Neubacher<br />

Dienstag, den 08. Mai 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Claus Graf Schenk von Stauffenberg„Mein Deutschland kann nicht untergehn – und wenn es jetzt<br />

auch sinkt, es muss sich wieder groß und stark erheben – es gibt noch einen Gott“, sagte der damals<br />

elfjährige Claus Graf Schenk von Stauffenberg unter Tränen beim Zusammenbruch des deutschen<br />

Kaiserreichs im Jahre 1918 und drückte damit nur aus, was Millionen von Deutschen in diesen Tagen<br />

fühlten. Für Stauffenbergs Generation sollte dieses nationale Trauma und die Folgen die daraus<br />

erwuchsen, Zeit ihres Lebens bestimmend sein.<br />

Hineingeboren in eines der vornehmsten katholischen Adelshäuser Süddeutschlands, wurde er in<br />

aristokratischem Geist erzogen, seine Liebe galt schon früh der Literatur. Im kleinen Kreis<br />

veranstaltete er Faust-Abende und träumte sich in die kühne Schlachtenromantik des „Wanderers<br />

zwischen beiden Welten“ von Walter Flex.<br />

„Ihr trugt die Schande nicht, ihr wehrtet euch.“<br />

Stauffenberg selbst findet Gefallen am Militär, ihm schwebt eine Offizierslaufbahn vor Augen. Der<br />

Mensch ist seiner Meinung nach ein „zoon politikon“, ein der Gemeinschaft verbundenes Wesen und<br />

die wahrhaft aristokratische Geisteshaltung sieht im Militär die wichtigste Stütze des Staates. „Für<br />

alle, die das Vaterland, und das neue Reich erkannt haben, gibt es nur den einen hehren Beruf, den<br />

uns die großen Griechen und Römer durch die Tat vorgelebt haben: Des Vaterlandes und des<br />

Kampfes fürs Vaterland würdig zu werden und dann sich dem erhabenen Kampf für das Volk zu<br />

opfern.“ Wer solche Sätze schreibt, der liebt das Pathos und es verwundert nicht, daß er die Nähe zu<br />

„Seinesgleichen“ sucht.<br />

Im Kreis des Dichters Stefan George und den düsteren Klängen seiner monumentalen Sprachkunst<br />

findet er sich wieder. Es ist eine rein geistige Welt – anders darf man Georges Verse vom „Neuen<br />

Reich“ nicht verstehen. Die Sehnsucht nach dem Überlebensgroßen treibt die Jünger Georges an.<br />

Genau diese Sehnsucht aber verbindet ihn mit einem Menschen, der als „Fürst des Ungeziefers“<br />

(George) zum Verführer der Massen werden sollte: Adolf Hitler.<br />

„Es lebe das geheime Deutschland“<br />

Sein Name hatte mit den Erfolgen der Nationalsozialisten ab 1930 Einzug in die Offizierskasinos<br />

gehalten und das Gros der jungen Offiziere stand den Ideen Hitlers, die Wideraufrüstung zu forcieren<br />

und die Schmach von Versailles zu tilgen, wohlwollend gegenüber. Die Einstellung des Offiziers<br />

Stauffenberg gegenüber Hitler war geprägt von Ehrfurcht und Verachtung zugleich - verkörperte<br />

Hitler doch den Typus des proletarischen Volkstribuns und damit das Gegenteil des Adeligen aus<br />

vornehmem Geblüt. In offenen Widerstand mündete diese Haßliebe allerdings erst, als sich an allen<br />

Fronten die Deutschen auf dem Rückzug befanden. Erst als Hitlers „atavistisches Wüten“ (Joachim C.<br />

Fest), die Verstrickung Deutschlands in einen Mehrfrontenkrieg und die systematische<br />

Judenvernichtung zum Merkmal des sich abzeichnenden Endes wurde, ging er mit Henning von<br />

Tresckow und den anderen Mitverschwörern des 20. Juli 1944 in den aktiven Widerstand über. Für<br />

Stauffenberg war der offene Widerstand gegen Hitler ein Kampf gegen das „Dämonische im<br />

Menschen“.<br />

Die moralische Integrität, die dem Generalstab und der Führungsclique des Dritten Reiches abhanden<br />

kam, verdichtete sich zusehends in einer kleinen Gruppe entschlossener Verschwörer, deren Kopf<br />

172


Stauffenberg war. Es kam auch letzten Endes nicht mehr auf den Erfolg des Attentats an. Henning<br />

von Tresckow, einer der engsten Vertrauten Stauffenbergs, war der Meinung, daß das Attentat<br />

erfolgen müsse „coûte que coûte“, um der Welt zu zeigen, „ daß die deutsche Widerstandsbewegung<br />

vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat“.<br />

Kampf gegen das „Dämonische im Menschen“.<br />

Natürlich war die Tat des 20. Juli 1944 Hochverrat und zwar in dem Sinne, daß sie sich gegen die<br />

damals herrschende positive Rechtsordnung wandte, deren maßgebendes normsetzendes Organ<br />

eben der Diktator Hitler war. Für viele stellte der persönliche Eid auf eben diesen Diktator einen<br />

Grund dar, sich passiv zu verhalten, jeden noch so sinnlosen oder verbrecherischen Befehl über sich<br />

ergehen zu lassen und ihn zu befolgen. 60 Jahre danach hat die Geschichte über den Diktator und<br />

seine Gefolgsleute ein eindeutiges Urteil gefällt. Den Spätgeborenen verbietet es die zeitliche<br />

Distanz, über den Verschwörern den Stab zu brechen. Wir können nur versuchen, die Bedeutung der<br />

Ereignisse zu erfassen. Im besten Falle finden wir im Geist der Verschwörer einen positiven Kraftquell<br />

zur Stärkung der nationalen Idee, die sich nicht – wie es die politische Linke seit Jahrzehnten versucht<br />

– allein auf die Zeit des historischen Nationalsozialismus reduzieren läßt.<br />

173


Nährboden für die Gewalt von links<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Montag, den 14. Mai 20<strong>07</strong> um 00:22 Uhr<br />

Im Vorfeld des diesjährigen G8-Gipfels in Heiligendamm, führte die Polizei Durchsuchungen mehrerer<br />

Lokalitäten der linken Szene im gesamten norddeutschen Raum durch. Der Verdacht der Behörden<br />

lautet dabei auf „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ durch Linksextremisten.<br />

Doch anders als beispielsweise im September 2003 beim Vorgehen der Polizei gegen die<br />

neonationalsozialistische „Kameradschaft Süd“, die ein Sprengstoffanschlag auf das „Jüdische<br />

Zentrum München“ geplant hatte, war von einem einhelligen Ruf, die mutmaßlichen Terroristen<br />

müssten nun „mit aller rechtsstaatlichen Härte“ verfolgt werden, nichts zu hören.<br />

Militante Linke dachte über Exekutionen nach<br />

Dabei ist die Lage nach ersten Auswertungen des beschlagnahmten Materials besorgniserregend. Die<br />

Polizei stellte Zubehör für Brandsätze mit Zeitzündern, Anleitungen zum Bau von Spreng- und<br />

Brandvorrichtungen, sowie gefälschte Personaldokumente sicher.<br />

Nach einem Bericht der „Welt“ dachten linksterroristische G8-Gegner sogar ernsthaft über<br />

„Exekutionen von Entscheidungsträgern“ nach.<br />

Und die Reaktionen der linken Szene auf die Durchsuchungsaktion der Polizei lassen weiteres<br />

befürchten. In Hamburg kam es bei einem Aufmarsch linksgerichteter Demonstranten zu<br />

gewalttätigen Ausschreitungen, bei denen vier Personen verletzt und acht Demonstranten<br />

festgenommen wurden.<br />

Reaktionen der etablierten Linken<br />

Aus den Reihen der etablierten politischen Linken, von „Linkspartei“ bis zu den „Grünen“, waren,<br />

statt Reaktionen der Erleichterung und Verurteilung des gewaltbereiten, terroristischen Teils der G8-<br />

Gegner Bagatellisierungen, Verharmlosungen und merkwürdige Vorwürfe einer angeblichen<br />

„Kriminalisierung“ des Anti-G8-Protests zu hören.<br />

Die Vorsitzende der „Grünen“, Claudia Roth, bezeichnete tief betroffen die polizeilichen<br />

Durchsuchungen als „unverhältnismäßig, willkürlich und undifferenziert“ und kündigte an, an einem<br />

linken Protestaufmarsch gegen das Vorgehen der Polizei teilnehmen zu wollen.<br />

Der rechtspolitische Sprecher der „Linksfraktion“ im Bundestag, Wolfgang Neskovic, verstieg sich<br />

gegenüber dem ehemaligen DDR-Blatt „Berliner Zeitung“ gar zu der Behauptung, die polizeilichen<br />

Ermittlungen gegen die gewaltbereite linke Szene seien „Methoden, die an einen Polizeistaat<br />

erinnern“. Dies grenzt angesichts der Zusammenarbeit Neskovics mit der Linkspartei, die bis vor<br />

gerade einmal knapp 18 Jahren (damals freilich noch unter dem Namen SED) eine tatsächlich<br />

polizeistaatliche Diktatur befehligte, an menschenverachtenden Zynismus, insbesondere gegenüber<br />

den Opfern des totalitären DDR-Sozialismus.<br />

Fehlende Abgrenzung zu Linksextremisten<br />

Die Verharmlosungen linker Gewalt sowie die Angriffe aus etablierten linken Kreisen in Politik und<br />

Medien gegenüber den Sicherheitsbehörden können von militanten Linksextremisten mit einiger<br />

Berechtigung als zusätzliche Legitimation ihres gewaltsamen Kampfes gegen ein System angesehen<br />

werden, welches sie ohnehin als „faschistisch“ wahrnehmen.<br />

174


Statt die linksmotivierte Gewalt zu verurteilen, sich von militanten Linken abzugrenzen und eine klare<br />

Trennlinie zwischen diesen und den friedlichen G8-Kritikern zu ziehen, solidarisiert sich die etablierte<br />

Linke mit mutmaßlichen und tatsächlichen Gewalttätern. Dies ist ein fatales politische Signal, das<br />

gerade zu den Nährboden für eine weitere Ausbreitung linksextremistischer Gewalt schafft.<br />

175


Der Waldgang<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 24. Mai 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Waldgang verspricht keine Idylle. Er ist ein gefährlicher Weg, den nur einsame Aristokraten<br />

begehen, die sich den täglichen praktischen Dingen abgewandt haben, um theoretische Fragen zu<br />

klären. Wer sich auf dem Waldgang befindet, der hat sich dazu entschlossen, die Brandmarkung als<br />

Feind der Gesellschaft, die die Masse braucht, um sich als Gemeinschaft zu konstituieren,<br />

hinzunehmen. Der Waldgang ist der Spielraum „kleiner Eliten, die sowohl wissen, was die Zeit<br />

verlangt, als auch noch etwas mehr.“<br />

Der Waldgänger tritt bewußt als Einzelner aus der Masse aus, um so die Ungleichheit der Menschen<br />

zu nutzen. Er ist sich der Chancen und Gefahren des einsamen Ganges bewußt. Er riskiert seine<br />

Auslöschung und leistet dafür aktiven Widerstand gegen eine Gesellschaft, die den Kontakt zum<br />

Boden verloren hat. So gewinnt der Waldgänger ein ursprüngliches Verhältnis zur Freiheit zurück.<br />

Dieses Verhältnis ist genauso wie der dunkle Wald: heimisch und unheimlich.<br />

Der Waldgang führt hart an den Tod heran.<br />

Die Freiheit, die sich der Waldgänger nimmt, hat der in der Gesellschaft Verweilende nicht. Die<br />

Menschen sind durch die zunehmende Technisierung nicht souveräner geworden; sie sind genauso<br />

verletzlich wie eh und je, da der Kollektivismus sie aus ihren organischen Verbänden – den Familien,<br />

Dörfern und der heimatlichen Verankerung – herausgerissen hat. Der Kollektivismus knechtet die<br />

Menschen; der Waldgänger zieht der Knechtschaft die Gefahr vor. Er läßt sich von keiner Masse und<br />

keiner Übermacht – vielleicht abgesehen von Gott – Gesetze vorschreiben und hält Tuchfühlung zu<br />

den Mächten, die den zeitlich begrenzten (Staat, Politik, Zeitgeist) überlegen sind (Kultur, Geschichte,<br />

Theologie).<br />

„Sprache webt um die Stille“<br />

Während der Waldgänger den Zeitgeschehnissen aufgrund seiner Unabhängigkeit eine geringe<br />

Bedeutung beimessen kann, lebt der Zivilist metaphorisch gesprochen auf dem Schiff. Auf dem Schiff<br />

ist nur ein zeitlich begrenztes Dasein möglich. Ständig müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein,<br />

um auf dem Schiff zu leben. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dann läßt es sich ganz passabel<br />

leben. Im Fall der Fälle würde eine soziale Ächtung einen Passagier auf dem Schiff deshalb viel härter<br />

treffen, als die freiwillige Abkehr des Waldgängers. Wer das Schiff verlassen will, der hat ein Problem.<br />

Auf offener See aussteigen? Bestimmt nicht, dann lieber das geringere Übel wählen und an Bord<br />

bleiben. Das Schiff steht für die technische Welt, welche den Menschen in eine ganz bestimmte<br />

Disposition drängt und ihn dort festnietet. Im Wald offenbart sich die musische Welt. Dichter, Denker<br />

und starke Geister sind hier daheim, die in sich ruhen und Kraft schöpfen. Sie können sich noch auf<br />

das Grundlegende konzentrieren und hören das Wort unter Tausend Wörtern heraus.<br />

Literaturempfehlung: Ernst Jünger - Der Waldgang<br />

176


Mythos pB! Theodor Körner zu Chemnitz<br />

Geschrieben von: Sebastian Schermaul<br />

Montag, den 28. Mai 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Über die pennale Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz, die seit viereinhalb Jahren besteht,<br />

gibt es bereits pseudowissenschaftliche Arbeiten von linken Autoren. In einer 13seitigen<br />

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme setzt sich zum Beispiel Petra Zais (GRÜNE) mit den „Burschen in<br />

Sachsen“ auseinander. Dabei machen die jungen Gymnasiasten der pB! Theodor Körner nichts<br />

Schlimmes: Sie getrauen sich lediglich, ihre konservative Meinung selbstbewußt zu vertreten und<br />

organisieren ein Jugendleben jenseits des Zeitgeistes.<br />

Am 9.11.2002 gründete sich die pennale Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz. Dieser<br />

historisch vorbelastete Tag sollte ein Sinnbild für den Kampf um Meinungsfreiheit, Demokratie aber<br />

auch Verfolgung an den Chemnitz Gymnasien sein.<br />

Die Burschenschaft ist ein Lebensbund.<br />

Die Anfänge waren schwer! Im Sommer 2002 lernten sich einige konservative Chemnitzer<br />

Gymnasiasten im Weltnetz kennen und wußten damals bestimmt noch nicht, was für eine Tragweite<br />

diese Kontakte untereinander, aber auch zu Burschenschaftern aus anderen Städten, haben sollte.<br />

Nach ein paar Besuchen bei anderen Verbindungen keimte schnell der Entschluß, eine eigene<br />

Verbindung in Chemnitz zu gründen. So wurde an einem verregneten 9.11.2002 am „Harrassprung“<br />

in Lichtenwalde die pennale Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz gegründet.<br />

Die Burschenschaft verlangt von ihren Mitgliedern innige und treue<br />

Freundschaft auf ewig.<br />

Die Gründungsaktiven entschieden sich für den Wahlspruch „Deutsch und Frei! Kühn und Treu!“,<br />

welcher bei jedem Bundesbruder seit der Bandaufnahme tief im Herzen verwurzelt ist. Als Zeichen<br />

der Zusammengehörigkeit, Treue zum Bund und unter den einzelnen Bundesbrüdern tragen die<br />

Mitglieder ein schwarz-rot-goldenes Band mit kornblumenblauer Perkussion. Diese Farben sind das<br />

Wichtigste für ein jedes Mitglied des Bundes und jeder Fechtenverbindet damit unterschiedliche<br />

Ereignisse und Erinnerungen. Sei es das Eingedenken an die letzte Partie, denn die pennalen<br />

Burschenschafter pflegen das Fechten nach Linzer Pauk- und Ehrenordnung, nach der mit stumpfen<br />

Säbeln auf den Oberkörper des anderen gezielt wird. Seien es die daraus folgenden Spuren auf dem<br />

Band oder sei es die Erinnerung an die letzte gesellige Kneipe im Kreise der Bundesbrüder. Gerade<br />

diese Eintracht macht die Besonderheit und Einzigartigkeit dieses Bundes aus. Es gibt sicherlich keine<br />

andere Form von Vereinen oder Zusammenschlüssen, wo Traditionen gepflegt werden,<br />

Freundschaften bis zum Tode bestehen und ein generationsübergreifendes Miteinander<br />

untereinander herrscht.<br />

Die Burschenschaft verlangt gegenseitige Opferwilligkeit und<br />

Unterstützung in allen Lebenslagen.<br />

In den letzten vier Jahren durchlief die Verbindung die verschiedensten Stadien. Nach der<br />

Aufbauphase, in der der Bund stark von außen, sei es von Lehrern, Schülern oder Politikern,<br />

attackiert wurde, kehrte mit der ersten eigenen Wohnung und den ersten Neumitgliedern, den<br />

sogenannten Füxen, etwas Ruhe ein. Nach drei Jahren zählte die Verbindung 15 Mitglieder, was für<br />

Chemnitzer Verhältnisse beachtlich war. Nun kehrte wohl oder übel ein gewisser Alltag ein, der aber<br />

in keinster Weise langweilig war. Man traf sich in den Mittagspausen auf der eigenen Konstante,<br />

paukte miteinander und verbrachte viele lustige Stunden im vertrauten Kreise. Neben diesem<br />

177


„normalen“ Bundesleben blieb es aber nicht aus, daß die Verbindung von außen angegriffen wurde.<br />

Hetzartikel und Propaganda machten es dem einen oder anderen Bundesbruder nicht gerade leicht,<br />

sich in Familie und Schule zu behaupten. Der Zusammenhalt innerhalb des Bundes allerdings brachte<br />

jedem neue Kräfte und half ihm, teilweise schwere Zeiten in Schule oder Familie zu überwinden.<br />

Dieser Zusammenhalt besteht bis heute und wird regelmäßig durch gemeinsame Veranstaltungen<br />

oder Ausflüge sowie ein aktives Bundesleben erneuert.<br />

Die Burschenschaft tritt zum Schutze jedes einzelnen Mitgliedes ein.<br />

Der Mythos dieser, noch recht jungen Verbindung, liegt in der unbestrittenen Standhaftigkeit und<br />

dem Selbstverständnis einer pennalen Burschenschaft an Chemnitzer Gymnasien, die sich in mehr als<br />

vier Jahren aufgebaut hat. Dies wäre allerdings nie erreicht wurden, wenn nicht beherzt konservative<br />

Jugendliche für ihre Ideale gekämpft hätten und dies auch heute immer noch tun, was ihnen nur<br />

selten positive Resonanz bringt. Die pennale Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz und ihre<br />

Geschichte ist ein Vorzeigebeispiel eines pennalen Jugendbundes in Mitteldeutschland. Und dennoch<br />

fragt sich, warum linke Gutmenschen sofort Alarm schlagen, wenn junge konservative pennale<br />

Burschenschafter beginnen, sich durch Fechten körperlich zu ertüchtigen, sich durch Vorträge<br />

gegenseitig zu bilden und beschließen, die Schulzeit gemeinschaftlich in einem Bund zu gestalten. In<br />

einer freien Welt müßte dies doch das normalste auf Erden sein. Aber leider ist unserem Land diese<br />

Normalität abhanden gekommen.<br />

178


Kirchentag: Lebendig und kräfitg und schärfer?<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Mittwoch, den 06. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Kirche von unten“ – das will der Kirchentag, der vom 6. bis 10. Juni 20<strong>07</strong> in Köln stattfindet, auch<br />

sein. Ursprünglich war es der Name einer nonkonformen Gruppe von christlichen Dissidenten in der<br />

DDR. Die „Kirche von unten“ wollte christliches Leben in den sozialistischen Alltag hineinzutragen<br />

und den Kirchenfunktionären die Deutungshoheit absprechen.<br />

In der DDR hatte sich die Lutherkirche in zwei Strömungen gespalten. Die erste Gruppe bestand aus<br />

Pfarrern, die die DDR akzeptierten und ihre Gemeindearbeit auf Gottesdienst, Taufe, Konfirmation<br />

und Beerdigung beschränkten. Kritik am sozialistischen Regime ließen diese Pfarrer nicht hören. Die<br />

zweite Strömung entstand in den 70er Jahren aus jüngeren Pastoren, die sozialistisch sozialisiert<br />

waren. Diese Pfarrer hatten Marx' These vom „Urkommunismus“ als einer Art Urchristentum<br />

akzeptiert und glaubten, dass die DDR der bessere, weil fortschrittlichere deutsche Staat war. Sie<br />

waren der Meinung, dass Sozialismus lediglich die säkulare Version des Christentums sei. Den<br />

Kommunisten waren beide Strömungen recht: die eine, weil sie passiv im Kirchen-Ghetto verharrte,<br />

und die zweite, weil sie die kommunistische Utopie unter das Kirchenvolk brachte.<br />

Erst in den 80er Jahren entstanden kleine Studentengemeinden, die einen gefährlicheren Geist<br />

pflegten. Nicht wegen fundierter Bibelexegesen, sondern aus einem Lebensgefühl heraus: die „lichte<br />

Zukunft“ in den Plattenbauten der sozialistischen Stadt stellte sich als verwaltete Ödnis heraus, die<br />

Rhetorik des Staates war zu hohlen Phrasen geronnen, und das Leben in FDJ und Jugendclubs war<br />

von Stumpfsinn geprägt. Die neuen Jungen Gemeinden wollten keine Vorträge über Jesus als den<br />

ersten Kommunisten mehr hören. Sie wollten wandern und am Lagerfeuer unkorrekte Lieder<br />

klampfen. Sie zogen aus den Betonsilos in verfallene Altbauten, gründeten WGs, feierten und<br />

schrieben kleine Zeitschriften, die illegal kursierten und des Nachts per Hand vervielfältigt wurden.<br />

Die <strong>Blaue</strong> Blume zwischen den Betonplatten<br />

Zwischen den rissigen Betonplatten der Aufklärung wuchs so die blaue Blume der Romantik. Bald<br />

wurde die Stasi aufmerksam und zwang die Kirchenfunktionäre, die rebellischen Jungen Gemeinden<br />

auszutrocknen. Manche Pfarrer fügten sich und verbaten die Gruppen. Deshalb schlossen sich die<br />

jungen Rebellen in der „Kirche von unten“ gegen die Kirchenfunktionäre zusammen. Viele<br />

Dissidenten der Bürgerbewegung von '89 hatten hier ihre Wurzeln.<br />

Nach der Wiedervereinigung verschwanden die Dissidenten schnell von der Bühne. Die<br />

Bürgerbewegung „Bündnis 90“ ließ sich von den GRÜNEN schlucken, andere Bürgerbewegte gingen<br />

zur CDU. Die Kirche sank wieder in die Bedeutungslosigkeit zurück, und „Kirche von unten“ ist nur<br />

noch der Name eines Punkclubs in Berlin-Prenzlauer Berg.<br />

Was bedeutet „Protestant sein“ eigentlich?<br />

Eine „Kirche von unten“ – das will der Kirchentag auch sein. Seit Kriegsende gibt es das evangelische<br />

Laientreffen. Aber der ursprüngliche Protest gegen die Kirchenführung, den es besonders seit 1968<br />

auch in Westdeutschland gab, hat die evangelische Kirche und den Kirchentag zu einer Ansammlung<br />

verschiedenster Gruppen und Grüppchen werden lassen. Heute weiß keiner mehr, was „Protestant<br />

sein“ eigentlich bedeutet. Deshalb haben allerlei politisierende Weltverbesserer leichtes Spiel, ihre<br />

Agenda gegen den Willen der Mehrheit der Gesellschaft aufzuzwingen. Ein besonders verheerendes<br />

Beispiel ist die „Bibel in gerechter Sprache“, die zum Vehikel für Feministen und die<br />

179


Einwandererlobby geworden ist. Der eigentliche Gehalt von Martin Luthers Botschaft an das<br />

deutsche Volk ist verloren gegangen.<br />

Die Bibel in gerechter Sprache: ein Vehikel für Feministen und die<br />

Einwanderungslobby<br />

Die evangelische Kirche in Deutschland leidet unter Überalterung, Mitgliederschwund und<br />

wachsender Bedeutungslosigkeit. Hunderte alter Kirchen wurden aufgegeben oder werden<br />

zweckentfremdet genutzt. Auch angesichts der islamistischen Herausforderung hat die<br />

Kirchenleitung die Profilschärfung gefordert. Unter diesem Motto steht auch der Kirchentag:<br />

„Lebendig und kräftig und schärfer!“<br />

Nur was genau ist denn das Profil der Evangelischen Kirche? Wofür stehen die Lutheraner im 21.<br />

Jahrhundert? Über 3000 evangelische Initiativen und Gruppen werden diese Frage auf dem<br />

Kirchentag diskutieren. Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> wird den Kirchentag aus konservativer Perspektive im<br />

Weblog begleiten.<br />

180


Ralph Giordano für kulturelle Selbstbestimmung<br />

Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />

Mittwoch, den 06. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Ich werde auch weiterhin auf meiner kulturellen Selbstbestimmung beharren, auf einer Lebensform,<br />

die die meine ist und die in mannigfacher Hinsicht mit der muslimischen nicht übereinstimmt. Und<br />

ich will das sagen dürfen, unbehelligt. Ich will sagen dürfen, dass ich auf deutschen Straßen weder<br />

Burka noch Tschador begegnen will, so wenig wie Muezzin-Rufe von haushohen Minaretten hören.“<br />

Diese Worte stammen nicht aus dem Munde eines völkischen Romantikers oder eines<br />

Klerikalkonservativen. Vielmehr stammen sie von dem deutsch-jüdischen Schriftsteller Ralph<br />

Giordano, der in der deutschen Öffentlichkeit bisher mit dem Anliegen einer kompromisslosen<br />

Aufklärung über die Völkermorde der Nazis assoziiert wurde.<br />

So prangerte Giordano etwa in seiner Buchveröffentlichung „Die zweite Schuld oder Von der Last<br />

Deutscher zu sein“ (1987) das weitgehende Fehlen einer adäquaten Ahndung nationalsozialistischer<br />

Gewaltverbrechen durch die Justizorgane der Bundesrepublik Deutschland und den Rückgriff auf<br />

Funktionseliten des „Dritten Reiches“ in die Apparate der Exekutiv- und Legislativorgane des<br />

demokratisch reorganisierten (West-)Deutschland an, verschwieg aber auch nicht die<br />

geschichtspolitisch fatalen Auswirkungen des durch die SED-Diktatur „verordneten Antifaschismus“<br />

der DDR.<br />

Was weniger bekannt sein dürfte: Insbesondere in den 80er Jahren engagierte sich Giordano<br />

vehement für eine Aufklärung der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit über den von der<br />

osmanischen Staatsführung ausgehenden Völkermord an den Armeniern 1915/16, was dem<br />

zivilcouragierten Autor seitens türkischer Nationalisten wüsteste, antisemitische Beschimpfungen bis<br />

hin zu Morddrohungen eintrug.<br />

Ralph Giordano attackiert Muslime. (WELT Online)<br />

Genau dies wiederholte sich nun im Zusammenhang mit Giordanos kritischen Stellungnahmen zu<br />

einem geplanten Repräsentativbau einer Moschee in Köln-Ehrenfeld mit zwei 55 Meter hohen<br />

Minaretten – ein von allen etablierten kommunalpolitischen Kräften des sogenannten<br />

„Verfassungsbogens“ (Edmund Stoiber) kritiklos mitgetragenes Projekt, das Giordanos Auffassung<br />

nach eine Integration der Muslime vortäusche, die tatsächlich nicht gelungen sei:<br />

„Meine Forderungen an die politische Leitung der Stadt Köln, die Pläne zum Bau einer zentralen<br />

Großmoschee in Köln-Ehrenfeld einzustellen, weil sie angesichts der gescheiterten Integration ein<br />

falsches Bild von den wahren Beziehungen zwischen muslimischer Minderheit und<br />

Mehrheitsgesellschaft entwerfen, haben mir Morddrohungen eingebracht, unmissverständlich und in<br />

türkischer Sprache – womit ich diesen Teil der muslimischen Minderheit nicht unter Generalverdacht<br />

stellen will.“<br />

Der islamische Ansprechpartner der städtischen Behörden beim Bau der Großmoschee ist die<br />

Türkisch-Islamische Union (Ditib), die unter der Kuratel der – ursprünglich säkularistisch<br />

ausgerichteten, mittlerweile jedoch „fundamentalistisch“ durchsetzten – Religionsbehörde des<br />

türkischen Staates, Diyanet Isleri Baskanligi, steht.<br />

181


Moscheekritik: Morddrohungen gegen Ralph Giordano (Spiegel Online)<br />

Der Moscheebau-Kritiker Giordano hat sich – wie vor ihm etwa Michael Wolffsohn oder Peter<br />

Sichrovsky – aus multikulturalistischer Sicht des Vergehens schuldig gemacht, aus der „ethnischen“<br />

Nische, die man hierzulande einem überlebenden Juden gern zugesteht, herauszutreten und als<br />

deutscher Bürger Partei zu ergreifen für jüdisch-christliche Traditionen. In diesem Sinne verwies der<br />

Kölner CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma expressis verbis auf das Verfolgtenschicksal<br />

Giordanos, um sein Unverständnis über dessen islampolitischen Standpunkt zum Ausdruck zu<br />

bringen, nach der Devise: Wem die Nazis das Recht auf Leben absprachen, der muss aus der<br />

Geschichte lernen – und islamistische Herrschaftsansprüche unterstützen.<br />

182


Gerd Schultze-Rhonhof: 1939 – Der Krieg, der viele Väter<br />

hatte<br />

Geschrieben von: Harald Finke<br />

Samstag, den 09. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

In Köln mischt die Objektiv, eine Schülerzeitung der „Jugend pro Köln“, die Stadt auf. Auch in ihrer<br />

dritten Ausgabe gelingt es der Objektiv, ungewöhnliche und brisante Themen anzupacken. In den<br />

letzten Wochen liefen die Verteilaktionen für die dritte Ausgabe der Schülerzeitung. Was die Schüler<br />

als Lesestoff für die Pausen angeboten bekamen, wird an dieser Stelle auszugsweise vorgestellt. Der<br />

folgende Artikel befaßt sich mit „1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte“:<br />

Wie konnte es dazu kommen? Diese Frage stellt sich wohl jeder Schüler, wenn im<br />

Geschichtsunterricht der zweite Weltkrieg behandelt wird. Die allgemein angebotene Antwort ist<br />

bekannt: „Hitler-Deutschland“ habe am 1.9.1939 Polen überfallen und damit „den Krieg entfesselt“,<br />

wahlweise um „Lebensraum im Osten“ oder gleich „die ganze Welt“ zu erobern.<br />

Die Frage nach der Verantwortung für den Ausbruch des zweiten Weltkrieges scheint also geklärt.<br />

Doch Gerd Schultze-Rhonhof wollte es genauer wissen. Und was der Generalmajor der Bundeswehr<br />

a. D. in seinen Buch „1939: Der Krieg, der viele Väter hatte“ aus den Archiven zusammengetragen<br />

hat, lässt sich mit der herrschenden Meinung von der „deutschen Alleinschuld“ so gar nicht in<br />

Einklang bringen. Eine ganze Reihe von Staaten habe den zweiten Weltkrieg verursacht, so lautet die<br />

brisante These des Autors.<br />

Bei seiner Darstellung holt Schultze-Rhonhof weit aus. Zunächst geht er auf den ersten Weltkrieg und<br />

seine Folgen ein. Mit dem ungerechten „Vertrag“ von Versailles schufen die Siegermächte von 1918,<br />

allen voran England und Frankreich, in Europa eine Ordnung, die nicht einem gerechten Frieden,<br />

sondern nur der Niederhaltung Deutschlands diente. Das „Versailler Diktat“ belastete die junge<br />

deutsche Demokratie schwer – und führte letztlich zum Aufstieg Hitlers. Aus zeitgenössischer Sicht,<br />

so zeigt Schultze-Rhonhof, erschien die Außenpolitik des Diktators, insbesondere die<br />

Wiederaufrüstung, den Deutschen nicht als „Vorbereitung eines Angriffskrieges“, sondern als die<br />

längst überfällige Überwindung des Versailler „Vertrages“. Diese war zuvor auch von allen<br />

demokratischen Parteien der Weimarer Republik angestrebt worden, aber immer wieder am<br />

Widerstand Englands und Frankreichs gescheitert.<br />

Vor diesem Hintergrund beleuchtet der Autor im Hauptteil seines Buches dann den polnischdeutschen<br />

Konflikt, der im September 1939 zum zweiten Weltkrieg eskalierte. Hier erfährt der Leser<br />

Interessantes über den 1918 geschaffenen polnischen Staat. Dieser taucht in der gängigen<br />

Geschichtsschreibung nur als Opfer auf. Tatsächlich aber handelte es sich beim damaligen Polen um<br />

einen „Schurkenstaat“: Allein zwischen 1918 und 1924 führte Polen Eroberungskriege gegen die<br />

meisten seiner Nachbarstaaten. Minderheiten – darunter 2 Millionen Deutsche – wurden brutal<br />

unterdrückt.<br />

Spannend liest sich schließlich auch die Schilderung des letzten Jahres vor dem Kriegsausbruch. Folgt<br />

man der gängigen Darstellung, so suchte das Deutsche Reich 1939 nur nach einem Vorwand, um<br />

Polen zu überfallen. Dieser Sichtweise hält Gerd Schultze-Rhonhof entgegen, dass es zwischen<br />

Dezember 1938 und September 1939 intensive deutsch-polnische Verhandlungen gegeben hat. In<br />

deren Verlauf war Hitler zu weitergehenden Zugeständnissen an Polen bereit, als alle<br />

demokratischen Regierungen der Weimarer Republik zuvor. Dass es dennoch nicht zu einer<br />

183


Verständigung kam, sei einmal mehr vor allem dem Eingreifen Englands zuzuschreiben: Während die<br />

britische Diplomatie sich gegenüber Deutschland als ehrlicher Vermittler anbot, riet sie den Polen<br />

insgeheim, die Verhandlungen zu boykottieren und es auf Krieg ankommen zu lassen. Die<br />

Selbstüberschätzung maßgeblicher polnischer Militärs tat ein Übriges, um die Weichen in Richtung<br />

Krieg zu stellen.<br />

Hervorzuheben ist, dass es Gerd Schultze-Rhonhof bei allen seinen Ausführungen nie um eine<br />

Verherrlichung der NS-Diktatur geht. Im Gegenteil, die Verbrechen Hitlers – wie etwa die Besetzung<br />

der „Rest-Tschechei“ im März 1939 – werden klar benannt, soweit sie für den im Buch behandelten<br />

Zeitraum eine Rolle spielen. Zu Recht kritisiert der Autor aber, dass die heutige<br />

Schulgeschichtsschreibung sich darauf beschränkt, den deutschen Schuldanteil am zweiten Weltkrieg<br />

darzustellen. Der englische, französische und polnische Schuldanteil wird ausgeblendet. Von der<br />

„Political Correctness“ unterschlagene historische Zusammenhänge jungen Menschen wieder näher<br />

zu bringen, ist Gerd Schultze-Rhonhofs ausdrückliches Anliegen. Es ist daher zu wünschen, dass sein<br />

Buch über die Vorgeschichte des zweiten Weltkrieges den Weg in die Hände vieler Mitschüler findet.<br />

Material für Fragen und spannende Debatten im Geschichtsunterricht bietet es mit seinen vielen<br />

Zitaten und Quellen allemal.<br />

Wer sich durch den Umfang von knapp 600 Seiten abgeschreckt fühlt, findet auf der Internetseite des<br />

Autors unter www.vorkriegsgeschichte.de eine Kurzfassung, die gerade bei der Erstellung von<br />

Hausarbeiten oder Referaten hilfreich ist.<br />

Gerd Schultze-Rhonhof: 1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte. Olzog-Verlag, 5. Auflage, <strong>2006</strong>, 560<br />

Seiten, 34,90 €<br />

www.vorkriegsgeschichte.de<br />

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Perspektivlosigkeit führt zu Sozialismus<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Montag, den 11. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Stellt euch folgenden jungen Mann vor – es gibt von ihrer Sorte in Mitteldeutschland Tausende: Jung,<br />

vielleicht 17, vielleicht auch schon volljährig. Vor die innere Entscheidung gestellt, sich entweder<br />

zusammenzureißen und eventuell einen Hochschulabschluß anzustreben oder sich gehen zu lassen<br />

und nach vergeigtem Abitur vor dem Nichts zu stehen. Mit der Welt unzufrieden, aufgrund eigener<br />

Versagensängste, Lust zur Rebellion oder aufgrund tatsächlicher Mißstände. Genau weiß er es selbst<br />

nicht. Dieser junge Mann verfügt nicht über die Tiefgründigkeit eines politischen Denkers, aber seine<br />

gefühlte Perspektivlosigkeit macht ihn anfällig für die Utopien des Sozialismus.<br />

Sozialismus ist wie eine seuchenhafte Krankheit. Sie breitet sich dort aus, wo bereits genügend<br />

kranke Keime vorhanden sind und Bakterien in den Poren des Systems warten. Sozialismus erfaßt<br />

immer zuerst die Krankheitsanfälligen, die Schwachen und gegen nichts Resistenten eines Systems.<br />

Der junge Mann aus Mitteldeutschland zählt eigentlich nicht zu ihnen. Er könnte den Ausbruch aus<br />

dem Seuchenherd schaffen; könnte bald in einer großen Stadt studieren und sich selbst mit<br />

Eigeninitiativen aus dem Heer der Krankheitsanfälligen herauskämpfen. Leider fehlt ihm eine<br />

Eigenschaft für diesen Schritt: Ihm mangelt es an Selbstbewußtsein und an der Fähigkeit, den<br />

eigenen Schweinehund zu überwinden.<br />

Wo soll er Selbstbewußtsein auch hernehmen? Der junge Mann ist zwar durchschnittlich bis<br />

überdurchschnittlich intelligent, aber in seinem ganzen Leben hat er noch nie über einen längeren<br />

Zeitraum spielerisch Selbstbewußtsein vermittelt bekommen. Er war noch nie in Sportvereinen aktiv,<br />

in denen es Erfolge zu erkämpfen galt; nie wurde er dazu ermutigt, über mehrere Jahre das Spiel auf<br />

einem Musikinstrument zu erlernen und noch nie hat man ihm deutlich machen können, daß er nur<br />

mit kontinuierlichem Einsatz etwas erreichen kann. Bisher war alles Stückwerk, hin und wieder ein<br />

guter Ansatz, mehr nicht.<br />

Zurück zum Sozialismus: Er infiziert auch diesen jungen Mann und gibt ihm ein Alibi für sein<br />

Scheitern. Ganz egal, ob der junge Mann sein Abitur schafft und danach irgendwo versackt oder ob er<br />

es nicht schafft und perspektivlos im leeren Mitteldeutschland nach irgendeinem Strohhalm für sein<br />

Leben sucht; er wird sich nicht dafür verantwortlich machen, sondern kennt den Verantwortlichen<br />

schon: den bösen kapitalistischen Staat.<br />

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Gegenöffentlichkeit im Netz<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 19. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Zeitungsmarkt im Netz hat schneller als gedacht die altbekannten Machthierarchien<br />

herausgebildet. Die Masse liest den gleichen Blödsinn wie bisher: Die Onlineausgabe der BILD<br />

durchblättern täglich 1,5 Millionen Menschen. Den Spiegel ziehen 2,3 Millionen zu Rate und FAZ<br />

lesen steht bei fast 0,4 Millionen auf der Tagesordnung. Rechts davon hat sich bisher wenig getan.<br />

Nirgendwo am Online-Horizont ist ein frecher Emporkömmling zu sehen, der es wissen will. Grund<br />

genug, sich die Angebote im Netz, die das Potential zur Gegenöffentlichkeit haben, genauer<br />

anzuschauen.<br />

Der Marktführer der „Neuen Rechten“, die Junge Freiheit, präsentiert eine Netzseite, die vor 10<br />

Jahren vorzeigbar gewesen wäre. Sie hat nichts, aber auch gar nichts mit Onlinejournalismus zu tun.<br />

Die inhaltlichen Angebote, die wöchentlich erneuert werden, übernimmt die JF aus der Printausgabe.<br />

Auf jungefreiheit.de findet man keine zusätzlichen Artikel, keine Verweise, keine Blogs und keine<br />

Foren, wo sich die Intelligenz der Rechten austauschen könnte. Dabei steckt in der Marke „JF“<br />

immenses Potential. Dies zeigen die JF-Foren bei dol2day und StudiVZ. Es ist unerklärlich, warum die<br />

JF die Diskussionen in diesen Foren nicht auf die eigene Seite zieht. Fazit: Einfach nur schlecht!<br />

Gemessen an den täglichen Besuchern hat das Blog politicallyincorrect die Onlineversion der JF<br />

bereits überholt. Politicallyincorrect knackt immer häufiger die Zehntausend-Besucher-Schallmauer<br />

an einem Tag. Die Blogautoren rund um Stefan Herre beschäftigen sich in einer lobenswerten<br />

Regelmäßigkeit mit den Gefahren des Islams. Daß sie zu unkritisch mit den USA, Israel und der BRD<br />

umgehen, trübt ein wenig das positive Bild. Das Blog läuft Gefahr, aufgrund der einseitigen<br />

Kommentierung zu eintönig zu werden. Der anspruchsvolle Leser würde sich über etwas mehr<br />

Kreativität und eigene Ideen freuen. Fazit: Marktführer mit Schwächen!<br />

Im Gegensatz zu den konservativen Onlinepräsenzen mag man den libertären unterstellen, sie wären<br />

wesentlich fortschrittlicher, flotter und für neue Innovationen offener. Generell könnte dies<br />

stimmen, denn eine Reihe von libertären Blogs kommentiert den täglichen Bürokratiewahnsinn der<br />

BRD. Der Wortgeber der Libertären schlechthin, die Zeitschrift eigentümlich frei, hinkt jedoch den<br />

Standards des Web 2.0 hinterher. Regelmäßig bloggen die Autoren der eifrei auf www.ef-online.de.<br />

Mehr als Texte ins Netz zu stellen, die auch im Printmagazin erscheinen könnten, leistet das Blog<br />

nicht. Eine onlineverträgliche Form sieht anders aus. Fazit: So kann niemand im<br />

Meinungswettbewerb bestehen.<br />

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Rauschender Strom, brausender Wald – Heimat und<br />

Seelenformung im Lichte der FDGO<br />

Geschrieben von: Florian Gerstenhauer<br />

Donnerstag, den 21. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Da sich der Naturschutz angeblich in einer „Akzeptanzkrise“ befindet, sucht dessen Lobby nach<br />

„neuen Vermittlungswegen“. So regt Herbert Zucchi (* 1950), Professor an der Fakultät für<br />

Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der FH Osnabrück und bekennender 68er-Veteran,<br />

eine Reaktivierung des „ab den späten 1960er Jahren möglicherweise“ im Zuge der Studentenrevolte<br />

und der „demokratischen Aufbruchstimmung“ verschütteten Begriffes „Heimat“ an. In seiner<br />

Befragung „Was Studierende mit Heimat verbinden und verbindet“ (Natur und Landschaft, 82. Jg.<br />

20<strong>07</strong>, Heft 2 S. 63-67) empfiehlt er, dem ökologischen ein soziales Naturideal zur Seite zu stellen.<br />

Dem zur „angewandten Ökologie“ degradierte Naturschutz müsse der Rang als Kulturwissenschaft<br />

wiedereingeräumt werden.<br />

Im WS 04/05 wurden an der FH Osnabrück 170 angehende Agrarwissenschaftler gefragt, was sie mit<br />

„Heimat“ assoziieren. Die Resonanz ist erfrischend und so gut wie ausschließlich positiv. Sie reicht<br />

von Schlagworten wie „Glück, Wohlfühlen, Vertrauen, Geborgenheit“ bis hin zu Formulierungen von<br />

nachgerade poetischer Strahlungskraft: „Wo ich glücklich bin, ohne genau zu wissen warum.“<br />

Nicht nur Bäume haben Wurzeln ...<br />

82 Befragte verbinden Heimat mit Kindheit und Jugend: „Erinnerungen“, „eigene Wurzeln“. Ebenfalls<br />

eine große Rolle spielen Natur und Landschaft: „Die Landschaft, aus der ich komme“, „Der Wald bei<br />

unserem Dorf“ etc. Die Studenten nannten klimatische Eindrücke und landschaftsbezogene<br />

Tätigkeiten (Erntehilfe, Pilze sammeln etc.), vereinzelt auch konkrete geographische Orte, Sprache,<br />

Dialekt, Tradition, Mentalität, Gottesdienst. Fünfzehn Befragte meinten, Heimat sei an keinen Ort<br />

gebunden. Ein Student antwortete: „Das Gegenteil von Fremde“. Lediglich zwei Studenten nannten<br />

Schlagworte wie „Deutschtümelei“, „Nazizeit“ etc.<br />

... auch Menschen brauchen ihre Heimat<br />

Diese völlige Unbefangenheit der Studenten inspiriert Zucchi nicht etwa, hier seine eigenen<br />

Maßstäbe zu überdenken – Gott bewahre! Vielmehr widmet er sich einer unreflektierten<br />

„antifaschistischen“ Rechtfertigung des Heimatbegriffes, und hierin liegt aus konservativer Sicht die<br />

unfreiwillige Komik des Beitrags von Zucchi. Die Zuschreibung einer „heiligen und besonderen Kraft“<br />

an die Heimaterde durch Raoul Heinrich Francé (1874-1943) ist für Zucchi „starker Tobak“, und wenn<br />

ein Grußwort zum deutschen Naturschutztag 1957 in Kassel die uns umgebende Natur als „kostbares<br />

Ahnenerbe, als Born der Volksgesundheit, als Stätte seelischer Erhebung und körperlicher Erholung,<br />

als Fundgrube wissenschaftlicher, lebensgesetzlicher Erkenntnisse und schließlich als Offenbarung<br />

des Göttlichen“ preist, so sieht Zucchi darin eine nachwirkende „braune Heimat-Ideologie“.<br />

Das Grundgesetz im Wanderrucksack?<br />

Als Alternative schlägt Zucchi vor, man solle einen „progressiv-demokratischen Heimatbegriff im<br />

Sinne von Aufklärung und Bildung“ entwickeln. Wie bitte – Naturbetrachtung im Lichte der<br />

freiheitlich-demokratischen Grundordnung? Das Grundgesetz im Wanderrucksack,<br />

Holocaustdenkmal statt Gipfelkreuz?<br />

Zum Glück bleibt es bei Andeutungen. Immerhin rekonstruiert Zucchi aus dem Befund der Umfrage,<br />

wie „Heimat entsteht und was sie ist“:<br />

187


„Während seiner Ontogenese erlebt das Individuum die spezifische Landschaft seines Umfelds,<br />

speichert Bilder über sie und entwickelt daraus persönliche landschaftliche Leitbilder. Zeitgleich<br />

wächst das Kind in ein soziales Gefüge von Familie, Freunden, Bekannten und Nachbarn hinein, es<br />

entstehen in ihm persönliche soziale Leitbilder. Landschaftliches Gefüge und soziales Gefüge sind<br />

aber nicht losgelöst voneinander, sondern stehen in enger Verbindung zueinander, wobei<br />

Korrespondenz von Mensch und Landschaft immer (auch) Kultur bedeutet, was sich z. B. in<br />

landschaftsbezogenen Tätigkeiten (Ernte, Angeln etc.) oder auch in den Baumaterialien vor allem<br />

alter Häuser (Fachwerk, Schindeln) manifestiert. Erlebte Situationen mit Menschen und Landschaften<br />

verbinden sich in Kindheit und Jugend mehr und mehr, sie werden zu einem Teil der Persönlichkeit<br />

und damit des psychischen Gefüges des Individuums.“<br />

Zucchi erkennt Heimat als „Gegenbegriff zu Globalisierung und Fortschritt“. Praktische<br />

Schlußfolgerungen ergeben sich nicht, im Gegenteil: Heimat bedeute – trotz der Gemeinsamkeiten<br />

der Umfrageergebnisse – für jeden etwas anderes und enge niemanden ein; „eine (starre) Definition“<br />

verbiete sich. Wie hier ein „progressiv-demokratischer Heimatbegriff“ zu entwickeln und was genau<br />

das sei, wird nicht deutlich.<br />

Nun sind der Protest gegen die Moderne, der Zusammenhang von Naturbild und Seelenbildung<br />

weder Entdeckungen der Nationalsozialisten noch des Grundgesetzes. Oswald Spengler schrieb:<br />

„Das Naturbild des Kindes und des Urmenschen entwickelt sich aus der kleinen Technik des Alltages,<br />

die beide immer wieder zwingt, sich von dem angstvollen Schauen in die weite Natur den Sachlagen<br />

der nächsten Umgebung kritisch zuzuwenden.“<br />

Eine konkrete von zahllosen möglichen Topographien, die konkrete Anforderungen stellt, steht hier<br />

im Mittelpunkt. Aus diesen alltäglichen Erfahrungen entwickle sich ein „Inbegriff bleibender<br />

Merkmale, der sich für den wortgewohnten Menschen zu einem Bilde des Verstandenen<br />

zusammenschließt, der Welt als Natur.“ Dieses „Bild des Verstandenen“ prägt Mensch, Volk und<br />

Kultur und zeichnet epochale Entwicklungen: „In diesem Sinne ist die Landschaft schöpferisch.“ Bei<br />

Arthur Moeller van den Bruck lesen wir:<br />

„Mit dem Entstehen von Kulturen brechen Landschaften zu ihrer höchsten Blüte auf, und mit ihrem<br />

Untergange zerfallen sie in Sand und Öde. ... Klima, Fauna, Flora oder was ein Volk sonst an<br />

Eigentümlichkeiten in einem Lande vorfindet, sind ihm immer nur Mittel zu seiner Kultur.“<br />

Spengler und van den Bruck gehen von einer kulturell effektiv homogenen Entwicklung der einen<br />

Landstrich bevölkernden Menschen aus. Was aber geschieht, wenn die „sozialen Gefüge“ (Zucchi)<br />

unterschiedlicher Bewohnergruppen divergieren? Zunächst ist mit dem Wort von der<br />

„Korrespondenz von Mensch und Landschaft“ gesagt, daß das bloße Wohnen in einer Landschaft<br />

jemanden noch nicht zum Siedlungsgenossen oder „Mitbürger“ derjenigen macht, die dort bereits<br />

eine seelische Formung durchlaufen und Kultur (z. B. landschaftsspezifische Architektur, s. o.)<br />

hervorgebracht haben. Wenn die sozialen und kulturellen Ausprägungen einer relevanten Gruppe<br />

Fremder denjenigen der angestammten Bevölkerung grundlegend widersprechen, so wirken sie als<br />

Teil der sozialen Umwelt auf die kindliche Entwicklung und damit auf die Zukunft der Angestammten<br />

in einer Art und Weise ein, die der bereits vollzogenen, und zwar insoweit gerechtfertigten<br />

seelischen Formung der Angestammten zuwiderläuft.<br />

Heimat ist nicht der Ort …<br />

Damit könnte man – placet experiri! – argumentieren, daß in einer multikulturellen Gesellschaft die<br />

kindliche Entwicklung naturwidrig und somit krankhaft verlaufe. Damit wiederum könnte die<br />

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Forderung „Assimilation oder Ausreise“ naturrechtlich begründet werden. Denkbar wäre die<br />

multikulturelle Gesellschaft folglich nur dort, wo landschaftsspezifische Wahrnehmungen überhaupt<br />

keine kulturschöpfende Seelenformung mehr zeitigen: Multikulturalität ertragen kann nur der<br />

Bewohner des „Steinkloß Weltstadt“, nach Spengler „statt eines formvollen, mit der Erde<br />

verwachsenen Volkes ein neuer Nomade“, der „reine, traditionslose, in formlos fluktuierender Masse<br />

auftretende Tatsachenmensch, irreligiös, intelligent, unfruchtbar“, der von seiner Schöpfung, der<br />

„absoluten Stadt“, zu ihrem Geschöpf, zum Opfer gemacht wird.<br />

… sondern die Gemeinschaft der Gefühle<br />

Vorstehendes Gedankenspiel zeigt, welch seltsame Blüten unschuldige Lobbyarbeit treiben kann.<br />

Was aber ist uns nun Heimat? Für Zucchi kann es „eben auch der HSV sein“, aber wie umschreiben<br />

wir dieses entwicklungsgeschichtliche Fundament, abseits spontaner Banalitäten? Wieder Oswald<br />

Spengler:<br />

„Uns ist sie eine ungreifbare Einheit von Natur, Sprache, Klima, Sitte, Geschichte; nicht Erde, sondern<br />

„Land“, nicht punktförmige Gegenwart, sondern geschichtliche Vergangenheit und Zukunft, nicht<br />

eine Einheit von Menschen, Göttern (oder Götzen, Anm. d. Verf.) und Häusern, sondern eine Idee,<br />

die sich mit rastloser Wanderschaft, mit tiefster Einsamkeit und mit jener urdeutschen Sehnsucht<br />

nach dem Süden verträgt, an der von den Sachsenkaisern bis auf Hölderlin und Nietzsche, die besten<br />

zugrunde gegangen sind.“<br />

Na, ist das was? Ich denke, ein Paar Mücken für den Umweltschutz sind da schon drin, Herr Zucchi.<br />

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Sie fielen für Demokratie und Emanzipation …<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Donnerstag, den 21. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Denkmalkultur wird in Deutschland kleingeschrieben.Die Bundesregierung plant ein Ehrenmal für die<br />

bei Auslandseinsätzen gefallenen Soldaten. Das ist eine Sensation – in dreifacher Hinsicht. Erstens:<br />

Die Bundesrepublik schickt Soldaten in den Krieg. Das gibt es erst seit Joschka Fischer. Zweitens:<br />

Deutschland schickt Soldaten in völkerrechtswidrige Kriege. Das haben sich im 20. Jahrhundert nur<br />

zwei deutsche Politiker erlaubt: Adolf Hitler und Joschka Fischer. Drittens: man „ehrt“ Soldaten.<br />

Dabei gilt der Begriff der „Ehre“ spätestens seit 1968 als 'reaktionär'. Soldaten waren doch Mörder,<br />

oder?<br />

Doch so richtig will die Sensation nicht einschlagen. Es ist still im Blätterwald. Fast zu still. Noch vor<br />

wenigen Jahren tobten die Debatten um das so genannte Holocaust-Denkmal in Berlin. Nun<br />

verweigert die sonst so diskurs- und streitsüchtige Linke jeden Kommentar. Bis auf ein paar Zeilen in<br />

der taz war bisher kaum etwas zu vernehmen. Warum ist es so still? Was mag der Grund sein, dass<br />

die Chefredakteure von Süddeutscher, ZEIT, Rheinischem Merkur und Frankfurter Rundschau lieber<br />

die Finger von diesem Thema lassen? Nun ist das geplante Gefallenendenkmal kein beliebiges<br />

Thema, sondern markiert eine symbolpolitische Wende in der Geschichte der Bundesrepublik, die<br />

vergleichbar ist mit den ganz großen Einschnitten – Weizsäckers "Befreiungs"-Rede 1985, der<br />

Historikerstreit 1985/86, das Holocaust-Denkmal 1996, die Wehrmachtsausstellung 2000/01. Und<br />

trotzdem ist alles still? Ist es das, weil es zum ersten Mal seit - ja, seit wann eigentlich? – eine<br />

symbolpolitische Wende nach rechts ist? Ist es denn eine Wende nach rechts?<br />

Der Reihe nach. Vor einem Jahr forderte Verteidigungsminister Jung in der ZEIT ein Denkmal für<br />

gefallene Soldaten. Damals regte sich keine Reaktion. Dann tauchte das Thema hin und wieder in<br />

parteipolitischen Stellungnahmen auf, ohne je echte Schlagzeilen zu machen. Die Fronten waren klar:<br />

die CDU für ein Soldatendenkmal, die Linken zuerst dagegen, dann für eins für alle im Ausland<br />

umgekommenen Helfer, denn die Bundeswehr sei ja nur eine bewaffnete Truppe braver Helferlein.<br />

Aber auch hier rührte das Thema niemanden wirklich. Bisher fanden die Trauerveranstaltungen in<br />

einem Flugzeughangar bei Köln statt. Bei Trauerfeiern, zu denen man die Frau Bundeskanzlerin<br />

einflog, wurde schnell die Technik aus der Halle geschoben, die Wellblechwände mit schwarzem<br />

Leinen ausgekleidet und der Betonboden geschrubbt. Die Fernsehkameras wurden so ausgerichtet,<br />

dass man möglichst wenig von der pietätlosen Halle sah.<br />

Die verhinderte konservative Debatte<br />

Nun hat der Verteidigungsminister seinen hinter den Kulissen ausgeschriebenen Entwurf vorgestellt<br />

– ein ärmlicher Flachbau mit ein paar griechisch anmutenden Säulen – der gute Chancen hat,<br />

durchgewinkt zu werden. Das Denkmal soll im Innenhof des Verteidigungsministeriums aufgestellt<br />

werden, weit weg von der öffentlichen Wahrnehmung und lediglich gut für obligatorische<br />

Kranzabwürfe. Doch warum so eilig? Es scheint, als seien CDU und Linke einen klammheimlichen<br />

Kompromiss über den Gräben eingegangen, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Beide Seiten<br />

haben ein Interesse, in Berlin ein Gefallenendenkmal zu bauen, dass zwar den Erfordernissen der Zeit<br />

entspricht, aber keinen öffentlichen Streit erregt.<br />

Für Linke sind die Motive eines Kompromisses schnell ausgemacht: Soldaten sind meist Mörder,<br />

Frieden schafft man ohne Waffen, und Militär und Armee sind ohnehin Auslaufmodelle in der<br />

globalen Zivilgesellschaft. Da aber momentan noch Soldaten ihr Leben für die Emanzipation<br />

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afghanischer Frauen oder die Schulpflicht für Nomadenkinder in Kandahar riskieren, muss ein<br />

Denkmal her. Nicht für den militärischen Einsatz, den Kampfeswillen oder den Opfergeist, sondern<br />

für ihre Mission als eine Art bewaffnetes THW. Deshalb drängen Linke darauf, das Mahnmal<br />

gleichzeitig den "unbewaffneten Helfern" zu widmen, die in ähnlicher Mission unterwegs seien.<br />

Ein Denkmal für ein bewaffnetes THW?<br />

Für die CDU sieht die Sache diffiziler aus. In der CDU weiß man um die symbolische Kraft militärischer<br />

Mahnmale, und die meint man deckeln zu müssen. Denn ein Mahnmal braucht eine Inschrift. Und<br />

genau da wird es kritisch: Was sollte denn auf dem Denkmal stehen? "Sie gaben ihr Leben für die<br />

Demokratie in Afghanistan", wirkt unglaubwürdig.<br />

In den Zeiten des souveränen Nationalstaates fiel die Antwort leicht: „Sie fielen für Volk und<br />

Vaterland“, oder „Für Kaiser und Reich“, oder „Unseren Gefallenen Helden zur Ehre“. Doch da die<br />

CDU die europäische Integration forciert, gelten rein nationale Denkmäler als vermeidbares Übel.<br />

Lieber betont man die „gemeinsamen europäischen Werte“ wie Demokratie und Menschenrechte.<br />

Eineöffentliche Diskussion über den Charakter des Mahnmals und seine Inschrift würde schnell eine<br />

Debatte über Sinn und Unsinn des Afghanistan-Einsatzes, die deutsche Bündnispolitik und den „Kitt,<br />

der unsere Gesellschaft zusammenhält“, entfachen. Man müsste laut die unbequeme Frage stellen:<br />

„Wofür wäre heute ein junger Deutscher bereit, sein Leben zu opfern? “ Und das zu beantworten will<br />

nun wirklich niemand.<br />

Ein Ehrenmal für gefallene Soldaten gibt es schon<br />

Dabei hätten Konservative in der verhinderten Debatte um das Gefallenendenkmal die<br />

Diskurshoheit. Denn das deutsche Ehrenmal für gefallene Soldaten gibt es schon. In Berlin, an<br />

zentraler Stelle, mit einer langen Tradition. Gemeint ist die „Neue Wache“ neben der Humboldt-<br />

Universität Unter den Linden. Die Neue Wache wurde als Ehrenmal für die in den deutschen<br />

Freiheitskriegen 1812-13 Gefallenen geschaffen. Später gedachte man hier auch der Toten des<br />

Deutsch-Dänischen Krieges 1866, des Deutsch-Französischen Krieges 1870-1871 und des Ersten<br />

Weltkrieges 1914-1918. Vor der Neuen Wache stand Tag und Nacht eine Garde, die die<br />

Wachablösung würdevoll im preußischen Zeremoniell zelebrierte. Ursprünglich stand in dem kahlen,<br />

leeren Raum der Neuen Wache nur ein steinerner Block, auf dem ein eiserner Lorbeerkranz lag.<br />

Durch eine kreisrunde Öffnung in der Decke spiegelte sich das Himmelslicht im Lorbeerkranz. Diese<br />

Schlichte hatte etwas sehr Würdevolles und entsprach der preußischen Geisteshaltung.<br />

Heute liegt der Lorbeerkranz im Deutschen Historischen Museum DHM gleich neben der Neuen<br />

Wache – als totes Museumsstück. In der Neuen Wache hingegen steht heute die Skulptur 'Mutter<br />

mit totem Sohn' von Käthe Kollwitz, die „allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ gewidmet ist<br />

und als beliebige Kranzabwurfstelle für die ungeliebten Trauerveranstaltungen für deutsche<br />

Kriegsopfer fungiert.<br />

Seit längerem schlagen Konservative die Neue Wache als alt-neues Ehrenmal vor. Sie fordern, die<br />

unpassende Skulptur von Käthe Kollwitz zu entfernen, den Lorbeerkranz und den Granitblock wieder<br />

in die Neue Wache zurückzubringen und wieder an die preußische Tradition der Wachablösung, die<br />

selbst die Nationale Volksarmee NVA der DDR noch bis 1990 aufrecht erhielt, anzuknüpfen. Einzig die<br />

Neue Wache kann ein würdevoller, traditionsreicher Ort für das ehrende Gedenken an die Männer<br />

und Frauen sein, die ihr Leben für Deutschland opfern.<br />

191


Zuviel Tradition?<br />

Aber dieser Ort hat eine kraftvolle Aura. Er scheint der politischen Klasse zu viel Tradition und<br />

Geschichte zu haben, denn man meint, mit der Geschichte des Nationalstaates gebrochen zu haben.<br />

Im Verständnis der heutigen Politikergeneration ist Deutschland lediglich ein Nationalstaat auf Abruf,<br />

bis die Vereinigten Staaten von Europa geschaffen sind und es eine gemeinsame europäische Armee<br />

gibt. An die Tradition der deutschen Staaten anzuknüpfen, die vor 1949 existierten, und Deutschland<br />

als einen normalen Nationalstaat unter anderen europäischen Nationalstaaten zu begreifen, scheint<br />

undenkbar.<br />

Unterschwellig schwingt noch ein weiteres Dilemma mit: Würde man sich für den traditionellen Ort<br />

des Ehrenmals aussprechen, müsste man erneut überlegen, wie man den deutschen Opfern alliierter<br />

Kriegsverbrechen – den Bombentoten, den Vertriebenen, den Verhungerten und Deportierten –<br />

gedenkt, die mit der jetzigen Lösung als abgespeist gelten. Und zwei konservative Debatten auf<br />

einmal - das geht nun wirklich zu weit.<br />

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Binnenmigration: „Für eine bessre Zukunft, verlassen wir<br />

die Heimat auch!“<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Montag, den 25. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Nirgendwo ist der demographische Niedergang Deutschlands so greifbar wie in der ehemaligen DDR.<br />

Sie hält unangefochten die Spitzenposition in Europa, was das Geburtendefizit betrifft. Die<br />

Bundesländer der ehemaligen DDR verlieren seit 1945 rapide an Einwohnern.<br />

Hatte 1945 die sowjetische besetzte Zone noch Millionen Vertriebene aufgenommen und kam auf<br />

über 22 Millionen Einwohner, so zogen die meisten aus Furcht vor den Russen gleich weiter in die<br />

westlichen Besatzungszonen. Von 1950 bis zum Mauerbau flüchteten weitere 2,6 Mio. Deutsche aus<br />

dem kommunistischen Staat, so dass das Gebiet 1961 noch 17,1 Mio. Einwohner zählte. Zum<br />

Zeitpunkt ihres Zusammenbruchs 1990 hatte die DDR 16,3 Mio Einwohner. Seitdem sind knapp 3<br />

Mio. in die alten Bundesländer gezogen.<br />

Beinahe 2 Millionen sind zudem Wochen- oder Tagespendler, die ihr Einkommen "im Westen"<br />

verdienen, aber ihren behördlich gemeldeten Lebensmittelpunkt östlich des zerbröckelten „eisernen<br />

Vorhangs“ haben. Somit leben noch 12 Millionen. Deutsche in der ehemaligen DDR – etwa so viel<br />

wie vor dem 1. Weltkrieg, vor dem Beginn der Moderne. Deren Zahl wird weiter fallen. Auf<br />

absehbare Zeit wird sich keine nennenswerte Industrie ansiedeln, Arbeitsplätze werden so bald nicht<br />

mehr entstehen. Besonders drastisch ist die Lage in Gegenden, die den Strukturwandel seit 1945<br />

entweder verpasst haben, wie Mecklenburg-Vorpommern, oder die zu Vorzeigegebieten des<br />

sozialistischen Staates auserkoren waren.<br />

Einwohnerzahl auf dem Stand von 1912<br />

In Mecklenburg-Vorpommern, einem traditionellen Agrarland, gab es nie viel Industrie; die Mehrheit<br />

der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft und tat das nahtlos bis 1990. Doch seit 1990 ist<br />

Arbeitskraft teuer, und Maschinen sind billig. Deshalb entließen die großen<br />

Landwirtschaftsgenossenschaften (LPGs) bei ihrer Privatisierung viele Tausende Menschen, die in den<br />

armen Dörfern keine neue Arbeit fanden. Mecklenburg holte innerhalb von wenigen Jahren die<br />

Entwicklung nach, die das "Bauernsterben" im Westen schon in den 50er Jahren schleichend<br />

erzwungen hatte.<br />

Aufgeben, Wegziehen oder Kämpfen?<br />

Anders sah es in den Braunkohle- und Industriestädten aus. Da der sozialistische deutsche Staat sich<br />

als Arbeiterstaat verstand und von Kadern aus der Arbeiterbewegung regiert wurde, kam den<br />

Belangen der Industriearbeiterschaft besonders viel Aufmerksamkeit zu. Städte wie Cottbus,<br />

Hoyerswerda und Spremberg wuchsen zu DDR-Zeiten binnen Jahren auf das doppelte bis dreifache.<br />

Doch heute ist Braunkohle zu teuer, und Tausende Schichtarbeiter verloren ihre Arbeit binnen<br />

Monatsfrist. Auch Industriestädte wie Magdeburg mit dem 'Schwermaschinenkombinat Ernst<br />

Thälmann' (SKET), dass gleich nach der Wende 80.000 Arbeiter entließ, haben mit<br />

Massenarbeitslosigkeit zu kämpfen. Die Deindustrialisierung, die in der Bundesrepublik bereits in den<br />

achtziger Jahren begonnen hatte und sich bis heute noch hinzieht, vernichtete binnen weniger Jahre<br />

Tausende von Arbeitsplätzen.<br />

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„Bau auf! Bau auf!“ Eine freie deutsche Jugend sollte die Heimat aufbauen …<br />

Den Arbeitslosen boten sich nur drei Optionen: aufgeben (Frührente, Hartz IV), wegziehen oder<br />

kämpfen. Viele Dagebliebene schlagen sich mit niedrigen Löhnen, langen Arbeitszeiten und<br />

Pendelstrecken mühsam durch. Das Leben in den verwaisenden Regionen ist deutlich härter als<br />

anderswo. Was Arbeitsbedingungen und Arbeitslohn angeht, sind die Einwohner der ehemaligen<br />

DDR statistisch deutlich kompromissbereiter. Inzwischen hat sich in den strukturschwachen Regionen<br />

mit Arbeitslosenzahlen über 30% wieder eine Art Subsistenzwirtschaft etabliert: die Dörfler leben<br />

von Hartz IV, bauen eigene Kartoffeln an, halten sich Kleinvieh und beleben die Tauschwirtschaft<br />

wieder.<br />

Diejenigen, die ihr Glück im Westen versuchen, bleiben meist da. Zu hoffnungslos ist die Lage zu<br />

Hause, zu bequem das Leben hier. Das trifft insbesondere auf junge Frauen zu, die in<br />

überdurchschnittlichem Maß in den Westen ziehen. Dadurch wächst der Überschuss an jungen<br />

Männern, und die Geburtenrate fällt weiter.<br />

… doch seit 17 Jahren kehrt sie der Heimat den Rücken.<br />

Die Negativentwicklung ist kaum aufzuhalten, wird sich aber früher oder später auf niedrigem Niveau<br />

stabilisieren. Ein diffuses Unmutsgefühl ist allenthalben spürbar, artikuliert sich aber nur in<br />

unproduktiven Ressentiments. In bezug auf die demographische Entwicklung ist der Staat relativ<br />

machtlos. Die ehemalige DDR hat in den letzten 17 Jahren den westlichen Strukturwandel in rapider<br />

Geschwindigkeit nachgeholt. Auch in den westlichen Bundesländern werden viele Dörfer verwaisen,<br />

die deutsche Bevölkerungszahl implodieren und viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze<br />

abwandern. Hier sind die neuen Bundesländer nur Vorreiter.<br />

Ein millionenschwerer Aderlass<br />

Was diese Entwicklung für soziokulturelle Konsequenzen mit sich bringt, ist Gegenstand zahlreicher<br />

Konferenzen und Publikationen. Wissenschaftler sind sich einig, dass die sozialen und ethnoreligiösen<br />

Spannungen zunehmen werden. Die Verstädterung wird einen anderen Charakter<br />

bekommen: meist junge und mehrheitlich muslimische Ballungsräume werden überalterten<br />

restdeutschen Dörfern und Kleinstädten in 25 Jahren gegenüberstehen. Das Gefühl einer<br />

gemeinsamen Verbundenheit wird schwinden, und damit auch die ideelle Basis des deutschen<br />

Sozialversicherungssystems, dass seit der Einführung durch Bismarck besteht. Was das für den<br />

einzelnen bedeutet, ist unklar und Grund für zahlreiche Spekulationen. Sicher ist nur: es wird<br />

ungemütlich.<br />

Die Wölfe kehren zurück<br />

Etwas Positives kann man der Entwicklung vielleicht abgewinnen: Die Wölfe kehren zurück. 1847<br />

wurde der letzte Wolf im Bayrischen Wald geschossen. Seitdem galt das "Tier der Deutschen" in<br />

Deutschland als ausgerottet. Zwei Wolfsrudel haben sich schon im letzten bei Deutschland<br />

verbliebenen Teil Schlesiens niedergelassen. Die scheuen Tiere geniessen die menschenleeren<br />

Strassen, die verwaisten Äcker und die verlassenen Dörfer und leben auf einem verlassenen<br />

Truppenübungsgelände in Niederschlesien. Wenigstens sie hatten in diesem Frühjahr Nachwuchs: 5<br />

kleine Wolfswelpen.<br />

194


Georg Quabbe: „Tar a Ri” – Variationen über ein<br />

konservatives Thema<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Dienstag, den 26. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Tar a Ri“; so nennt sich ein fast vergessenes Werk von Georg Quabbe, welches 1927 in einer<br />

einzigen Auflage erschienen ist und nun als „Quellentext zur Konservativen Revolution“ vom Uwe-<br />

Berg-Verlag neu aufgelegt wurde. Die von dem Autoren Armin Mohler beschriebene Bewegung der<br />

„Konservativen Revolution“ in der Weimarer Republik war geprägt von politischer Aussagekraft und<br />

aktivistischem Pathos, die sich keineswegs einem Rückzug in die vita contemplativa preisgaben,<br />

sondern einen ungeheuren intellektuellen Einfluß ausübten.<br />

Und so äußerte sich in ihr ein konsumkritischer und zivilisationskritischer deutscher<br />

Gegenmodernismus. Die Denker dieser Bewegung, so Oswald Spengler, Edgar J. Jung, Carl Schmitt,<br />

Ernst Jünger oder Arthur Moeller van den Bruck, richteten sich gegen die Schwächung aller<br />

gesellschaftlichen Bindungen, d.h. gegen die Individualisierung des Bewußtseins im Zuge der<br />

Auflösung des Bürgertums. Georg Quabbe beteiligte sich an dieser „Gegenaufklärung“, ohne jedoch<br />

eine alles erklärende konservative Theorie anzubieten.<br />

Das gleichsam realpolitische Instrumentarium einer solchen Haltung ist der metapolitische Ansatz,<br />

vor dessen Hintergrund der Dualismus der Begriffe, nachsinnend und doch ergriffen aktivistisch,<br />

selbst zu sehen ist. Dabei offenbart sich eine Synthese aller Begrifflichkeiten zugunsten eines<br />

einheitlichen, politisch engagierten Weltbildes. Kontemplatives Sein und aktivistische Sehnsucht<br />

gipfeln zur Metapolitik, zur Politik über schriftstellerische Einflußnahme. Damit entstand der für die<br />

„Konservative Revolution“ als reaktionäre Gegenrevolution zum Liberalismus typische Charakter, der<br />

mit dem Schritt vom Restaurativen zum Revolutionären über metapolitische und nicht realpolitische<br />

Einflußnahme im damaligen Deutschland eine neue Dimension konservativen Denkens eröffnete.<br />

Georg Quabbe, Völkerrechtler und intellektueller Vordenker der DNVP bis zu seinem Übertritt 1929<br />

zu den Volkskonservativen, gilt als ein Vertreter dieser Bewegung. Seine politische Linie war eine im<br />

Vergleich zu anderen konservativen Revolutionären moderate Haltung. Quabbe steht innerhalb des<br />

deutschen Konservatismus für eine rare Denkrichtung: die Verbindung zwischen konservativem<br />

Denken mit liberalen Momenten sowie die Ablehnung der Demokratie unter Hervorhebung der<br />

Verteidigung der Republik. Quabbes Denken ist damit zu unterscheiden von den Meinungen, die<br />

seine intellektuellen Mitstreiter bzw. Gegenspieler auf der politischen Linken und Rechten der<br />

Weimarer Republik vertraten. Ging es diesen vorrangig darum, das Weimarer System wahlweise als<br />

kapitalistisch bzw. wie Oswald Spengler im ersten Kapitel zu „Preußentum und Sozialismus“ (1919)<br />

als System der „Novemberverräter“ zu brandmarken, so vertrat Quabbe in seiner jetzt neu im Verlag<br />

Uwe Berg vorliegenden feinsinnigen Analyse eine Position, die sich am besten folgendermaßen<br />

resümieren läßt: Das Weimarer System ist nicht das System der Konservativen, aber Veränderungen<br />

innerhalb dieses Systems werden wir nur dann realisieren, wenn wir es als gegeben akzeptieren und<br />

in seinen verfassungsrechtlichen Gegebenheiten mitarbeiten.<br />

Das Konservative ergänzend zu anderen Ideen<br />

Dennoch war der Rechtsanwalt Quabbe geprägt von einer tiefen Affinität für das konservative<br />

Element. Er betrachtete dieses aber stets komplementär zu anderen geistigen Strömungen. Damit ist<br />

er Vertreter einer spezifischen politischen Reflexionskultur, die innerhalb der „Konservativen<br />

Revolution“ abzustreiten seit Kurt Sontheimers Schrift von 1961 („Antidemokratisches Denken in der<br />

195


Weimarer Republik“) stets bis heute modern war, obwohl diese Schrift des nunmehr <strong>2006</strong><br />

verstorbenen Politologen wenig effizient das deutsche Phänomen politischen Denkens der<br />

Zwischenkriegszeit zu erfassen fähig oder gewillt war. Diese bei Quabbe auffindbare Reflexionskultur<br />

sagt aus, daß Quabbe in seiner politischen Denkweise vom Ganzen ausging, alle Strömungen<br />

akzeptierte und gleichsam fatalistisch wußte, daß seine Gegner auch nur aus lebensinnerer und<br />

psychischer Notwendigkeit zu ihrer Sichtweise gelangten – wie er selbst auch. Der das leugnende<br />

Dogmatiker hingegen wäre Vertreter der Nicht-Reflexion, weil er allein nur an sein Prinzip glaubt.<br />

Quabbe selbst bezeichnete sich als konservativ. In seinem Werk „Tar a Ri“, welches aus dem Irischen<br />

ins Deutsche übersetzt "Komm, o König!" bedeutet, widmet er sich der Entwicklung des<br />

Konservatismus in vielen europäischen Staaten. Bei der Lektüre wird jedoch rasch jene erwähnte<br />

Tendenz deutlich, daß er keine dogmatisch eingeschränkte Variante des Konservatismus vertritt,<br />

keine theoretisch hochzuhaltende Ideologie. Vielmehr versucht er gerade, die historische<br />

Entwicklung des Konservatismusbegriffs mit all seinen Brüchen und Veränderungen bis in das Jahr<br />

1927 nachzuvollziehen und weiterzuentwickeln. Er schreibt beispielsweise: „Es würde meiner<br />

Grundeinstellung widersprechen, wenn ich untersuchen wollte, auf welcher Seite die Wahrheit zu<br />

finden ist; für mich handelt es sich ja hier, wie immer, um die Klarstellung des Gegenstandes und<br />

nicht um das Abwägen des Für und Wider.“<br />

Tar a Ri – „Komm, o König“<br />

Georg Quabbes politische Philosophie ist dazu geeignet, neue Dimensionen innerhalb der<br />

„Konservativen Revolution“ auszumachen, sie nicht leichtfertig als „Wegbereiter Hitlers“ zu<br />

diffamieren, sondern vielmehr aus sich selbst heraus in ihren Motivationen zu verstehen. Für Quabbe<br />

nämlich war seine eigene Haltung immer „der Komplementärgedanke zu irgendeinem Gedanken der<br />

Gegenseite.“ Es ging ihm also keineswegs um einen völlig wertlosen zweiwertigen Formalismus des<br />

„Entweder-Oder“, wie man ihn heutigen Parteipolitikern vielmehr vorwerfen muß, sondern darum,<br />

einander trotz fester Überzeugungen und Gegenüberzeugungen anzuerkennen, ohne dennoch von<br />

der eigenen Standhaftigkeit im Denken abzuweichen: „Die letzte Weisheit bleibt also ein ‚Wir sind so<br />

und deshalb handeln wir danach.“ Die Person Quabbe gibt Kraft zur Schaffung eines neuen<br />

konservativen und zugleich modernen und wertvolleren Staatsdenkens im Deutschland der<br />

Gegenwart.<br />

196


Multi-Kulti-Kriminalität explodiert<br />

Geschrieben von: Markus Schmidt<br />

Montag, den 02. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Jahrelang haben Politiker und Mediengewaltige versucht, die verheerende Entwicklung der multikulturellen<br />

Kriminalität in Deutschland totzuschweigen oder sogar zu verharmlosen. Jetzt eskaliert<br />

die Lage so weit, dass ein weiteres Wegschauen unmöglich geworden ist. Zwei Städte stehen im<br />

Brennpunkt des überregionalen Medien-Interesses: Berlin und Köln.<br />

Der Berliner Innensenator Körting hat zwar dem hauptstädtischen Bandenunwesen kaum mehr als<br />

schöne Wort entgegen zu setzen, aber er hat immerhin verstanden, dass in Berlin nur<br />

vorweggenommen wird, was ganz Deutschland früher oder später bevorsteht: „Die Entwicklung, die<br />

wir jetzt haben, wird es in drei bis fünf Jahren auch in anderen Städten geben.“ Zu dieser Entwicklung<br />

gehört das Treiben arabischer und türkischer Jugendbanden, die ungehemmt stehlen, rauben, mit<br />

Drogen handeln, ja sogar vergewaltigen und morden. Mehr als 600 Intensivstraftäter, die mindestens<br />

neun Verbrechen begangen haben, zählt mittlerweile die Berliner Statistik. Mehr als 80 Prozent von<br />

ihnen sind Türken oder Araber, manche mit, manche ohne deutschen Personalausweis. Rund 1.200<br />

einschlägige Problempersonen werden zu den sogenannten „Schwellentätern“ mit fünf bis neun<br />

Straftaten gezählt.<br />

Köln belegt den traurigen zweiten Platz in der Städtewertung. In der Domstadt sind 1<strong>07</strong> Intensivtäter<br />

gezählt worden, davon mehr als 70 Prozent „mit Migrationshintergrund“. München, obwohl<br />

einwohnerstärker als Köln, zählt „nur“ 81 junge Serienkriminelle, darunter 51 Ausländer. Ganz oben<br />

in der Statistik rangiert der 25jährige Berliner Türke Levent U., dem mehr als 200 Straftaten<br />

zugerechnet werden. Und dabei markieren die registrierten Delikte nur die Spitze des Eisberges. Der<br />

„Focus“ zitiert einen Berliner Kriminalisten mit der Einschätzung: „Wenn von einem Täter 90<br />

Straftaten registriert sind,kann man davon ausgehen, daß er bis zu 1.000 begangen hat.“<br />

Die Ermittler wissen genau, wie es dazu kommen konnte. Eberhard Schönberg, Vorsitzender der<br />

Berliner Gewerkschaft der Polizei, stellt fest: „In Deutschland kann man eine jahrelange kriminelle<br />

Karriere aufbauen, ohne dass es zu Sanktionen kommt.“ Die Schuldigen sitzen im etablierten<br />

Politikbetrieb! Sie haben, um den Gral ihrer multikulturellen Zuwanderungs-Ideologie zu hüten,<br />

Hinweise auf ein Ansteigen der Ausländerkriminalität in Deutschland mit dem Kainsmal der<br />

„Ausländerfeindlichkeit“ gebrandmarkt. Dabei übersehen sie bewusst, dass nicht nur Deutsche,<br />

sondern auch die breite Mehrheit der gesetzestreuen Ausländer, die in unserem Land leben, zu den<br />

Opfern ihrer ideologischen Verblendung gehören. Jene, die täglich mit der einschlägigen Klientel zu<br />

tun haben, werden langsam wach. Gilles Duhem, der in Berlin-Neukölln jahrelang ausländische<br />

Jugendliche betreut hat, erklärt im Interview mit dem „Focus“ zum Hintergrund eines Problems, das<br />

er als regelmäßig türkisch oder arabisch, jung und männlich identifiziert hat:<br />

„Diese Jungs wachsen in einem archaisch geprägten Umfeld auf. Der Vater herrscht über die Familie,<br />

er verprügelt die Kinder, verheiratet sie. Gleichermaßen reden Vater und Mutter ihnen ein, dass<br />

deutsche Frauen Schlampen und ihre eigenen Frauen weniger wert seien als sie selbst. Wenn sie<br />

dann auch noch in kriminelle Kreise geraten, ist eine steile Verbrecherkarriere nur eine Frage der<br />

Zeit. Die Eltern kümmern sich nicht um ihre Kinder in einer Form, die wir in der westlichen Welt<br />

Erziehung nennen. Es interessiert sie nicht, was sie in der Freizeit machen, ob sie zur Schule gehen.<br />

Wichtig ist, dass die Familienehre nicht verletzt wird.“<br />

197


Duhem schlägt laut „Focus“ für den Umgang mit solchen jungen Männern vor: „Man muss sie aus<br />

ihrer Umwelt rausholen, in geschlossene Internate bringen, wo sie ‚stationär‘ erst mal auf die hiesige<br />

Welt vorbereitet werden.“ Der mit dem Thema „jugendliche Intensivtäter“ befasste Berliner<br />

Oberstaatsanwalt Roman Reusch hat erkannt, dass es eine Klientel gibt, bei der jeder<br />

„Behandlungsversuch“ zum Scheitern verurteilt ist. Soweit die betreffenden Personen noch keinen<br />

deutschen Pass in der Tasche tragen, sollten sie nach Hause geschickt werden, wofür eine<br />

Gesetzesänderung nötig wäre. Der „Focus“ zitiert Reusch mit der Äußerung: „Solche Kriminellen<br />

sollte man nicht einbürgern müssen. Im Gegenteil: Man müßte sie ausweisen können, was heute<br />

aber in vielen Fällen aufgrund der Gesetzeslage nicht geht.“ Und er weist auf die Folgekosten des<br />

Scheiterns der multi-kulturellen Politiker-Träume hin: „Jeder außer Lande geschaffte Verbrecher<br />

bringt Entlastung für den Kiez, in dem er lebt, für die Sozialkassen, von denen er zumeist lebt, für<br />

diejenigen, die ansonsten seine Opfer geworden wären, und auch für den Verfolgungsapparat.“<br />

Dieser Artikel wurde mit freundlicher Unterstützung aus der Jugendzeitschrift "Objektiv"<br />

übernommen.<br />

198


Demokratie am Scheideweg<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Montag, den 02. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Begriff „Demokratie“ ist infolge inflationären Gebrauchs überall vernehmbar. Er schmückt<br />

nahezu jede Kolumne und umsäumt jede Nachrichtensendung mit dem Ziel, ein Gefühl des<br />

Fortschrittes und der Erlesenheit unter seinen Lesern und Hörern zu verursachen. Sich<br />

„demokratisch“ zu nennen gehört zum guten Ton, ist Grundlage dafür, in der Politik anerkannt zu<br />

werden. Gerade die Deutschen – so tönt es – hätten eine besondere Verantwortung.<br />

Kaum jemand aber bemerkt, daß gegenwärtig der Begriff „Demokratie“ als Schlagwort des 19.<br />

Jahrhunderts selbst zur begrifflichen Phrase verkommt. Er ist der permanenten Gefahr preisgegeben,<br />

purer Schein und lediglich subjektive Äußerungsform der die Demokratie krampfhaft<br />

proklamierenden Klasse zu sein, die damit eigentlich nur Hauch der Stimme, flatus voci, von sich gibt.<br />

Damit erstarrt eigentliche Demokratie unter der Kruste des begrifflichen Konformismus.<br />

Entsprechend vergessen es jene Eiferer des puren Begriffs, daß Demokratie – gerade im politischen<br />

Denken der Deutschen – immer mehr war und ist, als es der heute allseits gebrauchte Begriff im<br />

allgemeinen Verständnis überhaupt wiederzugeben in der Lage ist. Und genau mit dieser Ignoranz<br />

wird die besondere Verantwortung der Deutschen im Hinblick auf ein neues, auf die Zukunft<br />

bedachtes und dynamisches Verständnis von Demokratie gnadenlos vertan. Die Demokratie – als<br />

Realität und als Begriff – steht am Scheideweg. Sie steht vor der Entscheidung, entweder<br />

permanente Phrase zu bleiben oder aber in Anerkennung des heraklitischen Diktums, daß alles fließt<br />

– pantha rei –, sich selbst zu hinterfragen und komplexeren Erkenntnisräumen zu öffnen. Um dies zu<br />

verstehen, braucht lediglich ein Exkurs in die deutsche Geistesgeschichte selbst unternommen zu<br />

werden.<br />

Staatsformen als verschiedenartig gewachsene Phänomene<br />

Trotz eines krisenhaften Zustandes der bundesdeutschen Demokratie und des deutschen Staates<br />

finden öffentlichkeitswirksam keine demokratie-kritischen Debatten statt. <strong>Blaue</strong>narzisse.de stellt<br />

dennoch kritische Fragen. Hier wird sich noch gefragt, welche Traditionen unsere Demokratie<br />

aufgreifen sollte und welche Verkrustungen Politik und Gesellschaft auflösen müssen.<br />

Die Lehre des Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) gibt an, daß der geistige Begriff<br />

und die Realität nicht grundsätzlich übereinstimmen, der Weg dazu aber beschritten werden kann.<br />

„Demokratie“ ist also kein global erstrebenswertes und eindimensionales „Ding an sich“, sondern es<br />

ist „ein Ding von jemandem“, der damit Ziele und Vorteile zu realisieren gedenkt und sich die<br />

Demokratie im eigenen Sinne interpretiert, um andere Perspektiven dieser Staatsform auszugrenzen.<br />

Obwohl der Begriff „Demokratie“ suggerieren soll, daß eine freie Entfaltung eines jeden möglich ist,<br />

kann die von Demokraten gestaltete Realität anders aussehen. Diese können Demokratie trotzdem<br />

zur hegemonialen Regulierung des Verhaltens der Bürger benutzen. Das Wort „Demokratie“ kann<br />

dann beispielsweise militärische Interventionen in Fernost rechtfertigen bzw. „Schurken“ definieren.<br />

Die Interpretation in der deutschen Geistestradition hingegen hat ein Demokratieverständnis<br />

ausgebildet, daß jedem ein Recht auf seinen eigenen Weg einräumt. Jedes Phänomen gilt hier als<br />

erhaltungswürdig, solange es dort wirkt, wo es heranwuchs. Die in Deutschland oft thematisierte<br />

griechische Mythologie sprach hierbei vom Antaios-Prinzip. Der Harzer Dichter Rolf Schilling<br />

bemerkte dazu trefflich 1981: „Jedes Volk hegt seine ihm eigenen Mythen und Symbole, scheidet sich<br />

199


von anderen Völkern durch Charakter, Prägungen der Sprache, Dominanz geistiger Werte und<br />

anderes mehr.“<br />

Diese jeweils unterschiedlichen Phänomene – z.B. das Demokratiebild in Deutschland und dasjenige<br />

der USA - lassen sich dennoch nach der Redlichkeit des je eigenen Anspruchs definitiv unterscheiden.<br />

Kein Begriff – so schrieb es Kant als großer Lehrmeister der Deutschen - existiert ohne den ihn<br />

denkenden und benutzenden Menschen, ohne das dazugehörige Volk und sein Begriff von Politik,<br />

auch nicht ohne das Wissen davon, daß das durch den Begriff bezeichnete politische Phänomen im<br />

Sinne kreativer Evolution im Geiste des Menschen immer auch verschiedenartigen Charakter tragen<br />

kann, um nicht zu erstarren. Was bedeutet das für die Gegenwart und worin besteht der eigentliche<br />

deutsche Politikbegriff?<br />

Deutsche Staatsphilosophie strategisch diskriminiert<br />

Daß wir gegenwärtig bei kontroversen Debatten in Deutschland permanent durch staatlich<br />

alimentierte Bedenkenträger der Gefahr preisgegeben sind, mit „Extremist“, „Utopist“, „Faschist“<br />

oder „Rote Socke“ betitelt zu werden, hat allein strategische Gründe, die Ausdruck eines<br />

einzigartigen Charakters bundesdeutscher Staatsräson im Vergleich zu anderen europäischen<br />

Demokratien sind. Diese Gründe rechtfertigen es bekanntlich, im Umgang mit Fragen der<br />

Geschichtspolitik oder des Demokratieverständnisses eher den moralischen Kreuzzugseifer als den<br />

Menschenverstand – Basis einer vitalen Demokratie – walten zu lassen. Ursache dafür ist ein im<br />

Nachkriegsdeutschland verordnetes Verständnis von Demokratie, welches einen Importartikel der<br />

Siegermächte mit vermeintlich unüberwindbarer Werteordnung – man erinnere sich an die<br />

Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes (Art. 79 Abs. 3 GG) – einpflanzte.<br />

Es wurde nicht der Versuch unternommen, den deutschen Politikbegriff in seiner 200jährigen<br />

Tradition aus sich selbst heraus, als gewachsenes Phänomen Mitteleuropas, zu verstehen. Deshalb<br />

hat sich dieser Begriff – verkörpert im Rufe des Grafen Stauffenberg vor seiner Hinrichtung: „Es lebe<br />

das Geheime Deutschland“ - nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 nicht<br />

freiwillig verabschiedet. Er ist vielmehr gezielt negiert worden. Zum einen, indem beispielsweise der<br />

politische Widerstand, der sich noch an der deutschen Staatsphilosophie orientierte, als potentiell<br />

„nationalistisch“ vorverurteilt wurde, zum anderen lag bereits vor Kriegsende ein Entwurf des<br />

künftigen deutschen Grundgesetzes nach amerikanischer Vorgabe im amerikanischen Geheimdienst<br />

(OSS/CIA) und im US-Außenministerium unter dem Titel „Der grundsätzliche Charakter eines<br />

zukünftigen deutschen Regierungssystems. Erster Entwurf, Report Nr. 3521.9, Dokument I.2“ vor.<br />

Demokratie als die Möglichkeit des Anders-Seins?<br />

So kam es, daß die bundesdeutsche Demokratie mit den Zusatzstoffen Kapitalismus, Parteienstaat,<br />

Westbindung, „Extremistenbeschimpfung“ sowie mit konditionierter wissenschaftlicher Risikoscheu<br />

ausgestattet wurde. Das konforme Denken jenseits dieses „Risikos“ ist dann eben in den<br />

„bürgerlichen Demokratien“ mit dem Konstrukt der vermeintlich erstrebenswerten „Mitte“ erfaßt<br />

worden. Diese gibt es aber als solche nicht. Armin Mohler schrieb einst über diese<br />

begriffskonstruktivistische Strategie innerhalb der bürgerlichen Demokratien und bezogen gerade auf<br />

das Nachkriegsdeutschland: „Krisensituationen machen immer deutlich, daß das politische<br />

Schwergewicht jenen Zeitgenossen zufällt, die aus tieferen Regionen motiviert werden – ob man sie<br />

nun als ‘Linke’ oder ‘Rechte’, ‘Konservative’, ‘Populisten’ oder was auch immer einstuft. Diesen<br />

Mangel haben die Liberalen immer wieder durch die Selbsternennung zur ‘Mitte’ auszugleichen<br />

versucht, über alle Rückschläge hinweg.“ Daß wir uns heute an einer krisenhaften Zeitenwende<br />

befinden, vermag niemand mehr überzeugend zu leugnen.<br />

200


Dennoch bemerken viele „Demokraten“ nicht, daß ein sich verabsolutierendes Modell von<br />

„Demokratie“ als unbedachter „Mittismus“, also als ein Streben der Parteien der absoluten<br />

politischen Mitte zu, äußert. Auf den Standpunkt kommt es also an. Allein, auctoritas non veritas<br />

facit legem, die Sieger von 1945 und nicht die historische Wahrheit sprach das Recht. So erklären sich<br />

die bereits bei der Gründung der Bundesrepublik 1949 angelegten Absurditäten der politischen<br />

Gegenwart. Wir haben es seitdem genau genommen mit einem Projektionsphänomen zu tun, das<br />

den politischen Feind nur einseitig verortet und den Spiegel der Selbstreflexion genüßlich<br />

zertrümmert hat. So erfolgte nach 1949 die Denunziation einer jeden Bezugnahme auf die deutsche<br />

Staatstradition strategisch im Rahmen der nicht ergebnisoffen verstandenen Ideologiegehalte<br />

„demokratisch“ und „freiheitlich“. Diese ergaben sich über die Auslegung der „freiheitlichdemokratischen<br />

Grundordnung“, also lediglich über die vorherrschende Interpretation derselben.<br />

Daß dies einer von den Grundgesetzvätern nicht beabsichtigten Ausschaltung des Denkens und einer<br />

Vereinseitigung gleichkommt, liegt auf der Hand. Die darin angelegte Reflexionshemmung legt sich<br />

heute wie Mehltau über den frei über unsere Republik noch nachsinnenden Menschenverstand.<br />

201


Demokratismus als Ideologie<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Montag, den 02. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das Konstrukt des „Extremismus“ ist nur eines davon. Es stellt ein Feindbild her, welches als solches<br />

nicht existierte, hätte man keine die dominanten Herrschaftsstrukturen immer wieder festigende<br />

Ideologie – eben die des „Demokratismus“, soweit er erstarrt ist und nicht auch andere<br />

Demokratiemodelle als realistisch oder erwägenswert betrachtet. Ideologie wurde in der<br />

Ideengeschichte häufig als Ansammlung von Halbwahrheiten ausgelegt. Ein Staat, der<br />

unvoreingenommen und ideologiefrei agieren möchte, muß versuchen, möglichst viel Wahrheit<br />

freizulegen.<br />

Um überhaupt von reifer Demokratie sprechen zu können, bedarf es heute einer Anerkennung der<br />

Offenheit des politischen Prozesses im Hinblick auf Geschichtsdeutung und Verfassungsauslegung.<br />

Die grundgesetzliche Ewigkeitsklausel (Art. 79 Abs. 3 GG) müßte durch eine konstruktive<br />

Entwicklungsklausel ersetzt werden, welche die freie Auseinandersetzung über das bisher noch nicht<br />

zur Verfassung gereifte Grundgesetz ermöglicht (Art. 146 GG). Nicht zuletzt könnte damit das<br />

gesamte nachkriegsdemokratische Paradox amtlich festgeschriebener Kriegsursachen,<br />

Alleinschuldiger, Geschichtsbilder, definierter Singularitäten, Parteiverbote und innerstaatlicher<br />

„Feinde“ sachlich aufgelöst werden.<br />

So fordert es auch die aus der klassischen deutschen Staatsphilosophie herrührende<br />

Sozialphilosophie von Johannes Heinrichs (geb. 1942), der bis 2002 Inhaber des Rudolf-Bahro-<br />

Lehrstuhls an der Humboldt-Universität zu Berlin war. Er trennt folgerichtig die Politik von der<br />

Ideologie, die Kultur von der Wirtschaft. Faktisch wirkt sich dieser Reformvorschlag so aus: Wir<br />

hätten ein gestuftes Kompetenzsystem aus vier unabhängig gewählten Parlamenten (Grundwerte,<br />

Kultur, Politik, Wirtschaft). Alle Sachsphären genießen eine legislative Autonomie bei gleichzeitiger<br />

Rückkoppelung im Gesetzgebungsprozeß. Der Effekt ist, daß die politische Sphäre ohne<br />

diskriminierende Begriffe gegenüber unliebsamen Erkenntnissen und Oppositionen auskommen<br />

müßte. Zudem ist die Wirtschaft nicht dominierendes Element gegenüber Politik und Kultur, sondern<br />

dienendes Teilsystem in einer Gesellschaft als sozialer Gemeinschaft. Das Ganze ist in der deutschen<br />

Tradition nach Hegel (1770-1831) mehr als die Summe der Teile. Jede der vier Ebenen erhält erst in<br />

Verbindung mit den anderen ihren Sinn – mit Blick auf das größere Ganze. Damit ist sowohl die<br />

Chancengleichheit für alle politischen Parteien (Art. 21 Abs. 2 GG) unabhängig von einem ideologisch<br />

orientierten „Verfassungsschutz“ besser gewährleistet, als auch die Reduzierung des Einflusses<br />

parteipolitisch motivierter „Allroundpolitiker“ auf kulturelle Belange.<br />

Trennung von Politik und Ideologie und von Kultur und Wirtschaft<br />

Trotz eines krisenhaften Zustandes der bundesdeutschen Demokratie und des deutschen Staates<br />

finden öffentlichkeitswirksam keine demokratie-kritischen Debatten statt. <strong>Blaue</strong>narzisse.de stellt<br />

dennoch kritische Fragen. Hier wird sich noch gefragt, welche Traditionen unsere Demokratie<br />

aufgreifen sollte und welche Verkrustungen Politik und Gesellschaft auflösen müssen.<br />

Man trüge dem Grundgesetz in seinem eigentlichen Anliegen Rechnung: Es kennt keine definierten<br />

„demokratischen Kräfte“, sondern nur das Recht auf Meinungsfreiheit. Auch hier zeigt sich die<br />

Notwendigkeit der Trennung von Staat und exzessiver sprachlicher Ideologie. Diese Trennung als<br />

abendländische Errungenschaft wird durch staatliche Praktiken gering geschätzt, die selbst den<br />

Boden des freien Willensbildungsprozesses durch willkürlich anwendbare Phantomwörter wie<br />

202


„extremistisch“ verlassen. Solange das in unserer halbmodernen „Demokratie“ möglich ist, befindet<br />

sie sich im Stadium eines soeben – 1949 – gelegten Eies, aus welchem sie erst noch schlüpfen muß,<br />

um den demokratischen Selbstanspruch nach Ergebnisoffenheit zu verwirklichen.<br />

Der Scheideweg deutet hier an, daß es – soweit gewollt - die Möglichkeit und die Theorie zur<br />

konstruktiven Entwicklung gibt. Ein solches politisches System höherer Logik kennt keinen Einfluß<br />

von Parteipolitikern auf die Nominierung von Autoren bei der von einer unabhängigen Jury<br />

vorgenommnen literarischen Preisverleihung wie im Frühjahr <strong>2006</strong> beim Fall Peter Handke. Der<br />

Wahlkampf wäre von den Interessen der lediglich erlesene Parteien stützenden Konzerne befreit und<br />

zugunsten umfassender Wahloptionen versachlicht. Dies bedeutet zudem, daß künftig auf<br />

ideologisch motivierte innerstaatliche Feindbestimmungen, wie sie nur der Religionsstaat des<br />

Mittelalters im Definieren von „Ketzern“ kannte, zu verzichten ist. Die brennenden Scheiterhaufen<br />

haben wir überwunden. Die sozialen Scheiterhaufen gibt es in der Bundesrepublik noch zur Genüge –<br />

man denke an den Fall Filbinger oder Hohmann. Die in politischen Stiftungen sitzenden Initiatoren<br />

dieser Feindbestimmungen merken nicht, daß sie ihrer eigenen Ideologie aufsitzen, die zugunsten<br />

demokratischer Sachlichkeit überflüssig würde. Sie selbst werden womöglich zu befürchten haben,<br />

eines Tages arbeitslos aufzuwachen und plötzlich „Nazi“ zu sein, ohne es gemerkt zu haben, weil der<br />

Anwendungsbereich ihres Extremismus-Begriffes so groß und willkürlich war, daß man diesen auch<br />

auf sie selbst anwenden kann. Wer kennt nicht den goetheschen Zauberlehrling, der die selbst<br />

gerufenen Geister nicht mehr los wird?<br />

Soziale Scheiterhaufen, auf denen die Unliebsamen brennen<br />

Es scheint, als sei die deutsche Staatsphilosophie selbst der lösende Schlüssel zum Dilemma des<br />

nachkriegdemokratischen Paradoxes, der die Tür zur Befreiung vom Konfessionsstaat zu öffnen<br />

geeignet ist. Vitalität und Reife, Sachlichkeit und Dynamik, differenzierte Staatsführung und<br />

skeptischer Geist gegenüber allen Begriffen und Ideologien waren die Leistungen dieses Demokratie-<br />

Begriffs. Darin besteht damals wie heute für die Deutschen die traditionelle politische Redlichkeit<br />

und ihr gesunder Menschenverstand, der wesentlich philosophisch begründet ist.<br />

203


Veränderbarkeit des Staates und der Demokratie<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Montag, den 02. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der sozialdemokratische Staats- und Völkerrechtslehrer Prof. Dr. Carlo Schmid hat in seiner<br />

Grundsatzrede vor dem Parlamentarischen Rat vom 8. September 1948 die Gefahren einer<br />

Mißachtung der deutschen Tugenden im Verständnis von Demokratie für die Gegenwart erahnt und<br />

den Deutschen den Artikel 146 GG an die Hand gegeben. Dieser setzt die Schaffung einer „freien“<br />

anstelle einer „freiheitlichen“ Verfassung als permanenten Gestaltungsauftrag bis heute fest.<br />

Hat es bisher die politische Praxis nötig, sich in meterweise Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien<br />

als die „freiheitlichste Ordnung auf deutschem Boden“ proklamieren zu lassen, anstatt den Bürger<br />

aus praktischer Erfahrung heraus selbst zu dieser Erkenntnis kommen zu lassen, so liegt die<br />

Entscheidungsgewalt über die Verfassung nach Schmid unverändert beim Souverän – dem Volke<br />

selbst.<br />

„Die Erlebnisgehalte bilden den Menschen, nicht das Schulpensum“ - schrieb der konservative<br />

Revolutionär Edgar J. Jung (1894-1934) in seiner soeben wieder erschienenen Schrift „Sinndeutung<br />

der deutschen Revolution“. Und hörten wir vor 18 Jahren in der DDR, daß den Sozialismus in seinem<br />

Lauf „weder Ochs noch Esel“ aufhalte, so ist es heute trotzdem immer noch modern und vorteilhaft,<br />

sich als guten „Demokraten“ zu bezeichnen und beim „Kampf gegen den Extremismus“ mit der bei<br />

Aldi schnell besorgten Kerze ganz vorn zu stehen. In den folgenden 18 Jahren werden sich analog<br />

dazu die Verhältnisse soweit verändert haben, daß dann bei sich als reif ansehenden Menschen, die<br />

heute von der Denunziation und ihrem monologen Begriff von „Demokratie“ leben, die pure Scham<br />

angesichts ihrer heutigen Naivität übrig bleibt.<br />

Trotz eines krisenhaften Zustandes der bundesdeutschen Demokratie und des deutschen Staates<br />

finden öffentlichkeitswirksam keine demokratie-kritischen Debatten statt. <strong>Blaue</strong>narzisse.de stellt<br />

dennoch kritische Fragen. Hier wird sich noch gefragt, welche Traditionen unsere Demokratie<br />

aufgreifen sollte und welche Verkrustungen Politik und Gesellschaft auflösen müssen.<br />

Undogmatische Offenheit sollte also als historische Lehre gelten, denn das Beispiel DDR stimmt<br />

nachdenklich. Die Implosion der DDR bestätigt die Aktualität systeminnerer Starre, die im Gegensatz<br />

zu wandelbarer gesellschaftlicher und geistiger Dynamik steht. Dogmatische Repression konnte den<br />

Untergang nicht abwenden. Im Gegensatz zur gebotenen Versachlichung hielt die SED-Führung noch<br />

auf der 7. Tagung des Zentralkomitees im Dezember 1988 an ihrem dogmatischen Kurs fest. Die<br />

Vitalität der deutschen Staatsphilosophie betont an dieser Stelle im Sinne des Berliner<br />

Staatsphilosophen Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) das Bewußtsein einer auch denkbaren und<br />

heute mehr denn je realen staatlichen Unvernunft. Ist als Ausdruck derselben die Ideologie eine<br />

Hauptgarantie der inneren Konsistenz der Macht, wird sie zugleich auch zu einer immer<br />

bedeutenderen Garantie ihrer Kontinuität. So erklären sich die medialen Phänomene, die<br />

zunehmenden ideologischen Feindbestimmungen („rechts“, „links“, „extremistisch“, „terroristisch“<br />

etc.). So erklärt sich auch das Ausschlachten vereinzelter „fremdenfeindlicher“ Vorfälle, ihr<br />

Übertragen auf die Gesamtsituation mit einem vermeintlich allgegenwärtigen Bedrohungspotential<br />

durch „Extremisten“. Ohne die Ideologie der Demokratie, die vorgibt, nicht „ideologisch“ zu sein,<br />

wären solche Fälle nicht möglich. Fichte schrieb 1792 über den Staat: „Er darf sich nicht die<br />

Entscheidung über Wahrheit und Irrtum anmaßen, (…), er darf die freie Untersuchung nie hindern.“<br />

204


Extreme nicht mit Extremen vergelten<br />

Ein wirklich kritischer und zivilcouragierter Blick auf die Gegenwart muß also erkennen, daß das<br />

politische System in Deutschland niemals an „Extremisten“ oder anderen Feindbildern krankt,<br />

sondern daß es diese Feindbilder selbst konstruiert, wenige reale Fälle zum Anlaß einer allgemeinen<br />

Gefahrenproklamation benutzt, um sich kontroverses und gleichwohl komplexeres Denken vom<br />

Halse zu halten, welches aufkommt, weil gerade diese politische Praxis immer rabiater wird und das<br />

politische System seine eigene Negation geradezu maßgeschneidert immer neu erschafft. Wir haben<br />

es also nicht mit einem Phänomen zu tun, das konjunkturell oder finanziell z.B. im „Kampf gegen<br />

rechts“ behebbar, sondern strukturell im System angelegt ist.<br />

Übrig bleibt aus dieser Sicht der Dinge kein „Extremist“, sondern eine legitime politische Opposition,<br />

ein junger Mensch, ein besorgtes oder gar frustriertes Individuum, das sich reife Gedanken über die<br />

Politik macht. Diese Gedanken – gleichgültig welcher Couleur – müssen zunächst ernst genommen<br />

werden. Eines gehört dabei bedacht: Die Macher des „Extremisten“ interpretieren eigene<br />

Minderwertigkeitskomplexe und persönlichen Haß in ihre Schöpfung hinein. Wie sonst sollten sie<br />

etwas verabscheuen, wenn nicht in ihnen schon davor die Disposition dazu vorhanden war, etwas<br />

verabscheuen zu wollen und zu können. Die Projektionslogik – das dialogische Verhältnis der<br />

Phänomene zueinander als Bestandteil der klassischen deutschen Philosophie – entlarvt hier<br />

erstaunlich, daß die „Extremisten“ die selbst erschaffenen Abbilder der Fehlbarkeiten ihrer Macher<br />

sind. Dieses Prinzip hält dem Staat den Spiegel vor. Er wird selbst potentieller Extremist im Spiegel<br />

seiner eigenen Ideologie und gibt offenbar die Verantwortung ab, anstatt den aufrechten Weg zu<br />

gehen und einen Scheideweg der Demokratie zu erkennen, der das Potential des alternativen<br />

Umgangs mit politischen Phänomenen in sich birgt.<br />

Diese Erkenntnisse zur Grundlage moderner politischer Wissenschaft zu machen würde bedeuten,<br />

ein leistungsfähiges und wandelbares politisches Systemdenken zu begründen, das die Verwerfungen<br />

der Gegenwart überwindet. Es wurzelt in der deutschen Staatsphilosophie und ist die sinnvollste<br />

Lehre aus der Geschichte, die – wie bisher - Extreme nicht mit Extremen vergilt.<br />

Deutsche Demokratie bleibt Gestaltungsauftrag<br />

Der Scheideweg also, vor dem die deutsche Demokratie steht, stellt sich am Ende konkret als solcher<br />

dar, entweder das Paradox einer einmaligen nachkriegsdemokratischen Praxis zu überwinden und<br />

sich dem im Grundgesetz verankerten Gestaltungsauftrag zu stellen oder aber sich dem Problem des<br />

ideologielastigen und von geistiger Herkunftslosigkeit zehrenden Systemerhalts bis zum bitteren<br />

Ende wie in der DDR auszuliefern. Diese Weggabelung begründet zugleich die Unterscheidung<br />

zwischen einer Orientierung am abstrakten Begriff „Demokratie“ oder aber seiner umfassend weil<br />

geistig gelebten Realität.<br />

Die deutsche Philosophie gibt dafür heute mehr denn je zu bedenken, was Rudolf Pechel (1882-1961)<br />

als Herausgeber der Schriften der „Konservativen Revolution“ und als Publizist bei der „Deutschen<br />

Rundschau“ bis hinein in die frühe Bundesrepublik ähnlich zu betonen nicht müde wurde: Faschismus<br />

oder Demokratie, Kollektivismus oder Individualismus, Sozialismus oder Liberalismus – das alles sind<br />

dieselben Schlagworte, wenn der Mensch, der sich dieser Begriffe bedient, immer der gleiche bleibt<br />

und nur den Mantel seiner Sprache oder seines Regimes wechselt, ohne diese Begriffe mit<br />

konkretem – nationalem, gelebtem oder kulturellem - Inhalt zu füllen. Der Anspruch auf<br />

vermeintliche Ideologiefreiheit war schon immer die größte und eigentliche Ideologie, die sich einst<br />

als Importartikel dem geistig reiferen Mitteleuropa aufdrängte. So ist in Deutschland traditionell der<br />

ideologische Parteienstaat nicht die Antwort auf die große Frage der Freiheit und der Aufklärung. Der<br />

205


aufklärende und erneuernde - eben risikobewußte - Freiheitsakt steht jenseits lediglich zeitlich<br />

gebundener Vorteile und Vorurteile noch aus.<br />

206


Ernst Jünger: Strahlungen.<br />

Geschrieben von: Karsten Kleber<br />

Donnerstag, den 05. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Ernst Jünger war nicht nur Krieger, politischer Denker und Literat, sondern auch ein äußerst scharfer<br />

Beobachter, der beinahe zeitlebens Tagebücher mit Reflexionen, Meditationen und Erlebnissen<br />

füllte, die für mehr als ein Leben gereicht hätten. Die „Strahlungen“, seine Tagebücher von 1941-45,<br />

erstmals 1949 erschienen, sind, wenn man sich darauf ausrichtet, wiederkehrenden Motiven<br />

nachzuspüren und in Jüngers hochindividuelle Prosa einzutauchen, eine fesselnde Lektüre. Sie<br />

bestehen aus einem „Ersten Pariser Tagebuch“, dem Niederschlag eines Intermezzos im Kaukasus<br />

(„Kaukasische Aufzeichnungen“), einem „Zweiten Pariser Tagebuch“ und schließlich den ersten der<br />

„Kirchhorster Blätter“, verfaßt nach Jüngers Entlassung aus dem Militär.<br />

Jünger begleitet als Beobachter den Verlauf des Krieges mit einer glasklaren Bewußtheit, dem Wissen<br />

um die Unausweichlichkeit der Katastrophe, was ihn bisweilen auch zu übertriebenen<br />

Prophezeihungen treibt. So ist seine innere Verfassung in diesen Jahren allgemein eine des<br />

Schmerzes. Den Bemühungen, eine geistige Existenz in der „Feuerwelt“ aufrechtzuerhalten, widmet<br />

er in seinem Tagebuch breiten Raum – hierhin gehört auch die luxuriöse Oberfläche seines Pariser<br />

Lebens von 1941-44 mit der Unterbrechung des Einsatzes im Kaukasus, das sich wieder und wieder<br />

als Tanz auf dem Vulkan offenbart. Auch die Nähe des Abgrundes ist Jünger ununterbrochen bewußt,<br />

und seine Schilderungen von Beinahe-Zusammenstößen mit Protagonisten des<br />

nationalsozialistischen Regimes lassen den Leser bisweilen erschaudern, gerade wenn sie im Umfeld<br />

der Kontakte erfolgen, die Jünger zu den Kreisen der Verschwörer des 20. Juli pflegte. Um so<br />

beeindruckender ist die Prinzipienfestigkeit und Geradlinigkeit, mit der Jünger, sich geistig und<br />

geistlich in häufigen Meditationen für das Schlimmste wappnend, die stürmische See jener Jahre<br />

befährt.<br />

Jünger beobachtet einen gefährlichen Tanz nahe dem Abgrund.<br />

Abseits von dieser Generallinie sind in den Text immer wieder Aperçus und Gedankensplitter von<br />

größter Schärfe und Brillanz eingeschaltet. Ob sich Jünger zum Verhältnis der Geschlechter, zum<br />

rechten Literaturgenuß oder schlicht zum Wesen des Spiegels äußert, stets kann man gerade den<br />

knappsten Gedankengängen bemerkenswerte, quasi kondensierte Erkenntnisse entnehmen.<br />

Es tritt dem Leser in diesem Buch ein führender literarischer Kopf gegenüber, der trotz oder, wie zu<br />

vermuten ist: vielmehr wegen seiner nationalrevolutionären Vergangenheit keinem der<br />

ideologischen Sirenengesänge seiner Zeit, gleich von welcher Seite sie ausgehen mögen, sich<br />

zuzuneigen bereit ist. Jünger exemplifiziert damit auf beeindruckende Weise den Satz Kierkegaards,<br />

daß der Einzelne in letzten Hinsichten höher ist als das Allgemeine (hier vertreten durch den Staat<br />

und die totalitäre Gesellschaft).<br />

Eine prominente Stelle in den Tagebüchern nehmen Aufzeichnungen von Träumen, dazu magische,<br />

okkulte Überlegungen im weiteren Sinne ein, und hier muß man dem Weltbild und<br />

Literaturverständnis Jüngers seinen Entfaltungsraum lassen, auch wenn sich geschmackliche oder<br />

erkenntnistheoretische Bedenken anmelden sollten. Es beeindrucken etwa Träume, die den Tod des<br />

Vaters ein Jahr zuvor ankündigen oder gleichnishaft die Lage des Abendlandes in den Strudeln des<br />

Krieges anzeigen. Überhaupt ist Jüngers Zugriff auf seine Träume faszinierend; man wünscht sich, mit<br />

einer ähnlichen Gabe versehen zu sein.<br />

2<strong>07</strong>


Magische und okkulte Momente träumt er …<br />

Eindrucksvoll ist die Bildung, die Belesenheit, die Kultiviertheit der Zeitgenossen, mit denen Jünger<br />

vor allem in Paris verkehrt und mit denen er Möglichkeiten einer deutsch-französischen<br />

Verständigung auslotet. Die Personen, mit denen man durch das Tagebuch allmählich vertraut wird,<br />

geben das Bild einer geistigen Elite, die in groteskem Gegensatz zu dem totalitären Charakter der<br />

damaligen Politik steht und die Tragik der Geschehnisse zwischen 1914 und 1945 erahnen läßt. Noch<br />

maßgeblicher ist die Erkenntnis, was wir dadurch und seitdem an menschlichen und geistigen<br />

Reichtümern verloren haben.<br />

… und bewahrt dennoch seinen bestechenden Blick auf die Realität.<br />

Ein letzter Höhepunkt von Intimität mit dem Autor wird erreicht mit den Notizen zum Tode des<br />

Sohnes Ernstel, der im November 1944 fiel. Der Schmerz des Vaters ist ergreifend. Seine Frau mit<br />

einbeziehend, schreibt er am 14. Januar 1945: „Wir traten nun auch in die wahre, die einzige<br />

Gemeinde dieses Krieges ein, in seine geheime Brüderschaft.“<br />

Eine Stimme aus dem Weltenbrand des 20. Jahrhunderts, ein Buch, das Naivitäten beseitigt und<br />

simple Interpretationsschemata abblättern läßt. Es will mit Geduld und wachem Geist gelesen sein,<br />

dann prägt es dem Leser eine scharfe Rißzeichnung des Autors in die Erinnerung.<br />

208


"Revolution und Fotze"<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 05. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Ein junger Rechter hat es wirklich schwer. Die Lehrer mögen ihn nicht, versuchen ihm, im<br />

Geschichtsunterricht ein falsches Bewußtsein für seine Nation zu vermitteln, und seine Freunde<br />

würdigen seine Wertvorstellungen, seinen Sinn für Ordnung und Anstand, nicht. Und der junge<br />

Rechte von heute hat noch ein Problem: ein Motivationsproblem. Während der junge Linke für<br />

„Revolution und Fotze“ (Dávila) kämpft und poppt, bleiben für den Rechten nur die langweiligen<br />

Zeitvertreibe übrig.<br />

Gegen Dekadenz und Wertewegfall zu kämpfen, gehört wohl zu den am schwierigsten<br />

umzusetzenden politischen Zielen. Es ist unpopulär, immer den Moralapostel spielen zu müssen. Wer<br />

der eigenen Klientel sagen muß, daß der eingeschlagene Weg; wenn er überhaupt jemals erfolgreich<br />

sein sollte; langwierig und mühsam ist, hat schlechte Karten in einer reizüberfluteten und<br />

schnellebigen Zeit.<br />

Devise für den jungen Linken: Revolution und Fotze. (Nicolás Gómez Dávila<br />

in: Einsamkeiten)<br />

Linker Utopismus, aufgesetzte Lässigkeit und der dem ersten Anschein nach selbstlose Einsatz für die<br />

Schwachen in der Gesellschaft wirken da schon peppiger als ein angestrengtes rechtes Denken.<br />

Wohl deshalb ahmen die braunen Sozialisten von der NPD und ihrer Jugendorganisation die<br />

Verhaltensweisen der jungen Linken nach. „Frei, Sozial und National“ grölend, Wände mit rechten<br />

Parolen beschmierend und schlechte, aber revolutionär aufgemachte Flugzettel anonym vertreibend,<br />

versuchen die „freien Kräfte“ die nationale Revolution vom Zaun zu brechen. Die Fotze fehlt den<br />

meisten jungen nationalen Revolutionären, die zu Großteilen aus den frauenunterversorgten<br />

Regionen Mitteldeutschlands stammen, dennoch.<br />

Die braunen Sozialisten sind links: Die Revolution wollen sie, die Fotze<br />

fehlt ihnen.<br />

„Revolution und Fotze“ sind populär; sie gehen konform mit der Popkultur, die es schafft Menschen<br />

– egal, ob rechts oder links – zu binden. Mainstream-Jugendliche und nationale Rebellen erliegen<br />

jeweils den Eigenarten ihrer Popkultur. Freie Geister hingegen hadern, suchen, verwerfen Optionen<br />

und sehen irgendwo Ansätze in gegenwärtigen Strömungen der Kultur. Meist können sie sich nur für<br />

verstorbene Künstler und Intellektuelle begeistern.<br />

Und die linken Möchtegern-Freigeister? Tote Künstler und Intellektuelle – abgesehen von Marx und<br />

Che Guevara – interessieren sie weniger. Mit Krawallmusik von unbegabten Proleten mit E-Gitarre<br />

können sie schon eher etwas anfangen.<br />

Die Linken machen es richtig. Sie nehmen ihr Recht auf jugendliche Freiheit wahr und leben ihre<br />

revolutionäre Romantik in vollen Zügen aus. Die Jugend ist eben jene Phase, wo man verdorben und<br />

idealistisch für die sexuell befreite, kommunistische Diktatur des Proletariats Steine werfen darf. Mal<br />

ehrlich, eigentlich hätten wir doch alle so eine schöne folgenlose Jugend wie die Joschka Fischers,<br />

Jürgen Trittins und Uschi Obermaiers gerne genossen. Nicht wahr? Auch der sonst so zugeknöpfte<br />

ehemalige Finanzminister Hans Eichel; der Name verheißt einiges; hat bei Sabine Christiansen<br />

ausgeplaudert, zu alten 68er-Jugendzeiten fröhlich Joints geraucht zu haben. Wie cool.<br />

209


Linke Möchtegern-Freigeister dürfen auch mal Steinchen werfen.<br />

Den Rechten bleibt, sofern sie in der Bündischen Jugend organisiert sind, der Abenteuerrausch, bzw.<br />

den Verbindungsstudenten bleibt der Alkoholrausch, aber der ist bestimmt in 10 Jahren ebenso<br />

„out“ wie heimliches Rauchen mit 14 auf dem Schulhof.Es ist eine mysteriöse Eigenart des<br />

Menschen, daß bei ihm – trotz einer grundsätzlichen Ablehnung – eine unterschwellige Sympathie<br />

für Zustände der Regel- und Normenlosigkeit mitschwingt. Auch wenn der Mensch ein dauerhaftes<br />

Chaos ablehnt, so wünscht er sich doch insgeheim hin und wieder einen stimulierenden Tabubruch.<br />

Das Spiel mit diesen Tabubrüchen beherrschen junge Linke perfekt. Und ihnen verzeiht man es auch,<br />

wenn sie sich auf Gleisen anketten, um die liebe Umwelt zu retten oder wenn sie Steinchen für die<br />

Rettung der armen Menschen in der Dritten Welt werfen.<br />

Das Spiel mit dem Tabubruch: Die Linken beherrschen es perfekt.<br />

Aus Tabubrüchen können kleine und große Motivationen gezogen werden. Die Motivation diesen<br />

Artikel zu lesen, lieferte dir sicher die Überschrift, die Bebilderung und die damit verbundene<br />

Hoffnung, in diesem theoretisierendem; also langatmigem; Onlinemagazin einmal etwas<br />

Schmuddeliges und Tabubrechendes zu finden.<br />

210


Menetekel Afghanistan: Der Krieg, der nicht zu gewinnen<br />

ist.<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Montag, den 09. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Deutsche Soldaten stehen heute in Georgien, Usbekistan, Bosnien, im Kosovo und auch in<br />

Afghanistan. Der Afghanistan-Einsatz gilt als besonders umstritten, da alle Rechtfertigungen für den<br />

Afghanistan-Einsatz klingen unglaubwürdig klingen. Unmittelbar nach dem Anschlag vom 11.<br />

September 2001 galt der Einsatz als befristete Anti-Terrormaßnahme gegen Al Qaida, doch bald<br />

wurde klar, dass Al Qaida ohne die Entmachtung der Taliban nicht auszuschalten war.<br />

Hierfür forderten die Amerikaner deutsche Soldaten an, und da die USA gleichzeitig für den<br />

unpopulären Einmarsch in Irak zu werben begannen, geriet die Bundesregierung unter Druck. Die<br />

Rede von „kompensatorischen Bündnisverpflichtungen“ kam auf: ein deutsches „Nein“ zur<br />

Beteiligung am Irakkrieg ohne UN-Mandat gegen ein „Ja“ zum UN-mandatierten Afghanistan-Einsatz.<br />

Angesichts der realistischen Optionen der Bundesregierung erschien dies als durchaus kluges<br />

Manöver. Und dennoch sieht die Lage in Afghanistan finsterer aus, als es sich die politischen und<br />

militärischen Strategen vor einigen Jahren gewünscht hatten. Der Afghanistan-Einsatz gerät zu einer<br />

„Mission Impossible“.<br />

Mit diplomatischen Schachzügen lässt sich eine wankelmütige Öffentlichkeit nicht dauerhaft für<br />

einen riskanten und teuren Krieg gewinnen. Und so begann der rhetorische Eiertanz der<br />

Bundesregierung: mal sollte Afghanistan die Demokratie gebracht werden, dann war es die Befreiung<br />

der afghanischen Frau von Burka und Tschador, dann die Beschulung der Nomadenkinder in<br />

Peshawar oder der Brunnenbau in Helmand. Angesichts der Kluft zwischen den hehren Zielen im<br />

Westen und der realistischen Lage vor Ort witzelten Konservative über „Frauenparkplätze in<br />

Afghanistan“.<br />

Frauenparkplätze in Afghanistan?<br />

Die Afghanen werfen ihre Identität nicht so einfach weg. Afghanistan – das Wort suggeriert, daß es<br />

ein Land namens Afghanistan und ein Volk namens Afghanen gäbe. Und wo es Land und Volk gibt,<br />

dort sollte es auch Gemeinwesen und Bürgersinn geben. All dies sind westliche Konzepte, deren<br />

Vorraussetzungen in Afghanistan fehlen. Afghanistan ist de facto kein Staat, kein Volk und kein Land.<br />

Afghanistan – das sind mehrere Dutzend Nomaden-Stämme, Ethnien und Religionsgruppen, die seit<br />

Jahrhunderten bitter verfeindet sind. Sie kämpfen um Weideland, um Ackerboden für Schlafmohn,<br />

um Gebirgspässe und Wasserquellen. Die Hauptstadt Afghanistans, Kabul, haben die meisten noch<br />

nicht einmal auf Bildern gesehen. Es gibt keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsame Religion und<br />

keine gemeinsame Geschichte. Am besten versteht man Afghanistan als das unzugängliche<br />

Gebirgsland, daß von den Nachbarstaaten nie erobert werden konnte und deshalb wie ein wilder<br />

Puffer, wie freies Land, zwischen den Grenzen der Nachbarn liegt.<br />

Westliche Politologen sprechen in ihren Analysen der Situation vor Ort von Staatszerfall, um zu<br />

begründen, warum die „frei gewählte Zentralmacht in Kabul” über keinerlei Einfluss im Land verfügt.<br />

Aber auch das trügt. Denn Afghanistan hatte nie einen funktionierenden Staat. Das Konzept “Staat”<br />

gab es hier noch nie.<br />

Wohlmeinende Westler begründen die Konflikte zwischen den ethnischen Gruppen mit der<br />

Traumatisierung, die die 20 Jahre Krieg gegen die sowjetischen Besatzer und die 10 Jahre Bürgerkrieg<br />

211


nach dem Abzug der Russen verursacht hätten. Selbst das greift zu kurz. Ohne Zweifel sind viele<br />

Menschen in Afghanistan traumatisiert. Aber das Konzept ‚Traumatisierung’ suggeriert, daß es einen<br />

friedlichen Urzustand vor dem Triumphzug der Taliban 1993 oder dem Einmarsch der Russen 1979<br />

oder den drei Invasionen der Briten gegeben hätte.<br />

Afghanistan ist kein Staat und die Afghanen sind kein Volk.<br />

Die historischen Dokumente über Afghanistan legen nahe, daß es sich um eine Geschichte voller<br />

gewalttätiger Auseinandersetzungen, Stammesfehden und Revolten handelt. Das kulturelle Gewebe<br />

der Ethnien des Gebirgslandes ist durchtränkt mit den Mythen von Krieg und Kampf. Die Lieder und<br />

Gedichte, die die Nomadenhirten abends am Feuer singen, erzählen von ruhmreichen Kämpfen<br />

gegen die Nachbarstämme. Kinder wachsen auf mit dem Bild mythischer Stammeshelden, die sich<br />

das Weideland ihrer Väter erkämpfen. Kein Wunder, daß die ‚Mediatoren’ der westlichen zivilen<br />

Aufbauhelfer und Hilfsorganisationen oft auf Unverständnis unter den Stammesältesten treffen.<br />

Ein historischer Blick auf das westliche Engagement in Afghanistan sagt mehr über die globalen<br />

westlichen Ambitionen aus als über die Afghanen. Diese Ambitionen verkennen die Eigenarten der<br />

Stämme Afghanistans. Das Zusammenleben der Stämme Afghanistans organisiert sich nicht in der<br />

gleichen Weise wie in westlichen Zivilgesellschaften.<br />

Erfolglose Transplantationen von Ideologien<br />

Die britischen Invasoren hofften 1839-42, dass englische Imperialmodell transplantieren zu können,<br />

was so erfolgreich in Indien und Afrika praktiziert wurde. Indem man die lokalen Eliten mit Protz und<br />

Pomp und britisch-imperialen Weihen versah, hoffte man, sich die Sympathien des einfachen<br />

Nomadenvolks erkaufen zu können. Das Konzept funktionierte allerdings nur in Kabul, und auch hier<br />

nur sehr kurz. Nicht alle Nomadenfürsten ließen sich kaufen; zu stark war die kulturell tradierte<br />

Feindschaft der Stämme untereinander. Von der 30.000-Mann starken, britischen Invasionsarmee<br />

überlebte nur ein einziger den Feldzug des Empire.<br />

Afghanische Frauen in BurkaDie Sowjetunion, die ähnlich wie die NATO „auf Einladung der Regierung<br />

in Kabul” 1979 einmarschierte, hing der marxistischen Doktrin an. Nur gab es keine Industrie in<br />

Afghanistan, und somit auch kein Proletariat. Kein Problem für die Ideologen im Kreml; man erfand<br />

kurz den Begriff der “Unterdrückten”. Die Unterdrückten – das waren die Frauen, die Hirten und die<br />

Armen. Da nach Marx Religion “lediglich Opium für das Volk” war, müsse man lediglich den Einfluss<br />

der „reaktionären” Priesterkaste auf das Volk und der Stammesfürsten als „Ausbeuterkaste”<br />

eliminieren, um genug Loyalität in der Bevölkerung zu gewinnen. Wenn sich junge Männer dennoch<br />

lieber den islamischen Lehren zuwandten, so konnte das nur soziale Ursachen wie Armut und<br />

Bildungsmangel haben. Deshalb bauten die Sowjets Schulen, Brunnen und den prestigeträchtigen<br />

Großstaudamm Kadschaki, der bald ein Viertel Afghanistans mit Strom versorgen sollte. Doch der<br />

Islam war für junge Afghanis das interessantere Konzept als die vagen Fortschrittsversprechen der<br />

fremden Invasoren.<br />

Heute hängt die westliche Entwicklungstheorie dem Subsidiaritätsprinzip an. Man hofft,<br />

zivilgesellschaftliche Selbstorganisation westlicher Gesellschaften in das gebirgige Hochland von<br />

Afghanistan transplantieren zu können. Nach wie vor sieht man die Wurzeln der Gewalt vorrangig in<br />

ungelösten sozialen Problemen und Bildungsmangel. Aber von Großprojekten, wie sie noch die<br />

Sowjets planten, hat man schon aus wirtschaftlichen Erwägungen Abstand genommen. Heute zählt<br />

man eher auf kleinteiligen Brunnen- und Straßenbau, auf säkulare Dorfschulen, auf Mikrokredite und<br />

auf ‚Mediation’ – auf friedliche Lösungen der Konflikte um Weide- und Ackerland. Das<br />

212


Subsidiaritätsmodell entspricht den Bedingungen vor Ort besser, vernachlässigt aber dennoch die<br />

aufgebaute und gewachsene eigene Identität der Afghanis.<br />

Das Oktroyieren fremder Identitäten scheitert regelmäßig in Afghanistan.<br />

Den zunehmenden Einfluss der Taliban, die die stillschweigende Sympathie vieler Clans genießt,<br />

bekommen auch deutsche Soldaten zu spüren. Ulrich Klose, außenpolitischer Sprecher der SPD-<br />

Fraktion im Bundestag, meint dennoch, daß die freien und demokratischen Wahlen die<br />

Zentralregierung in Kabul legitimiert hätten. Die Annahme, es reiche aus, leseunkundige Viehhirten in<br />

den Gebirgsdörfern Afghanistans Zettel in Wahlurnen werfen zu lassen, um die uralten<br />

Stammesfehden zu schlichten, ist absurd.<br />

Westliche Strategen sollten sich fragen, was die Konsequenzen des Scheiterns der ISAF-Mission sein<br />

werden. Denn daß die Mission scheitert, ist heute schon sicher. Was es für das Selbstverständnis<br />

junger Muslime in den Städten Westeuropas bedeutet, wenn die Barfußkrieger der Taliban die NATO,<br />

das „mächtigste Militärbündnis der Geschichte” aus dem Felde schlagen, darüber möchte man lieber<br />

nicht spekulieren.<br />

213


Die Geschichte vom Expat<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Dienstag, den 10. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Expats nisten sich in billigen, heruntergekommenen Altbauten ein. Expat – das Wort ist neu in<br />

Deutschland, doch wir werden es öfter hören. Expat ist amerikanischer Slang und steht für Expatriate<br />

(lateinisch: ex – aus; patria – Vaterland), dem aus seinem Vaterland Ausgewiesenen. Das Wort ist ein<br />

Passivum; es betont die Unfreiwilligkeit der Ausreise. Im Gegensatz zum deutschen<br />

Heimatvertriebenen wohnt dem amerikanischen Expat eine politische Bedeutung inne.<br />

Heimatvertrieben wurden Deutsche, weil sie Deutsche waren. Expats gehen freiwillig, weil sie mit<br />

den politischen Umständen unzufrieden sind, betonen aber den Zwang.<br />

Der Expat bezeichnet gleichzeitig einen amerikanischen Typus, einen Lebensstil, eine Aura. Expat<br />

Literature ist ein amerikanisches Literaturgenre. Der Urtyp des amerikanischen Expats ist Ernest<br />

Hemingway. Das Genre, der Urtyp und seine Aura beruht auf der Spannung zwischen zwei Polen,<br />

zwischen denen der Expat agiert und Gespanntheit verkörpert. Der Expat ist die amerikanische<br />

Version des Bohemiens. Nur versieht der Expat die Pole mit einer räumlichen Konnotation.<br />

Der klassische Bohemien, zu deutsch Müßiggänger, ist männlich, intellektuell, studiert, geliebt, aus<br />

guten Verhältnissen, großbürgerlich, viril – und gleichzeitig gescheitert, ein Trinker, verarmt, mit<br />

wechselnden Affären und einem ausschweifenden Nachtleben. Nur deshalb ist er interessant. Kein<br />

Mensch würde Bücher über Säufer lesen. Aber das Buch verkauft sich, wenn der Säufer reich ist,<br />

Hölderlin zitiert, den bürgerlichen Kanon teilt und noch in seiner Verworfenheit auf das bürgerliche<br />

Wertesystem rekuriert.<br />

Stilvolle Trinker und kosmopolite Müßiggänger<br />

Der europäische Bohemien wird zum amerikanischen Expat, wenn er in Amerika reich und bürgerlich<br />

ist und in Europa ein gebildeter Säufer. Der typische Expat ist Abgänger eines teuren Colleges. In der<br />

klassischen Expat-Narrative erwartet seine Umgebung von ihm ein bürgerliches Leben. Doch er<br />

flüchtet vor den Erwartungen und aus der sauber-weißen Vorstadtvilla in Connecticut. Er wird<br />

vertrieben von der Odnis des vorgezeichneten Lebens, und entflieht in die Großstädte Europas, wo er<br />

ein kleines Mansardenzimmer in einem verfallenden Altbau bewohnt; stilecht über einem Bordell;<br />

und dichtet oder an einem Roman arbeitet, den trockenen Rotwein immer neben sich. Hier leidet er,<br />

allein, umgeben nur von der zerfallenden Hochkultur, dem morbiden Charme europäischer Altstädte<br />

und der Dekadenz der Bourgeoisie. Doch kein Expat leidet ewig, und so kehrt er dereinst heim nach<br />

Connecticut in die weiße Vorstadtvilla, bewundert ob seiner Kultur und Reife – und heiratet seine<br />

College-Liebe.<br />

Europas Niedergang als Touristenattraktion<br />

Die Expat Novel ist eine klassisch-romantische Narrative und ein Standardplot amerikanischer<br />

Literatur seit mindestens 150 Jahren. Der Erfolg dieser Narrative beruht auf der Spannung zwischen<br />

drei Dichotomien, die alle gegeben sein müssen: Raum (Amerika versus Europa), Zeit (Vergangenheit,<br />

Tradition vs. Gegenwart) und Sein (bürgerlich vs. antibürgerlich). Diese Dichotomien werden in einer<br />

Figur komprimiert und reisen so durch Zeit und Raum. Der gesunde, junge, wohlhabende,<br />

gelangweilte Amerikaner durchlebt das morbide, dekadente, kulturschwere, kranke und arme Europa<br />

– und kehrt aus diesem Sumpf wieder zurück, mit der Aura der Hochkultur um sein Haupt.<br />

214


Nähme man ein Element aus der Narrative heraus, bräche diese zusammen. Ein Collegeabgänger, der<br />

sich in Kansas besäuft? Uninteressant! Ein Ostküstenbub, der sich in Mittenwald oder dem<br />

Neubaugebiet Gropiusstadt einmietet? Öde! Ein Harvard-Absolvent, der in München erfolgreich ist?<br />

Langweilig!<br />

Berlin wird langsam aber sicher interessant für Expats.<br />

Die Expat-Narrative ist gleichzeitig ein Indiz für das kulturelle Minderwertigkeitsgefühl der<br />

amerikanischen Elite. Denn der Held der Geschichte muß immer jenseits des Atlantiks, in Europa,<br />

seine kulturelle Reife behaupten. Wieder daheim, in Amerika, sind die Erfahrungen aus dem<br />

europäischen Mansardenzimmer lediglich schmückendes Beiwerk wie anderer Leute Urlaubsfotos<br />

oder das Hirschgeweih in einer Dorfkneipe.<br />

Amerikanische Reinheit und Europäischer Schmutz<br />

Wie jedes kulturelle Genre entstand die Expat-Narrative aus der Überschneidung mehrerer<br />

kultureller Identitäten und literarischer Traditionen. Zuvorderst der Predigt. Die Predigt bediente<br />

unter den puritanischen Auswanderern, deren Kultur noch bis weit in das 19. Jahrhundert prägend<br />

blieb, besonders die Gegensätze Amerika/England und Reinheit/Schmutz. Puritanische Pfarrer<br />

predigten jede Woche vor Tausenden, daß sie um Haaresbreite dem dekadenten, schmutzigen,<br />

degenerierten und gottlosen Europa entronnen waren und hier eine neue Welt der Reinheit und<br />

Gottesfurcht gefunden hatten.<br />

Die zweite kulturelle Identität, die später in die Expat-Narrative einfloß, war die der Frontiers Men,<br />

der Grenzland-Männer. Nachdem sich 1776 die Vereinigten Staaten gegründet hatten, benötigte<br />

man eine Identität, die sich deutlich von der alten Kolonialmacht und ihrer aristokratischen Kultur<br />

absetzte. Im frühen 19. Jahrhundert zirkulierten Tausende kleiner Kurzgeschichten wie die von Davy<br />

Crocket über den amerikanischen Helden des Wilden Westens, der auf sich allein gestellt das Land<br />

kultivierte und die unkultivierten Wilden ausrottete.<br />

Doch Mitte des 19. Jahrhunderts war die Elite des neuen Landes zu Geld gekommen, und das<br />

Selbstbild des Amerikaners als bärtigem Pelztierjäger war nicht mehr attraktiv. Jetzt sehnte man sich<br />

nach Kultur – und nach wie vor stand Europa für Kultur. Dieser Moment war der Zeitpunkt der<br />

Geburt der Expat-Narrative. Die Expat-Narrative wurde zu einer Zeit geboren, als Atlantik-Reisen<br />

unerschwinglich waren. Lediglich begüterte Ostküsten-Beaus konnten sich eine Transatlantik-Passage<br />

leisten, was die Narrative um so attraktiver machte, da sie gleichzeitig für Elite und Armut stand. Der<br />

Expat musste aus der Elite kommen, um Dekadenz und Armut in Europa leben zu können. Das neue<br />

Literaturgenre verschweisste die alten Traditionen in einem: das Bild von Europa als dekadenter,<br />

schmutziger Hochkultur und das Selbstbild als unzivilisierter, aber reinen und jungen Nation.<br />

War früher die Expat-Narrative etwas für den bürgerlichen Individualisten mit romantischaristokratischen<br />

Lese-Interessen, so hat das Zeitalter der Massen auch hier Einzug gehalten. Die<br />

Expat-Narrative findet sich in Reinform im amerikanischen Blockbuster „Moulin Rouge“ (1999) und in<br />

primitiverer Form im neueren „Eurotrip“. Expats findet man auch in den Empfängerkulturen: der<br />

russische Kultstreifen „Brat – Der Bruder“ (1996), in der der russische Provinzheld im degenerierten<br />

Petersburg mit einer Schrotflinte mit Ausländerbanden aufräumt, zeigt eine Schlüsselszene: durch<br />

Zufall gerät der Russe auf eine Expat-Party, auf der stilvoll zerlumpte Amerikaner den Joint kreisen<br />

lassen und den Eingeborenen wie ein Stilmöbel in Lokalkolorit behandeln.<br />

215


Expats in Prag und St. Petersburg<br />

Expat Communities – ganze Gemeinschaften von Amerikanern in europäischen Städten – gibt es<br />

spätestens seit den 1950ern. Damals kannte man sich noch. Man war gemeinsam in der Fremde,<br />

man frequentierte die gleichen Kneipen und half einander bei Alltagsproblemen. Hemingway kannte<br />

alle anderen Expats mit Namen. Das ist schon lang passé. Das Zeitalter der Massen hat die stilisierte<br />

Flucht einzelner, amerikanischer Intellektueller zum Expat-Schwarm degenerieren lassen. Expat<br />

Communities sind nicht mehr ein Dutzend gebildeter Möchtegern-Schriftsteller; sie gehen heute in<br />

die Tausende. Expat Communities entstehen und verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind.<br />

Die grösste amerikanische Expat Community gab es Anfang der 1990er Jahre in Prag. Der<br />

Zusammenbruch des sozialistischen Regimes, das geistige Vakuum nach der Implosion des<br />

Marxismus und die einmalig billigen Preise und Mieten zogen Tausende Amerikaner an. 1993 lebten<br />

in Prag über 50.000 junge Amerikaner und stellten über 10% der Prager Bevölkerung. Zwei Jahre<br />

später waren fast alle wieder verschwunden.<br />

Expats kommen heute in Schwärmen. Der Name der gerade angesagten Stadt wandert durch<br />

Internetforen und College Internate und zieht schnell Tausende nach. Binnen kurzer Zeit haben sie<br />

„ihre“ Kneipen, ihre Viertel, gründen eigene Zeitungen und Cafes. Meist bleibt die Community ein<br />

paar Jahre; binnen Wochen ist sie wieder verschwunden. Viele ziehen in die nächste Stadt, angelockt<br />

von einem sagen-umwobenen Nachtleben, morbid-dekadenter Bausubstanz und billigen Mieten.<br />

Andere kehren heim, neue kommen nach. Sprachkenntnis ist nicht notwendig, man bleibt unter sich,<br />

denn der Expat findet sein Publikum ohnehin auf der anderen Seite des Atlantiks.<br />

Die glückliche Paralellgesellschaft<br />

Expat Communities sind Parallelgesellschaften reinsten Wassers. Staatsrechtlich gesehen sind Expats<br />

Touristen, die zwei bis drei Jahre bleiben. Im Gegensatz zum Touristen, der Urlaubsfotos sammelt,<br />

sucht der Expat Lebenserfahrung und Reife. Expats sind meist gern gesehen; sie bringen Geld, geben<br />

es gern aus, sind nie kriminell oder gewalttätig, beleben die Kulturindustrie, sind kreativ, freundlich,<br />

gehen freiwillig wieder nach Hause und fallen niemandem zur Last. Expats spekulieren nicht auf<br />

Sozialhilfe, unterwerfen sich nicht der Meldepflicht, engagieren sich nicht politisch, zeigen kein<br />

Interesse an lokalen Gepflogenheiten oder den Bräuchen der Einheimischen. Der Expat braucht die<br />

Einheimischen, als Staffage in seinem Theaterstück, als Hintergrundmusik für seinen Lebensroman.<br />

Expat-Schwärme befallen nur kulturelle Zentren, die vom wirtschaftlichen Niedergang und<br />

gesellschaftlicher Dekadenz gezeichnet sind. Um interessant für Expats zu sein, benötigt eine Stadt<br />

größere Flächen verfallener Altbausubstanz, billige Mieten, niedrige Preise, ein liberales, oder besser,<br />

gleichgültiges gesellschaftliches Klima, ein florierendes Nachtleben, eine Künstlerszene und einen<br />

vermarktbaren Namen.<br />

Sind Expat-Schwärme ein Krankheitssymptom?<br />

Der zurückgezogene Expat ...Das Aufblühen und Verschwinden der Expat Communities ist ein<br />

veritabler Indikator für den Zustand eines Gemeinwesens. Mit etwas Abstraktionsvermögen kann<br />

man den Befall mit Expat-Schwärmen als Gradmesser für die seelische Verfasstheit einer Kultur<br />

lesen. Denn Expat-Schwärme benötigen sowohl wirtschaftliche Depression als auch gesellschaftliche<br />

Liberalität – zwei Ingredienzen, die sich unter gesunden Umständen gegenseitig ausschließen.<br />

Wirtschaftlich harte Zeiten begünstigen konservative Lebenseinstellungen; man besinnt sich auf die<br />

ökonomische Funktion der Familie, die gemeinschaftsstiftende Rolle der Kirche oder wertebewusste<br />

Erziehung. Liberalität hingegen ist oft ein Ausfluß reicher, spätbürgerlicher und post-materieller<br />

Gesellschaften.<br />

216


Wenn eine liberale Gesellschaft ins wirtschaftliche Trudeln gerät, greift unter gesunden Umständen<br />

der Überlebensinstinkt. Es kommt zu soziokulturellen Kontraktionen, verkörpert in der „Gürtelenger-schnallen“-Rhetorik,<br />

und die Gesellschaft rückt nach rechts und wird konservativer. Wenn die<br />

Gesellschaft in Zeiten der Verarmung nicht nach rechts rücken kann oder darf, wenn also der<br />

gesunde Instinkt nicht greift und die Gesellschaft krankt, kommt es zu Zerfallserscheinungen. Wenn<br />

die Löhne sinken, die Kaufkraft schwindet und das Leben härter wird, es aber gleichzeitig kein Zurück<br />

zum Glaube, zur Gemeinschaft, zur Familie gibt, sondern die Menschen individualistisch-gleichgültig<br />

ihre Bahnen ziehen, dann ist eine Kultur reif für den Expat-Befall.<br />

Die Aura von Kafka zum Preis von Ciudad Juarez<br />

Die empirischen Fakten scheinen diese Lesart zu bestätigen. Keine Stadt Europas war in den frühen<br />

90ern besser geeignet, Tausende junger Amerikaner anzuziehen als Prag. Verwinkelte Gassen,<br />

verfallene Häuser, bröckelnde Fassaden. Die Aura von K.u.K. und Kafka zum Preis von Ciudad Juarez,<br />

und das alles kombiniert mit gesellschaftlichen laissez faire. Alkohol, Drogen, Prostitution – nach<br />

1990 ging im Ostblock alles. Ohne Zeigefinger. Nichts zog die Jugend von Amerikas Privatunis mehr<br />

an. Die „Prague Times“, eine amerikanische Zeitung nur für die Expat Community, entstand Anfang<br />

1992.<br />

Doch Prag rappelte sich schneller als erwartet. Keine osteuropäische Metropole kam schneller auf die<br />

Beine. Die Preise zogen an, die Mieten stiegen. Tschechische Kneipen führten das Zwei-Karten-<br />

System ein: eine Speisekarte auf Tschechisch für Tschechen, und eine auf Englisch, mit deutlich<br />

anderen Preisen. 1995 hieß es, „Prague is dead!“, und die Community zog weiter nach Osten, nach<br />

Rußland, das nach dem Zusammenbruch des Rubels im August 1998 zum Hauptziel junger<br />

Amerikaner wurde. Die Entstehung des Expat-Romans „Ein heißer Sommer in St. Petersburg“ (1996)<br />

von Duncan Fallowell, eine Mischung aus Abenteuergeschichte, Reiseführer und Pornographie, fällt<br />

in die Zeit, als der neue Name der neuen Stadt die ersten Expats anzuziehen begann. In diese Zeit<br />

fällt auch die Geburt der „St. Petersburg Times“.<br />

Doch seit dem Ölboom ist Rußland kein preiswertes Pflaster mehr, und auch mit laissez faire ist seit<br />

Putin Schluß. Warschau bietet wenig Charme, und für kulturelle Liberalität ist Polen wahrlich nicht<br />

bekannt. So sieht man des öfteren Amerikaner auf Berlins Strassen. Man erkennt sie sofort, am<br />

Habitus, Gestus, Kleidung – auf schmuddelige Weise elegant. Seit einem Jahr gibt es eine<br />

amerikanische Wochenzeitung in Berlin und am Mauerpark in Prenzlauer Berg ein amerikanisches<br />

Cafe, obligatorisch in morbid-alteuropäischer Aufmachung, aber mit amerikanischen Barhockern und<br />

free refills for Coke. Es werden noch viele Amerikaner nachkommen. In seiner Dekadenz hat<br />

Deutschland noch Wachstumspotentiale.<br />

217


Juden in der Wehrmacht<br />

Geschrieben von: Siegfried Jung<br />

Dienstag, den 10. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der amerikanische Historiker Bryan Rigg hat 2002 unter dem Titel “Hitler’s Jewish Soldiers.“ ein<br />

hervorragendes Buch veröffentlicht, welches nicht nur in Deutschland weitgehend verschwiegen<br />

wird. Im Jahr 2003 erschien Riggs Buch unter dem Titel „Hitlers Jüdische Soldaten” in deutscher<br />

Sprache im Schöningh-Verlag und erlebte im selben Jahr gleich drei Auflagen. Rigg ist einer der<br />

jüngsten amerikanischen Geschichtsprofessoren an der American Military University in Manassas,<br />

Virginia.<br />

Bryan Rigg wurde 1971 geboren und machte 1997 seinen MA. 2002 erfolgte seine Promotion zum<br />

Philosophiae Doctor (Ph.D.). Rigg ist verheirateter Familienvater und war nach der Entdeckung, daß<br />

seine Großmutter Edna Davidson Jüdin ist, Freiwilliger in der Israelischen Armee und Offizier im US-<br />

Marine-Corps. Im Militärarchiv in Freiburg im Breisgau hat er eine eigene Sammlung mit seinen<br />

Aufzeichnungen und über 300 Interviews angelegt, die bezeugen, daß es in der Deutschen<br />

Wehrmacht nach Riggs Erhebungen mindestens 1.671 Soldaten jüdischer Abstammung gab, von<br />

denen nach den „Nürnberger Rassegesetzen“ mindestens 7 als „Volljuden”, 80 als „Halbjuden” und<br />

76 als „Vierteljuden” im Kampf den Soldatentod gefunden haben.<br />

Oberst Walter Lehweß-Litzmann<br />

Es ist in Deutschland tabuisiert, den Beitrag der jüdischstämmigen Soldaten des Zweiten Weltkrieges<br />

auf deutscher Seite zu würdigen, weil es nicht in das Geschichtsbild paßt, das uns vermittelt wird.<br />

Trotzdem gab es Juden in Wehrmacht und Waffen-SS, und gar nicht so wenige. Rigg schätzt die<br />

Gesamtzahl der deutschen Soldaten mit jüdischer Herkunft auf etwa 150.000. Insgesamt gehörten<br />

der Großdeutschen Wehrmacht 18-20 Millionen Soldaten einschließlich der ausländischen<br />

Freiwilligen und der etwa 500.000 Frauen an.<br />

Selbst der Opfergang deutscher Juden im Ersten Weltkrieg wird in deutschen Schulen und<br />

Universitäten kaum vermittelt. Welcher Schüler oder Student wurde schon damit konfrontiert, daß<br />

von 100.000 deutschen Soldaten jüdischer Herkunft mehr als 12.000 getreu ihrer Pflichtauffassung<br />

für das Deutsche Reich gefallen sind? Wem ist der tapfere Leutnant Frankl ein Begriff, dem als einer<br />

der erfolgreichsten deutschen Jagdflieger der preußische Orden “Pour-le-Mérite” verliehen worden<br />

ist? Für die Zeit des Zweiten Weltkrieges ist vor allem Reichsmarschall Hermann Görings Ausspruch<br />

“Wer Jude ist, bestimme ich!” bekannt. So zählten in der Teilstreitkraft der Luftwaffe prozentual<br />

besonders viele deutsche Juden mit „Deutschblütigkeitserklärungen”, die von Hitler persönlich<br />

ausgehändigt wurden, zu den Soldaten der Wehrmacht.<br />

„Wer Jude ist, bestimme ich!“ (Göring)<br />

Selbst die Waffen-SS hatte deutsche Juden in ihren Reihen. Weder relativiert noch negiert man das<br />

Unrecht, was Nationalsozialisten deutschen und ausländischen Juden angetan haben, wenn man den<br />

Beitrag der patriotischen Juden erwähnt, die in den Reihen der Wehrmacht nicht für Hitler kämpften<br />

– wohl aber wie ihre Väter im Ersten Weltkrieg – in der Pflicht für ihr Vaterland Deutschland.<br />

Durchschnittlich verlor jeder Soldat von Riggs Studie 8 Verwandte im Holocaust; der mit dem EK I<br />

ausgezeichnete Unteroffizier Hans Günzel sogar 57.<br />

Zu den bekanntesten Ritterkreuzträgern jüdischer Herkunft zählen die beiden Brüder Milch [Erhard<br />

Milch (1892-1972) als Generalfeldmarschall und Staatssekretär, Werner Milch (+1984) als Major und<br />

218


Dr.jur.], Oberst Walter Hollaender (1903-74) und Major Robert Borchardt (1912-85), welcher sein<br />

Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes im Wüstensand Afrikas an der Seite von Generalfeldmarschall Erwin<br />

Rommel erhalten hat. Der jüdisch-deutsche Major hatte die chinesische Nationalarmee<br />

mitausgebildet und neben der höchsten deutschen Tapferkeits-Auszeichnung im Zweiten Weltkrieg<br />

auch das Deutsche Kreuz in Gold und die Ehrenblattspange des Heeres verliehen bekommen.<br />

Borchardt wurde im Nachkriegswestdeutschland Legationsrat 1. Klasse im Auswärtigen Amt und<br />

Abteilungschef im Bundesnachrichtendienst (BND).<br />

Sein Familienschicksal war nicht untypisch: sein Vater Philipp kam 1938 in das KL Dachau. Robert<br />

Borchardts Bruder Ernst erhielt von Hitler eine „Deutschblütigkeitserklärung”, mit der er vom<br />

Staatsoberhaupt „zum Ehren-Arier deklariert” wurde. Die Schwester und der Vater von Ernst und<br />

Robert Borchardt flohen während des Krieges nach Großbritannien.<br />

Als schwer verwundeter Leutnant beging Ernst Borchardt schließlich Selbstmord. Der Onkel der<br />

Borchardt-Brüder, Rudolf (1877-1945), war der Dichter und Freund Hugo von Hofmannsthals. Er<br />

hatte vier Jahre lang als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg gekämpft und war „mit Stolz Ostpreuße”.<br />

Zwei Brüder des Borchardt-Großvaters dienten im Krieg 1870-71 und zwei weitere Familienmitglieder<br />

kämpften in den Befreiungskriegen 1813-15; einer von ihnen fiel bei Leipzig.<br />

150.000 Juden waren Soldaten und in der Wehrmacht.<br />

Für Major Robert Borchardt war sein Fronteinsatz Liebe zu Deutschland: „Ich diente, weil ich<br />

beweisen wollte, daß Hitlers Rassen-Nonsens falsch war. Ich wollte beweisen, daß Menschen<br />

jüdischer Abstammung tatsächlich tapfere und mutige Soldaten waren”.<br />

Einer von mindestens 21 deutschen Generalen und Admiralen jüdischer Herkunft während des<br />

Zweiten Weltkrieges war Generalleutnant Hans-Heinrich Sixt von Armin (1890-1952), welcher als<br />

Stalingrader Kriegsgefangener und Ritterkreuzträger vehement gegen das kommunistisch beeinflußte<br />

“Nationalkomitee ‘Freies Deutschland’” in den sowjetischen Gefangenenlagern protestierte. Er war<br />

einer der schärfsten Gegner des “Verrätergenerals” von Seydlitz, der der Sowjetregierung vorschlug,<br />

aus deutschen Kriegsgefangenen eine Kampfeinheit gegen die Deutsche Wehrmacht aufzustellen.<br />

Generalleutnant Hans-Heinrich Sixt von Armin fand 1952 hinter Stacheldraht den gewaltsamen Tod.<br />

Von Seydlitz hingegen ließ sich nach einem Jahrzehnt Gefangenschaft im “Sowjetparadies” nicht<br />

etwa in die SBZ/DDR sondern nach Westdeutschland entlassen und starb verlassen in Bremen. Im<br />

übrigen war der Vater des standhaften Generalleutnants, Friedrich Sixt von Armin, General der<br />

Infanterie im Ersten Weltkrieg gewesen und Träger des preußischen Tapferkeitsordens Pour-lemérite.<br />

Generalleutnant Hans-Heinrich Sixt von Armin<br />

Die beiden Ritterkreuzträger Oberst Walter Lehweß-Litzmann, der Enkel des von Hitler sehr<br />

verehrten Generals Karl Lehweß-Litzmann, nach dem auch Lodz – Litzmannstadt – seinen neuen<br />

Stadtnamen bekam, und Vizeadmiral Bernhard Rogge (1899-1982; Inhaber des 45. Eichenlaubes zum<br />

RK des EK und des Samurai-Schwertes des Japanischen Kaisers) waren nur zwei von mindestens 25<br />

deutschen Juden, welchen die höchste deutsche Tapferkeitsauszeichnung des Zweiten Weltkrieges<br />

verliehen worden ist. Mindestens 12 weitere trugen das Deutsche Kreuz in Gold, mindestens einer<br />

das Deutsche Kreuz in Silber, mindestens ein weiterer das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit<br />

Schwertern.<br />

Lehweß-Litzmann baute als fachkundiger Luftwaffen-Offizier der Wehrmacht die Luftstreitkräfte der<br />

DDR auf, er wurde Oberst i.G. in der NVA. Rogge baute seinerseits die Marine der westdeutschen<br />

219


Bundeswehr entscheidend mit auf und schied 1962 als Konteradmiral aus. Bundespräsident Karl<br />

Carstens sagte dem Admiral am 4. November 1979 zu dessen 80. Geburtstag: „Ich kenne Sie als<br />

Seeoffizier, der in VIER deutschen Marinen gedient und sich in Krieg und Frieden bewährt hat!”.<br />

Beide Höchstausgezeichneten, Oberst i.G. der Nationalen Volksarmee Walter Lehweß-Litzmann und<br />

Konteradmiral der Bundeswehr Bernhard Rogge, galten nach den „Nürnberger Rassegesetzen“ als<br />

„Vierteljuden”!<br />

„Wissen ist besser als Ahnungslosigkeit. Geschichte besser als Mythen.“<br />

Bryan Mark Rigg bezieht sich nicht auf die Geschichtsauffassung Napoleon Bonapartes, der einmal<br />

sagte: „Geschichte ist die Summe aller Lügen, auf die man sich nach 30 Jahren geeinigt hat.”, sondern<br />

stellt seinem wichtigen Werk einen Ausspruch des ebenfalls politisch unkorrekten Historikers Ian<br />

Kershaws voran: „Knowledge is better than ignorance, History better than myth.“<br />

220


Oswald Spengler – Der optimistische Pessimist<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Mittwoch, den 11. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Auseinandersetzung mit Oswald Spengler (1880–1936), dem begeisterten und zugleich leidenden<br />

Philosophen des Schicksals und dem Vertreter der „Konservativen Revolution“, hat wieder<br />

Hochkonjunktur. Was vor über 80 Jahren eindrucksvoll im „Untergang des Abendlandes“ (1918)<br />

begann, in „Preußentum und Sozialismus“ (1919) die Abrechnung mit dem Marxismus praktizierte<br />

und ihm einen deutschen ethischen Sozialismus entgegensetzte, endete mit Spenglers letztem Werk<br />

„Jahre der Entscheidung“ (1933). Dieses prophezeite die heutigen politischen und ökologischen<br />

Krisen der globalisierten Welt und ihrer Wirtschaft.<br />

Spengler war mehr als der pessimistische Prophet des Untergangs: Er war Dichterphilosoph, Visionär,<br />

Tatsachenmensch und Außenseiter. Als dieser ergriff er Partei gegen die Nationalsozialisten, um nach<br />

Hitlers Vorgehen z.B. gegen Edgar J. Jung und gegen die konservative Opposition am 30. Juni 1934<br />

Ekel gegenüber der Geistlosigkeit des „braunen Haufens“ zu empfinden. Spenglers Werk ordnet sich<br />

charakteristisch in die deutsche Geistesgeschichte überhaupt ein. Man erkennt dies an den darin<br />

vorkommenden Dualitäten: Ambivalenz zwischen Politischem und Unpolitischem, Kultur und<br />

Zivilisation, Pessimismus und Aktivismus, dogmatischer Religiosität und tieferer Spiritualität.<br />

Spengler, geboren im anhaltinischen Blankenburg, verstand sich als Überwinder des eurozentrischen<br />

Weltbildes. Die abendländische Kultur habe ihren Höhepunkt erreicht. Als Zivilisation, der Ära des<br />

entgrenzten und mit mächtigen exekutiven Befugnissen ausgestatteten Cäsarismus, gerate ihr<br />

Demokratismus zur Farce bloßer Parolen, die vom Pfad freiheitlicher Ansprüchen abgekommen ist.<br />

Damit personifiziert Spengler eine geistige und politische Zeitenwende, wie wir sie heute nach dem<br />

11. September 2001 ähnlich erleben. Der Parteienstaat erhält sich durch trockene Parolen, die<br />

Staatsexekutive überwacht wesentliche Lebensbereiche. Ihre demokratistische Ideologie gerät zum<br />

zivilreligiösen Dogma und ruft zugleich die politische Fundamentalopposition auf den Plan.Spengler<br />

selbst ging es um einen oppositionellen Genius, der urteilsfähig und mit ganzheitlichem Bewußtsein<br />

ausgestattet den profanen Parteihader überwindet.<br />

Ob Spengler damit heute Parteigänger eines politischen „Extremismus“ wäre, muß dahingestellt<br />

bleiben. Allein formale Begriffe und diskriminierende Kategorien können das Wesen der Welt nicht<br />

umfassend erschließen. Spengler stand an der Wegegabelung von ideellem Überbau und kreativem<br />

Ekel an der Realität. Womöglich war es jener Zwiespalt, der seine reifen Urteile ermöglichte, die in<br />

seinem Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ artikuliert werden.<br />

Konservative Revolution und aktive Metapolitik<br />

Edgar Julius Jung (1894-1934), Verfasser der am 17. Juni 1934 von Franz von Papen gehaltenen<br />

Marburger Rede vor Studenten, welche für Jung zum tödlichen Verhängnis werden sollte, schrieb<br />

noch kurz vor seiner Ermordung über den zurückgezogenen Spengler: „Persönlich Stolzeres und<br />

menschlich doch Weheres, aber auch sachlich Gerechteres und geschichtlich Gültigeres dürfte in den<br />

letzten 15 Jahren kaum von einem zweiten Zeitgenossen deutscher Zunge geschrieben worden sein.“<br />

Der „Untergang des Abendlandes“ ist mehr als nur eine Kulturphilosophie, er ist in hohem Maße<br />

Träger einer politischen Botschaft, im Kern ein geschichtsspekulatives System, welches deutsche<br />

Denker nach Hegel wohl kaum wieder derartig in Angriff nahmen. Spengler war ein unpolitischer<br />

Intellektueller, der sich abseits der Politik hielt und sein Heil in höheren Sphären suchte.<br />

221


In intellektueller und sozialer Hinsicht kann man ihn vor 1918, vor Erscheinen dieses Buches, als<br />

einen „declassé“ betrachten, bis er schließlich nach Erscheinen desselben in ein verzweigtes<br />

Netzwerk industrieller, politischer und paramilitärischer Kreise aufgenommen wurde, das sich in drei<br />

Machtzentren des Deutschen Reiches konzentrierte: Berlin, Ruhrgebiet, München. In ihm weitete<br />

Spengler seine „konservativ-revolutionäre“ Geisteshaltung aus und praktizierte gleichsam aktive<br />

Metapolitik. Metapolitik möchte mit dem Schaffen eines geistig-kulturellen Überbaus auf das<br />

politische Geschehen einwirken, ohne sich in tagesaktuellen Debatten zu verlieren. So gilt die Einkehr<br />

ins eigene Innere als Notwendigkeit für ein Wirken in der Welt. Wissen und gar Weisheit ist nicht von<br />

denen zu erwarten, die nicht auch ernsthaft an sich selbst gearbeitet, eigene Motivationen und<br />

Leidenschaften erkannt und in ihren Konsequenzen reflektiert und optimiert haben. Metapolitik<br />

artikuliert neue politische Methoden und Inhalte. Sie reflektiert, was hinter der Politik steht.<br />

Wenn Metapolitik auf existentielle Erfahrungen und Beobachtungen, wie die Furcht vor einem<br />

neuerlichen Zusammenbruch einer haltgebenden Ordnung, zurückgreift, dann kann dies ganz neue,<br />

tiefgründige Zusammenhänge erschließen und kann das Krisenbewußtsein schärfen.<br />

Der Schlüssel zum Verständnis des „Untergangs des Abendlandes“<br />

Spengler war sensibel für soziale und kulturelle Entwicklungen in Deutschland. Sein<br />

Kulturpessimismus umschließt die Dekadenz und das Spätzeitbewußtsein, die gespannte Beziehung<br />

zwischen Geist, Macht und Modernitätskrise. Seine persönlichen Enttäuschungen und Ressentiments<br />

kehrten sich gegen die Kultur und deren offizielle Repräsentanten. Spenglers eigene Tragödie als<br />

Mensch trug alle Farben seiner Zeit: “...den Kult des einsamen, des Fremdlings (...), die Begierde zu<br />

leiden, den Narzismus der Schwarzen Romantik. (...) Er versteht: es gibt keine Erkenntnis, kein Glück<br />

(...), es gibt nur Werden und Wollen.” So schrieb Koktanek in seiner Biographie von 1968.<br />

Spengler entzog sich aber auch im „Untergang“ nicht den direkt politischen Inhalten. Er<br />

kompensierte seine innere Zerrissenheit und sein Unvermögen tatsächlicher Teilhabe am Leben<br />

durch seine Mystik, durch sein allumfassendes Lebensprinzip, schlichtweg durch seine<br />

Lebensphilosophie. Er bezweckte damit die Verschiebung deutscher Mentalitäten nach seinen<br />

Ambitionen, um der Gefährdung der tradierten Kultur durch Massenhaftigkeit, Mechanisierung und<br />

durch Ökonomismus entgegenzuwirken. Wissenschaft konnte Gesetze erweisen, aber nicht die<br />

ersehnte Gewißheit erzeugen. Der „Untergang“ ist ein Werk, welches diese Gewißheit zu schaffen in<br />

Angriff nahm.<br />

Die Zeitenwende<br />

Spengler spürte darin die Polaritäten des Lebens: Ich und Welt, Mikrokosmos und Makrokosmos, das<br />

Eigene und das Fremde, Geburt und Weltangst. So betrachtet er das Leben aus der Perspektive des<br />

Geworfenseins: „Ein Denker ist ein Mensch, dem es bestimmt war, durch das eigene Schauen und<br />

Verstehen die Zeit symbolisch darzustellen. Er hat keine Wahl. Er denkt, wie er denken muß, und<br />

wahr ist für ihn, was als Bild seiner Welt mit ihm geboren wurde.“ Seine konservative<br />

Weltanschauung trug die Konturen einer politischen Haltung, die weniger durch einen streng<br />

wissenschaftlichen sondern vielmehr durch einen poetisch-intuitiven Zugriff gegen die verhaßte<br />

Entseelung seiner Zeit ankämpfte. Die Konzentration auf mythische Phänomene, die Wahrnehmung<br />

des künftig Notwendigen und der Drang, all jenes politisch mitzuteilen, führten zu einer spezifischen<br />

Motivation und zu einer einmaligen Ausdrucksweise, wie sie sich nur bei Spengler findet.<br />

222


Konservative Weltanschauung durch einen poetisch-intuitiven Zugriff<br />

Die „Konservativen Revolutionäre“, darunter Spengler, können als die geistige Vorhut auf der Suche<br />

nach neuen Sicherheiten verstanden werden. Spengler entwickelte darunter eine antiintellektuelle<br />

und vitalistische Lebensphilosophie. Er wurde konfrontiert mit der Entstehung eines neuen<br />

Mittelstandes, der sich zusehends über Massenpolitik und Interessenverbände zu artikulieren wußte.<br />

Dadurch entstand der Druck auf die konservative Elite, die – zu recht – einstige Kulturideale wie<br />

Harmonie zwischen Innerlichkeit und Welt, Formkraft und Beseelung sowie Metaphysik verloren<br />

gehen sah oder, um mit Spengler zu reden, diese zur „Zivilisation“ erstarren sah. Daraus resultiert<br />

kompensatorisch eine überspannt subjektive Weltdeutung, die der eigenen Intuition mehr vertraut<br />

als wissenschaftlichen Methoden.<br />

Die Denker der „Konservativen Revolution“ hatten ein solches Bewußtsein, welches in Anlehnung an<br />

Kants transzendentale Wende und Fichtes Subjektphilosophie als jenes Bewußtsein gekennzeichnet<br />

werden kann, das mehr denn je das „Spezifisch Deutsche“ im Denken war und ist. Eine<br />

fortschreitende Entzweiung des Lebens wurde befürchtet. Dabei ging es den Deutschen, wie aus<br />

heutiger Sicht leichtfertig behauptet, nicht um eine konservative Verlängerung der linken<br />

Gesellschaftskritik, sondern vielmehr um die praktische Handhabung gesellschaftlicher und sozialer<br />

Umbrüche in Deutschland, welchen man eine deutsche Geistes- und Politikalternative<br />

entgegenstellte. In Deutschland eben leisteten sich damals wie heute die Gebildeten fern der<br />

politischen Praxis die Radikalität des reinen Gedankens. Das macht die deutsche Besonderheit aus.<br />

Georg Quabbe, auch „Konservativer Revolutionär“, hätte dazu gesagt: So sind wir! Und deshalb<br />

handeln wir danach!<br />

Wir können Spengler einen optimistischen Pessimisten nennen, der wenig von der „demokratischen“<br />

Litanei oberflächlicher Unverbindlichkeit hielt, sondern seine Hände unter emotionaler<br />

Wahrnehmung des existenziellen Fundamentalcharakters des Lebens strapazierte und beschmutzte,<br />

um eine demgemäße politische Ordnung zu schaffen. Es bleibt zu hoffen, daß innovative<br />

Menschengruppen zu dieser Kategorie Mensch aufsteigen.<br />

223


Edgar Julius Jung – Vordenker eines neuen Staates<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Mittwoch, den 11. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Jurist und politische Philosoph Edgar Julius Jung (1894-1934) ist heute entweder gar nicht mehr<br />

bekannt oder wird von den wenigen, die sich seines Namens erinnern und dies mit Abneigung tun,<br />

als Vordenker des Nationalsozialismus gewertet. Seine publizistische Tätigkeit in der Weimarer<br />

Republik hätte Hitler den Weg bereitet und sei nationalistisch, so schreibt selbst der CDU-Politiker<br />

Friedberg Pflüger in einem Buch von 1994. Daß Jung aber als Vordenker einer Theorie von<br />

Demokratie und Staat gesehen werden muß, die allein aus dem Phänomen seiner Zeit zu verstehen<br />

und mit heutigen Maßstäben von „Demokratie“ nicht zu messen ist und daß er deshalb eines der<br />

ersten Opfer des Nationalsozialismus wurde, dies zu benennen ist es höchste Zeit.<br />

Edgar Julius Jung empfand sich als nationalbewußt, nicht als nationalistisch. Er sah sich als<br />

übernationalen Kosmopoliten, der dem kulturellen Leben eines jedes Volkes eine Eigengesetzlichkeit<br />

zubilligte und auch dem „Reich“ eine sittlich verpflichtende übernationale Größe zukommen ließ.<br />

Dies wurde zuletzt einzig in Johann Gottlieb Fichtes (1762-1814) „Reden an die deutsche Nation“ zum<br />

Ausdruck gebracht, welche dann die Befreiungskriege gegen die napoleonische Herrschaft in Preußen<br />

1813 initiierten. Jung schrieb in seinem Hauptwerk „Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall<br />

und ihre Ablösung“ (1927): „Die kulturelle Vergewaltigung, die der (…) Nationalstaat im Gefolge hat,<br />

ist ihm [dem neuen Staate – Anm. d. V.] fremd, weil auch das kulturelle Leben des Volkes seiner<br />

Eigengesetzlichkeit untersteht.“ Gegen den Primat des Nationalstaates stellt er also die Pluralität der<br />

je spezifischen Völker und Kulturen, die zu überfallen und mit einem globalen Demokratie-Muster zu<br />

vergewaltigen eine pure lebensundienliche Anmaßung sei. Diese läßt sich vielmehr und merklicher<br />

heute im Verhalten der USA auf dem südasiatischen Kontinent feststellen. Doch zurück zum<br />

Hauptwerk Jungs.<br />

Neue Eliten statt Pseudo-Eliten<br />

Der Jurist und Theoretiker der Jungkonservativen, der auch als Mitglied des Freikorps Epp gegen die<br />

Münchner Räteherrschaft agierte und zudem den „Rheinisch-Pfälzischen Kampfbund“ gegen<br />

separatistische Bestrebungen im Reiche gründete, veröffentlichte sein Buch, um die Notwendigkeit<br />

einer Konservativen Revolution zu verdeutlichen. Damit meinte er die Erhaltung der<br />

überindividuellen Werte des Menschen, die Förderung der „Hochwerte“ gegen jene „Werte“, die der<br />

Zersplitterung der Gemeinschaft, des Volkes und des dialogischen Solidarprinzips zwischen Ich und<br />

Du entgegenwirkten. Sie nämlich propagierten den puren Individualismus, der als simulierte Freiheit<br />

über den lebensfremden Mechanismus des Stimmzettels sich unrechtmäßig legitimiere. Die Eiferer<br />

des Materialismus, des Profits und ausschließlich individueller Wohlfahrt gelte es zu beseitigen, was<br />

für Jung lediglich in der Diktion Nietzsches einer Beseitigung der „Unfähigen“ gleichkommt. Daß der<br />

Begriff der „Minderwertigkeit“ nach Jungs eigener Aussage womöglich unglücklich gewählt sei, sollte<br />

nicht darüber hinwegtäuschen, daß es ihm nur um eine Ablösung der oligarchisch im Parlament<br />

abgeschotteten Pseudo-Eliten ging, die sich anmaßten, die Stimme vieler Hunderttausend<br />

repräsentieren zu können. Damit war Jung freilich aufgefordert, eine alternative politische Theorie<br />

anzubieten, welche wesentlich im Gefolge seines Lehrers Vilfredo Pareto (1848-1923) eine<br />

Zirkulation der Eliten erstrebte.<br />

224


Die Wiedergeburt neuen deutschen Denkens<br />

Jungs Kulturkritik trug dabei den Charakter einer Hochschätzung von Stand und Genossenschaft im<br />

Staate. Dieser Staat sollte sich im Rahmen einer ausdrücklichen Wiederverchristlichung realisieren. Er<br />

sah hierfür metaphysisch begründete überindividuelle Werte als Basis aller Gemeinschaft für<br />

notwendig an. Damit bietet Jung als einer der ersten noch vor Armin Mohler eine inhaltliche<br />

Definition des Prinzips der Konservativen Revolution an. In seinem Essay „Deutschland und die<br />

Konservative Revolution“ schreibt er dazu:<br />

„Konservative Revolution nennen wir die Wiederinachtsetzung all jener Gesetze und Werte, ohne<br />

welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre<br />

Ordnung aufbauen kann.“<br />

So verwundert es nicht, daß das Mittelalter als ideeller Fluchtpunkt für das Maß künftiger<br />

Neugestaltung galt, um mit ihm – so das Vorwort in „Die Herrschaft der Minderwertigen“ – die<br />

Schaffung „geistiger Vorbedingungen“ für die „deutsche Wiedergeburt“ voranzutreiben. Aus dem<br />

Gefühl der Bedrängnis ihres politisch-geistigen Erbes resultiert bei den Denkern der Konservativen<br />

Revolution ein Affekt gegen die als geistlos-partikularistisch bewertete Parteiendemokratie. Im<br />

Vorwort zum Hauptwerk Jungs steht: „Die Revolution des Geistes hat jetzt eingesetzt.“ Sie wendet<br />

sich gegen die „geistig seelische Verödung“. Jung stellt damit sein wesentliches Ziel heraus und gilt<br />

nicht ohne Grund als wichtiger Vertreter seiner geistigen Strömung: Er spürte in sich den „Drang<br />

nach Ewigkeit, begleitet von dem Bewußtsein der Begrenztheit irdischen Lebens“. Er steht damit<br />

zugleich in einer längeren geistigen Tradition, nämlich derjenigen des Deutschen Idealismus, dessen<br />

wichtigstes Prinzip die Begründung menschlicher Existenz in Freiheit, die sich nicht in abstrakten<br />

Gesinnungen erschöpfe, sondern die sich im Bewußtsein irdischer Endlichkeit praktisch in Recht,<br />

Staat und Nation zu realisieren habe. Der Politologe Bernhard Willms betonte für die jüngere<br />

Gegenwart diesen zeitlos gültigen Aspekt des deutschen Denkens als das „Streben nach jener Idee als<br />

der Einheit von allgemeiner Wirklichkeit und individuellem Bewusstsein.“<br />

Systemalternative jenseits des Nationalsozialismus<br />

Als gedankliches Ziel tritt eine realitätsbezogene Übereinstimmung von sittlich-subjektivem Wollen<br />

und wirklich-politischem Sein zutage, die mit parteipolitischer Gesinnung und oberflächlichem<br />

Parteihader als strukturelle Veränderung nicht erreichbar ist. Kurz: Würden Wahlen etwas bewirken,<br />

hätte man sie längst abgeschafft. Edgar Jung wollte aus diesem Grund die Dekadenz des<br />

parlamentarischen Systems ablösen, nicht aber aus an sich menschenverachtenden Motiven heraus,<br />

sondern aus dem tiefsten Willen zur Erhaltung „hochwertigerer“ und humanerer Alternativen, die<br />

sich in einem organischen Staat über den zeitweisen Weg einer kommissarischen Diktatur geführt<br />

von einer tatsächlichen Elite realisieren sollten. Kommissarische Diktatur meint hier im Gegensatz zu<br />

souveräner Diktatur die Rettung einer verfassungsmäßigen Ordnung und ein politisches Agieren<br />

innerhalb derselben. Kurz: Systemveränderung durch systemeigene Möglichkeiten – eben<br />

Metapolitik. Zwar erwog Jung schon lange ein Selbstmordkommando zur Ermordung Hitlers,<br />

gegenüber dem er eine tiefe Aversion hatte, entschied sich aber dennoch für den systemkonformen<br />

publizistischen Weg<br />

.„Wir müssen verhindern, daß Hitler auch nur einen Tag an die Macht<br />

gelangt.“<br />

So sprach er bei einer Harzburger Tagung im Jahre 1931. Er befürchtete im Nationalsozialismus den<br />

entfesselten Nihilismus und seine parteipolitische Demagogie seitens der ersten<br />

klassenübergreifenden „Volkspartei“ noch vor der CDU oder SPD, nämlich der NSDAP. Innerhalb der<br />

225


Weimarer Republik wirkte Jung nunmehr „systemkonform“ als Redenschreiber für den Politiker<br />

Franz von Papen, dessen Marburger Rede vor Studenten er schrieb. Sie wurde am 17. Juni 1934<br />

durch Franz von Papen gehalten und führte zu Jungs sofortiger Verhaftung am 25. Juni.<br />

Die Marburger Rede und das Ziel ewiger Werte<br />

In dieser Rede übte Jung über die Autorität von Papens gleichwohl massive Kritik an den Mißständen<br />

der nationalsozialistischen Herrschaft. Er reklamierte ein geordnetes Wachstum, sprach sich gegen<br />

Kollektivismus in Wirtschaft und Gesellschaft aus und erteilte dem Nationalsozialismus eine Absage.<br />

Papen forderte die ständische Neuordnung nach wilhelminischem Vorbild als ein Alternativmodell<br />

und verlangte die Abschaffung der NSDAP als Überbleibsel des Parteiensystems. Im Ganzen handelt<br />

es sich um eine Darstellung wichtiger Gedanken Edgar J. Jungs. Er verdeutlichte damit, daß der<br />

Nationalsozialismus nur ein temporäres Durchgangsstadium im Zuge eines gesamteuropäischen<br />

Umwandlungsprozesses sei. Am 1. Juli 1934 wurde Jung deshalb bei Oranienburg erschossen. Es<br />

ahnten zu dieser Zeit nur wenige, daß dieser Akt zugleich der fortschreitenden Vernichtung der<br />

eigentlichen konservativen Opposition gleichkam.<br />

Nationalbewußt – nicht nationalistisch<br />

Diese Opposition nämlich bot mit Jung eine Definition des konservativen Elements an, das zu leben<br />

und umzusetzen weiterhin lohnenswert ist. Dieses Element besagt, daß es nicht konservativ ist, ein<br />

notwendiges Geschehen aufhalten zu wollen. Konservativ ist nur die Erhaltung ewiger Werte und nie<br />

zeitlich dominierender Werte. Zu den zeitbedingten Werten zählen zum Beispiel die Vorhaben in<br />

Parteiprogrammen, die nur Produkt der sozialen Rivalitäten bestimmter Zeiten sind. Ein offenes,<br />

nicht-repressives, nicht-rassistisches, tiefgründiges, nicht nationalsozialistisches, nicht<br />

parteipolitisches und damit undogmatisches Denken mit durchaus internationaler Perspektive ging<br />

mit Jungs Tod zu Ende. Diese Tragödie wiederum stellte die Deutschen gerade in Anbetracht des<br />

entschiedenen Widerstandes beispielsweise Stauffenbergs gegen Hitler vor eine noch höhere<br />

Aufgabe, die Jung selbst im Vorwort zu seinem Hauptwerk artikulierte: „Man muß dem deutschen<br />

Volke zutrauen, daß es seine Kräfte umso mehr anstrengt, je tiefer ihm der Abgrund dargestellt wird,<br />

aus dem es sich emporzuarbeiten hat.“ Wenige Deutsche taten dies verzweifelt in ihrem Widerstand<br />

gegen Hitler weiterhin. Sie wurden nach dem 20. Juli 1944 gnadenlos ausgemerzt. Mit ihnen<br />

verschwanden – mit Jung zu sprechen – die wenigen Erlesenen, die wenigen zur humanen<br />

selbstlosen Elite geeigneten, welche Jung gewiß zu den „Hochwertigen“ gezählt hätte.<br />

226


Die Zwangsehe mit dem Islam PDF<br />

Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />

Mittwoch, den 11. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Ist die Vision eines modernen, moderaten und nicht zuletzt verfassungstreuen Islams tatsächlich real,<br />

oder aber ist der Diskurs um den „Euro-Islam“ nicht mehr als eine Fata Morgana, ein Hirngespinst<br />

verantwortungsloser Gutmenschen-Politik?Vor der zweiten Runde des Integrationsgipfels scheint<br />

sich für das Auge des interessierten Beobachters eher letztere Hypothese bewahrheitet zu haben,<br />

ließen doch türkische Verbände ob des verschärften Zuwanderungsgesetzes die Muskeln spielen.<br />

In vollkommener Dreistigkeit lamentierte der Dialogbeauftragte der türkisch-islamischen<br />

Moscheevereine (DITIB) Bekir Alboga, „in die Gesetzgebung nicht einbezogen worden zu sein“. Sogar<br />

eine „diskriminierend[e]“ und „hinterhältige Politik“ entdeckte er in der Reform, die türkischen<br />

respektive arabischen Einwanderern nun rudimentäre Deutschkenntnisse abverlangt. Wer den<br />

Rückzug von solch ungleichen Verhandlungen androht, handelt nur konsequent, denkt sich nun Max<br />

Mustermann.<br />

Jedoch, Moment mal, was spielt sich denn hier ab? Fordern die Migrantenverbände allen Ernstes,<br />

dass der Bundestag bzw. die Bundesregierung Gesetze vor In-Kraft-Treten den Migrantenverbänden<br />

zur Prüfung vorlegen soll? Dem DITIB vorlegen, einer Organisation, die anderen Kulturen näher steht<br />

als der deutschen? Einfach nur grotesk! Wenn diese Geisteshaltung die Frucht jahrelanger<br />

Integrationsbemühungen sein soll, dann aber wirklich gute Nacht. Eine Einigung wird auf diese Weise<br />

mitnichten erreicht werden.<br />

Gespannt darf man nun auf die Resonanz der deutschen Verhandlungsseite sein, die gut daran täte,<br />

solches Kasperletheater endlich zu stoppen. Es ist unmöglich mit jemandem zu verhandeln, der kein<br />

Stück weit zu Kompromissen bereit ist und ferner auch nicht ernsthaft an einer Lösung interessiert zu<br />

sein scheint.<br />

Selbst bei einer Fortführung der Gespräche mutet der Glaube an die Reformierbarkeit des Islams naiv<br />

an. Die nötige Säkularisierung ist nicht ernsthaft zu erwarten, alldieweil die anzustrebende Synthese<br />

von Religion und Staat zu einer Theokratie ein Primat der islamisch-theologischen Lehre ist. Dieses<br />

Dogma wird von keinem gläubigen Muslimen aufrichtig infrage gestellt! Bekenntnisse zu Demokratie<br />

und Rechtsstaatlichkeit geschehen lediglich halbherzig mit der Taqiyya.<br />

Ernüchternde Beispiele für ein islamisches „Paradies auf Erden“ sind der Iran, Saudi-Arabien oder<br />

wahlweise auch Syrien. Die Debatte über eine Assimilation des Islams in westeuropäischen Staaten<br />

muss abgebrochen werden, denn die Vorstellung eines Staatsmodells vom Schlage Saudi-Arabiens<br />

korreliert nicht mit der westlich-laizistischen Idee! Der Streit mit dem DITIB zeigt deutlich, wie weit<br />

sich Deutschland bereits von islamischen Lobbyisten zurückdrängen lassen hat und müsste auch<br />

selbsterklärten Weltverbesserern à la Claudia Roth plausibel machen, dass die politische Religion<br />

Islam in seiner Koran getreuen, nicht säkularisierten Form, niemals kompatibel zu einer westlichen<br />

Staatsform sein kann und wird.<br />

Welche Lehre sollte Deutschland daraus ziehen? Sapere aude!<br />

227


Klemens von Klemperer – ein konservativer Kritiker der<br />

Konservativen Revolution<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Donnerstag, den 12. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Kritiker innerhalb einer politischen Strömung sind oft die interessantesten. Zum einen verfügen sie<br />

über die nötige Kenntnis der Debatten, Personen und Einflüsse. Zum zweiten geht man meist recht in<br />

der Annahme, daß ihnen polemische Entstellungen und Verfremdungen, die sich der politische<br />

Gegner gern zu eigen macht, abhold sind. Klemens von Klemperer ist ein solcher Querkopf, der<br />

einerseits sagt, Weimar sei zerschlagen worden, weil es nicht konservativ genug war und<br />

andererseits die Denker der Konservativen Revolution scharf kritisierte.<br />

Klemens von Klemperer wurde 1916 in Berlin geboren und studierte in Wien und Harvard und lehrte<br />

später lange Jahre am renommierten amerikanischen Smith College. Die Konservative Revolution und<br />

deutsches konservatives Denken war immer sein bevorzugtes Thema. Als einer der ersten Historiker<br />

der Nachkriegszeit brachte Klemperer den Mut auf, die deutschen Konservativen zu rehabilitieren –<br />

ein nicht ungefährliches Unterfangen, war doch das Terrain politisch vermint, und dezidiert<br />

konservatives Denken verfemt.<br />

Sein Werk „Konservative Bewegungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus" ist deshalb eine<br />

besonders faszinierende Studie. Einige der Protagonisten kannte Klemperer persönlich und hatte mit<br />

den Vordenkern der Konservativen Revolution debattiert. Klemperer stand zu der Geschichte, die er<br />

„zum Teil selbst erlebt“ hatte. „Ich bin in zweifacher Weise an meine Aufgabe herangegangen: von<br />

innen und von außen, als innerlich beteiligter Mensch und als Wissenschaftler.“<br />

Klemperer macht den Ursprung des Auflebens neukonservativer Ideen im Scheitern der<br />

Fortschrittsutopien auf den Schlachtfeldern des 1.Weltkrieges aus. Die Schrecken, die der<br />

Grabenkrieg in die Heimat trug, brachen mit der optimistischen Atmosphäre des 19. Jahrhunderts.<br />

Dies, so Klemperer, traf auf alle Kriegsparteien zu. Nur in Deutschland, dem „ewig protestierenden<br />

Reich, in dem der Rationalismus eigentlich nie festen Fuß gefaßt hatte“, sei die Kritik des<br />

Rationalismus besonders fundiert ausgefallen. Hier überschnitt sich eine berechtigte Kritik am Prinzip<br />

der reinen Vernunft mit dem rapiden Verfall alter Institutionen. Kirche, Monarchie, Adel, Bürgertum<br />

– sie alle hatte die Revolution von 1919 schwer angeschlagen. Was blieb, waren verunsicherte,<br />

verproletarisierte Massen ohne Hoffnung, ohne Zuversicht und mit der Sehnsucht nach Bindung,<br />

Tradition und Autorität.<br />

Modernisierung der Tradition mißlungen<br />

Umso bemerkenswerter ist Klemperers Fazit: Weimar, so Klemperer, sei nicht gescheitert, weil es zu<br />

liberal gewesen sei, sondern weil Weimar nicht genügend konservativ war. Die Denker der<br />

Konservativen Revolution waren auf der Suche nach Visionen. Sie hatten erkannt, daß „die neue<br />

Republik nicht nur mehr Demokratie, sondern auch mehr Wurzeln, mehr Bindungen brauchte.“<br />

Klemperer ging jedoch mit der Konservativen Revolution kritisch ins Gericht. Angesichts der<br />

Probleme im Land und der unversöhnlichen, sturen Haltung der Siegermächte hätten sich viele<br />

Konservative radikalisiert und der Freiheit eine Absage erteilt. Tatsächlich machte Klemperer den<br />

Begriff „Freiheit“ zum zentralen Streitpunkt zwischen deutschen Konservativen und ihren westlichen<br />

Gefährten. Der Begriff „Freiheit“ habe in Deutschland eine wichtige, aber untergeordnete Rolle<br />

gespielt. Da die sozialen Härten in Deutschland viel stärker waren, beschäftigten sich auch<br />

228


Konservative mit der sozialen Frage. Indem Männer wie August Winnig [„Vom Proletariat zum<br />

Arbeitertum“] oder Ernst Niekisch auf bolschewistische oder kriegssozialistische Wirtschaftsmodelle<br />

zurückgriffen, hatte man mit der Tradition des europäischen Konservatismus gebrochen. Diese<br />

intellektuellen Konservativen „erkannten nicht, daß es sich nicht lohnte, den ‚Edelnazi’ zu spielen.“<br />

Ein Tory-Konservativismus westeuropäischen Zuschnittes hätte die Dilemmata der Zeit auflösen<br />

können. Das ist der Vorwurf, den der gescheiterte konservative Revolutionär seinen einstigen<br />

Mitstreitern aus dem amerikanischen Exil machte.<br />

Statt der sozialen Frage die Freiheit auf die Agenda setzen.<br />

Ein zweites Dilemma der Konservativen Revolution sei, daß es ihr kaum gelungen sei, den<br />

Konservatismus zu revolutionieren, zu verjüngen und der Moderne anzupassen. Der deutsche<br />

Konservativismus blieb noch zu lange auf den Rittergütern des deutschen Ostens verwurzelt, war<br />

agrarisch, aristokratisch und antimodernistisch. Versuche, den Konservatismus der Moderne<br />

anzupassen, wie der Juliklub oder der Herrenklub seien schnell daran gescheitert, daß die Klubs<br />

finanziell abhängig von den Junkern waren. Klemperer war der Meinung, es hätte Deutschland besser<br />

gedient, eine modernistisch-urbane Form des Konservatismus aus der Taufe zu heben, was in den<br />

angelsächsischen Ländern erfolgreicher funktioniert habe als in Deutschland. So habe das Wort von<br />

der Konservativen Revolution wenig Aussagekraft. Den konservativen Revolutionären sei es weder<br />

gelungen, ihre Glaubenssätze zu modernisieren, noch hätten sie ihre Traditionen der Moderne<br />

anpassen können.<br />

Deshalb, so Klemperer, entschieden sich manche radikalisierte konservative Revolutionäre wie<br />

Moeller van den Bruck oder August Winnig gegen die Tradition und für den radikalen Nihilismus. Die<br />

Radikalen lehnten eine Modernisierung der Tradition ab und glaubten, daß nur durch Zerschlagung<br />

der Moderne der Konservatismus wiederbelebt werden könne, daß aus den Ruinen der urbanen<br />

Masse die agrarisch-patriarchale Gemeinschaft wiedererstehen könne. Als Ergebnis dieses<br />

radikalisierten Nihilismus verschwand sowohl Tradition, Gemeinschaft und Konservatismus als<br />

ernstzunehmende Geistesströmung aus dem Deutschland nach 1945.<br />

Radikaler Nihilismus oder traditioneller Konservatismus?<br />

Und so bleibt Klemens von Klemperers Buch „Konservative Bewegungen“ eine bewegende, tragische<br />

Klageschrift eines gescheiterten Revolutionärs über verpasste Chancen und verlorene Träume.<br />

229


„Wir nennen es Arbeit“<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 12. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Holm Friebe und Sascha Lobo haben ein Buch geschrieben. „Wir nennen es Arbeit“ lautet der Titel<br />

und beschreibt die Arbeitsgewohnheiten der mit dem Web 2.0 entstandenen „digitalen Bohème“, zu<br />

der sich die Autoren selbst zählen. Das Thema ist ein ziemlich neues; brandaktuell und hypermodern;<br />

und so ist es nicht so schlimm, daß die Qualität des Geschriebenen – positiv gesagt – ausbaufähig ist.<br />

Sicher haben Lobo und Friebe dieses Buch ohnehin nebenbei geschrieben, so wie sie alles nebenbei<br />

frei und flexibel erledigen. Sie haben es geschafft, das erste Buch zum Phänomen der „digitalen<br />

Bohème“ zu verfassen und allein das zählt.<br />

Die „digitale Bohème“ pflegt einen fast bürgerlichen Lifestyle. Die Beschwörer der „Neuen<br />

Bürgerlichkeit“; Paul Nolte, Wolfgang Weimer und wie sie alle heißen; müssen bestimmt bald<br />

anerkennen, daß der einzige Nachwuchs der „Neuen Bürgerlichkeit“ die mit der Dekadenz spielenden<br />

digitalen Bohèmiens sind, denn diese freiberuflichen Blogger und Podcaster haben schon eine Menge<br />

der bürgerlichen Verhaltensweisen adaptiert. Sie sind bewegungsfaul und halten sich nur in einigen<br />

wenigen Internet-Cafés auf, um das, was sie Arbeit nennen, lässig abzuspulen. Genauso wie das<br />

Bürgertum halten sie sich ungefährlich im Bereich des „Mainstreams der Minderheiten“ auf. Die<br />

„digitale Bohème“ wünscht keine digitale Revolution, denn diese wäre viel zu anstrengend. Die<br />

neuen Bohèmiens wollen lediglich ein wenig über ihre Nichtsnutzigkeit plaudern.<br />

9to5: Von abends um 9 bis früh um 5<br />

Seltsamerweise interessiert die Menschen diese Nichtsnutzigkeit. Lobo, Friebe oder auch die<br />

Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin von <strong>2006</strong>, Kathrin Passig, die mit Friebe und Lobo in der „Zentralen<br />

Intelligenz Agentur“ zusammenarbeitet, leben davon, wahrgenommen zu werden. Sie versuchen aus<br />

der neuentstandenen Währung „Aufmerksamkeit“ ihr Kapital zu schlagen. Obwohl eine antikapitalistische<br />

Attitüde in der Pseudo-Intellektuellenwelt stylisch rüberkäme, suchen die „zentralen<br />

Intelligenzbestien“ keinen ernsthaften Weg aus dem Kapitalismus heraus. Sie wählen „aus<br />

ästhetischen Gründen nicht FDP“, finden aber ansonsten an der kapitalistischen Konsumkultur nichts<br />

auszusetzen. Schließlich profitieren sie davon.<br />

Ein bißchen Idealismus ist freilich bei den jungen Freiberuflern noch geblieben. Sie lieben ihre<br />

flexiblen Arbeitszeiten. Statt von früh um 8 bis abends um 6 zu arbeiten, mögen sie die 9to5-<br />

Arbeitszeiten, die nebenbei ein Abchillen in einer Bar in den Nachtstunden erlauben. „Abchillen und<br />

Live-Working“ könnte einer der nächsten Büchertitel von Lobo und Friebe heißen. Er würde das<br />

beschreiben, was die Autoren vorgeben den ganzen Tag zu tun. Sie schreiben davon, in Cafés<br />

gemütlich den ganzen Tag ihr Blog zu vernetzen, ein paar Blogeinträge zu kritzeln und an ein oder<br />

zwei Medienprojekten mitzuarbeiten.<br />

Im Strom des Mainstreams der Minderheiten<br />

Holm Lobo und Sascha Friebe haben „Wir nennen es Arbeit“ flott und locker geschrieben. Daß einige<br />

theoretische Bezüge, die sie anstandshalber eingebaut haben, nicht passen oder aus dem<br />

Zusammenhang gerissen worden, spielt eine untergeordnete Rolle. Mit Vorliebe zitieren sie beliebte,<br />

linke Autoren wie zum Beispiel Bertolt Brecht oder Pierre Bourdieu. Das zeigt, worum es ihnen geht:<br />

Immer schön vorne mitschwimmen, denn das Gegen-den-Strom-schwimmen wäre nicht nur der Tod<br />

ihrer halbherzigen Überzeugungen, sondern auch der Tod ihrer Arbeits- und Lebensweise.<br />

230


Ernst Niekisch und die dritte imperiale Figur<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Sonntag, den 15. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Nationalrevolutionär Ernst Niekisch (1889-1967) ist eine interessante Gestalt der Konservativen<br />

Revolution, welche die Grenzen zwischen dem, was „links und rechts“ ausdrücken soll, recht früh<br />

sprengte. Zeit seines Lebens zog es den Nationalrevolutionär zur Arbeiterklasse aber auch zur Nation<br />

hin. Begonnen hatte sein Weg in der Münchner Räterepublik, er führte über den Hofgeismarkreis der<br />

Jungsozialisten bis in die DDR. Nur einmal, im Widerstandskreis, einer Vereinigung, die sich dem<br />

„nationalen Befreiungskampf“ widmete, fand Niekisch eine politische Heimat jenseits der deutschen<br />

Arbeiterbewegung.<br />

Seine bedeutsame Schrift „Die dritte imperiale Figur“, die 1935 im Widerstands-Verlag erschien,<br />

konnte nicht mehr zur Entfaltung kommen, da sie kurz danach eingestampft und Niekisch selbst<br />

verhaftet wurde. Niekischs Entwurf ist seine letzte Veröffentlichung vor der Inhaftierung und vor<br />

dem Ende des noch legalen Widerstandskreises. Ihr kommt damit ein besonderer Rang zu. Die dritte<br />

imperiale Figur ist der Arbeiter, den er in einer Zeit sieht, die zugleich entortende Tendenzen, den<br />

Individualismus und die herrschsüchtige Ideologie des Demokratismus gegenüber den entmündigten<br />

Massen in sich birgt. „Wer die Welt beherrschen will, kann nicht in der Bindung einer ‚Scholle’ ruhen.<br />

(…) Das Imperium verbraucht Volkstum; es mischt alle mit allen – (…). Das Ende ist die<br />

unterschiedslose eingeebnete Masse.“ Die Entkopplung des Menschen von seinen gewachsenen und<br />

solidarischen Lebenszusammenhängen macht er als notwendige Folge dieses globalen<br />

Herrschaftsanspruches aus.<br />

Dabei ging es Niekisch stets darum, aus dem Geiste des konstruktiven Widerstandes die Nation mit<br />

der politischen Linken zu versöhnen. Der Historiker Sebastian Haffner forderte noch im November<br />

1989 angesichts der Wiedervereinigung, Niekisch wieder auf die Tagesordnung zu setzen: „So<br />

unwahrscheinlich es klingen mag: Der wahre Theoretiker der Weltrevolution ist nicht Marx und nicht<br />

einmal Lenin. Es ist Niekisch.“ Das universalistische Prinzip des Kapitalismus, des Profits und einer<br />

medial gelenkten Masse verursachte für Niekisch zugleich immer den Widerstand, der selbst<br />

wiederum durch jene Hegemonie der Zivilisation und ihre staatliche Exekutive und die<br />

Geheimdienste zermürbt wird. „Eigenwüchsige Völker wehren sich dagegen, sich unter den<br />

einheitlichen Nenner des allgemeinen imperialen Prinzips bringen zu lassen. Ihr Eigenwuchs muß<br />

zersetzt werden, damit sie dem Imperium nicht drückend ‚im Magen liegen’: sie werden ‚verdaut’.“<br />

Theoretiker der Weltrevolution: Nein, nicht Marx, nicht Lenin, es ist<br />

Niekisch.<br />

Sein Konzept der dritten imperialen Figur als Alternative jenseits der imperialen „Verdauung“ durch<br />

die Herrschaft des Geldes, das nicht mehr dient, sondern Selbstzweck wird, ist vor allem deshalb<br />

aktuell, weil Niekisch darin erkennt, daß das Instrument individualistischen Machtwillens zwar der<br />

global sich ausweitende Geldfluß ist, dieser aber solange Steine in den Weg gelegt bekommt, solange<br />

es noch Sachen, Werte und Menschen gibt, die nicht bedingungslos käuflich sind. Der Massenmensch<br />

hingegen sei nichts für sich; er sei nur soviel als er ‚hat’. Mit ihm ist es also ein leichtes, sich<br />

preiszugeben, wenn er Geld dafür bekommt. Genau jene korrumpierbare Masse ist für ihn das<br />

Gegenteil des deutschen Prinzips, dessen Träger ein solcher Genius ist, der in natürlicher Verbindung<br />

mit seinen Mitmenschen vorrangig sich selbst und dem Personalverband genug ist. Auch Anleihen<br />

bei Hegel sind erkennbar, wenn Niekisch meint, die Germanen seien zur Freiheit geschaffen, die sich<br />

231


spürbar und dauerhaft der Entwurzelung und der Vernichtung des Zuges zum Übersinnlichen<br />

widersetzen.<br />

Antisemitismus?<br />

Deshalb verrät sich für Niekisch in der Stärke des Antisemitismus, der als Reaktion aufkomme, kein<br />

menschenverachtendes und im heutigen naiven Sinne des Begriffes ideologisches oder<br />

„volksverhetzendes“ Konzept, sondern vielmehr die Enschlossenheit, wieder den Weg hin zum<br />

elementaren, ungebrochenen, in natürliche Ordnungen eingegliederten Menschen zu beschreiten,<br />

der sich nicht ökonomistisch zersetzen läßt. Es ist mehr denn je lohneswert, über diese Perspektive<br />

nachzudenken, denn akzeptierte man diese Haltung, könnte womöglich wirklicher Antisemitismus<br />

zurückgehen. Damit gemeint ist nicht jenes hysterisch Konstrukt, das die Bedenkenträger der<br />

etablierten Politik sich gern basteln, um sich komplexere Erkenntnisräume des Denkens vom Halse zu<br />

halten.<br />

Niekisch ist kein Antisemit, was ihm linke Kreise vorwerfen. Er schreibt selbst: „Die dritte imperiale<br />

Figur achtet auf ihre Souveränität; sie ist nicht „anti“ – weder antisemitisch, noch antirömisch.“<br />

Rechter Denker von links<br />

Niekischs Ansichten sind heute einer neuen Reflexion wert. Sein streitbarer, scharfsinniger und<br />

aufrechter Charakter führte schon immer dazu, daß er als 'rechter Denker von Links' in allen<br />

Regierungsformen, unter denen er lebte, zwischen den Stühlen saß. Seine „Widerstandstheorie“<br />

versuchte einen Brückenschlag zwischen Arbeiterbewegung und dem Denken rechtskonservativer<br />

Teile der Bevölkerung. Ihm schwebte wie vielen Denkern seiner Zeit ein Programm der „nationalen<br />

Wiedergeburt Deutschlands“ und ein Konzept eines Europa unter deutscher Führung mit starker<br />

Verbindung nach Osten bis nach China vor. Niekisch sprach oft von einem germanisch-slawischen<br />

Block, der durch seine geopolitische Stellung und sein wirtschaftliches Gewicht ein Machtfaktor<br />

ersten Ranges werden solle und sich der hegemonialen westlichen Dekadenz widersetze.<br />

Deutschlands Rolle liegt dabei darin, Stein des Anstoßes zu sein, der sich den gnadenlosen Schritten<br />

der imperialen Entortung in den Weg stellt. „Deutschland war vom Gesichtspunkt der beiden<br />

imperialen Figuren aus ein Stein im Wege; sie wollten ihn zertrümmern.“ Dabei bringt Niekisch die<br />

Strategie imperialer Figuren, unter denen wir heute Demokratismus, Globalisierung,<br />

Menschenrechtsideologie und Kapitalismus verstehen können, trefflich zum Ausdruck. Die imperiale<br />

Figur: „Sie packt die Völker von innen her: sie senkt in diese die Keime von Gesichtspunkten,<br />

Gesinnungen und Werthaltungen, die insgesamt, sobald sie erst zu breiter Entfaltung gelangt sind,<br />

die Völker gewissermaßen aus eigenem freiem Antrieb in die Bahnen steuern, die in das Reich der<br />

imperialen Figur münden.“ Wer sich dagegen wehrt, wehrt sich immer auch gegen die Entwertung<br />

der außerökonomischen Qualitäten und gegen die Ausmerzung geistiger Qualitäten, für die gerade<br />

die traditionell philosophiefreudigen Deutschen bekannt sind, mögen sie infolge ihres Widerstandes<br />

seitens der „Regierenden“ auch als „Extremisten“, „Verfassungsfeinde“ oder dergleichen<br />

gebranntmarkt werden.<br />

Ein neues Verhältnis von Regierenden und Regierten<br />

In seiner 1935 indizierten aber seit 2005 im Uwe-Berg-Verlag wieder publizierten Schrift „Die dritte<br />

imperiale Figur“ macht Niekisch anhand eines dualistischen Verhältnisses sogar auf neue Weise<br />

deutlich, wie Regierende und Regierte eines Staates in Relation zueinander stehen: „Die Tat des<br />

Untertanen ist immer so groß oder so klein, so folgenschwer oder so unerheblich, so weitreichend<br />

oder so kurzsichtig, wie es die Anordnung der Obrigkeit ist, durch die sie ausgelöst wurde. Die<br />

232


Obrigkeit hat jeweils die Untertanen, die sie verdient; für alle Sünden und Unzulänglichkeiten der<br />

Untertanen trägt die Obrigkeit die ausschließliche Verantwortung.“ Jegliches Mißverhalten, jegliches<br />

Vergehen und jegliche Straftat innerhalb eines Volkes und seinen Regierten ist stets nur ein Modus<br />

der Politik der Regierenden und eine analoge Spielart ihrer eigenen Vergehen an den Schaltstellen<br />

der Macht. Kurz: Ohne einen „Extremismus“ oder ohne Verbrechen und Korruption im Staate selber,<br />

der „Extremisten“ oder Verbrecher zu definieren sich anmaßt, wäre die Existenz von politischen<br />

„Extremisten“ und Übeltätern im Volke undenkbar. Man nimmt nur solche politischen Phänomene<br />

oder Unbehaglichkeiten wahr, deren negatives Potential man selbst besitzt und damit durch die<br />

Verortung dieser Phänomene außerhalb des Parlaments – außerhalb von sich selber – diese<br />

Eigenschaften bei sich feige abstreitet. Dieses enttäuschende Bild liefern die repräsentativen<br />

„Demokratien“ der Gegenwart.<br />

Es handelt sich bei Niekisch um eine wesentliche Neudefinition des Verhältnisses von Regierenden<br />

und Regierten, von etablierter Politik und neuen politischen Befindlichkeiten im Volke, die eine<br />

notwendige Neureflexion über das Selbstverständnis von repräsentativer Demokratie überhaupt mit<br />

sich führt. Nur die repräsentative Demokratie definiert sich über ein spezifisches Verhältnis von<br />

Regierenden und Regierten, von Volk und Staat. Sie zeichnet sich aber gegenwärtig durch eine<br />

selbstimmunisierende Tendenz aus: Vieles darf kritisiert werden – außer die „Demokratie“ oder<br />

zumindest das, was sich hegemonial und „herrschaftsfrei“ als solches ausgibt. Die Menschen werden<br />

damit zu Sandkörnern geistig entleerter Individuen. Dieser monologe Begriff von „Demokratie“<br />

knechtet alle, die noch Ethos haben und sich nicht auf diesen Status herunterdrücken lassen. So wird<br />

der „Demokrat“ zur Karikatur der Freiheit.<br />

Blind in die DDR<br />

In der DDR bekleidete Ernst Niekisch noch zahlreiche Funktionen. Dennoch entzog die deutsche<br />

Teilung ihm den Boden: „Zuletzt erkannte ich, daß man in Deutschland nur noch die Wahl habe,<br />

Amerikaner oder Russe zu sein.“ 1945 befreit die Rote Armee den langsam erblindenden Niekisch aus<br />

dem Zuchthaus Brandenburg. Er übersiedelt nach Berlin und tritt in die Kommunistische Partei<br />

Deutschlands (KPD) ein, später wird er Mitglied der SED. 1948 wird er Professor der Soziologie an der<br />

Humboldt-Universität zu Berlin/Ost, wo Werner Maser sein Assistent ist. Sein Schüler war der<br />

Publizist Wolfgang Venohr. Nach der Niederschlagung des Aufstandes vom 17. Juni 1953 legt er alle<br />

politischen Ämter nieder. Im Februar 1955 tritt er aus der SED aus. Er verstärkt seine Kritik am<br />

Regierungssystem der DDR und siedelt 1963 nach West-Berlin über, wo er in seiner Wohnung in<br />

Berlin-Wilmersdorf am 23. Mai 1967 stirbt. Seine Schriften bergen nach wie vor ein großes geistiges<br />

Potential.<br />

233


Die Tragik des deutschen Denkens – Friedrich Hölderlin<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Sonntag, den 15. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die traditionelle deutsche Philosophie versucht zu erahnen, „was die Welt im Innersten<br />

zusammenhält“, indem sie weniger den materiellen Charakter der Dinge betrachtet, sondern sich<br />

tiefgründig mit dem ideellen Gehalt der Dinge beschäftigt. Der Philosoph und Dichter Friedrich<br />

Hölderlin (1770-1843) als Vertreter dieser Denkart ist in Deutschland und der Welt mehr durch<br />

seinen „Wahnsinn“ als durch sein Werk berühmt. Nur so konnte der Erstherausgeber des<br />

hölderlinschen Gesamtwerkes, der noch 1916 während seiner Herausgebertätigkeit vor Verdun<br />

gefallene Norbert von Hellingrath, schreiben, daß es das „Fremdartige“ an der sich in der kurzen<br />

Epoche des deutschen Geistes hervorwagenden Dichtersprache und ihres lebensnahen<br />

Themenkreises war, das für „Spuren des Wahnsinns“ gehalten wurde. Wie nah Genie und Wahnsinn<br />

beieinander liegen, bündelt sich in diesem Friedrich Hölderlin.<br />

Hellingrath war es leid, daß die Deutschen sich am vermeintlichen „Irrsinn“ erregten und sich nicht<br />

an der politischen und geistigen Tiefendimension des eigentlichen Werkes und seinem<br />

außerordentlichen Standpunkt praktisch orientierten. Sein Zorn darüber gipfelt im ausdrücklichen<br />

Eintreten für den besonderen Weg Hölderlins als Dichter der Deutschen. Und so ist es heute an der<br />

Zeit, diesen Groll und vor allem Hölderlin ernst zu nehmen. Sein Roman „Hyperion“ bietet dafür<br />

zahlreiche Anknüpfungspunkte und eröffnet die Dimension deutschen Denkens neu: „Eines zu sein<br />

mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.“ Und so ist der „Hyperion“<br />

Träger einer aktuellen Botschaft: Die heutige politische und geistige Erneuerung muß basieren auf<br />

einer „Revolution der Gesinnungen und Vorstellungsarten“ (Hölderlin). Kurz: Nicht das Geld, sondern<br />

der Geist regiert die Welt.<br />

„Eines zu sein mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.“<br />

Hölderlin: „Gesang des Deutschen“<br />

O heilig Herz der Völker, o Vaterland!<br />

Allduldend, gleich der schweigenden Mutter Erd',<br />

Und allverkannt, wenn schon aus deiner<br />

Tiefe die Fremden ihr Bestes haben!<br />

Sie ernten den Gedanken, den Geist von dir,<br />

Sie pflücken gern die Traube, doch höhnen sie,<br />

Dich, ungestalte Rebe! daß du<br />

Schwankend den Boden und wild umirrest.<br />

Du Land des hohen ernsteren Genius!<br />

234


Du Land der Liebe! bin ich der deine schon,<br />

Oft zürnt' ich weinend, daß du immer<br />

Blöde die eigene Seele leugnest.<br />

Handeln und Erleben mit der Natur und gegenüber dem Menschen, Handeln als Liebe und<br />

Freundschaft sowie als politisches Handeln, als Sprache und Kunst einer Nation gehören zu den<br />

Mächten, welche diesen Roman Hölderlins prägen. Ihn neu zu lesen, kann heute wieder die wahre<br />

Bedeutung Hölderlins erschließbar machen. Hölderlin als zentrale Gestalt des 19. Jahrhunderts kann<br />

den realistischen Idealen eines eigentlichen Deutschland mit geistiger Substanz, Wahrheitssinn,<br />

Kreativität und Gerechtigkeitssinn eine nachhaltige Wirkung verleihen, war er doch selbst dem<br />

konservativen politischen Widerstand bis 1945 Leitfigur. Selbst Martin Heidegger griff angesichts der<br />

deutschen Erniedrigung, Schmach und Niederlage 1945 ausdrücklich zu Hölderlins Schriften, um den<br />

Weg zur Heilung der „Zerrissenheit Deutschlands“ neu zu beschreiten, sich des Eigentlichen an der<br />

deutschen Denkart neu gewahr zu werden und mit Blick auf das Ganze den 1945 am Boden<br />

liegenden Deutschen zuzureden, dennoch nicht ihr Wesen, ihre Herkunft zu verleugnen, der<br />

Übermacht des Fremden zu trotzen.<br />

Das Scheitern des Dichters der Deutschen in einer Welt der<br />

Mittelmäßigkeit<br />

Wer Hölderlin heute neu verstehen möchte, sollte dies deshalb tun, weil dieser Dichter eine<br />

Aktualität in sich birgt, die sich auf das diesjährige 200-Jahr-„Jubiläum“ seiner Einlieferung in den<br />

Tübinger Turm am 3. Mai 18<strong>07</strong>, worin er ganze 36 Jahre zugebracht hat, zurückführen läßt. Es ist<br />

mehr denn je geboten, Verständnis dafür aufzubringen, worum es ihm eigentlich ging und wieso ein<br />

tiefgründigeres Nachsinnen über Leben und Politik, über die je geistige Determiniertheit der<br />

Wirklichkeit in den verschiedenen Nationen von den Eiferern profaner Tagespolitik schon immer<br />

leichtfertig als „Verwirrtheit“ oder „Konstruktivismus“ abgetan wurde.<br />

Unverstanden, verstoßen und als „verwirrt“ etikettiert befand sich Hölderlin in seinem Refugium bis<br />

zu seinem Tode 1843. Er schrieb weiterhin Gedichte, empfing Gäste und nur wenige derselben<br />

erkannten den Genius der Deutschen, der ihnen dort gegenübersaß. „O, ein Gott ist der Mensch,<br />

wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt.“ Hölderlins eigenes Leben war ihm Programm.<br />

Deshalb auch zerbrach er an den staatlichen, restriktiven und kirchlich-dogmatischen Verhältnissen<br />

seiner Zeit, weigerte sich zeitlebens, den für ihn vorgesehenen Pfarrersberuf anzunehmen, um geistig<br />

unabhängig zu sein und viel größeres Schaffen zu können. Er ist ein tragisches Sinnbild der freien<br />

deutschen Denkart und ihres oft nicht nur mit der „Verwirrung“ Nietzsches wiederkehrenden<br />

Schicksals: Das Scheitern in einer Welt der Mittelmäßigkeit, des Profits und sekundärer,<br />

heraufbeschworener „Bedürfnisse“, die von der „Wiederkehr der Götter“ in Gestalt erleuchteter<br />

Denker, Politiker und Märtyrer nichts wissen möchte.<br />

Und zürnte der Hölderlin-Verteidiger Hellingrath hauptsächlich deshalb, weil dem Werk Hölderlins<br />

niemand gerecht werden konnte, so ist es an uns, diesen Zorn zu entkräften und Hölderlin auf<br />

gleicher Augenhöhe zu begegnen. Das bedeutet unverändert nichts weiter, als jenseits zeitlicher<br />

Vorteile und Vorurteile, jenseits allzu primitiver Etikettierungen und ausgrenzendem Vokabular der<br />

Gegenwart nach jenen ewigen Ordnungen zu streben, die zu allen Zeiten und bei allen Nationen in<br />

der Sehnsucht der Erlesenen lebte.<br />

235


Dekadenz und omnipräsente Gedankenlosigkeit<br />

Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />

Montag, den 16. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Kinder und Jugendliche sind der natürliche Spiegel jedweder Gesellschaft. Trends, Zeitgeiste und<br />

wechselnde, zuweilen unumstößliche, Erziehungsmaximen werden von ihnen am tiefsten<br />

verinnerlicht, da sie diese im frühen und damit lernfähigsten Alter „injiziert“ bekommen. Kinder und<br />

Jugendliche gelten als Erfolgsindikatoren für sozial-politische Experimente.Bei dieser Zielgruppe ist<br />

(Miss)Erfolg einer spezifischen, auf die Modifikation einer Gesellschaft ausgerichteten, Maßnahme<br />

nur schwerlich vorher abschätzbar, was das Vorhaben per se zu einem Glücksspiel mit eminent<br />

hohem Einsatz macht, da bei Misslingen fast irreversible Schäden bei den Kindern und Jugendlichen<br />

entstünden. Überzeugungen, die einen 100prozentigen Erfolg und Nutzen voraussagen, sind<br />

letztendlich nur ideologische Borniertheiten, die keinen Raum für Meinungspluralismus lassen.<br />

Der Diskurs um die „multikulturelle Gesellschaft“, der Utopie linker Soziologen und grüner<br />

Gutmenschen, ist ein Beispiel für ein solches Experiment mit irreversiblen Schäden. Symptome eines<br />

Scheiterns dieses Konzepts beginnen sich evidenter und evidenter zu manifestieren. Ein Blick in ein xbeliebiges<br />

Medium genügt vollkommen, um zu erkennen, dass Parallelgesellschaften sehr wohl<br />

existieren, die Jugendkriminalität von Migranten explodiert und die Stadtbilder einiger Orte wie z.B.<br />

Berlin-Kreuzberg, Hamburg-Wilhelmsburg oder Köln-Ehrenfeld, mehr als nur unangenehm sind. Hier<br />

ein türkischer Frisör, dort ein türkischer Schlachter und um die Ecke die türkische Metzgerei mit<br />

Halal-Produkten. Hier wurde wohl eindeutig das falsche integriert.<br />

Trotz alledem, eine offene und profunde Kritik der multikulturellen Gesellschaft wird zumeist mit der<br />

„Faschismuskeule“ im Keime erstickt. Zur Entkräftung dieser geistigen Verirrung ist ein Blick auf die<br />

Jugend im Hinblick auf den gesellschaftlichen Status Quo der Nation aufschlussreich und informativ.<br />

Quantität spielt hierbei eine ebenso wichtige Rolle wie die „Qualität“, zeigt erstere doch letztlich die<br />

Überlebensstärke der jeweiligen Gesellschaft. Der Überlebenswille eines Volkes manifestiert sich im<br />

„Reproduktionspotential“.<br />

Gebärfreudige Muslime<br />

Im Koran ist es vorgeschrieben, dass Frauen ihren Ehemännern möglichst viele Kinder gebären sollen.<br />

Ein Bummel durch eine jede Stadt bestätigt rein gefühlsmäßig diese Annahme, nämlich dass<br />

muslimische Frauen eine höhere Geburtenrate als ihre deutschen Pendants besitzen. Unter letzteren<br />

bleiben 30 Prozent ihr Leben lang kinderlos, vielen reicht bereits ein Kind, so dass das<br />

bestanderhaltende Niveau von 2,1 Kinder pro Frau nicht erreicht wird, sondern dieser Wert sich<br />

heute bei ca. 1,4 eingependelt hat. Quantitativ und damit überlebenstechnisch ist das islamische<br />

Milieu dem unseren deutlich überlegen. Die noch deutsche Mehrheitsgesellschaft droht graduell,<br />

jedoch unaufhaltsam, zu kippen. Anno 2050, um präzise zu sein, wie der renommierte Historiker und<br />

Volkswirt Prof. Dr. Manfred Pohl in seinem Werk „Das Ende des Weißen Mannes“ düster prophezeit,<br />

könnte es zum Kippen der Mehrheitsverhältnisse kommen.<br />

Um die „qualitative“ Komponente steht es wenig besser. Drogen- und Alkoholmissbrauch, Nihilismus,<br />

früh-kindliche Sexualisierung durch die Medien sowie ein Identitätsverlust durch fehlende Bezüge zu<br />

den positiven Errungenschaften des eigenen Landes bestimmen das Bild. Ferner imponiert die<br />

Leichtigkeit, mit welcher ein sozialer Aufstieg mittels krimineller Kariere zu bewerkstelligen ist, was<br />

ein Nachahmen mehr als stimuliert. Bildung und probate Tugenden wie Fleiß, Ordnung oder<br />

Aufrichtigkeit gleichermaßen sind nicht mehr angesagt. Ein leuchtendes Exempel dieser<br />

236


omnipräsenten Gedankenlosigkeit ist die Pisa-Studie, welche das geringe Maß an<br />

bildungsbürgerlichen Maximen und Normen in seiner Folge zeigt.<br />

Eklatantes Scheitern in der Bildungs- und Integrationspolitik<br />

Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund verhält es sich noch extremer. Teile dieser<br />

Bevölkerungsschicht sind im Sekundarbereich II eminent rar gesät, meist wird nur mit Ach und Krach<br />

ein Abschluss erreicht, so dass anschließende Arbeitslosigkeit quasi vorprogrammiert ist. Soziale<br />

Verrohung, kriminelle statt beruflicher Karriere, Abgrenzung von der Kultur des Gastlandes aufgrund<br />

völliger Unfähigkeit zur kritischen Selbstreflexion sind die Stürme, die durch den Wind antiautoritärer,<br />

„fakultativer“ Integrationspolitik à la „Laissez-Faire-Liberalismus“ geerntet werden.<br />

Um das eigene beschmutzte Gesicht zu erkennen, sollte unsere Gesellschaft vielleicht an einen<br />

Ausspruch von Friedrich Hebbel denken: „Es gibt auch Spiegel, in denen man erkennen kann, was<br />

einem fehlt.“<br />

237


Armin Mohler und sein Credo<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Montag, den 16. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Grundantrieb der politischen Rechten ist seit jeher das Aufbäumen gegen ein sich global<br />

ausweitendes Netz von Abstraktionen, Begriffen und Allgemeinheiten, welche die Welt und die<br />

Befindlichkeiten des Menschen grau zu machen drohen, fesseln, binden und zugleich eigentliche<br />

menschliche Schöpferkraft lähmen oder schubladisieren. Wohl kaum ein anderer betonte diese<br />

negative Tendenz in der Nachkriegszeit so sehr, wie Armin Mohler (1920-2003). Der schweizerische<br />

und recht früh in Deutschland wirkende Publizist, Schriftsteller und Journalist wurde bekannt durch<br />

seine Arbeit über die „Konservative Revolution“ (1950), die heute den Rang eines Standardwerkes<br />

innehat.<br />

Mohler ging in seinem Kampf gegen die Abstraktionen noch weiter. Er unterschied zwischen<br />

Naturalismus und Artificialismus, zwischen dem Wirklichen und seinem Doppel. Der Drang des<br />

Menschen nach der Bejahung des Wirklichen sei unausrottbar, während die vom globalen Geldstrom<br />

gelenkte und hysterische Masse nach allerlei Sekundärem und nach Ersatzbefriedigung im Käfig des<br />

Konsumismus strebt. Die Konservativen hingegen sind für Mohler stets auf die ausdrückliche und<br />

gelebte Bejahung des Wirklichen und Eigentlichen aus.<br />

Wirklichkeitskraft und Abstraktion<br />

Viele Politologen und selbsternannte Wissenschaftler, die niemals über den Tellerrand<br />

nutzbringenden Denkens im heutigen Staate hinauszuschauen sich wagten, halten die „Konservative<br />

Revolution“ trotzdem für einen abgeschlossenen Vorgang, der lediglich Unheil gebracht habe. Ihnen<br />

die Wirklichkeitskraft des konservativen Elements aufgewiesen zu haben, ist die bleibende Leistung<br />

Mohlers. Für ihn ist diese geistige Bewegung des deutschen Konservatismus ein Vorgang, in dessen<br />

Mitte wir uns immer noch befinden, der seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Darum war es für<br />

ihn wichtig zu sehen, welche Hände diesen Vorgang weiter lenken, damit er nicht esoterischen<br />

Zirkeln oder niederen Sekten anheim falle. Junge, im Leben stehende und selbst denkende Deutsche<br />

macht Mohler als moderne Träger des Erbes der „Konservativen Revolutionäre“ aus. Sie sind<br />

Vorreiter dabei, die Dekadenz des heutigen hedonistischen und unverbindlichen Menschen zu<br />

überwinden, die gleichschaltende demokratistische und in diesem Sinne totalitäre Gesellschaft mit<br />

ihrem vorsorglich auf Hitler + Auschwitz = Deutsch fixierten Irrsinn durch einen Menschen abzulösen,<br />

der Träger der klassischen antibürgerlichen Tugenden des Heroismus, der stets wachen Energie, des<br />

Sinnes für Pflicht und Opfer ist.<br />

Mohler stellte sich vor diesem Hintergrund oft selbst die Frage, ob wir noch in einer Demokratie<br />

leben oder schon in einem solchen Demokratismus, der sich an tausenderlei Sekundärem verliert<br />

und eine im Ernstfall kaum lebensfähige, auf indoktrinierte Allgemeinheiten fixierte,<br />

Durchschnittsfigur heranzieht, welche die liberale Vernünftigkeit als Alibi für das Ausweichen vor der<br />

Wirklichkeit und der Konkretion nimmt.<br />

Mohler und seine „Konservative Revolution“<br />

Bei Karl Jaspers promovierte Mohler 1949 mit der Dissertation: „Die konservative Revolution in<br />

Deutschland.“ Ernst Jünger wurde auf ihn aufmerksam, da er einen positiven Artikel über Jünger<br />

1946 in der „Weltwoche“ schrieb. Von 1949 bis 1953 war Mohler infolge dessen Privatsekretär von<br />

Jünger. Durch das Erschließen der fast in Vergessenheit geratenen „Konservativen Revolution“<br />

öffnete er den Deutschen die Tür zu einer neu zu durchdenkenden Ideenschmiede. Sein Begriff der<br />

238


„Konservativen Revolution“ meint dabei einen ganz Europa umfassenden politischen Vorgang,<br />

dessen Beginn er mit der Französischen Revolution setzt. Mit ihr komme die Welt zum Siege, die der<br />

„Konservativen Revolution“ als Gegner gilt. Es ist die Welt, die das Unveränderliche am Menschen<br />

nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern glaubt, das Wesen des Menschen zu ändern. Diese<br />

Gegenbewegung stellt sich als Versuch dar, eine neue Einheit zu stiften.<br />

Steht jemand zu dieser nationalen Einheit, macht es ihn viel unbefangener anderen gegenüber, weil<br />

das Eigene in Sicherheit ist und freies kooperatives Handeln darüber hinaus gegenüber dem Anderen<br />

gewährleistet wird. Und so war es für Mohler durchaus wichtig, als Schriftsteller zwar keine<br />

Kompromisse machen zu müssen, wie es in der praktischen Politik nötig ist, aber dennoch den<br />

anderen anzuerkennen. Diese Anerkennung forderte Mohler, für dessen perspektivistische Haltung<br />

die Welt eben nie vollends aufging, von seinen Mitmenschen ein – oft erfolglos.<br />

Seine gegen jeden Universalismus ausgerichteten politischen Überlegungen, amalgamiert mit einem<br />

offenen Bekenntnis zu den geistigen Grundlagen der „Konservativen Revolution“, ließen ihn in der<br />

Bundesrepublik, dem Lande des nahezu „geheiligten“ Grundgesetzes, anecken. Er selbst bezeichnete<br />

die Anfeindungen seiner Person als „Hexenjagden“. Dennoch: Für ihn war es nur relevant, was ein<br />

Mann macht und daß er damit unverwechselbares profiliertes Unikat bleibt, um nicht im Sumpf des<br />

allgemein Gemochten zu versinken. In dandyistischer Diktion ausgedrückt: Was die Allgemeinheit<br />

mag, ist damit schon wieder entehrt. „Das abenteuerliche Herz“ von Ernst Jünger mag dabei für<br />

Mohler die treibende Lektüre gewesen sein.<br />

Die nominalistische Wende<br />

Insgesamt faßte Mohler sein politisches Credo in den Begriff der „nominalistischen Wende“. Er<br />

unterschied zwischen Universalisten und Nominalisten. Während der Universalist glaubt, daß der<br />

Wirklichkeit eine geistige Ordnung zu Grunde liegt, in der ein Allgemeines dem Einzelnen vorausgeht,<br />

gibt es für den Nominalisten hingegen nur Einzelnes und Besonderes. Allgemeinbegriffe sind für ihn<br />

nur Namen, die der Universalist dem Einzelnen nachträglich verlieh.<br />

Der Universalist glaubt deshalb an eine Ordnung der Wirklichkeit, was der Nominalist als Möglichkeit<br />

akzeptiert, nicht aber voraussetzt. Für ihn, den Nominalismus, läßt sich menschlicher Geist mit der<br />

Wirklichkeit nicht kompatibilisieren, was ja Ziel des Universalisten ist. Er agiere im Auftrag der<br />

Bekehrung derer, die das „Falsche“ tun. In Wirklichkeit aber, so Mohler, hat es den Universalismus<br />

nie gegeben. Sein komplettes System sei gutmenschliche Schaufassade abstrakter Kategorien, die es<br />

sich anmaßen, Listen der zu Vernichtenden aufzustellen. Alles fruchtbare Denken hingegen ist der<br />

Versuch, den Engpass des Universalismus zu passieren, der aus dem Toten Meer der Abstraktion in<br />

das fruchtbare Land des Wirklichen, der primären Realitätswahrnehmung mit ihren Unebenheiten<br />

führt. Dieser Schritt macht die nominalistische Wende aus, die nur ein „anders“ und kein „besser<br />

oder schlechter“ – aktuell gesprochen beispielsweise „Demokraten“ und „Menschenrechtler“ vs.<br />

„Schurkenstaaten“ oder „Extremisten“ – kennt.<br />

Der mohlersche Faschismus-Begriff<br />

Die nominalistische Wende gibt der Welt ihre Gestaltungskraft zurück. Der Mensch ist sich seiner<br />

Endlichkeit und der temporären Erbärmlichkeit menschlichen Seins bewußt, spielt aber verwegen<br />

trotzdem seine Rolle. Es ist sein amor fati, das Gegenteil von Frustration, die tragische Haltung, die<br />

ihn treibt. Der nominalistische Mensch weiß, daß dem Kampf nicht immer ausgewichen werden<br />

kann. Er scheut ihn für Mohler auch nicht, denn er ist gewillt, seinen Gegenspieler zu vernichten,<br />

wenn sich die Frage des „Du oder Ich“ auftut. Er werde nie vernichten, weil der Gegner der falschen<br />

Religion anhängt. Mohler befürwortet bewußt die Besonderheit eines jeden Einzelnen, der so, wie er<br />

239


ist, anzunehmen ist, ohne sich einem hegemonialen Maßstab konformisieren zu müssen. Hier<br />

könnten sich in aller Welt agierende „Demokraten“ eine Scheibe gesunden Menschenverstandes bei<br />

denen abschneiden, die sie abstrakt als „Faschisten“ zu kategorisieren suchen. Doch was ist<br />

Faschismus schon?<br />

Das vollends mißbrauchte und seines motivationalen als auch historisch bedingten Kerns beraubte<br />

Wort „Faschismus“ bedeutet für Mohler in Kombination mit seinem Konservatismus-Begriff: "Wenn<br />

enttäuschte Liberale und enttäuschte Sozialisten sich zu etwas Neuem zusammenfinden – daraus<br />

entsteht, was man konservative Revolution nennt."<br />

„Der faschistische Stil“<br />

Mohlers Faschismus-Bild muß im Kontext seines Essays "Der faschistische Stil" gesehen werden. Hier<br />

lieferte er eine Definition des „Kautschukbegriffs" (Mohler) „Faschismus" aus ästhetischen Aspekten.<br />

Auch diese Definition steht auf dem Fundament des mohlerschen Nominalismus. Faschisten nämlich<br />

finden sich ausdrücklich mit Unstimmigkeiten, mit einer nicht aufgehenden Welt, ab. Ihre<br />

Verständigung erfolgt direkt – über den Stil, nicht abstrakt über begriffliche Anfeindungen. Der<br />

Faschismus hat deshalb nichts mit dem zu tun, was er als Propagandawort ab 1945 bedeutete.<br />

Vielmehr ist er das Grundgesetz der Kunst, der Schöpfung und des Stils, der Liebe zur Gefahr, zur<br />

Rebellion – nichts weiter.<br />

Gemeint ist bei Mohler dabei die Bereitschaft zum Kampf an sich, zur bereits betonten Fähigkeit, der<br />

Frage nach dem „Du oder Ich“ eine eigene Antwort entgegenzustellen. Gemeint ist nicht die<br />

nationalsozialistische Verherrlichung des Krieges als Selbstzweck zur Machtakkumulation, wie es auf<br />

den global sich universalisierende Demokratismus der USA vielmehr zutreffen würde. Faschismus<br />

versteht sich also als Aufstand gegen diese universalistischen Heilslehren, gegen ihre sich nicht<br />

bewährenden Märchen. Er ist für Mohler Ausdruck der nominalistischen Wende der Neuzeit in reiner<br />

und ästhetischer Form.<br />

Aufrecht leben und wirken<br />

Mohlers Definition des Faschismus sollten sich viele Wissenschaftler erneut zu Herzen nehmen. An<br />

Sachlichkeit, gesetzt in Korrelation zu vitalem Heroismus, ist sie wohl kaum zu überbieten. Sie ist<br />

Ausdruck einer Lebenshaltung, die ein geschmeidiges Verhältnis zur Wirklichkeit hat, mit dem<br />

heutige Entwicklungen der Weltpolitik unvoreingenommen analysierbar werden. Politische, sich als<br />

unhinterfragbar immunisierende Tendenzen werden durchschaubar. Es zählt zudem während dieses<br />

Erkenntnisprozesses immer der eine Mann, der sein eigenes Gesetz dagegenstellt und frei lebt.<br />

Dieser Eine schwitzt vermittelst seines autonomen und unabhängigen Reflexionsvermögens all jenes<br />

aus, was man den Deutschen heute aus strategischem Machtkalkül einimpft. Er gehört zu jenen im<br />

Leben stehenden Lenkern des auf den Höhepunkt zulaufenden konservativen Vorganges, die Mohler<br />

sich wünschte. Sie haben den Engpass des Toten Meeres begrifflicher Abstraktion aus eigener<br />

Erkenntnis heraus überwunden und streben ins Land des Wirklichen mit seinen Unebenheiten,<br />

denen es sich zu stellen gilt, durch die der Mensch erst zur wahren Reife gelangt.<br />

240


Die Lindenstraße<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Montag, den 16. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Sie hat die alte Bundesrepublik begleitet – die TV-Serie „Lindenstraße“. Jeden Sonntagabend<br />

versammelte sich die Bundesrepublik vor dem Fernseher und sah sich das neueste Drama der<br />

Hausgemeinschaft an. Die „Lindenstraße“ war über Jahrzehnte die Serie mit den höchsten<br />

Einschaltquoten. Sie symbolisierte die alte Bundesrepublik.<br />

So zumindest wollte es der Fernsehsender, die linkslastige ARD. Und tatsächlich, auf gewisse Weise<br />

tat das die Serie auch. In den 70er Jahren dominierten noch Familien die Serie, die im gemeinsamen<br />

Mietshaus auf der „Lindenstraße“ wohnten. Doch mit dem Triumphzug der Frauenbewegung auf den<br />

Straßen zog die erste, unverheiratete Frau in die virtuelle „Lindenstraße“ ein. Und in den frühen<br />

80ern, als die Punkwelle über Deutschland schwappte, hatte die „Lindenstraße“ ihren ersten Punk.<br />

Und Mitte der achtziger Jahre zog der erste Ali in die „Lindenstraße“, und noch ein wenig später ein<br />

Schwuler. Jede Figur der Serie sollte eine gesellschaftliche Gruppe repräsentieren, die miteinander<br />

Kompromisse im Zusammenleben aushandelten.<br />

Nichts blieb gleich in der „Lindenstraße“. Bis auf eines: die Konservativen, die es auch in der Serie<br />

gab, waren immer alt, hässlich und eh bald tot. Bloss gut, dachte sich der Zuschauer. Konservativ war<br />

Mutter Beimer, die alte Klatschbase aus dem Erdgeschoss, die jedem hinterherschnüffelte und<br />

immer das Haus kehrte, weil sie sonst nichts anzufangen wusste mit ihrem Leben.<br />

Emanzen, Muslime, Schwule und Punks<br />

Der Hausflur der „Lindenstraße“ war die Agora oder der Thingplatz der Bundesrepublik. Wie auf der<br />

Agora der griechischen Polis oder dem germanischen Thing wurde jeden Sonntagabend in der Glotze<br />

virtuell verhandelt, was richtig und gut, und was böse und falsch war, wer dazu gehörte und wer<br />

nicht, wer erfolgreich und wer nicht, und was in der Bundesrepublik politisch und kulturell erwünscht<br />

war.<br />

Jede Kultur verfügt über eine Agora oder einen Thing, sogar Diktaturen. Und in jeder Kultur gibt es<br />

Menschen, die bestimmen, wer wie lange auf der Agora sprechen darf und wer nicht. In der<br />

„Lindenstraße“ waren das die SPD-dominierten ARD-Intendanten, die der Idee der Volkspädagogik<br />

anhingen: Wenn man den Spiessern in Unterschleissheim und Siegburg zeige, wie harmonisch, lieb<br />

und nett die Welt doch mit Türken und Punks sei und wie hässlich und alt die Konservativen, so<br />

glaubten die Macher der Serie, lasse sich das deutsche Volk erziehen.<br />

Die „Lindenstraße“ als Agora der Bundesrepublik<br />

Das Haus der „Lindenstraße“ spiegelte diese Ideologie. Das Haus bestand aus den Polen „oben“ und<br />

„unten“. „Unten“ – das war das Kellergeschoss und das Parterre, wo die dunklen, alten, gestrigen<br />

Konservativen und Spiesser wohnten. „Unten“ war fast schon unter der Erde, fast schon tot. „Oben“<br />

dagegen war es hell, freundlich, jung, aufstrebend, sportlich. „Oben“ war die Zukunft, und wer jung<br />

und links und tolerant war, der strebte nach der „lichten Zukunft“ und gehörte zum<br />

gesellschaftlichen „Oben“, zur „Oberschicht“ der alten Bundesrepublik.<br />

Die „Lindenstraße“ sollte der Bundesrepublik die Zukunft zeigen: eine glückliche, tolerante<br />

Gemeinschaft von Emanzen, Türken, Schwulen und Punks. Eine schöne neue Welt. Nur hatte die<br />

neue Welt eine klitzekleinen Haken: es gab sie nicht. Zumindest nicht jenseits der Glotze.<br />

241


Wenn die „Lindenstraße“ das linke Synonym für die Utopie der alten Bundesrepublik war, was wäre<br />

dann das moderne Gegenstück dazu? Welche Straße könnte das neue Deutschland symbolisieren?<br />

Wo spielen sich die Konflikte heute ab, wo werden heute Identität, Inklusion, Exklusion und Teilhabe<br />

verhandelt? Wenn die Traumwelt der „Lindenstraße“ geplatzt ist, was ist dann die reale<br />

„Lindenstraße“?<br />

Eine Straße - eine durch und durch deutsche Straße - drängt sich auf: die Bornholmer Straße in<br />

Berlin/Prenzlauer Berg. Hier, auf der Bornholmer Straße, starb die alte Bundesrepublik. Hier starb die<br />

DDR. Hier starb der DDR-Traum vom Sozialismus, der BRD-Traum von der „postnationalen Identität“<br />

und der von Multi-Kulti. Keine Straße in Deutschland wäre besser geeignet, die Lindenstraße zu<br />

ersetzen als die „Bornholmer Straße“.<br />

242


„Bornholmer Straße“ statt „Lindenstraße“<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Montag, den 16. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Am 9. November 1989 war die Bornholmer Straße die erste, auf die Tausende Berliner drängten, um<br />

nach Westberlin zu gelangen. Hier brachen die Dämme, hier brach die Mauer, hier lagen sich<br />

Deutsche und Deutsche zuerst in den Armen. Alle Fernsehbilder von der Maueröffnung in Berlin<br />

zeigen die Bornholmer Straße. Vor 18 Jahren starb hier die DDR, „der erste sozialistische Staat auf<br />

deutschem Boden.“ Und hier starb auch die alte Bundesrepublik, „der erste postnationale Staat in<br />

Europa“ [Habermas]. Wie der Schriftsteller Heiner Müller sagte, „wenn der Osten stirbt, gibt es auch<br />

den Westen nicht mehr.“ Deshalb starb mit der DDR die Bonner Republik, hier auf der Bornholmer<br />

Straße.<br />

Im Gegensatz zu dem ‚Unten’ der Lindenstraße, den Konservativen, und dem ‚Oben’, den trendigen<br />

Linken, bewegt sich die Bornholmer Straße zwischen den Polen Ost und West. Westen, das ist hier<br />

Wedding, ein junges Viertel, fast mehrheitlich muslimisch, multikulturell und multikriminell,<br />

zerbombt im Krieg und aufgebaut in den Waschbeton-Utopien der 70er Jahre. Osten, das ist hier<br />

Pankow, eine Hochburg alter SED-Bonzen, fast schon tot und kinderlos. Zwischen Ost und West liegt<br />

Prenzlauer Berg, und dieser kleine Abschnitt der Bornholmer Straße zwischen Pankow-Ost und<br />

Wedding-West ist die Agora der Bundesrepublik. Zumindest könnte sie es sein. Warum?<br />

Der Westen: muslimisch, multikulturell und multikriminell<br />

Hier treffen Muslime auf Deutsche, Linke auf Rechte, Schwarzafrikaner auf Hippies, Yuppies auf Hartz<br />

IV-Bezügler, und deutsche DINKs (double income, no kids) auf albanische Grossfamilien. Hier könnte<br />

man miteinander sprechen und die Konflikte der Zukunft verhandeln und so etwas wie<br />

Zivilgesellschaft und Basisdemokratie, die Ideale der `89er Revolution, verwirklichen. Denn Pankow<br />

und Wedding sind Parallelgesellschaften in Reinform. In Wedding spricht kein Muslim mit einem<br />

Deutschen. Nicht, wenn es nicht sein muss. Und nach Pankow trauen sich junge Türken nur in<br />

Gruppen. Deshalb die Bornholmer Straße. Zeit für eine Ortsbegehung, im Jahr 18 nach der deutschen<br />

Revolution, nach `89, nach der Wende. Was ist seitdem aus der Bornholmer Straße geworden, was ist<br />

in den 18 Jahren aus Deutschland geworden?<br />

Der Stadtrundgang beginnt dort, wo die Mauer brach, an der Bornholmer Brücke, der Grenze zu<br />

Wedding. Wedding und Prenzlauer Berg werden hier getrennt durch einen tiefen Graben, durch den<br />

die S-Bahn fährt. Die Stahlbrücke über die S-Bahngleise – sie ist ein Symbol. Symbol der Teilung<br />

Deutschlands zwischen Deutschen und Deutschen. Symbol der Wiedervereinigung. Und ein Symbol<br />

der erneuten Teilung, diesmal zwischen Deutschen und Ausländern. Hier drängt sich ein<br />

schreckliches Bild auf: das von der Brücke von Mostar, die einst den muslimischen vom christlichkroatischen<br />

Teil trennte und zum Symbol für den Bürgerkrieg in Jugoslawien wurde.<br />

Was ist aus Deutschland geworden?<br />

Gleich hinter der Brücke in Prenzlauer Berg, hinter der ehemaligen Mauer wird der Besucher<br />

begrüsst mit einem großen Schriftzug „Nazis raus.“ Die Bornholmer Straße und Deutschland lassen<br />

sich an zwei Extremen ausmachen: den Nazis und den Multi-Kulti-Gutmenschen. Und mit „Nazis“<br />

spricht man nicht, die wirft man „raus“, die vertreibt man von der Agora.<br />

Auf der Bornholmer Straße wird jedoch nicht nur vertrieben, einige gehen auch freiwillig oder hätten<br />

allen Grund zu gehen. Am Ende der Bornholmer Straße wartet ein stolzer Klinkerbau aus besseren<br />

243


Zeiten; einst eine Fabrik, als es in Deutschland noch Industriearbeit gab. Hier teilt der Staat jeden<br />

Monat die Sozialhilfe aus. So werden die Rebellen von `89 – die stolzen Bürger, die mit<br />

Deutschlandfahnen die kommunistischen Schergen überrannten – zu deprimierten Bettlern um<br />

Almosen. Stolz, Lebensfreude, Engagement – davon ist heute nichts mehr zu spüren.<br />

Der Osten: Nazis, deprimierte Bettler und Gutmenschen<br />

Die deutsche Straße im Jahr `18 nach der deutschen Revolution. Eine zerfallene Gesellschaft voller<br />

Misstrauen und unterdrückter Wut. Die Träume von `89 – die einer Gesellschaft, in der die Bürger<br />

wirklich mitsprechen dürfen, in der man füreinander einsteht, weil man etwas gemeinsam hat und<br />

nicht, weil es andere fordern – sie sind zersplittert, in kleine Parallelgesellschaften, die sich mit<br />

Misstrauen schweigsam gegenüberstehen.<br />

Nur eine Vereinigung hat gut funktioniert: die zwischen alten Stalinisten und neuen<br />

Multikulturalisten. Sie bestimmen heute die Agora – auf der Bornholmer Straße und in Deutschland.<br />

Zeit für einen neuen Aufstand! Zeit für eine konservative Revolution!<br />

244


Gutmenschen in der Bornholmer Straße<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Montag, den 16. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Auf der Bornholmer Straße haben die Gutmenschen ein Gesicht: das von Matthias Z. und der Antifa<br />

Pankow. Matti hatte schon zahlreichen Anzeigen wegen Körperverletzungen. Vor vier Monaten<br />

wurde er aus dem Gefängnis entlassen, wo er einsaß wegen versuchtem Totschlag. Die Linkspartei<br />

mobilisierte ihre besten Anwälte und „befreite“ Matti aus der Haft. Einige „Antifaschisten“ wohnen<br />

genau dort, wo die Mauer brach, und kämpfen den alten Kampf, der hier zu Ende ging. „Kein Frieden<br />

mit Deutschland“, so heisst es auf Hunderten Aufklebern, die hier an Laternenpfählen und<br />

Bushaltestellen prangen.<br />

Der Ort, an dem die Mauer brach, hat heute einen Gedenkstein mit einer erklärenden Tafel.<br />

Zumindest den Gedenkstein gibt es noch, den konnten die Antideutschen nicht entfernen. Die<br />

gläserne Gedenktafel wurde immer wieder zerschlagen und wieder erneuert, überlebte meist aber<br />

nur eine Nacht, bevor sie wieder zerschlagen wurde. Jetzt ist sie weg. Die Stadtverwaltung hat<br />

aufgegeben. Punktsieg für die Linken.<br />

Matti und sein Trupp sind aktiv. Man sieht sie fast jeden Tag. Am Jahrestag der Maueröffnung kleben<br />

sie Plakate mit Fotos von jüdischen Ghettobewohnern und der Aufschrift „Es gibt nichts zu feiern.“.<br />

Zu den Kommunalwahlen in Berlin überlebte kein NPD-Plakat auf der Bornholmer Straße länger als<br />

eine Nacht. Auch die CDU-Plakate blieben nicht lange ohne Verzierung oder Aufkleber.<br />

Wird Matti Z. irgendwann einmal ein Intellektueller?<br />

Die gewaltbereite Antifa Pankow ist so aktiv, dass Christina Kaindl, eine linksextreme Journalistin,<br />

den „antifaschistischen Aktivisten“ Matti Steinitz auf eine Podiumsdiskussion der PDS-Stiftung Helle<br />

Panke, die neben der Bornholmer Straße ihr Büro hat, einlud. Dort wollte man seine Meinung hören.<br />

Dort, zwischen Professoren in Zwirn und JournalistInnen in Batik saß der „Antifaschist“ und war sich<br />

des Beifalls der Anwesenden bewusst. Dort applaudierten ihm die PDS-Politrentner und waren<br />

begeistert, dass Matti ihre Jugendträume, den Kampf gegen den Faschismus, weiterlebte.<br />

Außer linksextremen Schlägern hatte man die Genossen der VVN eingeladen. Die VVN BdA, der<br />

„Verein der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“, war einst eine stalinistische<br />

Kadertruppe sogenannter „Widerstandskämpfer“, eine Vorfeldorganisation der KPD. Die VVN war so<br />

offen pro-stalinistisch, dass sich sogar die SPD genötigt fühlte, ihre Mitglieder vor dieser Gruppe zu<br />

warnen und einen „Unvereinbarkeitsbeschluss“ verabschiedete. Doch vorerst hat man die Stalin-<br />

Bilder von der Wand genommen und sammelt Unterschriften gegen die NPD. Das macht die<br />

Stalinisten anschlussfähig an die westdeutsche Modelinken. Und deshalb diskutieren die Rentner der<br />

VVN mit der Westjournalistin Christina Kaindl und Matti Steinitz über den „antifaschistischen Kampf<br />

– damals und heute.“<br />

Die Grafen von und zu Buchenwald<br />

Wedding, der Stadtteil mit einer muslimischen Bevölkerungsdichte von mittlerweile 35%, Tendenz<br />

steigend, ist hier nur 500 Meter weit entfernt. Doch das interessiert in der „Hellen Panke“ keinen.<br />

Hier kämpft man gegen Nazis. Und das schon seit 1920. Man hat halt noch Traditionen. Die<br />

stalinistischen Rentner klagen: „Früher war alles besser.“ Für sie auf jeden Fall. Denn zu DDR-Zeiten<br />

zahlte der Staat jedem VVN-Mitglied lebenslang eine luxuriöse Rente, die teilweise das Doppelte<br />

eines Arztgehalts betrug. Ein paar Monate Buchenwald reichten aus, um in der DDR bis ans<br />

245


Lebensende jeden Monat ordentlich zu kassieren. Deshalb kursierten damals böse Witze über die<br />

„KZ-Aristokraten“ oder die „Grafen von und zu Buchenwald.“ Die Harvard-Historikerin Catherine<br />

Epstein hat nachgewiesen, dass der Adelstitel „KZ-Opfer“ so lukrativ war, dass viele Buchenwald-<br />

Grafen der VVN ihre Leidensgeschichten einfach erfanden.<br />

Doch bald sind die KZ-Grafen tot. Darauf freut sich schon Sarris. Sarris und seine zypriotisch-türkische<br />

Großfamilie haben auf der Schönhauser Allee/Bornholmer Straße ein riesiges Fabrikgelände gemietet<br />

und betreiben dort den größten Trödelmarkt des Bezirks. Seine Söhne lösen Haushalte auf. Haushalte<br />

der alten Ostrentner, die langsam wegsterben. Und hier sterben viele. Viele Deutsche sind kinderlos<br />

und haben niemanden, dem sie ihren Besitz vermachen können. Also tragen die jungen Türken den<br />

Hausrat aus den deutschen Wohnungen und versilbern ihn. Das Geschäft brummt. Neben Töpfen<br />

und Geschirr verkaufen sich alte Möbel am besten. Sarris hat die Fabrikhalle vollgestellt mit<br />

Jugendstilmöbeln, imperialen Schreibtischen aus Eichenholz, Rokokko-Stühlen und Gemälden. Die<br />

Schränke quellen über mit Pelzmänteln. Hier lässt sich verdienen. Was sich in dem armen Bezirk nicht<br />

verkauft, geht an Edel-Antik-Händler in reicheren Gegenden.<br />

Sarris braucht auch keine Agora. Er hat, was er will: seinen Markt, seine Söhne, seine Welt. Und<br />

worüber sollte er mit den Deutschen reden? Es reicht doch, wenn sie kaufen. Und wegsterben.<br />

Sarris` großer Trödelmarkt fügt sich gut ein in die Gegend. Auf der Bornholmer Straße dominieren<br />

Trödler, Sonnenstudios, Dönerbuden und Second-Hand-Läden. Sie sehen alle gleich schmuddelig aus.<br />

Nur ein Geschäft sticht heraus. Der Laden „Harakiri“.<br />

„Schöner leben ohne Naziläden“<br />

Bereits von weitem leuchtet die Fassade des Mode-Ladens „Harakiri“ in grellem Orange. Sie wird<br />

immer frisch gestrichen. Wöchentlich. Denn der Laden „Harakiri“ ist kein normaler Laden, sondern<br />

ein „Naziladen“. Deshalb prangen an der Fassade jede Woche Grafitti-Sprüche wie „Schöner leben<br />

ohne Naziläden“ oder „Nazis verpisst Euch“. Jede Woche streicht der Besitzer die Fassade neu.<br />

Angeblich geht das Spielchen zwischen Antifa und dem Ladenbesitzer seit Jahren so. Was genau in<br />

dem Laden etwas mit Nationalsozialismus zu tun hat, erschliesst sich dem Besucher nicht auf den<br />

ersten Blick. Der sogenannte „Naziladen“ bietet allerlei amerikanisierten Modeplunder an, T-Shirts,<br />

Schuhe, Baseballmützen. An sich eher unspektakulär.<br />

Doch für Matti Steinitz und die Rentner der VVN ist der Laden ein Symbol: Symbol für eine noch nicht<br />

gewonnene Schlacht. Und so brummt das Internet mit linksextremen Flugschriften über den Laden<br />

und seinen Besitzer. In der „Hellen Panke“ tuscheln die VVN-Rentner, dass es so was früher nicht<br />

gegeben hätte. Und selbst wenn, so flüstert ein Grauhaariger, hätte man „kurzen Prozess“ gemacht.<br />

Kein Wunder, hier fühlt sich Matti Steinitz wohl. Man ist sich einig: „Nazistrukturen“ müssen<br />

zerschlagen werden, tönt es von Aufklebern rund um den Block.<br />

Noch einmal 100 Meter vom „Naziladen Harakiri“ entfernt sitzt die „Interkulturelle Initiative<br />

Prenzlauer Berg.“ Hier treffen sich jede Woche Deutsche, denen Deutschland zu deutsch ist. Meist<br />

Frauen, die mit afrikanischen Asylanten Kinder haben. Man tauscht sich aus über die aktuellen<br />

Diskriminierungen im Alltag, tauscht Babykleidung und ist unter sich. Die gut finanzierte Initiative hat<br />

eine Bibliothek, die fast nie jemand besucht und ein Cafe, das auch meist leer steht.<br />

Den meisten Deutschen ist die „Interkulturelle Initiative“, im Volksmund „Kohlenkeller“ genannt ob<br />

ihrer dunkelhäutigen Besucher, gleichgültig. Man hat die Afrikaner nicht gebeten, herzukommen,<br />

und man durfte nicht darüber entscheiden. Man ignoriert sie. Das weiß die Initiative. Deshalb<br />

246


summen ihre Flyer mit Wörtern wie „unser Kiez“ und „wir hier im Stadtteil“, wie lautes Pfeifen im<br />

Wald.<br />

Interkulturelle Initiativen und einheimische Arbeitslose<br />

Wer hier vor der „Interkulturellen Initiative“ gut aufpasst, begegnet hin und wieder bieder<br />

gekleideten Damen und Herren, durchweg Deutsche, meist jenseits der 50, die mit zielsicherem<br />

Schritt auf Papierkörbe und Mülltonnen zu gehen und sie schnell geschickt durchwühlen. Dann gehen<br />

sie schnell beiseite. Sie wollen nicht, dass man sie sieht. Sie haben noch ihren Stolz. Und sind<br />

offensichtlich nicht so gut bei Kasse wie die „Interkulturelle Initiative.“<br />

Aber eines haben alle – Sarris’ Söhne, die Schwarzafrikaner, die Deutschen und die KZ-Grafen –<br />

gemeinsam: das Sozialamt.<br />

247


„Im Kampf gegen den Untergang der deutschen Kultur<br />

kommt Mitteldeutschland eine Schlüsselrolle zu.“<br />

Geschrieben von: BN-Redaktion<br />

Dienstag, den 17. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der inzwischen fraktions- und parteilose Abgeordnete des 16. Deutschen Bundestages, Henry<br />

Nitzsche, gehörte bis <strong>2006</strong> der CDU an und löst regelmäßig politisch unkorrekte Debatten aus. Ende<br />

<strong>2006</strong> trat Nitzsche aus Partei und Fraktion aus, nachdem er in der CDU in Ungnade gefallen war, weil<br />

er den deutschen „Schuldkult“ kritisierte und verantwortungslos handelnde „Multikultischwuchteln“<br />

in der etablierten Politik ausmachte. An seiner Kritik gegenüber den etablierten Parteien hält er bis<br />

heute fest.Im Gespräch mit blauenarzisse.de nimmt er Stellung zur Verfassung der CDU, zum<br />

etwaigen Beitritt der Türkei zur EU und zur demographischen Entwicklung Deutschlands.<br />

Was heißt es heute, konservativ zu sein?<br />

Nitzsche: Was heißt denn überhaupt konservativ? Ich kann dieses Wort nicht mehr hören. All diese<br />

Leute, die sich als konservativ bezeichnen und ihren vermeidlichen Konservativismus ähnlich einem<br />

Familienerbstück in der Vitrine aufbewahren und dieses zur Gewissensberuhigung gelegentlich<br />

abstauben. Ich kenne momentan kaum ein Wort, das so nichtssagend und verbraucht ist, wie<br />

konservativ.<br />

Ist die CDU konservativ? Wenn nein, warum nicht?<br />

Die CDU setzt momentan alles daran, sich als Partei der Mitte zu etablieren. Da sich die politische<br />

Mitte in Deutschland allerdings so weit nach links verschoben hat, daß, benutzt man zur<br />

Verdeutlichung ein gewöhnliches Koordinatensystem, sich x-Achse und y-Achse irgendwo zwischen<br />

SPD und SED/PDS/Linkspartei kreuzen. Sprich, da ist dann die heutige politische Mitte. Und da wird<br />

dann langfristig auch die CDU zu finden sein.<br />

Wie stehen sie zu einem eventuellen Beitritt der Türkei zur EU?<br />

Die Türkei passt nicht in eine Gemeinschaft von Staaten, deren eigentliche Grundlage einmal die<br />

christlich-abendländische Kultur war. Sie wird trotz aller Bemühungen niemals in unserem Kulturkreis<br />

ankommen. Außerdem würde ein Beitritt der Türkei für die EU ein unkalkulierbares wirtschaftliches<br />

Risiko bedeuten. Von kulturellen und politischen Konsequenzen ganz zu schweigen. Ich sage nur EU-<br />

Außengrenze zum Irak und Kurdenproblematik. Ein EU-Beitritt der Türkei wäre vor allem für<br />

Deutschland eine Katastrophe. Hierzulande leben bereits weit über zwei Millionen Türken. Sobald<br />

jedwede Nachzugsbeschränkung fällt, wird Deutschland buchstäblich überrannt werden.<br />

Wie beurteilen Sie das derzeitige Verhältnis des Christentums zum Islam in Deutschland?<br />

Die christlichen Kirchen in Deutschland haben sich zu sehr der religiösen Toleranz verschrieben. Bei<br />

all dem interreligiösen Dialog vergessen sie aber, daß der Islam eben keine tolerante Religion ist.<br />

Sobald er in einem Land die Mehrheit bildet, wird er zum politischen Islam und dann hat sich das mit<br />

der freien Religionsausübung erledigt. Der Islam ist eine stark expansive Religion. In Deutschland ist<br />

man dagegen nicht mehr bereit, die eigene Religion konsequent zu verteidigen. Im Gegenteil: In<br />

Deutschland gibt es nach Aussage der Bundesregierung mindestens 2.600 muslimische Gebetsräume,<br />

davon 150 klassische Moscheen mit Kuppel und Minarett. Zusätzlich gibt es weitere 100<br />

Bauvorhaben. Christliche Kirchen werden dagegen entweder verkauft, für Werbezwecke genutzt, als<br />

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Disco umfunktioniert oder man feiert erotische Gottesdienste. Diese Schwäche des Christentums<br />

wird sich bald bitter rächen.<br />

Wie bewerten Sie die demographische Entwicklung in Deutschland?<br />

Es ist schon fast pervers, daß in Deutschland <strong>2006</strong> rund 120.000 Kinder abgetrieben wurden. Das ist<br />

beinahe drei Mal die komplette Einwohnerzahl Hoyerswerdas, der größten Stadt in meinem<br />

Wahlkreis. Anstatt hier Abänderung zu schaffen, setzt die Politik auf mehr Zuwanderung, um die sich<br />

anbahnende demographische Katastrophe aufzuhalten. Ohne dabei aber zu bedenken, daß sie damit<br />

eine ethnische Katastrophe geradezu heraufbeschwört.<br />

Welche generellen Zukunftsaussichten gibt es für Mitteldeutschland?<br />

Die Menschen in Mitteldeutschland haben ein anderes Verständnis von Vaterland. Bei uns setzt man<br />

nicht Volk mit Bevölkerung gleich. Das ist sicherlich kein Verdienst der sozialistischen Diktatur,<br />

sondern liegt allein daran, daß Mitteldeutschland nicht einer jahrzehntelangen Zuwanderung<br />

ausgesetzt war und die damit einhergehende Überfremdung auch nicht als begrüßenswerter Zustand<br />

verklärt werden konnte. Im Kampf gegen den vollständigen Untergang der deutschen Kultur kommt<br />

Mitteldeutschland daher eine Schlüsselrolle zu.<br />

Was können heute konservative, junge Leute tun? Wo können sie sich sinnvoll engagieren?<br />

Junge Menschen die etwas verändern wollen, sollten ihre Meinung offen und bestimmt sagen. Und<br />

nicht nur in irgendwelchen konspirativen Debatierzirkeln, wie das im rechten Lager momentan Usus<br />

ist. Wenn man etwas verändern will, muß man nun mal aus der Anonymität heraus. Ein Engagement<br />

in einer der momentan bestehenden Parteien, erachte ich nicht für sinnvoll. Wichtiger ist es, über<br />

einen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung Druck auf das politische System auszuüben. So daß<br />

sich daraus eine außerparlamentarische Opposition und langfristig eine neue politische Kraft<br />

entwickelt.<br />

249


Revolutionen und ihre Vorwehen<br />

Geschrieben von: Marco Reese<br />

Donnerstag, den 19. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Politische Veränderungen bedürfen zuvor der geistigen. Die Richtigkeit dieser Binsenweisheit zieht<br />

sich wie ein roter Faden durch die europäische Geschichte. Eine Betrachtung der Vorwehen der<br />

Französischen Revolution zeigt, daß die Vertreter der Aufklärung einer abstrakten Vernunft, der<br />

reinen Güte des Menschen und einer Befreiung des Menschen vom Religiösen anhingen und so die<br />

Revolution geistig vorbereiteten. Bei der Oktoberrevolution in Rußland 1917 und der<br />

Studentenrevolte 1968 waren ebenfalls die geistigen Grundlagen, das Menschenbild und die Denker,<br />

an denen sich die Revolutionäre orientierten, weit vorher vorhanden.<br />

Meist waren es die höheren Stände, in welchen sich das entsprechende Gedankengut zuerst<br />

verbreitete und gleichsam „salonfähig“ wurde – so in den französischen Salons des 18. Jahrhunderts.<br />

Auch in Rußland war dies ähnlich, und die Hauptakteure von „68“ waren Sprößlinge aus gutem<br />

Hause. Nicht umsonst schrieb Friedrich von Schiller: „Vor dem Aristokraten in Lumpen bewahrt mich,<br />

ihr Götter.“, und der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler sprach vom „Priesterpöbel“ der<br />

Französischen Revolution.<br />

Die linken Utopien von 1789, 1917 und 1968<br />

Dekadenz und Gleichgültigkeit höherer Stände sind stets der Anfang unheilvoller Umwälzungen. So<br />

wurde die 1789 ausbrechende Revolution in Frankreich ein wahres Blutbad. Glaube, Sitte und<br />

Tradition waren, ausgehend von abtrünnigen Adligen und Klerikern, insgesamt geschädigt worden.<br />

Von Rußland ist dasselbe zu sagen. Die 68er hingegen widmeten sich weitreichenden, utopischen<br />

Projekten. Sie faselten von „Demokratisierung“, „antiautoritärer“ Erziehung und später von einer<br />

„multikulturellen Gesellschaft“ und haben damit zu der heutigen mißlichen Lage in Demographie,<br />

Bildung, Kultur und Geschichtsbewußtsein stark beigetragen.<br />

Es stellt sich die Frage, ob eine „Revolution“ von „rechts“ in Zukunft Erfolg haben könnte. Wer würde<br />

diese anführen? Und wer würde mithelfen? Wie würde es aussehen, was würde geschehen? Denn<br />

zweifelsohne ist die politische Substanz in weiten Teilen des deutschen Volkes heute aufgrund der<br />

vorherigen Entwicklung nicht mehr vorhanden, die nötig wäre, eine solche gelingen zu lassen und<br />

danach an den Aufbau einer neuen Ordnung zu gehen.<br />

Eine Revolution von rechts?<br />

Dies war nach dem Ersten Weltkrieg noch anders, als die Nationalsozialisten jedoch die überreife<br />

Frucht vom Baum der modernen Demokratie pflückten, wurden die Wünsche und Erwartungen der<br />

Denker der „Konservativen Revolution“ enttäuscht, die auf eine Neuordnung, auf einen<br />

geschichtlichen Rückgriff gehofft hatten. Nach 1945 war es infolge der Teilung Deutschlands und der<br />

Umerziehungen damit weniger gut bestellt und nach 1968 erst recht; die Hoffnung auf die „geistige<br />

Wende“ erfüllte sich weder in den 70er Jahren noch nach dem Regierungsantritt Helmut Kohls.<br />

Linke Utopien sind in der Praxis gescheitert. Weder das stalinistische Rußland noch die Deutsche<br />

Demokratische Republik konnten ihre utopischen Versprechen einigermaßen halten. Dennoch<br />

werden linke Utopien von fast allen etablierten Parteien weiter bedient und sie bieten gerade<br />

Jugendlichen eine gewisse Erfüllung. Jugendliche kann das Utopische linker Weltanschauungen, das<br />

scheinbare Brechen von politischen Tabus und der gutmenschliche Antifaschismus, mittels dessen<br />

250


die Linke ihr nicht Genehmes als „faschistoid“ abtut, leicht in den Bann ziehen. Noch 1989 stellte Erik<br />

von Kuehnelt-Leddihn ein Ideologiemonopol der Linken in Form der Marxismen fest.<br />

Eine nationale Revolution hingegen, wie sie von Teilen der NPD, die aber mehr an eine „braune“ PDS<br />

als an eine rechte Bewegung erinnern, erträumt wird, ist genauso unheilvoll wie linke<br />

Gesellschaftsexperimente, da das geistige Potential dieser Bewegung unzureichend ist. Einer solchen<br />

Revolution würden Korruption, Niedertracht und Zwietracht folgen. Gerade deshalb muß die<br />

deutsche und europäische Rechte eine breite und tiefe geistige Substanz aufbauen, um Lösungen<br />

anbieten zu können, die die politischen Verhältnisse in Europa verantwortungsvoll neu ordnen.<br />

Revitalisieren der bestehenden Institutionen<br />

Zu glauben, es müsse nur die große Umwälzung kommen und dann sei alles wieder im Lot, und sich<br />

einem „Marxismus von rechts“ hinzugeben, erinnert an die Naivität linker Denker. Was wirklich not<br />

tut, ist geistige Schulung einerseits und ein bestmögliches Handeln eines jeden an seinem Platze. Ein<br />

„Marsch durch die Institutionen“ von der anderen Seite, zum Zwecke ihrer Erhaltung, ihrer Reform<br />

und ihrer Wiederbelebung von innen heraus ist geboten, jedoch keine „revolutionären<br />

Sandkastenspiele“, wie sie Peter Gauweiler (CSU) 1969 als RCDS-Mann den revoltierenden Studenten<br />

vorwarf. Studienräte, Professoren, Juristen, Publizisten, Offiziere, Männer und Frauen mit<br />

Vorbildfunktion braucht die Rechte, keine Demagogen und keine Bastillestürmer.<br />

251


„Dem Burschi-Treffen entgegentreten!“<br />

Geschrieben von: APR-Vorstand<br />

Donnerstag, den 19. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die linke Szene in Göttingen versuchte mit einer Demonstration und jeder Menge Störaktionen den<br />

Pennälertag des Allgemeinen Pennälerrings (APR), welcher vom 08.-10. Juli 20<strong>07</strong> stattfand, zu stören.<br />

Nach Polizeiangaben demonstrierten am 8. Juli 20<strong>07</strong> 170 Antifaschisten vor dem<br />

Burschenschafterhaus gegen die Veranstaltung des größten pennalburschenschaftlichen Verbandes<br />

in Deutschland. Trotz mehrmaliger Versuche der Antifaschisten, auf das Veranstaltungsgelände zu<br />

gelangen, konnte die Tagungsfolge des Pennälertages ohne Einschränkungen durchgeführt werden.<br />

Hauptaugenmerk des Pennälertages lag auf der Wahl des neuen Vorstands. Sowohl der Sprecher,<br />

Felix Menzel, als auch der Kassenwart, Sebastian Schermaul (beide pennale Burschenschaft Theodor<br />

Körner zu Chemnitz) erklärten sich zu einer weiteren Amtszeit bereit. Für das Amt des Schriftwarts<br />

schlugen die Anwesenden schließlich einen Vertreter der pB! Chattia Friedberg zu Hamburg zur Wahl<br />

vor. Der vorgeschlagene Vorstand wurde schließlich einstimmig gewählt.<br />

Zudem war der Beschluß, einen weiteren Bund in den APR aufzunehmen, wegweisend. Ab sofort<br />

unterstützt die pennale Burschenschaft Germania zu Staßfurt die Verbandsarbeit. Die Pennalie aus<br />

Staßfurt wurde <strong>2006</strong> auf Initiative des APRs gegründet.<br />

Die Höhepunkte des Pennälertages stellten der Kommers am Abend des 9. Juli 20<strong>07</strong> sowie das APR-<br />

Forum dar. Der Festredner auf dem Kommers thematisierte die „Krise Europas“ und stellte die Vision<br />

einer „europäischen Wiedergeburt“ auf. Weniger theoretisch ging es bei der APR-<br />

Forumsveranstaltung zu. Dort präsentierten die einzelnen Pennalbünde ihre Bundesgeschichte.Felix<br />

Menzel, Sprecher des Allgemeinen Pennälerrings, äußerte sich sehr zufrieden über die<br />

Verbandsarbeit: „In den letzten Jahren hat sich der APR als Dachverband von engagierten<br />

Pennalbünden etabliert.“ Auch die Gäste der akademischen Burschenschaften bekräftigten mit ihren<br />

Grußworten die Unterstützung eines lebendigen Pennalwesens in Deutschland.<br />

Dem Allgemeinen Pennälerring (APR) gehören derzeit 14 Mitgliedsbünde an. Einige Pennalien davon<br />

bestehen schon seit einigen Jahrzehnten. Andere, wie die pB! Germania zu Staßfurt oder die pB!<br />

Theodor Körner zu Chemnitz, wurden erst vor wenigen Jahren in coleurstudentisch weniger<br />

bekannten Städten neu gegründet.<br />

Im Dezember findet die nächste APR-Arbeitstagung statt. Dann wird es die Verbandsbrüder des APRs<br />

zur Ersten Berliner Schülerverbindung Iuvenis Gothia nach Berlin verschlagen.<br />

252


„Brothers Keepers“: Die schwarzen Hassprediger<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Freitag, den 20. Juli 20<strong>07</strong> um 00:11 Uhr<br />

Sie sind mehr oder minder berühmt, reich und mit „Migrationshintergrund“ auch<br />

gesellschaftspolitisch voll im Trend. Die Rede ist vom „Künstler“-Kollektiv „Brothers Keepers“, einem<br />

linksextremistisch-antifaschistischen Zusammenschluss von hauptsächlich schwarzen Rapmusikern.<br />

Der bekannteste „Bruder“ dürfte dabei wohl Xavier Naidoo sein, Popstar und Weltverbesserer in<br />

politisch-korrekter Mission aus Mannheim.<br />

Das Projekt „Brothers Keepers“ sticht unter der Vielzahl kulturell wirkender Initiativen der (Neo-<br />

)Antifa besonders hervor. Dies jedoch nicht etwa ob der künstlerischen Originalität, sondern<br />

aufgrund der erschreckenden Offenheit, mit der die „Künstler“ ihre menschenfeindliche Gesinnung<br />

propagieren. Da wird ganz unverblühmt dazu aufgerufen, als „Nazis“ bezeichnete Menschen ins KZ zu<br />

stecken und sie „wie Poster“ aufhängen zu lassen.<br />

Gewalt ersetzt im ideologischen Paralleluniversum der „Brothers Keepers“ den offenen Dialog. Und<br />

statt mit Argumenten wollen die schwarzen Rapper ihren Gegnern mit „geballten Fäusten“<br />

entgegentreten.<br />

Erschreckend offenes Propagieren von Hass und Gewalt<br />

Wer nun meint, dass es in der Bundesrepublik einen staatlichen „Jugendschutz“ gäbe, welcher wegen<br />

solcher expliziten Gewaltäußerungen einschreiten müsste, der täuscht sich. Die Bundesprüfstelle für<br />

jugendgefährdende Medieninhalte (BPjM) sieht nicht den geringsten Anlass dazu, sich überhaupt mit<br />

den verbalen Gewaltexzessen der „Brothers Keepers“ zu befassen, während jeder noch so kryptische<br />

Aufruf zu Gewalt und Hass durch Neonazi-Bands selbstverständlich zu einer Indizierung führt.<br />

Und das hat seinen ganz einfachen Grund. Während mit der Standard-Antifa in der Regel nur der<br />

linke Rand des politischen und gesellschaftlichen Establishments offen zusammenarbeitet, werden<br />

die schwarzen Brüder hingegen von Vertretern des Staates und seiner Institutionen sowie<br />

einflussreicher gesellschaftlicher Gruppen hofiert und gefördert.<br />

Die schwarzen Brüder und der Staat<br />

So tourten die „Brothers Keepers“ etwa durch den Osten der Bundesrepublik und besuchten<br />

mehrere Schulen, um mit den Schülern zu diskutieren. Die Anwesenheit auf diesen<br />

argumentationsfreien Veranstaltungen war für die Minderjährigen natürlich Pflicht.<br />

Und übliche Verdächtige wie der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sowie<br />

selbsternannte Moralinstanzen wie der verstorbene Paul Spiegel, vormals Präsident des „Zentralrates<br />

der Juden“, ergingen sich in Lobpreisungen der Gruppe ob ihres „zivilgesellschaftlichen<br />

Engagements“.<br />

Feindbild „konservative Leitkultur“<br />

Die eigentliche Gefährlichkeit von Hassgruppen wie den „Brothers Keepers" besteht nicht unbedingt<br />

darin, dass sie zur Gewalt gegen tatsächliche oder angebliche „Nazis" aufrufen oder dass sie durch<br />

die Einbindung von Exponenten der Mainstream-Musikindustrie wie Xavier Naidoo eine an sich schon<br />

höhere Akzeptanz hierfür in der Gesellschaft erlangen würden. Vielmehr nehmen sie, wie es sich für<br />

eine Antifa-Organisation gehört, eine angeblich existierende „konservative Leitkultur" ins<br />

253


Fadenkreuz, die es „mit allen nötigen Mitteln" zu bekämpfen gelte. Denn dies ist der wahre Feind,<br />

sowohl der Antifa im allgemeinen, als auch der „Brothers Keepers" im Speziellen.<br />

Die extreme Linke - und mit ihr „Brothers Keepers“ - strebt eine gesellschaftliche Ordnung an, die<br />

von einer empfindlichen Einschränkung der Freiheitsrechte Andersdenkender und Anderslebender<br />

geprägt ist, von geistig-ideologischem und kulturellem Uniformismus.<br />

Sie wollen mitnichten eine Gesellschaft der Freiheit und Gleichwertigkeit aller Menschen. Und das<br />

geben zumindest die schwarzen Brüder von links auch ganz offen zu: „Wir fordern mehr als gleiche<br />

Rechte“.<br />

Nein, um gleiche Rechte geht es tatsächlich nicht. Sie wollen Macht über andere Menschen ausüben<br />

und sich damit (materielle) Privilegien sichern - wie profan.<br />

254


Eliteuniversitäten: Amerikanische Exzellenz im Wettbewerb<br />

mit deutscher Gleichheit<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Freitag, den 20. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die deutschen Hochschulen hinken den Spitzenuniversitäten in Großbritannien und den USA<br />

hinterher. Daran ändert die Exzellenzinitiative der Bundesregierung, die die besten deutschen<br />

Hochschulen mit bis zu 100 Millionen Euro fördern will und sie dann als Elite-Universitäten<br />

etikettiert, nichts. Elite-Bildungseinrichtungen fehlen in Deutschland und die parteinahen Stiftungen,<br />

die begabte Studenten fördern und auswählen, spielen ihre Rolle als „funktionale Äquivalente“ zu<br />

den Elite-Universitäten mehr schlecht als recht. Insbesondere sind sie dafür verantwortlich, daß in<br />

Deutschland eine angepaßte und wenig innovative Elite heranwächst. Die wenigen privaten Elite-<br />

Universitäten in Deutschland wie die Jacobs University Bremen fristen dagegen weiterhin ein<br />

Schattendasein – und zwar zu Recht.<br />

Die Jiao Tong University Shanghai erstellt jedes Jahr eine Rangliste der besten Universitäten der Welt.<br />

<strong>2006</strong> führt diese Liste die Harvard University an. Auf Platz zwei rangiert mit Cambridge die beste<br />

europäische Universität. Die Universität München als der beste deutsche Vertreter findet man<br />

abgeschlagen auf Rang 51.Cambridge University<br />

Die Eliteuniversitäten in den USA – Yale, Harvard, Princeton und Stanford zum Beispiel – wählen ihre<br />

Studenten gezielt selbst aus. Diese Auslese der Besten findet nicht überall statt. In Deutschland reicht<br />

als Zugangsberechtigung für die Universität das Abitur. Yale, Harvard oder Princeton hingegen sieben<br />

mit Aufnahmetests und vorherigen Gesprächen die potentiell schlechten Studenten aus und<br />

verschaffen den guten, die sie nehmen, exzellente Studienbedingungen.<br />

Stanford ist zehnmal so reich wie die finanzstärkste deutsche Uni<br />

Die Einheit von Forschung und Lehre zählt zu den Stärken der besten Universitäten der USA.<br />

Entgegen der landläufigen Meinung über die US-Universitäten spezialisieren sich diese nicht auf<br />

wirtschaftsnahe Studienfächer. Die Eliteuniversitäten erzielen ihre Spitzenergebnisse durch intensive<br />

Grundlagenforschung, Konzentration auf geisteswissenschaftliche Fächer und eine gute Betreuung<br />

der Post-Graduierten-Studiengänge.<br />

Daß dieses Studium eine ganze Menge kostet, ist klar. Mit den 40000 Dollar Studiengebühren pro<br />

Jahr, die ein Student an der Harvard University berappen muß, finanziert sich die Universität jedoch<br />

nur zu 20 bis 25 %. Ihre Finanzkraft generieren die US-Eliteuniversitäten durch ein professionelles<br />

Management. Wohlhabende Alumnis und Unternehmen finanzieren den Hochschulbetrieb<br />

maßgeblich mit. Stanford verfügt über ein Jahresbudget von 2,2 Mrd. Dollar. Die reichste deutsche<br />

Universität arbeitet mit einem Zehntel dieses Budgets.<br />

Die Bildungsexpansion der 70er Jahre hat Massenuniversitäten entstehen lassen, die chronisch<br />

unterfinanziert sind. An deutschen Universitäten muß ein Dozent im Durchschnitt 58 Studenten<br />

betreuen. Britische Eliteuniversitäten müssen sich mit 65 % weniger Studenten rumärgern.<br />

Die gescheiterte Bildungsexpansion in Deutschland<br />

Die Leitideen der deutschen Bildungspolitik, die auf mehr Quantität, Gleichheit und<br />

Staatsinterventionismus abzielen, sind gründlich gescheitert. Den deutschen Studenten wird weder<br />

„Gute Qualität für alle“ noch „Spitzenqualität für wenige“ angeboten. Vielmehr müssen sich die<br />

meisten mit katastrophalen Studienbedingungen anfreunden. Überfüllte Hörsäle, lange Wartezeiten<br />

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auf den anvisierten Studiengang oder gewünschte Seminare und eine schlechte individuelle<br />

Betreuung führen dazu, daß in manchen Studiengängen jeder zweite oder dritte sein Studium<br />

abbricht.<br />

In Deutschland funktioniert die staatliche Hochschulfinanzierung genauso wenig wie die private.<br />

Nach OECD-Angaben liegen die staatlichen Ausgaben für Bildung in den USA und Großbritannien<br />

über den deutschen Bemühungen, obwohl in den USA die Hochschullandschaft zu fast 80 % privat<br />

finanziert wird. Die deutschen Universitäten decken ihren Etat nur zu 8,2 % mit Geldern aus privater<br />

Hand. Weder aus staatlicher noch aus privater Hand kommen also genügend Mittel, um eine<br />

exzellente Hochschulausbildung in Deutschland zu etablieren.<br />

Ein Dozent kommt auf 58 Studenten – in Deutschland.<br />

Die Versuche, ein deutsches „Harvard“ oder ein deutsches „Cambridge“ aufzubauen, sind bisher<br />

kläglich gescheitert. Die sich selbst als private Eliteuniversität titulierende Jacobs University Bremen<br />

ist das beste Beispiel dafür. An der Jacobs University studieren für 15000 Euro pro Jahr 80 %<br />

Ausländer. Insbesondere für Osteuropäer ist diese Privatuniversität in Bremen interessant. Von der<br />

Ausbildung einer ‚nationalen Elite’ für Deutschland will man in Bremen nichts wissen. Der<br />

Lehrbetrieb wird in Englisch abgehalten und die Universität spricht von ‚global citizenship’, wenn sie<br />

auf ihre Ziele angesprochen wird. Ob die deutsche Wirtschaft die Jacobs University mehr fördern<br />

würde, wenn sie eine exzellente nationale Elite ausbilden würde, bleibt dahingestellt. Sicher ist nur,<br />

daß die deutschen Privatuniversitäten bisher kaum private Geldgeber gefunden haben. So hilft der<br />

Staat weiter fleißig mit, die deutschen Privatuniversitäten mit Subventionen auf den Beinen zu<br />

halten.<br />

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Russische Polizisten im Einsatz gegen Spätaussiedler?<br />

Geschrieben von: Florian Gerstenhauer<br />

Sonntag, den 22. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Spätaussiedler zwischen 16 und 30 Jahren sind häufiger kriminell und gewalttätig als Angehörige der<br />

deutschen Stammbevölkerung. Dies berichtet anläßlich einer Pressekonferenz die Hannoversche<br />

Allgemeine Zeitung am 19. Juli 20<strong>07</strong>, denn was jeder, der Augen im Kopfe hat, schon lange wissen<br />

konnte, hat nun auch der Hannoversche Polizeipräsident Hans-Dieter Klosa bestätigt. Eine<br />

Problemgruppe – was tun? Nach Ansicht des Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Christoph<br />

Bergner (CDU), sollte man das Problem am besten totschweigen: Klosa habe die Aussiedler pauschal<br />

verunglimpft, sie seien nicht stärker delinquent als andere Bevölkerungsgruppen.<br />

Das von Klosa nunmehr präsentierte statistische Material spricht eine andere Sprache: Der<br />

Gesamtanteil von Aussiedlern an der Kriminalität liegt in der Region Hannover bei 6,5 Prozent, der<br />

Bevölkerungsanteil (43000 Personen) aber nur bei 3,74 Prozent. Bei den Rohheitsdelikten wie Raub<br />

oder Körperverletzung liegt der Anteil der Aussiedler bei 8,74, bei schwerem Diebstahl bei 10,6, bei<br />

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sogar bei 15,9 Prozent. In 24 Prozent der Fälle waren die<br />

Täter alkoholisiert, andere Täter sind das nur in 14 Prozent der Fälle. Polizeipräsident Klosa hat dafür<br />

pragmatische Vorschläge parat: Russische Polizisten sollen die deutschen Ordnungshüter<br />

unterstützen, und zwar nicht nur als Dolmetscher, sondern mit roher Faust: „Freundlichkeit“ führe<br />

hier nicht weiter.<br />

Russische Polizisten sollen ihre deutschen Kollegen unterstützen.<br />

Wie bitte? Die deutsche Staatsgewalt bekommt ihre Probleme nicht mehr allein in den Griff? Was<br />

soll der friedliche Bürger nun denken, muß er seine Sicherheit selbst in die Hand nehmen? Statt zum<br />

Hörer künftig zu Mitteln greifen, die er jeweils für zielführend hält? Wer spricht ihn dann frei in<br />

einem Rechtssystem, dessen Richter und Staatsanwälte ihre Nahkampferkenntnisse hauptsächlich<br />

aus Spielfilmen beziehen? Denn man stelle sich vor, es ist zufällig gerade kein russischer Polizist<br />

erreichbar – kann unsere Polizei dann noch helfen? Und welch ein Signal hat der Polizeipräsident<br />

damit eigentlich an die Täter gesendet? Eine Bankrotterklärung! Seht her, die russischen Gewalttäter<br />

sind zu hart für unsere Polizei!<br />

Gut, auch das weiß eigentlich schon jeder. Bis auf CDU-Mann Bergner: „Diese Menschen haben in<br />

ihrem Land (sic!) negative Erfahrungen mit der Staatsmacht gemacht. Ich sehe nicht ein, wie sie zu<br />

unserer Vertrauen fassen sollen, wenn sie hier auf Vertreter ihrer Heimatpolizei treffen.“ Schuld an<br />

einer brutalen Enthemmung ist also mal wieder nicht der Täter, sondern irgendeine auf ihn<br />

einwirkende Macht, die allerdings jedermann unterwirft: Will Aussiedlerbeauftragter Bergner also<br />

andeuten, daß alle Aussiedler anfällig für Gewalt seien?<br />

Spätaussiedler sind gewalttätiger als Deutschen.<br />

Brisant ist, daß die betreffende Tätergruppe ja ausschließlich aus deutschen Staatsbürgern besteht.<br />

Wie kommt eigentlich ein russischer Polizist dazu, in Deutschland einen deutschen Bürger<br />

festzunehmen oder gar zu schlagen? Polizeidienst ist hoheitliche Aufgabe schlechthin! Probleme<br />

machen uns zudem nicht nur sogenannte Aussiedler, sondern auch Angehörige anderer Ethnien.<br />

Kommen also demnächst auch türkische, arabische, afrikanische oder albanische Polizisten zu uns –<br />

statt, wie bisher, wir zu ihnen?<br />

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Zwar sieht das Niedersächsische Gesetz für Sicherheit und Ordnung vor, daß „die Polizeibehörden“<br />

soweit erforderlich Hilfspolizeibeamte ernennen können (andere Landespolizeigesetze kennen<br />

ähnliche Regelungen). Deutscher Beamter – also erst recht Hilfspolizist – kann auch ein Ausländer<br />

werden, wenn hierfür ein „dringendes dienstliches Bedürfnis“ besteht. Auch ist der Einsatz<br />

ausländischer Polizisten unter Aufsicht deutscher Kollegen im Rahmen der Weltausstellung EXPO<br />

2000 in Hannover „friedenserprobt“. Die internationale Zusammenarbeit im grenzüberschreitenden<br />

Raum, etwa im Rahmen der 2. und 3. Säule der Europäischen Integration, scheint ausweislich<br />

einschlägiger Zoll-Verlautbarungen zu funktionieren. Vorliegend allerdings handelt es sich um ein<br />

rein innenpolitisches Problem. Daher sollte man – so es denn nun nötig sei – lieber die deutschen<br />

Polizeibeamten in Rußland ausbilden lassen und dann die hiesigen Probleme mit eigenen Mitteln<br />

lösen. Entscheidend ist weniger die hohe Gewaltbereitschaft der Täter, als der mangelnde Wille der<br />

Politik, ihr konsequent und mit unmißverständlicher Klarheit zu begegnen.<br />

Fehlende politische Konsequenz im Umgang mit Problemen<br />

Die politische Antriebslosigkeit, Probleme nicht zu benennen, tut den Menschen, die dadurch mit<br />

über einen Kamm geschert werden, unrecht. Durch die Arroganz im Wegschauen, nicht erst durch<br />

Warnung und Diagnose, wurde der Blick auf die beachtlichen Integrationserfolge etwa von Frauen,<br />

kundigen Handwerkern oder den vielen überdurchschnittlich begabten Schülern und<br />

Jungakademikern aus Aussiedler-Familien verstellt. Denn ein alltäglich ja längst fühlbarer<br />

kriminalstatistischer Befund verseucht das soziale Vertrauen in eine ganze Bevölkerungsgruppe; das<br />

„Gift“ heißt hier schlichte Todesangst.<br />

So ist auch mit Klosas Vorschlag niemandem geholfen: Die einen lachen auch weiterhin über die<br />

deutsche Polizei, die anderen verlieren den letzten Rest Vertrauens in den Staat: Wer aus eigener<br />

Kraft nicht mehr für Ordnung sorgen kann, ist in jeder Hinsicht fertig.<br />

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Über die Klimakatastrophe und andere Katastrophen<br />

Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />

Dienstag, den 24. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Klimadiskussion kann, obgleich wir uns erst im Juli befinden, wohl bereits zur „hitzigsten“ und<br />

intensivsten Meinungskonfrontation des Jahres 20<strong>07</strong> gekürt werden. Es ist schlicht unmöglich, nicht<br />

mit diesem Thema konfrontiert zu werden. Tag für Tag wird der Otto-Normalverbraucher mit<br />

Meldungen von dem nahenden Jüngsten Gericht konfrontiert; dem Schmelzen der Polkappen oder<br />

wahlweise auch der fortschreitenden Desertifikation, die Europas Länder in braches Ödland zu<br />

verwandeln droht. Selten existierte ein breiterer Konsens als beim Thema Klima: Der Verursacher des<br />

globalen Klimawandels ist der Mensch. Der Weltuntergang naht. Und alle, die diese Schlußfolgerung<br />

nicht mittragen, sind Lobbyisten der Ölindustrie!<br />

Die quasi-religiösen respektive dogmatischen Züge dieser „Neohippie-Bewegung“ manifestieren sich<br />

durch ihren apodiktischen Anspruch, eine globale Gefolgschaft, beauftragt mit dem Auftrag der<br />

Rettung der Schöpfung, in Gang zu setzen. Sie bieten Erlösung der Menschheit vermittels going<br />

green, oder zu Deutsch: der CO² neutralen Existenz. Infolge dessen wurde der Ablasshandel<br />

katholischer Façon in Form von Emissionsrechtsvergabe auf der staatlichen Ebene wiederbelebt, so<br />

dass niemand wegen Verstößen gegen Klimarichtlinien ewiges „Schmoren im Fegefeuer“ ernsthaft zu<br />

fürchten braucht.<br />

Der Ablasshandel mit dem Klima<br />

Hauptguru der orthodoxen „Kirche des menschgemachten Klimawandels“ ist ein gescheiterter US-<br />

Präsidentschaftskandidat namens Al Gore. Dieser predigt auf den ominösen grünen Messen der<br />

Sekte, den esoterischen „Live-Earth-Konzerten“. Dort singt man sich zuerst in eine Trance-artige<br />

Ekstase, um anschließend der Tiraden des profanen Oberhauptes zu lauschen, welche unter anderem<br />

eine Reihe von Abstinenzgelübden im Hinblick auf den individuellen CO²-Verbrauch implizieren. Dass<br />

durch Organisation und Technik dieser Veranstaltung selbst eine ungeheure Menge an CO²<br />

freigesetzt, stört da niemanden wirklich.Globale Erderwärmung - nur ein Gespenst?<br />

Vermittels einer subtilen Etablierung des Neusprechs „Ecological Correctness“, die wohl verwandt<br />

mit der berüchtigten „Political Correctness“ ist, ahnden die Klimagurus verbale Ausrutscher und<br />

Dementis der göttlichen Lehre effizient und vor allen Dingen CO² frei. Es wird auf die<br />

umweltschädliche Verbrennung des Delinquenten verzichtet, statt dessen verhängt man über ihn<br />

eine soziale Reichsacht! Genialer Coup.<br />

Statt PC jetzt EC: Der Siegeszug der Ecological Correctness<br />

In Deutschland bewies sich dieses Glaubensbekenntnis grüner Couleur als sehr erfolgreich und ist<br />

ferner in der Lage, sich als festen Bestandteil gesellschaftlichen und politischen Lebens zu etablieren.<br />

Die akzentuierte Vorreiterrolle Deutschlands im internationalen Kampf gegen die Erderwärmung<br />

geht nicht zuletzt auf Einflüsse dieser potenten Gruppierung zurück. So sorgte etwa Sigmar Gabriel<br />

für den Vertrieb des Al Gore-Pamphlets „Eine unbequeme Wahrheit“ an deutschen Schulen, worin Al<br />

Gore versucht seine Leser für seine Umweltreligion zu begeistern.<br />

Überdies scheint es für das deutsche Gewissen unabdingbar zu sein, sich mit der Schuld an<br />

irgendetwas identifizieren zu können. Erst Schuld an der Vernichtung der Juden, anschließend Schuld<br />

an der globalen Klimakatastrophe. Nur dieses Mal ist eine Sache anders: Deutschland kann seine<br />

Bürde durch frühere Generationen wettmachen, indem es die Erde im Alleingang rettet!<br />

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Lebensstile 2020: Die Dekadenz schreitet voran<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 24. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Trend- und Zukunftsforscher des von Matthias Horx geleiteten Zukunftsinstituts haben in einer<br />

aktuellen Studie zu „Lebensstilen 2020“ eine kühne Prognose für die Lebensideale und Trends der<br />

Deutschen in 15 Jahren abgegeben. Zentral in der Studie ist die These, daß sich die Lebensstile bis<br />

2020 extrem individualisieren und jeder eine biographische Freiheit genießen kann. Im Cyberspace-<br />

und Wellness-Zeitalter löst die Multigraphie die Biographie ab. Sollte sich dies wirklich so entwickeln,<br />

was gar nicht so unwahrscheinlich ist, dann hätte die Dekadenz endgültig gesiegt.<br />

Die Normalbiographie ist bis heute geprägt von drei Phasen. Der Jugend als Ausbildungs- und<br />

Ausprobierphase folgt das Berufs- und Familienleben und diesem schließt sich der Ruhestand an.<br />

„Lebensstile 2020“ wirft diese Einteilung gründlich über den Haufen und stellt eine Typologie der<br />

wichtigsten Lebensstile der Zukunft vor.<br />

Fünf, sechs oder auch sieben 180-Grad-Wendungen im Leben<br />

Die Autoren Oliver Dziemba, Benny Bock und Andreas Steinle meinen, daß sich eine festgefügte<br />

Planung des Lebens 2020 erübrigt. Die Menschen gestalten in Zukunft ihr Leben im Vergleich zu<br />

heute individueller. Sie lösen sich aus starren Familien- und Arbeitsstrukturen und nehmen sich die<br />

Freiheit, ihr Leben hin und wieder mit einer 180-Grad-Wendung komplett auf den Kopf zu stellen und<br />

die nächsten 5 Jahre mal etwas komplett anderes als bisher zu machen. In „Lebensstile 2020“<br />

werden diese flexiblen Lebenskonzepte mit dem Begriff der ‚Multigraphie’ zusammengefaßt.<br />

Gefangen im NetzwerkAn die Stelle der traditionellen Familien mit zwei, drei Kindern treten nach<br />

Auffassung der Zukunftsforscher bald „Latte-Macciato-Familien“ und „Netzwerk-Familien“. Diese<br />

pflegen nach Steinle, Bock und Dziemba einen äußerst offenen Lebensstil. Die Eltern achten auf ihr<br />

berufliches Vorankommen. Sie lassen sich von ihrem Kind, welches bestimmt nicht mehr als ein<br />

nettes Spielzeug ist, weder die Karriere noch das ein oder andere private Vergnügen verderben. Die<br />

Zukunftsforscher gehen davon aus, daß 2020 zwei oder mehr Eheschließungen im Leben gang und<br />

gebe sind.<br />

„Latte-Macciato-Familien“ und „Greyhopper“<br />

Das Zukunftsinstitut sieht den gesellschaftlichen Zuständen, die durch diese Lebensstile entfacht<br />

werden, optimistisch entgegen. Die Alten wie die Jungen würden von der maßlosen<br />

Individualisierung profitieren. Die Alten, die man 2020 aus Modegründen vielleicht schon<br />

„Greyhopper“ nennt, können in hohem Alter noch einmal ein völlig neues Leben beginnen und auch<br />

den Jungen steht nichts mehr im Wege. Durch intensives „Networking“ erschließen sie sich ihre<br />

Umwelt. Die Pfiffigen gründen mit 15 ihr erstes StartUp-Unternehmen und die weniger<br />

Entschlossenen suchen halt bis 30 nach dem richtigen Weg, finden ihn zwar nie und kommen<br />

dennoch immer irgendwie durch.<br />

Heute hier, morgen dort …<br />

Wie sieht wohl ihre Zukunft aus?Das Wegbrechen von klar umrissenen sozialen Milieus mag für den<br />

Marketingchef eines Modeunternehmens eine spannende Herausforderung sein. Für die<br />

Identitätsfindung einer Gesellschaft hingegen ist diese Entwicklung ein Jammer. Eine Gesellschaft, in<br />

der identitätsstiftende Größen wie Familie und Nation nichts mehr zählen und in der jedes<br />

Individuum nur mit sich selbst und blödsinnigen Trends beschäftigt ist, kann auf Dauer nicht<br />

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funktionieren. Flexibilität kann Identität nicht ersetzen. Jeder Mensch braucht Identität und Halt<br />

durch andauernde soziale Zugehörigkeiten. Wenn der Mensch seine Identität aufgibt, dann gewinnt<br />

er keine biographische Freiheit, sondern er verliert seinen Selbstbestimmungswillen und läßt sich von<br />

den Strömen seiner Zeit treiben. Aus dem selbstbewußten „Fels in der Brandung“ wird ein<br />

Individuum, das willenlos in einer lauwarmen Badewanne dahinvegetiert.<br />

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Die Gefahr des Bürgerkrieges<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Mittwoch, den 25. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

„Wenn man als Journalist über die Bürgerkriege im Nahen Osten und die ethnischen Konflikte dort<br />

berichtet, gilt man in Deutschland als Experte. Wenn man über die ethnischen Konflikte zwischen<br />

Deutschen und Ausländern in Deutschland berichtet, gilt man als Rechtsextremist.“<br />

Diese Worte von Dr. Udo Ulfkotte auf dem letzten Berliner Kolleg Anfang Juli 20<strong>07</strong> sind bezeichnend<br />

für die gegenwärtige Lage in Deutschland. Es gilt als inopportun, auf die ethnoreligiösen Bruchlinien<br />

und Konflikte hinzuweisen, die jedem aufmerksamen Betrachter einer deutschen Stadt in die Augen<br />

springen.<br />

In Berlin-Wedding sind ganze Straßenzüge von Anatoliern bewohnt, die in den Straßenschluchten<br />

einer westeuropäischen Stadt die archaischen Clanstrukturen aus ihren Heimatdörfern weiterleben.<br />

Am S-Bahnhof Baumschulenweg treffen sich jede Woche junge Albaner mit den Hemden der Kosovo-<br />

Bürgerkriegspartei UCK. Andere Albaner tragen stolz T-Shirts mit dem Aufdruck „Shkiptar“ – „Der<br />

Skipetar“, eine altertümliche Bezeichnung für den Kriegerstamm, der Albanien einst bewohnte. Wer<br />

heute nach Neukölln fährt, wird erstaunt sein über die Anzahl gläubiger, junger Männer, die sich ganz<br />

in Weiß kleiden und einen Bart kultivieren. Der neueste Schrei unter jungen Muslimen sind<br />

Krummdolch-Tattoos auf dem Oberarm. Die Yeziden, ein Turkvolk vom Balkan mit ca. 200.000<br />

Menschen und Anhänger eines naturreligiösen Islam, haben sich heute vollständig in Deutschland<br />

niedergelassen. Die Türsteher in Kölner Clubs rekrutieren sich vollständig aus Türken oder Arabern<br />

und liefern sich regelmäßig Gefechte um Drogenmarkt und Prostitution. In Berlin ist die Drogenmafia<br />

ethnisch organisiert. Libanesen, Araber, Schwarzafrikaner und Russen beherrschen eigene Stadtteile<br />

und verteidigen ihre Reviere. Der Handel mit geschmuggelten Zigaretten ist deutschlandweit in der<br />

Hand von Vietnamesen.<br />

Der Krieg in unseren Städten<br />

Heute steht es sichtbar vor uns: es gibt keine deutsche Gesellschaft mehr. Sogar die linksliberale ZEIT<br />

gab kürzlich zu: „Deutschland ist in Parallelgesellschaften zerfallen.“ Der Stadtrat von Duisburg-<br />

Marxloh sprach im ZDF-Magazin Panorama von Deutschland als Multiminoritäten-Gesellschaft, in der<br />

verschiedene Minderheiten mehr oder minder verfeindet nebeneinander leben.<br />

Das Potential für bürgerkriegsähnliche Zustände steigt damit dramatisch an. In der neueren<br />

Politikwissenschaft hat sich dafür das Wort „Staatszerfall“ herausgebildet. Wenn die Unterschiede<br />

zwischen den Minderheiten zu groß werden, lassen sie sich nicht mehr in das Korsett eines Staates<br />

zwängen. Sie erkennen die Autorität des Staates und seiner Organe nicht mehr an und verweigern<br />

ihm seine Legitimität. So rückt die Bürgerkriegsgefahr näher. Je heterogener, verschiedener, bunter<br />

eine Gesellschaft ist, desto höher ist das Konfliktpotential. Je homogener und gleicher eine<br />

Gesellschaft ist, desto besser ist das gesellschaftliche Klima.<br />

Deutschland als Multiminoritäten-Gesellschaft<br />

Im Zeitalter der Nationalstaaten hatte jedes Volk seinen eigenen Staat. Alle Streitigkeiten zwischen<br />

Staaten und Völkern wurden durch Diplomaten ausgehandelt. Diplomaten waren höfliche, gebildete<br />

und korrekte Leute, die sich gemeinsam an einen Tisch setzten und Konflikte beilegten. Hier am<br />

Konferenztisch wurde keiner erschlagen, keiner getötet, hier gab es keine Massaker.<br />

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Heute leben wir in einem grenzenlosen Europa, und in Deutschland leben Hunderte verschiedener<br />

Völker. Man begegnet ihnen täglich, und die Konflikte nehmen zu. Sie nehmen dann zu, wenn die<br />

Menschen in Stressituationen geraten, wenn es zu viele verschiedene Völker auf zu engem Raum<br />

gibt, wenn die Ressourcen oder das Geld knapp werden. Konflikte regeln heute keine freundlichen<br />

Diplomaten mehr. Jetzt regiert der, der sich durchsetzt.<br />

Zwei Arten Krieg: Zwischenstaatlicher Krieg und Bürgerkrieg<br />

Kriege gab es immer. Kriege wird es immer geben. Aber die Art des Krieges wandelt sich.<br />

Hauptsächlich unterscheiden Kriegsforscher wie Prof. Herfried Münkler von der Humboldt-<br />

Universität [„Die neuen Kriege“] zwei Arten Krieg: dem Bürgerkrieg und dem zwischenstaatlichen<br />

Krieg. Vereinfacht gesprochen, teilt sich die Geschichte Europas seit dem 16. Jahrhundert bisher in<br />

zwei Kriegsperioden: die erste Periode, beginnend mit Luthers Reformation, ist die Periode der<br />

Bürgerkriege. Hier kämpft jeder gegen jeden.<br />

Die zweite Periode, das Zeitalter seit dem Entstehen der Nationalstaaten, seit dem Westfälischen<br />

Frieden von 1648, war ein Zeitalter der zwischenstaatlichen Kriege. Hier führten Staaten<br />

gegeneinander Krieg. Zwischenstaatliche Kriege funktionieren immer nach dem gleichen Muster: Erst<br />

herrscht Frieden, dann folgt die Kriegserklärung, dann die Kampfhandlung, dann der Friedensvertrag<br />

und dann herrscht wieder Frieden.<br />

Seit 1648, als Fürsten und Könige um Macht und Ehre kämpften, aber ein Interesse daran hatten, die<br />

Bevölkerung des Gegners nicht auszurotten, werden zwischenstaatliche Kriege geregelt durch<br />

Abkommen oder das Kriegsrecht. So bleibt die Bevölkerung weitgehend verschont, werden<br />

Gefangene gemacht und nicht erschlagen; man erlaubt dem Gegner, seine Verwundeten vom<br />

Schlachtfeld zu bergen.<br />

Zwischenstaatliche Kriege werden nur zwischen Uniformierte geführt. Die Unterscheidung zwischen<br />

Soldat und Zivilist ist der Sinn der Uniform. Das Kriegsrecht legt genau fest, wer „Kombattant“ und<br />

wer „Zivilist“ ist. Das Kriegsrecht verbietet streng die Erschiessung von Zivilisten. Im Gegenzug<br />

erlaubt das Kriegsrecht die Erschiessung von bewaffneten Zivilisten, was juristisch kein<br />

Kriegsverbrechen ist. Als Kombattanten gelten alle, die eine vorher vereinbarte, gleiche Kleidung<br />

oder Form – eine Uni-Form – tragen. Das Kriegsrecht fordert, vor Beginn der Kampfhandlung dem<br />

Gegner die Uniform seiner Soldaten mitzuteilen. Nur Kombattanten dürfen bekriegt werden. Legt ein<br />

Kombattant die Waffe nieder, gilt er als Kriegsgefangener und darf nicht schlechter behandelt<br />

werden als die eigenen Soldaten.<br />

Bürgerkriege hingegen kennen kein Recht. Sie haben auch kein formelles Ende. Sie enden nur durch<br />

die Niederlage und Ausrottung der einen Seite, oder aber durch Schwächung beider Seiten. In einem<br />

Bürgerkrieg will die eine Seite die andere ausrotten oder von ihrem Land vertreiben. Historiker<br />

sprechen davon, dass Bürgerkriege „ausbrennen“ müssen, dass beide Seiten so erschöpft sind, dass<br />

ihnen der Frieden mehr wert ist als sie durch einen Sieg gewinnen könnten.<br />

Wie beginnen Bürgerkriege?<br />

Bürgerkriege dauern sehr lang. Die Durchschnittsdauer aller Bürgerkriege im 20. Jahrhundert lag bei<br />

über 10 Jahren. Im Vergleich dazu dauerten die Kriege zwischen Staaten im Durchschnitt nicht mehr<br />

als ein Jahr. Bürgerkriege haben keinen Anfang. Sie „brechen nicht aus.“ Es gibt keine formelle<br />

Kriegserklärung. Bürgerkriege funktionieren nach dem Schneeballprinzip: sie eskalieren. Wie ein<br />

Waldbrand toben sie über das Land und enden erst, wenn alles verbrannt ist.<br />

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Alle Bürgerkriege beginnen auf die gleiche Weise: verschiedene Menschen finden sich zusammen,<br />

verstehen sich als Gruppe, Volk, Religion oder Klasse und beginnen, die anderen Menschen mit<br />

Misstrauen als „anders“ zu sehen. Die Wahrnehmung des „anderen“ als potentielle Bedrohung ist bei<br />

allen Menschen und allen Kulturen gleich ausgeprägt. Sie lässt sich nicht aberziehen, sie ist in uns<br />

genetisch verwurzelt, sie findet sich im Tierreich und bei Kleinkindern und ist eine anthropologische<br />

Konstante. So stehen sich binnen kurzem beide Gruppen feindlich gegenüber. Von nun an geht es<br />

ganz schnell, ist alles nur noch Eskalation. Jetzt reicht ein Funke, dass die Gruppen aufeinander<br />

losgehen. Deshalb sind die Anlässe, die einen Bürgerkrieg verursachen, oft so nichtig. Der Bürgerkrieg<br />

in Nagorni-Karabach, der heute noch nicht befriedet ist, begann als Streit zwischen Hausfrauen auf<br />

einem Markt in Baku. Aus dem Streit wurde binnen 10 Minuten eine Schlägerei zwischen Armeniern<br />

und Aserbaidschanern, und eine weitere Stunde später tobten Tausende Aserbaidschaner durch<br />

Baku und erschlugen mehrere Hundert Armenier. Zwei Tage später lagen die beiden Länder im Krieg<br />

miteinander – für die nächsten 12 Jahre, mit mehreren 100.000 Toten. Bürgerkriege eskalieren so<br />

schnell, weil sie im Inneren keine Kapitalsicherheit garantieren und Kapitalflucht forcieren. Geld oder<br />

Kapital, so sagt man, ist wie ein scheues Reh: beim ersten Anzeichen von Gefahr flieht es. Wenn ein<br />

Nationalstaat gegen einen anderen in den Krieg zieht, so weiß jeder Ladenbesitzer oder Fabrikant,<br />

dass sein Laden oder die Fabrik vom Krieg kaum betroffen sein wird. Der Ladeninhaber wird sein<br />

Kapital im Land behalten, dort ist es relativ sicher. Die Fabriken werden weiter arbeiten und die<br />

Arbeiter weiter genug Geld für Brot haben.<br />

Das Geld fürchtet sich vor dem Bürgerkrieg<br />

Finden sich erste Anzeichen für ethnische Spannungen, beginnt das Kapital aus dem Land<br />

abzufliessen. In Folge verarmt die Gesellschaft, weshalb die Spannungen zunehmen, weshalb die<br />

Gesellschaft weiter verarmt. Dieser Kreislauf dreht sich immer schneller. Im Falle ethnischer<br />

Ausschreitungen fallen über Nacht die Grundstückspreise in den Keller, der Warenfluss stockt, die<br />

Preise explodieren und jeder versucht, sein Restgeld ins Ausland zu retten. Binnen Tagen stehen sich<br />

die verfeindeten Gruppen hungernd und ruiniert gegenüber. Jetzt diskutiert keiner mehr.<br />

Prof. Herfried Münkler hat untersucht, welche Akteure am Bürgerkrieg verdienen und ihm am Laufen<br />

halten. Münkler schloss, dass mit dem Ausbruch von ethnischen Konflikten neue Akteure auf die<br />

Bühne treten, die ein wirtschaftliches Interesse am Bürgerkrieg haben. Dies sind meist<br />

Kleinwaffenhändler, Waffenschmuggler und andere Kriegsgewinnler und erstreckt sich auf alle<br />

Bereiche der Halbwelt. Die Summen, die hier zu verdienen sind, sind immens, und wer die ethnischen<br />

Gruppen mit Waffen und Munition versorgt, kann schnell reich werden. Die Gewinne sind so hoch,<br />

dass sich binnen kurzer Zeit ein Klientelsystem aus Handlangern und Nutznießern der<br />

Kriegsgewinnler ausbreitet und alle Bereiche der Gesellschaft infiltriert. Korruption, Rechtsbeugung,<br />

Provokation, Geiselhandel usw. werden zu lukrativen Geschäftszweigen, die besonders die<br />

chancenlosen, ungebildeten jungen Männer reizen. Diese im Frieden marginalisierten Existenzen<br />

werden nun zu Herrschern über ganze Territorien und Armeen und können hier ungehemmt alle<br />

Triebe ausleben. Herfried Münkler erklärt die sexuellen Grausamkeiten wie Vergewaltigung,<br />

Schändung und Verstümmelung von Geschlechtsteilen durch die jungen Männer, die ein Bürgerkrieg<br />

nach oben schwemmt. Im Jugoslawienkrieg hatten sich junge Männer Lager mit Frauen, die für<br />

Vergewaltigungen bestimmt waren, angelegt. Hier gab es keine Polizei mehr; die jungen Männer<br />

waren die Herrscher.<br />

Noch ist die Lage in Deutschland erstaunlich ruhig. Bisher gelingt es der Regierung immer noch, die<br />

aggressiven, ausländischen Jungmänner mit Sozialhilfe ruhig zu stellen.<br />

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Der Integrations-„Rausch“ der Politik<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Mittwoch, den 25. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Rassenunruhen in Paris 2005 haben Europas Eliten aufgeschreckt. Bis dahin wiegte sich die<br />

politische Klasse in dem Glauben, die Fremden würden sich anpassen. Mit einem kollektiven<br />

Aufstand der dunkelhäutigen Fremden gegen die weißen Eingeborenen hatte keiner gerechnet.<br />

Doch der Schock hielt nicht lang an. Die Linken, die die Fremden ins Land geholt hatten, redeten sich<br />

und anderen ein, dass das Problem kein religiöses, ethnisches oder rassisches sei, sondern lediglich<br />

ein soziales. Und so flimmerten über den Fernsehbildschirm Bilder von tristen Hochhaussiedlungen<br />

im Pariser Umland, in denen pauperisierte Afrikaner und verbitterte Muslime hausten. Das ähnlich<br />

triste Hochhaussiedlungen in Berlin-Marzahn und Gropiusstadt stehen, aber dort noch kein<br />

Deutscher auf die Idee gekommen war, einen Aufstand auszurufen, entging den meisten Fernseh-<br />

Konsumenten.<br />

Im Fernsehen politisch-korrekte Propaganda, offene Worte hinter<br />

verschlossenen Türen<br />

Doch so naiv, wie die Fernsehkommentatoren taten, waren die Wissenschaftler in den politischen<br />

Stiftungen nicht. Plötzlich sprach man von Parallelgesellschaften. Auf Podiumsdiskussionen und in<br />

wissenschaftlichen Kreisen war man sich der Gefahren bewusst. Hinter verschlossenen Türen wollten<br />

sogar Altlinke kaum mehr an die sozialen Ursachen mehr glauben. Inzwischen haben sogar die 68er<br />

die Gefahr erkannt, die dem Zerfall einer Gesellschaft in Parallelgesellschaften innewohnt. Die<br />

politische Klasse hat erkannt, dass Multikulturalität bedeutet, dass viele Kulturen nebeneinander<br />

leben, und dass das selten friedlich bleibt.<br />

Deshalb ist die politische Elite seit den Rassenunruhen in Paris von Multikulti abgerückt und<br />

propagiert „Integration“. Unter Integration versteht man das, was heute mit dem Fremdwort<br />

„Panmixie“ bezeichnet wird. Die Panmixie beruht auf der Annahme, dass man die<br />

Parallelgesellschaften miteinander vermischen und so auflösen müsse, um drohende ethnische<br />

Unruhen zu vermeiden. Wenn erst Türken und Deutsche, Araber und Polen miteinander verheiratet<br />

und verschwägert seien, sänke die Gefahr des Bürgerkrieges. Das Interesse des Staates am inneren<br />

Frieden wird somit über das Recht der Deutschen oder der Türken gestellt, als Volk weiter zu<br />

existieren. Der linksliberale CDU-Politiker Friedbert Pflüger hat gefordert: „Es muss uns gelingen, in<br />

Deutschland amerikanische Verhältnisse einzuführen,“ also Verhältnisse, in denen keiner mehr nach<br />

der Herkunft oder der Abstammung fragt und alle Deutschen mehr oder minder Mischlinge. Diesen<br />

Prozess bezeichnet man auf der Rechten als Umvolkung oder Bevölkerungsaustausch.<br />

Multikulti ist tot, es lebe die Integration<br />

Mit milliarden-schwerem Aufwand versucht man neuerdings, die verschiedenen Völker, die sich auf<br />

deutschem Land niedergelassen haben, zu vermischen und zu einem neuen Volkskörper<br />

umzuschmelzen. Allein in den letzten Monaten des Jahres 20<strong>07</strong> werden dafür 750 Mio. Euro<br />

bereitgestellt. In den nächsten zehn Jahren rechnet die FAZ mit zweistelligen Milliardenbeträgen an<br />

Kosten für die Integration.<br />

Die neue „Integrations“-Politik setzt auf sechs Ebenen an: Erstens hat man eine wissenschaftliche<br />

„monitoring“ Institution, das Institut für Konflikt- und Gewaltforschung, geschaffen und mit einem<br />

Etat von 15 Mio. Euro ausgestattet. Unter dem 68er Professor Wilhelm Heitmeyer gibt das Institut<br />

alljährlich eine Studie „Deutsche Zustände“ heraus, die den Zerfallsprozess mit objektiven<br />

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Indikatoren messen will. Die Studie misst Überfremdungsraten, Kriminalitätsraten,<br />

Arbeitslosenzahlen und interethnische Gewalt, um so zu verlässlichen Aussagen über die Gefahr<br />

drohender ethnischer Unruhen zu kommen. Das Institut vergleicht ähnliche Projekte in den<br />

Niederlanden, Frankreich und England mit Integrationsprojekten in Deutschland.<br />

Lieber Leistungsverfall statt Bürgerkrieg<br />

Zweitens versucht der Staat aktiv, die Parallelgesellschaften aufzulösen, in dem er das Schulsystem<br />

umbaut und die Deutschpflicht in der Schule einführt. Da inzwischen die Hauptschule zur<br />

„Ausländerschule“ verkommen ist, sollen die Hauptschulen aufgelöst und alle Ausländerkinder auf<br />

die mehrheitlich deutschen Realschulen und Gymnasien verteilt werden. Man hofft, dass die Kinder<br />

einander kennenlernen und so ihre Abneigung gegenüber Fremden frühzeitig abtrainieren. Hier<br />

setzen alle sogenannten „Toleranz“-Projekte an: Schulkinder sollen von ihren Familien berichten, um<br />

den anderen Kindern die Distanz zu nehmen. Schulklassen werden in Moscheen geschickt, um die<br />

natürliche Angst vor den fremden Riten und Bräuchen zu überwinden. Hier wiederum stellt der Staat<br />

das Interesse am inneren Frieden und der Vermeidung ethnischer Unruhen über das<br />

Leistungsprinzip. Man ist sich wohl bewusst, dass die Integration türkischer Unterschichten in<br />

deutsche Gymnasialklassen zu einem Absinken des Leistungsniveaus führt, nimmt aber dieses Risiko<br />

bewusst in Kauf in der Hoffnung, größeren Risiken in der Zukunft zu entgehen. Inzwischen propagiert<br />

sogar die CDU.<br />

Da der gesellschaftliche Zerfall in Deutschland schon weit fortgeschritten ist und bereits die Stufe der<br />

ethno-territorialen Segregation, der Besiedlung verschiedener Stadtteile mit verschiedenen Ethnien,<br />

erreicht hat, diskutiert man inzwischen das „busing“ – allmorgendliche Schulbustransporte<br />

türkischer, arabischer und albanischer Kinder in deutsche Schulen und deutsche Kinder in<br />

ausländische Wohngebiete, um die Vermischung zu beschleunigen. In den USA sind übrigens die<br />

Versuche, mittels „busing“ eine Rassenvermischung in den Schulen herzustellen, gescheitert.<br />

Rassismus gegen Deutsche als Staatspolitik<br />

Drittens versucht der Staat, den ausländischen Unterschichten den Weg in gesellschaftliche und<br />

wirtschaftliche Schlüsselpositionen zu ebnen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG war ein<br />

erster Schritt in diese Richtung, was zukünftig Arbeitgebern die Beweislast für Nichtdiskriminierung<br />

zuschiebt. Besonders wichtig ist es der politischen Klasse, Ausländer in den Polizeidienst einzuführen,<br />

um so die Straßen Neuköllns und Ehrenfelds durch Türken in deutscher Polizeiuniform patroullieren<br />

zu lassen. Man hofft so, die Abneigung der Ausländer gegenüber der fremdstämmigen Staatsmacht<br />

einebnen zu können und Rassenunruhen wie denen in Frankreich vorzubeugen. Gleichzeitig haben<br />

die meisten staatlichen und öffentlichen Einrichtungen neben Frauen- und Behindertenbeauftragten<br />

MigrantInnen-Beauftragte eingerichtet, die auf eine quotengerechte Einstellung von Ausländern<br />

achten sollen. Die Hertie-Stiftung hat ein Programm aufgelegt, was gezielt Ausländer mit<br />

hochdotierten Stipendien ausstattet, um ihnen das Studium zu ermöglichen. In Fernsehsendungen<br />

sollen mehr ausländische Gesichter vertreten sein, und die Werbung wird angehalten, die „Differenz“<br />

zu propagieren. Damit hält implizit das Prinzip der ‚affirmative action’, der rassisch-ethnischen<br />

Bevorzugung von Fremden bei der Stipendien- und Arbeitsplatzvergabe, Einzug in die deutsche<br />

Gesellschaft.<br />

Schuldkult als Integrationsmassnahme<br />

Viertens nutzt der Staat seine Museen, Theater, Fernsehstationen und Universitäten, um den<br />

Widerstand der Deutschen gegen ihre Entmachtung als Staatsvolk Deutschlands in Schach zu halten.<br />

In einem kürzlichen Interview mit der ZEIT sagte Wilhelm Heitmeyer, dass die nächsten zwei<br />

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Jahrzehnte entscheidend seien, da sich die Deutschen noch nicht mit dem Minderheitenstatus<br />

abgefunden hätten. Momentan hätten noch Schlagwörter wie ‚Deutschland den Deutschen’ einen<br />

gewissen Resonanzboden, da sie noch nicht gänzlich utopisch seien. In wenigen Jahren fänden solche<br />

Schlagwörter keinen Addressaten mehr.<br />

Dies geschieht mit der erprobten Schuldkult-Rhetorik. Die Deutschen hätten kein Recht mehr auf<br />

eine Existenz als Volk, sondern nur noch als Bevölkerung. Ein guter Deutscher sei heute jemand, der<br />

möglichst wenig deutsch ist. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth drückte diese Politik mit den<br />

Worten aus, dass „die Deutschen nie wieder allein in Deutschland leben“ dürften.<br />

Fünftens benutzt man den mit 24 Mio. Euro Steuergeldern pro Jahr alimentierten ‚Kampf gegen<br />

Rechts’, um den politischen Widerstand der Eingeborenen gegen ihre Entmachtung als Staatsvolk zu<br />

brechen. Inzwischen haben zahlreiche „antifaschistische Initiativen“, die am Steuertropf hängen,<br />

ihren Einsatz um „Antirassismus-Arbeit“ ausgeweitet, um auch noch aus dem 750 Mio. Euro-Topf für<br />

Integration profitieren zu können. Mittlerweile hängen mehrere 10.000 Arbeitsplätze in meist<br />

strukturschwachen Regionen an den Fördermitteln ‚gegen rechts.’<br />

Und sechstens und letztens forciert der Staat die Entstehung einer neuen, europäischen Identität.<br />

Der Staat hofft, dass irgendwann ein Berliner Türke und ein Berliner Deutscher ihre europäischen<br />

Gemeinsamkeiten entdecken und die trennenden nationalen Eigenschaften vergessen. Ursprünglich<br />

hatte die politische Klasse Deutschlands gehofft, dass alle Menschen Europas bereitwillig die<br />

europäische Identität annähmen, als Türken, Deutsche oder Franzosen zu bleiben. Aber dieser Traum<br />

ist seit dem „Nein“ zur EU-Verfassung der Franzosen und Holländer geplatzt. Deshalb propagiert man<br />

jetzt umso aktiver das gemeinsame Europa, bisher ohne erkennbaren Erfolg.<br />

Scheitert die Integrationspolitik?<br />

So bleibt die Frage nach den Erfolgsaussichten der Integrationspolitik. Diese Frage, die momentan<br />

Wissenschaftler beschäftigt, eröffnet ein Kapitel in der deutschen Wissenslandschaft, dass man seit<br />

1945 für geschlossen hielt: das Studienfach Ethnologie oder Volkstumskunde. Die Ethnologie gilt seit<br />

1945 als verpöntes und diskreditiertes Fach. Früher reisten Ethnologen in ferne Länder und<br />

untersuchten fremde Völker und Kulturen auf deren Riten und Bräuche, um zu Erkenntnissen über<br />

menschliche Selbstorganisation zu gelangen. Seit 1945 wollte man nichts mehr von Unterschieden<br />

zwischen Völkern und Kulturen wissen und ging lieber von der naiven Annahme aus, dass alle<br />

Menschen und Kulturen gleich seien. Ethnologische Fachbereiche wurden geschlossen oder rückten<br />

arg nach links.<br />

Die Integrationspolitik der Bundesregierung und der Alltag auf deutschen Straßen werden zeigen,<br />

dass sich manche Völker besser als andere integrieren lassen. Studien über ethnologische oder gar<br />

‚völkische’ Unterschiede im Integrationsprozess stehen noch aus. Zukünftig werden Ethnologen nicht<br />

mehr in ferne Länder reisen, sondern die verschiedenen Parallelgesellschaften in Deutschland und<br />

deren Riten und Bräuche untersuchen. Der Ethnologie stehen glänzende Zeiten bevor.<br />

Bisher gibt es in der Geschichte kein Beispiel für ein längeres, friedliches Zusammenleben zwischen<br />

Christen und Muslimen. Seit der Entstehung des Islams haben Muslime in Hunderten verschiedenen<br />

Kulturen, Religionen, Staaten und Imperien gelebt, aber eine Verschmelzung mit der<br />

nichtmuslimischen Bevölkerung hat es nirgendwo gegeben. So geht man wahrscheinlich recht in der<br />

Annahme, dass sie auch in Deutschland scheitern wird. Die Konsequenzen des Scheiterns werden wir<br />

bald vor unserer Haustür studieren können.<br />

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10 Jahre Schicksalsjahr 1997: Die Wehrmachts-<br />

Ausstellung<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Mittwoch, den 25. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Dem toten Soldaten in die Kehle beißen ...Im Jahr 1997 gelang den Linken ein entscheidender Schlag<br />

gegen die Rechte. Von diesem Schlag hat sich die Rechte nicht erholt. Seitdem ist alles rechts von<br />

Angela Merkel so marginalisiert und diskriminiert, dass diese Situation einen „europäischen<br />

Sonderweg“ markiert. In allen europäischen Staaten sind Konservative entweder stark oder es gibt<br />

eine oder zwei kleine Rechtsparteien im Parlament. In Polen, Frankreich und England regieren heute<br />

bekennende Rechtskonservative. Noch dazu gibt es in all diesen Ländern einflussreiche rechte<br />

Parteien. Deutschland ist heute das einzige Land in Europa, was unter einem dauerhaften linken<br />

Übergewicht leidet. 1997 ging die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ auf Tournee und mit ihr<br />

gelang es den Linken, unsere gesamte Großvätergeneration, die Soldaten der deutschen Wehrmacht,<br />

als Verbrecher zu titulieren.<br />

Diese Ausstellung wurde zusammengestellt vom linken Hamburger „Institut für Sozialforschung“<br />

unter der wissenschaftlichen Leitung von Hannes Heer. Hannes Heer, so wurde später bekannt, war<br />

Mitglied der linksextremistischen und verfassungsfeindlichen DKP. Bald darauf wurden erste<br />

Vorwürfe laut: viele Bilder der Ausstellung seien Fälschungen oder falsch zugeordnet, hier benutze<br />

eine linke Ausstellung gefälschte Fotos, um die deutsche Frontgeneration zu diskreditieren. Und in<br />

der Tat, ein Jahr später wurde die Ausstellung zurückgezogen, und die meisten Bilder entweder als<br />

Fotomontagen, als Fälschungen oder als falsche Zuordnungen entlarvt. Hannes Heer wurde<br />

entlassen, und das Hamburger „Institut für Sozialforschung“ gilt als diskreditiert.<br />

Ein Sieg für die Linken, eine Niederlage für Deutschlands Zukunft<br />

Trotzdem: der Schaden war immens. Die linksextreme Lehrergewerkschaft GEW hatte<br />

Hundertausende Schüler durch die Ausstellung gepeitscht, Gewerkschaften und Kirchen hatten die<br />

Ausstellung in ihren Räumen gezeigt, und so war die Vorstellung des Wehrmachtssoldaten als eines<br />

Verbrechers langsam durch die Poren der Gesellschaft eingesickert und bewirkte einen Linksruck, der<br />

noch bis heute zu spüren ist. Galt bis 1997 es noch als üblich, dass deutsche Politiker fast aller<br />

Parteien sich in der Öffentlichkeit zu den Soldaten der Frontgeneration bekannten, so trauen sich das<br />

heute nur noch Rechte.<br />

So war es ein paar Linksextremisten ohne Aufwand und ohne Geld gelungen, mit gefälschten Fotos<br />

die deutsche Gesellschaft massiv nach links zu verschieben. Die Rechte mobilisierte massiv gegen die<br />

Ausstellung: in München demonstrierten 12.000 Veteranen der Wehrmacht gegen die Ausstellung,<br />

zahlreiche Bundestags-Abgeordnete sprachen sich gegen die Ausstellung aus, mancher Pfarrer<br />

verweigerte seine Räume, viele Schüler sprachen ihre Lehrer auf die Hetze an, viele Zeitungen<br />

brachten negative Berichte. Es gab sogar Brandanschläge entrüsteter Bürger.<br />

Aber aller Aufwand zahlte sich nicht aus. Heute gelten „Soldaten als Mörder“, und die<br />

Wehrmachtsgeneration als nicht traditionswürdig. Kein anderes Land ist bisher schlechter mit seinen<br />

Frontsoldaten umgegangen als die Bundesrepublik. 1997 haben die Konservativen auf ganzer Linie<br />

versagt.<br />

Deshalb bringt die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> aus Anlass des 10. Jahrestages der Wehrmachtsausstellung einen<br />

Artikel von Peter Hild, dem ehemaligen Mitarbeiter des konservativen Bundestagsabgeordneten<br />

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Martin Hohmann und heutigen wissenschaftlichen Leiter der GEDÄCHTNISSTÄTTE für die zivilen<br />

deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges in Borna. Peter Hild hat sich als junger Historiker<br />

couragiert zu Wort gemeldet, u.a. mit Stellungnahmen gegen die Wehrmachtsausstellung und die<br />

pauschale Diffamierung des deutschen Soldaten. Linksextreme mobilisieren bis heute für das<br />

Unrecht. Verleumdungen in linken Gazetten trachteten damals allerdings vergeblich danach, Hild das<br />

Bundesverdienstkreuz aberkennen zu lassen, welches ihm für den (Wieder-)Aufbau deutscher<br />

Soldaten- und Kriegsgefangenenfriedhöfe in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und für<br />

Versöhnungsarbeit zwischen ehemaligen Frontsoldaten und Jugendlichen einst verfeindeter Länder<br />

durch Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog persönlich als jungem Mann verliehen worden war.<br />

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Sch(r)äuble locker?<br />

Donnerstag, den 26. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Nachdem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit seinem Staatsmord-Vorschlag die gröbste<br />

Satire rechts überholt hat, haben wir vorgeschlagen, ihn in ein gepflegtes Behindertenheim<br />

einzuweisen. Da kann er keinen Schaden mehr anrichten; allerdings müßte auch eine Betreuung vom<br />

zuständigen Amtsgericht angeordnet werden, denn die bisherige Entmündigung gibt es ja leider nicht<br />

mehr. Das würde den Frieden wahren helfen und die durchschnittliche politische Kultur in diesem<br />

unserem Lande schlagartig wieder verbessern. Der Vorschlag hat indes eine Vielzahl von<br />

Leserzuschriften zur Folge gehabt. Während mir manche Leser Beifall zollten, mich andere selbst<br />

einen Terroristen schimpften, erhielt ich auch eine Vielzahl weiterer Vorschläge für die<br />

umweltfreundliche Verwahrung der anderen:<br />

Bundeskanzlerin Merkel erhält eine Verkäuferinnenstelle bei C&A. Bevor sie diese antritt muß sie<br />

lernen, wie man passende Jackets auswählt. Nach Ladenschluß kann sie Kommunalpolitik machen,<br />

darf aber nie mehr an einem G8-Treffen teilnehmen, so daß sie dort keine deutschen Interessen<br />

mehr verkaufen kann.<br />

Ulla Schmidt im Pflegeheim<br />

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt übernimmt die Leitung des Alten- und Pflegeheimes, in<br />

dem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble einsitzt. Sie hat allerdings nur und ausschließlich die<br />

Mittel aus der Zwangspflegeversicherung zur Verfügung und muß arabische Pflegekräfte<br />

beschäftigen, die kaum deutsch sprechen.<br />

Bundeskriegsminister Dr. Franz Josef Jung erhält einen Wohnsitz in Gaza, genau im Schußfeld der<br />

israelischen Armee. Wenn es ihm dort zu heiß wird, feiert er in Afghanistan mit der örtlichen<br />

Bevölkerung Hochzeiten, besonders die, die die Amerikaner aus der Luft beobachten.<br />

“Münte“ arbeitet zum Mindestlohn<br />

Vizekanzler und Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Müntefering arbeitet künftig zum<br />

Mindestlohn als Fensterputzer am Potsdamer Platz an einem bekannten Hochhaus.<br />

Außenminister Dr. Frank Walter Steinmeier tingelt auf Vortragsreise durch China und erklärt, warum<br />

Kernkraft bäh-bäh ist und 1,4 Mrd. Menschen von Wind- und Sonnenkraft leben sollen. Als Lohn<br />

erhält er nur CO2-Credits statt Geld, aber die sind ja wenigstens handelbar ...<br />

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen arbeitet als alleinerziehende Mutter als Teilzeitkraft<br />

in einem Kindergarten mit 80% Ausländerkindern. Sie hat ein Einkommen in der Gleitzone im Bereich<br />

von 400 bis 800 Euro und bezieht nebenbei Hartz IV. Sie muß allerdings auf alle ihre Domestiken zur<br />

Aufzucht der eigenen Kinder verzichten und in einer unsanierten Dreizimmer-Plattenbauwohnung<br />

aus DDR-Zeiten leben ... Falls diese Wohnung noch zu groß sein sollte, wird ihr vom örtlichen<br />

Sozialamt ein Zimmer zugesperrt und jede Woche kontrolliert, daß dort auch die Heizung ausgestellt<br />

bleibt.<br />

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, bekanntlich ein Maoist, richtet in sozialistischer<br />

Gemeinschaftsarbeit mit seinem ebenfalls maoistischen Parteikumpanen G. Schröder Gedenkstätten<br />

für die Opfer der Kulturrevolution in Kambodscha und in China ein.<br />

Der ehemalige Außenminister Josef "Joschka" Martin Fischer wird von der CIA in einem illegalen<br />

Gefangenentransport per Learjet nach Berlin zurückgebracht und dort als Streifenpolizist auf Nazi-<br />

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Demos zwischen NPD-Mitgliedern und Autonomen eingesetzt, aber natürlich unbewaffnet. Vorher<br />

nimmt er an einem Antigewalt-Training und einem Lehrgang über Deeskalation teil.<br />

Sigmar Gabriel sitzt bei Windstille im Dunkeln.<br />

Der gegenwärtige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erhält eine Aushilfsstelle bei der<br />

Bundesagentur für Arbeit. Dort übernimmt er die Beratung der Arbeitnehmer, die durch den<br />

Emissionshandel ihre Arbeitsplätze verloren haben. Seine Dienststelle ist unbewacht und Gabriel hat<br />

keine Alarmeinrichtung, die anderswo in den Arbeitsämtern freilich längst zur Standardausrüstung<br />

gehört. Zu Hause erhält er nur Strom aus einer umweltfreundlichen Windkraftanlage, sitzt also bei<br />

Windstille im Dunkeln.<br />

Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin erhält eine ehrenamtliche Stelle beim Weißen<br />

Ring und kümmert sich dort insbesondere um die Überlebenden und Nachkommen der Opfer des<br />

RAF-Terrors. Er hat sich selbst als Einwegflasche dazu verurteilt, Mehrweg- von Einwegflaschen mit<br />

und/oder/ohne Pfand zu sortieren und von Laden zu Laden umherzutingeln, um sein Gelumpe<br />

zurückgenommen zu bekommen. Die unnötigen Kommentare der Kassenkräfte an den diversen<br />

Supermärkten ("Die nehmen wir nicht an!" oder "Sie können das hier nicht zurückgeben, wenn sie<br />

das nicht hier gekauft haben!") werden ihm dabei vom aufgebrachten Mob auf die Stirn tätowiert.<br />

Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-<br />

Zeul erhält einen Kurzurlaub in der afrikanischen Ferienregion Darfur, darf sich dort aber nur mit<br />

landestypischen Verkehrsmitteln bewegen.<br />

Otto Schily verteidigt die Opfer von Terrorangriffen – und nicht wie<br />

früher die Terroristen.<br />

Der Abgeordnete und ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily darf weiter als Rechtsanwalt<br />

arbeiten, aber nur noch die Opfer von Terrorangriffen verteidigen, niemals dagegen mehr die<br />

Terroristen selbst.<br />

Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Horst Seehofer erhält eine<br />

gutbezahlte Stelle in einem fleischverarbeitenden Betrieb.<br />

Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan leitet ab nächstem Monat<br />

Alphabetisierungsmaßnahmen für Erwachsene und Anpassungskurse für Jugendliche ohne Lehrstelle<br />

für acht Euro pro Stunde.<br />

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele fühlt sich anhand des Schicksals des<br />

Bruders seiner Mutter, Ritterkreuzträger Harald Zimmermann ("Toor, Toor, Tooooooooor!"-Rufer bei<br />

der Fußball-WM 1954 in Bern), dazu berufen, gemeinsam mit Hannes Heer und Jan-Philipp<br />

Reemtsma Tingeltangel-Ausstellungen zu konzipieren unter dem Titel „Meine Verwandten waren<br />

keine verbrecherischen Soldaten“.<br />

Alle Bundespolitiker, die an der Tradierung des Enteignungs-Unrechtes der SED-Diktatur beteiligt<br />

waren, werden selbst enteignet und zwangseinquartiert in die noch stehenden Arbeiterwohnsilos<br />

der antinationalen Sozialisten in Schwedt an der Oder.<br />

Sämtliche Bundespolitiker, die die grundgesetz- wie völkerrechtswidrigen Entsendungen deutscher<br />

Soldaten in nichtdeutschem Interesse ins Ausland beschlossen und den jeweiligen Verlängerungen<br />

zugestimmt haben, werden mitsamt ihrer Familienangehörigen haftbar gemacht und als<br />

Dienstpflichtige nach Timbuktu, an den Hindukusch, in den Sudan und vor die Küste Palästinas<br />

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zwangseingezogen. Diejenigen Abgeordneten und deren Familienmitglieder ohne militärische<br />

Grundausbildung füllen Küchen- und Bütteltrupps der westlichen Imperialismusmächte auf.<br />

Die Welt ist trotzdem noch nicht gerettet.<br />

Man kann auf diese Art zwar die Welt nicht retten, aber das wollen wir bekanntlich ja auch gar nicht.<br />

Vielleicht würden einige der Parasiten aber auf diese Art wieder ein Gefühl für die Wirklichkeit in<br />

diesem Lande bekommen, und das würde diesem Lande gut bekommen ... Sie wissen schon, das<br />

Bundeskabinett macht einen Bootsausflug auf dem Müritz-See. Das Boot kentert und sinkt. Wer wird<br />

zuerst gerettet? Richtig, Deutschland.<br />

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Die natürliche Ordnung<br />

Dienstag, den 31. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Eine Erläuterung der Hauptthesen aus „Demokratie – Der Gott, der keiner<br />

ist“<br />

„Geordnete Anarchie“? Anarchokapitalismus? Vereinen diese beiden Begriffe nicht sich<br />

ausschließende Gegenteile? Eine Anarchie ist eine Herrschaft des Chaos und lehnt jegliche Ordnung<br />

ab. Und Anarchisten, daß sind die, die bei den großen Anti-Globalisierungsdemonstrationen<br />

randalierend in Erscheinung treten. Richtig?<br />

Nein! Dieser Gedankenkette liegen mehrere Irrtümer zugrunde. Wenn wir über „geordnete<br />

Anarchie“ oder Anarchokapitalismus sprechen, so beinhalten diese Ideen nicht das Zerstören<br />

jeglicher Werte und gesellschaftlicher Planung, sondern es handelt sich um eine Gesellschaftstheorie<br />

des in den USA lebenden, deutschen Nationalökonomen Prof. Dr. Hans-Hermann Hoppe, der damit<br />

die größtmögliche Freiheit des einzelnen sowie des Privateigentums verwirklichen will. In seinem<br />

Werk „Demokratie – Der Gott, der keiner ist“ legt Hoppe eine Gesellschaftskritik vor, die sowohl die<br />

geschichtliche Entwicklung der letzten 200 Jahre erfaßt als auch ein Konzept für die Zukunft anpreist.<br />

Hoppe beleuchtet drei Gesellschaftsformen. Zum einen ist dies die Monarchie, die beginnend mit der<br />

„Französischen Revolution“ peu a peu in der westlichen Welt abgelöst wurde. Die Demokratie trat an<br />

ihre Stelle. Dem entgegen stellt Hoppe sein eigenes Konzept, die „geordnete Anarchie“. Dieses<br />

System bezeichnet er als „natürliche Ordnung“.<br />

Mit der These, daß der Übergang von Monarchie zu Demokratie einen moralischen, politischen und<br />

wirtschaftlichen Verfall verursachte, überrascht Hoppe seine Leser. Ein demokratischer Staat besitze<br />

einen Machtapparat, der ständig versucht, seinen eigenen Einfluß zu mehren und somit immer<br />

totalitärer wird. Dieser Prozeß finde auf dem wirtschaftlichen Sektor seine Anwendung. So steigt der<br />

Staat zu dem größten Monopolisten auf und verschwendet Kapital. In einer Monarchie hingegen<br />

bleibe die Macht des Herrschers immer gleich. Da sich der Monarch gegenüber seinem Volk nicht<br />

ständig erklären muß, wie dies in Demokratien mittels Wahlen notwendig ist, kann er eine langfristig<br />

orientierte Politik verfolgen. Sein Interesse beschränkt sich darauf, seinem Volk bestmöglich zu<br />

dienen. Dies gilt sowohl für das Militär als auch für die Wirtschaft. Hoppe vergleicht die Monarchie<br />

häufig mit einem Unternehmen. Der Chef in ihm wünscht sich den höchstmöglichen Profit. Dieser ist<br />

nur dann möglich, wenn seine Angestellten zufrieden und motiviert sind. Deshalb wird der Monarch<br />

die Bürger seines Landes durch Eingriff in deren Privatsphäre auch nicht verärgern wollen.<br />

In einer Demokratie fehlt dem Politiker dieses Eigeninteresse, da er nur schauen muß, wie er die<br />

nächste, baldige Wahl gewinnt. Häufige Wahlen und kurze Legislaturperioden verhindern eine<br />

umsichtige Politik und fördern Schnellschüsse, die überregulierend auf Wirtschaft und Privatleben<br />

wirken. Da das Gros der Masse den unteren Bevölkerungsschichten angehört, bewirkt dies laut<br />

Hoppe eine Umverteilung der Macht und finanziellen Mittel von den intelligenten, erfolgreichen<br />

Bürgern hin zu den weniger schlauen und erfolglosen.<br />

Hoppe belegt, daß durch „Mehr Demokratie“ eine schleichende Verstaatlichung einsetzt. Dabei<br />

bleibt es jedoch nicht, da er noch einen Schritt weiter geht. Der demokratische Staat kontrolliere und<br />

reglementiere unser geistiges Eigentum zunehmend. Während in einer Monarchie ausgebildete,<br />

fähige Beamte mit einem Herrscher an der Spitze die Geschicke leiten, regiert heute indirekt die<br />

Masse. Aus diesen provokanten Thesen leitet Hoppe seine Antipathie der Demokratie gegenüber her.<br />

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In der Monarchie sieht er allerdings auch längst nicht das optimale Gesellschaftssystem. Die<br />

größtmögliche Freiheit des Einzelnen und dessen Eigentum können in der von ihm konzipierten<br />

„natürlichen Ordnung“ am besten gewährleistet werden.<br />

Diese „natürliche Ordnung“ basiert auf dem Privateigentum sämtlicher Güter und Dienstleistungen.<br />

Hoppe wünscht sich, das Justizwesen sowie die innere und äußere Verteidigung in Privateigentum zu<br />

überführen. Dies fördere die Konkurrenz auf allen Ebenen. Das Leistungsprinzip bewirkt einen<br />

Preisfall und ein gleichzeitiges Ansteigen der Qualität der entsprechenden Ware bzw. Dienstleistung.<br />

Um diese Veränderungen durchführen zu können, bedarf es laut Hoppe der Abschaffung des Staates<br />

in der Form, wie wir ihn heute kennen. An seine Stelle sollen kleine, private Gruppen treten, die<br />

freiwillig miteinander wirtschaften und kooperieren. Bei diesen Gruppen handelt es sich um<br />

freiwillige, in den meisten Fällen wohl eher zweckmäßig vereinte Zusammenschlüsse. Sie verwalten<br />

sich selbst, zahlen keine Steuern oder sonstige Abgaben an einen Staat und werden weder durch<br />

Repräsentanten noch durch einen Herrscher eines Landes dirigiert. Diese entstandenen kleinen<br />

Zellen der Gesellschaft wirken zusammen, da jede Zelle eine bestimmte Funktion erfüllt und<br />

gleichzeitig von einer anderen Zelle profitiert. Durch gegenseitigen Handel der privaten<br />

Zusammenschlüsse werden alle Schwerpunkte zur Organisation einer Gemeinschaft erledigt und dies<br />

wesentlich besser als heute, da für jeden ein wirtschaftlicher Anreiz besteht, bestmöglich zu<br />

arbeiten.<br />

Eine Organisation des Gemeinwesens in dieser Art fordert vom Menschen wesentlich mehr<br />

Eigeninitiative, aber bringt ihm auf der anderen Seite einen größeren Handlungsspielraum. Er muß<br />

nur noch für das bezahlen, was er möchte und arbeitet nur mit den Leuten zusammen, mit denen er<br />

es auch will. Halt soll dem Einzelnen weiterhin die Familie geben. Hoppe geht davon aus, daß sich<br />

mehr auf Familie oder auf die Dorfgemeinschaft besonnen wird, wenn soziale<br />

Entscheidungskompetenzen dem Staat entzogen und zu kleinen Gemeinschaften verlagert werden.<br />

Somit würde in einer „natürlichen Ordnung“ eine gesellschaftliche „Planung von unten“ stattfinden.<br />

Diese Idee mag ein wenig an die Kleinstaaterei im restaurativen Deutschland nach dem Wiener<br />

Kongreß 1815 erinnern. Und tatsächlich zielt Hoppe auf die Zersplitterung der Staaten ab. Diesen<br />

Prozeß der stetigen Auflösung des Staates nennt Hoppe Sezession. Umgesetzt durch einen autarken<br />

Lebensstil kleiner Gemeinschaften, die nur mit Gleichgesinnten kooperieren, könne so die Macht des<br />

Staates gebrochen werden.<br />

Angefangen von der Lösung politischer Probleme wie einer ausufernden Bürokratie bis hin zu einem<br />

Mentalitätswandel, der die Menschen wieder langfristiger denken läßt, erhofft sich Hoppe eine<br />

grundlegende Verbesserung gesamtgesellschaftlicher Zustände. Inwiefern dies tatsächlich erreicht<br />

werden kann, bleibt fraglich. Die gelungene Umsetzung der Sezession in Deutschland ist utopisch und<br />

ob eine Gesellschaft ohne einheitliche, staatliche Justiz und Verteidigung funktioniert, ist mehr als<br />

unklar. Dennoch besticht Hoppes Analyse der Monarchie und Demokratie. Sie weist auf bisher<br />

ungelöste Probleme in unserem Herrschaftssystem hin und bietet Ansätze zu deren Lösung. Wie man<br />

auch immer Hoppes Modell der „natürlichen Ordnung“ beurteilen mag, eines bleibt positiv<br />

festzuhalten. Den Weg aus jeglicher Krise bewältigt derjenige am besten, der sich nicht auf Politik,<br />

Staat oder andere unantastbare Institutionen verläßt, sondern selbst anpackt.<br />

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Bunt statt braun<br />

Montag, den 06. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Bunt<br />

In den letzten Wochen war die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> Anschuldigungen von rechts und links ausgesetzt. Eine<br />

Leserin warf uns vor, uns zu sehr von rechts zu distanzieren. Eine grüne Jugendgruppe bezeichnete<br />

die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> als NPD-nahe „Nazis“, und eine Bürgerinitiative beschuldigte uns des Populismus.<br />

Deshalb bekennen wir Farbe:<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> ist bunt statt braun.<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> ist blau wie die Blume der Romantik. Sie ist schwarz wie die Fahne der deutschen<br />

Rebellion, des Bundschuh, und wie die Uniformen von Lützows Schwarzen Jägern. Sie ist weiss wie<br />

die Farbe des wehrhaften Bürgertums, des Adels und der Weissgardisten. Sie ist schwarz-weiss wie<br />

die Fahne Preussens. Sie ist feldgrau wie das deutsche Ehrenkleid. Sie ist weiss-rot wie die Farben des<br />

deutschen Kaisertums und Schwarz-Rot-Gold wie die Fahne der jungen Männer, die in Hambach<br />

feierten.<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> steht für Vielfalt statt Einfalt. Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> vertritt nicht eine Meinung,<br />

sondern ein Spektrum: Wir sind junge Konservative, Freiheitliche, Bündisch-Jugendbewegte,<br />

Nationalprotestanten, Katholiken, Nationalliberale, Bürgerliche. Die Autoren reflektieren in ihren<br />

Artikeln unterschiedliche Positionen. Netzverweise geben nicht die Sicht der Redaktion wieder Einig<br />

sind sich die Autoren in der Verantwortung vor unserem Volk, unserer Geschichte und unserem<br />

Land.<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> ist skeptisch gegenüber Parteigründungen und behält sich das Recht auf Kritik<br />

gegenüber jeder Partei vor. In Gegensatz zu Maulhelden vom linken und rechten Rand stellen wir<br />

nicht die ‚Systemfrage’. Wir glauben nicht, dass das ‚System’ Fehlentwicklungen unserer Gesellschaft<br />

zu verantworten hat. Wir sind uns bewusst, dass es der Mehrheit aller Deutschen nie besser ging als<br />

heute. Eine andere Regierungsform bringt nicht das Heil. Wir glauben nicht, die Verantwortung für<br />

unser Land und unser Volk aller vier Jahre per Wahlkreuz abgeben zu können. Wir glauben, dass<br />

allein der Deutsche selbst Verantwortung für sich, sein Land und sein Leben trägt.<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> „verherrlicht“ nicht die deutsche Geschichte, sondern ist aus einer patriotischkonservativen<br />

Sicht heraus kritisch gegenüber Fehlern und Brüchen im Weg, den unser Volk ging und<br />

geht. Wir sind stolz auf auf die Leistungen aller deutschen Staaten. Wir sind stolz auf die Leistungen<br />

aller deutschen Männer und Frauen in Krieg und Frieden. Wir sind uns bewusst der Verpflichtungen,<br />

die diese Leistungen an uns stellen. Wir achten die Toten anderer Völker, aber wir betrauern unsere<br />

Toten. Sie sind bei uns. Wir ehren ihr Andenken und schaffen ihnen Gehör.<br />

Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> lässt sich nicht von aussen ‚Distanzierungen’ aufzwängen. Unser Profil distanziert<br />

uns von selbst. Wir beugen uns keinen Denkverboten und Konventionen, weder denen der<br />

politischen Korrektheit noch denen politischer Ambitionen. Unsere Konventionen kommen aus<br />

unserem Erbe und uns selbst.<br />

Unser Anspruch ist hoch, vielleicht zu hoch für die Masse: wir bieten kein Heilsversprechen, keine<br />

Utopie, keinen Himmel auf Erden. Wir bieten keine kuschelige Seeligkeit. Wir glauben nicht, dass am<br />

deutschen Wesen die Welt genesen solle. Wir wollen nicht die Welt retten. Wir lösen nicht alle<br />

Widersprüche. Wir sind kritisch gegenüber Schwätzern von rechts und links. Unser Anspruch gilt nur<br />

wenigen, den Starken, den Zweiflern und Denkern.<br />

275


Wir wissen um den Anspruch, den uns unser Erbe stellt: Wir sind die Erben von 2000 Jahren<br />

Geschichte. Wir sind die letzten Überlebenden eines der ältesten Kulturvölker der Welt und wir<br />

wissen um die Last, die auf unseren Schultern liegt. Wir allein, nicht „der Staat“, „das System“ oder<br />

„die Parteien“ - nur wir allein tragen die Sorge für das Weiterleben deutscher Kultur und deutschen<br />

Seins. Wir sind nur ein Glied in der langen Reihe von Deutschen vor uns und nach uns, die sich um ihr<br />

Land sorgen. Und heute ist es an uns, das unsrige zu tun, unseren Kindern und Enkeln ein Land zu<br />

hinterlassen, dass beides ist: lebenswert und deutsch.<br />

276


Bismarcks Urenkel<br />

Montag, den 06. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Jagdgeschwader Udet<br />

Vor einem Monat starb Bismarcks Urenkel - der PDS-Bundestagsabgeordnete Heinrich Graf von<br />

Einsiedel. Einsiedel galt als Unikum: zum einen war er Jagdflieger der deutschen Luftwaffe während<br />

des Krieges. Bismarcks Urenkel galt lange als Vorzeige-Offizier der Wehrmacht, da er angeblich in<br />

sowjetischer Gefangenschaft erkannt habe, dass Deutschland einen ungerechten Krieg führte. Zum<br />

zweiten war Einsiedel eines der illusteren Mitglieder der PDS-Bank im Bundestag, und die Sozialisten<br />

wurden nicht müde, seinen Namen besonders gegenüber Konservativen zu betonen.<br />

Einsiedel<br />

Ein sowjetisches Propagandaflugblatt an deutsche Soldaten mit dem Aufruf von Einsiedel zum<br />

Überlaufen: "Ich bin schon zur Überzeugung gelangt, dass wir einen so grossen Staat wie Russland<br />

nicht mehr besiegen können. Drum macht bald Schluss mit dem Krieg...Mein Urgroßvater Bismarck<br />

hat schon Recht gehabt, als er sagte, wir sollen nicht gegen Russland Krieg führen..."<br />

Der Vorzeige-Adlige der Linken<br />

Die zahlreichen Nachrufe auf Graf Einsiedel in der deutschen Presse betonten sein „hitler-kritisches<br />

Elternhaus“. Doch bei Lichte besehen war das wohl eher die offizielle Sprachregelung der Linkspartei.<br />

Der spätere SPD-Parlamentarier im Abgeordnetenhaus vonBerlin, Gerhard Beier, mit dem Ritterkreuz<br />

des Eisernen Kreuzes hochdekoriert, berichtete, dass Graf Einsiedel als Pimpf gegenüber seinen<br />

jungen Gefährten im Fähnlein Berlin-Steglitz prahlte, daß sein Vater Standartenführer der SA sei.<br />

Beier schilderte seinen damaligen Fähnleinführer als egoistisch, feige und egozentrisch.<br />

Heinrich Graf von Einsiedel diente im Zweiten Weltkrieg als Jagdflieger, zuletzt an der Ostfront, wo er<br />

nach dem Abschuss seiner Maschine in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet. Dort stiess er bald<br />

auf deutsche Kommunisten, die systematisch die Kriegsgefangenenlager nach Intellektuellen<br />

durchsuchten und schloss über die Antifagruppen der Lager Bekanntschaft mit dem Führungszirkel<br />

des zukünftigen Nationalkomitee ‘Freies Deutschland’ (NKFD).<br />

Ein weiterer Mitbegründer des Nationalkomitee Freies Deutschland war Generalfeldmarschall<br />

Paulus, der die 6. Armee in Stalingrad befehligte und sich weigerte, Hitlers Befehl des ‚Kampfes bis<br />

zur letzten Patrone’ auszuführen und im Frühling 1943 mit den noch verbliebenen 90.000 deutschen<br />

Soldaten der 6. Armee kapitulierte.<br />

Mit Paulus hatten die Sowjets einen prominenten General in der Hand und konnten ihn im August<br />

1944 zum Eintritt in das NKFD bewegen. General Paulus wurde bald der Vorzeigegeneral des NKFD,<br />

daß sich bereits am 12. Juli 1943 in Krasnogorsk bei Moskau gründete. Der kommunistische<br />

Schriftsteller und Sowjetemigrant Erich Weinert wurde zum Präsidenten gewählt. Auch die gesamte<br />

Führungsriege der KPD im Exil - Anton Ackermann, Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht – waren im<br />

NKFD vertreten. Heinrich Graf von Einsiedel wurde letztlich sogar zum Vizepräsident des NKFD<br />

ernannt.<br />

Verrat oder Idealismus?<br />

Sinn, Zweck und Stossrichtung des Nationalkomitee Freies Deutschland gilt unter Historikern nach<br />

wie vor umstritten. Faktisch bestand das NKFD aus einer stetig wachsenden Gruppe deutscher<br />

Offiziere, die in einem Kriegsgefangenenlager ausserhalb Moskaus bei sehr guter Verpflegungslage<br />

und laxer Aufsicht miteinander diskutieren durften und alsbald eine eigene Zeitung und einen<br />

277


Rundfunksender besassen. Ab Ende 1943 begann das NKFD, Soldaten der Wehrmacht per Frontradio<br />

und Lautsprecherübertragungen zum Überlaufen zu bewegen, und das nicht gänzlich ohne Erfolg. So<br />

gab sich im Juli 1944 Generalleutnant Vincenz Müller freiwillig gefangen. Bis zum 22. Juli 1944 folgen<br />

ihm 17 Generäle der ehemaligen Heeresgruppe Mitte, die beim Zusammenbruch der deutschen<br />

Front in Gefangenschaft gerieten und ihren Beitritt zum NKFD erklärten.<br />

Das NKFD beschränkte sich keineswegs nur auf mündliche ‚Wehrkraftzersetzung’. In einer Reihe von<br />

Fällen setzten NKFD-Mitglieder gefälschte Funksprüche an deutsche Truppen ab, um sie in die Irre<br />

und Sowjettruppen vor die Kimme zu locken.<br />

Deutsche Offiziere in Stalins Händen<br />

Was Stalin mit dem NKFD bezweckte, ist unklar. Manche Historiker vertreten die Ansicht, dass Stalin<br />

die kriegsgefangenen Offiziere als Erpressungsmasse nutzen wollte, um Hitler zu beeinflussen.<br />

Andere Historiker sehen im NKFD den Versuch, eine halbwegs legitime Exilregierung des Deutschen<br />

Reiches jenseits der Grenzen aufzubauen. Dritte sehen es als Versuch deutscher und sowjetischer<br />

Kommunisten, durch das NKFD Einfluss auf das bürgerliche und konservative Deutschland zu<br />

gewinnen. Es war für deutsche Offizier schlechterdings unmöglich, gemeinsam mit deutschen<br />

Kommunisten und dem Feind hinter der Front Propaganda gegen die eigene Truppe zu verbreiten.<br />

Deshalb hofften die Exil-KPD und die Sowjetführung auf Männer wie General Paulus und Graf<br />

Einsiedel, die in der Truppe einen klangvollen Namen besaßen.<br />

Neben dem NKFD gab es auch den BDO, den "Bund Deutscher Offiziere", in dem die umgepolten<br />

Wehrmachts-Offiziere in sowjetischer Kriegsgefangenschaft organisiert waren. Von ihren<br />

eidgetreuen früheren Waffengefährten wurden die Opportunisten unter den Verrätern (die neben<br />

den wenigen Überzeugungstätern die Mehrheit ausmachte) "Kaschisten" genannt, denn für eine<br />

Portion russischen Hirsebrei (Kascha) verrieten sie ihre Kameraden und überließen so manchen von<br />

ihnen dem Tod hinter Stacheldraht. Die Todesumstände des früheren Olympiasiegers und<br />

Militärattachés Oberstleutnant i.G. Konrad Frhr. v. Wangenheim und des jüdischstämmigen<br />

Ritterkreuzträgers Generalleutnant Hans-Heinrich Sixt v. Armin 1952 bzw. 1954 in den Lagern von<br />

Stalingrad gälte es hier einmal genauer unter die Lupe zu nehmen durch um Wahrheit bemühte<br />

Historiker. Beide galten als charakterfest gegenüber den Intrigen des NKWD und NKFD, die zur<br />

Vergrößerung des Leidwesens deutscher Kriegsgefangener Hand in Hand gingen.<br />

Deutsche Offiziere empfanden die Mitarbeit im NKFD als ein faustisches Angebot: viele Offiziere<br />

hatten aus verschiedenen, meist militärischen Gründen Vorbehalte gegenüber Hitler. Besonders in<br />

den letzten beiden Jahren des Krieges, als viele die Niederlage für unausweichlich hielten, äußerten<br />

sich einige zunehmend kritisch gegenüber der Kriegsführung und hofften auf einen Waffenstillstand.<br />

Nur so, aus einer gefestigten Verteidigungsstellung und einer Position der Stärke liesse sich mit Stalin<br />

oder den Westalliierten um einen Frieden verhandeln. Allerdings war es von der Kritik an Hitlers<br />

Kriegsführung bis zur aktiven ‚Wehrkraftzersetzung’ der eigenen Truppe – und das noch in<br />

Zusammenarbeit mit deutschen Kommunisten – ein weiter Schritt. Nur wenige Offiziere waren dazu<br />

bereit. Diesen wenigen allerdings lockten privilegierte Bedingungen, ein satter Magen und eine gute<br />

Chance, wenigstens irgendwann wieder nach Deutschland, nach Hause zu kommen. Wohlgemerkt,<br />

von den 90.000 deutschen Männern, die sich in Stalingrad ergaben, kamen nur 6.000 je wieder nach<br />

Hause. Die anderen 84.000 wurden erschlagen, erschossen, zu Tode gearbeitet oder erfroren und<br />

verhungerten in sibirischen Bergwerken.<br />

Für einen Teller warmer Suppe<br />

278


Die Mitarbeit im NKFD oder in den vielen Antifagruppen der Kriegsgefangenenlager war also<br />

keineswegs freiwillig, und auch hier war klar, daß man mit Spitzelberichten über seine Kameraden<br />

sich eine warme Suppe extra verdienen konnte. Graf Einsiedel hielt in den Lagern in Pelzkleidung vor<br />

hungernden und dürftig bekleideten Gefangenen Politreden, die in der Drohung gipfelte, dafür zu<br />

sorgen, daß einige der Gefangenen nicht mehr lebend das sowjetische Lagersystem verlassen<br />

würden - wenn sie sich nicht wie er zur bolschewistischen Diktatur wenden würden.<br />

Unbestritten ist jedoch, dass das NKFD mit dem Sieg der sowjetischen Armee an Bedeutung für Stalin<br />

verlor und bald aufgelöst wurde. Die Überläufer hatten ihren Dienst getan, man brauchte sie nicht<br />

mehr. Viele NKFD-Offiziere bauten später die Nationale Volksarmee NVA der DDR auf. Auch Graf<br />

Einsiedel zog es 1945 in die sowjetische Besatzungszone, wo er erst als Journalist arbeitete, bevor er<br />

sich 1947 mit dem Beginn des Kalten Krieges in die Westzonen absetzte.<br />

Die Aktivisten des NKFD versammeln sich (als "DRAFD"-Verband) noch heute zu ihren<br />

Zusammenkünften in der 'Gedenkstätte Deutscher Widerstand' - dem früheren Gebäude des OKH in<br />

der Berliner Stauffenbergstraße. Entgegen mancher Verlautbarung aus diesen Kreisen gab es nicht<br />

nur Pläne, die umgedrehten deutschen Kriegsgefangenen und nützlichen Idioten der Bolschewiken<br />

mit schwarz-weiß-roten Armbinden in Kampfformationen an der Seite der Roten Armee gegen ihre<br />

früheren Kameraden der Deutschen Wehrmacht einzusetzen, was die erhaltenen schriftlichen<br />

Vorschläge des ehemals deutschen Generals der Artillerie Walther v. Seydlitz-Kurzbach an<br />

"Generalissimus" Josef Stalin beweisen. Es kämpften tatsächlich NKFD-Leute gegen deutsche<br />

Vaterlandsverteidiger, beispielsweise in Ungarn, in Hinterpommern, an der Oderfront und um<br />

Schlesiens Hauptstadt Breslau. Zahlreiche Wehrmachtssoldaten berichten von den Kämpfen<br />

Deutscher gegen Deutsche. In Breslau fiel der frühere Kampfgefährte des eidtreuen<br />

Ritterkreuzträgers Leutnant Georg Bose, Oberleutnant Heinz Vieth, im Kampf gegen eine ukrainische<br />

Freiwilligeneinheit der Waffen-SS. Auf dem dortigen sowjetischen Soldatenfriedhof hat diese<br />

fragwürdige Person seine Grablege gefunden. Überlebende Aktivisten des NKFD und BDO nahmen<br />

herausragende Stellungen in der SBZ und DDR ein. Zwei Inhaber des Deutschen Kreuzes in Gold<br />

erlebten sogar noch den Mauerfall und die Jahrtausendwende: Hauptmann Dr. Gerhard Dengler,<br />

Professor an der Diplomaten-Kaderschmiede DASR in Potsdam-Babelsberg und Präsident des<br />

Nationalrates der Nationalen Front der DDR und Hauptmann Bernhard Bechler, erster Innenminister<br />

von Brandenburg, Generalmajor der Kasernierten Volkspolizei (KVP) und NVA und Kommandeur der<br />

Offiziersschule in Dresden. Hauptmann Bechler war als Offizier im OKW Mitentwerfer des "Plans<br />

Barbarossa", des Angriffsplans auf die UdSSR. Bechler ließ seine erste Frau, die ihm und seinen<br />

früheren Idealen loyal geblieben war, in SBZ-Lager verschleppen, in DDR-Gefängnissen martern und<br />

im Zuchthaus Waldheim zum Tode verurteilen. Und nicht zu vergessen der desertierte Unteroffizier<br />

Heinz Kessler, als Generaloberst der NVA Minister für Nationale Verteidigung der DDR.<br />

279


Wenn der Staat ein Moloch ist<br />

Dienstag, den <strong>07</strong>. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Daniel Bigalke<br />

Erfolgt die Wertbestimmung des Menschen innerhalb einer Fassade seiner reinen<br />

Funktionsbestimmung, innerhalb seiner Reduzierung auf ein produktives Abstraktum, so wächst<br />

damit der Leerraum zwischen dem, was der Mensch gern tut, und dem, wovon er aber abhängt. Hob<br />

der Staat einst den freien und einzigen Menschen hervor, integriert in seine Gemeinschaft und<br />

wirkend an seiner ihm gemäßen Stelle innerhalb eines Ganzen, so wird der Einzelne heute zur<br />

strategisch steuerbaren Spielfigur, eingepaßt in ein politisches System, das mit begrifflichen<br />

Kategorien, Tarifen, Steuern und mit in sich parteilich rivalisierenden Gruppen operiert.<br />

Der Staat begegnet seinem Bürger in amtlichen Droh- und Forderungsbriefen. Der Einzelne als Bürger<br />

aber erkennt im Zeitalter verarmter kommunaler Finanzmittel kaum noch eine merkliche<br />

Gegenleistung, vielmehr zerstörte Straßen, beschmutzte Parks, beschmutzte Schulgebäude.<br />

Beschäftigung und sozialer Frieden – wenn auch nur konjunkturell, niemals strukturell gesichert –<br />

werden dabei über die finanzielle Abhängigmachung des Einzelnen vom Staate realisiert. Diese<br />

menschliche Reduktion durch den zugleich existenten Überhang an Lebensstandard bleibt zumeist<br />

trotzdem unbemerkt. Sie geht im Gewandt der Bereicherung einher, betäubt die innere Unruhe,<br />

wirkt als konsumgetränkter Tranquillizer gegen Depression und Angst. Der Einzelne gerät zur<br />

indifferenten Fabrikware des Staates.<br />

Stirner und sein Hauptwerk<br />

Max Stirner, ein Pseudonym für seinen echten Namen Johann Caspar Schmidt (1806-1856), machte<br />

sich recht früh Gedanken über diese Tendenzen, die heute recht aktuell anmuten. Sein nunmehr<br />

wieder im Area-Verlag vorliegendes Hauptwerk, zuerst erschienen 1844, ist Ausdruck seiner<br />

Reflexion über den Zustand des Einzelnen in diesen Zeiten der Standardisierung menschlicher<br />

Bedürfnisstrukturen. Das Buch wurde einst, wie alle Beiträge der junghegelianischen Diskussion,<br />

schnell vergessen. Es erfolgten aber zwei Wiederentdeckungen. Die beiden Stirner-Renaissancen<br />

(1893 und 1968) erfahren hiermit erfreulicherweise eine erneute und wiederum völlig angebrachte<br />

Fortsetzung, war Stirner doch ein Denker, der zu allen Zeiten Intellektuelle als Fürsprecher fand. Dies<br />

waren zumeist die wenigen Erlesenen. Stirner selbst immatrikulierte sich 1826 an der Berliner<br />

Universität, wo er bei Hegel und Schleiermacher hörte und trat schließlich 1839 seine erste feste<br />

Stellung als Lehrer in Berlin an. Ab 1841 war er Gast einer Gruppierung von oppositionellen<br />

„Intellektuellen" um den Ex-Hegelianer und Ex-Theologen Bruno Bauer, dem neben Ludwig<br />

Feuerbach führenden Kopf der Junghegelianer.<br />

Stirners Buch „Der Einzige und sein Eigentum“ erregte für kurze Zeit ein von Verboten und<br />

Verbotsaufhebungen begleitetes Aufsehen, was die Lektüre heute umso spannender gestaltet. Sie<br />

mag freilich auch heute Zuspruch oder Ablehnung finden – lesenswert ist sie gerade deshalb. Selbst<br />

zur Zeit ihrer Erscheinung existierten kleinere Gegenschriften, von denen Karl Marx mit seinem Anti-<br />

Stirner in der „Die Deutschen Ideologie“ bekannt wurde. Marx schrieb verächtlich zu Stirner: „Hätte<br />

Sankt Max sich die verschiedenen „Sachen“ und „Eigner“ dieser Sachen, z.B. Gott, Menschheit,<br />

Wahrheit etwas näher betrachtet, so wäre er zu dem entgegengesetzten Schluß gekommen, daß ein<br />

auf die egoistische Handlungsweise dieser Person basierter Egoismus ebenso eingebildet sein müsse<br />

wie diese Personen selbst.“ (Karl Marx, Friedrich Engels: Die Deutsche Ideologie. Kritik der neuesten<br />

deutschen Philosophie in ihren DenkerRepräsentanten, Bücherei des Marxismus-Leninismus, Bd. 29,<br />

280


„Sankt Max“, S. 109.) Womöglich aber ging es dem bewußten Solipsisten (Einzelgänger) Stirner mit<br />

seinen Begriffen „Eigner“, „Menschheit“ und „Wahrheit“ nicht nur darum, konventionelle<br />

Institutionen (Familie, Kirche, Staat) vor der zerschmetternden Macht des Einzigen ausschließlich als<br />

Konstrukte zu entlarven, als vielmehr darum, die Möglichkeit zu betonen, diese Institutionen<br />

nötigenfalls in Zeiten ihrer Degenereszenz aus innerer Unabhängigkeit des Geistes heraus<br />

transzendieren zu können. Stirner nämlich ließ im Zeitalter fortschreitender Dekadenz innerhalb der<br />

Institutionen diese vor der fruchtbringenden Würde des Einzelnen zur marginalen Nullität werden. Er<br />

selbst, wohl wissend, daß sein Staat ein Moloch war, lebte diese Haltung: Er verbrachte die restliche<br />

Zeit seines Lebens, literarisch kaum noch tätig, in zunehmender materieller Armut und verachtete<br />

den Staat.<br />

Egoismus?<br />

Stirner aber ist kein ausschließlicher Egoist, der behaupten würde, das einzige „Ich“ und Subjekt zu<br />

sein, das überhaupt existiert. Er sagt lediglich – so ergibt sich aus der Lektüre des vorliegenden<br />

Buches -, daß der Einzelne nur bezüglich seines Bewußtseins von den anderen Menschen völlig<br />

getrennt sei, daß zum Beispiel der Schmerz des anderen mich nicht betreffe. Damit setzt er aber<br />

zugleich die Existenz des Anderen voraus. Der Leser hat also die Möglichkeit, erneut zu erforschen,<br />

was Stirner meinte: „Ich setze mich nicht voraus, weil ich mich jeden Augenblick überhaupt erst setze<br />

oder schaffe und nur dadurch ich bin, daß ich nicht vorausgesetzt, sondern gesetzt bin, und<br />

wiederum nur in dem Moment gesetzt, wo ich mich setze, d.h. ich bin Schöpfer und Geschöpf in<br />

einem.“ (162) Das Mitgeschöpf ist bei Stirner durchaus vorhanden, aber ähnlich wie bei<br />

Schopenhauer zunächst von der eigenen Vorstellung abhängig, die mit derjenigen des Anderen<br />

niemals kongruent sei. Der Einzige wird zu seinem eigenen Schöpfer, zum Herrn über seine<br />

Gedanken, jenseits massenmedialer Verunglimpfung und hedonistischen Stumpfsinns. „Wie ich mich<br />

hinter den Dingen finde, und zwar als Geist, so muß ich mich später auch hinter den Gedanken<br />

finden, nämlich als ihr Schöpfer und Eigner.“ (13) Damit trennt Stirner den fremden Geist vom<br />

eigenen Geist. Im gesamten Buch werden dabei die Begriffe „Eigner", „Einziger", „Einzelner" und<br />

„Egoist" synonym gebraucht und immer groß geschrieben. Dazu kommt, daß Stirner auch<br />

„unfreiwillige" oder „unbewußte" Egoisten kennt. Er scheidet den bewußt lebenden Egoisten<br />

dezidiert von jenem, der blind und geschäftig zwar egoistisch seinen tagesaktuellen Vorteilen<br />

hinterherhetzt, aber nicht selbst reflektiert, warum er diesen karrieristischen Weg geht. Der<br />

reflektierte Egoismus hingegen bleibt sich selbst treu, lebt nötigenfalls in Armut, um den Tag zu<br />

genießen und er weiß, warum er dies tut. „Wem alles darauf ankommt, sich als freier Geist zu wissen<br />

und zu rühren, der fragt wenig danach, wie kümmerlich es ihm dabei ergehe (…)“ (19) Auch „freier<br />

Geist“ und „bewußter Egoismus“ verwendet Stirner synonym.<br />

„Jeder Staat ist eine Despotie“<br />

Das hier wieder vorliegende Buch Stirners „Der Einzige und sein Eigentum“ blieb<br />

philosophiegeschichtlich oft unterschätzt. Daß es aber eine im Kontrast dazu stehende subversive<br />

Wirkung niemals verlor, spricht gerade für dieses Buch, für seine Leser, zu denen auch Nietzsche<br />

gehörte, der aus ihm seine Übermensch-Theorie schöpfte. Die geneigten Leser Stirners wissen nach<br />

wie vor, daß naiv bejahende absolute Staatsgläubigkeit potentiell unbewußtes Leben bedeutet.<br />

Dieses nimmt dann zu, wenn die Masse nach mehr Wohlstand strebt und trotzdem zugleich ein Maß<br />

an Unzufriedenheit immer wieder neu reproduziert – die Ansprüche steigen unermeßliche. Stirner<br />

mahnt: „Je freier ich indes werde, desto mehr Zwang türmt sich vor meinen Augen auf, desto<br />

ohnmächtiger fühle ich mich.“ (164) Die Freiheit des bewußt lebenden Egoisten müsse also zugleich<br />

einhergehen mit einer Reduzierung ökonomisch konstruierten oder politisch verordneten Zwanges<br />

281


durch den Staat, der immer auch – selbst im Gewand proklamierter Freiheit - auf die gleichsam<br />

potentiell tyrannische Ausmerzung seiner selbst konstruktiv motivierten Gegner bedacht ist.<br />

„Solange der Staat sich behauptet, stellt er (…) seinen stets anfeindenden Gegner als unvernünftig,<br />

böse usw. dar, und jener läßt sich das einreden, ja er ist es wirklich schon deshalb, weil er sich’s<br />

einreden läßt: Er ist noch nicht zu sich selbst und zum Bewußtsein seiner Würde gekommen, mithin<br />

noch unvollkommen, noch beschwatzbar. Jeder Staat ist eine Despotie.“ (206/2<strong>07</strong>)<br />

Bewußter Egoismus als wahre Freiheit<br />

Die Logik des Staates bei Stirner tritt in der Mitte des Buches hervor: Solange der Staat das „Ich“ ist,<br />

muß das einzelne „Ich“ zum Teufel gemacht werden, ein Nicht-Ich sein – solange es dies mit sich<br />

machen läßt. Dies müsse man aber nicht mit sich machen lassen – meint Stirner und überträgt damit<br />

grandios den fichteschen transzendentalen Idealismus des freien „Ich“ auf die Theorie des<br />

possessiven Individualismus John Lockes, des „unabhängigen Eigners“ als Eigner über sich selbst, sein<br />

Eigentum und über seine Haltung zum Staat. Das „Ich“ Fichtes wird bei Stirner absolut. Sein absolutes<br />

„Ich“ ist weder gut noch böse. Sein bewußter Egoismus gilt Stirner hier als wahre Freiheit, während<br />

das unablässige vom Opportunismus geprägte Streben ins Nichts grenzenloser Genußansprüche als<br />

unbewußter Egoismus und damit als Knechtschaft gilt.<br />

Bewußter Egoismus im Sinne Stirners läßt sich also durch die diskriminierende Terminologie des<br />

Staates nicht beeindrucken, während die Knechtschaft des Opportunismus sich um vordergründiger<br />

Vorteile willen abduckt. (270) Die Bewußten aber wissen als „Waldgänger“ (Ernst Jünger), daß der<br />

Staat an den vielen bewußt lebenden und denkenden und damit zugleich würdevoll bleibenden<br />

Einzigen scheitern kann, selbst wenn er diese in Permanenz zu kategorisieren und zu bekämpfen<br />

trachtet, ihr Wesen damit aber niemals sinnvoll erfassen kann. Lassen wir abschließend Stirner aus<br />

seinem durchaus lesenswerten Hauptwerk selbst zu Wort kommen: „Kein Begriff drückt mich aus,<br />

nichts, was man als mein Wesen angibt, erschöpft mich; es sind nur Namen.“ (400).<br />

282


„Konservativ sein ist richtig chic geworden.“<br />

Dienstag, den <strong>07</strong>. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Preußische Allgemeine Zeitung (PAZ), die nach eigenen Angaben wöchentlich etwa 100.000 Leser<br />

erreicht, gehört zu den wichtigsten konservativen Publikationen in Deutschland. <strong>Blaue</strong>narzisse.de<br />

sprach mit dem Chefredakteur, Klaus D. Voss, über die politische Positionierung und die<br />

Zukunftsaussichten der Wochenzeitung.<br />

Wo würden Sie die Preußische Allgemeine Zeitung im politischen Spektrum verorten?<br />

Klaus D. Voss: Wer im Ausland danach fragt, was man an Deutschland bewundert, wird immer die<br />

gleichen Antworten hören: Zuverlässigkeit, Treue, Gründlichkeit, Ehrlichkeit, Pflichtbewußtsein – im<br />

Grunde alles, was man unter dem Begriff der „preußischen Tugenden“ versteht. An diese Werte zu<br />

appellieren, zusammen mit einer gesunden Portion Patriotismus, verstehen wir als programmatische<br />

Aufgabe für die „Preußische Allgemeine Zeitung“. Dies ist ein guter konservativer oder<br />

nationalkonservativer Standpunkt.<br />

Zur politischen Bekämpfung wird Konservativen häufig Sympathie mit Rechtsextremisten unterstellt.<br />

Wie kommt es, daß die Öffentlichkeit sich mit einer Unterscheidung zwischen Konservatismus und<br />

Rechtsextremismus so schwer tut?<br />

Wer nur etwas vom konservativen Denken und Handeln versteht, der weiß, daß konservatives Leben<br />

und Extremismus gleich welcher Art sich ausschließen. Was uns besonders freut ist, daß konservativ<br />

sein richtig „chic“ geworden ist. Immer mehr Menschen bekennen sich zu dieser Einstellung, ohne<br />

jeden Vorhalt. Ich kann nicht erkennen, daß die Öffentlichkeit sich hier mit einer Unterscheidung zu<br />

Formen des Rechtsextremismus schwer tut.<br />

Eines der Kernthemen der Konservativen ist die Demographie. Ist Ihre Leserschaft genauso überaltert<br />

wie die deutsche Gesellschaft?<br />

Die „Preußische Allgemeine Zeitung“ hat eine treue Leserschaft mit einer sehr hohen Leser-Blatt-<br />

Bindung. Unsere Leser halten uns sehr lange die Treue. Im übrigen ist es für keine Gesellschaft ein<br />

Drama, wenn sich für ein paar Jahrzehnte der Generationen-Mix verschiebt. Was wirklich Besorgnis<br />

erregen muß, ist die Familienferne und Kinderabstinenz der jungen Generation – unsere Bevölkerung<br />

geht wegen des Geburtendefizits dramatisch zurück.<br />

Wo glauben Sie steht Ihre Zeitung in 10 Jahren? Wie kommuniziert man konservative Positionen<br />

erfolgreich an junge Menschen?<br />

Die meisten Kommunikationsforscher sind sich in dem Punkt einig, daß sich das Einstiegsalter der<br />

Leserschaft nach oben verschiebt. Vernünftige Informationen aus einer guten Zeitung braucht man,<br />

wenn die Kinder anfangen, Fragen zu stellen- also so ab 35 Jahren; das ist unsere „junge“ Zielgruppe.<br />

Das ist auch die große Chance für Wochenzeitungen wie die „Preußische Allgemeine Zeitung“, ich bin<br />

wirklich guter Dinge.<br />

Warum versagen konservative Zeitungen wie Ihre, aber auch die Junge Freiheit im Internet so<br />

kläglich? Bewahren Sie mit der Vernachläßigung journalistischer Angebote im Netz und der<br />

einseitigen Fokussierung auf Ihre Printausgabe statt der lodernden Glut die Asche?<br />

Die Bedeutung des Internets für das Informationsangebot der Zeitungen wird allgemein überschätzt<br />

– etwas mehr als zehn Jahre nach dem Start der ersten Onlinezeitungen kenne ich weltweit kein<br />

einziges überzeugendes Angebot. Gut gemachte Internetdienste sind eher Spezialitäten für kleine<br />

283


Gruppe, die allerdings nicht sehr beständig sind. Zeitungen sind Massenmedien, die auch<br />

wirtschaftlich erfolgreich geführt werden müssen. Die Informationsdienste im Internet gleichen<br />

immer noch überdimensionierten Nachschlagewerken oder Diskussionsforen, die weder in der<br />

Reichweite noch in den wirtschaftlichen Kennzahlen mit Zeitungen konkurrieren können. Die<br />

„Preußische Allgemeine Zeitung“ verfolgt natürlich die Entwicklung sehr aufmerksam; wir versorgen<br />

in erster Linie unsere Auslandsabonnenten mit einem Premiumservice.<br />

Herr Voss, vielen Dank für das Gespräch!<br />

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Der Türkensturm<br />

Freitag, den 10. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Türken kommen! Der Türkeibeitritt zur EU ist ein grosses Streitthema der deutschen Politik.<br />

Während die übergrosse Mehrheit aller Deutschen den Beitritt der Türkei strikt ablehnt, befürwortet<br />

die CDU-SPD-Koalition den Türkeibeitritt und will das Thema möglichst niedrig hängen. So finden sich<br />

kaum neuere Ausserungen der gewählten Repräsentanten des Volkes zu dieser für Deutschland so<br />

wichtigen Frage.<br />

Die bewusste Stillhaltepolitik der Politik dient offensichtlich dem Ziel, das Thema in der Offentlichkeit<br />

nicht zu sehr zu positionieren. Man befürchtet negative, politische Schlenker. Während alle Parteien<br />

links der Mitte – also heute auch die CDU – den Beitritt befürworten, regt sich lediglich in der CSU<br />

und unter einzelnen CDU-Politikern wie dem Aussenpolitikexperten der CDU-Fraktion von<br />

Guttenberg verhaltener Protest. Doch selbst diese leisen, kritischen Wortmeldungen dringen nicht<br />

durch die Phalanx der beitrittsfreundlichen Massenmedien.<br />

Dabei liesse sich doch relativ einfach ein Für und Wider für den Beitritt finden. Das Thema ist von<br />

Bedeutung. Immerhin wäre nach einem Beitritt die Türkei das flächenmässig grösste und<br />

bevölkerungsreichste, aber gleichzeitig ärmste Land der Europäischen Union. Rationale Politik, die<br />

am Gemeinwohl interessiert ist, müsste eine Pro-und Contra-Liste aufstellen und dann vor der<br />

Bevölkerung anhand nachprüfbarer Fakten ihre Entscheidung begründen. Doch genau davor hat man<br />

Angst, denn die Balance fiele allzu eindeutig gegen einen Beitritt aus.<br />

Was wären die Folgen eines EU-Beitrittes der Türkei?<br />

Allein ein Blick auf die demographische Datenlage, die das türkische Familienministerium im Netz<br />

veröffentlicht, lässt einem die Gefahren des Beitrittes vor Augen treten. Das islamische Land wird<br />

zum vermutlichen Beitrittsdatum 2013/2014 nicht nur das größte, sondern bei dem Wachstum von<br />

rund 1 Mill. Einwohner pro Jahr in ca. 20 Jahren mit rund 87 Mill. prognostizierten Einwohnern auch<br />

das bevölkerungsreichste Land der EU sein. Die EU hätte dann mehr Muslime in ihrer Bevölkerung als<br />

protestantische Christen. Da man mit rund 2,5-3 Mill. Migranten aus der Türkei nach Deutschland<br />

rechnet, würden dann ca. 5 Mill. Türkischstämmige hier leben. Da die Geburtenhäufigkeit der<br />

Zuwanderer den in Deutschland üblichen Durchschnitt bei weitem übertrifft, wird ihr Anteil auch<br />

dann weiter wachsen, wenn der Strom der Einwanderungswilligen abnehmen sollte. Sie werden sich<br />

in den großen Städten und dort wiederum in Stadteilen bemerkbar machen, in denen sie schon jetzt<br />

stark vertreten sind. Dort ist bei anhaltendem Wachstum und dem spiegelbildlichen Schrumpfen der<br />

deutschen Bevölkerung ein Zeitpunkt absehbar, in dem sie selbst unter einer restriktiven<br />

Zuwanderungspolitik in einzelnen Gebieten die Mehrheit stellen. In der Altersgruppe der 20- bis<br />

40jährigen wird sich nach Berechnungen des Bevölkerungswissenschaftlers Birg der Ausländeranteil<br />

etwa in Nordrhein-Westfalen zwischen 1992 und 2010 knapp verdreifachen. In Städten wie Duisburg,<br />

Remscheid, Düsseldorf oder Köln wird die 40-Prozent-Marke klar überschritten sein, so vermeldete<br />

Die Welt am 2.12.2004.<br />

Droht Deutschland der Türkensturm?<br />

Es gibt keine verlässlichen Zahlen über die zu erwartende Einwanderung von Türken nach<br />

Deutschland. Die Zahlen schwanken zwischen 2 bis 5 Mio neu einwandernden Türken nach dem Jahr<br />

2013. Aber selbst die niedrigste, verlässliche Zahl von Beitrittsbefürwortern sieht eine Verdoppelung<br />

der bisherigen türkischen Gemeinden in Deutschland als wahrscheinlich an. Die häufigste Schätzung<br />

der Einwanderung in die EU nach dem Beitritt liegt nach Angaben der EU-Kommission bei 2,7 Mio<br />

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Menschen. Kurt Biedenkopf, Mitglied der „Unabhängigen Türkeikommission“, die die EU im Jahr<br />

2004 gebildet hat, kommt zu dem knappen Schluss: „Länder wie Deutschland, in denen sich bereits<br />

jetzt grosse türkische Gemeinden befinden, dürften den Hauptanteil der Einwanderungsströme<br />

erhalten.“ 2004 lebten 3,8 Mio. Türken in der EU, davon 2,6 Mio. in Deutschland, gefolgt von<br />

Frankreich, Osterreich, den Niederlanden und Belgien. Die Einwanderung von Türken nach<br />

Deutschland entsprach dem Netzwerk-Muster, was man auch Kettenmigration nennt. Türken zogen<br />

dorthin, wo es schon viele Türken gab, was den Integrationszwang verminderte. Deshalb wird mit<br />

dem Beitritt ein erhöhter Nachzug besonders nach Deutschland erwartet. Kurt Biedenkopf jedoch<br />

wollte keine genaue Aussage treffen: „Es ist schwierig, die Auswirkung des EU-Beitrittes auf die<br />

Migration verhoerzusagen. Diese wird von mehreren Faktoren abhängen: demographische<br />

Entwicklung in der Türkei und der EU, die wirtschaftliche Lage zu Hause einschliesslich des relativen<br />

Einkommensniveaus, Aussicht auf Anstellung und wirtschaftliche Chancen, die ausländische<br />

Nachfrage nach Arbeitskräften und die Entwicklung der Einwanderungspolitik europäischer Länder in<br />

den nächsten Jahren.“<br />

Verdreifachung der Türken in Deutschland<br />

Deutlicher wurde Wolfgang Quaisser, Türkei-Sachverständiger des Osteuropa-Institutes in München.<br />

Wegen des hohen Wohlstandsgefälles - die Einkommen in der Türkei liegen nach der Kaufkraft bei 23<br />

Prozent des EU-Durchschnitts – müsse man mit einer Migration von bis zu 4 Millionen Türken nach<br />

Deutschland rechnen, zumal die beachtliche türkische Bevölkerungszahl in Deutschland ein Netzwerk<br />

für die Zuwanderung darstelle, so der Türkeisachverständige. Auch höhere Zuzugsraten, besonders<br />

nach Deutschland, seien nicht auszuschliessen. Die Nachrichtenagentur DPA meldete im Dezempber<br />

2004: „Sollte ihr Land tatsächlich der EU beitreten, will mehr als ein Drittel aller Türken die<br />

Arbeitsfreiheit in der Union nutzen, wie eine Erhebung des türkischen TNS-Piar-Instituts für das<br />

dänische Schwesterunternehmen TNS Gallup ergab. 23 Prozent gaben demnach an, «sehr<br />

wahrscheinlich» zur Arbeit in ein anderes EU-Land zu ziehen. Weitere 21 Prozent erklärten, ein<br />

solcher Umzug sei «wahrscheinlich».<br />

Oberschichtenimport statt Unterschichtenmigration?<br />

Beitrittsbefürworter argumentieren, dass durch die deutsche Anwerbung von Türken in den 60er<br />

Jahren nur türkische Unterschichten importiert worden wären. Deshalb fehle heute der türkischen<br />

Gemeinde in Deutschland eine Mittel- und Oberschicht, und das Bild des „Türken“ in der deutschen<br />

Gesellschaft sei vom Unterschichten-Türken negativ belastet. Deshalb werde ein Türkeibeitritt<br />

türkische Mittel- und Oberschichten nach Deutschland locken, die Sozialstruktur der türkischen<br />

Diaspora in Deutschland gesunden lassen und zur Integration beitragen. Dieses Argument ist nicht<br />

stichhaltig, da die Mittel- und Oberschicht wahrscheinlich keinen Grund sieht, aus der Türkei<br />

wegzuziehen, im Gegenteil aber weitere türkische Bauern durch die EU-Konkurrenz im<br />

Landwirtschaftssektor zu Abwanderung gezwungen würden.<br />

Jedoch steht kaum zu erwarten, dass sich deutsche Politiker freiwillig um die Stimmen der<br />

„türkischstämmigen Mitbürger“ bringen wollen, die einen relativ homogenen Wählerblock darstellen<br />

und bisher regelmässig der SPD zu hohen Wahlerfolgen verhelfen. Nur in Stadtteilen, wo Türken<br />

bereits die Bevölkerungsmehrheit stellen, können die (islamisch)-Grünen mit Vorschlägen wie denen<br />

Ströbele’s punkten, den Geburtstag des Propheten Mohammed zum Staatsfeiertag auszurufen oder<br />

die deutsche Nationalhymne zukünftig auch auf Türkisch singen zu lassen.<br />

Kurz, kein Land Europas hätte an den demographischen und migrationspolitischen Folgen eines<br />

Türkeibeitrittes so schwer zu tragen wie Deutschland. Die selbst von Beitrittsbefürwortern für<br />

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wahrscheinlich erklärte Verdoppelung der türkischen Diaspora in Deutschland wäre der Integration<br />

wenig zuträglich, würde aber weitere ethno-religiöse Spannungen befördern. Es ist wahrscheinlich,<br />

daß die türkischen Neueinwanderer nicht nach Kulmbach oder Gummersdorf, sondern nach Berlin,<br />

Duisburg, Köln und Frankfurt ziehen werden. Auch hier werden sie sich in bestimmten Stadtvierteln<br />

niederlassen. Das Muster der bisher gescheiterten Einwanderungs- und Integrationspolitik der<br />

Bundesrepublik würden wir heute - 30 Jahre nach der ersten Welle und zwei Jahre nach dem<br />

öffentlichen Eingeständnis ihres Scheiterns - auf das neue erleben. Praktisch hieße das für Berlin die<br />

Entstehung drei weiterer Stadtteile wie Neukoelln, Kreuzberg und Wedding. Duisburg bekäme ein<br />

weiteres Marxloh und Köln und Ralph Giordano hätten für die nächsten 10 Jahre viele weitere<br />

Moschee-Streitigkeiten.<br />

Die politische Klasse ist sich zwar des diffusen Unmutes der Bevölkerung bewusst, und selbst in der<br />

SPD finden sich skeptische Stimmen. Das aber einer der Arrivierten den Mut zu einem öffentlichen<br />

und klaren "Nein!" zum Türkeibeitritt findet, steht nicht zu erwarten.<br />

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Antigermanismus - Der alltägliche Rassismus gegen<br />

Deutsche<br />

Freitag, den 10. August 20<strong>07</strong> um 12:<strong>07</strong> Uhr<br />

Wer kennt sie nicht, die phrasenhaften Schuldvorwürfe. Wir sind mit ihnen aufgewachsen. Da reden<br />

Lehrer und Schuldirektoren von „der deutschen Pflicht zur Toleranz angesichts unserer<br />

Vergangenheit“, und fordern damit, über Schulhofgewalt gegen Deutsche zu schweigen. Da sprechen<br />

Politiker von „der deutschen Verantwortung, die uns aus der deutschen Schuld erwächst“, und<br />

fordern mit diesen Worten noch mehr Geld von Deutschen für Ausländer. Da predigen Politiker die<br />

„Toleranz der deutschen Mehrheitsgesellschaft“ und schielen auf die demographische Balance, die in<br />

wenigen Jahren die Ausländer zur Mehrheit aller Wähler macht. Da fordern Kommentatoren<br />

„historisches Augenmass angesichts der deutschen Schuld“ und meinen das rassistische Beschweigen<br />

deutschen Leids. Da rufen Künstler auf, „Gesicht zu zeigen und dem Rassismus entgegenzutreten“<br />

und fordern damit, Gewalt gegen Deutsche zu verschweigen.<br />

Die Gewalt gegen Deutsche nimmt täglich zu. Ein Blick in Zeitungen oder Netzportale genügt, sich das<br />

Ausmass der Gewalt vor Augen zu führen. Allein das Netzportal No Go für Deutsche, dass rassistisch<br />

motivierte Ubergriffe gegen Deutsche registiert, vermeldet jeden Tag Dutzende Fälle. Sogar die<br />

offizielle Statistik des Justizministeriums kommt zu dem Schluss, daß Deutsche überproportional<br />

Opfer von Ausländerkriminalität sind. Die nachprüfbaren und für jeden einsehbaren Zahlen finden<br />

aber weder Entsprechung in der Politik noch in den Medien. Diese Diskrepanz zwischen der täglichen<br />

Gewalt gegen Deutsche und der öffentlichen Wahrnehmung ist erklärungsbedürftig.<br />

Die Zwillinge Antisemitismus und Antigermanismus<br />

Wer heute von Antisemitismus in Deutschland spricht, hat Jahrzehnte verschlafen oder verfolgt<br />

politische Ziele. Juden werden seit Jahrzehnten strukturell bevorzugt, bei der Geschichts- und<br />

Gedenkpolitik, der Einwanderung nach Deutschland und im Kulturleben. Jüdische Kulturvereine<br />

erhalten millionenschwere Förderungen. Jüdische Organisationen üben einen politischen und<br />

kulturellen Einfluss aus, der ihren prozentualen Bevölkerungsanteil signifikant übersteigt. Im<br />

Gegensatz zu ethnopartikularen Äußerungen jüdischer Identitätsverbände steht deutscher<br />

Ethnopartikularismus unter politischer Quarantäne. Der Schriftsteller Ernst Jünger sagte vor langer<br />

Zeit: "Der Antigermanismus scheint wie der Antisemitismus zu den Grundbestimmungen der Welt zu<br />

gehören; er bedarf keiner Begründungen. Wenn man heute eine Zeitung aufschlägt, sieht man, wie<br />

ihm gefrönt wird wie einer Orgie, auch von Deutschen.“ Ernst Jüngers traurige Worte haben heute<br />

noch ihre Relevanz, und sie werden sie wohl noch auf lange Zeit behalten. Ein Blick in eine beliebige<br />

Zeitung genügt, sich von der tagespolitischen Aktualität von Jüngers enttäuschten Worten<br />

überzeugen zu können. Der Antigermanismus durchtränkt heute alle Poren unseres Alltages und<br />

bestimmt die Selbstwahrnehmung etlicher Deutscher. Von den sogenannten ‚Antideutschen’ einmal<br />

abgesehen, ist eine deutliche Parteinahme zugunsten nicht-deutscher oder gar anti-deutscher, oder<br />

besser noch, antigermanistischer Verhaltensweisen und Politikmuster heute Regierungsalltag und<br />

Leitlinie in Medien und Erziehung.<br />

Antigermanismus bezeichnet den Hass auf alles Deutsche. Antigermanismus ist die Inversion des<br />

Antisemitismus und ist mit dem Antisemitismus aufs engste verwandt. Der Antigermanismus ist der<br />

Zwillingsbruder des Antisemitismus. Auf gewisse Weise ist der Antigermanismus der Kitt einer<br />

Gesellschaft, die an nichts mehr glaubt als ihre eigene Abschaffung. Zur Schärfung der analytischen<br />

Begrifflichkeit sollte man sich die feine Unterscheidung der Begriffe ‚antideutsch’ und<br />

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‚antigermanistisch’ vor Augen halten. Während der Begriff ‚antideutsch’ kulturell oder völkisch<br />

konnotiert ist, ist der des ‚Antigermanismus’ von erheblich grösserer Breitenwirkung, da er die relativ<br />

junge politische Strömung der ‚Antideutschen’ mit dem jahrhundertealten, rassisch-biologistischen<br />

Hass gegenüber Deutschen verbindet.<br />

Im Gegensatz zum Antisemitismus durchdringt der Antigermanismus die deutsche Gesellschaft. Kein<br />

Tag vergeht ohne Aufrufe zur Diskriminierung Deutscher. Hinter den wohlklingenden Worten<br />

‚Ausländerintegration in das Berufsleben’ steckt lediglich die harte Tatsache, dass einem Deutschen<br />

ein Arbeitsplatz aufgrund seiner Rasse verweigert wird. Das neue Amt des<br />

‚MigrantInnenbeauftragten’, der das Recht hat, bei allen Einstellungen im öffentlichen Dienst ein<br />

Wort mitzureden, ähnelt demjenigen, der an der Rampe aufgrund von rassisch-ethnischen<br />

Kategorien selektiert. Eines steht jedoch immer fest: je deutscher ein Kandidat, desto schlechter<br />

seine Chancen. Dieser Import des amerikanischen affirmative action macht Rassismus zur staatlichen<br />

Leitlinie und ist deshalb in diesem Jahr vom amerikanischen Supreme Court, dem Obersten Gericht,<br />

verboten worden. Die Urteilsbegründung des Supreme Court von 20<strong>07</strong> war klar und deutlich: Rasse,<br />

Hautfarbe und Ethnie dürfen prinzipiell keine Grundlage staatlicher Politik sein. Doch in Deutschland<br />

hat die Hochzeit der Rassendiskriminierung, des affirmative action, erst begonnen.<br />

Antigermanischer Rassismus ist Konsens unter linken und linksliberalen Medien. Dabei reicht das<br />

Spektrum von der normalen, herkömmlichen Form der Diskriminierung Deutscher, den sogenannten<br />

‚Antifaschisten’, bis hin zu überzeugten Rassisten, den ‚Antideutschen’. Die sogenannten<br />

‚Antideutschen’, einst eine kleine Politsekte, sind zu einem einflussreichen Netzwerk in Medien und<br />

Politik mutiert. Die Leitpostille der ‚Antideutschen’ ist die Wochenzeitung Jungle World, eine<br />

Abspaltung des einstigen FDJ-Blattes Junge Welt. Den jungen Linken um die Jungle World war nach<br />

eigenem Bekunden der reine Antifaschismus zu wenig. Neben der Jungle World gibt es eine ganze<br />

Phalanx kleinerer Publikationen und Netzportale, die dem antideutschen Rassismus frönen. Auch das<br />

Videoportal Youtube bietet stundenlange Videosequenzen antideutscher Agitation.<br />

Die Westwanderung des Antigermanismus<br />

MassakerDie Pogrome gegen Deutsche sind nach Westen gewandert. Der ‚Bromberger Blutsonntag’,<br />

ein besonders brutales Pogrom gegen die deutsche Bevölkerung der schlesischen Stadt Bromberg, ist<br />

heute nach Westen migriert. In der Stadt Bromberg im einst deutschen Schlesien erschlug der<br />

polnische Mob Hunderte Deutsche. Bis in die späten dreissiger Jahre wurden über 50.000 Deutsche<br />

in Osteuropa ermordet, weil sie Deutsche waren. Deutsche erschlug man auf Plätzen und Strassen.<br />

Nur wenige Jahre später, nach Kriegsende, erlebte der Antigermanismus neue Höhepunkte. Heute<br />

sind Verhältnisse wie die an Brombergs Schulen vor dem antigermanischen Pogrom Normalität für<br />

deutsche Kinder in Berlin, Hamburg, Frankfurt und Köln. Heute ist es für die restdeutschen Kinder in<br />

Berlin-Neukoelln und Duisburg-Marxlohs normal, wenn junge Türken von deutschen Kindern fordern,<br />

den Seiteneingang zu benutzen oder Erpressungsgelder fordern.<br />

Kein Tag vergeht ohne Gewalt gegen Deutsche. Deutsche Kinder werden in den Schulen geschlagen,<br />

weil sie Deutsche sind. Deutsche gelten als bevorzugte Angriffsopfer marodierender<br />

Ausländerbanden. Ausländer rufen in ihrer Musik zur Vergewaltigung deutscher Frauen auf. Gewalt<br />

gegen Deutsche wird von den Medien verschwiegen unberichtetund indirekt begünstigt. Bei der<br />

Verurteilung von Gewalt gegen Menschen gilt auch hier die rassistische Ungleichbehandlung von<br />

Deutschen. Gewalt gegen Deutsche wird von Richtern kaum geahndet; seltene Gewaltakte von<br />

Deutschen gegenüber Ausländern werden jedoch von Medien ausgeschlachtet. Indirekt fordert man<br />

so zu mehr Gewalt gegen Deutsche auf.<br />

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Die rassistische Diskriminierung von Deutschen ist seit Jahrzehnten Politik.<br />

Erst vor kurzem ergriffen Staat und Medien Partei im Fall von Ermyas Mulugeta, einem Äthiopier mit<br />

deutschem Pass, der in alkoholisiertem Zustand nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit<br />

seiner Frau und nach seinem Rauswurf aus einer Diskothek wegen Pöbeleien in Potsdams Innenstadt<br />

mehrere Deutsche anpöbelte und tätlich angriff. Nur einer der Deutschen wehrte sich – und zog den<br />

Hass der Medien auf sich. Die Bilder unschuldiger Deutscher, die a la Guantanamo Bay dem<br />

Generalbundesanwalt zugeführt wurden, hinterließen einen prägenden Eindruck. Hier wurde der<br />

alltägliche Rassismus in Deutschland greifbar.<br />

Doch die Diskriminierung von Deutschen ist inzwischen Programm geworden. Mit dem sogenannten<br />

‚nationalen Integrationsplan’ fördert der Staat Programme zur Verdrängung von Deutschen aus dem<br />

Arbeitsleben, aus ihren Berufen, aus Ämtern und Medien. Der Staat ergreift mit diesen Programmen<br />

Partei; er stellt sich mit diesen Programmen auf die Seite der zukünftigen Bevölkerungsmehrheit.<br />

Judenstern und Deutschenbinde<br />

Des Literatur-Nobelpreisträger Elias Canetti (1981) notierte Anfang 1945 angesichts der<br />

europaweiten Verfolgung und Ermordung von Deutschen in sein Tagebuch: „Hitler hat die Deutschen<br />

zu Juden gemacht, in wenigen Jahren, und ‚deutsch’ ist nun ein Wort geworden, genauso schmerzlich<br />

wie ‚jüdisch’.<br />

DeutschenbindeIn den Sudentengebieten Deutschlands mussten alle Deutschen die<br />

„Deutschenbinde“Stern tragen – das N um den Arm, was dem Judenstern nachempfunden war.<br />

Judenstern und Deutschenbinde waren die sichtbarsten Zeiten staatlich geförderten Rassismus. Nur<br />

hatte der Judenstern für seine Träger nie die Konsequenzen, die die Deutschenbinde hatte. Es gab<br />

kaum Ubergriffe gegen Träger des Judensterns. Im Gegensatz dazu wurden die Träger der<br />

Deutschenbinde zu Opfern von massiven, staatlich sanktionierten Übergriffen wie an der ‚Strasse des<br />

Todes’ – einer Strasse durch Niederschlesien, auf der Tausende Deutsche von Polen erschlagen,<br />

vergewaltigt und erstochen wurden.<br />

Deutsches Eigentum wurde zwangs-„slawisiert“ ähnlich wie das der Juden arisiert wurde. Auch heute<br />

wieder greift der Staat auf das Eigentum Deutscher zu. Hinter dem Schlagwort der „sozialen<br />

Umverteilung“ verbirgt sich die massive Besteuerung Deutscher zugunsten muslimischer<br />

Unterschichten. Während Deutsche sich in ihrer Freizeit fortbilden und Haus, Kinder und Familie<br />

hinten anstellen, um den Status der Mittelschicht im härter werdenden Existenzkampf der<br />

Globalisierung zu halten, lassen sich die fremden Unterschichten vom Staat alimentieren und<br />

benutzen ihre Importbräute als Gebärmaschinen, für deren Unterhalt wiederum der deutsche<br />

Steuerzahler aufkommen muss. Mittlerweile hat die Steuerlast in Deutschland ein Niveau erreicht,<br />

was in der westlichen Welt ihresgleichen sucht. Nach Auskunft des Bundes der Steuerzahler musste<br />

Otto Normalverbraucher bis zum 9. Juli diesen Jahres allein für die Steuer arbeiten.<br />

Schleichende Enteignung der Deutschen<br />

Diese leise, schleichende Form der Enteignung der Deutschen zugunsten fremder muslimischer<br />

Unterschichten, für die sich das Wort ‚Entgermanisierung’ analog zur sogenannten ‚Arisierung’ der<br />

30er Jahre prägen ließe, läßt schlimmes befürchten. Denn die Deutschen, die sich jetzt der<br />

globalisierten Tretmühle ausgeliefert fühlen und der Arbeit von Ort zu Ort hinterher ziehen, haben<br />

keine familiären Netzwerke mehr, keine Nachbarschaftshilfen, keine Freundeskreise, und sind im Fall<br />

der Krise den Wirren und der Zugriffsmacht von Markt und Staat besonders hart ausgeliefert. Im<br />

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Gegensatz zu den muslimischen Unterschichten bietet sich ihnen kein Rückzugsraum, keine<br />

ethnischen oder religiösen Netzwerke, die drohendes Unbill abfedern könnten.<br />

Und ein weiterer Gefahrenmoment droht am Horizont, der bisher kaum wahrgenommen wurde: seit<br />

Jahrzehnten reden die Medien Ausländern erfolgreich ein, daß einzig die Deutschen schuld an der<br />

mißlichen Lage in den Ghettos von Neukoelln und Marxloh seien. Dieses medial transportierte Bild<br />

vom bösen Deutschen hat sich inzwischen verfestigt und ist zu einer symbolisch verwertbaren Chiffre<br />

geworden. Daß sich das Bild des bösen Deutschen in der Krise verflüchtigt, steht kaum zu erwarten.<br />

Angesichts dieser Vision bemerkte der Schriftsteller Botho Strauss vor zwei Jahren besorgt und<br />

skeptisch: „Man wüßte nur gern, ob sich die anderen in ihrer Mehrheit dann ebenso empfindlich bei<br />

der Abwägung zwischen Toleranz und Dummheit verhielten.“<br />

Wir wissen die Antwort auf Botho Strauss' Frage.<br />

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Russland - Rückkehr einer Weltmacht<br />

Donnerstag, den 16. August 20<strong>07</strong> um 19:10 Uhr<br />

Im April 2005 irritierte Russlands Präsident Putin westliche Kommentatoren, als er in einer Rede im<br />

Parlament den Kollaps des sowjetischen Imperiums als "die größte geopolitische Katastrophe des<br />

Jahrhunderts" bezeichnete. Auf Druck von zahlreichen Kritikern zog er später diese Bemerkung<br />

zurück; Putin meinte, seine Rede müsse als Hinweis auf die Verwerfungen gesehen werden, die der<br />

Kollaps des Sowjetreiches verursacht habe. Trotzdem – Putins Bemerkung hat reale Hintergründe.<br />

Für viele Russen war der Zusammenbruch 1991 ein einschneidend negatives Erlebnis. Die einstige<br />

Supermacht sah sich auf den Status einer Regionalmacht absinken, ein “Obervolta mit Atomraketen”,<br />

wie Altkanzler Helmut Schmidt einmal bemerkte. Sogar die territoriale Integrität des eigentlichen<br />

Kernlandes war durch sezessionistische Bewegungen in Sibirien und der Kaukasusregion bedroht.<br />

So behauptete noch im Jahr 2001 die einflussreiche amerikanische Kulturzeitschrift Atlantic<br />

MonthlyAtlantic “Russia is finished”. Die Redakteure des Atlantic Monthly sahen den<br />

“unaufhaltbaren Niedergang und die geopolitische Marginalisierung Russlands” als unabweichlich.<br />

Weltmacht durch Öl<br />

Doch heute, bereits 16 Jahre nach dem Zusammenbruch, ist Russland wieder eine Weltmacht und<br />

verteidigt diesen Anspruch mit zunehmender Härte. Russland ist wieder da. Das neue Land pocht auf<br />

globale Mitsprache und verweigert sich zunehmend den Forderungen des Westens. Diese neue<br />

Stärke erregt Angst und Mißtrauen im Westen. Dabei speist sich Russlands neues Selbstbewusstsein<br />

bisher lediglich aus dem Verkauf von natürlichen Ressourcen – Öl, Gas, Holz, Eisen und Gold. Wirklich<br />

nachhaltige Investitionen in weltmarktfähige Industriegüter hat Russland bisher kaum getätigt,<br />

ausgenommen die Rüstungs- und Raumfahrtindustrie. Beruht der Aufschwung Russlands also<br />

lediglich auf der Abhängigkeit des Westens von fossilen Brennstoffen?<br />

Öl und Gas waren bereits zu Zeiten des Kalten Krieges die Haupteinkommensquelle der Sowjetunion.<br />

Mit riesigen Investitionen und auf dem Rücken von Millionen Zwangsarbeitern - darunter<br />

Hunderttausenden deutschen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen - wurden die Gold- und<br />

Silberminen und die Ölfelder Sibiriens erschlossen. Die Zahl der Menschen, die bei der Erschließung<br />

der unzugänglichen Regionen im hohen Norden ihr Leben ließen, wird auf mehrere Millionen<br />

beziffert.<br />

Die radikalkapitalistische Rosskur<br />

Erst mit dem Kollaps der Sowjetunion brach die Ausfuhr der lukrativen Ressourcen zusammen. Auf<br />

Anraten des IWF und der Weltbank begann Russland, in den frühen 90er Jahren die staatlichen Öl-<br />

und Gaskonzerne auf "Voucher"-Basis zu privatisieren. Zahlreiche amerikanische und europäische<br />

Berater im IWF und der Weltbank waren der Meinung, daß Russland nur durch eine<br />

radikalkapitalistische Rosskur – einen totalen Sichelschnitt – wieder auf die Beine kommen könne.<br />

Die Berater glaubten, daß eine gelenkte und langsame Privatisierung lediglich den<br />

altkommunistischen Seilschaften nutzen würde, die sich auf Kosten der einfachen Bürger am<br />

Staatseigentum bereichern würden. Es sei besser, wenn Russland über Nacht alle Märkte nach dem<br />

Prinzip “sink or swim” liberalisiere und so den Tüchtigen eine Chance jenseits von<br />

Parteimitgliedschaft und Beziehungen gäbe. Eine langsame, von oben gesteuerte, sozialverträgliche<br />

Privatisierung lehnten die internationalen Berater ab. Ihrer Meinung nach war Russland so<br />

bürokratisch verfilzt, daß jedes Zugeständnis an staatliche Institutionen den Abstieg nur<br />

verlangsamen würde. Praktisch bedeutete diese These die sofortige Privatisierung aller<br />

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Staatsbetriebe und die radikale Beschneidung der staatlichen Lenkungsinstrumente. Diese Theorie<br />

hatte etwas bestechendes, rechnete aber nicht mit der Mentalität des Sowjetmenschen, dem<br />

Selbstverantwortlichkeit und Initiative nach 70 Jahren Kommunismus fremd geworden waren.<br />

Die Oligarchen und der Antisemitismus<br />

Deshalb kam es letztlich doch wie befürchtet. Anteilsscheine, sogenannte ‘Voucher’, an staatlichen<br />

Großbetrieben wurden an die einfachen Arbeiter ausgeteilt. Etliche ehemalige Mitglieder der<br />

Kommunistischen Partei bereicherten sich Der Morgenauf Kosten der einfachen "Kleinanleger", die<br />

oft nicht den wahren Wert der Voucher - der Aktienanteile - kannten. So gelangten die gigantischen<br />

Kombinate in die Hände einiger weniger Spekulanten, der sogenannten Oligarchen. Die Privatisierung<br />

der Öl- und Gasförderung leitete die Einnahmen an den Kassen des Staates vorbei in private Taschen<br />

und wurde von dort ins Ausland transferiert. Russland wurde so zum Objekt von Kapitalinteressen,<br />

was den Hass der einfachen Russen auf den Westen und die Oligarchen, viele davon jüdischer<br />

Abstammung, anfachte. Tausende antisemitische Zeitschriften und Broschüren zirkulierten Mitte der<br />

90er Jahre, in denen die Oligarchen - Männer wie Gusinskii, Abramowitsch, Beresovskii, Lebedjew<br />

und Chodorkowsky, alles ehemalige KP-Mitglieder und binnen weniger Jahre Milliardäre - der<br />

Veruntreuung des ehemaligen Volkseigentums angeklagt wurden.<br />

Trotz allem schaffte es eine kleine Schicht von Russen, sich binnen weniger Jahre in die Mittelschicht<br />

vorzukämpfen. Allerdings waren und sind klein- und mittelständische Betriebe völlig unterentwickelt.<br />

Hier findet die These des Wirtschaftshistorikers Gershenkron ihre Bestätigung, daß die östlichsten<br />

Länder Europas oft eine zunehmende Staatsquote haben, was bürgerliches Engagement behindert<br />

und der Demokratisierung abträglich sei.<br />

Die Krise von 1998 und die Abkehr vom Westen<br />

Mit der August-Krise von 1998, die über Nacht alle Ersparnisse entwertete, brach jedoch auch diese<br />

kleine Mittelschicht zusammen. Diese Krise läutete den Niedergang von Jelzins Herrschaft ein. Jelzin<br />

war zu diesem Zeitpunkt schwerkrank und nurmehr eine Marionette, die ihm vorgelegte Beschlüsse<br />

ledig absegnete. Jetzt wandte sich Russland von der westlichen Position der Privatisierung ab und<br />

setzte auf traditionelle, staatsinterventionistische Politik. Mit dem Abtreten Jelzins und der<br />

Ernennung Putins 2000 setzte der Wendepunkt umso radikaler ein. Die russische Elite entschloss<br />

sich, zukünftig auf Ratschläge des IWF und der Weltbank zu verzichten und auf eigene Kräfte zu<br />

setzen.<br />

Der Staat greift durch<br />

Von nun an versuchte der Staat, die Öl- und Gasvorkommen wieder zu verstaatlichen und den<br />

Oligarchen zu entreissen - und dies teilweise mit Mitteln, die im Westen großes Stirnrunzeln<br />

verursachten. Spektakulärster Schritt war die Verhaftung des Öl-Milliardärs Michail Chodorkowski im<br />

Jahr 2003. Unter Putin übernahm der Staat wieder die Kontrolle über die fossilen Ressourcen des<br />

Landes. Heute fließen die Steuern aus dem Gas- und Öl-Export wieder in die Staatskasse. Das<br />

Staatsbudget ist so rasant gestiegen. Heute sucht russisches Kapital Anlagemöglichkeiten in Europa.<br />

Die Chodorkowski-Affäre brachte jedoch auch den Bruch mit dem Westen mit sich. Für viele<br />

westliche Liberale war die Verhaftung Chodorkowskis ein unzulässiger Eingriff in die<br />

unternehmerische Freiheit. Was jedoch von westlichen Kommentatoren oft verschwiegen wird, ist<br />

die Tatsache, daß Chodorkowskii plante, einen Großteil seines Besitzes an sibirischen Ölfeldern an<br />

den amerikanischen Ölkonzern Exxon zu verkaufen. Die Verhaftung Chodorkowskis kam dem Verkauf<br />

zuvor. Trotzdem hat sich seitdem die westliche Wahrnehmung Russlands deutlich verschlechtert. Es<br />

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vergeht fast keine Woche, in der westliche Zeitungen nicht vor einer Wiederkehr des russischen<br />

Imperialismus warnen.<br />

Droht ein russischer “Energiefaschismus”?<br />

Der US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski warnte bereits vor dem russischen<br />

"Energiefaschismus". Russland versuche, die westeuropäischen Staaten mit seiner staatlich gelenkten<br />

Energiepolitik zu erpressen. Für Panik sorgte Putin in Westeuropa vor zwei Jahren, als er einen Streit<br />

um Gaspreise mit der Ukraine vom Zaun brach. Im Westen mehrten sich besorgte Stimmen, die<br />

Russland beschuldigten, seine Energieressourcen als Druckmittel, ähnlich der Roten Armee, gegen<br />

mißliebige, prowestliche Staaten und Regierungen einzusetzen. Putin argumentierte, dass die Sperre<br />

von Gaszufuhr für die Ukraine lediglich eine Preisangleichung bedeute, und nicht als politisches<br />

Druckmittel verstanden werden könne. Doch es ist offensichtlich, dass Putin die Energienachfrage in<br />

den westlichen Industriestaaten ausnutzt, um den Weltmachtanspruch Russlands auszubauen. Diese<br />

Politik lässt sich in zahlreichen westlichen Kommentaren verfolgen, doch Putin setzt hier nur<br />

konsequent nationale Interessenpolitik durch, und das mit Erfolg für die russische Bevölkerung. So<br />

lehnte Putin im Oktober <strong>2006</strong> der EU gegenüber ab, die vom Westen gewünschte Energiecharta zu<br />

unterzeichnen, nach der Russland die Kontrolle über sein Pipelinesystem mit der EU teilen müsste.<br />

Seitdem setzt die EU auf "Diversifizierung" ihrer Energielieferanten und versucht, sich die<br />

"Energiesicherheit" durch bilaterale und multilaterale Verträge sichern zu lassen.<br />

Russlands Stärke läßt westliche Kritiker verstummen<br />

Doch der wirtschaftliche Aufschwung resultierend aus dem Ölboom und der gestiegenen<br />

Weltmarktnachfrage nach Rohstoffen hat Putins Macht weitgehend konsolidiert und westliche<br />

Kritiker verstummen lassen. Besonders in den Hauptstädten Westeuropas weiss man um die prekäre<br />

Rohstoffabhängigkeit, die sich in den nächsten Jahrzehnten noch verschärfen wird. Und obendrein ist<br />

vielen westlichen Staatenlenkern ein stabiles, verlässliches Russland lieber als ein Staat, der vor dem<br />

Staatszerfall und Staatsbankrott steht und von Nationalitätenkonflikten zerfressen wird.Moskau bei<br />

Nacht<br />

Moskau ist heute die wirtschaftlich prosperierendste Stadt Europas. Unabhängige, amerikanische<br />

Immobilienfonds deklarierten in den späten 90er Jahren den Moskauer Immobilienmarkt zum<br />

lukrativsten 'emerging market'. Mittlerweile spielt Moskau auch in der architektonischen Avantgarde<br />

eine Vorreiterrolle. So sollen demnächst Wolkenkratzer, deren über 60 Etagen sich um die eigene<br />

Achse drehen, in Moskau und St. Petersburg gebaut werden. Die oberen Etagen sind für Wohnungen<br />

reserviert, für die bereits jetzt ein stolzer Quadratmeterpreis von etwa 10.000 Euro angegeben wird.<br />

Der Bau soll 2008 beginnen und die Baukosten sollen knapp 300 Mio Euro betragen.<br />

Westeuropa als Maßstab<br />

Auch das Internationale Wirtschaftsforum, das wichtigste Wirtschaftstreffen der Welt, fand kürzlich<br />

in St. Petersburg statt. Mehrere Tausend Konzernlenker und Politiker aus den einflussreichsten<br />

Nationen der Welt trafen sich im Juni <strong>2006</strong>. Putin repräsentierte die wiedererwachte Grossmacht<br />

selbstbewusst. Sergei Iwanov, Putins Stellvertreter, kündigte an, dass Russland bis 2020 zu den fünf<br />

weltgrößten Volkswirtschaften gehören wolle. Die Kommentatoren von Financial Times Deutschland<br />

und der FAZ sahen diese Ankündigung kritisch: Russlands Aufschwung, so die einhellige Meinung,<br />

gründe sich bisher lediglich auf den Export von Halbprodukten; weltmarktfähige Güter habe Russland<br />

bisher nicht vorzuweisen, und es sei wohl unwahrscheinlich, daß das wirtschaftlich unterentwickelte<br />

Land den Wissensvorsprung der asiatischen und westlichen Industriestaaten binnen 15 Jahren<br />

294


aufholen könne. Doch Ivanow spielte eher auf Bereiche an, in denen Russland traditionell führend<br />

war, wie die Atom- und Rüstungsindustrie und die Raumfahrt.<br />

Doch Iwanow ging noch weiter. Er kündigte an, daß bis 2020 die Hälfte aller Russen zur neuen<br />

Mittelschicht gehören und damit vom Ölboom direkt profitieren sollen. Iwanow versprach den<br />

Russen, den Lebensstandard innerhalb der nächsten Dekade an den Westeuropas angleichen zu<br />

können. Auf Kritik hin gab er zu, dass Russland nach wie vor unter grossen<br />

Einkommensungleichheiten leide und die Schere zwischen der Moskauer Mittelschicht und den<br />

breiten Massen des Riesenreiches auseinander klaffe. Doch Iwanow versicherte den Russen, daß dies<br />

nur eine Frage der Zeit sei. Der volksdeutsche Wirtschaftsminister German Gref betonte, daß nicht<br />

nur Moskau, sondern auch die Regionen vom Ölboom profitieren werde. Bisher fließen knapp 80%<br />

aller Direktinvestitionen nach Moskau.<br />

Wie werden sich die deutsch-russischen Beziehungen gestalten?<br />

Es ist anzunehmen, daß sich die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von Russland noch<br />

dramatisch verschärfen wird. <strong>2006</strong> forderte Präsident Putin die Gründung einer Gasgemeinschaft,<br />

bestehend aus Russland, Iran und Turkmenistan, die zusammen mehr als die Hälfte aller weltweiten<br />

Gasressourcen beherrschen würden. Und wenig später setzte Putin noch eins drauf: Auf dem Gipfel<br />

der "Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit" - einer Art Wirtschaftsgemeinschaft mit<br />

antiwestlicher Stoßrichtung - schlug Putin die Koordinierung von Öl- und Gaspreisen vor, womit die<br />

Shanghai-Organisation die Hälfte der weltweiten Ölressourcen kontrollieren würde. Bisher hatten all<br />

diese Initiativen Putins wenig Erfolg, allerdings deuten sie an, daß die Zeit der westlichen Dominanz<br />

im asiatisch-russischen Raum zu Ende ist.<br />

Die Abhängigkeit Deutschlands von Russland ist jedoch nicht ganz einseitig. Russland hat kaum<br />

verwertbare Industrie, und besonders im Maschinen- und Anlagenbau sind deutsche Firmen nach<br />

wie vor interessant für russische Auftraggeber. So bleibt zu hoffen, dass wir Deutschen uns Rußlands<br />

Wohlwollen noch lange erhalten können. Eins ist jedoch klar: die Zeiten wohlmeinender, westlicher<br />

Ratschläge sind längst vorbei.<br />

295


Tschetschenien - Krieg ohne Ende<br />

Donnerstag, den 16. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

ZerstörungPopuläre Beschreibungen des Krieges in Tschetschenien setzen in den frühen 90er Jahren<br />

ein. Doch eine so kurzfristige Perspektive ist falsch. Denn genau genommen tobt der Krieg zwischen<br />

Russen und Tschetschenen bereits seit dem ersten Zusammentreffen der beiden Völker, seit 250<br />

Jahren. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Tschetschenen und Russen begannen<br />

bereits unter der deutschen Zarin Katharina der Großen Mitte des 18. Jahrhunderts, die die<br />

Südausdehnung des russischen Zarenreiches vorantrieb. Seitdem herrscht in Tschetschenien Krieg.<br />

Kosaken als imperiale Dampfwalze<br />

Im 16. und 17. Jahrhundert setzten die russischen Zaren auf eine schleichende Kolonialisierung der<br />

Randgebiete des Reiches. Russland als gigantischer Flächenstaat hatte keine festen Grenzen, und<br />

jederzeit konnten fremde Eroberer einfallen. Deshalb entschieden sich die Zaren, zwischen dem<br />

russischen Staatsgebiet und dem Land fremder Völker, besonders den volatilen Süd- und Ostgrenzen,<br />

einen menschlichen Puffer zu etablieren: die Kosaken. Die Zaren gewährten entlaufenen<br />

Leibeigenen, die sich zu Kosakeneinheiten formten, viele Freiheiten, verlangten aber im Gegenzug<br />

die Eroberung und Besiedelung der wilden Randregionen. Die Kosaken waren keine regulären<br />

Militärformationen, sondern wilde Horden brutalisierter Sträflinge, Leibeigener und verarmter<br />

Bauernsöhne, die sich in kleinen Siedlungen zusammenschlossen und von Raub, Plünderung,<br />

Pferdezucht und Pelztierhandel lebten. Mit großer Grausamkeit fielen die Kosakeneinheiten über die<br />

Völker Sibiriens und Zentralasiens her und bereiteten den zaristischen Bürokraten den Boden. Diese<br />

Form der Kolonialisierung und Eroberung durch entstaatlichte, brutalisierte Kleingrppen fand sich<br />

übrigens auch im Wilden Westen, wo Pelztierjäger und Siedler in immer neuen Strömen ins<br />

Indianerland eindrangen. In Sibirien begann die Ostwanderung der Kosaken bereits im 16.<br />

Jahrhundert, während sie im Kaukasus erst 200 Jahre später einsetzte. Die Zarin Katharina die Große<br />

versprach den Kosaken Siedlungsrecht in den Tälern des Kaukasus, und die Kosaken drangen in das<br />

von vielen verschiedenen Minoritäten besiedelte Land ein. Auf den Spuren der Kosaken, die als<br />

brutale Vorhut des russischen Imperiums sich den Weg durch tiefe Wälder und fremde Völker<br />

bahnten, folgten die russischen Beamten.<br />

Seit der Kosakenbesiedelung der Täler des Nordkaukasus um 1770 ist das Muster aller Kriege im<br />

Kaukasus das gleiche: in den Tälern herrschen bei Tag die Russen, in der Nacht die Tschetschenen,<br />

und auch die unzugänglichen Bergregionen werden von aufständischen Ethnien beherrscht, die in<br />

immer wechselnden Koalitionen mal mit und mal gegen die Russen kämpfen. Im Winter kommen die<br />

Auseinandersetzungen weitgehend zum Erliegen, um mit dem Beginn der Tauperiode erneut<br />

aufzuflammen. Diese Art der Kriegführung zieht sich seit über 200 Jahren hin und hinterließ in der<br />

russischen Literatur und im kulturellen Gewebe - in Mythen, Märchen und Sagen der Kaukasusvölker<br />

- eine tiefe Spur.<br />

Die Tschetschenen - ewige Rebellen<br />

Der erste große Aufstand der Tschetschenen begann 1785 und dauerte bis 1791. Unter dem<br />

tschetschenischen Scheich Mansur führte eine Koalition von kaukasischen Völkern einen<br />

Partisanenkrieg gegen die russischen Kosaken. Russland hatte im Kaukasus Grenzbefestigungen - die<br />

"Kaukasuslinie" vom Kaspischen bis zum Schwar-zen Meer - errichtet und versuchte, diese weiter<br />

nach Süden auszudehnen. Die Kaukasuslinie war gedacht als befestigte Grenzlinie, um das Reich<br />

296


gegen Einfälle aus dem Süden wirksam zu schützen. 1791 brach der Aufstand zusammen, und<br />

Scheich Mansur wurde hinter den Polarkreis in ein Kloster verbannt, wo er auch starb.<br />

Bürgerkriege in Europa?<br />

Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus 1989 stehen sich zwar weltpolitisch keine zwei großen<br />

Blöcke mehr gegenüber, dennoch treten in den modernen westlichen Staaten innen- und<br />

außenpolitisch weiterhin heikle Konflikte auf, die weder einzelne Staaten noch eine Weltpolizei<br />

schlichten können. Die Vielzahl der Konfliktlinien, die durch die westlichen Staaten verlaufen, könnte<br />

diesen irgendwann einmal zum Verhängnis werden. Selbstbewußte ethnische, religiöse und<br />

politische Milieus spalten sich zum Teil jetzt schon von der Gesellschaft ab. Wenn dies so weitergeht,<br />

tobt in Deutschland und den westlichen Staaten in zwanzig Jahren an jeder Ecke ein Kleinkrieg. >>><br />

mehr<br />

Bereits 1813 hatte das Zarenreich sich fest im Kaukasus etabliert, und forcierte unter dem<br />

zaristischen Gouverneur General Alexej Jermolow die Kolonialisierung des Kaukasus. Es kam immer<br />

wieder zu Aufständen und Anschlägen, so daß Jermolow auf eine grausame Politik der Geiselnahme<br />

zurückgriff. Jede Anschlag der Tschetschenen wurde durch brutale Straf-aktionen geahndet.<br />

Tausende flohen in die Berge und kamen bei Einbruch der Dunkelheit in ihre Dörfer zurück, nicht<br />

ohne blutige Vergeltung zu üben. Bereits damals waren russische Aristokraten als Offiziere in den<br />

Kaukaususkrieg zeitweise dienstverpflichtet worden, wie die späteren Schriftsteller Michail<br />

Lermontows und Lew Tolstois.<br />

Kommunisten und Muslime gegen die Ordnung<br />

Als in Petersburg die bolschewistische Revolution ausbrach, stellten sich die Tschetschenen<br />

mehrheitlich auf die Seite der Kommunisten, im Glauben, den gleichen Feind zu haben. Im russischen<br />

Bürgerkrieg kämpften tschetschische Einheiten auf Seiten der roten Garden. Doch mit der<br />

Etablierung der Sowjetmacht versuchten die gestärkten Moskauer Kommunisten, ihre Ideologie<br />

unter den muslimischen Bergvölkern zu verbreiten - und scheiterten fatal. Von nun an waren die<br />

Beziehungen zwischen Moskau und Tschetschenien auf das neue von Gewalt geprägt, denn kaum<br />

eine Anweisung aus Moskau wurde von den Kaukasusvölkern befolgt. Während des Zweiten<br />

Weltkrieges kämpften Kaukasier sowohl auf russischer als auch auf deutscher Seite. Stalin glaubte,<br />

die Kaukasusprovinz durch ethnische Säuberungen befrieden zu können und siedelte die<br />

Tschetschenen 1944 zwangsweise aus - ähnlich wie er drei Jahre zuvor die wolgadeutschen<br />

Siedlungen ausgerottet hatte. Historiker schätzen, daß bei der Aussiedlung von über 400.000<br />

Tschetschenen knapp 200.000 ihre Bestimmungsorte in Sibirien nicht erreichten. Sie erfroren,<br />

verhungerten und wurden als transportunfähig erschossen.<br />

Kommunistische Tünche auf uralten Strukturen<br />

Doch im Gegensatz zu den Wolgadeutschen machten sich nach Stalins Tod Tausende Tschetschenen<br />

illegal und entgegen der Weisungen der Sowjetmacht auf den Heimmarsch. Auf langen Fußmärschen<br />

und durch verbotene Zugfahrten besiedelten Tausende Tschetschenen wieder ihre alte Heimstatt in<br />

den Tälern des Kaukasus. Berichten zufolge kam es bei der illegalen Rücksiedelung zu nächtlichen<br />

Mordaktionen an Russen, die inzwischen in den Häusern der Tschetschenen siedelten. Zwar drängte<br />

Moskau nach wie vor auf ideologische Treue im Geist des Kommunismus, aber da man die<br />

rebellischen Kaukasus-Völker kaum kontrollieren konnte, beschränkten sich die russischen<br />

Kommunisten auf formelle Mitgliedschaft tschetschenischer Familienpatriarchen in der<br />

Kommunistischen Partei. Manche Familienclans ließen ihre Weide- und Viehbestände als<br />

297


sozialistische Kolchosen registrieren und wirtschafteten wie schon Jahrhunderte zuvor. Moskau war<br />

hier weit weg.<br />

Der Krieg – ein Schock für das zerfallende Reich<br />

Nach dem Kollaps der Sowjetunion waren die Tschetschenen unter den ersten Völkern, die ihre<br />

Forderung nach staatlicher Souveränität auch mit Gewalt unterstrichen. Doch im Gegensatz zu den<br />

erst 1940 eroberten baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland wollte Russland Tschetschenien<br />

nicht in die Unabhängigkeit entlassen. Tschetschenien war bereits über 200 Jahre lang Teil des<br />

russischen Reiches. Die Unabhängigkeit, so fürchtete man im Kreml, würde weitere separatistischnationale<br />

Bewegungen, etwa die in Tuwa, zur Sezession ermutigen. Die Ereignisse in Tschetschenien<br />

gaben den Befürchtungen des Kreml recht: Tausende Russen wurden Opfer von brutalen<br />

Grausamkeiten von tschetschenischen Untergrundkämpfern und kriminellen Banden. Knapp 300.000<br />

Russen flohen vor der Gewalt nach Russland. Deshalb befahl Präsident Jelzin 1994, eine<br />

"Polizeioperation" gegen die Rebellen, aus der jedoch der zwei Jahre währende erste<br />

Tschetschenienkrieg werden sollte.<br />

Der Krieg war ein grausamer Schock für Russland. Tschetschenische Freischärler schlugen die einst<br />

ruhmreiche Rote Armee so schnell und brutal aus dem Feld, daß die offiziellen Kommentare in<br />

russischen Medien bald ausblieben. Besonders in der Millionenstadt Grosny zwangen die Freischärler<br />

die russischen Panzereinheiten in einen zermürbenden Häuserkampf. Die völlig demoralisierten<br />

Truppen der Roten Armee wurden in wochenlangen Häuserkämpfen von tschetschenischen Rebellen<br />

aufgerieben und teilweise brutal ermordet. Schon nach wenigen Wochen hatten die<br />

tschetschenischen Freischärler die russische Armee aus der Hauptstadt Grosny vertrieben. Deshalb<br />

zog die russische Armee einen Artillerie- und Minengürtel um die Stadt und zerstörte die einstige<br />

Millionenstadt bis auf die Grundmauern. wurde über Monate beschossen und faktisch dem<br />

Erdboden gleichgemacht. 1996 zog sich Russland geschlagen aus Tschetschenien zurück und die<br />

winzige Kaukasusrepublik wurde faktisch unabhängig, auch wenn ihr die internationale Anerkennung<br />

verweigert wurde.<br />

Unfähig zur Staatenbildung<br />

Doch die Familienclans des Kaukasus waren unfähig zu einer stabilen Staatsführung. Das nun<br />

unabhängige Land erreichte nie formelle Staatlichkeit; die Tschetschenen waren unfähig und unwillig<br />

zur Gründung fester staatlicher Strukturen und Institutionen. So ähnelten die Jahre zwischen 1997<br />

und 2000 denen vor der Einverleibung Tschetscheniens in das russische Reich: ein Land, regiert von<br />

zerstrittenen Familienclans ohne einheitliche Rechtsordnung und staatliche Strukturen.<br />

Radikal-islamistische Gruppierungen, die von arabischen Kriegsherren ideologisch indoktriniert und<br />

finanziert wurden, gewannen zunehmend die Oberhand. 1999 versuchte eine Gruppe, den Krieg in<br />

die benachbarte russischen Republik Dagestan zu tragen, um die Utopie eines islamischen Kalifats im<br />

gesamten Kaukasusgebietes zu verwirklichen, doch die russische Armee konnte den Einmarsch der<br />

Islamisten zurückschlagen.<br />

Der zweite Tschetschenienkrieg<br />

Für die russische Führungsspitze zeigte der Überfall auf Dagestan, dass Russland keine Ruhe habe, bis<br />

Tschetschenien unter russischer Kontrolle sei. Die russische Politikergeneration war besorgt, dass die<br />

Unabhängigkeit Tschetscheniens die staatliche Einheit ganz Russlands gefährden könne, denn viele<br />

andere Minderheiten im russischen Vielvölkerreich drängten ebenso zur nationalen Souveränität.<br />

Des weiteren schien die Islamisierung Tschetscheniens einen Unruheherd an der Südgrenze des<br />

298


öckelnden Riesenreiches zu schaffen. Deshalb ließ Putin nach seinem Amtsantritt die russische<br />

Armee in Tschetschenien einmarschieren und begann den sogenannten zweiten<br />

Tschetschenienkrieg. Putins erste Reise als amtierender Präsident führte ihn in der Silvesternacht<br />

1999 zu den in Tschetschenien stationierten Truppen. Der Einmarsch erregte viel Kritik im Westen,<br />

die jedoch bereits ein Jahr später, nach dem 11. September 2001, völlig versiegte.<br />

Der zweite Tschetschenienkrieg war um ein vielfaches brutaler als der erste. Jetzt zielte Putin auf die<br />

völlige Vernichtung des Gegners ab. Massaker, Folterungen und Vergewaltigungen waren keine<br />

Ausnahme, sondern die grausame Regel. Gefangene wurden kaum gemacht, und Tausende Zivilisten<br />

verloren das Leben. Die Brutalität der Tschetschenen stand der der Russen kaum nach. Allerdings<br />

drängten Putins Truppen die Islamisten zurück und die sogenannte „Antiterror-Aktion“ wurde 2002<br />

für beendet erklärt.<br />

Terror – die Waffe der Schwachen<br />

Viele tschetschenische Kämpfer flohen in die Berge oder in das benachbarte Georgien und<br />

versuchten, von hier aus den Krieg in Russlands Städte zu tragen. Im Oktober 2002 nahmen<br />

tschetschenische Kämpfer 800 Besucher eines MoskauerTheater Musicals als Geiseln. Die Terroristen<br />

platzierten Bomben im Theaterraum und verlangten den sofortigen Abzug der russischen Armee aus<br />

Tschetschenien. Putin war von Anfang an entschlossen, dieser Erpressung nicht nachzugeben. Vier<br />

Tage später wurde ein Betäubungsgas in das Gebäude geleitet und das Theater gestürmt. 129<br />

Geiseln kamen bei der Aktion ums Leben. Alle Terroristen wurden von russischen Einheiten getötet.<br />

Präsident Putin kündigte Vergeltung an. 2004 sprengten tschetschenische Terroristen zwei<br />

Passagiermaschinen und töteten 90 Menschen. Am 1. September 2004 nahmen tschetschenische<br />

Terroristen in Beslan 1.200 Geiseln, um den Abzug Russlands aus Tschetschenien zu erwirken.<br />

Ein Krieg ohne Ende<br />

Alle Bemühungen, den Konflikt mit Gewalt oder in Verhandlungen zu lösen, scheiterten bisher. Der<br />

Tschetschenienkrieg hat nach wie vor den offiziellen Status eines "frozen conflict", eines ungelösten<br />

Konfliktes, der sogenannte 'spill-over'-Effekte wie Anschläge und Selbstmordattentate auch in<br />

anderen russische Teilrepubliken wie Dagestan und Inguschetien erzeugt. Mittlerweile gilt für die<br />

meisten Russen der Tschetschenienkonflikt als befriedet. Putin hatte 2003 nach massiven<br />

Militäroperationen den Warlord und Anführer eines einflussreichen Familienclans, Achmed Kadyrow,<br />

auf seine Seite ziehen und sich so die Loyalität einer starken Familiendynastie sichern können.<br />

Achmad Kadyrow wurde im Mai 2004 bei einem Bombenanschlag getötet. Seitdem wird<br />

Tschetschenien von dessen Sohn Ramsan Kadyrow regiert. Doch nach wie vor ist Russlands Einfluss in<br />

der Region prekär, und die Loyalität des Kadyrow-Clans fragwürdig.<br />

Wahrscheinlich wird man Recht gehen in der pessimistischen Annahme, daß der Krieg noch<br />

Jahrzehnte andauern wird. Der 250 Jahre alte Konflikt zwischen Tschetschenen und Russen macht<br />

auch deutlich, daß Konflikte oft nicht aufhebbar sind, sondern der Hegung bedürfen. Beide<br />

russischen Großversuche, die "tschetschenische Frage" zu lösen, sind fehlgeschlagen: Stalins Versuch<br />

der Ausrottung und Auflösung des tschetschenischen Volkes scheiterte am Zusammenhalt der<br />

Tschetschenen. Russlands Versuch, sich 1997 gänzlich zurückzuziehen, ließ Tschetschenien zu einem<br />

'failed state' werden, dessen Implosionen weit über die Grenzen des Landes spürbar waren. Seitdem<br />

lebt Russland mit der unsicheren Politik wechselnder Koalitionen mit illoyalen Partnern, ständigen<br />

Anschlägen und brutalen Militäraktionen jenseits des Kriegsrechts. Eine bessere Lösung ist nicht in<br />

Sicht.<br />

299


„Wehrhafte Demokraten“ als Sektenjäger<br />

Geschrieben von: Daniel Leon Schikora<br />

Sonntag, den 19. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Nicht nur im „Kampf gegen Rechts“ sinken oftmals die Hemmschwellen auch konservativer Politiker,<br />

den Schulterschluß mit Kräften zu üben, denen in anderen Zusammenhängen gern ein<br />

problematisches Verhältnis zu der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland bescheinigt<br />

wird. So muß es sich Bayerns Innenminister Günther Beckstein gefallen lassen, wenn die Hamburger<br />

„Scientology-Expertin“ Ursula Caberta, die als frühere Sozialdemokratin zu den Bundestagswahlen<br />

2005 auf der Hamburger Landesliste von Lafontaines WASG auf Platz 2 kandidierte, ihm fast<br />

kameradschaftlich bescheinigte: „… auf Herrn Beckstein kann man sich verlassen“. Beckstein selbst<br />

ist daran nicht ganz unschuldig, immerhin steuerte er zu Cabertas „Schwarzbuch Scientology“ –<br />

welch ein Titel! – ein Vorwort bei.<br />

Im Zentrum der Rechtfertigung diskriminierender staatlicher ‚Intervention’ zuungunsten kleiner<br />

religiöser oder weltanschaulicher Gemeinschaften, welche sich ökonomisch – anders als die<br />

deutschen Amtskirchen – ausschließlich auf die Opferbereitschaft ihrer Mitglieder stützen, steht im<br />

Falle von Scientology bei Beckstein der Vorwurf, keine Religionsgemeinschaft, sondern ein<br />

Wirtschaftsunternehmen zu sein. Unter Becksteins Verantwortung ritt der jüngste bayerische<br />

Verfassungsschutzbericht sogar eine Attacke gegen die vermeintlich verharmlosende<br />

Medienberichterstattung über Scientology. Diese Gemeinschaft werde „entgegen der<br />

Rechtsprechung als eine Religionsgemeinschaft bezeichnet, was sie nicht ist“ (Bayernkurier, 11.<br />

August 20<strong>07</strong>). Eine mangelnde Mobilisierung „unabhängiger Medien“ gegen „Verfassungsfeinde“<br />

gefährdet demnach die freiheitliche demokratische Grundordnung Deutschlands. Zum Unterschied<br />

von dem Modell einer „westlichen Demokratie“ wird die deutsche „gelebte Verfassung“ in Bayern –<br />

wie in Hamburg, wo Caberta nach wie vor eine aus öffentlichen Geldern finanzierte „Beratungsstelle“<br />

betreibt – dergestalt interpretiert, daß der mündige Bürger gut daran tut, sich eingehend über die<br />

offiziellen Unwert-Urteile staatlicher Behörden kundig zu machen, ehe er seine bürgerlichen Rechte<br />

in Sachen Vereinigungsfreiheit wahrnimmt.<br />

Ist Scientology eine Sekte, eine Religionsgemeinschaft oder ein<br />

Wirtschaftsunternehmen?<br />

Was die im CSU-Organ Bayernkurier angeführte Rechtsprechung anbelangt, so ergibt sich mit Blick<br />

auf die deutsche Rechtsprechung keineswegs ein nicht-religiöser Charakter von Scientology. Die<br />

Rechtsprechung auf europäischer Ebene (genauer: der Ebene des Europarates) ist hingegen eindeutig<br />

– zum Ärgernis Cabertas und Becksteins: Die Weigerung der russischen Behörden, die Scientology-<br />

Kirche als eine religiöse Vereinigung einzutragen, stelle einen Verstoß gegen die Europäische<br />

Menschenrechtskonvention dar, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in<br />

Strasbourg. Das Urteil verweist in diesem Zusammenhang auf die Neutralitätspflicht des Staates,<br />

welchem es nicht anstehe, über die Rechtmäßigkeit religiöser Überzeugungen zu befinden: „Die<br />

Pflicht des Staates zur Neutralität und Unparteilichkeit … ist mit jeglicher staatlichen Befugnis<br />

unvereinbar, die Rechtmäßigkeit von religiösen Überzeugungen zu bewerten.“ Die Russische<br />

Föderation wurde nicht nur zu einer (Wieder-)Eintragung der Scientology-Kirche als einer religiösen<br />

Vereinigung verpflichtet. Vielmehr steht Scientology nach dem Urteil des<br />

Menschenrechtsgerichtshofes ein immaterieller Schadensersatz in Höhe von 10.000 EURO plus<br />

Auslagenersatz von 15.000 EURO zu.<br />

300


Sektenjäger in Regierungsverantwortung<br />

Die von „wehrhaften Demokraten“ wie Caberta, Blüm oder Beckstein propagierte „Wachsamkeit“<br />

gegenüber „unbotmäßigen“ religiösen Minderheiten kommt (abgesehen von der Mißachtung<br />

freiheitlich-rechtsstaatlicher Normen) auf die Dauer teuer. Und weder in Rußland, noch in<br />

Deutschland oder Frankreich dürften sich in Regierungsverantwortung passionierte Sektenjäger<br />

bereit finden, für die von ihnen verursachten Kosten privat aufzukommen.<br />

301


Wenn Kinder fehlen, ist eine Welt krank.<br />

Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />

Montag, den 20. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Fast überall in Europa ist es traurige Realität: Die Bevölkerung vergreist. Im Deutschland des Jahres<br />

<strong>2006</strong> wurden im Schnitt 8,25 Kinder pro 1000 Einwohner geboren, was einer Natalität von 1,39<br />

entspricht. Um das momentane Bevölkerungsniveau zu halten, wäre indes eine Quote von 2,1 nötig.<br />

Das geburtenstärkste Land der EU, Irland, weist 14,14 Geburten pro 1000 Einwohner auf und kommt<br />

auf 1,86 Kinder pro Frau. Jedoch sollte man nicht der Augenwischerei verfallen und annehmen, daß<br />

der Bevölkerungsschwund selbst das Problem ist. Vielmehr ist er ein Symptom einer virulenten<br />

Krankheit, die mit Sicherheit für betroffene Ethnien langfristig tödlich enden wird.<br />

In früherer Zeit bekamen Menschen Kinder, um sich ökonomisch abzusichern und ihr Leben<br />

bestreiten zu können. Aus eben diesem Grunde wurde männlicher Nachwuchs generell bevorzugt,<br />

konnten ihm einerseits schwerere Arbeiten zu gemutet werden, andererseits waren die lukrativen<br />

Berufe der damaligen Zeit meist Männern vorbehalten. Kinder sicherten das zukünftige und<br />

gegenwärtige Überleben einer Familie, gehörten infolgedessen nicht wie heute marginalisiert zu<br />

einem Lifestyle, sondern waren eine natürliche Konstante des Lebens.<br />

Kinder als Lebensversicherung<br />

Gleiches Prinzip ist auch heutzutage in vielen Ländern der Dritten Welt durchaus noch gang und<br />

gebe. Aufgrund der geringen Industrialisierung jener Nationen und der Bedeutsamkeit der<br />

Landwirtschaft ergibt sich die Notwenigkeit von Kindern gewissermaßen automatisch. Verschärft<br />

wird die Notwenigkeit des Nachwuchses durch die medizinische Versorgung in einigen Dritte-Welt-<br />

Ländern. In Gabun leben die Menschen im Schnitt 54,49 Jahre, in Deutschland hingegen 78,8 Jahre.<br />

Kinder stellen ein intrafamiliäres Sozialnetz dar, welches die Funktionen heutiger staatlicher<br />

Sicherungen (Renten-, Arbeitslosen-, Krankenversicherung etc.) übernimmt. Weshalb in ärmeren<br />

Ländern beziehungsweise in solchen mit wenig Anspruch auf sozialstaatliche Leistungen der<br />

Kinderreichtum die Norm ist, erklärt sich aus dieser Funktion der Kinder. Anders als etwa in der EU<br />

können sich US-Amerikaner nicht fundamental auf Hilfe von „Vater Staat“ verlassen. Sie sind fast auf<br />

sich allein gestellt, staatliche Krankenkassen gibt es keine, die Bewilligungskriterien für<br />

Arbeitslosengeld sind strikter geregelt, so daß nur circa ein Drittel aller gemeldeten Arbeitslosen sie<br />

auch wirklich in Anspruch nehmen kann. Fernerhin wird das Arbeitslosengeld in den USA nur<br />

maximal 26 Wochen gezahlt (in Deutschland bis zu 52 Wochen) und errechnet sich aus der Hälfte des<br />

letzten Nettoeinkommens (Deutschland: 60 bis 67%). Es wundert wenig, daß die USA die höchste<br />

Natalität der westlichen Welt (2,09) bei gleichzeitig am stärksten eingeschränktem Sozialstaatsgefüge<br />

ausweisen.<br />

Gerade in dieser Hinsicht sind die jüngsten Pläne der CDU, den staatlichen Anspruch auf die<br />

Kinderbetreuung mit einer Verdreifachung des Kinderkrippenangebots zu unterstreichen, bedenklich.<br />

An eine Besserstellung nicht-arbeitender Mütter wird selbstverständlich nicht gedacht.<br />

Säkularisierung: Grund für Kinderlosigkeit?<br />

Ein weiter Punkt ist der Grad der Modernität eines Landes. Inwiefern bestimmen klassische<br />

Familienmodelle, in denen z.B. die Mutter sich der Erziehung der Kinder hingibt und dafür ihre<br />

berufliche Karriere aufgibt, das Denken der Bevölkerung? Wie hoch ist die Frauenerwerbsquote?<br />

302


In Westeuropa befindet sich das Christentum kontinuierlich auf dem Rückzug vor einem<br />

erstarkenden Islam samt seines dynamischem „Youth Bulge“ (Gary Fuller). Mit ihm verschwindet<br />

jedoch nicht nur eine Religion, sondern auch das christliche Familienbild. Kinder werden lange schon<br />

nicht mehr als Lebenserfüllung angesehen. Vielmehr sind sie ein Hindernis auf der beruflichen<br />

Karriereleiter. Im Zeitalter maßloser Individualisierung und Selbstverwirklichung ist kein Platz für ein<br />

„erfolgreiches Familienunternehmen“. Man lebt im Jetzt; nicht für Morgen.<br />

Auch hier ist es nützlich, Parallelen zu den USA zu ziehen. Dortige Gesellschaft ist für westliche<br />

Verhältnisse relativ stark christlich geprägt, besonders in den Südstaaten erleben christlichfundamentalistische<br />

Werte eine Renaissance. Dies spiegelt sich z.B. in einer strengen<br />

Abtreibungspraxis wider, welche einen Schwangerschaftsabbruch, wenn überhaupt, lediglich im Falle<br />

der Gefahr für das Leben der Mutter oder bei Vergewaltigungsopfern erlaubt. Ebenso verhält es sich<br />

mit der Republik Irland, welche „orthodox“ katholisch geprägt ist und 96% Christen zählt.<br />

Die demographischen Spätfolgen der Industrialisierung<br />

Dem Wandel einer Agrar- zu einer modernen Industriegesellschaft folgt immer auch eine<br />

fundamentale Veränderung der Bevölkerungsstruktur. So lautet die These des deutschen Soziologen<br />

Gerhard Mackenroth, daß sich analog zur Industrialisierung eine Wandelung der „vorindustriellen<br />

Bevölkerungsweise“, geprägt durch hohe Sterbe- und Geburtenraten, zu einer „industriellen<br />

Bevölkerungsweise“ mit niedrigen Sterbe- und Geburtenraten vollziehe. Fernerhin nimmt er an, daß<br />

nach dem Wechsel ein stabiles, obgleich geringes, Bevölkerungswachstum einsetze.<br />

Mackenroth folgend müßte der unaufhaltsame Aufstieg von Schwellenländern wie Indien, China oder<br />

Brasilien das Bevölkerungswachstum irgendwann einmal stoppen. Wo dann nötiges Gegengewicht<br />

zur bevölkerungsstarken islamischen Welt lokalisiert sein wird, steht noch in den Sternen.<br />

303


„Denn der Mensch ist ein Raubtier …“<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Montag, den 20. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Kann der Mensch seine Technik noch beherrschen?Aus Anlaß des 70. Jahrestages des Todes Oswald<br />

Spenglers am 8. Mai 1936 hat der Karolinger-Verlag zwei Schriften des Kulturphilosophen aus den<br />

Jahren 1921 und 1931 neu aufgelegt. Eine davon ist Spenglers „Der Mensch und die Technik.<br />

Pessimismus?“. Damit liegt wieder eine oft vergessene Schrift Spenglers vor, die auf einen Vortrag<br />

des Frühjahrs 1931 zurückgeht und zu seinen späten Büchern zählt. Der Leser dieser kleinen Schrift<br />

zeigt vor sich selber, daß er nicht den brennenden Fragen seiner Zeit entweicht. Diese Fragen, sich in<br />

Spenglers Zeit andeutend, haben heute erst ihre von ihm prophezeiten Konturen angenommen.<br />

Seelenlosigkeit oder Heroismus<br />

Das ruhelose Streben des westlichen Menschen nach dem Höheren, nach der Überwindung von<br />

Entfernungen gipfelt im westlichen Expansionsdrang der Technik, in der Raumfahrt und der<br />

Computerwelt, dem Arbeiten in eng gesetzten Prozeßzeiten. Das „Ich“ fiel mit dem Willen Gottes<br />

zusammen, entfiel zugleich der geborgenen Gotteskindschaft und rückte die faustische – Spenglers<br />

Synonym für abendländische – Willenskultur und ihre Zivilisation in den Mittelpunkt.<br />

Spengler spricht im „Untergang des Abendlandes“ erstmals vom „Problem der Zivilisation“.<br />

Zivilisation kann hier als niedere Phase der Dekadenz charakterisiert werden. Die Assoziationen der<br />

modernen Industriegesellschaft (Technik, Urbanisierung, Metropolitismus, Materialismus,<br />

Utilitarismus) sind aber auch Eigenschaften der Zivilisation, einem Zustand des äußeren, seelenlosen,<br />

intellektualistischen und zweckrationalen Daseins, welcher im Gegensatz zu Kreativität, Moral,<br />

Disziplin, Demut, Heroismus und zur Religion steht.<br />

Spengler bezeichnet die Technik als „Taktik des Lebens“, in deren Zusammenhang an die Stelle der<br />

echten Religion früherer Zeiten nun die platte Schwärmerei für die „Errungenschaften der<br />

Menschheit“ tritt, womit eigentlich nur die „Fortschritte der arbeitersparenden und amüsierenden<br />

Technik“ gemeint sind. Anschließend untersucht Spengler die Entwicklung der Technik in<br />

Kombination mit derjenigen des Menschen. „Was ist der Mensch? Wodurch ist er zum Menschen<br />

geworden?“ Spenglers Antwort: „Durch die Entstehung der Hand. Das ist eine Waffe ohnegleichen<br />

(…). Zum Raubtierauge, das die Welt theoretisch beherrscht, tritt die Menschenhand als praktische<br />

Beherrscherin. (…) Kein anders Raubtier wählt die Waffe. Der Mensch aber wählt sie nicht nur,<br />

sondern er stellt sie her nach eigener persönlicher Erwägung. Das ist die Befreiung vom Zwang der<br />

Gattung, etwas einzigartiges in der Geschichte des gesamten Lebens auf diesem Planeten.“ Der<br />

Mensch ist damit Natur und Widernatur, mit der Natur verbunden und ihr zugleich entbunden –<br />

Spengler spitzt zu: „Der Mensch ist ein Raubtier“, was für ihn ein Maximum an Freiheit und<br />

Schaffenskraft bedeutet. Der Mensch fühlt durch die Bildung einer gegenständlichen Welt mit seinen<br />

Sinnen zugleich die eigenständige Welt in sich – die Seele. Diese Einsamkeit der Seele macht das<br />

Raubtier unabhängig von der Natur. Der Mensch ist Schöpfer seiner eigenen Lebenstaktik geworden.<br />

Sein Ich kann sich vom Wir befreien, sich gegen andere richten. Der Haß als das „eigentliche<br />

Rassegefühl der Raubtiere“ setzt aber voraus, daß man den Gegner achtet. Interessant ist hier die<br />

Unterscheidung Spenglers zwischen „Gegner“, den man anerkennt, und „Feind“, dessen Vernichtung<br />

man erstrebt.<br />

304


Aufstand gegen das verwaltende Denken<br />

Zum Ausgang seiner kleinen Schrift sieht Spengler nach dem Aufstieg nun das Ende der<br />

Maschinenkultur: „Die steinerne Stadt wird erfunden als das Gehäuse des ganz künstlichen, von der<br />

mütterlichen Erde getrennten, vollkommenen, gegennatürlich gewordenen Lebens, die Stadt des<br />

wurzellosen Denkens, welche die Ströme des Lebens vom Lande an sich zieht und verbraucht.“<br />

Zugleich ziehen wirtschaftliche Verarmung ein, geistige und künstlerische Degeneration. So<br />

verwundert es nicht, daß Spengler die faustische, westeuropäische Kultur als die vielleicht nicht<br />

letzte, sicherlich aber als die gewaltigste, leidenschaftlichste darstellt, welche durch ihren „inneren<br />

Gegensatz zwischen umfassender Durchgeistigung und tiefster seelischer Zerrissenheit“ die<br />

tragischste von allen Kultur sei. Es ließe sich hier an die Zerrissenheit des seismographischen Gespürs<br />

eines Hölderlins denken, der als deutsches Beispiel genau daran zerbrach. (Vgl. Johannes Heinrichs:<br />

„Revolution aus Geist und Liebe“)<br />

Nirgends habe also der Gegensatz unversöhnlichere Formen angenommen als in der faustischen<br />

Kultur, in der das stolze Blut der Raubtiere sich zum letzten Male gegen die Tyrannei des reinen und<br />

verwaltenden Denkens auflehne. Die faustische Kultur besitzt dabei den Willen zur Macht, der alle<br />

Grenzen von Raum und Zeit überwindet, die Erdteile unterwirft, sein Verkehrs- und<br />

Nachrichtensystem global ausweitet. Diese Kultur der Zivilisation neige sich nun dem Ende zu. Sie<br />

wird zum Gefängnis für die Seele des Menschen. Sie wird Opfer der eigenen Erfindungen. Sie schlägt<br />

in ihr Gegenteil um. Zwei Gefahren drohen nach Spengler: Die „Meuterei der Hände“, also der<br />

Ausbruch des Klassenkampfes, und der „Verrat der Technik“, d.h. der Export fortschrittlicher Technik<br />

in andere Länder. Durch Gewinnmaximierung wurde die Technik globalisiert. Die ausgebeuteten<br />

Konsumenten nehmen diese auf, werden aber zu selbstbewußten eigenen Produzenten. Mit dem<br />

Luxusleben des Westens bleibt die Industrie nicht mehr konkurrenzfähig – der Ausverkauf des<br />

Abendlandes beginnt. Wir brauchen heute nur einen Blick nach China und Indien werfen.<br />

Farbige Weltrevolution<br />

Ein letztes Mal läßt Spengler seine prophetische Gabe spielen und ermahnt eindringlich: „Das<br />

Schwergewicht der Produktion verlagert sich unaufhaltsam, nachdem der Weltkrieg auch der<br />

Achtung der Farbigen vor den Weißen ein Ende gemacht hat. Das ist der letzte Grund der<br />

Arbeitslosigkeit in den weißen Ländern, die keine Krise ist, sondern der Beginn einer Katastrophe.“<br />

Befinden wir uns heute in einer vergleichbaren Katastrophe? Die empirischen,<br />

arbeitsmarktpolitischen und demographischen Daten deuten in diese Richtung. Spengler sieht nur<br />

eine Lösung: „Auf dem verlorenen Posten ausharren ohne Hoffnung, ohne Rettung, ist Pflicht.<br />

Ausharren wie jener römische Soldat, dessen Gebeine man vor einem Tor in Pompeji gefunden hat,<br />

der starb, weil man beim Ausbruch des Vesuv vergessen hatte, ihn abzulösen. Das ist Größe, das<br />

heißt Rasse haben. Dieses ehrliche Ende ist das einzige, das man dem Menschen nicht nehmen<br />

kann.“ Es geht ihm also um ein ethisches Verständnis von Rasse, kein biologisches. Die synoptische<br />

Betrachtungsweise, seine vergleichend morphologische Methode, die unterschiedlichen<br />

Erscheinungen der Weltgeschichte parallel darzustellen, zeugen von Spenglers Credo, daß das<br />

Schicksal des Menschen nur verständlich ist, wenn man alle Zweige seines Wirkens zugleich<br />

betrachtet. Und dennoch: Spengler bleibt pragmatisch: „Ich bin kein Pessimist – Nein. Pessimismus<br />

heißt: keine Aufgaben mehr sehen. Ich sehe so viele noch ungelöst, daß ich fürchte, es wird uns an<br />

Zeit und Männern für sie fehlen.“<br />

305


„Lieber ein kurzes Leben voll Taten und Ruhm als ein langes ohne Inhalt.“<br />

Die Erkenntnisse des negativen Dialektikers Oswald Spengler entbehren nicht einer gewissen<br />

Relevanz in der heutigen Zeit. Dieses Denken ist klarsichtig und erkennt den Drang der definitiven<br />

Anwendung von Technik, die Ideologie der Massendemokratie, der Gewalt und des als „Demokratie“<br />

auftretenden ideologischen Rigorismus. Daß der Materialismus das Denken beeinflußte und die<br />

Faszination vor den Leistungen der Technik prägte, kann heute, im „Handy“-, „Shopping“- und<br />

Informationszeitalter, nicht mehr angezweifelt werden. Aber in dieser Art von Aufklärung und in<br />

diesem technischen Fortschritt dröhnender Großstädte und lärmender Hysterie war schon immer die<br />

Gegenaufklärung im Sinne Spenglers, die destruktive Gegentendenz, enthalten. Sie zerstört das, was<br />

den freien erdverbundenen Menschen zerstört. Das Potential dieses dialektischen Umschlages war<br />

stets präsent – daher „Negative Dialektik“. Sie wehrt sich dagegen, daß pure Effizienz zum Kriterium<br />

des Lebenserfolges gemacht wird. Sie benennt bei Spengler zum ersten Mal die Entwicklung der<br />

Globalisierung und der Masseneinwanderung – der „Farbigen Weltrevolution“ –, welche die<br />

nationale Politik und den souveränen Volkswillen degradiert. Spenglers Buch ist Ausdruck dieses<br />

dialektischen Umschlages, der auch heute wieder, in Zeiten der Entkolonialisierung, der überhöhten<br />

Lohnforderungen und der Vernichtung des „Standort Deutschland“, vonstatten geht. Der Autor sah<br />

nur einen Weg: Ausharren! Und wir?<br />

306


Alternativloser Schulzwang<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 21. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Heimunterricht ist in Deutschland verboten. Hier herrscht Schulzwang. In anderen europäischen<br />

Ländern wie etwa Dänemark, Österreich oder den Niederlanden hingegen ist statt einer Schul- eine<br />

Bildungspflicht im Gesetz verankert, was dazu führt, daß Eltern ihre Kinder zu Hause selbst<br />

unterrichten dürfen. Während andernorts Eltern aktiv den Bildungswerdegang ihrer Kinder<br />

mitgestalten können, müssen deutsche Eltern ihre Kinder trotz häufig überfüllter Klassen und<br />

schlecht ausgebildeter Lehrer auf staatliche oder halbstaatliche Schulen in freier Trägerschaft<br />

schicken.<br />

Weltweit werden 3 Millionen Kinder zu Hause unterrichtet. Die Dunkelziffer dürfte gerade in Dritte-<br />

Welt-Ländern noch wesentlich höher liegen und die Verfechter der Methode des sogenannten<br />

„homeschooling“ nennen jährliche Wachstumsraten von 10%. Allein in den USA gehen 2 Millionen<br />

Kinder nicht mehr auf eine Schule, sondern bleiben zu Hause und werden dort privat von Eltern, den<br />

Nachbarn oder guten Freunden je nach individuellen Bedürfnissen unterrichtet.<br />

Daheim lernt´s sich besser.<br />

Eltern, die ihre Kinder nicht in die Hände von Pädagogen staatlicher oder privater Schulen geben<br />

wollen, haben dafür hauptsächlich politische oder religiöse Gründe und möchten ihren Nachwuchs<br />

der politischen und religiösen Indoktrination von Lehrern fern halten. Daneben gibt es Kinder, bei<br />

denen nach jahrelangem frustrierendem Schulbesuch festgestellt wurde, daß sie in einer Schule<br />

weniger gut lernen als zu Hause.<br />

Tendenziell setzen eher gebildete Eltern, die viel Wert auf Erziehung und eine individuelle und<br />

unabhängige Bildung legen, auf Heimunterricht. Der Erziehungswissenschaftler Volker Ladenthin, der<br />

<strong>2006</strong> ein Buch über „homeschooling“ herausgegeben hat, kritisiert das Schulpflichtsgebot in<br />

Deutschland scharf und sieht im Heimunterricht insbesondere einen Ausweg aus der Bildungsmisere<br />

für bildungsambitionierte Familien, „die nach Alternativen zu den vermaßten Schulen suchen, zu<br />

Klassen mit 35 Kindern, bei denen kein Lehrer mehr vernünftig unterrichten kann.“<br />

Heimunterricht verlangt viel Engagement von Schülern und Eltern. Was<br />

ist eigentlich so schlimm daran?<br />

Die Methode des Heimunterrichts ist bisher sehr erfolgreich. Die Kinder, die zu Hause unterrichtet<br />

werden, müssen jährlich Prüfungen ablegen und ihre Ergebnisse sind im Schnitt besser als die von<br />

Schulbesuchern. Dennoch ist Heimunterricht nichts für jedermann. Seine Anwender sind vielseitig<br />

gefordert. Neben dem inhaltlichen Wissen aller Fächer müssen die Heimlehrer sich selbständig um<br />

Lehrmaterialen und alle weiteren organisatorischen Belange kümmern.<br />

Übrigens, bis vor 200 Jahren war Heimunterricht der Normalfall. Die großen deutschen Dichter und<br />

Denker wurden alle zu Hause von Lehrmeistern einzeln unterrichtet. Goethe und Johann Gottlieb<br />

Fichte zum Beispiel genossen Privatunterricht und anscheinend hat ihnen die Abstinenz einer<br />

Schulpflicht und eines interventionistischen Staates nicht geschadet.<br />

3<strong>07</strong>


Mügeln: Ein neuerliches Sebnitz<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 23. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Von wem ging die Schlägerei in Mügeln aus?Auf dem Altstadtfest der Stadt Mügeln ist es in der<br />

Nacht vom 18. auf den 19. August 20<strong>07</strong> zu einer folgenschweren Auseinandersetzung zwischen<br />

Deutschen und Indern gekommen. Gegen 0:30 Uhr entwickelte sich bei einer Tanzveranstaltung eine<br />

Prügelei, bei der 8 Inder, 4 Deutsche und 2 Polizisten verletzt wurden.<br />

Diese Prügelei beschäftigt seit einigen Tagen die gesamte Republik, weil tief betroffene Politiker und<br />

Journalisten ein fremdenfeindliches Motiv bei den beteiligten Deutschen vermuten. In Windeseile<br />

kamen Gerüchte auf, in Mügeln hätten 50 Rechtsextremisten „Ausländer raus“ grölend Inder durch<br />

die Stadt gejagt. Der für Mitteldeutschland zuständige Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) kritisierte<br />

auch den Bürgermeister Mügelns Gotthard Deuse (FDP), da dieser im Nachhinein die Taten der<br />

Nazischläger relativiert habe.<br />

Daß bei der „Hetzjagd von Mügeln“ vielleicht gar nicht so viel gehetzt und gejagt wurde, wie manche<br />

Politiker und Medienvertreter in der ersten Aufregung mutmaßten, kommt nach und nach ans<br />

Tageslicht. So steht zweifelsfrei fest, daß sich das Festzelt, wo die Schlägerei anfing, nur 30 Meter von<br />

der Picobello Pizzeria, in der sich die flüchtenden Inder „verbarrikadierten“, entfernt befand. Den<br />

Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft zufolge handelte es sich auch nicht um eine 50-köpfige<br />

Nazischlägerbande, die sich willkürlich 8 Inder als Opfer ausgesucht hatte, sondern um 50<br />

Schaulustige vor der Pizzeria. Von Einzelpersonen dieser Gruppe sollen Sprüche wie „Ausländer raus“<br />

gefallen sein.<br />

Wer die Schlägerei im dem Festzelt ausgelöst hat, konnte noch nicht ermittelt werden. Dieter Soika,<br />

Chefredakteur der Chemnitzer Tageszeitung „Freie Presse“, weist in seinem heutigen Leitartikel über<br />

„Mügeln, Medien und Politik“ darauf hin, daß auch ein 23-jähriger Deutscher eine Flasche auf den<br />

Kopf geschlagen bekam. „Wer das war, ist nicht bekannt.“<br />

Soika fühlt sich aufgrund der bisherigen Faktenlage „fatal an Sebnitz“ erinnert. Im Jahr 2000 ruinierte<br />

die Öffentlichkeit das Ansehen von Sebnitz, indem wochenlang die Behauptung aufrechterhalten<br />

wurde, Nazis hätten im Sebnitzer Freibad ein ausländisches Kleinkind ertränkt und die Badegäste<br />

hätten tatenlos zugesehen. Wenig später stellte sich heraus, daß sich die traumatisierte Mutter des<br />

Kindes die rechtsextreme Tat ausgedacht hatte. Genauso wie Sebnitz seither mit Rechtsextremismus<br />

in Verbindung gebracht wird, so trifft dies ab jetzt ebenfalls auf Mügeln zu.<br />

Das Ansehen Mügelns wird jahrelang darunter leiden, von einigen Politikern für ihren „Kampf gegen<br />

rechts“ instrumentalisiert worden zu sein. Während sich diese Politiker rund um die<br />

Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), nun im netten Kaffeeklatsch<br />

über Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit auslassen und aufgrund des Falles Mügeln neue<br />

Anti-Rechts-Programme initiieren können, muß Mügeln wirklich gravierende Probleme lösen.<br />

308


Schuldkult: „Nicht ein positives Wort über das Vaterland.“<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Donnerstag, den 23. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das Holocaustdenkmal manifestiert die deutsche Schuld.Schuldkomplexe und Selbsthass auf alles<br />

Deutsche ziehen sich wie ein roter Faden durch das Leben der Bundesrepublik. Der deutsche<br />

Selbsthass ist inzwischen weltweit bekannt und geachtet – in Polen, weil man von der Vertreibung<br />

ablenken kann. In Brüssel, weil man hofft, die Deutschen als besten Nettozahler der EU-Bürokratie zu<br />

halten. In Israel, weil Deutschland weiter zahlen lassen möchte. So bemerkte der Grünenpolitiker<br />

Volker Beck in bezug auf deutsche Zahlungen an Israel: „Wer nicht zahlt, muss öffentlich als<br />

geschichtsloser Lump an den Pranger gestellt werden.“<br />

Allerdings mehren sich auch im Ausland Stimmen, die den deutschen Selbsthass für pathologisch und<br />

krank halten. So bemerkte die berühmte Historikerin und Holocaust-Überlebende Hannah Arendt:<br />

„Moralisch gesehen ist es ebenso falsch, sich schuldig zu fühlen, ohne etwas bestimmtes angerichtet<br />

zu haben, wie sich schuldlos zu fühlen, wenn man tatsächlich etwas begangen hat. Ich habe es immer<br />

für den Inbegriff moralischer Verwirrung gehalten, dass sich im Deutschland der Nachkriegszeit<br />

diejenigen, die völlig frei von Schuld waren, gegenseitig und aller Welt versicherten, wie schuldig sie<br />

sich fühlten.“<br />

Der Schuldkult als Holocaust-Religion<br />

Der Schuldkult als Holocaust-Religion ist heute die Staatsreligion der Bundesrepublik. Wie das<br />

Christentum kennt der Schuldkult religiöse oder zivilreligiöse Riten: es gibt Priester, einen Dom,<br />

Tempel, Feiertage, Weihestätten, Gedenkorte, Pilgerreisen, Konversionserlebnisse und<br />

Initiationsriten. Ein kulturhistorischer Vergleich des Schuldkultes, der Staatsreligion der<br />

Bundesrepublik, mit dem Christentum, der Staatsreligion des deutschen Reiches im Mittelalter zeigt<br />

überraschende Paralellen.<br />

Jede Religion beansprucht die absolute Wahrheit. Zweifler werden nicht geduldet und Ketzer<br />

verfolgt. Wer im Mittelalter die biblische Geschichte der Erschaffung der Welt in sieben Tagen und<br />

das Dogma der Welt als Scheibe bezweifelte, wurde als Ketzer öffentlich auf dem Scheiterhaufen<br />

verbrannt. Wer heute Elemente der Holocaustreligion anzweifelt, gilt auch als Ketzer und muss mit<br />

dem Gefängnis rechnen. Man sollte meinen, dass die Ermordung der Juden ein geschichtliches<br />

Ereignis sei, dass wie jedes andere Ereignis der Geschichte rational und kontrovers anhand von<br />

Quellen diskutiert werden dürfe, doch gerade dieses geschichtliche Ereignis ist per Gesetz über jeden<br />

Zweifel gestellt und zwingt zu ‚Glauben’ anstatt zu ‚Wissen’.<br />

Die Priester der Holocaustreligion<br />

Jede Religion braucht Priester. Hatten im christlichen Mittelalter die katholischen Priester die<br />

Aufgabe, jeden Sonntag in den Kirchen die Christen an ihre durch Geburt erworbene „Erbsünde“ zu<br />

erinnern, so tun dies heute Politiker und Intellektuelle in ihren Sonntagsreden. Die ewig gleichen<br />

Phrasen von deutscher Schuld und der „schlimmen deutschen Vergangenheit“ zielen darauf ab, jeder<br />

neuen Generation noch 70 Jahre nach Kriegsende ein Schuldgefühl einzuimpfen für Dinge, mit denen<br />

selbst ihre Eltern nichts zu tun hatten.<br />

Die Feiertage der Holocaustreligion<br />

Jede Religion braucht Feiertage. Im Mittelalter war das Jahr durch christliche Feiertage geordnet, die<br />

die biblische Geschichte von Jesu Geburt an Weihnachten über Jesu Tod zu Ostern und Christi<br />

309


Himmelfahrt erzählten. Heute beginnt das Trauerjahr mit dem Auschwitz-Gedenktag am 27. Januar<br />

über den „Tag der Befreiung“ am 8. Mai bis zum Tag des Kriegsbeginns und dem der<br />

Reichskristallnacht. An jedem dieser Tage sind Zeitungen und Fernsehen voller Schuldkult-Predigten.<br />

Die Tempel der Holocaustreligion<br />

Jede Religion braucht einen zentralen Tempel oder Dom. Im christlichen Mittelalter war es ‚die ewige<br />

Stadt Rom, der Sitz des Papstes im Vatikans als Oberhaupt der weltweiten Christenheit. Der<br />

Petersdom war der zentrale Tempel des Christentums. Im Petersdom zu Rom wurden die<br />

katholischen Dogmen verkündet, bevor sie von hier unter der gesamten Christenheit verbreitet<br />

wurden. Diese Funktion erfüllt heute das Holocaust-Mahnmal in Berlin als zentrale Trauerstätte des<br />

Schuldkultes und der Holocaust-Religion.<br />

Pilgerreise nach Auschwitz<br />

Jede Religion kennt Pilgerreisen. Das Pilgern in die Fremde soll zu Einsicht führen und Buse zeigen. In<br />

der mittelalterlichen, christlichen Gesellschaft wurden Pilgerer besonders respektiert. Sie galten als<br />

besonders gläubig und religiös und erfuhren in ihrer Heimat viel Achtung. Heute noch findet sich<br />

diese Praxis im Islam. Muslime sollen wenigstens einmal im Leben nach Mekka gepilgert sein und<br />

dürfen bei ihrer Rückkehr eine Kopfbedeckung tragen, die andere Muslime auf die Pilgerreise<br />

aufmerksam machen und Respekt heischen soll. Der zeitgenössische Schuldkult kennt die<br />

Pilgerreisen als Bustouren nach Auschwitz oder zu anderen Orten der sogenannten „deutschen<br />

Schuld“. Ein Schuldkultpilgerer darf in Deutschland im Freundeskreis mit Wohlwollen rechnen, wenn<br />

er von seiner Reise nach Auschwitz berichtet.<br />

Selbsthass und Schuldkult<br />

Jede Religion kennt die Buse. Die Buse – das öffentliche Eingestehen von Schuld – ist ein typisches<br />

Element des Christentums. Das öffentliche Eingestehen von Schuld findet sich im Mittelalter überall:<br />

jeden Sonntag betete jedes Dorf gemeinsam in der Kirche „...und vergib uns unsere Schuld“, und<br />

jeder Christ musste die Beichte beim Priester ablegen, selbst wenn man sich keiner Sünden bewusst<br />

war. Eine weitere Form des Schuldgeständnisses konnte man öffentlich zeigen, in dem man sich<br />

selbst auspeitschte. Über Jahrhunderte zogen in den katholischen Ländern Spanien und Portugal die<br />

sogenannten Flagellanten durch die Städte und peitschen sich selbst bis auf das Blut aus. Auch der<br />

Schuldkult erwartet die Buse. Jeder Bundeskanzler und jeder Bundespräsident muss bei Amtsantritt<br />

eine Reise zur jüdischen Trauerstätte Yad Vashem vornehmen und dort stellvertretend für alle<br />

Deutschen seine Schuld eingestehen. Die Bilder des schuldbewussten Vertreter des deutschen Volkes<br />

werden dann im Fernsehen ausgestrahlt.<br />

Jede Religion kennt sogenannte Konversionserlebnisse. Das sind Momente, in denen der bisher nur<br />

wenig Gläubige plötzlich seinen falschen Weg erkennt und sich bekehrt. Im Christentum waren das<br />

plötzliche Erscheinungen, die die Menschen von der Gegenwart des Herrn überzeugten und sie zu<br />

besonders gläubigen Christen werden ließ. In der Holocaust-Religion sind Konversionserlebnisse<br />

meist die sogenannter ‚Rechtsextremisten’, die sich nach einem Besuch in Auschwitz plötzlich dem<br />

Schuldkult unterwerfen und fortan besonders wenig deutsch sein wollen.<br />

Opfer erster und zweiter Klasse<br />

Jede Religion ist eifersüchtig. Da Religion auf dem alleinigen Wahrheitsanspruch beruht, wird die<br />

Existenz eines anderen Glaubens oft als Bedrohung empfunden. Die Kreuzzüge zur Verbreitung des<br />

wahren Glaubens und zur Ausrottung der Ungläubigen geben beredet Kenntnis vom<br />

Absolutheitsanspruch. Auch die Holocaustreligion kennt diese religiöse Eifersucht. Die ständige<br />

310


Phrase von der „Einzigartigkeit des Holocaustes“ zeugt von der Eifersucht des Opferstatus. Ähnlich<br />

wie in Deutschland wird auch in Israel der Völkermord an den Armeniern in Schulbüchern kaum<br />

erwähnt; man fürchtet, die Erwähnung anderer Völkermorde könnte von der „Einzigartigkeit des<br />

Holocaustes“ ablenken.<br />

Der Schuldkult im Reichstag<br />

Der angesehene Historiker Heinz Nawratil hat die Studie „Der Kult mit der Schuld“ im Jahr 2002<br />

vorgelegt. Damals tobte der sogenannte ‚Aufstand der Anständigen’, der Streit um die<br />

‚Wehrmachtsausstellung’ lag erst einige Monate zurück und die Republik diskutierte das ‚Holocaust’-<br />

Denkmal. Heinz Nawratil hat in seiner Studie verschiedene Stimmen zur deutschen, kollektiven<br />

Schuldpsychose zusammengetragen und beleuchtet sie aus religions-wissenschaftlicher und<br />

psychoanalytischer Sicht.<br />

Hier wurde der Schriftzug „Dem Deutschen Volk“ durch die Installation „Der Bevölkerung“ des linken<br />

Künstlers Haake ersetzt. Doch damit nicht genug: im Andachtsraum für die Abgeordneten gibt es eine<br />

Gebetsmarkierung gen Mekka für Muslime und eine Klagemauer für Juden, doch kein Kreuz für<br />

Christen. Im Ruheraum für Abgeordnete stehen Pulte mit aufgeschlagenen Büchern, die die Namen<br />

verfolgter Reichstagsabgeordneten enthalten. An der Wand des Raumes hängt ein Gemälde, dass<br />

einen Blick in ein Krematorium darstellen soll. Den ständigen Schuldvorwurf vor Augen, haben<br />

manche Politiker ihre Auftritte entsprechend angepasst. Der Grünenpolitiker und ehemalige<br />

Umweltminister Jürgen Trittin verwendet vor lauter Schuldbewusstsein auf seinen Briefen nicht mehr<br />

die offizielle Bezeichnung „Mitglied des Deutschen Bundestages“, sondern nur „Mitglied des<br />

Bundestages“. Trittin ist der Meinung, dass Nationalstolz und Heimatliebe rassistisch seien. Das<br />

Deutschlandlied singt er grundsätzlich nicht.<br />

Der Schuldkult hat den Selbsthass der Deutschen auf alles Deutsche in alle Poren unserer<br />

Gesellschaft einsickern lassen. Hass auf die deutsche Geschichte und ihre Kultur sowie gegenüber<br />

jeder selbstbewussten und gesunden Haltung zu unserer Heimat sind politisch legitim und werden<br />

von Politik und Medien aktiv gefördert.<br />

Der Schulkult – ein psychotisches Krankheitsbild<br />

Der Schuldkult, den jedes deutsche Schulkind jahrelang eingetrichtert bekommt und der sich jeden<br />

Tag in allen Zeitungen wiederfindet, behindert die Normalisierung und Gesundung Deutschlands.<br />

Sogar der englische Schriftsteller Frederick Forsyth beklagte in einem Interview im Focus (16/2002):<br />

„Von der Geburt bis zur Universität hört kein Deutscher ein positives Wort über sein Vaterland. Er<br />

hört nur von den Sünden, von den schrecklichen zwölf Jahren des Hitlerismus. Die übrige Geschichte<br />

fällt unter den Tisch. Ich sehe keine Wiedergeburt des Faschismus. Ich fürchte die deutsche politische<br />

Korrektheit mehr als einen neuen Hitler.“<br />

311


Politische Beeinflussung von Schülern an Gymnasien<br />

Geschrieben von: Tim Ballschuh<br />

Freitag, den 24. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

"Hitler ist böse", sagt der Lehrer.Es ist ja allgemein bekannt, dass in den Medien, ob Presse, Hörfunk<br />

oder Fernsehen, immer wieder gegen „rechts" propagiert wird, sei es wenn es um (angebliche)<br />

Straftaten geht, wenn ein Datum ansteht, an dem an ein bestimmtes historisches Ereignis erinnert<br />

werden muss, oder was auch immer. Die Liste der Gründe und Möglichkeiten ist lang. Doch leider<br />

muss man, gerade als Schüler, immer wieder feststellen, dass an den Gymnasien Deutschlands<br />

immer wieder aktiv politische Beeinflussung betrieben wird. Sei es im Unterricht, in der Gestaltung<br />

der Flure mit Wandzeitungen oder gar durch Programme gegen "rechts", an denen man mehr oder<br />

weniger freiwillig Teilnehmen "darf".<br />

Gegen von Schülern inszenierte Aktionen ist nichts einzuwenden und auch gegen Programme der<br />

Schule wäre nichts einzuwenden, wenn sie nicht immer so einseitig wären. So hört man andauernd<br />

von Aktionen wie "Kampf gegen rechte Gewalt und Ausländerfeindlichkeit" und Programmen wie<br />

"Schule ohne Rassismus". Holocaust-Opfern sind ebenfalls gern gesehene Gäste im Unterricht.<br />

All diese Sachen würden Annerkennung verdienen, wenn eben nicht nur so einseitig agitiert werden<br />

würde! Wann wurde das letzte Mal über linke Gewalt geredet? Wann wurde mal eine Stunde einem<br />

deutschen Vertriebenen gewidmet, so dass er auch seine Geschichte hätte erzählen können? Und<br />

wann wurde das letzte Mal über die mehr als 20 Millionen Opfer der Sowjetdiktatur gesprochen? All<br />

dies fällt unter den Tisch, da man sich ja seiner eigenen Vergangenheit zuwenden muss und jegliches<br />

neue Nationalbewusstsein schon im Keim erstickt.<br />

Belehrungen über das Dritte Reich haben selbst schon den<br />

Matheunterricht erreicht.<br />

Doch damit ist es ja noch nicht getan. Nicht nur die Alltäglichkeiten sind an deutschen Oberschulen<br />

mittlerweile gang und gebe, nein, auch direkt im Unterricht und im allgemeinen Miteinander kommt<br />

diese gezielt antideutsche Einstellung zutage. In fast jedem Fach, bei weitem nicht mehr nur in<br />

Geschichte, Ethik oder Religion kommt man mittlerweile immer wieder auf die Zeit des Dritten<br />

Reiches zurück. Selbst den Matheunterricht hat es manchmal schon erreicht, von Fächern wie<br />

Sozialkunde und Deutsch ganz zu schweigen!<br />

Und wenn gerade dieses Thema, die Zeit 1933-1945, an der Reihe ist, ist auch hier nur einseitige<br />

Berichterstattung zu erwarten. Von Friedensangeboten im 2. Weltkrieg, die von den Alliierten, z.B.<br />

England, abgelehnt worden sind, ist nicht die Rede. Auch spricht man nicht, oder wenn dann nur mit<br />

Hinweis auf die eigene Schuld, über die Vertreibung und die Zerstörung der deutschen Großstädte<br />

durch die unmenschlichen Angriffe der alliierten Luftstreitkräfte auf die deutsche Zivilbevölkerung.<br />

Auch der heutige Nationalismus und Patriotismus wird stark angegriffen und versucht in jeglicher<br />

Form zu unterdrücken! Das äußert sich zum einen in den oben genannten Programmen, zum<br />

anderen darin, dass von Lehrkräften eine Kriminalisierung und Diffamierung rechtsgerichteter<br />

Parteien stattfindet, auch ohne Zusammenhang zu einem speziellen Thema, einfach nur so, weil es<br />

sich gerade irgendwie anbietet.<br />

312


Mobbing gegen nationalgesinnte Schüler von linken Schülern, Lehrern<br />

und der Schulleitung<br />

Gezielte Anspielungen auf Schüler, die sich national engagieren oder einfach nur so denken, kommen<br />

täglich hinzu. Die Palette reicht von Meinungsunterdrückung, dem Verbot des Aussprechens der<br />

eigenen Meinung bis hin zu ständigen Einschränkungen, welche sich zum Beispiel im Verbot des<br />

Tragens bestimmter Marken, die teilweise völlig neutral sind, äußert. Die Aktionen gegen nationale<br />

Schüler gehen teilweise sogar bis zum Mobbing und dem Androhen von Schulverweisen. Nicht nur<br />

"normale" Lehrer sondern auch die Schulleitung betreibt zum Teil offen Mobbing gegen<br />

nationalgesinnte Schüler.<br />

Den meist unpolitisch eingestellten Schülern wird hingegen ein linksliberales Weltbild eingetrichtert,<br />

verbunden mit dem "Schuldkult", was zusammen eine vorbeugende Maßnahme gegen patriotische<br />

Gedanken darstellt. Und das wirklich Schlimme daran ist, das beginnt nicht erst in den höheren<br />

Klassenstufen ab Klasse 10, nein, schon ab der 5. Klasse werden die Schüler täglich indoktriniert und<br />

das ist ja nun wirklich noch ein Alter, indem sich Kinder leicht beeinflussen lassen. Von freier<br />

Meinungsbildung kann also nicht die Rede sein! Und von freier Meinungsäußerung und Entfaltung<br />

der Persönlichkeit auch nicht.<br />

Erschreckenderweise trifft das alles nicht nur auf ein oder zwei Gymnasien zu sondern auf Schulen im<br />

gesamten Bundesgebiet; natürlich mit unterschiedlichen Ausprägungen an jeder Schule. Deshalb<br />

bleibt nur zu hoffen, dass diese Einseitigkeit irgendwann durch eine objektive und neutrale Lehrweise<br />

abgelöst wird und dass die Zwänge und Einschüchterungen durch eine freie und angenehme<br />

Schulzeit ersetzt werden, denn nur wenn freie Eliten mit einem gesunden Maß Vaterlandsliebe die<br />

Zügel in die Hand nehmen werden, dann wird es in Deutschland wieder aufwärts gehen! Für<br />

Meinungsfreiheit und freie Meinungsbildung – Gegen Meinungsdiktatur und politische Beeinflussung<br />

von Schülern!<br />

313


Ein Wort zu den sozialistischen Populisten von der NPD<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 28. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

In einer Demokratie, die von Parteien dominiert ist, hat der politisch interessierte und<br />

veränderungswillige Bürger normalerweise das Bestreben, eine Partei zu finden, die seinen<br />

Vorstellungen entspricht. Da das für fast niemand möglich ist, sucht der unzufriedene Bürger nach<br />

Parteien des kleineren Übels. Manch ein frustrierter Konservativer wählt deshalb bei jeder<br />

Bundestagswahl CDU, um sich dann einen Monat später über diese falsche Entscheidung für die<br />

Partei der Konturenlosigkeit und der absoluten Mitte in den eigenen Hintern zu beißen. Und einige<br />

ehemalige SPD- und PDS-Stammwähler setzen auf einmal das Kreuz bei der NPD, da diese ja<br />

irgendwie auch Hartz IV weg haben will. Ebenso wie NPD-Politiker und andere frustrierte Bürger<br />

habe ich auch die Schnauze voll vom Politikbetrieb der Bundesrepublik Deutschland und wähle<br />

dennoch keine kleineren Übel.<br />

Wenn es eine haargenau geführte Liste über die meistgestellten Fragen an Rechte und von Rechten<br />

untereinander gäbe, dann würde die Frage „Wie hältst du´s mit der NPD?“ garantiert in den Top 10<br />

auftauchen. In diesem Anstoß und in einer Reihe folgender Anstöße in den nächsten Wochen soll es<br />

deshalb um großflächig kursierende Fragen an Rechte und von Rechten gehen, die ich aus einer<br />

persönlichen Sichtweise beantworten möchte.<br />

Heute etwas zur NPD: Die NPD vertritt eine zutiefst populistische Politik. Statt den Steuermittelfressenden<br />

Sozialstaat abbauen zu wollen, plappert die NPD den unteren Schichten des Volkes nach<br />

dem Maul und fordert mehr Geld für diejenigen, die nicht arbeiten, und größere Belastungen für die,<br />

die Arbeitsplätze schaffen. Daß sich solche Forderungen im Wahlergebnis positiv bemerkbar machen,<br />

ist klar. Nur leider gehen diese politischen Ziele in die falsche Richtung.<br />

Der Sozialismus ist bereits oft genug gescheitert.<br />

Nicht nur aus ökonomischer Sicht ist eine sozialistische Politik untragbar. Das Menschenbild, was<br />

hinter sozialistischen Ideologien steht, kann ein Konservativer nicht mittragen. Die NPD würde mit<br />

ihrer Politik Faulheit und Trägheit fördern. Für unsere Nation kann dies nicht das beste sein. Den<br />

Nationaldemokraten geht es auch gar nicht um die Nation, sondern um das Volk und dem paßt es<br />

sich bereits ganz gut an.<br />

Nationale Politik steht heute vor dem Problem, daß sie die Interessen des Volkes nicht vertreten<br />

kann, denn das Volk ist zu großen Teilen von der allgegenwärtigen Dekadenz befallen. Eine<br />

schlagkräftige, vitale und selbstbewußte Nation läßt sich mit sozialistischem Habitus nicht formieren.<br />

Die NPD betreibt keine nationale Politik, sondern eine Politik für das<br />

primitive Volk.<br />

Wenn man einem dekadenten Volk noch mehr Almosen hinterher wirft, dann konsumieren die<br />

Menschen nur noch mehr und noch sinnloser. Ein Ausbau des ohnehin schon viel zu voluminösen<br />

Sozialstaates, den die NPD wünscht, schafft weder mehr Arbeitsplätze noch mehr Kinder. Er bewirkt<br />

lediglich, daß die Menschen weiter in der Abhängigkeit des Staates bleiben, anstatt sich in frei<br />

gewählten Gemeinschaften zu organisieren. Sollte Politik einem dekadenten Volk überhaupt helfen<br />

können, dann nur indem sie von ihm konsequent Leistung und Eigenverantwortung abverlangt und<br />

das Volk zurück in alte Gemeinschaften zwingt.<br />

314


Die Gründung der Jenaer Urburschenschaft<br />

Geschrieben von: Robert Adam<br />

Donnerstag, den 30. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das Burschenschafterdenkmal in Jena vor der Friedrich-Schiller-UniversitätAn der Wende vom 18.<br />

zum 19. Jahrhundert bot das Verbindungswesen an den deutschen Hochschulen ein hoffnungslos<br />

zersplittertes Bild: Landsmannschaften, Corps und studentische Orden waren entweder regional<br />

nach Stämmen oder weltanschaulich zergliedert. Diese Situation war ein getreues Abbild des in<br />

unzählige größere, mittlere, kleinere und winzige Staatsgebilde zerfallenen Deutschland, während<br />

das Heilige Römische Reich Deutscher Nation nur noch eine schwache Klammer des nationalen<br />

Zusammenhalts bildete.<br />

Verschiedene Faktoren bewirkten eine Änderung dieses unhaltbaren Zustands: in geistiger Hinsicht<br />

der Einfluss von Aufklärung und Romantik, im politischen Bereich die Folgen der Französischen<br />

Revolution und der Napoleonischen Kriege.<br />

Das Gedankengut der Aufklärung führte insofern zu einem Wandel des philosophischen Denkens, als<br />

nunmehr die politische Einheit nicht mehr durch die Person des Fürsten, sondern durch den Willen<br />

des Volkes legitimiert wurde. In Deutschland brachte die Besetzung durch Napoleon ab 1806<br />

verstärkt den Wunsch zur Abgrenzung von Frankreich und von dessen rein politischen<br />

Volksverständnis mit sich. Der mythisch-irrationale Geist der Romantik trug ebenfalls dazu bei, dass<br />

sich von 1805 bis 1815 liberalistische und konservative Tendenzen in der politischen Literatur und in<br />

den programmatischen Schriften Deutschlands kreuzten.<br />

Das Erwachen der deutschen Nation<br />

Die gebildete akademische Schicht, teilweise aus jungen Jenaer Professoren wie Schiller, Hegel,<br />

Fichte und anderen bestehend, veränderte ihre vorher revolutionsbejahende Sichtweise in dieser<br />

Zeit zu einer mehr volksbezogenen Anschauung. Fichtes „Reden an die deutsche Nation“ in Berlin<br />

wiesen das Prinzip eines rationalen Verfassungsstaates als Idee der Französischen Revolution und als<br />

dem „deutschen Wesen fremd“ zurück. Speziell in Jena wurde dieses zunehmende patriotische<br />

Empfinden seit 1806 durch die Vorlesungen des Historikers Heinrich Luden gefördert, welcher damit<br />

das Interesse an der Geschichte des deutschen Volkes wecken wollte. Luden und andere Professoren<br />

trugen dazu bei, dass sich viele Jenaer Studenten dem Freiheitskampf gegen Napoleon innerhalb des<br />

Lützowschen Freikorps anschlossen.<br />

Weitere Gründe begünstigten die Gründung der Urburschenschaft gerade in Jena: der hervorragende<br />

Ruf der „Alma Mater Jenensis“ als ein Zentrum der literarischen Klassik und Frühromantik, der<br />

natürlich viele bedeutende Köpfe anzog, sowie die vergleichsweise liberale Regierung des<br />

Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. Als einer der ersten Staaten des Deutschen Bundes<br />

gewährte man dort am 5. Mai 1816 eine Verfassung und Pressefreiheit. In Jena wirkten somit auf die<br />

Studenten um 1815 alte protestantische Traditionen, der Geist von Aufklärung, Französischer<br />

Revolution und Frühromantik, repräsentiert durch hervorragende Professoren, das einigende<br />

Erlebnis der Befreiungskriege gegen Frankreich sowie die freiheitlichen politischen Tendenzen<br />

innerhalb des thüringischen Kleinstaats, auf dessen Boden sich die Universität befand, ein.<br />

Friedrich Ludwig Jahn, Karl Friedrich Friesen und das Lützowsche<br />

Freikorps<br />

1810 gründeten Friedrich Ludwig Jahn und Karl Friedrich Friesen in Berlin einen „Deutschen Bund“.<br />

Innerhalb dieses Zirkels entwickelte sich der Plan zur „Ordnung und Errichtung der<br />

315


Burschenschaften“, wobei Jahn an eine Verschmelzung von Burschenschaften und Turnwesen in<br />

Form der „Burschenturner“ dachte. 1814 vereinigten sich die aus dem Krieg heimkehrenden Jenaer<br />

Studenten, welche im Lützowschen Freikorps gedient hatten, in einer Wehrschaft. Diese war<br />

verbindungsübergreifend und sollte das unpolitische Nebeneinander von Landsmannschaften und<br />

Orden überwinden. Dieses Ereignis macht ein weiteres Mal deutlich, dass der Krieg gegen Napoleon<br />

einen wesentlichen Einigungsimpuls zumindest für einen Teil der deutschen Studenten darstellte.<br />

Die Burschenschaft als studentische Jugendbewegung<br />

Der endgültige Anstoß zur Gründung der Urburschenschaft ging schließlich von der Landsmannschaft<br />

Vandalia Jena aus. Am 12. Juni 1815 nahmen im Gasthaus „Zur Tanne“ 113 Studenten an einem<br />

feierlichen Akt teil, in dessen Verlauf sich die Jenaer Landsmannschaften auflösten und gemeinsam<br />

die Burschenschaft gründeten. Bemerkenswert ist die Auflösung der Landsmannschaften deshalb,<br />

weil man deren Ende als eine symbolische Aufgabe der jeweiligen regionalen Identität zugunsten<br />

eines größeren, nationalen Zugehörigkeitsgefühls bewerten kann. Später sollte sich diese<br />

studentische Jugendbewegung auf das ganze Vaterland ausdehnen und, beginnend mit dem Ersten<br />

Wartburgfest, einen Anlauf zur Einigung der gesamten deutschen Studentenschaft unternehmen.<br />

Dieses heroische Aufbäumen der akademischen Jugend und ihr letztendliches Scheitern muss jedoch<br />

an anderer Stelle betrachtet werden.<br />

316


Mügeln und das neu geforderte NPD-Verbotsverfahren<br />

Geschrieben von: M. Kliese<br />

Donnerstag, den 30. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Kurt Beck und andere Volksvertreter streben ein neues NPD-Verbotsverfahren an. Der Hintergrund<br />

ist die angebliche Hetzjagd auf acht Inder durch den sächsischen Ort Mügeln. Dabei konnte bisher<br />

noch nicht vollständig geklärt werden, wie es zu dieser Auseinandersetzung kam. In den Medien<br />

wurde bisher folgender Eindruck erweckt: acht friedliche Inder gingen in ein Festzelt in Mügeln,<br />

wollten tanzen und Spaß haben. Plötzlich wurden sie von deutschen Jugendlichen – höchst<br />

wahrscheinlich Rechtsextreme – umzingelt und letztlich angegriffen. Warum? Weil sie nicht arische<br />

Inder waren!<br />

Dann wurden sie verprügelt und rannten um ihr Leben. Die "Nazis" und dutzende andere rechte<br />

Stadtbewohner jagten die Inder mit Heugabeln und Fackeln von einem Ende der Stadt zum anderen –<br />

bis die Inder in einer 30 Meter entfernten Pizzeria Zuflucht fanden. Die Sprecherin der<br />

Polizeidirektion Westsachsen, Ilka Peter, sagte zur BILD-Zeitung: „Vor diesem Ereignis wurde in der<br />

Nähe des Marktes ein schwer verletzter Deutscher gefunden. Aufgrund dessen laufen die<br />

Ermittlungen weiter in alle Richtungen.“<br />

"No Go Area?"<br />

Letzten Sonntag, 26. August 20<strong>07</strong>, fand eine öffentliche Podiumsdiskussion des Radiosenders MDR<br />

JUMP in Mügeln auf Schloß Ruhethal statt. Der Titel: „NO GO AREA?“<br />

Das Forum ist zustande gekommen, weil sich Bürger aus Mügeln mit dem Aufruf „Mügeln ist kein<br />

Nazi-Nest oder Mittelpunkt rechtsradikaler Treffen.“ an MDR JUMP gewandt haben.<br />

Alle Beteiligten der Diskussion, unter denen z.B. der Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckhard Jesse<br />

war, bekräftigten, daß eine Vorverurteilung Mügelns fehl am Platz ist. Eckhard Jesse sprach vom<br />

„Sebnitz-Syndrom“.<br />

Gotthard Deuse, auch auf dem Forum vertreten und Bürgermeister von Mügeln, wurde von seinen<br />

Bürgern mit Beifall in seinem Ankämpfen gegen die Diskriminierung seiner Stadt unterstützt und<br />

sagte letztendlich nichts anderes, als das, was er jetzt in einem JF-Interview zum 100. Mal<br />

wiederholte. Was es bedeutet, wenn Medien „Urteilen, ohne die Fakten zu kennen.“ (Zitat G. Deuse)<br />

wird Deuse aufgrund des JF-Interviews jetzt erst recht zu spüren bekommen.<br />

In der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ schildert Ronny K. (23) aus dem Nachbarort Wermsdorf<br />

die Vorfälle. Ein indischer Gast habe im vollen Festzelt einen älteren Festbesucher geschubst. Unruhe<br />

kam auf. Mehrere Inder hätten sich mit Glasflaschen bewaffnet, die sie zertrümmert haben, um<br />

Angreifer abzuwehren. Dann seien vier bis fünf Leute auf sie losgegangen, Flaschen flogen. Eine traf<br />

K., der Schnitte am Kopf davontrug.<br />

"Eher eine Rangelei, die eskalierte."<br />

Daraufhin erstellte er Anzeige wegen Körperverletzung. Friederike Friede aus Oschatz habe<br />

beobachtet, wie drei Inder einen Deutschen traktierten. Was diesen Auseinandersetzungen folgte,<br />

sei nichts Geplantes gewesen, sagt sie. Die rettende Pizzeria, in die die Inder flüchteten, liegt gleich<br />

neben dem Festzelt, daher sollte man sich fragen, ob man wirklich von einer „Hetzjagd“ sprechen<br />

kann. In den ARD-Tagesthemen sagte der Nachrichtensprecher, als er auf das Thema Mügeln zu<br />

sprechen kam, die Polizei hätte den Verdacht eines fremdenfeindlichen Motivs bestätigt. Als der<br />

Polizeisprecher zu Wort kam, sagte er: „Wir können eine rechtsextreme Tat ausschließen. Es war<br />

317


eher eine Rangelei, die eskalierte.“ Die Antwort auf den Verdacht blieb der Nachrichtensprecher<br />

schuldig.<br />

Die Medienlawine und automatisierte Sprache hat das Erstrebte erreicht. Wie immer bei einer<br />

vermeintlichen Konstellation "ausländisches Opfer – deutscher Täter", aber nie bei einer<br />

Konstellation "ausländisches Opfer – ausländischer Täter", und schon gar nicht bei einer<br />

Konstellation "ausländischer Täter – deutsches Opfer". Anti-Rechts-Programme werden erneut mit 5<br />

Millionen Euro Steuergeld subventioniert. Man möchte die linken Stammwähler bei Laune halten,<br />

und das tut man am besten, wenn man dafür sorgt, daß sie nicht ihren Arbeitsplatz bei fragwürdigen<br />

Vereinen, Organisationen und Stiftungen verlieren.<br />

Was hat die NPD mit Mügeln zu tun?<br />

Darüber hinaus wollen manche Vorzeigedemokraten die vermeintliche Gunst der Stunde nutzen und<br />

aufgrund der Vorfälle in Mügeln ein neues Verbotsverfahren gegenüber der NPD anstreben, um<br />

einen politischen Gegner aus dem Weg zu räumen. Auf die Frage, was die NPD mit der Schlägerei in<br />

Mügeln zu tun hatte, antwortet niemand. Wenn man in solch einer Situation ein Verbot einer<br />

legitimen Partei anstreben kann, sollte man sich da nicht auch überlegen, ein Verbotsverfahren<br />

gegen DIE GRÜNEN anzustreben, wenn wieder einmal ein Deutscher Opfer ausländischer Gewalttäter<br />

wurde?<br />

318


Regierungskrise in Belgien<br />

Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />

Montag, den 03. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Vielvölkerstaat Belgien befindet sich in einer existentiellen Regierungskrise. Nach den Wahlen<br />

am 10. Juni 20<strong>07</strong> ist bis heute aufgrund eines politischen „Rechtsruckes“ in Flandern, dem nördlichen<br />

Teil Belgiens, noch keine Regierung gebildet. Die linksliberale Partei des nun noch kommissarischen<br />

Premierministers Guy Verhofstadt büßte fast fünf Prozentpunkte ein und fiel auf 20.1%. Die<br />

Sozialisten verloren ein Drittel ihrer Stimmen und erreichten insgesamt 16.2%. Auf der anderen Seite<br />

konnte sich die Allianz „CD&V“ aus Christdemokraten und flämischen Nationalisten von 25.3 auf<br />

31.4% steigern. Dem „Vlaams Belaang“ gelang ein Ergebnis von 19.2%, was eine Verbesserung um<br />

genau 1% im Vergleich zur letzten Wahl 2003 entspricht.<br />

Im frankophonen Wallonien wechselte die linke Majorität lediglich die Couleur. Die traditionell<br />

starken Sozialisten büßten 7.2% ein und erreichten 26.8%, wohingegen sich „Ecolo“, die<br />

französischsprachige belgische Grüne, von 6.8% auf 15.2% verbessern konnte. Der politische<br />

Unterschied zwischen genannten Parteien sollte näherungsweise dem der deutschen Pendants SPD<br />

und DIE GRÜNEN gleichkommen. Mithin fand lediglich eine Machtverschiebung innerhalb des<br />

„progressiven“ Spektrums statt.<br />

Links-Rechts-Patt bei Regierungsbildung<br />

Eine belgische Regierung muß seit jeher durch Flandern wie Wallonien legitimiert werden, da<br />

wesentliche Beschlüsse auf Mehrheiten in beiden Landesteilen angewiesen sind. Das verdeutlicht,<br />

wie prekär die momentane Lage wirklich ist. Es gilt, den politischen Gegensatz von konservativmarktliberal<br />

(Flandern) und sozialistisch (Wallonien) in einer Regierung harmonisch zu vereinen.<br />

Verschärfend wirkt, daß dezidiert flämische Parteien um VB und CD&V ein Ende der<br />

Transferleistungen an den wirtschaftlich schwächeren Süden Belgiens fordern. Flanderns 60% der<br />

belgischen Gesamtbevölkerung erwirtschaften ein Bruttosozialprodukt von 124% des EU-<br />

Durchschnitts. Wallonen schafft nur 90%. Fernerhin wird eine umfangreichere Souveränität<br />

Flanderns in Anbetracht des belgischen Abstimmungsrechtes verfochten, welches besagt, daß die<br />

Hälfte des Volkes eines Landesteiles wichtige Entscheidungen mit einem Veto blockieren kann. Dies<br />

benachteiligt Flandern, denn auf diese Weise sind 20% der Belgier (50% der Wallonen) in der Lage,<br />

quasi alle Gesetze zu verhindern.<br />

Die Zukunft Belgiens – Wallonien zu Frankreich, Flandern zu den<br />

Niederlanden?<br />

Wie wird Belgien im Falle der Regierungsunfähigkeit aussehen? Dies scheint eine Chance für<br />

flämische Sezessionisten zu sein, um die Abhängigkeit Flanderns und damit de facto die Auflösung<br />

des Königreiches Belgien zu erreichen. In einer jüngsten Umfrage in den Niederlanden zeigen sich<br />

überdies 77% der Holländer einer Wiedervereinigung des 1831 abgetrennten Flandern zugeneigt.<br />

Auch in Frankreich werden Stimmen laut, die eine Annexion des frankophonen Walloniens fordern.<br />

So drängte der Kolumnist Alexandre Adler den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in der<br />

renommierten Zeitung „Le Figaro“, „nicht die historische Gelegenheit ein erweitertes Frankreich zu<br />

regieren, zu verpassen“ (freie Übersetzung des Verfassers). Wie sich die Lage in Belgien<br />

weiterentwickelt, bleibt genauso spannend wie die Frage, ob die EU auf die Zerfallserscheinungen in<br />

Belgien reagiert und, wenn ja, wie sie reagiert.<br />

319


Wolfgang Sofsky: Verteidigung des Privaten. Eine<br />

Streitschrift<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 04. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das neueste Buch des Soziologen und Schriftstellers Wolfgang Sofsky hat es in sich. In der<br />

„Verteidigung des Privaten“ geht Sofsky mit den bundesdeutschen Gutmenschen, die glauben durch<br />

staatliche Einschränkungen, Gesetze und Verbote bringe man dem Menschen seinem Glück und der<br />

Freiheit näher, hart ins Gericht. Besserwisser und Moralapostel maßen es sich an, immer dominanter<br />

in die Privatsphäre einzugreifen. Wer sich gegen die Eingriffe in sein Leben wehren möchte, dem rät<br />

Sofsky, seine Privatsphäre wie eine Festung zu verteidigen.<br />

Freiheit ist kein bis in alle Ewigkeit gegebenes Recht, sondern muß ständig erkämpft werden. Nur wer<br />

sich zuerst abgrenzt, Grenzen und Schranken setzt, kann zu einem eigenen Freiheitsverständnis<br />

kommen. Sich seiner Freiheit dann zu bedienen bedeutet, sich für einen Lebensweg zu entscheiden<br />

und ständig Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Die Toleranz von allem und jedem hingegen<br />

schafft Beliebigkeit, keine Freiheit. Und daß sich unter den Toleranten auch noch Toleranzwächter<br />

finden lassen, die Verboten und Eingriffen in die Privatsphäre zum Schutze von Toleranz, Demokratie,<br />

Menschenrechten oder sonst etwas doch nicht so abgeneigt sind, ist vielfach gemachte Erfahrung<br />

der letzten Jahre.<br />

Lassen Sie sich von Politikern Ihre Eß-, Trink- und Rauchgewohnheiten<br />

diktieren?<br />

Ob jemand raucht oder nicht, kann man doch auch ihm selbst überlassen. Wolfgang Sofsky folgend<br />

müssen die Mauern der „Festung Privatheit“ von jedem aus drei entscheidenden Gründen höher<br />

gebaut werden: Erstens aufgrund der Ausdehnung staatlicher Maßnahmen, zweitens aufgrund der<br />

öffentlichen Gängelei des Alltags, die sich zum Beispiel in staatlich verordneten Rauchverboten in<br />

Gaststätten ausdrückt, und drittens aufgrund des Verlorengehens des Sinns für Diskretion.<br />

Gesellschaftlich sichtbar wird dieser fehlende Sinn für Diskretion zum Beispiel, wenn jemand<br />

öffentlich lautstark Telefonate führt und damit seine Mitmenschen zum Mithören zwingt. Sofsky<br />

nennt dies sozial-akustische Umweltverschmutzung und führt weiterhin aus, daß Geheimnisse im 21.<br />

Jahrhundert kaum noch gewahrt werden. Das Innenleben der eigenen Person verliert an Bedeutung<br />

und eine seltsame Inszenierungswut befällt immer mehr Menschen. Der Verlust des Sinns an<br />

Diskretion ist selbstverschuldet, kann aber auch von jedem selbst zurückerobert werden.<br />

Der Staat erobert die „Festung Privatheit“.<br />

Die Angriffe des Staates auf die Privatheit sind da schon schwerer abzuwehren. Der Staat ist<br />

Eindringling Nummer 1 in die privaten Festungen. Der gute Wille der machthabenden Gutmenschen<br />

wirkt sich fatal aus, denn sie glauben fälschlicherweise für jeden Menschen das richtige Lebensrezept<br />

erfunden zu haben. Wie sich die modernen Demokratien unter Verwaltung von Gutmenschen<br />

entwickelt haben, bringt Sofsky auf den Punkt: „Fern jedes moralischen Fortschritts kennt die<br />

Entwicklung des Staates nur eine Richtung: „Vorwärts in der Entmündigung und Enteignung der<br />

Bürger!"<br />

Literaturempfehlung: Wolfgang Sofksy 20<strong>07</strong>. Verteidigung des Privaten. Eine Streitschrift. Verlag C.H.<br />

Beck. 158 Seiten, 14.90 Euro.<br />

320


Der Wandervogel in Japan<br />

Geschrieben von: Martin Rudolf<br />

Dienstag, den 04. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Anata wa wandaa vogeru desu ka? – Sind sie ein Wandervogel? Stellt man einem Japaner diese<br />

Frage, so besteht zumindest eine geringe Chance ein bestätigendes „Hai“ zu erhalten. Denn<br />

möglicherweise gehört er einer der kleinen Wandervogel-Gruppen an, die man an zahlreichen<br />

japanischen Universitäten und Oberschulen findet. In jedem Fall wird er das Wort Wandervogel<br />

(wandaa vogeru) sofort wiedererkennen. Den Wandervogel, dieses für den im weiteren Sinne<br />

deutschen Kulturraum (nämlich die deutschsprachigen Staaten, die deutschen Siedlungsgebiete in<br />

Osteuropa, ferner Flandern) spezifische Phänomen, ausgerechnet im fernöstlichen Japan<br />

wiederzufinden überrascht – und überrascht doch wieder nicht.<br />

Die japanische Kultur hat sich, auch bedingt durch die isolierte Insellage, seit jeher in Abgrenzung zu<br />

seinen asiatischen Nachbarn befunden und so ein ganz spezifisches Sonderbewußtsein entwickelt,<br />

das im 18. Jahrhundert mit der Kokugaku-Schule seine erste theoretische Ausarbeitung fand. Dieses<br />

Sonderbewußtsein nimmt auch über die Kriegsniederlage von 1945 hinaus einen festen Platz in der<br />

japanischen Gesellschaft ein, was vor allem auf die einflußreiche, als nihonjinron (etwa: Diskurse<br />

über Japaner) bezeichnete Literaturbewegung der Nachkriegszeit zurückzuführen ist. Diese<br />

Literaturbewegung griff das Erbe der älteren Kokugaku-Schule auf und stellte die Einzigartigkeit der<br />

japanischen Sprache und Kultur sowie die Homogenität des japanischen Volkes heraus.<br />

Sonderbewußtsein und Interesse an europäischer Kultur<br />

Erst mit der von britischer Seite erzwungenen Öffnung für das Ausland, Mitte des 19. Jahrhunderts,<br />

begann allmählich eine Phase der Orientierung an Europa. Insbesondere während der Meiji-Zeit von<br />

1868 bis 1912 suchte das Land sich nach europäischem Vorbild zu modernisieren, wobei man rascher<br />

und entschiedener als in anderen asiatischen Staaten Elemente europäischer Kultur übernahm, um<br />

sie in die eigene einzuschmelzen. Von besonderem Interesse war und ist dabei auch immer die<br />

deutsche Kultur gewesen, mit der seit 1861 (Abschluß eines Freundschafts- und Handelsvertrages<br />

zwischen Japan und Preußen) ein reger kultureller und wissenschaftlicher Austausch stattfand. Das<br />

Deutschland des 19. Jahrhunderts, in seinem eigenen Sonderbewußtsein und Geistesleben vom<br />

restlichen Europa verschieden, erschien der japanischen Führung als Modell für die eigene<br />

Modernisierung am geeignetsten. Doch auch außerhalb der Staatsführung gelangten deutsche<br />

Musik, Literatur und Philosophie zu hohem Ansehen, so daß bald ein fruchtbarer kultureller<br />

Austausch stattfand.<br />

Mit diesem Hintergrundwissen überrascht die Übernahme der Wandervogel-Tradition in die<br />

japanische Kultur also keineswegs. Aber anders als in Deutschland, wo der Wandervogel als Ausdruck<br />

eines neuen Selbstbewußtseins der jungen Generation seine Blütezeit vor dem 1. Weltkrieg erlebte,<br />

beginnt das Zeitalter des Wandervogels in Japan erst Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts –<br />

im Zuge der freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Japan. Der<br />

Wandervogel wurde von Anfang an von staatlicher Seite propagiert und entstand also nicht aus<br />

einem Bedürfnis der Jugend heraus. Vielmehr wurde das Erbe des Wandervogels als interessante<br />

erzieherische Maßnahme verstanden, die man einsetzen wollte, um Jugendliche zu einer aktiven und<br />

gesunden Lebensführung zu animieren. Aus diesem Grund hatte das Ministerium für Bildung, Kultur,<br />

Sport und Wissenschaft 1933 die „Takeshi Wandervogel Gesellschaft“ aus der Taufe gehoben und mit<br />

einer aufwendigen nationalen Kampagne den neuen Wandersport gefördert. In enger<br />

321


Zusammenarbeit mit Japans Hochschulen versuchte das Bildungsministerium landesweit<br />

Wandervogel-Hochschulgruppen einzurichten.<br />

Der Erfolg blieb indes bescheiden. Zwar entstand 1935 an der prestigereichen Rikkyo-Universität in<br />

Tokio die erste japanische Wandervogel-Hochschulgruppe und noch im selben Jahr erfolgte an der<br />

nicht minder angesehenen Keio-Universität mit der „Keio Wander-Vogel“-Gruppe (KWV) eine der<br />

bedeutendsten Gründungen. Ansonsten blieb der Wandervogel aber während der Kriegsjahre eine<br />

größtenteils unbekannte Erscheinung, die zudem unter der Kontrolle staatlicher Einrichtungen stand.<br />

Als gegen Ende des Krieges viele Wandervögel in die Armee einberufen wurden, drohte den wenigen<br />

vorhandenen Gruppen das Ende.<br />

Blüte des japanischen Wandervogels nach dem 2. Weltkrieg<br />

Erstaunlicherweise aber lebte der japanische Wandervogel nach dem 2. Weltkrieg auf und fand dann<br />

zu seiner Blüte. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs in den 60er und 70er Jahren wurden<br />

Freizeitaktivitäten außerhalb der großen Städte zunehmend attraktiv. In der Folge kam es zu<br />

zahlreichen Neu- und Wiedergründungen von Clubs an Universitäten und Schulen, die den Namen<br />

Wandervogel für sich in Anspruch nahmen.<br />

Was heute in Japan als Wandervogel verstanden wird, hat nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem<br />

deutschen Wandervogel. Neben dem eigentlichen Wandern werden Freizeitaktivitäten wie<br />

Fahrradfahren (im Gelände), Klettern, Bergsteigen, Kanutouren und ähnliches unterschiedslos mit<br />

dem Germanismus „wandaa vogeru“ verbunden. In diesem Sinne gelangte das Wort in das<br />

Bewußtsein der japanischen Gesellschaft.<br />

Über den Schul- und Universitätsbetrieb hinaus vermochten die Wandervogel-Clubs hingegen nicht<br />

zu wirken. Private Vereine oder Gruppen sind selten. Auch fehlt es an überregionalen und nationalen<br />

Verbänden. Insofern weist der heutige japanische Wandervogel – vornehmlich eine im schulischen<br />

Rahmen angebotene Beschäftigung – nur sehr wenige Gemeinsamkeiten mit seinem historischen<br />

deutschen Vorbild auf.<br />

322


Richard Wagner: Das reiche Mädchen<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Freitag, den <strong>07</strong>. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Geschichte, die Richard Wagner in seinem neuen Roman „Das reiche Mädchen“ zu berichten hat,<br />

ist schnell erzählt. Die Ethnologin Bille Sundermann, eine engagierte Menschenrechtlerin, verliebt<br />

sich in Dejan, einen Zigeuner und Flüchtling aus Serbien. Die Liebe währt jedoch nicht lange, denn<br />

Bille degradiert Dejan schnell zu einem Objekt ihres Engagements für Völkerverständigung und<br />

„Multikulti“. Sie präsentiert ihn auf Tagungen und versucht für alle ein Bild des friedlichen<br />

Miteinanders der Kulturen zu inszenieren. So will sie die Schuld ihrer Familie, die sich im NS-Staat<br />

bereichert hat, abarbeiten. Derweil distanziert sich Dejan aufgrund von kulturellen Differenzen und<br />

dem blinden Eifer seiner Lebensgefährtin von Bille und zieht lieber mit seinen Zigeunerfreunden<br />

umher. Die Liebe schlägt letztendlich in Haß um und Dejan ermordet die naive Bille.<br />

Der im Banat geborene Richard Wagner hat sich die Geschichte des „reichen Mädchens“ nicht<br />

ausgedacht. 1997 wurde die 38jährige Ethnologin Katrin Reemtsma von ihrem Freund erstochen.<br />

Dieser war ein serbischer Kriegsflüchtling und Zigeuner, der in Berlin Asyl beantragt hatte und durch<br />

Katrin Reemtsma und die zwei Kinder, die sie bald haben sollten, bleiben konnte.<br />

Katrin Reemtsma sowie die Romanfigur Bille haben sich mit ihrer Mission, ihrer 68er-Ideologie,<br />

überidentifiziert und sind Opfer ihres eigenen Gutmenschentums geworden. In einem Interview vom<br />

4. September 20<strong>07</strong> mit Deutschlandradio Kultur sagt Richard Wagner, warum er die Umstände des<br />

Mordes von Katrin Reemtsma literarisch in „Das reiche Mädchen“ verarbeitet hat. Zum einen kannte<br />

er wohl Katrin Reemtsma persönlich und zum anderen interessiert ihn, wie die erste Generation nach<br />

´68 die Gutmenschen-Ideologie ihrer Eltern ins eigene Privatleben hineinträgt.<br />

Wie der Fall Reemtsma zeigt, sind die Folgen der ´68er-Ideologie im Alltag fatal. Die naive Ethnologin<br />

sieht nicht die kulturelle Differenz zwischen sich und ihrem Lebenspartner. Blind vor Liebe und<br />

Ideologie setzt sie an, die Greueltaten der Nazis und die Bereicherung ihrer Familie daran wieder gut<br />

zu machen, indem sie sich für Minderheiten wie die Zigeuner einsetzt. Daß sie nichts wieder gut<br />

machen kann, sondern dabei ist, ihr Leben zu zerstören, bemerkt sie nicht. Sie ist vollends von der<br />

68er-Ideologie verblendet.<br />

Mit „Das reiche Mädchen“ schreibt Richard Wagner gegen diese Ideologie an. Er will „an diese<br />

Ideologie ran und sie abbauen.“ Hoffentlich gelingt ihm und anderen das, bevor die nächsten reichen<br />

Mädchen von skrupellosen Balkanmännern erstochen werden.<br />

Literaturempfehlung: Wagner, Richard 20<strong>07</strong>. Das reiche Mädchen. Aufbau-Verlag. 255 Seiten. Berlin<br />

323


Eine wichtige Übung: Distanzieren<br />

Geschrieben von: Judith von der Osten<br />

Montag, den 10. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Jede Abweichung vom Wege wird gerichtlich geahndet.Sie lieben Ihr Vaterland? Sie halten sich und<br />

Ihre Nation für ebenso wertvoll wie andere Nationen? Ihre Religion für ebenso bewahrenswert? Sie<br />

finden es ulkig, dass das vehement-mahnende „Kein Generalverdacht! Keine Verallgemeinerungen!<br />

Keine Vorverurteilungen!“ für alles und jeden gilt – außer für Deutsche und deutsche Dörfer? Sie<br />

finden es merkwürdig, dass Ihr oder Ihrer Kinder Stolz auf die eigene Kultur als Deutschtümelei<br />

abgebürstet wird? Zweifelsfrei: Sie sind ein Rechter.<br />

Da sind Sie überrascht. Sie sahen sich bis dato gar nicht als Rechter? Das macht nichts – die<br />

Meinungsmacher dieser Republik werden Sie dort einordnen. Also ist das Erste, was Sie nun lernen<br />

müssen: Distanzieren.<br />

Ein kleiner Exkurs zwecks Wortdefinition: distanzieren, das (lat.). Räumliche und zeitliche Abstände.<br />

Soziologisch: Innerer Abstand.<br />

Praktisch umgesetzt bedeutet das für Sie:<br />

1. Seien Sie todesmutig und zeigen Sie „Gesicht gegen Rechts“. Demonstrieren sie mit Hunderten<br />

anderen Todesmutigen und skandieren Sie laut „Nationalsozialisten raus“. Noch besser “Nazis raus“.<br />

Achten Sie darauf, dass Sie Zeugen für diesen Todesmut benennen können.<br />

2. Erklären Sie mit Nachdruck, dass Sie diese gewalttätigen Rechten zutiefst verabscheuen und<br />

untermauern Sie das durch gezielte Stein- und Flaschenwürfe.<br />

3. Beobachten Sie Ihren Haarwuchs. Sollten Sie Eines jener Individuen sein, das von Alopezie<br />

(Haarausfall) bedroht ist – kaufen Sie sich eine Perücke.<br />

Alle sind mutig gegen rechts.Sie haben Punkt 1 bis 3 beherzigt und werden trotzdem als Rechter<br />

betitelt. Schlimmer noch, die – oben schon erwähnten – Meinungsherrscher machen gar keinen<br />

Unterschied zwischen Rechts und RechtsExtrem? Gut, Sie müssen wissen: Dieser Nicht-Unterschied<br />

wird mit vielen Millionen Euro Steuergeldern subventioniert und darum natürlich beherzt verteidigt.<br />

Deshalb müssen Sie Ihr Distanzieren intensivieren.<br />

4. Verweigern Sie die Teilnahme an jeder Demonstration, die zwar das gleiche Anliegen hat wie Sie,<br />

aber schon qua Medien und anderen Berufsguten als verurteilenswert diffamiert wurde. Sie müssen<br />

das gar nicht logisch erklären. Beugen Sie sich tief herab – und distanzieren Sie sich.<br />

5. Beharren Sie darauf, dass die Titulierung „Du Schweinefleischfresser“ nur eine kulinarische<br />

Verortung deutscher Essgewohnheiten ist, „Du Dönerfresser“ aber Ausdruck tiefsten und<br />

abscheulichsten Rassismus. Distanzieren Sie sich laut und vernehmlich von jeder Person, die das<br />

anders gewichtet.<br />

6. Durchforsten Sie Ihre Kindergartenerinnerungen nach verdächtigen Personen. Mit wem spielten<br />

Sie im Sandkasten, mit wem teilten Sie Ihre Wurstbrote, mit wem die Legosteine? Distanzieren Sie<br />

sich, falls Sie die Entwicklung von potentiellen Rechtsextremisten durch gemeinsames Spielen im<br />

Sandkasten gefördert haben. Achtung: Besser-Menschen haben ein außerordentlich fest etabliertes<br />

Gut-Schlecht-Weltbild Dieses fest gefügte Weltbild resultiert bei den einen aus einer gewissen<br />

geistigen Beschränktheit, bei anderen aus oben schon genannten Steuersubventionen, und wieder<br />

anderen aus einer Kombination von beidem.<br />

324


Zweites Achtung: Versuchen Sie nicht, Gut und Bessermenschen auf deren Widersprüchlichkeit<br />

(wahlweise auch: Heuchelei) hinzuweisen, denn dann sind Sie ein … na? Genau: Ein böser Rechter.<br />

Wenn Sie sich lange und nachdrücklich genug distanziert haben und Punkt 1 bis 6 immer wieder<br />

durchexerzieren, wird es um Sie herum still und einsam werden. Jetzt sind Sie auf dem richtigen<br />

Weg: Distanzieren Sie sich einfach so lange weiter, bis sie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung<br />

erhalten.<br />

325


Moscheebau in Berlin: Eine demokratische Farce<br />

Geschrieben von: Manuel Kliese<br />

Montag, den 10. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Es lohnt sich, die automatischen Mechanismen genau zu betrachten, die eintreten, wenn in<br />

Deutschland jemand eine Moschee bauen möchte. Immer wieder rennen machtlose Bürgerbegehren<br />

gegen einen geplanten Moscheebau an, werden zur Bekämpfung von einem Kartell aus etablierten<br />

Politikern und Linksextremisten als „rechtsextrem“ eingestuft und somit kalt gestellt. In Berlin-<br />

Pankow sind diese Mechanismen eingetreten, als im Jahr <strong>2006</strong> die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde<br />

eine Moschee bauen wollte. Mittlerweile wird die Moschee gebaut, die Proteste dagegen haben<br />

nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Wie sich der Wunsch der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde nach<br />

einer eigenen Moschee entwickelt hat und wer dem etwas entgegensetzte, darüber berichtet<br />

Manuel Kliese.<br />

Erstmals wurde am 7. März <strong>2006</strong> in der Berliner Tageszeitung auf BILD-Zeitungs-Niveau „B.Z.“ mit<br />

einer briefmarkengroßen Randnotiz über einen geplanten Moscheebau in Berlin-Pankow berichtet,<br />

über den bereits am 9. März ein öffentlicher Bauausschuß tagen sollte. Zu diesem Bauausschuß war<br />

das Bürgerinteresse derart groß, daß man aus Platzgründen kurzfristig den Versammlungsraum in ein<br />

anderes Gebäude verlegen mußte. Dies ist umso erstaunlicher, da der Termin in dem oben<br />

genannten Artikel verschwiegen wurde. Wer etwas über den Zeitpunkt und Ort in Erfahrung bringen<br />

wollte, mußte sich persönlich mit dem Bezirksamt in Verbindung setzen. Nachdem die 200 Mitglieder<br />

starke Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde sich und ihr Projekt vorstellten, erklärten sie, daß die Kosten<br />

des Baus auf eine Million Euro geschätzt werden und rein aus Spenden finanziert wurden.<br />

Interessanterweise gehen von den 200 Gemeindemitgliedern gerade einmal acht einer geregelten<br />

Arbeit nach.<br />

Später sollten nur Fragen bezüglich der Architektur der Moschee erörtert werden; daher wurden die<br />

Anwohner von dem Vorsitzenden belehrt, daß auch nur baurechtliche Fragen zulässig seien. Dennoch<br />

haben die Bürger ihren Unmut frei geäußert, und durch den massiven Druck seitens der Anwohner<br />

sahen sich die Abgeordneten gezwungen, einer Bürgerversammlung zuzustimmen, die in den<br />

nächsten Wochen stattfinden sollte. Diese fand dann am 30. März <strong>2006</strong> in der Sporthalle am<br />

Wasserturm in der Berliner Straße 66 statt. Auch hier war wieder der Besucherandrang wesentlich<br />

höher als erwartet. Die eigens für diese Veranstaltung hergerichtete Sporthalle war mit über 700<br />

Bürgern bei weitem überfüllt und draußen vor der Halle versammelten sich nochmals genauso viele<br />

junge und ältere Anwohner aus Pankow und Heinersdorf. Die vor dem Ein- und Notausgang<br />

stehenden Polizisten hatten allerhand zu tun, um die vor der Halle Wartenden zu beruhigen.<br />

Sicherheitshalber riefen sie Verstärkung, so daß deren Präsenz auf 15 Einsatzfahrzeuge anstieg, zum<br />

großen Teil Mannschaftswagen. Als sich einer der Verantwortlichen der BVV am Notausgang zeigte,<br />

schlug ihm die gesamte aufgestaute Unzufriedenheit der Wartenden entgegen, wo es auch schon<br />

mal hieß: "Wenn sie nicht rauskommen, kommen wir rein!"<br />

„Nein zur Ahmadiyya-Moschee“<br />

Einige der Anwesenden hatten sich auch schon im Vorfeld über die Ahmadiyya-Muslim-Jamaat<br />

Deutschland informiert, die sich zum Ziel gesetzt hat, bis zum Jahre 2010 100 Moscheen in<br />

Deutschland zu errichten. Diese haben zum Teil Informationsmaterial auf Grundlagen des Buches von<br />

Dr. Hiltrud Schröter über die genannte Gemeinde verteilt, die nach deren Aussage das genaue<br />

Gegenteil ihrer Parolen sei. Sie ist antichristlich, antijüdisch und antidemokratisch, ihr erklärtes Ziel<br />

326


ist ein Gottesstaat wie der Iran. Eine Klage der Gemeinde gegen Frau Schröter wurde vom Gericht<br />

eingestellt, da ihre Arbeiten keine der von der Gemeinde angeführten Gründe bestätigten.<br />

Ein Vertreter der Linkspartei.PDS meinte bei der Veranstaltung: "Die Moschee wird gebaut werden,<br />

und das ist unumgänglich!" Interessant hierbei ist, daß bis dato noch nicht einmal ein Bauantrag<br />

gestellt wurde. Nach einiger Zeit bat der Sprecher der Veranstalter die außerhalb der Halle<br />

Wartenden Pankower Bewohner, das Gelände der Bürgerversammlung aus Sicherheitsgründen zu<br />

verlassen. Daraufhin war ein lautstarkes „Buh“ und ein Pfeifkonzert zu vernehmen. Auch die<br />

Polizisten vermochten es nicht, der Aufforderung Nachdruck zu verleihen. Keiner der Anwesenden<br />

verließ das Gelände. Die Stimmung schien sich weiterhin aufzuheizen und eine in der Luft liegende<br />

Spannung wurde spürbar. Es bildeten sich laute Sprechchöre mit den Worten „Wir sind das Volk“, an<br />

denen sich die in der Sporthalle befindlichen Anwohner beteiligten.<br />

Zivilpolizisten kamen zu dem Schluß, daß sie nicht mehr für die Sicherheit aller Anwesenden<br />

garantieren könnten. Daraufhin beschlossen die Verantwortlichen, die Veranstaltung abzusagen. Als<br />

dann die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde, umringt von einer Polizeikette, in das Schulgebäude<br />

eskortiert wurden und auf diesem Wege direkt durch die Menschenmasse mußten, war eines der<br />

Stärksten Pfeifkonzerte des Abends zu hören.<br />

Moscheegegner sind „Fremdenhasser und Rechtsreadikale“.<br />

Linkspartei.PDS und GRÜNE versuchten in den folgenden Tagen die friedlich demonstrierenden<br />

Pankower Bewohner mit den Stereotypen vom „Fremdenhasser und Rechtsradikalen“ zu<br />

verleumden. Genau wie in Köln mit der Bürgerbewegung „Pro Köln“, bildete sich auch in Pankow<br />

eine Bürgerinitiative mit dem Namen IPAHB (Interessensgemeinschaft Pankower und Heinersdorfer<br />

Bürger e.V.), deren Mitglieder mehrfach von Linksextremisten mit Brand- und Morddrohungen<br />

überhäuft wurden. Seit Beginn ihrer Gründung versuchen die regionalen sowie überregionalen<br />

Medien sie zu diskreditieren.<br />

Da 90% der Pankower und Heinersdorfer Bürger mit Unterschriftenlisten ihre Ablehnung gegen den<br />

Moscheebau zum Ausdruck gebracht hatten, überbrachte die IPAHB am 21. April <strong>2006</strong> einen Antrag<br />

zur Durchführung eines Bürgerbegehens im Büro des Linkspartei.PDS-Bezirksbürgermeisters Kleinert.<br />

Mit der fragwürdigen Begründung „verfassungswidrig“ wurde das Bürgerbegehren jedoch abgelehnt.<br />

Am Mittwoch, den 7. Juni <strong>2006</strong>, fand dann die erste Demonstration gegen das Moscheebauvorhaben<br />

statt. Spontan beteiligten sich annähernd 3.000 Bürger (laut rbb 500), die von der Tiniusstraße bis<br />

zum Pankower Rathaus liefen. Einige Dutzend Linksextremisten, die sich entlang der<br />

Demonstrationsroute postierten, beschimpften und beleidigten die Demonstranten auf das Gröbste.<br />

An einer erneuten Demonstration am 29. Juni <strong>2006</strong> fanden sich wieder vor dem Rathaus Pankow<br />

2.500 Menschen ein.<br />

Der Anschlag auf René Stadtkewitz (CDU)<br />

Der CDU-Bezirksvorsitzende René Stadtkewitz hatte sich seit Bekanntwerden des Vorhabens gegen<br />

den Moscheebau positioniert. In der Nacht zum 9. August <strong>2006</strong> verübten Linksextremisten einen<br />

feigen Mordanschlag auf Stadtkewitz und seine Familie. Durch ein offenes Kellerfenster wurde ein<br />

Brandsatz in sein Haus geworfen. Nur dem Umstand, dass der CDU-Bezirksvorsitzende und seine Frau<br />

noch nicht schliefen, ist es zu verdanken, daß sie ihre Kleinkinder retten konnten. Hätten sie<br />

geschlafen, wäre wohl aufgrund der schnellen Rauchentwicklung niemand mehr lebend aus dem<br />

Haus gekommen. Die Täter wurden bis heute nicht gefasst.<br />

327


Mit einem Plakat, das einen erhängten Gartenzwerg darstellte, riefen Linksextremisten zu einer<br />

Demonstration auf, die am Sonntag, den 27. August <strong>2006</strong> stattfinden sollte und bei der man<br />

versuchte, die Mitglieder der Bürgerinitiative einzuschüchtern. Die Demonstrationsroute lief entlang<br />

ihrer Wohnhäuser, vor denen man wie bei einer Stadtführung stehen blieb und über einen<br />

mitgeführten Lautsprecher ihre Namen, Meldedaten und Tätigkeiten innerhalb der IPAHB<br />

verkündete. Die Demonstrationsteilnehmer beschimpften nicht nur die IPAHB Mitglieder, sie<br />

bedrohten sie auch noch mit Sprechchören wie: „Wir wissen jetzt, wer Ihr seid und wo wir Euch<br />

finden – wir kriegen Euch alle!“ Des weiteren wurde gerufen: „Kommunismus statt Heinersdorf“,<br />

„Deutschland abschaffen – nie wieder Deutschland“. Wohlgemerkt: die Polizei begleitete den<br />

Demonstrationszug!<br />

Die dritte und letzte Demonstration des Jahres <strong>2006</strong>, die gegen die geplante Moschee in Berlin-<br />

Pankow gerichtet war, fand am 14. September <strong>2006</strong> statt. Wie auch in den vorherigen, so erreichte<br />

auch diese Demonstration erneut weit über 2.000 Anhänger. Linksextremistische<br />

Gegendemonstranten gab es auch wieder. Diese hielten sogar ein Plakatschild hoch, auf dem ein<br />

arabischer Krummsäbel sowie arabische Schriftzüge abgebildet waren. Nach Informationen einer<br />

Muslimin stand dort: „Wir werden Euch ertränken, in Eurem eigenen Blut.“<br />

Die Ahmadiyya-Gemeinde darf bauen.<br />

Zwei Tage vor dem Weihnachtsfest bekam die Ahmadiyya-Gemeinde Grünes Licht von der<br />

Bezirksverwaltung, die ihnen bestätigte, daß ihr Bauantrag genehmigt sei. Daraufhin organisierte die<br />

IPAHB spontan einen stillen Protest, bei der eine Lichterkette gebildet wurde. Die Grundsteinlegung<br />

der Ahmadiyya-Moschee erfolgte dann am 2. Januar 20<strong>07</strong> in der Tiniusstraße 5 und gleichzeitig<br />

erfolgte eine Anti-Moschee-Demonstration der IPAHB vor dem Gelände. An der Grundsteinlegung<br />

beteiligten sich auch Berliner und Pankower Politiker. Darunter auch der damalige<br />

Bezirksbürgermeister Burkhard Kleinert (Linksparte.PDS), der selbst einen Grundstein legte. Bilder<br />

von der Veranstaltung zeigen, wie diese gegen den § 34 des Landesbeamtengesetzes und gegen den<br />

Beschluß V-277/200 des Bezirksamtes Pankow verstießen, in dem sie verpackte Geschenke vom<br />

Kalifen entgegennahmen. Da der Inhalt nicht zu erkennen war, entsteht Anlaß zu der Spekulation, ob<br />

sie etwa im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Amtes überreicht wurden.<br />

Zu einer Bürgersprechstunde in den Schönhauser-Allee-Arcaden nutzte am 27. Februar 20<strong>07</strong> die<br />

IPAHB die Gunst der Stunde, um den neu gewählten Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD)<br />

6000 Protestpostkarten zu überreichen, die Berliner Bürger unterschrieben hatten, um damit ihren<br />

Widerwillen gegen die geplante Moschee klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen. Gleichzeitig<br />

ließen etwa 30 Heinersdorfer Bürger vier Meter lange Postkartenbanner von dem oberen Stockwerk<br />

aus herabhängen, so daß der Bezirksbürgermeister von ihnen umringt war. Insgesamt beteiligten sich<br />

etwa 80 Bürger an der Aktion, die Herrn Köhne umringten und Protestrufe wie „Nein zur Moschee“<br />

äußerten, während ihm IPAHB-Vertreter die Postkarten päckchenweise übergaben. Abgehoben und<br />

respektlos antwortete er: „Was soll ich damit?“ „Lesen und nachdenken“ antwortete einer der<br />

Anwesenden.<br />

Der 20. März 20<strong>07</strong> bot neues Wasser für die gebetsmühlenartige Diffamierungskampagne gegen die<br />

IPAHB. Eine bis heute nicht aufgeklärte Brandstiftung auf dem Gelände der neu entstehenden<br />

Moschee nutzten der Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD), die SPD-Abgeordnete Christa<br />

Müller sowie Linkspartei-Senatorin Heidi Knake-Werner, um die Pankower Bürger und die IPAHB der<br />

„geistigen Brandstiftung“ zu bezichtigen. Aufgrund dessen erstatteten elf IPAHB-Mitglieder eine<br />

Verleumdungsanzeige gegen die drei genannten Politiker.<br />

328


Ultraorthodoxes Koranverständnis der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft<br />

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen<br />

bescheinigte der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft ein „ultraorthodoxes bis fundamentalistisches<br />

Koranverständnis“. Von den Medien hingegen wird sie ständig als liberal, offen und ungefährlich<br />

dargestellt. Das Fazit der evangelischen Expertise: „sie ist religiös fundamentalistisch und ihre<br />

Positionen lassen Zweifel an ihrer Rechtstreue aufkommen“. Am Mittwoch, den 11. Juli 20<strong>07</strong> kamen<br />

erneut annähernd 1000 Pankower und Heinersdorfer Bürger in die Tiniusstraße 5 um ein viertes Mal<br />

gegen den geplanten Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde zu demonstrieren. Linksextremisten<br />

versuchten die Veranstaltung zu stören, indem sie sich unter die Demonstrierenden mischten. Ihre<br />

Absichten haben sie wenig später wie folgt preisgegeben: „Der Plan unserer Gruppe für diesen Tag<br />

sah vor, uns mit vollkommen abstrusen Forderungen (inspiriert z.B. durch die erfolgreichen<br />

Verarschungsaktionen des Satiremagazins 'Titanic') an diesem häßlichen Aufmarsch von bürgerlichen<br />

Rassisten und Nazis zu beteiligen, und diese durch Plakate mit komplett sinnfreien Forderungen der<br />

Lächerlichkeit preiszugeben.“ Die Journalistin Freia Peters der "WELT" fiel jedenfalls voll und ganz auf<br />

diese „Verarschungsaktion“ herein und kritisierte anhand der Plakate die rechte Gesinnung der<br />

friedlichen Demonstranten.<br />

329


Der Fall „Eva Herman“: Ein ereignisloses Spektakel<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 11. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Fall „Eva Herman“ dürfte eigentlich gar kein Fall sein. In diesem Fall muß kein Kommissar einen<br />

Mord aufklären und auch keine Gewalttat, Vergewaltigung oder ähnliches. Der Fall „Eva Herman“ ist<br />

ereignislos, nichts ist passiert und doch sprechen alle darüber, weil sie keine Themen haben, über die<br />

sie sonst sprechen könnten. Was ist im Fall „Eva Herman“ geschehen? Eva Herman hat ein neues<br />

Buch geschrieben, in dem nichts Neues steht. Bei ihrer Buchvorstellung hat sie in einem Nebensatz<br />

den Eindruck erweckt, sie fände die NS-Familienpolitik gut, wofür sie sich wenig später entschuldigt<br />

hat. Der NDR reagierte auf diesen Nebensatz mit der Entlassung der ehemaligen „Tagesschau“-<br />

Sprecherin, die beim NDR ohnehin schon seit längerem in Ungnade gefallen war. Ein qualitativer<br />

Verlust für das Fernsehprogramm des NDR ist Eva Herman sowieso nicht. Die Verantwortlichen des<br />

NDR können genauso gut wie die Zuschauer getrost auf Eva Herman verzichten.<br />

In der Boulevardpresse kursieren seit einigen Tagen zwei Topthemen. Zum einen bewegt der Auftritt<br />

von Britney Spears in einem knappen Bikini bei den MTV Video Music Awards in Las Vegas die<br />

Gemüter. Ihre vermasselte Performance und ihr anschließendes „Unten Ohne“-Einsteigen in eine<br />

Luxuslimousine auf dem Weg ins Hotel sind für die Kenner der High Society wichtiger als die<br />

Preisträger der Veranstaltung.<br />

Das andere Topthema ist der Nebensatz von Eva Herman. Sie hat Onkel Adi nicht bedingungslos<br />

kritisiert. Sie hat seine Familienpolitik beinahe als nicht ganz abscheulich bezeichnet. Da hilft ihr<br />

wenig, daß sie sich postwendend für ihre Äußerungen entschuldigt hat und sich von<br />

rechtsgerichtetem Gedankengut vehement distanziert hat. Hört, hört, ruft sie den BILD-Reportern<br />

entgegen, ich habe sogar schon mal Texte für eine Anti-Rechts-CD („Laut gegen Nazis“)<br />

eingesprochen.<br />

„Nichts drauf und nichts drunter.“<br />

Daß sich die Welt mit Nebensächlichkeiten wie dem peinlichen Auftritt von Britney Spears und der<br />

Entlassung einer unwichtigen TV-Moderatorin länger als 5 Sekunden beschäftigt, zeigt, daß jedes<br />

stimmige Maß zur Einschätzung von relevanten und nicht-relevanten Dingen verloren gegangen ist.<br />

Die Relevanz von Dingen errechnet sich heute, indem man das Skandalpotential mit der Berühmtheit<br />

der Person, die den Skandal ausgelöst hat, multipliziert. Ein Ereignischarakter muß für relevante<br />

gesellschaftliche Themen nicht mehr vorliegen. Den Kommentatoren von Nebensächlichkeiten reicht<br />

es, wenn sie sich auf Kosten anderer profilieren können und für ihre Interessen einen<br />

massenwirksamen Aufhänger finden. Dann ist ein Thema gut genug, um zu einem Spektakel<br />

aufgebauscht zu werden.<br />

330


Das dichterische und mythopoetische Kunstwerk von<br />

Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Mittwoch, den 12. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Edgar Julius Jung (1894-1934), Verfasser der 1934 von Franz von Papen gehaltenen Marburger Rede,<br />

welche für Jung zum tödlichen Verhängnis werden sollte, schrieb noch kurz vor seiner Ermordung<br />

folgende Sätze über die Bücher Oswald Spenglers: „Diese Schriften, von denen keine veraltet ist,<br />

schon weil alle darauf warten, erst noch verstanden zu werden, mutet an wie der Atemzug einer<br />

mächtigen Rede, in der Spengler seinem Volk und seiner Zeit kühn die Wahrheit zu sagen auf sich<br />

nimmt, im Namen des ewigen deutschen Geistes, für den zu sprechen er Recht und Beruf hat.“ Ohne<br />

Zweifel ist das Buch „Der Untergang des Abendlandes“ hier von besonderer Bedeutung. Sie muß für<br />

die Gegenwart jenseits der Verunglimpfung des Buchtitels seitens vieler Gelehrter, die das Buch<br />

niemals lasen und nicht wissen, was sie reden, noch benannt werden.<br />

Spenglers Geschichtsdenken in diesem Hauptwerk ist futuristisch. Als Konservativer ging es ihm nicht<br />

um eine ausschließlich in die Zukunft reichende Zielsetzung von Politik und Kultur, sondern er war<br />

der Überzeugung, daß die zukünftigen historischen Erbschaften des Menschen, seine<br />

Gemeinschaften, die Völker und Sprachen auf die industrielle Gesellschaft zurückwirken, im Rahmen<br />

von Widerstand, von pragmatischen Inseln an Menschlichkeit samt ihrem Anspruch an Innerlichkeit<br />

und Freiheit. Diese Inseln sind der Sporn im Fleische des „sekundären Systems“ (Hans Freyer), im<br />

Fleische eines auf Profit bedachten Lebens und Denkens, welches Spengler in seinem Buch kurz als<br />

den Zustand der Zivilisation bezeichnet. Wo liegen seine Wurzeln?<br />

Erosion der kulturellen Substanz und eine rettende Perspektive<br />

Die zyklische Theorie Oswald Spenglers (1880-1936), wonach Kulturen ihrem Ende entgegenarbeiten,<br />

gehört zum Strang der Kulturpessimisten u.a. im Gefolge des als Vermittler zwischen Schopenhauer<br />

und Nietzsche geltenden Philosophen Philipp Mainländer, dessen Szenario der innerweltlichen<br />

„Autodestruktion“ (Ulrich Horstmann) sowie der menschlichen und kulturellen Erosion nur noch<br />

wenigen bekannt ist. Ob Spengler Mainländer kannte, ist nicht erwiesen; als Verehrer Nietzsches<br />

proklamierte sich Spengler hingegen selbst. Er erklärt die Krise der westlichen Zivilisation in „Der<br />

Untergang des Abendlandes“ (1919) über den Topos der Antithese von Kultur und Zivilisation im<br />

Rahmen der Periodik eines unvermeidlichen organischen Ablaufes von Kulturen, die infolge eines<br />

zunächst vitalen Lebens in der Zivilisation gipfeln. Wohl wissend um die Brillianz des wissenschaftlichrationalen<br />

Denkens und die Kraft der Ästhetik technischer Errungenschaften, die er für legitime<br />

Ausdrücke der zivilisatorischen Periode hält, wagt es Spengler, einen intuitiven und gleichsam<br />

poetischen Zugriff auf das Geschichtsdenken zu absolvieren. Der herkömmliche Schulintellektuelle<br />

verkörperte für Spengler nämlich die sozial auflösende Kraft des Rationalismus und der<br />

Intellektualisierung, die mit dem Niedergang von Religion, Innerlichkeit, Kreativität und Weisheit<br />

zusammenhing. Im „Untergang des Abendlandes“ steht diese Art von Intelligenz deshalb für ein<br />

bedrohliches, anonymes und entwurzeltes Kollektiv. Spengler plädiert für nicht weniger als die<br />

Entwicklung einer eigentlich westlichen, oder besser faustischen bzw. deutschen Denkweise. Sein<br />

elitärer Individualismus und seine unpolitische Stellungnahme, die aber immer politisch zu wirken<br />

gedachte, steht unter dem Eindruck der deutschen idealistischen Tradition von Kultur und Bildung im<br />

19. Jahrhundert. Er wollte Deutschland anhand seiner skeptischen „unphilosophischen Philosophie<br />

der Zukunft“ eine neue Perspektive bieten.<br />

331


Krisenbewußtsein und die Suche nach einer haltgebenden Ordnung<br />

Der „Untergang des Abendlandes“ ist mehr als nur eine Zukunftsphilosophie. Das Buch trägt eine<br />

dichterisch umsäumte und sprachlich ergreifende politische Botschaft. Metaphysik,<br />

Kulturphilosophie und Politik sind in ihm eng verbunden und versammeln sich zur Artikulation eines<br />

subjektiven Anliegens bei Spengler. Im Rahmen der Konservativen Revolution in Deutschland sollte<br />

die individuelle denkende Innerlichkeit ihrer Autoren die politische Umsetzung durch Geisteswandel<br />

in der Masse erbringen. Der Philosoph Alain de Benoists schrieb deshalb: „Innerhalb der<br />

menschlichen Gesellschaft (...) ist nichts neutral. (...) Die Kultur formt (...) den Geist nach der<br />

herrschenden Ideologie. Es gilt, daß man auf die Struktur der politischen (...) Macht Einfluss ausüben<br />

kann, indem man auf den Überbau der Kultur und der Ideen einwirkt.” Daraus ergibt sich, daß ein<br />

Einwirken nicht im politischen Bereich, sondern vielmehr im vorpolitischen Bereich gemeint ist, und<br />

zwar unter Bezugnahme auf Suggestibilität und Beeinflussung der Massen im Zuge einer verstärkten<br />

Selbstwahrnehmung unter den Schriftstellern.<br />

Spengler stellt im „Untergang des Abendlandes“ ganz individuell die Veränderung des sozialen und<br />

politischen Raumes bis in die Zukunft hinein fest. Das Aussprechen existentieller individueller<br />

Erfahrungen, wie die Furcht vor dem Zusammenbruch einer haltgebenden Ordnung schärfte sein<br />

Krisenbewußtsein, womit der Titel seines Hauptwerkes verständlich wird. In seinem Buch spricht er<br />

kulturphilosophisch vom „Urgefühl der Sehnsucht“, von „Weltangst“ und der „Gewißheit eines<br />

Schicksals“. Doch was fasziniert bis heute an diesen Ausdrücken?<br />

Apokalypse der Geschichte und messerscharfes Denken<br />

Die Feindschaft gegen das liberale und ausschließlich individualistische Prinzip des Westens oder<br />

jenes Konstrukt, das sich als „liberal“ in aller Welt proklamiert, tut sich schon bei Spengler kund. Ihm<br />

setzt er ein ordnungsstiftendes transindividuelles Gemeinschaftsprinzip entgegen, verbindet es mit<br />

einer apokalyptischen Aufladung der deutschen Geschichte und kreiert so eine Chiffre für die Vision<br />

einer haltgebenden Institution, der Institution des Staates. Spengler entzieht sich im „Untergang“<br />

nicht den direkt politischen Inhalten. Er kompensiert seine innere Zerrissenheit durch seine Mystik,<br />

durch sein allumfassendes Lebensprinzip, schlichtweg durch seine Lebensphilosophie als säkulare<br />

Ersatzreligion. Sein Buch ist diesbezüglich das ausdrucksstärkste Werk. Der Leser möge Abstand<br />

nehmen von einer solchen Beurteilung desselben, deren Maßstab nicht dem zu beurteilenden Werk<br />

als Denkobjekt innewohnt. Spengler wußte nämlich, daß das Denkvermögen des Menschen nicht<br />

reicht, um die Wirklichkeit vollständig zu ergründen, und so richtet sich sein Lebensbegriff gegen<br />

diese Form wissenschaftlicher Erkenntnis, welche die zu erwägende Unzulänglichkeit des Denkens<br />

negiert. Er betrachtet das Denken vielmehr als einen immer wieder auf das Individuum und seine<br />

Psyche zurückgehenden Prozeß. „Das Denken herrscht, trotz allem, nur im ‚Reich der Gedanken’.“<br />

Massenpsychosen und -hysterien sind heute nahezu täglich vernehmbar. Eine Selbstreflexion auf das<br />

Ich, auf das eigene Denken und seine mehr oder weniger rechtschaffenen Motive ist nicht möglich,<br />

ohne daß der Mensch sich als Teil seiner Umgebung betrachtet und ihre Motive ergründet. Daher ist<br />

der Absurdität der gegenwärtigen Wissenschaft im Sinne Spenglers immer noch zu widersprechen,<br />

wenn diese annimmt, es gäbe eine objektive Welt, die ohne das Rückbesinnen auf den gesunden<br />

Standpunkt des Menschen selbst erfaßt werden könne und Glaubenswahrheiten, insbesondere<br />

Politische, vorzugeben meint. Die Denker der „Konservativen Revolution“ hatten ein solches<br />

kritisches Bewußtsein, welches in Anlehnung an Kants transzendentale Wende und Fichtes<br />

Subjektphilosophie als jenes Bewußtsein gekennzeichnet werden kann, das mehr denn je das<br />

„spezifisch Deutsche“ im Denken ist. Eine zunehmende Atomisierung und Entzweiung des Lebens, die<br />

332


Leichtgläubigkeit des Menschen angesichts winkender Vorteile sind daher das zu recht befürchtete<br />

Schrecknis dieses Denkens, welches Angst, Neurose, allgemeine Primitivierung und Realitätsverlust<br />

der Massengesellschaft als Feindbild hat.<br />

Strategische Ambivalenz von Aktivismus und Resignation<br />

So manche als Selbstverständlichkeit auftretende Meinung gegenwärtiger Politik gegenüber dem,<br />

was als „konservativ“ zu gelten habe, ist vor diesem Hintergrund getrost in Frage zu stellen. Der<br />

letzte Wert dessen, was konservativ ist, liegt darüber hinaus nur zweitrangig im Politischen. Er ist im<br />

Menschen zu suchen, der unweigerlich allein motiviert auf seine Weise handelt, sich in die Welt<br />

eingliedert und demgemäß trotz des Wissens vom konsequenten emotionellen Alleinsein gegenüber<br />

der Außenwelt auch seine Umwelt aktiv nach eigenen Bedürfnissen angleicht, integriert und zu<br />

formen versucht. Spengler hat seinen Weg entsprechend gefunden. Es ist seine Botschaft im<br />

„Untergang des Abendlandes“, daß man in Übereinstimmung mit dem Stand der Zivilisation die<br />

moderne Zeit akzeptieren sollte, aber zugleich zum politischen Aktivismus und zum Widerstand<br />

übergehen kann. Das vage Profil eines Führertypus und sein Plädoyer für eine pragmatische<br />

Machtelite jenseits des Parteihaders bildeten deshalb Spenglers politischen Hauptideenkomplex. So<br />

läßt sich resümierend auch eine wichtige und oft verkannte „Realdialektik“ (Bahnsen) bei Spengler<br />

feststellen: Spengler vergötterte das Schicksal, das zum Untergang des Abendlandes führen müsse,<br />

aber zugleich werde es einen neuen vitalen Cäsarismus, neue politische Leistungsbereitschaft<br />

ausgehend von zunächst wenigen mit sich bringen und entfalten. „Ich sehe schärfer als andere, weil<br />

ich unabhängig denke, von Parteien, Richtungen und Interessen frei ... Ich sehe noch mehr voraus,<br />

aber ich fühle mich einsamer als je, nicht etwa wie unter Blinden, sondern wie unter Leuten, die ihre<br />

Augen verbunden haben, um den Einsturz des Hauses nicht zu sehen. Will man mich endlich hören<br />

und nicht nur lesen?“<br />

333


Das Hambacher Fest 1832: „Wir pflanzen die Freiheit, das<br />

Vaterland auf!“<br />

Geschrieben von: Harald Lönnecker (Gastbeitrag)<br />

Sonntag, den 16. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das Hambacher Fest hat sich 20<strong>07</strong> zum 175. Mal gejährt. <strong>Blaue</strong>narzisse.de präsentiert deshalb in<br />

seiner Reihe zur burschenschaftlichen Geschichte einen Artikel vom Archivar der Deutschen<br />

Burschenschaft (DB), Harald Lönnecker, zu dem großen Aufstand von 1832 für Freiheit und<br />

Vaterland. Das Fest, welches auf dem Hambacher Schloß nahe Neustadt an der Weinstraße vom 27.<br />

bis 30. Mai 1832 stattfand, war der Höhepunkt im Kampf gegen Restauration und Zensur, welcher im<br />

Vormärz von einer politisierten bürgerlichen Oppositionsbewegung getragen wurde.<br />

Die Julirevolution 1830 in Paris gab allen Unzufriedenen Auftrieb, was „die Gärung bis zum<br />

kochenden Sud steigerte“, wie der ehemalige Bonner und Göttinger Burschenschafter Heinrich Heine<br />

schrieb. Zugleich erhoben sich die Polen erfolglos gegen die russische Herrschaft, was eine Welle der<br />

Polenbegeisterung auslöste und als Erbe die studentische Pekesche hinterließ. Dabei wurde<br />

übersehen, daß nur die Oberschicht den Kampf aufnahm und polnische Freiheit vor allem im Sinne<br />

der alten Adelsrepublik interpretierte. Um die sechstausend Polen gingen nach dem gescheiterten<br />

Aufstand ins Exil, in Deutschland vielfach durch eigens gegründete Polenvereine unterstützt, in<br />

denen zahlreiche Burschenschafter mitwirkten. Die Regierungen reagierten repressiv und suchten die<br />

freiheitlichen Bestrebungen zu unterbinden. Dazu gehörte in Bayern und der Pfalz in erster Linie die<br />

Beschneidung der Pressefreiheit, die Durchsetzung von Zensur und Druckverboten. Liberale Bürger<br />

gründeten deshalb 1832 den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein“, der nicht nur als<br />

Unterstützung einer freien Presse konzipiert war, „sondern als Kristallisationskern für eine politische<br />

Umgestaltung Deutschlands“. Er war der erste Vorläufer politischer Parteien, zählte in kürzester Zeit<br />

über fünftausend Mitglieder bis nach Mitteldeutschland und wurde maßgeblich von<br />

Burschenschaftern beeinflußt, so etwa Rudolf Lohbauer (1802-1873), Herausgeber des<br />

„Hochwächters“, des „Organs der württembergischen Freiheitsmänner“, Gustav Eduard Kolb (1798-<br />

1865) von der „Speyerer Zeitung“, der später die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ zur<br />

bedeutendsten in Deutschland machte, Johann Gottfried Eisenmann (1795-1867), Herausgeber des<br />

„Bayerischen Volksblattes“ in Würzburg und bereits Teilnehmer am Wartburgfest, Karl August<br />

Mebold (1798-1854) von der „Deutschen Zeitung“ in Stuttgart, Karl Mathy (18<strong>07</strong>-1868) und sein<br />

Schwager und Bundesbruder Franz Joseph Stromeyer (1805-1848) vom „Wächter am Rhein“ in<br />

Karlsruhe bzw. vom „Freisinnigen“ in Freiburg, und Johann Adam Förster (1796-1890), der in Fulda<br />

das „Teutsche Volksblatt. Eine konstitutionelle Zeitschrift für Volks- und Staatsleben“ herausgab.<br />

Geführt wurde der Preßverein von zwei bekannten Liberalen, vom Journalisten, Publizisten und<br />

ehemaligen Verwaltungsjuristen Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845) und von Johann Georg<br />

August Wirth (1798-1848), der während seines Studiums in Erlangen zunächst der Landsmannschaft<br />

Franconia angehörte und 1817 Mitgründer der Burschenschaft war, insgeheim aber auf die<br />

Gründung der Landsmannschaft der Franken – das spätere Corps Franconia – hinarbeitete, deren<br />

erster Senior er wurde. Wirth entwickelte sich zu einem scharfen Gegner der Burschenschaft,<br />

arbeitete als Anwalt, Journalist und Redakteur. Bekannt wurde er durch seine liberale Zeitung, die an<br />

wechselnden Orten in der Pfalz erscheinende „Deutsche Tribüne“, die er gemeinsam mit dem Jenaer,<br />

Göttinger und Heidelberger Burschenschafter Karl Georg Heinrich Fein (1803-1869) herausgab.<br />

334


Vorbereitungen<br />

Im Frühjahr 1832 wurde in Weinheim nicht nur ein „Fest der freien Presse“ gefeiert, das<br />

Siebenpfeiffer und Wirth ausrichteten und an dem auch zahlreiche Heidelberger Burschenschafter<br />

teilnahmen, sondern auch ein Fest zur Feier der regierungsseitig vielfach gebrochenen bayerischen<br />

Verfassung auf der Feste Hambach geplant, deren Jahrestag der 26. Mai war. Es wurde vor allem<br />

durch Siebenpfeiffer zu einem Fest gegen die Regierung umfunktioniert. Unter dem Titel „Der<br />

Deutschen Mai“, angelehnt „an die Maiversammlungen der Franken [Franzosen, H. L.] und an die<br />

Maiverfassung der Polen“, richtete er einen Aufruf an „alle deutschen Stämme“: „Auf, ihr deutschen<br />

Männer und Jünglinge jedes Standes, welchen der heilige Funke des Vaterlandes und der Freiheit die<br />

Brust durchglüht, strömet herbei! Deutsche Frauen und Jungfrauen, deren politische Mißachtung in<br />

der europäischen Ordnung ein Fehler und ein Flecken ist, schmücket und belebet die Versammlung<br />

durch eure Gegenwart! Kommet Alle herbei zu friedlicher Besprechung, inniger Erkennung,<br />

entschlossener Verbrüderung für die großen Interessen, denen ihr eure Liebe, denen ihr eure Kraft<br />

geweiht.“ Mit diesen Worten traf Siebenpfeiffer genau den Geist der Zeit. Das Echo auf den Aufruf<br />

war enorm und überraschte die Initiatoren. Der Jenaer Burschenschafter Hermann von der Hude<br />

(1811-1858) schrieb am 18. Juni an seinen Bundesbruder Maximilian Heinrich Rüder (1808-1880) in<br />

Eutin: „Wie wir nach Hambach zogen, trugen die meisten von uns den festen Glauben in sich, jetzt ihr<br />

Leben für die heilige Sache des Vaterlandes aufopfern zu müssen.“ Aber auch die Regierung wurde<br />

aufmerksam und verbot am 6. Mai 1832 das Fest, was allgemeine Empörung auslöste. Sie wurde so<br />

stark, daß das Verbot am 17. Mai wieder aufgehoben werden mußte.<br />

Überall bereitete man sich auf das Fest vor. Es diente der Herstellung politischer Öffentlichkeit und<br />

wurde als wichtige Kommunikationsmöglichkeit begriffen. Hier konnten nationale Reden gehalten<br />

und Lieder gesungen werden, hier war die Verbreitung liberaler Ideen möglich, hier konnte die<br />

nationale Einheit propagiert und damit verbundene politische Aufbruchshoffnungen geweckt und<br />

geschürt werden. Soziale und regionale Grenzen wurden im Zeichen der Nation aufgebrochen, im<br />

Fest wurde die Nationsbildung zu einem Massenerlebnis. Und das nicht nur in Hambach. Die<br />

Daheimgebliebenen setzten eigene Freiheitsbäume mit schwarz-rot-goldenen Bändern und Fahnen.<br />

In Homburg wurden Regierung und Bürgermeister bedroht, als sie den Baum entfernen wollten. Im<br />

Landkommissariat Pirmasens wurden 26 Bäume gesetzt, über 230 werden der Regierung von ihren<br />

Beamten innerhalb weniger Tage gemeldet.<br />

Aus allen Himmelsrichtungen strömten die Festbesucher zusammen, aus Baden und Hessen kommen<br />

sie, Polen und Franzosen nehmen teil. „Man bemerkte insbesondere Bürger aus Straßburg, Colmar,<br />

Paris, Metz, Weißenburg, Manchester, Konstanz, Heidelberg, Karlsruhe, Freiburg, Mannheim,<br />

Marburg, Tübingen, Würzburg, Jena, Göttingen, Stralsund, Coburg, München, Frankfurt, Nürnberg<br />

...“ Dreißigtausend Menschen finden sich im nur sechstausend Einwohner zählenden Neustadt a. d.<br />

Haardt ein: „Von Viertelstunde zu Viertelstunde langten neue Züge von Patrioten an, die meisten auf<br />

offenen mit Eichenlaub bekränzten Wagen, auf denen die deutsche Fahne wehte“. In Hambach<br />

setzte sich Schwarz-Rot-Gold als die deutsche Trikolore durch, schwarz-rot-goldene Kokarden,<br />

Schärpen, Fahnen und Bänder waren künftig das Zeichen nationaler Freiheit und Einheit. Einige<br />

Fahnen haben sich erhalten, eine hängt heute etwa im Plenarsaal des rheinland-pfälzischen Landtags<br />

in Mainz, eine andere im Großen Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.<br />

Das Hambacher Fest<br />

Über den Ablauf des Festes sind wir gut unterrichtet, vor allem durch die zahlreichen Berichte der<br />

Polizeispitzel. Einer aus Mainz wurde sogar erkannt, verprügelt und eingesperrt. Junge Leute<br />

335


stimmten ein Lied an, das „zum Refrain hatte: ‚Nun kommt der Völker Schmaus, Fürsten zum Land<br />

hinaus ...‘“ Advokaten und Prediger wurden als die eifrigsten Teilnehmer gemeldet, es „bedürfe nur<br />

eines Winks der Anführer und Alles sei zum gewaffneten Widerstande bereit, man sei völlig gefaßt<br />

darauf ... Der berüchtigte Boerne und Harro Harring“ – 1818/19 wahrscheinlich Kieler und sicher<br />

Dresdner Burschenschafter – „waren auch anwesend“.<br />

In Gasthäusern und Tanzsälen „ist der Teufel los“. Devotionalien von eigens komponierten<br />

Musikstücken bis hin zum schwarz-rot-goldenen Bonbonpapier werden angeboten und finden<br />

reißenden Absatz. Im Schießhaus, einer Wirtschaft vor der Stadt, sammelt sich ein großer Teil der<br />

bekannteren Gäste. Wirth bemerkt in der von ihm herausgegebenen Festbeschreibung „Das<br />

Nationalfest der Deutschen zu Hambach“, man habe Vertreter aller deutschen Stämme dort<br />

gesehen, „und unter Ihnen die in Deutschland am höchsten stehenden Namen. Es war ein großer,<br />

schöner Moment, wo alte Freunde einander wiedersahen, wo neue Freundschaften geschlossen<br />

wurden, und wo vor allem die Brüderstämme der Deutschen ... mit Begeisterung sich umschlangen<br />

und die großen Interessen des gemeinsamen Vaterlandes ... lebhaft verhandelten“: aus der Pariser<br />

Emigration war der Schriftsteller Ludwig Börne gekommen, der nordfriesische Revolutionsdichter<br />

Harro Harring und der Advokat und Publizist Jacob Venedey (1805-1871) – alte Bonner und<br />

Heidelberger Burschenschaft sowie Germania Jena – waren erschienen. Besonders stürmisch gefeiert<br />

wurden Karl Heinrich Brüggemann (1810-1887), Mitglied der Bonner Burschenschaft Germania,<br />

Heidelberger Fäßlianer und Mitglied der dortigen alten Burschenschaft Franconia, und der Jenaer,<br />

Münchner und Heidelberger Burschenschafter Gustav Peter Körner (1809-1896), im nächsten<br />

Frühjahr ein Führer der Wachenstürmer, später Vizegouverneur von Illinois und US-Gesandter in<br />

Madrid. Beide sprachen für die anwesenden Studenten. Allein über dreihundert Heidelberger<br />

Burschenschafter waren am 25. Mai „im langen Zug gekommen, vor sich eine große Schwarz-Roth-<br />

Goldene Fahne hertragend“.<br />

Sie stellten nur eine, wenn auch sehr aktive und auf Grund ihrer Bänder und Mützen besonders<br />

auffallende Minderheit, als das Fest am Abend des 26. Mai begann. Glocken läuteten, Böller<br />

erdröhnten und auf den höchsten Gipfeln des Haardtgebirges erleuchteten Freudenfeuer die Nacht<br />

bis zum nächsten Morgen. Es wurden Reden gehalten, gezecht und gesungen. Am 27., früh um 8.00<br />

Uhr, versammelten sich die Teilnehmer auf dem Neustädter Marktplatz zum Zug auf die Hambacher<br />

Ruine, voran eine Abteilung der Bürgergarde, gefolgt von „Frauen und Jungfrauen mit der poln.<br />

Fahne“, wiederum Bürgergarde, dann „eine Abtheilung der Festordner, von welchen jeder eine<br />

Schärpe aus schwarz, roth und gold trug, in der Mitte die deutsche Fahne, mit der Inschrift<br />

‚Deutschlands Wiedergeburt‘“. Der Zug sang Ernst Moritz Arndts „Was ist des Deutschen<br />

Vaterland?“, das bis 1870 als heimliche deutsche Nationalhymne galt, dazu die beliebten Polenlieder<br />

„Noch ist Polen nicht verloren“ – später polnische Nationalhymne – und „In Warschau schwuren<br />

Tausend auf den Knien“ sowie immer wieder Siebenpfeiffers Festhymne „Hinauf, Patrioten, zum<br />

Schloß“ nach der Melodie von Schillers Reiterlied:<br />

Hinauf, Patrioten, zum Schloß, zum Schloß!<br />

Hoch flattern die deutschen Farben:<br />

Es keimet die Saat und die Hoffnung ist groß,<br />

Schon binden im Geiste wir Garben:<br />

Es reifet die Ähre mit goldenem Rand,<br />

Und die goldne Ernt’ ist das – Vaterland.<br />

336


Wir sahen die Polen, sie zogen aus,<br />

Als des Schicksals Würfel gefallen;<br />

Sie ließen die Heimat, das Vaterhaus,<br />

In der Barbaren Räuberkrallen:<br />

Vor des Zaren finsterem Angesicht<br />

Beugt der Freiheit liebende Pole sich nicht.<br />

Auch wir, Patrioten, wir ziehen aus<br />

In festgeschlossenen Reihen;<br />

Wir wollen uns gründen ein Vaterhaus,<br />

Und wollen der Freiheit es weihen:<br />

Denn vor der Tyrannen Angesicht<br />

Beugt länger der freie Deutsche sich nicht.<br />

Was tändelt der Badner mit Gelb und Rot,<br />

Mit Weiß, Blau, Rot Bayer und Hesse?<br />

Die vielen Farben sind Deutschlands Not,<br />

Vereinigt’ Kraft nur zeugt Größe:<br />

D’rum weg mit der Farben buntem Tand!<br />

Nur eine Farb’ und ein Vaterland!<br />

D’rum auf, Patrioten, der Welt sei kund,<br />

Daß eng, wie wir stehen gegliedert,<br />

Und dauernd wie Fels der ewige Bund,<br />

Wozu wir uns heute verbrüdert.<br />

Frisch auf, Patrioten, den Berg hinauf!<br />

Wir pflanzen die Freiheit, das Vaterland auf!<br />

Die Reden<br />

Oben wurde „auf einem erhöhten Punkte die polnische, und oben auf den höchsten Zinnen der Ruine<br />

die deutsche Fahne aufgepflanzt. Weithin über die gesegneten Auen wehte nun das stolze Banner<br />

unseres Vaterlandes. ... Oben ganz nahe an den Burgmauern war ein schöner ebener Platz mit<br />

Verzierungen von grünem eichenen Laub und einer Ehrenpforte, dann eine Tribüne, wo die<br />

337


Volksredner Reden gehalten haben.“ Siebenpfeiffer pries den Tag, „an welchem die Fürsten die<br />

bunten Hermeline feudalistischer Gottstatthalterschaft mit der männlichen Toga deutscher<br />

Nationalwürde vertauschen müßten! Hoch lebe jedes Volk, das seine Ketten bricht und mit uns den<br />

Bund der Freiheit schwört: Vaterland, Volkshoheit, Völkerbund hoch!“<br />

Dann sprach Wirth über Österreichs und Preußens partikulare und volksfeindliche Politik, über die<br />

geknechteten Völker Ungarns, Polens, Italiens und Deutschlands. Er entwickelt seine Vision von<br />

einem republikanischen Europa der Nationen, vom freien Handel und einer Gesellschaft mit Bildung<br />

und Wohlstand für alle, gefolgt von einem dreimaligen Fluch auf die Könige und Fürsten als<br />

Volksverräter. An dieser Stelle habe Wirths Wut, so ein Burschenschafter, ihren Gipfel erreicht: „Der<br />

Schweiß rann ihm vom Gesicht, sein Mund schäumte ...“ Anschließend schlug Wirth ohne Erfolg eine<br />

politische Organisation vor, wozu zwanzig Patrioten als Wahlmänner gewählt werden sollten, die die<br />

Reform in und für ganz Deutschland vorbereiteten. Er schloß: „Hoch! dreimal hoch leben die<br />

vereinigten Freistaaten Deutschlands! Hoch! dreimal hoch das conföderirte republikanische Europa!“<br />

Geantwortet wird ihm erst mit Staunen, gefolgt von unbeschreiblichem Jubel.<br />

Wirths Rede wird von den Regierungen als direkte Aufforderung zu Revolution und Umsturz<br />

gewertet. Zumindest viele der anwesenden Burschenschafter sehen es so, einer der Samen des elf<br />

Monate später stattfindenden Frankfurter Wachensturms ist hier gelegt worden. Die Studenten<br />

jubelten, als Wirth nach seiner Rede wegen seines Kampfes für die Pressefreiheit ein eigens<br />

angefertigtes Schwert überreicht wird, in dessen Klinge „Dem Wirth/Deutsche in Frankfurt“ und der<br />

leicht veränderte burschenschaftliche Wahlspruch „Vaterland – Ehre – Freiheit“ eingraviert ist.<br />

Ausklang<br />

Mit den Reden und Feierlichkeiten auf dem Hambacher Schloß war das Fest nicht zu Ende. An den<br />

nächsten Tagen hielten sich noch Tausende in und um Neustadt auf, die Fahnen wurden erst am 1.<br />

Juni eingeholt. Am Montagvormittag, am 28. Mai, trafen sich im Schießhaus fünfhundert führende<br />

Demokraten, darunter zahlreiche ehemalige Burschenschafter. Das Treffen ist weder in der<br />

Festbeschreibung erwähnt noch melden es alle Agenten. „Der spezielle Gegenstand, welcher hier im<br />

Schießhause verhandelt wurde, bestand aber darin, daß die Redner darauf drangen, es sollten die<br />

einzelnen deutschen Stämme jeder einen Mann aus seiner Mitte wählen, welcher das Vertrauen<br />

seiner Mitbürger genieße.“ Die Gewählten sollten einen „National-Konvent“ bilden, die Radikalen<br />

verlangten die Bestimmung eines Tages, an dem „losgeschlagen“ werden sollte. Schließlich<br />

verständigte man sich auf den Ausbau des Preßvereins, der zu einem Nationalkomitee werden sollte,<br />

einer „National-Repräsentation“, die dem Bundestag der Fürsten als Volksvertretung bei- oder<br />

übergeordnet wird. Brüggemann äußerte Bedenken, Venedey erschien die Debatte absurd: man solle<br />

jeden Gedanken an Legalität abtun, solle das Gesetz der Fürsten brechen und sich das Recht zum<br />

gewaltsamen Umsturz auf ungesetzlichem Wege nehmen. Ein Ergebnis zeichnete sich nicht ab, die<br />

Versammlung endete chaotisch, eine revolutionäre Aktion wird nicht gestartet. Schließlich setzte<br />

man sich im kleinen Kreis nochmals zusammen. Der Preß- und Vaterlandsverein wird in „Deutscher<br />

Reformverein“ umbenannt, soll die politischen Ergebnisse der Hambacher Volksversammlung<br />

auswerten und die liberalen Ideen weiterentwickeln und verbreiten. Dazu kam es nicht, denn die<br />

Polizei entdeckte bei Siebenpfeiffer ein Programm mit Forderungen wie Volksbewaffnung,<br />

Volkssouveränität und Völkerbund. Er und Wirth wurden verhaftet, angeklagt und im Aufsehen<br />

erregenden Landauer „Assisenprozeß“ verurteilt, beiden gelingt die Flucht in die Schweiz.<br />

338


Fazit<br />

Hambach war die Fortsetzung des Wartburgfestes – so bereits Brüggemann in seiner Festrede –, was<br />

auf der Wartburg die Studenten, das habe in Hambach das ganze Volk geschworen. Alles sei „deutsch<br />

und Schwarz-Roth-Gold“ gewesen. Hambach war die größte und bedeutendste demokratische<br />

Volksversammlung des Vormärz, die erste politische Massenveranstaltung in Deutschland, der<br />

Höhepunkt einer breiten Bewegung in den deutschen Staaten, die erstmalige massenhafte<br />

Vertretung nationaler, radikaler republikanischer Forderungen und mit dem Preßverein der erste<br />

Versuch des Aufbaus einer organisierten Partei sowie die „erste Formulierung und Proklamation der<br />

Grundrechte des deutschen Volkes. Das Einzigartige und bis dahin noch nie Dagewesene hat Wirkung<br />

und Sprengkraft über das Jahrhundert hinaus.“<br />

Die Redaktion bedankt sich bei der Zeitschrift "Burschenschaftliche Blätter" für die Erlaubnis zum<br />

Abdruck dieses gekürzten Artikels. Ungekürzte Fassung in: Burschenschaftliche Blätter 122/1 (20<strong>07</strong>),<br />

S. 23-28.<br />

339


Nazis gegen rechts<br />

Geschrieben von: Marco Reese<br />

Montag, den 17. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der ‚Kampf gegen rechts’ ist in aller Munde, doch die Verdienste des Nationalsozialismus um diesen<br />

werden so gut wie nicht erwähnt. Dabei gehörten die im November 1923 in München<br />

demonstrierenden Nazis zu den ersten Opfern rechter Gewalt, als die repressive bayrische<br />

Landespolizei auf Befehl des Antidemokraten und Reaktionären Gustav Ritter von Kahr auf sie schoß<br />

und mehrere Demonstranten dabei getötet wurden. Um die Jahreswende 1932/33 versuchte<br />

General Kurt von Schleicher, ebenfalls ein Adeliger und dazu ein preußischer Junker und Militarist,<br />

die demokratische Wahl der nationalsozialistischen Partei mit verfassungsfeindlichen Mitteln zu<br />

verhindern; die Demokratie war jedoch zum Glück stärker.<br />

Die rechte Gefahr allerdings war nicht gebannt, denn noch immer saßen ewiggestrige Konservative in<br />

Regierung und Verwaltung und im Sommer 1934 erschien eine Hetzschrift des ultrarechten<br />

Publizisten Edgar Julius Jung, durch die ein Klima der Angst verbreitet wurde. Nach und nach wurden<br />

jedoch Erfolge im Kampf gegen die radikale Rechte erzielt. So gelang es, den Anteil der<br />

Oberschichten im Offizierskorps, nicht zuletzt durch die Einführung der Wehrpflicht, welche für mehr<br />

Gleichberechtigung sorgte, zu reduzieren.<br />

Ein großes come-together-happening in Nürnberg<br />

Die Macht der Pfaffen und des rückwärtsgewandten Klerus wurde ebenfalls zurückgedrängt, auch die<br />

des Kapitals. Veraltete Überreste des Feudalismus wurden ebenso beseitigt wie diskriminierende<br />

Standesunterschiede. Jährlich fand im Spätsommer ein großes come-together-happening in<br />

Nürnberg statt. Der Sozialstaat wurde ausgebaut. Auch halfen Organisationen wie der Lebensborn<br />

der Frauenemanzipation und dem Abbau der Phallokratie.<br />

Man bewegte sich auf die One World zu, wenigstens im kleinen. 1938 schließlich gelang es, den<br />

unterdrückerischen faschistischen Ständestaat in Österreich zu demokratisieren. Im Sommer 1939<br />

fiel mit Polen eine weitere Bastion der Reaktion durch eine gemeinsame Aktion der<br />

nationalsozialistisch-bolschewistischen Einheitsfront. Hitler, ein modern denkender Mensch, hielt<br />

den Nationalstaat für überholt und begann, die Einheit Europas zu verwirklichen.<br />

Multikulturalistische Nazis gegen reaktionäre Brandstifter<br />

Den rückständigen Konservativen, die immer noch behaupten, Multikulti funktioniere nicht, sollte<br />

man das Beispiel der Waffen-SS entgegenhalten, in der viele Nationalitäten miteinander auskamen.<br />

In der ersten Hälfte der 40er-Jahre schien die neue Gesellschaft gesichert, doch angeregt durch<br />

geistige Brandstifter versuchten am 20. Juli 1944 rechtsradikale Gewalttäter die Macht an sich zu<br />

reißen, was aber glücklicherweise scheiterte. Auch wenn es den Nationalsozialisten aufgrund rechter<br />

Störmanöver, die den Bruderkrieg zwischen den verbündeten Gruppierungen des Fortschritts<br />

verursachten, nicht gelang, soziale Ungleichheiten und Diskriminierungen sowie feudale Überreste<br />

völlig zu überwinden, so leisteten sie doch Vorarbeit für die fortschrittlichen Maßnahmen der USA<br />

und der Sowjetunion, denen es endgültig glückte, die Reste reaktionären Denkens zu tilgen.<br />

Der nationalsozialistische Beitrag zum ‚Kampf gegen rechts’ ist nicht zu unterschätzen und sollte<br />

endlich einmal gewürdigt werden. Ohne die Nationalsozialisten würden wir heute vermutlich immer<br />

noch oder wieder von Elbjunkern mit Monokel und Reitpeitsche, von ausbeuterischen<br />

340


Großunternehmern, Schwarzröcken und Militaristen beherrscht und unterdrückt werden, anstatt<br />

soziale Sicherheit und Modernität zu genießen.<br />

341


Ein Wort zum Libertarismus<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 18. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Libertäre und Konservative streiten heftig darüber, ob sie miteinander können oder nicht. Diese<br />

Diskussion kreist hauptsächlich um die Frage, worin sich die Vorstellungen über die perfekte<br />

Gesellschaft bzw. den perfekten Staat unterscheiden. Grotesk an diesem Diskussionsschwerpunkt ist,<br />

daß beide Milieus meilenweit von einer Machtausübung entfernt sind und beide mit ihren<br />

unpopulären Forderungen die Gunst der Massen nicht gewinnen können. Das Schmieden von<br />

strategischen Allianzen wurde dennoch mehrmals in Angriff genommen. Bis heute blieben diese<br />

Versuche jedoch ohne nennenswerte Erfolge bzw. inhaltliche Resultate. Dabei täte es beiden<br />

Denkrichtungen gut, einen kritischen Dialog miteinander zu führen und bestimmte Inhalte des<br />

anderen zu adaptieren.<br />

Zunächst einmal: Was ist Libertarismus, was will ein Libertärer? Der Libertarismus wünscht sich eine<br />

Gesellschaft, in der weder staatliche Interventionen noch andersartige Eingriffe in das<br />

Privateigentum das Handeln der Menschen beeinflussen. In einer libertären Gesellschaft soll jeder<br />

seines Glückes eigener Schmied sein. Am modernen Staat mißfällt den Libertären die ausufernde<br />

Bürokratie, die politische Korrektheit, der Gesinnungsterror von Feministen, Antifanten und anderen<br />

Interventionisten, die glauben, das Privatleben der Bürger mit Verboten und Sanktionen lenken zu<br />

müssen.<br />

Freiheit oder Sozialismus?<br />

Wie diese Probleme beseitigt werden können, darüber gehen die Meinungen bei den klassischen<br />

Liberalen, den Anarchisten und den Turbo-Kapitalisten, die alle zu den Libertären gezählt werden<br />

können, auseinander. Die Anarchisten sehen die Lösung in der Abschaffung des Staates. Im<br />

Gegensatz dazu präferieren die klassischen Liberalen einen Minimalstaat, der den Frieden<br />

aufrechterhält und die Rechtssprechung übernimmt, sich aber ansonsten aus dem Leben der<br />

Menschen heraushält.<br />

Die Skepsis gegenüber dem Parteienstaat und der Massengesellschaft, die ihn ermächtigt, verbindet<br />

den Libertarismus und den Konservatismus. Im Libertarismus artet diese Skepsis jedoch schnell zu<br />

einer Ablehnung gegenüber jeder identitätsstiftenden Größe aus. Große identitätsstiftende<br />

Organisationen wie Kirchen und Nationalstaaten wird es aber auf absehbare Zeit weiterhin geben,<br />

weil die Menschen danach verlangen. Menschen reifen zu Kulturwesen, indem sie sich fragen, was<br />

sie für die Menschheit, ihr eigenes Volk oder ihren eigenen Stamm tun können, ohne einen direkten<br />

Nutzen daraus zu ziehen.<br />

Der Mensch ist nicht nur von Geburt an frei. Er muß zur Mündigkeit und<br />

Freiheit erzogen werden.<br />

Die Beteuerungen der Libertären, daß sie sich nicht gegen Traditionen und althergebrachte Werte<br />

stellen, kann ein Konservativer nicht ernst nehmen, da Tradition und (Volks-)Identität immer<br />

zusammengehören und nur dann bestehen können, wenn sie institutionell gefestigt werden.<br />

Traditionen und Volksidentität durch private Verbände absichern zu wollen, ist ein gewagtes<br />

Gesellschaftsexperiment, welches – konsequent durchdacht – eigentlich nur scheitern kann.<br />

Dennoch können Libertäre und Konservative im vorpolitischen Raum zusammenarbeiten. Diese<br />

Arbeit kann auf der grundlegenden Ablehnung der Massengesellschaft und dem Alternativkonzept<br />

dazu, der Sezession, aufbauen. Libertarismus und Konservatismus müssen Lebensalternativen<br />

342


durchdenken, die nachhaltig sind und den Menschen zur freiwilligen Mitgliedschaft in<br />

Gemeinschaften führen. Leider haben Libertäre bisher noch viel weniger als Konservative<br />

Lebensalternativen jenseits des bloßen Konsums und des individuellen Glücks verwirklicht. Der Weg<br />

zu einer „herrschaftsfreien Form des Zusammenlebens“, auf dem sich die Libertären im „Hier und<br />

Jetzt“ befinden müßten, ist für den außenstehenden Betrachter von dichtem Nebel verhüllt.<br />

343


Carl Schmitt – Inquisitor gegen Moralismus und<br />

Entwurzelung<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Mittwoch, den 19. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die heute mehr denn je verteidigte aber auch angegriffene abendländische Kultur des so genannten<br />

„Westens“ ist von Beginn an im Zeichen einer neuen Auffassung von Raum, Zeit und Geist geprägt<br />

gewesen. Niemand anders als der Jurist, Staatsrechtler und Philosoph Carl Schmitt (1888-1985) hat<br />

dies so eindringlich betont. Ein Grund mehr, sich unvoreingenommen die Gedankenwelt dieses<br />

Denkers, der sowohl globale politische Entwicklungen, den deutschen Parlamentarismus als auch<br />

grundlegende philosophische Fragen unter die Lupe nahm, zu betrachten.<br />

In seinem Spätwerk „Land und Meer“ (1954) operiert Schmitt mit dem Begriff der „Raumrevolution“.<br />

Das Ursymbol dieser Revolution ist das Unendliche, das „Faustische“ (Spengler), das Streben nach<br />

dem Höheren, dem Unendlichen um jeden Preis. Und so ist auch die Entdeckung des Nihil in der<br />

Mathematik eine weitere Geburtsstunde der Entwicklung hin zur Raumrevolution, deren Ende<br />

Nietzsche als Nihilismus, als permanente Frage nach dem „Wozu?“ menschlichen Lebens<br />

prophezeite. Und wahrlich, wenn der Mensch von räumlicher und zeitlicher Unendlichkeit umgeben<br />

ist, hat er nichts mehr zu bedeuten, als irgendeine gebrochene Menge, deren Nenner das Unendliche<br />

ist, Nihil, Null. Der entwurzelte Mensch bei Schmitt, aber auch bei Spengler, ist aus seiner Achse<br />

geworfen. Er findet keine Orientierung mehr, sieht den sekundären Zustand des Broterwerbs, der<br />

Betriebsamkeit, der Massendemokratie und des medialen Genusses als den normalen an. Er spürt,<br />

daß ihm dennoch etwas fehlt, daß Leben mehr ist als eine Starre, die sich durch Moralismus,<br />

Ökonomismus und Konsum aufrechterhält.<br />

Erstarrte Geschichtslava und Nichtigkeit des Menschen?<br />

Mozart und Goethe z.B. waren auf der Sonnenhöhe der Kultur geboren, lebten in Übereinstimmung<br />

mit dem Geist der Zeit und sahen in ihrem für die Weimarer Klassik typischen antidualistischen<br />

Denken die Natur als Sitz des großen Lebensstromes. Der entwurzelte Mensch der Moderne<br />

hingegen erstarrt durch die Passivität des Alltags und die daraus resultierende Auflösung der<br />

politischen und künstlerischen Stilformen. Der Soziologe Arnold Gehlen beschreibt das mit der<br />

geoevolutionären Metapher der Kristallisationen, wonach es der Kultur am Ende ihrer Epoche<br />

gelungen sei, sich moralisch und politisch verbindlich zu machen und große Schlüsselattitüden<br />

lediglich komisch wirken, große Offenbarungen, Entscheidungen und Kämpfe nicht mehr zu erwarten<br />

seien. Die Geschichtslava ist also amorph geworden, getränkt von einschränkenden Werten, welche<br />

die Entscheidungsfreudigkeit des Menschen und der Politik überhaupt lähmen. Schmitt spricht<br />

immer wieder vom „Normativismus“ des Zeitalters – von der alles in Regeln fassen wollenden Norm.<br />

Vernichtung des scharfen Arguments durch die Massendemokratie<br />

In diesem von Schmitt beklagten positivistischen Zeitalter, beruhend auf moralischen Setzungen<br />

selbst in der Rechtswissenschaft, macht man seinem wissenschaftlichen Gegner gern den Vorwurf,<br />

daß er Theologie, Metaphysik, Irrationalismus, Extremismus betreibe. Selbst Schmitt mußte diesen<br />

Vorwurf über sich ergehen lassen. Wenn aber dieser Vorwurf mehr als eine bloße Beschimpfung sein<br />

soll, hätte wenigstens die Frage nahe liegen können, woher die Neigung zu solchen theologischen<br />

und metaphysischen Haltungen eigentlich stammt; man hätte untersuchen müssen, ob sie historisch<br />

zu erklären sind, vielleicht als Nachwirkungen einer Staatslehre, einer spezifischen Denkart oder<br />

344


einer systematischen oder methodischen Notwendigkeit. Damit sind wir bei Schmitts politischen<br />

Einschätzungen angelangt, welche den Verfall und den Machterhalt von Staaten analysieren.<br />

Er schreibt selbst: „Solche Unterdrückungen des Parteigegners gehören zu den (…) politischen<br />

Prämien auf den legalen Machtbesitz. Sie gehören aber auch zu den teils vermeidlichen, teils<br />

unvermeidlichen Ursachen des Zusammenbruchs dieses gesamten Legalitätssystems selbst.“ Dabei<br />

versteht Schmitt unter Legalität all jene Haltungen, die sich konform zur gesetzten Norm verhalten<br />

und damit einer strategischen Unterdrückung seitens der Machthaber „nicht bedürfen“. Zugleich<br />

weist er darauf hin, daß der Machtbesitzer entgegen dem Gesetz den Parteigegner unter<br />

demokratischem Vorzeichen auslöschen kann. Keine Frage: Die Lage des Parlamentarismus ist für<br />

Schmitt kritisch, weil die moderne Massendemokratie die argumentierende öffentliche Diskussion zu<br />

einer leeren Formalität gemacht hat, zur überflüssigen Dekoration, die wirkliche Entscheidungen<br />

scheut. Parteien sind nicht Ausdruck diskutierender Meinungen, sondern wirtschaftlicher<br />

Machtgruppen, die Kompromisse schließen und je nach finanzieller Ausstattung den Parteigegner<br />

ausmerzen können. Dabei geht es um Geld und nicht um den Wahrheitsgehalt einer Meinung. Die<br />

Massen werden durch einen staatlich durch Steuergelder alimentierten Propagandaapparat<br />

gewonnen, dessen Appell an nächstliegende Interessen und Leidenschaften anknüpft.<br />

Staatsalimentierte Linksextremisten betreiben „Rechtsextremismusforschung“, bereits festgesetzte<br />

(präformierte) Kompromisse werden medienwirksam lediglich bestätigt. Das ergebnisoffene<br />

Argument in seiner Schärfe verschwindet. An die Stelle tritt die zielbewußte Berechnung der<br />

Machtchancen, die eindringliche Suggestion und keine originäre Ausfechtung mehr.<br />

Allein, Schmitt kann Recht gegeben werden. Blicken wir z. B. in gegenwärtigen<br />

Regierungspublikationen auf die willkürliche Kategorisierung von solchen Denkern der Konservativen<br />

Revolution, die vermeintlich „verfassungsfeindlich“ seien, so müsste im konsequenten Weiterdenken<br />

dieser Praxis auch die Theorie hochgeschätzter Philosophen wie Aristoteles oder Montesquieu so<br />

behandelt werden. Es müßte erkannt werden, daß auch die vor hunderten von Jahren lebenden<br />

Philosophen im Verfassungsschutzbericht aufgeführt werden müßten, weil sie als Geopolitiker oder<br />

Völkerpsychologen kaum der heute praktizierten Gewaltenteilung zustimmen würden. Aristoteles<br />

und der Erfinder der Gewaltenteilung Montesquieu würden die politische Praxis der Bundesrepublik<br />

wohl ablehnen, weil kein Dreieck der Gewaltenteilung mehr vorliegt, wenn Minister<br />

(Staatsexekutive) zugleich Mandatsträger (Legislative) sind. Schmitt erkannte recht früh, daß die<br />

Freiheit der Wissenschaften bedroht ist durch die parteipolitische Einflußnahme, durch die<br />

angewandte – eben „normative“ – Ideologie des Demokratismus als antipluralistisches Machtstreben<br />

und durch den Abstieg selbst der Wissenschaft zur regierungstreuen, korrumpierten<br />

Profitmaximierungsmethode. Schmitt hätte gewiß gegen die heute staatlich in Millionenhöhe<br />

geförderten Maßnahmen in Bereichen des „Antifaschismus“ gestimmt, da diese vielmehr für eine<br />

kontraproduktive Ablehnung aller von der eigenen Position abweichenden Orientierungssysteme<br />

sorgen, als daß sie den Parlamentarismus produktiv in Richtung auf seine Funktionsfähigkeit hin<br />

überdenken.<br />

Der Parlamentarismus ist keine Form der Demokratie<br />

Schmitt selbst war in seiner Wirklichkeitsanalyse Realist. Er erkannte, daß in einem modernen Staat<br />

an einem bestimmten Punkt politische Entscheidungen getroffen werden müssen und spricht<br />

deshalb von „Dezision“. Heute nämlich gehe es nicht mehr um Richtigkeit und Wahrheit, sondern um<br />

Mehrheit und damit um die Herrschaft. Schmitt hoffte deshalb in seinen Schriften darzustellen, daß,<br />

wenn das Parlament als Institution zum derartigen praktisch-technischen Mittel verkommt, man nur<br />

zeigen müsse, daß es auch anders geht. Damit haben wir eine wesentliche und immer wieder<br />

345


efehdete These Schmitts herausgearbeitet: Der Parlamentarismus wie wir ihn heute haben ist ein<br />

Ausdruck der liberalen Gedankenwelt und ihrer Kampfvokabel des parteipolitischen „Pluralismus“; er<br />

gehört deshalb und in seinen Auswirkungen spürbar nicht zur Demokratie. Liberalismus und<br />

Demokratie müssen getrennt werden. Die gegen Parteien gerichtete Pluralismuskritik der politischen<br />

„Rechten“ ist darin freilich enthalten, weil der Staat wie bei Schmitt als von Gruppenkonflikten<br />

befreit und als souveräne – eben entscheidende sowie nicht wertende und Entscheidungen<br />

simulierende – Instanz verstanden wird.<br />

Jede wirkliche Demokratie behandelt für Schmitt nicht nur Gleiches gleich, sondern unvermeidlich<br />

das Nichtgleiche nichtgleich, was der Parlamentarismus versäumt. Zur Demokratie gehöre die<br />

Homogenität und die Vernichtung des Heterogenen, um die Substanz der Gleichheit bereitzustellen.<br />

Betrachten wir die Türkisierung der Türkei, die Zuzugsverhinderung von Ausländern in Australien, die<br />

Vernichtung der Indianer in Amerika oder die entrechteten Sklaven in der vorchristlichen Athener<br />

Demokratie, so scheint es immer der Weg stabiler Demokratien gewesen zu sein, das Ungleiche als<br />

Fremdes zu verdrängen und die Homogenität sowie die Substanz demokratischer Gleichheit<br />

triumphieren zu lassen im Sinne einer nationalen Homogenität der Gleichbehandlung, die zunächst<br />

aus der Ungleichbehandlung des Fremden hervorgeht. Der gegenwärtige Parlamentarismus mit<br />

seiner Gleichbehandlung aller negiert diese Notwendigkeit. Protektorate, Mandate und<br />

Interventionsverträge als Formen der Abhängigkeit ermöglichen hingegen Demokratie über eine<br />

heterogene Bevölkerung, ohne sie zu Staatsbürgern zu machen. Sie sind politisch-wirtschaftlich<br />

abhängig und gleichzeitig weit entfernt. Damit sind wir angesichts US-amerikanischer Interventionen<br />

im 20. Jahrhundert in Europa und heute in aller Welt beim letzten aktuellen Aspekt Schmitts<br />

angelangt.Vom notwendigen Scheitern raumfremder Interventionen<br />

Carl Schmitt macht die verfassungsrechtliche Ordnung des Staatsgebietes von der Trennung von Land<br />

und Meer – von Land- und Seemächten – abhängig. Daraus speist sich die Möglichkeit einer<br />

expansiven Wendung eines Staates zum Meer und zur Übersee im Falle des parlamentarischen<br />

Systems der USA. Schmitt spricht hingegen von der Verfassung eines Landes als von seiner<br />

Grundordnung, seinem Nomos, der nicht übertragbar ist. „Nomos ist das den Grund und Boden der<br />

Erde in einer bestimmten Ordnung einteilende und verortete Maß und die damit gegebene Gestalt<br />

der politischen, sozialen und religiösen Ordnung. Maß, Ordnung und Gestalt bilden hier eine<br />

raumhaft konkrete Einheit.“<br />

Damit ist der nachhaltige Erfolg überseeischer Interventionen zur Installierung „demokratischer“<br />

Systeme im Irak, in Afghanistan etc. potentiell unmöglich, solange nicht das traditionelle und<br />

verortete Maß des politischen Denkens der jeweiligen Völker zur Richtschnur eines politischen<br />

Neubeginns gemacht wird. Diese Grundzüge der von Schmitt analysierten Geopolitik als Respekt vor<br />

dem „Nomos“ eines Volkes als raumhaft konkrete Einheit ist aktueller denn je, weil sich globale<br />

demokratietheoretische Fragen vor dem Hintergrund kulturell gewachsener Staatsbilder nicht mehr<br />

alt-ideologisch im Sinne des bisherigen Verständnisses von liberaler Demokratie als „Wert“ oder<br />

„Norm“ wie Schmitt sie beschrieb klären lassen, sondern nur noch sachlich im Sinne des je eigenen<br />

‚Nomos’. Die Orientierung an geistig-seelischen Kraftzentren im Kontext jeweils eigenständiger<br />

Demokratieformen wird gegenwärtig so bedeutsam werden, wie der Vatikan als bedeutsames<br />

Kraftzentrum der Weltkirche Orientierung bietet. Die metaphysische Komponente von Demokratie<br />

als verortetes Maß ist damit nicht antidemokratisch. Vielmehr hat Schmitt Recht behalten, wenn er<br />

sich gegen diese Vorwürfe wehrt – jedem seine eigene Staatsform, keine Verordnungen und<br />

Besatzungsstatue.<br />

346


Für autonomes Leben, Selbstbewußtsein und Entscheidungsfähigkeit<br />

Es ergibt sich nunmehr ein Gesamtbild, wonach bei Carl Schmitt die Welt geprägt ist vom Ringen um<br />

autonomes Leben, das einer bewussten – sei es auch einer erst noch befreienden - Entscheidung<br />

bedarf. Welt setzt sich gegen Welt. In Arbeit und Kampf gibt der Mensch seinem Leben einen<br />

Wahrheitsgehalt je nach nicht übertragbarem „Nomos“ zu entfalten sei. Es steht und fällt aber dieses<br />

Leben mit der Überzeugung, daß unsere Welt eine Stätte des Werdens ist, in der eine höhere Stufe<br />

der Wirklichkeit gegen eine niedere aufsteigt, dabei in härtesten Kampf mit dieser gerät, im Kampf<br />

aber neues erringt und in der Gewißheit eines Sieges unbeirrt weiter vordringt. Schmitt hebt damit<br />

einen Ewigkeitsgehalt hervor, der aller dogmatischen Formulierungen überlegen ist und ein geistiges,<br />

geopolitisches, der Entscheidung fähiges und freies, Selbst, Volk oder eine Nation anerkennt und vom<br />

Fremden absetzt. Die Unzulänglichkeit des parlamentarischen Systems der Gegenwart ist nicht durch<br />

„Hypermoralismus“ (Gehlen) und Ausrichtung an vermeintlich unhinterfragbaren Normen der<br />

„Gleichheit“ zu kompensieren oder zu retten, sondern durch rationales Gesetz und Ordnung, welches<br />

durch Entscheidung gesetzt wird und jeglicher Ideologiestaatlichkeit widerspricht. Der Konservative<br />

Schmitt hofft, damit Dinge zu schaffen, „die zu erhalten sich lohnt“ (Moeller van den Bruck).<br />

347


Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn: Demokratie – Eine<br />

Analyse<br />

Geschrieben von: Marco Reese<br />

Mittwoch, den 19. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Bereits 1996 erschien im Stocker-Verlag eine kleine Schrift des 1999 im Alter von 89 Jahren<br />

verstorbenen katholischen Philosophen Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn, die seine Gedanken zur<br />

Demokratie zusammenfaßte. In 26 Kapiteln werden unter anderem die geschichtlichen Hintergründe<br />

der Demokratie, ihre Wiedergeburt im Zuge der Französischen Revolution, ihre – für Kuehnelt-<br />

Leddihn nicht überzeugend begründbaren – Grundannahmen, ihr Verhältnis zum Rechtsstaat,<br />

welches nicht so ideal ist, wie man es sich gemeinhin vorstellt, und die sogenannte Demokratisierung<br />

abgehandelt.<br />

Der Nexus zwischen Demokratie einerseits und Sozialismus, aber auch Nationalismus und Rassismus<br />

andererseits – Kuehnelt präferierte den „vertikalen“ Reichsgedanken anstelle des „horizontalen“<br />

Nationalstaats – wird dargestellt, das Verhältnis der Demokratie zur Religion und zur Bildung ebenso<br />

wie zu Landesverteidigung und Außenpolitik. Gut platonisch wird die Demokratie als Nährboden für<br />

die Tyrannis beschrieben.<br />

Der Grundtenor des Büchleins ist dezidiert demokratiekritisch, wenn nicht antidemokratisch, und das<br />

Klischee, die Demokratie sei die Krönung der Staatsformen, wird hier berichtigt. Der Tiroler<br />

Edelmann war überzeugt, die Liberaldemokratie müsse an ihrem inneren Widerspruch von Gleichheit<br />

und Freiheit scheitern und entweder im Chaos oder in einer totalitären Diktatur enden, und diese<br />

Befürchtungen sind auch im letzten Kapitel mit dem Titel „Die Zukunft der Demokratie“ zu finden, die<br />

seines Erachtens langfristig schlicht nicht bestehen könne.<br />

Wie in den meisten seiner Bücher wirbt er auch hier für eine sachgerechte freiheitlichrechtsstaatliche<br />

Alternative, ohne „Nasenzählerei“ und Gleichheits- und Mehrheitswahn. Kuehnelt-<br />

Leddihn machte nie einen Hehl daraus, daß eine solche Staatsform monarchisch gekrönt sein müsse.<br />

Im Nachwort konstatiert er schließlich, daß man in Deutschland nach 1945 „den fremden<br />

Quacksalbern [d. h. den Alliierten] stramm [habe] gehorchen“ müssen, und es werden statt dessen<br />

die Männer des 20. Juli 1944 um Stauffenberg beschworen, die für Kuehnelt-Leddihn den wahren<br />

Ausweg gesucht und ihr Leben für das Reich gegeben haben.<br />

Bibliographische Angaben:<br />

Erik von Kuehnelt-Leddihn 1996: Demokratie – eine Analyse. Graz. Stocker Verlag. 119 Seiten. 11,80<br />

Euro<br />

348


Multikulturelle Gesellschaft: Die Geburt eines<br />

Vielvölkerstaates<br />

Geschrieben von: Judith von der Osten<br />

Donnerstag, den 20. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Eine multikulturelle Gesellschaft besteht aus Menschen verschiedener Kulturen, sprich<br />

Nationalitäten, Sprachen, Religionen, Ethnien. Verdeutlicht man sich die Definition für einen<br />

Vielvölkerstaat – Staat, den mehrere Völker bewohnen – wird erkennbar, dass der Begriff<br />

‚Multikulturelle Gesellschaft’ die moderne Sprachvariante dessen ist, was als „Geburt eines<br />

Vielvölkerstaates“ begriffen werden muss. Historische Beispiele für Vielvölkerstaaten sind u.a. das<br />

Osmanische Reich, das Zarenreich, die Sowjetunion (UdSSR) und Jugoslawien, denen bei aller<br />

Unterschiedlichkeit zwei Merkmale gemeinsam waren: Ein repressiver Staatsapparat, der die<br />

verschiedenen Völker mit „eiserner Faust“ zusammenhielt und der Ausbruch blutiger Bürgerkriege,<br />

als dieser Staatsapparat auseinanderbrach. So zuletzt geschehen im ehemaligen Jugoslawien.<br />

Durch die zunehmende Einwanderung, bei gleichzeitigem Geburtenrückgang und Auswanderung des<br />

autochthonen Volkes wird sich Deutschland in nicht zu ferner Zukunft als ein neuer Vielvölkerstaat<br />

konstituieren. Zur Verdeutlichung seien hier einige Zahlen genannt, die nicht der politischen<br />

Korrektheit, aber der Realität entsprechen:<br />

Abwanderung und Einwanderung sind gleichermaßen Problemzonen<br />

Im Jahre <strong>2006</strong> wanderten 155.000 Deutsche aus, eine Steigerung von 7% gegenüber 2005. Der<br />

überwiegende Anteil ist beruflich gut bis sehr gut qualifiziert. Die britische Tageszeitung ‚The<br />

Independent’ schrieb in ihrer Ausgabe vom 1.Juni 20<strong>07</strong>, daß der deutsche ‚brain drain’ so groß ist wie<br />

nie seit den ersten Jahren nach 1945.<br />

Die Negativ-Spirale der Geburten setzt sich weiter fort und liegt nur noch bei durchschnittlich 1,33<br />

Kindern pro Frau. Demographen gehen davon aus, daß die Zahl der in Deutschland geborenen Kinder<br />

bis 2050 weiter drastisch abnehmen wird. Demgegenüber steht die Zahl der offiziell gemeldeten<br />

Abtreibungen: 119.710 im Mutterleib getötete Babys im Jahr <strong>2006</strong> stehen zu Buche.<br />

Babyboom bei den Familien mit Migrationshintergrund<br />

Auf der „Habenseite“ weist Deutschland 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus –<br />

96% davon im früheren Bundesgebiet und Berlin, 10% ohne allgemeinen Schulabschluß, 51% ohne<br />

beruflichen Abschluß, und 25% die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. In mehreren<br />

deutschen Großstädten (z.B. Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und Nürnberg) liegt der Anteil der unter<br />

Fünfjährigen mit Migrationshintergrund bei über 60 %<br />

<strong>2006</strong> sind erneut 558.000 Ausländer nach Deutschland gezogen, 484.000 sind weggezogen. Das<br />

entspricht einem Plus von 74.000 Migranten und einer neuen »erste Generation« von knapp über<br />

einer halben Millionen. Dabei stellt die Türkei – vom statistischen Bundesamt schon als europäisches<br />

Land gelistet – erneut die größte Gruppe der Zuwanderer.Massenexodus, Geburtendefizit und<br />

Bevölkerungsaustausch – das sind die existentiellen Fragen unseres Landes. Doch in Berlin diskutiert<br />

man lieber über Gammelfleisch, Windräder und die Pendlerpauschale.<br />

349


Islampolitische Bruchlinien zwischen Libertären, Rechten<br />

und Liberalen<br />

Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />

Freitag, den 21. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die diesjährige September-Ausgabe des von André Lichtschlag herausgegebenen libertären Magazins<br />

eigentümlich frei (ef) enthält ein Interview mit dem Blogger Stefan Herre, der von sich behauptet,<br />

durch sein Organ Politically Incorrect („PI“) eine breite Leserschaft kontinuierlich über<br />

freiheitsfeindliche Bestrebungen muslimischer Einwanderer zu informieren. Daß „ef“ dem<br />

„Islamophoben“ Herre, den es als „Kreuzritter“ vorstellt, die Möglichkeit gab, seine politischen<br />

Vorstellungen einem libertären Publikum gegenüber darzulegen, stieß im Umfeld von Lichtschlags<br />

Magazin nicht ungeteilt auf Gegenliebe.<br />

So nahm sich der libertäre Feminismus-Kritiker Arne Hoffmann, der erklärtermaßen in Claudia Roth<br />

und der taz Verbündete im Kampf gegen die Anfeindung von Muslimen sieht, bereits am 6.<br />

September 20<strong>07</strong> die Freiheit, in Lichtschlags Blog ef-online „Gegenposition“ zu beziehen –<br />

wenngleich er nicht glaube, „dass man zu Morddrohungen eine sinnvolle ‚Gegenposition’ beziehen<br />

kann“. Die Betreiber des Blogs „PI“ ließen es zu, daß auf ihren Seiten Kommentatoren<br />

Andersdenkende in wüstester Weise attackieren und ihnen Gewalt androhen, so Hoffmann unter<br />

Berufung auf Presseberichte.<br />

Auf Hoffmanns „Replik“ auf das ef-Interview mit Herre reagierte der Angegriffene mit einer „Duplik“.<br />

Daß mehrfach strafrechtlich relevante Äußerungen in seinem Blog unzensiert geblieben seien,<br />

konnte er nicht widerlegen. Herre nutzte aber die Steilvorlage, die Hoffmann ihm bot, als er „PI“<br />

ausgerechnet mit einem Vorwurf konfrontierte, der völlig zu Recht gegen jene erhoben wird, in<br />

denen Hoffmann Opfer einer „Islamophobie“ zu erkennen vermeint. Selbstverständlich könne man<br />

zu Mordaufrufen etwa „gegen die dänischen Karikaturisten, Salman Rushdie, Robert Redeker und<br />

Ralph Giordano“ Gegenposition beziehen.<br />

Was sowohl Hoffmann, als auch Herre praktisch gänzlich ausblenden: Das vermeintliche<br />

„Kreuzritter“-Organ „PI“ ist weder eine publizistische Speerspitze jener zivilcouragierten liberalen<br />

Islamismus-Kritiker – eines Salman Rushdie, eines Robert Redeker, eines Louis Chagnon, einer Oriana<br />

Fallaci –, noch richten sich seine Veröffentlichungen blindwütig gegen alles „Muslimische“. Gerade<br />

Tendenzen „völkischer“ Polemik, wie sie sich etwa in den Beschimpfungen des liberalen Islamismus-<br />

Experten und Multikulturalismus-Kritikers Bassam Tibi durch „PI“ zeigen, bringen Herre vielmehr in<br />

einen diametralen Gegensatz zu menschenrechtlich motivierten Gegnern der politischen<br />

Herrschaftsansprüche des Islam. Und dennoch geht Hoffmann fehl in der Annahme, jede radikale<br />

Islam-Kritik besitze einen rassistischen Kern. „PI“ gilt bei vielen Islamkritikern als Störenfried insofern,<br />

als seine Existenz „Anti-Antiislamisten“ wie Hoffmann Munition liefert. An gemeinsamen Auftritten<br />

mit Herre, der (zumindest zeitweilig) für die rechte Lokalpartei „Pro Köln“ warb, sind etwa die exiliranische<br />

Frauenrechtlerin Nasrin Amirsedghi oder Ralph Giordano nicht interessiert.<br />

Der oftmals gegen „PI“ gerichtete Vorwurf, alle Muslime als Gewalttäter und Terroristen an den<br />

Pranger zu stellen, trifft jedoch ebenso wenig ins Schwarze: Anders als die – meist aus der politischen<br />

Linken stammenden – liberal-demokratischen Islam(ismus)-Kritiker haben „rechte“ Moscheebau-<br />

Gegner wie Herre oder der „Pro Köln“-Begründer Manfred Rouhs mit einer Ächtung islamistischer<br />

Gewaltregime auf der Grundlage des universalen Geltungsanspruchs der Menschen- und<br />

Bürgerrechte nichts zu schaffen. So begrüßte Rouhs 1999 den barbarischen Bombenkrieg gegen<br />

350


Jugoslawien, da durch diesen die politischen Ziele der islamischen albanischen Sezessionisten<br />

begünstigt würden. Und noch Ende 2005 schloß sich Herres „PI“ der anti-russischen Agitation der<br />

bekennenden Islam-Freunde Norbert Blüm, Rupert Neudeck und Bernd Posselt an, die in der<br />

Bekämpfung tschetschenischer und dagestanischer Islamisten einen Völkermord sehen.<br />

351


Familienpolitische Provokationen: Eva Herman und<br />

Gabriele Pauli<br />

Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />

Montag, den 24. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Worum geht es Pauli und Herman? Geld, Macht oder Familie?Der aktuelle Fokus der deutschen<br />

Innenpolitik ist nicht recht nachvollziehbar. Anstatt sich mit den wirklich überlebenswichtigen<br />

Fragen, dem Demographie-Problem sowie der Bedrohung durch den Islam zu beschäftigen,<br />

debattiert die Bundesrepublik lieber über wahnwitzige Vorschläge einer bayrischen Emanze. Ihr<br />

pseudo-konservatives Gegenstück, Eva Herman, die aus absehbarem Anlass ein ähnliches mediales<br />

Sich-In-Den-Mittelpunkt -Rücken veranstaltete, provozierte unlängst ebenfalls eine hitzige Debatte.<br />

Wie trefflich, daß jüngst jene Bayerin, Gabriele Pauli, zugab, nur Leihmutter der tatsächlich vom<br />

fränkischen Kabarettisten Frank-Markus Barwasser stammenden Gedanken über die Ehe auf Zeit zu<br />

sein.<br />

Gabriele Pauli hat sich mit diesem Vorschlag und ihrer Kandidatur für den CSU-Vorsitz wieder einmal<br />

in den Medienrummel eingemischt. „Der Vorstoß der Kandidatin für den CSU-Vorsitz sei ‚pure<br />

Provokation’ gewesen, um wieder wahrgenommen zu werden“, äußerte sich der Vorsitzende der<br />

Jungen Union Bayern, Manfred Weber (MdEP), der Nachrichtenagentur ddp gegenüber. Der<br />

scheidende Ministerpräsident Edmund Stoiber ging in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur<br />

sogar noch einen verbalen Schritt weiter und taufte Paulis Äußerungen „eine abstruse<br />

Hippiemeinung von irgendeiner Persönlichkeit, die sich wohl nicht mehr unter Kontrolle hat“.<br />

Moderne Politik – Eine reine PR-Maßnahme<br />

Gleiches gilt für Eva Herman. Ihre Thesen sind, obschon sie den Kern sehr wohl treffen, bereits zum xten<br />

Mal wiedergekaute Antiquitäten. Überdies haben sie es verdient von einer würdigeren Person als<br />

der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin okkupiert zu werden. Eine Streiterin wie sie wirkt ob ihres<br />

familiären Hintergrundes (zum vierten Mal verheiratet, ein Sohn) in der Rolle einer Verfechterin<br />

konservativer Werte wenig glaubhaft. Dieser Hintergrund läßt einen unverbesserlichen Moralapostel<br />

vermuten, der davon besessen ist, anderen Tugenden abzuverlangen, jedoch selbst im Weinglas des<br />

Hedonismus zu ertrinkt. Hier nun stellt sich die Gretchenfrage: Soll Eva Herman Solidarität oder<br />

Distanzierung von konservativer Seite her erfahren? Wer nachdrücklich für erstere Option streitet,<br />

hat für sich selbst die Frage zu beantworten, inwiefern politisches Kalkül von Eva Herman vorliegt.<br />

War es nicht von vornherein absehbar, was jene delikaten Aussagen für Konsequenzen mit sich<br />

zögen?<br />

Provokationen, um im Mittelpunkt zu stehen.<br />

Eintreten für Meinungsfreiheit und gegen Geschichtsverfälschung ist konsequent und richtig,<br />

dennoch ist es unklug, auf Teufel komm raus den Provokateur zu mimen. Durchaus denkbar scheint<br />

die Variante, daß Eva Herman bewußt diesen Skandal inszenieren wollte, insbesondere da sie ihre<br />

getätigten „Meinungsfreiheiten“ zufällig bei der Pressekonferenz ihres neuen Buches geäußerte.<br />

Nun, eine gänzliche Distanzierung erscheint indes auch nicht adäquat. Es steht völlig außer Frage, der<br />

aus tiefster Kehle entsprungene Aufschrei der Öffentlichkeit zeigt die fehlende Meinungsfreiheit in<br />

Deutschland. Jedoch sollte sich jeder gut überlegen, für wen er seine Hand ins Feuer legt. Eine Eva<br />

Herman ist mitnichten der Messias einer gesunden Familienpolitik. Gabriele Pauli ist es erst recht<br />

nicht.<br />

352


Das Standardwerk des volklichen Denkens<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Dienstag, den 25. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das von Richard Ungewitter in seinem Stuttgarter Verlag 1917 erstmals herausgegebene völkische<br />

Überblickswerk „Deutschlands Wiedergeburt durch Blut und Eisen“ wurde <strong>2006</strong> vom Uwe-Berg-<br />

Verlag als Nachdruck der Ausgabe von 1919 den am völkischen Denken Interessierten wieder<br />

zugängig gemacht. In „Deutschlands Wiedergeburt“ entfaltet sich mit Beiträgen von Silvio Gesell,<br />

Ludwig Fahrenkrog, Friedrich Lienhard, Theodor Fritsch und Anderen das gesamte Spektrum des<br />

völkischen Denkens. Allgemein gilt die völkische Bewegung als direkter Vorläufer des „Hitlerismus“;<br />

ein Blick in die publizistischen Erzeugnisse der Völkischen zeigt jedoch, daß dieser Sichtweise das<br />

nötige Feingespür für Differenzierungen fehlt.<br />

Methodische Annäherungen<br />

Der Geschichtswissenschaftler Ernst Nolte sprach oft vom Nutzen der phänomenologischen<br />

Geschichtsbetrachtung. Was meinte er damit? Schlichtweg, daß Erkenntnisse und Beurteilungen nur<br />

insoweit einen nachvollziehbaren Wert haben, wenn der Weg zu ihnen konkret selber Maßstab der<br />

Beurteilungen und zugleich Maßstab des zu bewertenden Forschungsobjektes ist. In den<br />

Anwendungsgebieten der Politikwissenschaft gibt es damit den Gegensatz zwischen normativer und<br />

empirischer Politikwissenschaft, also den Gegensatz zwischen gewohnten „Verpflichtungen“<br />

(Stichwort „politische Korrektheit“) folgenden Denkweisen und der tatsächlichen Analyse von<br />

Phänomenen aus sich selbst heraus, die damit faktisch das erfaßt, wozu eine bloße Wertung nicht<br />

fähig ist. Wir können vom Streit zwischen freier Analyse und wertgebundener Vorgabe sprechen, der<br />

gerade in der deutschen Nachkriegs-Politologie prägend war.<br />

So versteht es sich, daß wir uns bei der Betrachtung des zutiefst verpönten „völkischen Denkens“ auf<br />

die analytische Denkweise zurückzuziehen haben, die das Phänomen des „Völkischen“ aus sich selbst<br />

heraus, aus der Zeit und der einstigen Motivation ihrer Zeitgenossen versteht. In der Toeppenstedter<br />

Reihe ist nunmehr das Standardwerk des völkischen Denkens als Quellentext wieder erschienen. Es<br />

handelt sich um das frühe Sammelwerk unter Mitarbeit von R. Ungewitter, R. Burger-Villingen, H.<br />

Driesmans, Ludwig Fahrenkrog, Theodor Fritsch, Silvio Gesell, Otger Gräff, Ernst Hunkel und J. Lanz-<br />

Liebenfels. Es breitet vor dem Leser das weite Spektrum damaliger völkischer Themen aus.<br />

Das „völkische“ Denken als volkliches Denken<br />

Die Völkischen: Sie betonen nach Armin Mohler unmittelbar die Ursprünge. In den Lehren des Volkes<br />

und Staates wird dem Staat die Eigenschaft des pflanzenhaft Wachsenden zugeschrieben. Der Begriff<br />

der „Rasse“ gilt im Sinne der Bestrebung des Menschen nach Einheit von Körperlichem und<br />

Geistigem. Der Erzvater des Völkischen ist der Turnvater Friedrich Ludwig Jahn. Seine<br />

Turnerbewegung war die völkische Hochburg, die mit der Entdeckung des gesamtdeutschen<br />

Nationalgefühls korrespondiert. Die Marxisten hingegen erklärten die völkische Haltung lapidar als<br />

romantische Flucht des zwischen Proletariat und kapitalistischen Großbürgertums zerriebenen<br />

Mittelstandes. Die Völkischen gehen davon aus, daß der Mensch wesentlich durch seine Herkunft<br />

bestimmt ist. Es gibt eine bestimmte Landschaftsseele, die in Kombination mit der Muttersprache ein<br />

Lebensgefühl, eine Zugehörigkeit ausdrückt. Die „Kulturseele“ (Spengler) ist erwacht. Wer kennt<br />

nicht das Gefühl „Heimat“, das Gefühlt, sich nicht mehr rechtfertigen zu müssen?<br />

Das umfassende Spektrum völkischen Denkens, welches niemals aus purem Unverständnis und aus<br />

Feindseligkeit – den Irrtümern der modernen „Wissenschaft“ – auf die Totschlagvokabel des<br />

353


„völkischen Nationalismus“ reduziert werden kann, findet sich in diesem Buch. Dazu gehören viele<br />

Ideen zur Reform von Staat, Verwaltung, Boden, Recht, Lebenshaltung, Mutterschutz, Ehe,<br />

Gesundheit, Sprache, Schrift, Kultur und Bildung. Es sei deshalb auch dafür plädiert, den Begriff<br />

„völkisch“ zu ersetzen durch „volklich“, um den leichtredenden Vorwurf des „völkischen<br />

Nationalismus“, der das Phänomen des damaligen Denkens nicht zu hinterfragen gewillt ist, zu<br />

vermeiden. Vielmehr können wir das „Volkliche“ im Sinne des Volkssoziologen Max Hildebert Boehm<br />

verstehen. Ihm geht es um eine Geisteswissenschaft, „die das Volkliche weder übersteigert noch<br />

verleugnet.“ Dieses aufgeklärte Maßhalten solle aus dem Wissen heraus, daß ein Volk als in die<br />

Politik und Geschichte hineinwirkende Wesenheit gilt, entstehen. Volkliche Ansätze, wie er sie selbst<br />

bezeichnet, sind demnach auch kulturelles Erbe der Moderne. Fruchtbare Anerkennung ersetzt hier<br />

die hysterische Negation.<br />

Aktualität volklicher Themenkreise<br />

Das von Ungewitter (1869-1958), dem deutschen Vorkämpfer und ersten Organisator der FKK-<br />

Bewegung, herausgegebene Buch enthält spannende Texte zum Thema „sittliche Volkswirtschaft“,<br />

„organische Volkswirtschaft“ und „Rolle des Mittelstandes“. Man sollte sie zunächst lesen, um sich<br />

ein reifes Urteil über das Für und Wider des volklichen Denkens zu machen. Zudem muten Titel wie:<br />

„Eigenwirtschaft, Nationalwirtschaft und Weltwirtschaft“, „Geburtenrückgang und die Mittel zur<br />

Abhilfe“ oder „Heeresdienst und weibliches Dienstjahr“ recht aktuell an. So diente bereits damals die<br />

Idee der Forderung eines Mädchen-Dienstjahres der Gleichberechtigung von Mann und Frau im<br />

Rahmen eines Pflichtdienstjahres. Auch lesen wir von der Erkenntnis, daß „an den Stätten der<br />

Erwerbs- und Genußsucht die Kindererzeugung“ zurückgehe, weswegen die Beschränkung des<br />

Alkoholkonsums sowie die Achtung vor der Ehe und der schwangeren Frau gefordert wird. Selbst für<br />

die Achtung und Sorge gegenüber den unehelichen Kindern plädiert das 1916 herausgegebene Buch.<br />

Würden wir zudem einem Sozialdemokraten der Gegenwart – gleichgültig ob schwul oder nicht –<br />

sagen, daß sein Einsatz für die Anteilnahme des Arbeitnehmers am Arbeitserfolg „völkischen“ – um<br />

seine Totschlagvokabel zu nutzen – Ursprungs ist, fiele dieser aus allen Wolken. Dennoch, wir lesen in<br />

Ungewitters Buch, „daß die Arbeiterfrage so zu regeln ist, daß die Arbeiter am Mehrwert des<br />

Arbeitsertrages Anteil haben.“<br />

Sehr interessant ist der Beitrag des bekannten Geldreformers Silvio Gesell „Die Überwindung des<br />

Goldwahns und die Zertrümmerung der britischen Weltmacht“. Er meint: „Englands Weltmacht ist<br />

nichts mehr als Geldmacht.“ Damit fordert er zugleich die Aufhebung des arbeitslosen Einkommens –<br />

des Zankapfels aller heutigen Geldreformer und Humanwirtschaftler, nämlich die Aufhebung der<br />

Zinswirtschaft. In den Jahren 1887-1924 war Silvio Gesell Kaufmann in Argentinien. Die heftigen<br />

Wirtschaftskrisen des Landes regten ihn zum Nachdenken über die strukturelle Problematik des<br />

Geldwesens an. 1891 veröffentlichte Gesell in Buenos Aires seine erste währungstheoretische Schrift:<br />

"Die Reformation des Münzwesens als Brücke zum sozialen Staat“. Zum Kriegsende 1918 reiste<br />

Gesell nach Berlin, wo gerade das vorliegende “Deutschlands Wiedergeburt durch Blut und Eisen”<br />

erschien. Sein hier abgedruckter Beitrag wurde der von Gesell mitgeprägten Schrift “Neues Leben.<br />

Monatsschrift für deutsche Wiedergeburt” entnommen. Er stellt darin die These auf, daß durch die<br />

Einführung seiner Geldwährung die kriegswichtigen englischen Goldreserven entwertet werden<br />

können.<br />

Deutsches Volk und Grundgesetz<br />

Wir können ohne Zweifel festhalten, daß eine Gesellschaft oder eine Nation eine philosophischspirituelle<br />

Dimension im Lauf ihrer Geschichte, ein Bewußtsein ihrer selbst ausbildet. Die Betonung<br />

354


der kulturell eigenen Dimension gehört dazu und wertschätzt das Andere. Nationalstaaten geben<br />

dieser Idee nach ihre Souveränität nicht ab, sondern organisieren sie international. Hier ist der<br />

zentrale Begriff von Demokratie das kulturell geprägte Volk in seiner toleranten aber selbstgewissen<br />

Beziehung zu den Nachbarvölkern. Der Verfasser der ersten Volkssoziologie Boehm schrieb: „Denn<br />

ein Volk, das sich zu keiner Selbsteinschätzung aufrafft, unterliegt dem verallgemeinernden Urteil<br />

seiner Umwelt.“ Womöglich ging es den Volklichen ursprünglich und abgesehen von radikalen<br />

Tendenzen, vor denen niemand gefeit ist – auch nicht sogenannte „Demokraten“ –, lediglich um die<br />

gelebte Praxis einer solchen Haltung.<br />

Vor allem in Anbetracht dessen, daß das Grundgesetz unter dem Eindruck der deutschen<br />

Katastrophe von 1945 explizit von der Gesamtheit des deutschen Volkes ausging und in seiner<br />

Präambel ausdrücklich vom „Deutschen Volk“ spricht, sind volkliche und kulturelle<br />

Gemeinschaftswerte einer modernen Gesellschaft Bestandteil moderner Politik. Eine unrechtmäßig<br />

zum Zwecke der Ausgrenzung solchen Denkens als “völkisch“ geschaffene „Wertegemeinschaft“ zur<br />

Definition von „Verfassungsfeinden“ ist nach Artikel 79 Absatz 1 des Grundgesetzes selbst als<br />

verfassungsfeindlich einzustufen. Denn hier heißt es, daß das Grundgesetz nur durch ein Gesetz<br />

geändert werden kann, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert. Und in diesem<br />

Wortlaut steht nun einmal „Volk“. Wer gegen das Volk handelt, handelt im eigentlichen Sinne<br />

„verfassungswidrig“, weil er das Grundgesetz ohne die Veränderung des Wortlautes oder ohne die<br />

Streichung von „Volk“ aus persönlichen Motiven umdefiniert. Der freizulegende Kern des<br />

Grundgesetzes trägt also der unvoreingenommenen Auseinandersetzung mit volklichen Themen<br />

Rechnung. Also: Erst lesen und denken, dann urteilen!<br />

355


Nicht radikal genug<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 27. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Vor 30 Jahren im „Deutschen Herbst“ hielt die RAF Deutschland auf Trab. Die Rote Armee Fraktion<br />

(RAF) war eine politische Terrorgruppe, die in den 70er Jahren die sozialistischen Postulate der ´68er<br />

überernst interpretierten und den bewaffneten Kampf gegen das Großkapital und die BRD antraten.<br />

Mit der Entführung der „Landshut“ und dem Mord an dem damaligen Arbeitgeberpräsidenten<br />

Hanns-Martin Schleyer erreichte der linke Terror seinen Höhepunkt. Heute geht von Deutschen keine<br />

terroristische Gefahr mehr aus. Die deutsche Jugend ist nicht mehr bereit, ihre politischen Ziele,<br />

wenn sie denn überhaupt welche hat, mit aller Gewalt durchzusetzen. Deutschland hat kein Problem<br />

mit Rechtsextremismus und kein Problem mit Linksextremismus. Das Problem ist, daß die Jugend<br />

nicht mehr mit dem Kopf durch die Wand will.<br />

Es gibt zu wenig Rechtsextremismus und zu wenig Linksextremismus. Die Auswüchse einer vitalen<br />

Jugend sind immer extrem. In Deutschland fehlt die Vitalität, die dafür sorgt, daß langfristig<br />

tiefgreifende Reformen angekurbelt werden und die Gesellschaft durch die extremen Auswüchse<br />

politischer Jugendbewegungen auf ihre Festigkeit hin geprüft wird.<br />

Mangel an Vitalität<br />

Botho Strauß schreibt im „Anschwellenden Bocksgesang“: „Sicher ist, dieses Gebilde braucht immer<br />

wieder, wie ein physischer Organismus, den inneren und äußeren Druck von Gefahren, Risiken, sogar<br />

eine Periode von ernsthafter Schwächung, um seine Kräfte neu zu sammeln.“ Es ist etwas faul im<br />

Staate Deutschland, wenn die Jugend nicht mehr willens ist, diesen gefahrenvollen Druck<br />

aufzubauen, die Alten aus ihren Sesseln zu rütteln und mit oder ohne Gewalt der Gesellschaft ins<br />

Bewußtsein zu hämmern, daß morgen ein anderes – ein besseres, vitaleres und jüngeres –<br />

Deutschland der Welt seinen Stempel aufdrücken wird.<br />

Neben quantitativer Masse fehlen der heutigen jungen Generation ein Erweckungserlebnis, eine<br />

Initiation, ein erschossener Benno Ohnesorg und eine fanatische Ulrike Meinhof. Zudem ist für die<br />

Jugend von heute nirgends ein klar umrissener Feind sichtbar. Der Vater taugt nicht als Feind, das<br />

Großkapital nicht und die zahlenmäßig in manchen Großstädten schon überlegenen Ausländer, die<br />

den Deutschen ihr Revier streitig machen, werden nicht als Feinde wahrgenommen.<br />

Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht länger geschieht. (Ulrike<br />

Meinhof, 1968)<br />

Die Jugend, die ihre rechtmäßige Narrenfreiheit politisch nutzt und dabei gelegentlich über das Ziel<br />

hinausschießt, ist verschwunden. Statt dessen terrorisiert eine omnipräsente Jugendlichkeit die Welt.<br />

356


Der Umgang mit der RAF<br />

Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />

Sonntag, den 30. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Nach der öffentlichen Diskussion über die Entlassung von Brigitte Mohnhaupt und das Gnadengesuch<br />

von Christian Klar – dem letzten inhaftierten RAF-Gefangenen – hat sich nun, pünktlich zum 30.<br />

Jahrestag des „Deutschen Herbstes“, der Journalist Stefan Aust mit einer Serie im „Spiegel“ und einer<br />

Fernsehdokumentation zu Wort gemeldet. Aber wer beschäftigt sich mit der RAF eigentlich im<br />

Detail? Der Flut von Zeitungsartikeln, Berichten der damals Beteiligten und Darstellungen von<br />

Journalisten wie etwa Aust steht eine erstaunlich geringe Zahl an wissenschaftlichen<br />

Veröffentlichungen gegenüber. Zwar gibt es in fast jedem Überblickswerk über die Geschichte der<br />

Bundesrepublik ein RAF-Kapitel, doch im Hinblick auf Einzeluntersuchungen steht Tobias Wunschiks<br />

Analyse der sogenannten zweiten Generation der RAF noch relativ alleine da.<br />

Besonders aufschlußreich ist das Fehlen von Arbeiten über Ursachen und Hintergründe: der sozialen<br />

Herkunft der RAF-Mitglieder auf der einen, der politischen Kultur, in der die RAF auf Sympathie<br />

stoßen konnte, auf der anderen Seite. In den Darstellungen beschränkt man sich statt dessen auf<br />

Psychogramme der Anführer, auf den Vorwurf von der Überreaktion des Staates oder auf Legenden<br />

wie die von der „Isolationsfolter“ und dem „staatlich angeordneten Mord“ an den inhaftierten<br />

Terroristen.<br />

„RAF – Das war noch Terrorismus gegen Leute, die Schuld hatten.“<br />

Der Schlüssel zur Erklärung für diesen Umgang mit der Geschichte der RAF liegt möglicherweise in<br />

dem Satz eines deutschen Kabarettisten: „RAF – Das war noch Terrorismus gegen Leute, die Schuld<br />

hatten.“ Wenn die RAF auch nur eine relativ kleine Zahl von direkten Unterstützern hatte (man<br />

nimmt an, daß es etwa 2.000 gewesen sind), so stand ihr der Großteil der radikalen Linken zumindest<br />

mit einer gewissen Sympathie gegenüber. Dafür spricht unter anderem die Verstrickung der RAF mit<br />

der `68er-Bewegung. Die war weniger personell – Baader, Meinhof und Mahler waren selbst keine<br />

typischen `68er – aber es gab doch eine gewisse inhaltliche Affinität, die sich vor allem in der<br />

gemeinsamen Klassenkampf-Ideologie und dem permanenten Faschismusvorwurf an die<br />

Bundesrepublik äußerte. Die RAF machte im Gegensatz zur APO eben Ernst mit deren Anliegen und<br />

setzte die revolutionäre Tat an die Stelle des ewigen Geredes von der Revolution.<br />

Terroristen oder fehlgeleitete Idealisten<br />

Bei den Linksradikalen überwog die klammheimliche Freude über die Mordanschläge der RAF, wie es<br />

in einem anonymen „Nachruf“ auf den im April 1977 ermordeten Generalbundesanwalt Buback hieß.<br />

Immerhin dokumentierten 44 Hochschullehrer und vier Rechtsanwälte dieses Pamphlet im Namen<br />

der Meinungsfreiheit. Bei den `68ern schließlich wurde den Gewalttätern ein diffus-seifiges<br />

Verständnis entgegengebracht, was auch für Jean-Paul Sartre gilt, der Baader im Gefängnis besuchte<br />

und sich beeindruckt zeigte. Heinrich Böll wiederum hielt die Terroristen im Grunde für fehlgeleitete<br />

Idealisten.<br />

Die RAF war also wohl so etwas wie das schlechte Gewissen der APO. Deshalb verschwindet sie trotz<br />

der vielfachen Forderung nach einem Schlußstrich nicht aus der öffentlichen Debatte, und deshalb<br />

vermißt man häufig eine klare Verurteilung der RAF. Dennoch hatte Helmut Schmidt vollkommen<br />

recht, als er während der Schleyer-Entführung in einer öffentlichen Ansprache die Terroristen darauf<br />

hinwies, daß die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung gegen sie stehe. Und das gilt mit<br />

Sicherheit auch heute noch.<br />

357


Ein Schock: Grüne Nazis?<br />

Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />

Sonntag, den 30. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Historikerzunft ist entsetzt. Frank Uekötter, Historiker am Forschungsinstitut des Deutschen<br />

Museums München, hat nach jahrelangen Recherchen in Archiven und Repositorien zweifelsfrei ein<br />

besonders dunkles Kapitel unserer Nazivergangenheit aufgedeckt. Der Forschungsbefund könnte<br />

eindeutiger nicht sein: Die Nazis haben die Umwelt geschützt! Kein deutscher Staat seit dem Dritten<br />

Reich und keine deutsche Regierung seit Adolf Hitler haben soviel für Naturschutz und Umweltschutz<br />

getan.<br />

Die schockierenden Erkenntnisse, die sicher nicht ohne Rückwirkungen auf den politischen Diskurs<br />

unseres Landes bleiben werden, sind nachzulesen in der Fachzeitschrift German Studies Review<br />

30/2/Mai20<strong>07</strong>. Nicht nur der Staat hat sich für die Anliegen der damaligen Naturschützer stark<br />

gemacht. Es war sogar die SS und Reichsführer SS Heinrich Himmler persönlich, der den Anliegen der<br />

Umweltschützer höchste Priorität beimaß und ihre Interessen gegenüber der Industrie gnadenlos<br />

und äußerst brutal vertrat. So hatte damals der Leiter der Reichsstelle für Naturschutz, Hans Klose,<br />

geäußert: „Wenn es einen Weg zum Erfolg gibt, dann nur durch die SS.“<br />

Waren die geistigen Großväter der GRÜNEN Nationalsozialisten?<br />

Die Akten beweisen, daß Umweltschutz nicht nur das Steckenpferd einiger, verbohrter Nazis war,<br />

sondern daß breite Schichten der Bevölkerung das Nazi-Regime in dieser Politik unterstützten. Es<br />

darf auch nicht verschwiegen werden, daß sich sogar Intellektuelle und Christen in diesen dunklen<br />

Jahren aktiv daran beteiligten. Doch nach dem Krieg bevorzugten die Tausenden Mittäter, über ihre<br />

Taten zu schweigen und hüllten dieses schreckliche Kapitel für Jahrzehnte in tiefes Schweigen.<br />

Wie konnte es geschehen, daß in einem kulturell so hochstehenden Land wie Deutschland der<br />

Umweltschutz so eklatant und gnadenlos betrieben wurde? Noch bis kurz vor Kriegsende ließen die<br />

SS-Schergen nicht locker, sich für Naturschutzgebiete einzusetzen, und daß, obwohl jedem<br />

vernünftigen Menschen doch längst offensichtlich war, daß der Krieg verloren war.<br />

Aufgedeckt: Breite Schichten der NS-Bevölkerung betrieben<br />

Umweltschutz.<br />

Es wäre zu bequem, sich aus der Verantwortung zu stehlen, denn die historischen Fakten, die jetzt<br />

erst zu Tage gekommen sind, sprechen eine eindeutige Sprache. Nicht nur einzelne, brutalisierte<br />

Nazi-Fanatiker, sondern Hunderttausende Deutsche waren direkt in den Umweltschutz involviert.<br />

Wer es sehen wollte, konnte es sehen: bei abendlichen Spaziergängen durch Naturparks, beim<br />

Spielen in Gartenanlagen, in den neuen Stadtparks – fast jede Gemeinde verfügte nun über<br />

Naturanlagen. An Sonntagen gingen die Deutschen in diesen Nazi-Parks spazieren, und anschließend<br />

gab es für die Täter Kaffee und Kuchen im Familienkreis. Der Zynismus der Täter war nicht mehr zu<br />

überbieten.<br />

Die Öffentlichkeit reagiert entsetzt. Über Jahrzehnte hinweg wurde dieses dunkle Kapitel der<br />

deutschen Geschichte beschwiegen, aus Scham über die eigene Mitschuld am Umweltschutz. Die<br />

Deutschen haben die moralische Pflicht gegenüber den Opfern des Umweltschutzes, dieses Kapitel<br />

unserer Geschichte vorbehaltlos und konsequent aufzuarbeiten. Die Deutschen haben die Pflicht zur<br />

Wiedergutmachung, nicht nur gegenüber den zahllosen Opfern, sondern auch um der selbst willen.<br />

Denn wer die Geschichte nicht kennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen.<br />

358


Die Bildungslüge: Eine Anklage staatlicher<br />

Phantasielosigkeit<br />

Geschrieben von: Michael Schulz<br />

Dienstag, den 02. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Wenn man internationalen Untersuchungen glaubt, bekommt man ein niederschmetterndes Bild des<br />

deutschen Bildungssystems. Es ist unterfinanziert, benachteiligt „Schüler mit Migrationshintergrund“,<br />

hat unmotivierte Lehrer und es fällt zuviel Unterricht aus. Das Ergebnis der Pisa-Studie hat die Politik<br />

zu inkompetenten Schnellschüssen verleitet. Die Ganztagsschuloffensive, Diskussionen über<br />

Vorschulen, Vergleichsarbeiten und das Zentralabitur sind die berühmtesten Beispiele. Gebracht hat<br />

es nichts. Die Politiker, die zum großen Teil schon seit Jahrzehnten aus der Schule raus sind haben<br />

keine Ahnung von dem heutigen Schulleben und den Problemen dort.<br />

Die auffälligste Neuerung ist, dass jetzt landauf landab Ganztagsschulen aus dem Boden gestampft<br />

werden oder normale Schulen in solche umgewandelt werden. Auch der Vorschlag, Vorschulen<br />

einzurichten oder das Bildungssystem dem französischem anzugleichen, zeugt davon, dass die<br />

Verantwortlichen denken: mehr Unterricht führt zu besseren PISA-Ergebnissen. Dabei übersehen sie<br />

allerdings einen sehr fundamentalen Punkt. Ein Schüler ist ein Mensch, keine Maschine. Die<br />

Konzentrationsfähigkeit eines Schülers nimmt nach einiger Zeit ab. Und zudem würde eine<br />

Ganztagsschule sämtliche Nachmittagsunternehmungen wie z.B. Sportverein oder Musikverein einen<br />

Riegel vorschieben. Die Auswirkungen davon kann sich jeder vorstellen. Zudem wird übersehen, dass<br />

Ganztagsunterricht bereits gang und gebe ist. Der Nachmittagsunterricht an Gymnasien ist so<br />

umfangreich, dass sich ein Schüler sehr veräppelt vorkommt, wenn gefordert wird, doch endlich eine<br />

Ganztagsschule einzuführen.<br />

Ein Leben in der Schule und für die Schule?<br />

Ein Gymnasiast, der 10 Stunden an einem Tag hat, kann unter Umständen erst gegen 18.00 nach<br />

Hause kommen. Wenn er Pech hat, muss er noch Hausaufgaben machen und eventuell kann sich das<br />

hinziehen. So ist er am Abend fertig, kann ein paar Brote essen und muss sich dann wieder in sein<br />

Zimmer verkrümeln, um für eine Arbeit, die bald ansteht, etwas zu lernen. So kann ein 14-jähriger<br />

Schüler auf einen 13 Stunden Arbeitstag kommen. Dass er nach 15 Uhr nachmittags Kopfschmerzen<br />

bekommt und beim besten Willen nicht mehr den Unterrichtsstoff verarbeiten und verstehen kann,<br />

wird ausgeklammert. Dass dabei keine Zeit für soziale Betätigung bleibt, für den Sportverein und den<br />

Musikverein, liegt auf der Hand.<br />

Das deutsche Schulsystem ist schlecht?<br />

Ein überforderter Schüler? Vor allem linke Politiker verteufeln das deutsche Bildungssystem. Sie<br />

wollen eine einheitliche Schule für alle und versprechen sich davon bessere Schulabschlüsse. Über<br />

alle Kulturgrenzen hinweg helfen die guten Schüler aufopferungsvoll den schwachen und den armen<br />

benachteiligten Migranten. Diese Vorstellung ist völlig weltfremd, es gibt nun einmal lernstärkere<br />

und lernschwächere Schüler. Wenn diese zusammen in einer Klasse sitzen, kann der Unterricht nur<br />

so schnell, wie das langsamste Glied ist, sein und folglich würde das Niveau extrem stark absinken<br />

und genau das Gegenteil des erhofften Effekts wäre der Fall. Das heutige System trennt gute,<br />

mittlere und schlechte Schüler, sodass jeder genau das Lerntempo wählen kann, was ihm am meisten<br />

zusagt. Ein Nebeneffekt ist, dass sich die Migranten hauptsächlich auf der Hauptschule wieder finden<br />

und sich dort gegen die bösen deutschen Streber vom Gymnasium verbünden. Der naive Politiker<br />

359


denkt sich, man könne jetzt die hauptsächlich deutschen Gymnasiasten dazu bringen, dass sie in<br />

einer Gemeinschaftsschule den schlechten Migranten aufopferungs- und liebevoll helfen.<br />

Jedoch hat ein guter Schüler erstens keine Zeit sich ständig um Mitschüler zu kümmern und zweitens<br />

sind die Migranten, die an Hauptschulen lernen, selten willig in der Schule weiterzukommen bzw.<br />

sich zu integrieren. Drittens kann auch die beste Hilfe aus einem schwachen keinen starken Schüler<br />

machen. Und viertens haben die meisten Gymnasiasten einen nicht wirklich großen Antrieb in einem<br />

solchen System sich so missbrauchen zu lassen.<br />

Das Mentalitätsproblem<br />

Wenn die Zustände an einer Schule schlimm sind, hängt das größtenteils mit den Schülern<br />

zusammen. Sind die Schüler motiviert und macht es ihnen Spaß, ist alles prima, wenn nicht, dann<br />

nicht. Dass der Ausländeranteil an Hauptschulen so hoch ist, hat viele Ursachen. Ein Punkt sind die<br />

häufig mangelnden Sprachkenntnisse, das ist aber kein Versäumnis des Staates, sondern der<br />

Ausländer selbst. Häufig wollen die Migranten gar nicht gut in der Schule sein, lieber hängen sie<br />

abends mit den Kumpels am Bahnhof rum und belästigt berufstätige Pendler.<br />

Dort muss der Staat die Daumenschrauben anlegen. Wer nicht lernwillig ist, muss richtig Ärger<br />

bekommen, egal ob es sich um deutsche oder ausländische Schüler handelt. Wer im Unterricht<br />

andauernd stört und sich völlig verweigert, muss gezwungen werden etwas zu machen. Wer sich<br />

nicht in die Gesellschaft einordnen will und als Berufswunsch Hartz 4 angibt, der schadet allen.<br />

Die Lösung<br />

Das deutsche Schulsystem lässt sich mit einfachen Methoden, die auch schon zum Teil erprobt<br />

worden sind, grundlegend verbessern:<br />

Viele Eltern sind heutzutage mit der Erziehung ihrer Kinder zu nachgiebig, erfüllen jeden Wunsch und<br />

lassen sie z.B. den ganzen Tag fern schauen. Dadurch gehen den Kindern viele wichtige Kompetenzen<br />

verloren, vom einfachen Erzählen bis hin zu Schuhe binden, sind viele Kinder überfordert. Eine<br />

Kindergartenpflicht würde dort helfen, sie würde die sozialen Kompetenzen der Kinder fördern.<br />

Zudem könnten Erzieherinnen (oder auch Erzieher) schon früh Defizite erkennen und die Eltern<br />

darauf ansprechen. Leider ist das Defizit bei manchen Kindern im Bereich Sprache/Verständnis oder<br />

auch in der Disziplin so groß, dass eine Vorklasse, sozusagen eine 0. Klasse diejenigen auf die Schule<br />

vorbereitet, die noch nicht schulreif sind.<br />

Im Grundschulalter werden häufig die Weichen für das spätere Leben gestellt, ob man Akademiker<br />

wird, ob man übergewichtig wird, ob man später kriminell wird. Hier ist es wichtig den Schülern die<br />

grundlegenden Werte der Gesellschaft zu vermitteln und sie auch durch mehr bzw. intensiveren<br />

Sportunterricht bei körperlicher Gesundheit zu halten. Zwei, drei Unterrichtsstunden pro Woche<br />

zusätzlich für solche Dinge hätten einen durchschlagenden Erfolg.<br />

Nach der Wahl der Sekundarschule fängt der spezialisierte Lernprozess an. Viele Schüler werden<br />

durch, in ihren Augen unnötigen, weltfremden Unterrichtstoff demotiviert, sie denken „Wozu muss<br />

ich das wissen?“ Hier sollte der Lehrplan auf den Inhalt überprüft werden und entsprechend<br />

überarbeitet werden. In diesem Zusammenhang sollte auch Kritik von Schülerseite an Lehrkräften<br />

ernst genommen werden.<br />

Wenn diese Punkte umgesetzt werden würden, hätte das deutsche Bildungssystem im<br />

internationalen Vergleich deutlich mehr zu lachen.<br />

360


Demokratie und Privatheit<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Dienstag, den 02. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Ansicht, daß Freiheit und Demokratie immer einher gehen und sich gegenseitig bedingen,<br />

zerbröckelt langsam. Am Beispiel des Eingriffs in die Privatsphäre zeigt Wolfgang Sofsky in<br />

„Verteidigung des Privaten“, wie demokratische Staaten die Freiheit der eigenen Bürger verletzen. In<br />

westeuropäischen Staaten und den USA wird insbesondere der Sicherheitssektor darauf<br />

ausgerichtet, alle Bürger überwachen zu können. Die Bestrebungen der Staaten gehen dahin, auch<br />

den virtuellen Raum, das Internet, sicher zu machen. Warum Demokratie und Schutz der Privatheit<br />

langfristig nicht zusammenpassen, analysiert Felix Menzel.<br />

„Dem entspricht, daß das Private unter ideologischem Verdacht steht. Unpolitische Bekenntnisse,<br />

Wahlabstinenz, Gleichgültigkeit gegenüber dem Machttheater, Verweigerung des Applaus – dies<br />

zählt als Verrat an der Demokratie.“<br />

Indem die Bürger den Staat durch Wahl legitimieren, entstehen auf beiden Seiten; auf der des<br />

Staates und auf der der Bürger; Erwartungen. Die Bürger erwarten vom Staat Sicherheit und<br />

Wohlstand und gehen stillschweigend davon aus, daß der Staat dies erfüllen kann, ohne ihnen<br />

individuelle Freiheitsrechte einzuschränken. Der Staat erwartet im Gegenzug die Anerkennung seines<br />

Gewaltmonopols und die Erfüllung der Steuerpflichten. Der Staat treibt Steuern ein, ohne eine<br />

direkte Gegenleistung zu erbringen.<br />

„Für die Elite ist die Beschränkung des Privaten ein Gebot des Überlebens.“<br />

Um die Erwartungen der Bürger erfüllen zu können, muß der Staat auf alles gefaßt sein. Es entwickelt<br />

sich eine gefährliche Aufladung in Form einer gegenseitigen Beobachtung. Der Staat beobachtet<br />

seine Bürger, damit diese in Sicherheit leben können, niemand aus der Gesellschaft heraus einen<br />

Umsturzversuch wagt und somit die Kompetenzen des Staates nie in Frage gestellt wird.<br />

„Auch Demokratien sind zu Hetzjagden und Schnüffelkampagnen imstande. Doch steht die politische<br />

Klasse selbst unter ständiger Beobachtung.“<br />

Im Falle eines aufmerksamkeitswirksamen, wenn auch nicht erfolgreichen, Schlages gegen den Staat<br />

besteht für die demokratisch gewählte Regierung die Gefahr einer Machtablösung aufgrund des<br />

Vorkommnisses und der kurzen Legislaturperioden. Die Bürger beäugen die Regierung kritisch, um zu<br />

prüfen, ob sie es wert ist, noch einmal das Vertrauen zu bekommen. Die gegenseitige Beobachtung<br />

führt zu Mißtrauen und Mißtrauen ist der Grund für härtere Sicherheitsmaßnahmen. In den letzten<br />

Jahren wurden diese immer subtiler und für viele, die überwacht werden, gar nicht mehr<br />

wahrnehmbar.<br />

„Demokratie heißt: Herrschaft einer politischen Elite im Namen des Volkes, manchmal für, manchmal<br />

gegen, aber immer über das Volk. Und jede Herrschaft hat die natürliche Neigung, die Observation<br />

der Untertanen auszudehnen. Das wird zeitweise durch den Rechtsstaat gezügelt, aber das Recht ist<br />

selbst nur ein Mittel der Macht.“<br />

Freiheit und Demokratie haben sich entzweit. Die demokratisch legitimierten Regierungen leiden<br />

unter der Abhängigkeit von der Masse. Zwangsläufig müssen sie eine Politik mit hoher Zeitpräferenz<br />

einer kontinuierlichen und nachhaltigen vorziehen. Herrscher und Beherrschte sind gleichermaßen<br />

einem System, der Struktur „Demokratie“ unterworfen. Deshalb kann der Einzelne kaum zur<br />

361


vollkommenen Entfaltung kommen. In Deutschland muß der Einzelne die Hälfte seiner Arbeitszeit für<br />

den Staat schuften, wenn er denn brav seine Steuern bezahlt.<br />

„Unter dem Vorwand, es sei doch nur zu ihrem Besten, mischt sich der moderne Staat in alles ein,<br />

und zwar auch gegen den ausdrücklichen Willen der Untertanen.“<br />

Die Lösung des Dilemmas der Demokratie liegt nicht in einer Neuauflage einer Despotie und auch<br />

nicht in einer anders gearteten Demokratie, etwa einem plebiszitären System. Die Frage nach einer<br />

Gesellschaftsordnung nach dem Zeitalter der Demokratie ist ungelöst. Was tritt nach dem nächsten<br />

großen politischen Erdbeben, welches die Welt in ihren Grundfesten erschüttert, an die Stelle der<br />

Demokratie? Die Stunde der Wahrheit wird es zeigen, vorbereitet auf diesen Augenblick ist allerdings<br />

niemand.<br />

362


Gentechnisch manipuliertes Essen? Nein Danke!<br />

Geschrieben von: Yasmin Lüttke<br />

Montag, den 08. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Dreiviertel aller Deutschen lehnen „Grüne Gentechnik“ ab, gar 90 % haben arge Bedenken<br />

gentechnisch veränderte Pflanzen zu verzehren. Der Widerstreit, der in der etablierten Politik<br />

entfacht ist, wird der eigentlichen Gefahr jedoch kaum gerecht. Viel zu oft ist die Positionierung<br />

gegen Gentechnik auf deutschen Feldern reiner Populismus, viel zu oft verfliegen gute Ansätze im<br />

Bürokratiewahnsinn.<br />

Alle Sicherheitsmaßnahmen, alle Kennzeichnungen der Produkte aus gentechnisch veränderten<br />

Pflanzen nutzen wenig, wenn der Einsatz von Gentechnik auf unseren Feldern nicht gänzlich<br />

verboten wird. Man muss sich der Gefahr bewusst werden: Jede gepanschte Pflanze, die ausgesetzt<br />

wird, ist nicht isoliert. Alleine durch Pollenflug und Insekten wird man mit der Gefahr konfrontiert,<br />

dass sich Erbmaterial weiter verbreitet. Somit gibt es keine dauerhafte Koexistenz zwischen<br />

manipulierten und nicht-manipulierten Pflanzen. Auch die Entscheidungsfreiheit beim Einkaufen wird<br />

uns als Verbrauchern genommen. Und das ist eigentlich der Hauptpunkt, den man in Politik und<br />

Medien gern heranzieht. Der Verbraucher könne doch weiterhin selbst entscheiden. Paradox an den<br />

ganzen Machenschaften ist die Tatsache, dass niemand für die möglichen Schäden der gentechnisch<br />

veränderten Pflanzen aufkommen will – nicht die Versicherung, nicht der Bauer und schon gar nicht<br />

der internationale Großkonzern.<br />

Schon gehört? BIO-Produkte halten nicht das, was sie versprechen. Die Stiftung Warentest hat<br />

herausgefunden, daß viele BIO-Produkte sogar noch schlechter sind als normale.<br />

Wer denkt, dass durch Gentechnik die Ernährungsprobleme der Erde gelöst werden, der irrt gewaltig.<br />

Veränderte Pflanzen können patentiert werden. Und genau da liegt der Knackpunkt. Ein<br />

internationaler Großkonzern erwirbt das Patent auf eine Sorte und die Bauern wiederum sind<br />

gezwungen Saatgut bei diesem einen Konzern zu kaufen. Dem Patentinhaber öffnen sich riesige<br />

Möglichkeiten der Marktbeherrschung. Der Auf deutschen Feldern geht es längst nicht mehr idyllisch<br />

zu.Bauernstand gerät in eine Abhängigkeit vom Lieferanten seines Saatgutes, denn die Pflanzen sind<br />

steril, produzieren also selbst keine nutzbaren Samen mehr. Die Patente können sich nur große<br />

Konzerne leisten, mittelständische Unternehmen haben auf kurz oder lang keine Existenzmöglichkeit<br />

mehr. Was auf deutschen Feldern angebaut wird, bestimmen dann nur noch Großkonzerne – was auf<br />

der ganzen Welt angebaut wird, bestimmen nur noch Großkonzerne. Und dass sie sich nicht nach<br />

den Bedürfnissen der Armen und Hungernden richten, sondern ausschließlich nach dem erzielbaren<br />

Gewinn, liegt auf der Hand.<br />

Bei der Gentechnik wird über Artgrenzen hinweg Erbgut ausgetauscht und verändert. Im Endeffekt<br />

bedeutet dies, dass der Tomatensalat bald mit Ratten-Genen „aufgepeppt“ sein kann. Da wünschen<br />

wir: Guten Appetit! Und wie „isoliert“ diese Pflanzensorte wäre, wurde eben geschildert. Wem das<br />

alles egal ist, der ist Wegbegleiter der großkapitalistischen Marktbeherrschung, der verrät die Heimat<br />

und die unzähligen Bauern, die seit Jahrtausenden die Lebensgrundlage unseres Volkes darstellen.<br />

Und erst dann, wenn die Preise ins Unermessliche steigen und die Qualität ins Bodenlose sinkt, wird<br />

der Dumme von heute aufwachen, machtlos in seiner Dekadenz versinken<br />

363


Pazifismus der Gedanken ODER die Schwäche des Geistes<br />

der heutigen Jugend<br />

Geschrieben von: Tim Erhardt<br />

Mittwoch, den 10. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Jugend eines Landes war seit jeher Ausgangspunkt innovativer Ideen, manchmal sogar solcher,<br />

die zu einem sozialen oder politischen Umbruch führten. Doch um solche Gedanken reifen zu lassen,<br />

waren schon immer Werte und Ideale von Nöten, die die Jugend beflügeln und antreiben konnten. Es<br />

waren Dinge wie Stolz, Ehre und Selbstbewusstsein, die sie dazu trieben, die Anstrengungen auf sich<br />

zu nehmen, den Versuch zu wagen und ihre Ziele zu erreichen. Doch leider muss man sagen, dass<br />

vieles davon der Geschichte angehört, in der man diese Bestrebungen finden kann.<br />

Die Moderne hat diese Art Engagement fast völlig ausgelöscht. Die heutige Zeit hat mit ihrer<br />

Rundumversorgung mit Konsumgütern, die keine Wünsche offen lassen, sowie Dumm- und Faulheit<br />

propagierenden Medien, die eine Illusion totaler Befriedigung und idealer Lebensumstände schaffen,<br />

der Jugend jeglichen Anlass und alle Motivation zum selbständigen Denken genommen. Wozu auch?<br />

Man lebt gut, es ist eine heile Welt!<br />

Was soll man denn verändern? Und selbst wenn Missstände auffallen, warum sollte man versuchen<br />

dagegen vorzugehen. Eine Gleichgültigkeit schlimmster Form hat sich in vielen Köpfen verbreitet.<br />

Und diese Gleichgültigkeit ist es, die den Pazifismus der Gedanken heraufbeschwört. Wer für nichts<br />

eintritt, kann auch nicht dafür kämpfen, und will es auch nicht. Und dieser nicht vorhandene Wille ist<br />

es, der zu der Annahme führt, das auch das höchste zu verteidigende Gut des menschlichen Geistes,<br />

die eigenen Gedanken und Ideen, der schwächlichen Überzeugung des Pazifismus anheim gefallen<br />

sind. Denn ist es nicht wichtig, für die eigenen Ideale einzutreten? Die eigene Anschauung zu<br />

entwickeln und zu fördern? Andere von seinen Vorstellungen zu überzeugen? Doch um dies zu<br />

erreichen ist Kampf notwendig.<br />

Wer will heute noch die Welt verändern - und zwar richtig?<br />

Kein offener Straßenkampf, mit Fäusten oder Waffen, nein, gemeint ist der Kampf des Geistes, eben<br />

jener Kampf, der um die Köpfe der Menschen geführt wird. Der Kampf um Ideale, Werte und Ideen,<br />

nicht um die bloße Zustimmung zu stumpfer Politik. Es ist mehr als Politik. Doch gerade dieser Kampf<br />

wird heute zu selten gefochten – bedingt durch den Nichtwillen dazu, den geistigen Pazifismus.<br />

Und auch sollte sich mal ein Wille zeigen, wie beständig ist er? Ist es nicht meist so, das Ideen und<br />

Bestrebungen heute meist schon im Keim erstickt werden? Das ist es, was mit Schwäche des Geistes<br />

gemeint ist: die Unfähigkeit, seine eigenen Vorstellungen gegenüber anderen zu bewahren und zu<br />

erhalten, sich seine Gedanken nicht verbieten zu lassen und die eigene Meinung frei und ohne Scham<br />

nach außen zu tragen, auch wenn es mögliche Konsequenzen zur Folge haben könnte. Denn wären<br />

die Denker früherer Zeiten unter dem Druck anderer und deren Propaganda zusammengeknickt,<br />

dann wäre vieles, was erreicht wurde, wohl nie Realität geworden. Diese Überlegungen über Druck<br />

und Zwang als auch der Nichtwille führen uns nun wieder zum Ausgang zurück. Wir können all dies<br />

bei den Jugendlichen von heute nachweisen.<br />

Konsum, Konsum und noch einmal Konsum. Die Einstellung hat eine Null-<br />

Bock-Mentalität hervorgebracht.<br />

Der Nichtwille wird geschürt durch die „Scheiß-Egal-Stimmung“, die durch Konsumgesellschaft und<br />

abstumpfenden, nicht produktivitätsfördernden, ja gerade zu verdummenden und<br />

364


kulturschädigenden Unterhaltungsangebote der modernen Zeit hervorgerufen wird. Die Schwäche<br />

äußert sich in Ängsten und Befürchtungen, sich bei manchen Menschen unbeliebt zu machen durch<br />

seine Äußerungen und deshalb an Popularität zu verlieren. Wenn es nicht gerade dazu dient, ihr<br />

Ansehen in der Allgemeinheit zu steigern, ergeben sich Jugendliche in Wohlgefallen und suchen<br />

keine Herausforderungen mehr.<br />

Die Dekadenz hat ihre Kämpfernatur begraben, die Angst ihren Willen zersetzt. Es gibt nur noch eine<br />

Minderheit, die noch daran glaubt, etwas bewegen zu müssen und zu können. Damit bleibt ein Rest<br />

Hoffnung, das diese Minderheit überzeugen kann, und den Schneid hat, die Augen auf zu machen<br />

und den Geist aus der weinerlichen Schwäche zu heben und ihn zu entwickeln, damit wieder Großes<br />

von der jungen Generation ausgehen kann.<br />

365


Zum 90. Todestag von Walter Flex<br />

Geschrieben von: Simon Meyer<br />

Mittwoch, den 10. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Am 16. Oktober 20<strong>07</strong> jährt sich nun der Todestag des Schriftstellers zum neunzigsten Male. Grund<br />

genug, Rückschau zu halten auf das Leben und Wirken eines Mannes, der eine der bedeutendsten<br />

literarischen Schöpfungen über den Ersten Weltkrieg hinterlassen hat. In keinem anderen Werk von<br />

Rang spiegelt sich die Geisteshaltung der kriegsfreiwilligen jungen Intellektuellen von 1914 in<br />

gleichem Maße wieder wie in den Gedichten und Erzählungen von Walter Flex.<br />

Flex erblickt am 6. Juli 1887 im thüringischen Eisenach – im Schatten der Wartburg – das Licht der<br />

Welt. Der Schatten der Wartburg wird ihn und sein Werk prägen. Neben einem glühenden<br />

Patriotismus ist die Gewißheit des sinnhaften Eingebundenseins in die göttliche Schöpfungs- und<br />

Heilsordnung zentral für die Werke des Autors.<br />

Bereits als Schüler waren die Anlagen zum Dichter, zum jugendlichen<br />

Kampfgeist und patriotischen Idealismus bei Flex ausgebildet.<br />

Schon während seiner Schulzeit am Eisenacher Karl-Friedrich Gymnasium verfaßt Flex eine Reihe von<br />

Gedichten und versucht sich auch an einigen Dramen, die teilweise an seinem Gymnasium aufgeführt<br />

werden. Unmittelbar nach bestandenem Abitur immatrikuliert er sich für das Sommersemester 1906<br />

an der Universität Erlangen, um dort und später auch in Straßburg Germanistik und Geschichte zu<br />

studieren. Die während der Studienzeit verfaßten Werke werden erstmals veröffentlicht. Das Drama<br />

„Demetrius“ wird 1909 im Eisenacher Stadttheater aufgeführt.<br />

Nach seiner Promotion in Erlangen mit dem Titel „Die Entwicklung des tragischen Problems in den<br />

deutschen Demetriusdramen von Schiller bis auf die Gegenwart“ ist Flex zunächst als Hauslehrer bei<br />

der Familie Bismarck tätig. Hier beginnt er unter dem Titel „Zwölf Bismarcks“ eine Sammlung von<br />

Novellen, die historische Ereignisse zum Anknüpfungspunkt für Erzählungen über verschiedene<br />

Mitglieder der Familie Bismarck wählt, welche 1913 erstmals publiziert wird.<br />

Seine Tätigkeit als Hauslehrer, zuletzt bei der Familie des Freiherrn von Leesen, wird jäh<br />

unterbrochen durch die Schüsse von Sarajevo, die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien<br />

und den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Flex, bislang ungedient, meldet sich freiwillig und tritt in<br />

das 3. Niederschlesische Infanterie-Regiment Nr. 50 ein. Das Regiment liegt in Lothringen, wo Flex bis<br />

zum Frühjahr 1915 zunächst als Musketier, sodann als Gefreiter, die Stellungskämpfe durchlebt.<br />

Persönlicher Drang nach dichterischer Selbstverwirklichung und Einsatz<br />

für die Gemeinschaft<br />

Flex macht sich rasch einen Namen durch zahlreiche Gedichte, vor allem durch Kriegsgedichte. Die<br />

publizierte Lyrik, anfangs einzeln in Zeitschriften, sodann zuerst unter dem Titel „Volk in Eisen“ kurze<br />

Zeit später als erweiterte Sammlung „Sonne und Schild“ veröffentlich, erweckt auch Wohlwollen an<br />

höherer Stelle. Flex erhält noch als Gefreiter in Lothringen als Auszeichnung seiner Lyrik den Roten<br />

Adlerorden mit der Krone verliehen.<br />

Seinen eigentlichen Ruhm als Schriftsteller begründet aber seine Erzählung „Der Wanderer zwischen<br />

beiden Welten“. Neben Jüngers „Stahlgewittern“ und Remarques „Im Westen nichts Neues“ stellt<br />

diese Erzählung die bekannteste literarische Verarbeitung der eigenen Fronterlebnisse des Ersten<br />

Weltkrieges dar. Anders als die vorgenannten wird die Erzählung noch während des Krieges<br />

veröffentlicht wird und macht Flex in weiten Kreisen einen Namen als Schriftsteller. Die Erzählung<br />

366


erschien in zwei Jahren in neununddreißig Auflagen. Bis zum Erscheinen einer Werkausgabe waren<br />

über 250.000 Exemplare verkauft.<br />

Flex steht, im Anschluß an die im Wanderer geschilderte Zeit bis zum Sommer 1917 im Stellungskrieg<br />

an der Ostfront. Er findet Gelegenheit, ein weiteres Drama zu verfassen, bevor er im Juli 1917 nach<br />

Berlin kommandiert wird, um dort an der Abfassung eines kriegsgeschichtlichen Werkes beim<br />

Großen Generalstab mitzuwirken. Ende August 1917, ist er wieder bei seinem Regiment und nimmt<br />

an der Offensive in Kurland teil.<br />

Flex ist einer der 23.000 Männer, die am 11. Oktober 1917 als Soldaten der 42. Reservedivision und<br />

einer Radfahrerbrigade unter General von Kathen vom Libauer Hafen aus unter dem Schutz der<br />

Kaiserlichen Hochseeflotte mit Kurs auf die Baltischen Inseln in See stechen. Einen Tag später landet<br />

er mit einem Großteil der Truppen auf der Insel Ösel. Die Kämpfe zu Lande und zu Wasser sind<br />

nochmals hart, der russische Widerstand ist aber innerhalb von weniger als zwei Wochen gebrochen.<br />

Die Niederlage kennzeichnet auch das Ende des organisierten Kampfes der russischen Armee. Diese<br />

zerfällt im Chaos der Revolution.<br />

Die Ereignisse um den Tod von Walter Flex sind in einer Reihe von brieflichen Mitteilungen detailliert<br />

erhalten. Auf dem Gutshof Peudehof hatte sich eine größere Anzahl Russen samt Bagagewagen<br />

gestaut. Bei dem Versuch der von Leutnant Flex geführten Kompanie, diese Truppen gefangen<br />

zunehmen, fallen vereinzelte Schüsse. Eine Kugel trifft Leutnant Flex, die ihm den Zeigefinger der<br />

rechten Hand abreißt und in den Unterleib eindringt. Unmittelbar nach der Verwundung, strecken<br />

die russischen Soldaten die Waffen.<br />

In dem ebenfalls in deutsche Hände gefallenen Feldlazarett befanden deutsche und russische<br />

Militärärzte eine Operation aufgrund des starken Blutverlustes für ausgeschlossen. Flex diktiert<br />

seinem Burschen noch folgende Zeilen an seine Eltern „Liebe Eltern! Diese Karte diktiere ich, weil ich<br />

am Zeigefinger der rechten Hand leicht verwundet bin. Sonst geht es mir sehr gut. Habt keinerlei<br />

Sorge. Viele herzliche Grüße! Euer Walter.“<br />

Danach verlassen ihn zunehmend die Kräfte. Den letzten Besuch erhält Flex am Vormittag des Tages<br />

nach seiner Verwundung durch den Divisionspfarrer von Lutzki. Am frühen Nachmittag des 16.<br />

Oktober 1917 stirbt Walter Flex. Die Beisetzung findet auf dem Dorffriedhof von Peude statt. Da das<br />

Regiment am Abend vorher einen neuen Marschbefehl erhielt, konnte nicht wie ursprünglich<br />

beabsichtigt, das gesamte Regiment an der Bestattung teilnehmen. Nur neun Soldaten seiner<br />

Kompanie nebst einigen Militärärzten waren zugegen.<br />

367


Im Gespräch: Henryk M. Broder<br />

Geschrieben von: BN-Redaktion<br />

Mittwoch, den 10. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der jüngst mit dem Ludwig-Börne-Preis 20<strong>07</strong> ausgezeichnete Journalist und Buchautor, Henryk M.<br />

Broder, übt immer wieder heftige Kritik am Islam und dem Umgang der westlichen Welt mit ihm.<br />

Broder schreibt hauptsächlich für den Spiegel und beteiligt sich an dem bekannten Weblog „Die<br />

Achse des Guten“. Im Gespräch mit blauenarzisse.de nimmt er Stellung zu den Wesenszügen des<br />

Islams, zu Konvertiten, die im Islam eine neue Heimat suchen, und zur Gefahr der Islamisierung<br />

Europas.<br />

<strong>Blaue</strong>narzisse.de: Was macht den Islam so attraktiv für Konvertiten?<br />

Broder: Ich glaube, dass nach dem Zusammenbruch des Sozialismus eine Art von Vakuum entstanden<br />

ist. Die einen haben keine Mündel mehr, die sie beschützen können. Die Linke braucht also neue<br />

Objekte, um die sie sich kümmern kann. Andere, leicht ich-schwache und verunsicherte Menschen<br />

haben einen festen Boden gefunden. Die Idee des Sozialismus, der Gleichheit, der gerechten<br />

Gesellschaft, das ist ja alles weitgehend dahin. Nun kommt eine neue Ideologie daher, diesmal eine<br />

Religion, und bietet den Menschen einen festen Halt. Man muss wenig dafür tun, praktisch nur 5<br />

Gebote erfüllen, und schon ist man aufgehoben. Das eigene Leben ist geregelt, und man ist Teil einer<br />

großen Gemeinschaft. Ich glaube, dass kommt vielen sehr attraktiv vor.<br />

Aber nun sind viele der Konvertiten Westdeutsche, nicht Ostdeutsche, die direkt vom Zusammenbruch<br />

des Sozialismus betroffen sind.<br />

Das bestätigt ja nur, was ich sage. Ich glaube, dass die Westdeutschen immer ein Bedürfnis hatten<br />

nach irgendeiner Art von leitender Hand, die ihnen vom Staat oder von der Gesellschaft nicht<br />

geboten wurde, während die Ostdeutsche ein Übermaß davon immer genossen hatten und<br />

vermutlich glücklich waren, als diese Art von Bevormundung vorbei war. Gucken Sie sich mal die<br />

Zusammensetzung der PDS-Fraktion im Bundestag an: da gibt es inzwischen mehr Westdeutsche als<br />

Ostdeutsche, und vor allem die Wortführer der Fraktion, von Gysi einmal abgesehen, sind alles<br />

Westdeutsche. Das ist eine ganze Rentnertruppe: die ehemalige Chefredakteurin des Hessischen<br />

Rundfunks ist dabei, ein pensionierter Völkerrechtler aus Hamburg und noch einige andere Leute, die<br />

endlich die Bestimmung ihres Lebens gefunden haben, die ihnen in der Bundesrepublik nicht geboten<br />

wurde. Also, ich glaube in der Tat, dass dieses Vakuum, dass durch den Zusammenbruch des<br />

Sozialismus entstanden ist, für die Westdeutschen eine viel größere Katastrophe bedeutet hat als für<br />

die Ostdeutschen, die eher von der Entwicklung geheilt wurden sind, bis auf einen gewissen<br />

Prozentsatz von Leuten, die sich heute in Ostalgie träumen.<br />

Was meinen Sie, warum junge, entfremdete Türken in unseren Städten eher zu Islamisten als zu<br />

türkischen Nationalisten werden?<br />

Ja, das ist eine gute Frage, auf die habe ich keine gute Antwort. Auf die hat keiner eine gute Antwort.<br />

Wir stehen vor einem absolut rätselhaften Phänomen, warum die Kinder und Enkel der Einwanderer<br />

sich schwerer tun mit der Gesellschaft als ihre Eltern und Großeltern. Das ist ein absolut neues<br />

Phänomen in der Geschichte der Migration, und ich glaube, dass alle Erklärungen, die wir versuchen,<br />

nur Annäherungen sind und nicht das Problem selbst treffen. Ich kann darüber auch nur spekulieren,<br />

ich habe keine wirkliche Ahnung. Ich glaube nur, dass es vermutlich mit den Familien<br />

zusammenhängt, und dass irgendwann die Kinder in diesen Familien merken, dass sie nicht mithalten<br />

368


können aufgrund der familiären Bedingungen und aufgrund der Umstände, in denen sie<br />

aufgewachsen sind. Für diese Art der Benachteiligung, die objektiv existiert, wollen sie dann die<br />

Gesellschaft schuldig machen, weil es völlig unmöglich ist in diesem Milieu, die Eltern dafür<br />

verantwortlich zu erklären, schuldig zu machen. Der Respekt gegenüber den Eltern hält sich die<br />

Waage mit dem Bedürfnis zu rebellieren. Die Rebellion müsste eigentlich wie bei uns alten Männern,<br />

die 1968 stattgefunden hat, die Rebellion gegen das eigene Elternhaus sein. Das ist vollkommen<br />

unmöglich. Also wird diese rebellische Wut auf die Gesellschaft umgeleitet. Ich gebe zu, dass ist eine<br />

Spekulation, aber sie erscheint mir nachvollziehbar.<br />

In einem Interview hat die amerikanische Konservative Marcia Pally die europäischen mit den<br />

amerikanischen Einwanderergesellschaften verglichen und kam zu dem Schluss, das es diese<br />

Entfremdung, diese Rebellion in Amerika in der dritten Generation nicht gibt. Das sei ein typisches<br />

europäisches Phänomen, so Marcia Pally.<br />

Ja, also zum einen ist Marcia Pally keine Konservative. Sie ist eigentlich eine ziemliche Linke, aber das<br />

macht nichts, in diesem Fall könnte sie trotzdem Recht haben. Das scheint in der Tat ein<br />

europäisches Phänomen zu sein. In Amerika ist es weitgehend unbekannt. Das kann damit<br />

zusammenhängen, dass die Amerikaner sich schon immer als eine Einwanderungsgesellschaft<br />

verstanden haben, während wir das erst vor ein paar Jahren zugegeben und eingesehen haben. Aber<br />

es gibt noch einen anderen Grund, und der ist vielleicht wichtiger: Die Leute, die nach Amerika<br />

kamen, kamen aus anderen Motiven. Sie kamen, weil sie ein besseres Leben suchten, und weil sie<br />

wussten, dass sie in eine bessere Gesellschaft kommen. Die Einwanderer, die zu uns kommen,<br />

suchen zwar auch ein besseres Leben, aber ich glaube nicht, dass sie davon überzeugt sind, dass sie<br />

in eine bessere Gesellschaft kommen. Wir haben es auch zum ersten Mal in der Geschichte der<br />

Migration mit dem Phänomen zu tun, dass die Einwanderer die Gesellschaften, in die sie kommen,<br />

verachten – als sittenlos, als unmoralisch, als schwach und nachgiebig. Und sich in solche<br />

Gesellschaften zu integrieren macht von deren Standpunkt aus in der Tat wenig Sinn.<br />

Es gibt unter Islamwissenschaftler Debatten über Islam und Demokratie, Islam und Menschenrechte.<br />

Das gängige Argument von meist konservativen Islamkritikern lautet, dass im Islam Gesetz und<br />

Glaube, Autorität und Religion miteinander verschmolzen werden, was den Islam per se demokratieuntauglich<br />

mache. Halten Sie das für ein logisches Argument?<br />

Das ist ein absolut logisches und nachvollziehbares Argument, das schon deswegen sehr plausibel ist,<br />

weil es praktisch kein einziges islamisches Land gibt, das demokratisch wäre. Es gibt nur Abstufungen<br />

autoritärer oder totalitärer Herrschaft, und natürlich sind die Verhältnisse in Marokko oder in<br />

Tunesien besser als in Libyen oder im Sudan, aber im Prinzip gibt es kein einziges islamisches Land,<br />

was man vom Westen aus betrachtet als eine funktionsfähige Demokratie bezeichnen könnte. Und<br />

was einfach für den Islam gilt - das ist unbestreitbar – es hat keine Säkularisierung stattgefunden. Es<br />

hat nie eine Trennung von Glaube und Politik, Glaube und Privatleben stattgefunden. Ich halte das<br />

für eine völlig richtige Feststellung. Es gibt demokratische Moslems, ich habe bei verschiedenen<br />

Anlässen Muslime kennen gelernt, deren demokratische Grundhaltung unbestreitbar ist und die sich<br />

auch eher in demokratische Verhältnisse integrieren können als, sagen wir, aufmüpfige<br />

westdeutsche Linksrevolutionäre, aber es gibt keinen demokratischen Islam, das ist schon richtig,<br />

und es wird keinen demokratischen Islam geben, solange im Islam keine Säkularisierung, keine<br />

Trennung von Glaube und Politik stattgefunden hat.<br />

Vielleicht kurz zum Moscheebau in Pankow-Heinersdorf: diese Moschee wird die erste sein in<br />

Ostberlin. Nach Umfragen sind über 90% der Bevölkerung gegen den Moscheebau. Trotz heftiger<br />

369


Widerstände und Proteste zieht die Stadtverwaltung das Moschee-Projekt durch. Nun beschweren<br />

sich viele, und gerade ältere Ostdeutsche, “Das ist ja wie zu DDR-Zeiten! Das ist ja wie im<br />

Kommunismus. Hier gibt es keine Meinungsfreiheit, wir dürfen unseren eigenen Willen nicht mehr<br />

durchsetzen. Der Staat zwingt uns Dinge auf, die wir nicht wollen.” Was würden Sie diesen Leuten<br />

antworten?<br />

Dass sie mit ihren Beschwerden 20 Jahre zu spät kommen, dass ich all das gerne von Ihnen gehört<br />

hätte, solange die DDR noch existierte.<br />

Zum Thema Political Correctness. Die Political Correctness ist ja ein vielen Leuten verhasstes Dogma,<br />

das im Privaten gern belächelt wird. Aber nun wird es ja trotzdem durchgesetzt. Wie wird das<br />

durchgesetzt? Wer setzt das Prinzip durch, oder wie funktioniert dieser Mechanismus, wenn nur sehr<br />

wenige Leute dieses Prinzip eigentlich mögen?<br />

Das halte ich für eine weitverbreitete, höchstbeliebte, öffentliche Täuschung. Es gibt keine Political<br />

Correctness in der Bundesrepublik. Es gibt nur Leute, die mit ihren Ansichten nicht durchkommen<br />

und dann erklären, aufgrund der herrschenden Political Correctness kämen sie nicht zum Zuge. Das<br />

ist eigentlich das Alibi der Loser und der Leute, die sich nicht durchsetzen können. Es gibt so etwas<br />

überhaupt nicht in der Bundesrepublik. Ich weiß auch gar nicht, auf welches Phänomen es sich<br />

bezieht, außer dass man vielleicht nicht “Saujude” oder “Scheißaraber” sagen kann, was ich<br />

vollkommen richtig finde, dass es Grenzen gibt im Umgang miteinander, aber es gibt keine Political<br />

Correctness, die es den Menschen verbieten würde, ihre politischen Ansichten frei zu äußern. Diese<br />

Haltung ist Selbstbetrug.<br />

Was meinen Sie dann zum Demonstrationsverbot in Brüssel?<br />

Das war die Aktion eines sozialdemokratischen Bürgermeisters, der sich bei seiner Klientel<br />

ranschmeißen wollte, was er auch erfolgreich geschafft hat. Dieser Bürgermeister hat zum Beispiel<br />

auch seine Polizisten angewiesen, zum Ramadan auf der Straße nicht trinken, nicht zu essen, nicht zu<br />

rauchen, um die Gefühle der Moslems nicht zu verletzen. Nun könnte man das als Political<br />

Correctness ansehen, das ist es aber nicht. Es ist der schlichte Opportunismus eines regierenden<br />

Sozialdemokraten.<br />

Nun gibt es Leute, die meinen, das wäre die zukünftige europäische Politik. Nun, da die mehrheitlich<br />

muslimischen Einwanderer sich nicht zu Deutschen oder zu Franzosen machen lassen, werden viele<br />

Einwanderer lieber zu Europäern, weil sie von der EU mehr zu erwarten haben als von den<br />

Nationalstaaten, und deshalb werde Brüssel zukünftig zu einem Instrument der Islamisierung. Was<br />

halten Sie von diesem Argument?<br />

Das halte ich für ein hysterisches Argument. Es ist überhaupt noch nicht entschieden, wohin die<br />

Entwicklung geht. Es gibt seltsame, seltsame Geschichten, die in Europa passieren, aber die Frage ist<br />

noch längst nicht entschieden, ob es ein islamisiertes Europa geben wird. Das kann passieren, ich<br />

halte das durchaus für eine Möglichkeit. Aber das ist nicht die einzige Option, die wir haben. Und was<br />

von Brüssel ausgeht, ist eigentlich die Despotie des Bürokratismus, und was die alten europäischen<br />

Länder bisher gelernt haben, ist, dass immer, wenn sie etwas nicht entscheiden wollen, sie sich<br />

hinter Brüssel verstecken können. Egal was es ist, ob es nun Klimaregelungen sind oder politische<br />

Regelungen oder was auch immer: Ich halte inzwischen diesen Europagedanken für eine reine<br />

Ausredestrategie für Leute, die keine Entscheidungen treffen wollen. Aber im Prinzip wird die Frage,<br />

ob es eine Islamisierung gibt oder nicht, vor Ort entschieden, also in den Kommunen und<br />

Gemeinden. Ich habe gestern irgendwo einen rührenden Beitrag gesehen über einen interreligiösen<br />

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Dialog, wo sich brave christliche Frauen mit muslimischen Frauen trafen. Der Anlass war nicht etwa,<br />

den Moslems Weihnachten beizubringen, sondern die Christen wollten mehr über den Ramadan<br />

lernen. So lange so etwas passiert, sehe ich die Gefahr einer Islamisierung, aber nicht durch die<br />

Entscheidungen einiger Bürokraten in Brüssel oder sonst wo in Europa.<br />

Was ist Ihre Meinung zu dem Netzforum “Politically Incorrect”. Kennen Sie das?<br />

Na sicher kenne ich das.<br />

Lesen Sie das manchmal, oder wie stehen Sie dazu?<br />

Ich lese es manchmal. Ich bin gelegentlich damit einverstanden, gelegentlich bin ich völlig auf der<br />

anderen Seite. Es ist mir völlig egal, was die machen. Es ist ein Angebot unter vielen.<br />

Diesen Leuten wird des öfteren Hysterie vorgeworfen.<br />

Das wird hier jedem vorgeworfen, der sich dazu äußert.<br />

Noch eine Frage zum Thema Dialog. Zum Beispiel “Politically Incorrect” kritisiert oft, dass in<br />

Deutschland viel zu viel Dialog betrieben wird. Unsere eigenen Meinungen und Vorstellungen<br />

kommen bei den Muslimen oft nicht an. Wir setzen nur auf Verständnis und Entgegenkommen.<br />

Meinen Sie, da ist etwas dran?<br />

Sicher. Es wird kein Dialog betrieben, es wird eine Form der Unterwerfung betrieben. Schauen Sie,<br />

wenn bei RTL II ein Film läuft über eine junge deutsche Frau, die im Ramadan in eine islamische<br />

Familie geht, in eine sehr sympathische islamische Familie, und wenn das als Integration ausgegeben<br />

wird, dann liegt ein Missverständnis vor. Es müsste eigentlich ein Film laufen über eine muslimische<br />

Frau, die Weihnachten in eine christliche Familie geht. Aber das würde keiner machen.<br />

Aber die meisten Menschen haben eigentlich gar keinen Kontakt zu Muslimen.<br />

Das stimmt nicht. Die meisten Menschen gehen bei ihrem Türken Gemüse einkaufen.<br />

Aber ist denn das wirklich Auseinandersetzung?<br />

Warum braucht man denn eine Auseinandersetzung? Ich habe auch keine Auseinandersetzung mit<br />

den Ossis. Ich lese über die auch nur in der Zeitung. Das reicht doch.<br />

Meinen Sie, das reicht als Grundlage für eine gemeinsame Gesellschaft?<br />

Ja. Dass man friedlich und ruhig nebeneinander lebt. Man muss sich nicht mit jedem verbrüdern und<br />

mit jedem auseinander setzen.<br />

Herr Broder, vielen Dank für das Interview.<br />

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Der Wanderer zwischen beiden Welten<br />

Geschrieben von: Simon Meyer<br />

Samstag, den 13. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

In seiner bekanntesten Erzählung „Der Wanderer zwischen beiden Welten“ beschreibt Flex seine<br />

Erlebnisse vom Frühjahr 1915 bis ins Jahr 1916 hinein. Vor dem Hintergrund der kriegerischen<br />

Ereignisse schildert Flex seine Freundschaft mit dem Wandervogel und Theologiestudent Ernst<br />

Wurche. Dessen Persönlichkeit steht stellvertretend für „den Geist jener Jugend (…), die Christentum<br />

und deutsche Kultur in den Schützengraben mit hinausnahm…“, wie der ältere Bruder des Autors,<br />

Konrad Flex, später feststellen wird. „Der Wanderer zwischen beiden Welten“ zählt zu den<br />

erfolgreichsten und meist verkauften deutschen Büchern des 20. Jahrhunderts.<br />

Die Erzählung setzt ein mit der Versetzung des Gefreiten Flex von der Westfront in das Warthelager<br />

bei Posen, wo er mit anderen Kameraden zum Offizier ausgebildet werden soll. Flex freundet sich<br />

schon auf der Zugfahrt mit dem Theologiestudenten Ernst Wurche an. Nach absolviertem<br />

Offizierslehrgang werden Flex und Wurche als Zugführer zu derselben Kompanie im 3.<br />

Unterelsässischen Infanterie-Regiment Nr. 138 an einen ruhigen Frontabschnitt der Ostfront in die<br />

Frühlingslandschaft nahe der ostpreußisch-polnischen Grenze versetzt. Sie erleben dort – im völligen<br />

Kontrast zu den überlieferten Schilderungen der Materialschlachten in Frankreich und Flandern –<br />

einen geradezu idyllischen Frühsommer, der mit Gedankenaustausch bei gemeinsamen<br />

Wanderungen gefüllt ist. Folgende Landschaftsbeschreibung mag davon einen Eindruck geben:<br />

„Dann lag der weite See, von sonnigen Morgendunst überschäumt, vor uns. Pirole schmetterten,<br />

Schwalben schossen mit den Schwingen durchs Wasser, Taucher verschwanden vor uns, wie wir am<br />

Ufer entlang schlenderten.“ Ernste Kämpfe mit den Russen erfolgen nicht, die kriegerische Energie<br />

entlädt sich in Leutnantsstreichen, und die Myriaden von Schnaken werden als lästiger beschrieben,<br />

als Iwan der Schreckliche hinter seinem Draht.<br />

Wildgänse rauschen durch die Nacht mit schrillem Schrei nach Norden.<br />

Unstete Fahrt, habt acht, habt acht! Die Welt ist voller Morden.<br />

In den Schilderungen der Gespräche mit Wurche entwickelt Flex, selbst eher zuhörend, dessen<br />

Charakterzüge. „Willfährigkeit gegen das Göttliche und Wehrfähigkeit gegen das Menschliche, das<br />

gab seinem Wesen Reife und Anmut“, so beschreibt Flex den Freund. Wurche verkörpert den<br />

Idealtypus des kriegsfreiwilligen, idealistischen Studenten, der die Gedichte Goethes, Nietzsches<br />

Zarathustra und das Neue Testament im Tornister führt. „Im Schützengraben sind allerlei fremde<br />

Geister zur Kameradschaft gezwungen worden. Es ist mit Büchern nicht anders als mit Menschen. Sie<br />

mögen so verschieden sein, wie sie wollen – nur stark und ehrlich müssen sie sein und sich<br />

behaupten können, das gibt die beste Kameradschaft“, antwortet Wurche auf die Frage, inwieweit<br />

diese Literaturmischung zusammenstimme.<br />

„Frei und leicht, ohne Anflug von Selbstspiegelung oder Schulmeisterlichkeit“ wird Wurche<br />

beschrieben, wenn er von „wesentlichen und innerlichen Dingen“ redet, und damit auch die Soldaten<br />

seines Zuges prägt. „Leutnantsdienst ist seinen Leuten Vorleben, das Vorsterben, ist dann wohl<br />

einmal ein Teil davon.“, erwidert Wurche auf den Einwurf eines Kameraden, Leutnantsdienst meine<br />

vor allem seinen Leuten vorzusterben. Dieses Vorleben schildert er anschaulich, wie es ihm etwa<br />

durch schlichtes Nichtmittun gelungen war, als einfacher Soldat seine Gruppe zu prägen, wenn er<br />

seine „großen Kerls“, die doch „wie die Kinder sind“, davon abbrachte im Unterstand Zoten zu<br />

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dreschen. Flex schreibt: „Ich verstand seine großen Kerls, die ihn gern hatten und denen das Lachen<br />

ohne ihn schal war.“<br />

Fahrt durch die nachtdurchwogte Welt, graureisige Geschwader!<br />

Fahlhelle zuckt, und Schlachtruf gellt, weilt wallt und wogt der Hader!<br />

Auch seinen christlichen Glauben offenbart Wurche in gleicher Weise. „Sein Christentum war ganz<br />

Kraft und Leben. Keine Spur des finsteren Eiferers lag in seinem offenen Blick und seiner frohen<br />

Gebärde. Seine Seele war weit und voll Sonne.“ Wurche stammt aus der Wandervogelbewegung, wie<br />

auch Flex jüngerer Bruder, Otto, der bereits im September 1914 als Leutnant in Frankreich gefallen<br />

war. „Aller Glanz und alles Heil deutscher Zukunft schien ihm aus dem Geist des Wandervogels zu<br />

kommen, und wenn ich an ihn denke, der diesen Geist rein und hell verkörperte, so gebe ich ihm<br />

recht…“, schreibt Flex. Mit dem Sommer geht auch die Ruhe des Regiments zu Ende. Neue Kämpfe<br />

werfen ihren Schatten voraus und das Regiment verlegt im August 1915 an einen Frontabschnitt<br />

nach Norden. Wurche ersehnt ruhig und ohne Fieberhaftigkeit die Kämpfe herbei. „Einen echten<br />

Sturmangriff zu erleben, das muß schön sein. Man erlebt vielleicht nur einen.“ meint er im Vorfeld<br />

der erwarteten Kämpfe. Flex beschreibt an dieser Stelle Wurche als das lebendig gewordene Bild des<br />

jungen Knappen, der in der Nacht vor der Schwertleite ritterliche Wacht vor seinen Waffen hält.<br />

Rausch zu, fahr zu, du graues Heer! Rauscht zu, fahrt zu nach Norden!<br />

Fahrt ihr nach Süden übers Meer, was ist aus uns geworden?<br />

Am Abend nach den ersten schweren Kämpfen sehen sich die Freunde, mittlerweile Zugführer in<br />

verschiedenen Kompanien des Regiments, zum letzten Mal. Sie sprechen über den Tod<br />

verschiedener Kameraden während der Kämpfe des vergangenen Tages. Wurche widerspricht dem<br />

Einwand Flex`, der die Sinnlosigkeit eines Todes während des ersten Sturmangriffes nach langer<br />

entbehrungsreicher Vorbereitung dieses Momentes beklagt – gleichsam in Vorwegnahme eines<br />

Trostes des Freundes nach dem eigenen Tod. Alle Zuwendung der Führer sei auch in diesem ersten<br />

gefallenen Soldaten nicht umsonst, da dieser den einen Sprung in Feindesrichtung „mit hellen und<br />

beherzten Augen, mit Menschenaugen“ tat. Wurche fällt kurz nach dieser letzten kurzen<br />

Unterredung auf Patrouille in der Nacht nach seinem ersten Sturmangriff. Flex kommt für ein<br />

Abschiedswort zu spät. Mit den Blumen aus den umliegenden Gärten wird Wurche bestattet.<br />

Der Ton der Erzählung wechselt. Totenklage. Die frohen Stunden sind vergangen und düstere Bilder<br />

im Herbst und Winter der Kämpfe in Polen und Litauen verdrängen die farbigen Schilderungen des<br />

Sommers der Freundschaft. „Alle Nächte sind tief und dunkel wie Abgründe und voll unfaßbaren<br />

Lebens. Die Tage sind kahl und kurz und sind nichts als bleierner Schlaf und verworrener Traum.“ Die<br />

Wahrnehmung der Umgebung spiegelt den Seelenzustand des Autors wieder. Brennende Dörfer.<br />

Zerschossene Wohnstätten. Zertretene Gärten.<br />

Wir sind wie ihr ein graues Heer und fahrn in Kaisers Namen,<br />

und fahrn wir ohne Wiederkehr, rauscht uns im Herbst ein Amen!<br />

Erst zum Ende der Erzählung, als Wurche wie im Traum erscheint und Flex bittet, die Toten nicht zu<br />

Gespenstern zu machen, sondern ihnen Heimrecht zu gewähren, löst sich die Trauer um den Tod des<br />

Freundes. Der zweite Kriegsfrühling bricht an, auch wenn er dem ersten Kriegsfrühling nicht gleichen<br />

wird. Noch sind die Ideale von 1914 lebendig, auch wenn das die Erzählung abschließende Lied<br />

schwermütiger klingt, als noch die Lyrik des ersten Kriegsfrühlings.<br />

Vielleicht zog ein Schwarm verspäteter Graugänse über das Grab, und rauschte dem Angehörigen des<br />

grauen Heeres, ein letztes Amen, als die Worte der Menschen bereits verklungen waren. „Wildgänse<br />

373


auschen durch die Nacht“, sein bekanntestes weil bis heute tausendfach gesungenes Gedicht<br />

schreibt Flex am Abend vor seiner Kommandierung zum Offizierslehrgang in Lothringen. Er kommt<br />

mit den letzten beiden Strophen im Wanderer wieder, einige Zeit nach Wurches Tod, als erneut ein<br />

wanderndes Gänseheer die Frontlinien, diesmal auf dem Weg nach Süden überfliegt. „Rauscht uns<br />

im Herbst ein Amen“, so der Ruf an die Graungänse, der im Herbst 1915 für Wurche in Litauen und<br />

im Herbst 1917 für Flex auf Ösel seine Erfüllung gefunden haben mag.<br />

374


Die Linke und der Islam<br />

Geschrieben von: Johann Schacht<br />

Samstag, den 13. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Was haben die politische Linke und der ebenso politische Islam gemein? Inwiefern existieren<br />

Konvergenzen bezüglich der Zielvorstellungen und Utopien beider Ideologien? Zunächst einmal<br />

scheint der Islam in seinen Auffassungen diametral zu linken Vorstellungen der Moderne zu stehen:<br />

Individualität und Selbstverwirklichung, oftmals Irreligiosität und Gleichheit aller Menschen. Dem<br />

hält der Koran, Quelle der muslimischen Ethik und Moral, Bigotterie, Weltherrschaftsphantasien und<br />

Kollektivismus entgegen. So lautet es in Sure 9, 29 symptomatisch: „Kämpft mit Waffen gegen<br />

diejenigen, die nicht an Allah glauben, noch an den jüngsten Tag glauben, und die nicht für verboten<br />

erklären, was Allah und sein Gesandter Mohammed für verboten erklärt haben, und die sich nicht<br />

nach der rechten Religion (dem Islam) richten – von denen, die die Schrift erhalten haben (d. h. Juden<br />

und Christen, Anm. d. V.) - kämpft mit der Waffe gegen diese, bis sie die Minderheitensteuer<br />

abgeben als Erniedrigte!”.<br />

Muslime in aller Regel links der Mitte<br />

Trotz dieser fundamentalen Differenzen kommt es jedoch in der Regel zu einer Verbrüderung mit<br />

dem linken Lager respektive dem Eintritt in linke Parteien. Im Brüsseler Regionalparlament<br />

entstammt die Hälfte der sozialistischen PS-Abgeordneten dem islamischen Kulturkreis, während<br />

lediglich drei der elf Parlamentarier der konservativen cdH jenem zuzuordnen sind. Wie in Belgien<br />

verhält es sich auch in anderen europäischen Ländern, Muslime sind meist auf den Wahllisten von<br />

sozialistischen respektive alternativ-grünen Parteien zu finden. Eine gewisse Affinität existiert de<br />

facto. Nun, betrachtet man die ökonomischen Vorstellungen beider Seiten, wird der Zusammenhang<br />

schon deutlicher. Sozialismus steht für protektionistische Planwirtschaft und Staatsmonopol auf<br />

bedeutende Wirtschaftsbereiche. In dieser Vorstellung sind Globalisierung und Industrialisierung<br />

Gift, weil sie konsequent zur Unterdrückung und Ausbeutung der besitzlosen Schichten, dem<br />

Proletariat führen. Hier stechen frappierende Analogien zu islamischen Zielen ins Auge. Linke und<br />

Islamisten lehnen die Industrialisierung und die Globalisierung ab, weil Schwellenländer und Länder<br />

der Dritten Welt dann amerikanisiert werden würden. Linke ebenso wie Islamisten lehnen die USA in<br />

fundamentaler Art und Weise ab. Wie unter Europas Linken dominiert in islamischen Staaten ein<br />

glühender Anti-Amerikanismus wie Anti-Zionismus. Die USA, „der große Satan“, und sein<br />

zionistischer Schoßhund Israel beuten angeblich die Welt durch ihre Finanzmacht aus.<br />

Schnittmengen zwischen politischem Islam und linker Träumerei<br />

Die wohl wichtigsten Parallelen existieren in Bezug auf Immigration und Zuwanderung. In aller Regel<br />

berufen sich Linke auf „humanistische“ Werte und verfechten infolgedessen eine möglichst generöse<br />

Einwanderungspolitik. Die freie Wahl des Domizils, sprich die Auflösung des Nationalstaates, soll zu<br />

einem Menschenanrecht erhoben werden, ganz egal, aus welchen Beweggründen Migration<br />

stattfindet. Muslime teilen diese Einschätzung apodiktisch, obgleich auch aus anderen Motiven<br />

heraus. Islamisten wollen dafür sorgen, dass das eigene ethnische Bevölkerungselement rasch<br />

anwächst, um infolgedessen eine Konsolidierung und Ausweitung politischen Einflusses zu erreichen.<br />

Aus eben diesem Kalkül werden „offene“ Grenzen, der Familiennachzug und „Brautimport“<br />

gefordert. Dies hat nichts mit den gutmenschlich-naiven Forderungen, derer man sich auf der Linken<br />

bedient, zu tun. Pures Machtinteresse ist der ausschlaggebende Beweggrund.<br />

375


Islam und Linke – mehr Gemeinsamkeiten, als man glaubt.<br />

In letzter Zeit wurden insbesondere linkerseits die Rufe nach einer Etablierung des Islams als dritte<br />

bedeutende Religion in Deutschland neben dem Christen- und Judentum laut. Wieder sind es<br />

Gutmenschen, die versuchen, ihr neues Adoptivkind Islam rechtlich zu stärken. Aber was man sich<br />

diesmal für ein Kind ins Haus geholt hat, wird sich noch früh genug zeigen. Denn Islam als rein<br />

spirituelle Religion, die jedermann per Säkularisierung zähmen könne, zu verstehen, ist ein<br />

gefährlicher Trugschluss. Eine islamische Spiritualität existiert natürlich, jedoch hat diese auch eine<br />

äußerst virulente politische Seite. „Und tötet sie (d.h. die heidnischen Gegner), wo (immer) ihr sie zu<br />

fassen bekommt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben! Der Versuch (Gläubige zum<br />

Abfall vom Islam) zu verführen ist schlimmer als Töten. Jedoch kämpft nicht bei der heiligen<br />

Kultstätte (von Mekka) gegen sie, solange sie nicht (ihrerseits) dort gegen euch kämpfen! Aber wenn<br />

sie (dort) gegen euch kämpfen, dann tötet sie! Derart ist der Lohn der Ungläubigen.“ (Sure 2, Vers<br />

191). Ob solcher Textstellen sollte sich jeder ernsthaft fragen, inwiefern man hier noch von einer<br />

friedlichen Religion sprechen kann. Es handelt sich bei zitiertem Vers um islamische<br />

Weltherrschaftsansprüche, die mit dem absoluten Willen verbunden sind, alle Menschen, die andere<br />

Vorstellungen pflegen, zu töten. Der niederländische Politiker Geert Wilders zog jüngst die Parallele<br />

zu Mein Kampf und forderte ein Verbot des Korans. Eine genauere Beschäftigung mit beiden<br />

„Werken“ gibt dieser, zugegebenermaßen waghalsigen, These eine solide Wahrheit an die Hand. Wie<br />

ironisch mutet da Schützenhilfe für den Islam ausgerechnet von linker Seite an.<br />

Der Islam – die dritte Form des Sozialismus<br />

Nach grausamen Arten des linken und rechten Sozialismus des 20. Jahrhunderts erwacht eine neue<br />

Bedrohung für die Welt. Ebenso wie der „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ porträtiert sich der<br />

Islam als Sprachrohr der Armen und Unterdrückten, als ein Opfer des westlichen Imperialismus und<br />

neoliberaler Globalisierung. Aber es handelt sich mitnichten um einen zahnlosen Tiger, denn der<br />

Islam ist Europa und der westlichen Welt demographisch deutlich überlegen. Der Islam verfügt über<br />

vitale youth bulges, Europa hingegen muss zusehen, dass sich für seine Idee überhaupt irgendwo<br />

Krieger finden. Wenn der Westen seine eigene Freiheit langfristig erfolgreich behaupten will, muss er<br />

sofort damit anfangen, sich von politisch-korrekter Selbstgeißelung loszusagen und die akute Gefahr<br />

als solche zu erkennen.<br />

376


Die Wippermann-Krankheit: Linksblind<br />

Geschrieben von: Judith von der Osten<br />

Montag, den 15. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die mediale Exekution der Eva Herrman vom 9. Oktober 20<strong>07</strong> in der Talksendung „Johannes B.<br />

Kerner“ wird als neuer Tiefpunkt in die Geschichte der deutschen Schwatzrunden eingehen.<br />

Während Kerner, Schreinemakers und Berger zumindest dem älteren Publikum bekannt sein dürften,<br />

gilt der Faschismus-Experte Wolfgang Wippermann der breiten Öffentlichkeit als unbeschriebenes<br />

Blatt. Ein Umstand, den Prof. Wippermann eindeutig nicht zu verantworten hat, denn es gibt kein<br />

mediales Ereignis, zu dem Wippermann sich nicht äußerte: Hohmann, Kardinal Meisner, Eva Herman<br />

– sie alle stehen in der Tradition Wippermann’scher Kritik, der stets im Gleichtakt mit den Medien<br />

Antisemitismus-Hitler-Holocaust-Drittes Reich-Relativierungen erkennt und heftig bekämpft.<br />

Deutschen Historikern ist er bekannter. Hans Mommsen beschrieb ihn als den „einzigen, deutschen<br />

Fachhistoriker, der sich auf Daniel Goldhagens (Hitlers willige Vollstrecker, 1996) Seite schlug“.<br />

Wolfgang Wippermann, heute Professor am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin,<br />

studierte Geschichte, Germanistik und Politische Wissenschaften in Göttingen und Marburg. 1975<br />

promovierte er mit der Arbeit „Der Ordensstaat als Ideologie“ bei Ernst Nolte – seit den 90er Jahren<br />

gehört der ehemalige Schüler Noltes zu den schärfsten Kritikern seines Doktorvaters. Die<br />

Wippermann’sche Publikationsliste liest sich so:<br />

Das Leben in Frankfurt zur NS-Zeit (I bis IV)<br />

Konzentrationslager; Europäischer Faschismus im Vergleich<br />

Auserwählte Opfer? Shoah und Porrajmos im Vergleich<br />

Die Deutschen und ihre Hunde: ein Sonderweg der deutschen Mentalitätsgeschichte.<br />

Dies sind einige Beispiele aus einer langen Liste, dessen Themenspektrum von deutschen<br />

Greueltaten über deutsche Greueltaten bis hin zu deutschen Greueltaten reicht.<br />

Allerdings gelten Wippermann und seine Thesen selbst als umstritten. Dem Mann, der auf dem<br />

rechten Auge so überaus scharf blickt, wird eine Blindheit auf dem linken diagnostiziert. Wikipedia,<br />

des Liebäugelns mit Rechts unverdächtig, vermerkt u. a.: „So vertritt der Wissenschaftler die These,<br />

unter Lenins Herrschaft seien in der Sowjetunion die Opfer ‚nach streng wissenschaftlichen Kriterien’<br />

ausgewählt worden, was ihm den Vorwurf der angeblich mangelnden Empathie gegenüber den<br />

Opfern des Sowjetkommunismus einbrachte.“<br />

Dem vorausgegangen war Wippermanns heftige Kritik an Stephane Courtois „Schwarzbuch des<br />

Kommunismus“, das Wippermann als Beleg der widerlichen Aufrechnerei und als Relativierung des<br />

Holocaust sieht. Reinhard Mohr schreibt 1998 in seinem Spiegel-Artikel „Die Wirklichkeit<br />

ausgepfiffen“:<br />

„Schon auf der tumultösen Berliner Veranstaltung warnte Wolfgang Wippermann, Historiker an der<br />

Freien Universität, vor den Folgen dieser Lektüre, die ‚eine ermüdende Reihung von<br />

Mordgeschichten’ biete. Im ‚Neuen Deutschland’ konzedierte er, dass die Bilanz der Regime in der<br />

Sowjetunion, China, Kambodscha etc. zweifellos grausig sei, doch müsse gefragt werden, ‚ob es sich<br />

hier wirklich um kommunistische bzw. sozialistische Systeme gehandelt hat’. Nach einer kleinen, aber<br />

feinen Zitatfälschung, mit der er Courtois drei Buchstaben unterjubelt – als habe dieser von ‚nur’ 25<br />

Millionen Opfern der Nazis gesprochen – , kommt Wippermann zum eigentlichen Thema: Das<br />

377


Schwarzbuch betreibe die ‚Dämonisierung des Kommunismus’ und erscheine zur ‚rechten Zeit’, in der<br />

die ‚direkte und indirekte Relativierung des Holocaust durch Leugnung und vergleichende<br />

Verharmlosung schon weit verbreitet ist.’“<br />

Während er das Verhungern ukrainischer Kulaken-Kinder, als „nicht gezielt der Hungersnot<br />

überliefert“ beschreibt, polemisiert er in der Jungle World, einer deutlich im linken Spektrum<br />

angesiedelten Zeitung, unter dem Titel „Diktatur des Verdachts“ gegen den Forschungsverbund SED-<br />

Staat und zeiht ihn der „Kommunistenjagd“. Die Methoden der neuen DDR-Forscher, die ihr<br />

Forschungsobjekt vor 1989 allenfalls aus dem Zugfenster gesehen haben, seien mehr als dubios und<br />

stänken nach McCarthy. Wippermann weiter: „Antikommunismus nach dem Ende des Kommunismus<br />

ist wie politische Peep-Show – man kommt irgendwie nicht ran an das Objekt der Begierde“.<br />

Ach, und so jemand ist nun ein ganz objektiver Historiker, der den Fall Eva Herman sachkundig<br />

einschätzen kann. Herr Kerner, sehr gute Gästeauswahl.<br />

378


Flex und die Ideen von 1914<br />

Geschrieben von: Simon Meyer<br />

Dienstag, den 16. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Schlendert man aufmerksam durch die Altstadt der fränkischen Universitätsstadt Erlangen, so<br />

erkennt man an einem Gebäude eine Tafel, auf der vermerkt steht, daß hier der Schriftsteller Walter<br />

Flex während seiner Studienzeit wohnte. Anders als vor der Mensa am Erlanger Langemarckplatz, an<br />

dem linke Hochschulgruppen für die Aufstellung eines Hinweisschildes gesorgt haben, das den<br />

Langemarckmythos durch den politisch korrekten Fleischwolf dreht, steht die an Flex erinnernde<br />

Tafel ohne jeden Zusatz. Dies mag erstaunen, weht doch durch das literarische Erbe von Walter Flex<br />

der Geist der Ideen von 1914 und die Erinnerung an die kriegsfreiwillige Generation von Abiturienten<br />

und Studenten, die den Mythos von Langemarck begründete.<br />

Flex trug die Ideale von 1914 in sich und hinterließ mit seinen Werken eindrucksvolle Zeugnisse<br />

dieses enthusiastischen Nationalgefühls. In einem Brief vom 28. April 1917 schreibt Flex an eine<br />

Freundin, die wie Wurche aus der Jugendbewegung stammt: „ Mein Glaube ist, daß der deutsche<br />

Geist im August 1914 und darüber hinaus eine Höhe erreicht hat, wie sie kein Volk vorher gesehen<br />

hat. Glücklich ist jeder, der auf diesem Gipfel gestanden hat und nicht wieder herabzusteigen<br />

braucht.“<br />

Gefallen für die Ideen von 1914<br />

Auch wenn der letzte Satz wohl auf Wurche gemünzt sein mag, läßt sich auch eine auf sich selbst<br />

gerichtete Todesahnung herauslesen. Flex schreibt diesen Brief in Erwartung einer Versetzung an die<br />

Westfront, die er aus dem Stellungskrieg im Osten im Frühjahr 1917 vergeblich beantragt hatte. Das<br />

Todesmotiv in seinem Werk entspringt aber keiner düsteren Todessehnsucht. „Was deinen Sinnen<br />

entrückt ist, ist darum nicht tot. Es gibt keinen Tod, Gott schuf nur das Leben.“, läßt Flex einen Engel<br />

in der kleinen Erzählung „Ein Traum vom Tode“ sprechen. Ein nihilistischer Zug ist dem Gedanken an<br />

den Tod völlig fremd. Der Tod behält stets seine religiöse Dimension.<br />

Flex schrieb bereits in einem Feldpostbrief von 1914: „Der Opfertod unseres Volkes ist nur eine<br />

gottgewollte Wiederholung des tiefsten Lebenswunders, von dem die Erde weiß, vom<br />

stellvertretenden Leiden Jesu Christi.“ Damit wird der Tod als individuelles Schicksal auf die Ebene<br />

des Volkes gehoben. Der Sieg selbst als irdische Zufälligkeit tritt mit zunehmender Kriegsdauer hinter<br />

das Ideal der sittlichen Selbstvollendung der deutschen Jugend zurück.<br />

Kriegsfreiwillig aus sittlichem Fanatismus<br />

Bereits im Wanderer zwischen beiden Welten erscheint der Gedanke, daß sich auch im Tod eines<br />

Volkes ein sittliches Ideal verwirklichen kann. Und ebenfalls dem Brief an die Freundin, Fine Hüls,<br />

entnommen sind folgende Zeilen: „Ich bin heute so kriegsfreiwillig wie am ersten Tage. Ich bin´s und<br />

war es nicht, wie viele meinen, aus nationalem, sondern aus sittlichem Fanatismus. Nicht nationale,<br />

sondern sittliche Forderungen sind´s, die ich aufstelle und vertrete. Was ich von der „Ewigkeit des<br />

deutschen Volkes“ und von der Sendung des Deutschtums geschrieben habe, hat nichts mit<br />

nationalem Egoismus zu tun, sondern ist ein sittlicher Glaube, der sich selbst in der Niederlage oder,<br />

wie Ernst Wurche gesagt haben würde, im Heldentode eines Volkes verwirklichen kann.“<br />

Wurche selbst beschreibt den Gedanken im Wanderer, während er mit Flex über Gottfried Kellers<br />

Novelle „Fähnlein der sieben Aufrechten“ sinniert: “Wie es dem Manne geziemt, in kräftiger<br />

Lebensmitte zuweilen an den Tod zu denken, so mag er auch in beschaulicher Stunde das sichere<br />

379


Ende seines Vaterlandes ins Auge fassen, damit er die Gegenwart desselben um so inbrünstiger liebe;<br />

denn alles ist vergänglich und dem Wechsel unterworfen auf dieser Erde. Oder sind nicht viel größere<br />

Nationen untergegangen, als wir sind?“<br />

Die toten Soldaten sind Gottes Soldaten.<br />

Der Abstieg vom Gipfel des Geistes von 1914 bleibt Flex erspart. Im November 1918 ist Flex bereits<br />

über ein Jahr bei den „toten Soldaten, Soldaten des Kaisers, die nunmehr Gottes Soldaten geworden<br />

sind“, wie er es in seiner Erzählung „Das Weihnachtsmärchen des fünfzigsten Regiments“, der<br />

fünften Kompanie seines Regiments am Heiligen Abend 1914 in einer Dorfkirche Lothringens<br />

vorgetragen hatte.<br />

380


Verfassungsschutz und Bürgerfreiheit in NRW<br />

Geschrieben von: Lukas Meyer<br />

Donnerstag, den 18. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Am Mittwoch, den 10. Oktober 20<strong>07</strong>, fand in Karlsruhe eine vielbeachtete Anhörung vor dem<br />

Bundesverfassungsgericht statt: Eine Gruppe, bestehnd aus einer Journalistin, eines Mitglieds des<br />

Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der Linkspartei.PDS und drei Rechtsanwälten, hat gegen das<br />

Land Nordrhein-Westfalen Verfassungsbeschwerde erhoben. Der NRW-Verfassungsschutz geht auch<br />

nach dem Regierungswechsel und Junge-Freiheit-Urteil besonders schneidig gegen tatsächliche oder<br />

vermeintliche Feinde der Freiheit vor.<br />

Die Beschwerdeführer greifen u. a. § 5 Abs. 2 Nr. 11 des nordrhein-westfälischen<br />

Verfassungsschutzgesetzes an, welcher – bundesweit einzigartig – die Befugnis zur<br />

Informationsbeschaffung durch „heimliches Beobachten und sonstiges Aufklären des Internets, wie<br />

insbesondere die verdeckte Teilnahme an seinen Kommunikationseinrichtungen bzw. die Suche nach<br />

ihnen, sowie der heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme auch mit Einsatz technischer<br />

Mittel“ vorsieht. Das bedeutet eine Befugnis zur Onlinedurchsuchung, also zur Einsichtnahme auch in<br />

nicht online gestellte Datenträger via Internet. Dementsprechend wird das Verfahren als Testlauf für<br />

ähnliche Pläne der Bundesregierung zur Terrorbekämpfung gesehen. Einzelheiten lassen sich unter<br />

www.Bundesverfassungsgericht.de der Pressemitteilung Nr. 82/20<strong>07</strong> vom 27. Juli 20<strong>07</strong> entnehmen;<br />

das Verfahren läuft unter Az.: 1 BvR 370/<strong>07</strong> und 1 BvR 595/<strong>07</strong>.<br />

Der NRW-Verfassungsschutz sieht überall Gespenster.<br />

Es handelt sich hierbei wohlgemerkt nicht um Ermittlungen gegen Personen oder Organisationen, die<br />

der konkreten Vorbereitung von staatsgefährdenden Gedanken oder sonstigen Straftaten<br />

verdächtigt werden. Sondern jeder, der nach Ansicht eines VS-Beamten „Bestrebungen unterstützt“,<br />

die sich „gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten“, kann via Internet ausspioniert<br />

werden. „Bestrebungen“ sind dabei definiert als „ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in<br />

einem oder für einen Personenzusammenschluß“; „Für“ einen Personenzusammenschluß handelt,<br />

wer ihn „in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt“ – was auch immer das im Einzelfall<br />

heißen soll. Ob und inwieweit der einzelne dabei einen verfassungsfeindlichen Gruppenkonsens teilt<br />

oder nicht teilt, ist kaum von Interesse. De facto verhängt der NRW-Verfassungsschutz ein<br />

Kontaktverbot zu tatsächlichen oder potentiellen Verfassungsfeinden.<br />

Für konventionelle Techniken der Informationsbeschaffung ist all dies auch in allen anderen<br />

Verfassungsschutzgesetzen geregelt. In NRW allerdings soll der Verfassungsschutz mehr als die<br />

Polizei dürfen, der die heimliche Online-Durchsuchung laut Beschluß des BGH vom 5.2.20<strong>07</strong> verboten<br />

ist: Das Gericht stellte fest, die heimliche Durchsuchung sei dem deutschen Recht wesensfremd;<br />

Merkmal der in der Strafprozeßordnung geregelten Hausdurchsuchung sei gerade, daß sie durch<br />

einen Richter angeordnet und in der Regel im Beisein des Betroffenen oder anderer Zeugen, also<br />

offen, vollzogen werde. Hierbei könnten dann auch Datenträger oder ganze Festplatten<br />

beschlagnahmt werden. Hierauf angesprochen, machte der Prozeßvertreter des Landes, Dirk<br />

Heckmann, nach Presseberichten einen kläglichen Eindruck. Seine Ausflüchte veranlaßten den<br />

Gerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier zu polemischen Bemerkungen.<br />

Das Ziel der Sicherheitsbehörde: Erzeugung kommunikativer Unsicherheit<br />

Nun kennt das Verwaltungsrecht selbstverständlich in allen seiner unzähligen Teilgebiete<br />

unbestimmte, ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe. Ohne diese läßt sich keine einzelfallgerechte<br />

381


Entscheidung treffen. Die Art und Weise aber, wie in den Verfassungsschutzgesetzen Ungreifbares<br />

ineinander verzahnt wird, läßt nur einen Schluß zu: Diese Formulierungen sollen nicht nur den<br />

Behörden möglichst weite Spielräume eröffnen, sondern auch unter der möglichen „Kundschaft“ –<br />

also unter denen, die sich erfrechen, die Spielräume kommunikativer Grundrechte auszunutzen –<br />

Verunsicherung erzeugen.<br />

Immerhin beschränken sich die Befugnisse des Verfassungsschutzes nicht auf handfeste Straftäter,<br />

die etwa Anschläge planen oder zu konkreten Gewalttaten aufrufen. Sondern auch eine Zeitung oder<br />

ein Internetforum kann ins Fadenkreuz der Fahnder geraten, wenn es beispielsweise negative<br />

Erfahrungen mit Ausländern thematisiert. Diese offensichtliche Überstrapazierung des<br />

Gefährdungspotentials vermeintlicher oder tatsächlicher Vor- oder Umfelder hat bekanntlich<br />

Methode. Sie schützt die Freiheit wenig. Vielmehr diskreditiert sie partielle Unzufriedenheit<br />

harmloser Normalbürger und verhindert die Analyse und gezielte Bekämpfung unleugbarer<br />

Probleme. Mit demselben Totschlagargument unterdrückt übrigens der Deutsche Presserat seit über<br />

zehn Jahren die wahrheitsgemäße Berichterstattung über Kriminalität.<br />

In das Konzept, durch unbestimmte Rechtsbegriffe bei den potentiellen Adressaten Angst zu schüren,<br />

paßt auch das auf den ersten Blick rechtsstaatlich-faire „Nachverfahren“: Wurde jemand<br />

ausspioniert, so ist ihm dies nach Abschluß der Maßnahme mitzuteilen. Dies gilt nicht, wenn durch<br />

die Benachrichtigung „eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung … zu besorgen ist“ oder „Quellen<br />

gefährdet sein können oder die Offenlegung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der<br />

Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist“ – also praktisch immer, denn auch die Frage, wer<br />

weswegen und unter Umgehung welcher Schutzvorkehrungen beobachtet wird, betrifft die<br />

Arbeitsweise des Verfassungsschutzes. Wer unter dem Druck der Ungewißheit allzu sehr leidet, kann<br />

zwar von sich aus ein Auskunftsersuchen an den Verfassungsschutz richten. Ihm würde dann<br />

mitgeteilt, ob und was über hin gespeichert wurde. Allerdings muß das Auskunftsersuchen durch<br />

Mitteilung eines Sachverhaltes substantiiert werden, aufgrund dessen der Antragsteller eine<br />

Beobachtung befürchtet. Dies kommt einer Selbstbezichtigung gleich.<br />

Bereits ein entfernter Kontakt zu Verfassungsfeinden kann zum<br />

Verhängnis werden.<br />

Pikant ist die Datensammlung des Verfassungschutzes nicht nur, weil persönliche Verbindungen und<br />

Betätigungen unkontrollierbar in die Hände Dritter geraten können: Es sei in diesem Zusammenhang<br />

nur daran erinnert, in welcher Weise bereits die SPD als Regierungspartei in NRW den<br />

Verfassungsschutz als politisch-ideologisches Herrschaftsinstrument genutzt hat. Halsgefährlich<br />

werden die Daten des Verfassungsschutzes auch, wenn ein ehemaliger politischer oder<br />

publizistischer Aktivist in den öffentlichen Dienst strebt. Bewerber – ob Angestellte oder Beamte –<br />

müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen.<br />

Wer irgendwann in seinem Leben bereits einmal auffällig geworden ist, wird entlassen oder erst gar<br />

nicht erst eingestellt. Ob der Vorwurf letztlich trägt, ist nur im Wege eines jahrelangen<br />

Gerichtsverfahrens zu treffen. Die Schwierigkeit liegt darin, daß es sich um eine Feststellung innerer<br />

Tatsachen handelt, die immer prognostisch bleiben muß. Daraus erklärt sich auch, daß bereits an<br />

„Zweifeln“ über das jederzeitige Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung<br />

angeknüpft wird, die bereits durch bloßen Kontakt zu „extremistischen Bestrebungen“ als<br />

aufgeworfen gelten.<br />

Selbstverständlich benötigt der Staat geeignete Mittel im Kampf gegen diejenigen, die zur<br />

Durchsetzung ihrer Ideen vor den Grundrechten anderer nicht haltmachen. Jedoch müssen<br />

382


Eingriffsbefugnisse um so klarer definiert werden, je schwerer der Eingriff wiegt. Und je unklarer sie<br />

der Natur der Sache nach formuliert sind, desto restriktiver müssen sie ausgelegt werden. Gerade<br />

daß der Betroffene, der von seiner Beobachtung nichts weiß, ergo keine Möglichkeit hat,<br />

Rechtsschutz zu erstreben, müßte hier besonders ins Gewicht fallen.<br />

440.000 Verfassungsfeinde in Deutschland?<br />

Die geltenden Verfassungsschutzgesetze hingegen belegen, daß die Bundesrepublik Deutschland<br />

geistesgeschichtlich nicht in der freiheitlichen Tradition der Westmächte steht. Vielmehr zeigt die<br />

Beobachtungs-Leidenschaft bezüglich strafloser Meinungsäußerungen, daß der Geist des Mißtrauens<br />

gegen bürgerliche Freiheitsbetätigung erheblich nachwirkt. Schon die schiere Menge der ermittelten<br />

Daten wirft grundsätzliche Fragen auf: Nach Angaben des Nachrichtenmagazins Focus sind insgesamt<br />

über 1 Million Personen in der bundesweiten Datei „NADIS“ registriert; ca. 440.000 davon, weil sie<br />

angeblich an verfassungsfeindlichen Bestrebungen teilnehmen (zum Vergleich: ca. 39.000 Personen<br />

werden der rechts-, ca. 30.000 Personen der linksextremen Szene zugerechnet, ca. 32.000 Personen<br />

sind islamistische Extremisten). Eigentlich gibt es überhaupt keinen Anlaß zu einem derart<br />

umfassenden, grundsätzlichen Mißtrauen gegen die Bürger.<br />

Ein Staat, der jedem Menschen derart große individuelle Entfaltungsmöglichkeiten gibt wie der<br />

unsere, muß sich eigentlich auch vor kollektivistischer Propaganda gleich welcher Coleur nicht<br />

verstecken, denn seine Vorzüge sind ja evident. Daß vorstehende Praxis parlamentarisch kontrolliert<br />

wird, vermag wenig zu trösten, wenn man parlamentarisch nicht repräsentiert ist. Trost vermittelt<br />

nur der Gedanke, daß es immerhin noch nicht verboten ist, die bestehenden Verhältnisse zu<br />

kritisieren. Aber wahrscheinlich ändert der Verfassungsschutz auch das bald.<br />

383


Der Streit um die deutsche Nachkriegsdemokratie<br />

Geschrieben von: BN-Redaktion<br />

Dienstag, den 23. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die deutsche Nachkriegsdemokratie war ein Erfolgsmodell. In den letzten Jahren und insbesondere<br />

im Hinblick auf die gesamtdeutsche Situation seit 1990 haben sich die Funktionalität derselben sowie<br />

das Integrationspotential der Parteien merklich verschlechtert. Der Diplom-Politologe Daniel Bigalke,<br />

bei blauenarzisse.de bisher mit seinen Essays über „Demokratie am Scheideweg“, „Demokratismus<br />

als Ideologie“ und Rezensionen zur „Konservativen Revolution“ in Erscheinung getreten, betrachtet<br />

in seinem nun vorliegenden Buch „Der Streit um die deutsche Nachkriegsdemokratie. Zweihundert<br />

Jahre deutsches Staatsdenken und bundesdeutscher Parlamentarismus im Fokus einer neuen<br />

Wissenschaft von Politik und Reflexion.“ die Demokratie als dynamischen Gestaltungsauftrag.<br />

In nahezu 300 Schriften, Quellen und Manuskripten studierte Bigalke die Entwicklung der deutschen<br />

Demokratietheorie sowie die politologischen Denkmuster ihrer Initiatoren vor und nach dem<br />

Schicksalsjahr 1945. Über die gewonnenen Erkenntnisse entwickelt er für die Deutschen ein neues<br />

historisch begründetes politisches Profil. Grundlagen der Untersuchung sind dabei die älteren<br />

Traditionsbestände der deutschen Geistesgeschichte, die erstmalig zum Gegenstand einer<br />

ideologisch unvoreingenommenen Erörterung gemacht werden.<br />

Zu Wort kommen Kritiker und Befürworter der bundesdeutschen Demokratie, Vertreter und<br />

Verneiner des traditionellen deutschen Staatsdenkens, um zu zeigen, daß Deutschland mehr war, ist<br />

und wieder sein kann, als es in der politischen und philosophischen Wissenschaft der Nachkriegszeit<br />

und im Rahmen der „Umerziehung“ nach 1945 darzustellen versucht wurde. Das im VDM Verlag Dr.<br />

Müller erschienene Buch richtet sich an Wissenschaftler und an politisch Interessierte jeglicher<br />

Coleur, die über den bisher üblichen Horizont politischen Denkens hinausblicken wollen.<br />

Daniel Bigalke, 27 und verheiratet, ist freier Schriftsteller in Berlin und befaßt sich vorrangig mit<br />

Fragen der Entwicklung einer zukunftsfähigen Demokratietheorie aus dem Geiste philosophischer<br />

Staatstheorie und deutscher Staatsphilosophie. Neben Tätigkeiten als Referent im Deutschen<br />

Bundestag und bei Politikberatungsunternehmen, bei politischen Stiftungen und Akademien<br />

veröffentlichte er Kurzessays, Rezensionen und Kurzbeiträge in philosophischen und politischen<br />

Fachzeitschriften. Dabei geht es ihm um die Verknüpfung von altem und neuem Staatsdenken, um<br />

aus dieser ganzheitlichen Betrachtungsweise einen umfassenden und damit zukunftsfähigeren<br />

Politikbegriff in Deutschland zu entwerfen.<br />

384


Nachkriegsdemokratie II<br />

Geschrieben von: Josef Schüßlburner<br />

Mittwoch, den 24. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Jurist Josef Schüßlburner hat das Nachwort zum neuen Buch von Daniel Bigalke „Der Streit um<br />

die deutsche Nachkriegsdemokratie“ verfaßt. Exklusiv auf blauenarzisse.de können Sie dieses<br />

nachlesen. Schüßlburner geht in seinem Nachwort auf den von einem Politologen konstatierten<br />

stillschweigenden Verfassungskonflikt ein und zweifelt am freiheitlichen Charakter des dem<br />

Grundgesetz unterstellten Konzepts der "wehrhaften Demokratie". Er hebt hervor, daß die Freiheit<br />

der Bürger in der Bundesrepublik durch Instrumente wie z.B. den Verfassungsschutz und politisches<br />

Meinungsstrafrecht beschnitten wird. In verschiedenen politischen Magazinen (eigentümlich frei,<br />

Aula, …) äußerte sich Schüßlburner bereits zur „Gesinnungsdemokratie“ in Deutschland und stellte<br />

unlängst gemeinsam mit Hans-Helmuth Knütter einen Alternativen Verfassungsschutzbericht vor, der<br />

verfassungswidrige Bestrebungen dort aufdecken will, wo bundesdeutsche Behörden nicht suchen.<br />

Die Arbeit von Daniel Bigalke beruht auf der Prämisse, daß die Demokratiefrage in Deutschland noch<br />

nicht entschieden sei. In normativer Hinsicht wird diese Position mit dem Schlußartikel 146 des<br />

Grundgesetzes (GG) für die Bundesrepublik Deutschland bestätigt. Dieser geht noch immer davon<br />

aus, es werde einmal eine vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossene Verfassung<br />

geben. Dieser bemerkenswerte GG-Artikel erklärt sich daraus, daß bei den Mitgliedern des<br />

Parlamentarisches Rates ein Unbehagen beim Erlaß eines Grundgesetzes bestanden hat, welches<br />

man vertretbarer Weise billigen konnte, weil es gegenüber der ausschließlichen Geltung eines<br />

Besatzungsstatuts eine akzeptable Lösung darstellte. Eher unbewußt trat dieses Unbehagen zum<br />

Zeitpunkt der Wiedervereinigung bei der politischen Klasse wieder hervor, als es diese in der Hand<br />

gehabt hätte, Artikel 146 GG durch Aufhebung formal zu erledigen. Statt dessen wurde dieser Artikel<br />

normativ bekräftigt und der etablierten Grundgesetzlehre – darauf hat sich die Staatswissenschaft in<br />

Konkurrenz zur politisch maßgeblicheren Politikwissenschaft mittlerweile reduziert – bereitet es<br />

erhebliches Kopfzerbrechen, wie man über eine Bestimmung hinwegkommen kann, die davon<br />

ausgeht, daß die Deutschen entscheiden dürfen, es könnte mit dem Grundgesetz einmal vorbei sein!<br />

Nachwort von Josef Schüßlburner aus: Bigalke, Daniel 20<strong>07</strong>: Der Streit um die deutsche<br />

Nachkriegsdemokratie. Zweihundert Jahre deutsches Staatsdenken und bundesdeutscher<br />

Parlamentarismus im Fokus einer neuen Wissenschaft von Politik und Reflexion, VDM Verlag Dr.<br />

Müller e.K., Saarbrücken, ISBN: 978-3-8364-3126-2.<br />

Vorstellung dieses Buches:<br />

Der Streit um die deutsche Nachkriegsdemokratie<br />

Dabei gemahnt Artikel 146 GG vor allem daran: Wäre es den Bestatzungsmächten um Demokratie<br />

gegangen, hätte es genügt, wie vergleichbar in Österreich geschehen, die demokratische Verfassung<br />

Deutschlands von 1919 wieder zur Wirksamkeit zu verhelfen. Statt dessen gibt es mit dem<br />

Grundgesetz ein Werk, das Zweifel aufwirft, ob die mit ihm begründete Bundesrepublik wirklich als<br />

liberale oder westliche Demokratie angesprochen werden kann, auch wenn es dem Selbstverständnis<br />

der politischen Klasse entspricht, daß mit diesem Werk die zum Idealfall verklärte Verwestlichung<br />

gelungen sei. Dem steht aber neben extremen Vorschriften zur internationalen Einbindung vor allem<br />

die illiberale Vereins- und Parteiverbotskonzeption als Demokratie-Sonderweg entgegen, der sich in<br />

einem umfassenden System von Verbotssurrogaten (politisches Meinungsstrafrecht,<br />

Verfassungsschutzberichtseintragung, weltanschauliche Beschäftigungspolitik) und Annexinstituten<br />

385


(sozialisiertes Rundfunkwesen, wahlrechtliche Aussperrklausel) als veralltäglichter ideologischer<br />

Notstand manifestiert. Dieser ideologie-politische Notstand, der die politischen und<br />

weltanschaulichen Optionen der Deutschen erheblich beschränkt, stellt sich deshalb ein, weil ein<br />

latenter Verfassungskonflikt konstatiert werden kann: So beurteilen die Deutschen etwa ihre<br />

Parlamentarier nicht nach den Kriterien eines parlamentarischen Regimes, sondern nach den<br />

Verfassungsgrundsätzen des Konstitutionalismus.<br />

Diese Beobachtung, die der Politikwissenschaftlicher Patzelt machen musste, verleiht dem Ansatz des<br />

Politologen Bigalke auch eine inhaltliche Berechtigung: Es gilt, eine spezifisch deutsche Sichtweise<br />

des Demokratiegedankens zu gewinnen, was sich aus der überlieferten Geistestradition der<br />

Deutschen durchaus ableiten läßt. Diesem durch die „Demokratiewissenschaft“ (Politologie) politisch<br />

vorsätzlich verdrängten Fundus ist es sogar zu verdanken, daß die Bundesrepublik Deutschland<br />

durchaus „funktioniert“ (hat). Die Politikwissenschaft kann nämlich nicht überzeugend erklären,<br />

warum das amerikanische Militärregime zwar in Deutschland eine Demokratie installieren konnte,<br />

dies aber etwa im Irak merklich fehlschlägt. Daran ist erkennbar, daß das von den Ideologiegehalten<br />

der Besatzungsherrschaft geprägte politische Selbstverständnis der politischen Klasse der BRD die<br />

Voraussetzungen des Funktionierens der Bundesrepublik nicht wirklich begreift. Die<br />

Erfolgsvoraussetzungen der Bundesrepublik bestehen wohl doch vor allem im Nachwirken von<br />

Traditionsbeständen, die jedoch dem Verdacht der Politikwissenschaft und damit der BRD-<br />

Inlandsgeheimdienste ausgesetzt sind, eigentlich verbotenes „anti-demokratisches Denken“<br />

darzustellen, das angeblich zu „1933“ geführt habe. Wenn dieser Glaubenssatz aus dem<br />

Geheimwissen der Ämter für „Verfassungsschutz“ zutreffend wäre, hätte allerdings der<br />

„Obrigkeitsstaat“ schon in etwa so funktionieren müssen wie die mit Demokratiebekenntnissen<br />

durchaus nicht sparsamen sozialistischen Diktaturen des sogenannten Dritten Reichs und der DDR.<br />

Einer derartigen Unterstellung steht aber die neueste Erkenntnis aus den USA, nämlich von Margaret<br />

Lavinia Anderson entgegen, wonach im Deutschen Kaiserreich demokratische Verfahren durchaus<br />

genuiner praktiziert worden sind als in dem als vorbildlich zu haltenden Westen. Schon aus diesem<br />

Grunde ist der Ansatz von Bigalke zu begrüßen, daß man doch offen und reflektiert an Traditionen,<br />

Mentalitäten, Problembewußtsein und Weltverständnis anknüpfen soll, was ohnehin zum Vorteil der<br />

Bundesrepublik weitergewirkt hat. Statt die wirklichen Erfolgsvoraussetzungen der Bundesrepublik<br />

gedanklich zu verdrängen oder einem permanenten Verdacht auszusetzen, sollten die<br />

Traditionsbestände der politischen Geistesgeschichte Deutschlands zum Gegenstand der offenen<br />

Erörterung gemacht werden. Dazu gehören etwa die Verfassungsvorstellungen des deutschen<br />

Widerstandes gegen das Hitler-Regime. Diese Widerstandskämpfer werden zwar von der politischen<br />

Klasse der BRD formal geehrt, aber nicht wirklich verstanden, vor allem werden deren Anliegen<br />

gänzlich verdrängt. Würde man sich mit diesen Anliegen und Vorstellungen auseinandersetzen,<br />

könnte man sich kaum der Erkenntnis verschließen, daß die Widerstandskämpfer gegen das Dritte<br />

Reich in der BRD in „Verfassungsschutzberichten“ aufgeführt werden müßten. Dies würde nicht nur<br />

die als „demokratisch“ verstandene Enge des bundesdeutschen Pluralismus belegen, sondern auch<br />

den latenten Verfassungskonflikt deutlich machen. Dieser besteht vielleicht darin, daß die Deutschen<br />

sich durch die „Verfassung“ gehalten sehen, die Gründe ihres Erfolgs zu verleugnen und diesen<br />

einem imaginären Westen zuschreiben müssen, der das Grundgesetz „für die Bundesrepublik“<br />

gegeben hat.<br />

Dem Anliegen von Bigalke wäre sicherlich entsprochen, wenn es statt eines Grundgesetzes für die<br />

Bundesrepublik wenigstens ein Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gäbe. Letzteres müßte<br />

sich vom ersteren möglicherweise formal gar nicht wirklich unterscheiden. Ein Grundgesetz der<br />

386


Bundesrepublik Deutschland (und nicht nur eines für diese) wäre jedoch das Ergebnis einer<br />

ergebnisoffenen Reflektion auf der Grundlage einer spezifisch deutschen Interessenlage und des<br />

Aufgreifens der Argumente und Gesichtspunkte der verdrängten deutschen Geistesgeschichte<br />

jenseits von links und rechts und den damit verbundenen diffamierenden Ausgrenzungen eines<br />

latenten, aber permanenten Verfassungskonflikts.<br />

Diese, die Integration der Deutschen dienende Sichtweise hat allerdings das Verständnis zur<br />

Voraussetzung, daß Demokratie auf einer mehr ideologischen Ebene sicherlich als universelles<br />

Konzept verstanden werden kann, in dem Sinne, daß es nicht ausgeschlossen ist, daß sich überall die<br />

demokratische Regierungsweise durchsetzt. Die Verwirklichung dieses Konzepts ist jedoch nur<br />

partikulär möglich, so wie in der Tat etwa im Falle von Indien zu beobachten ist, daß die Inder durch<br />

die Demokratie, wenngleich in der spezifischen Weise dieser Verfassungsform, gewissermaßen<br />

indischer geworden sind, als sie es während der westlichen Kolonialzeit waren. In diesem Sinne meint<br />

gelungene Demokratie in Deutschland, die nur in der Überwindung des latenten Verfassungskonflikts<br />

bestehen kann, daß – sicherlich in einer spezifischen Weise – die Deutschen so deutsch werden wie<br />

etwa die Amerikaner amerikanisch sind. In Übereinstimmung mit dem deutschen Weltbürgertum<br />

macht dies auch deutlich, daß Nationalstaatskonzept und Universalismus keine Gegensätze sind,<br />

sondern sich auf der Grundlage des Demokratiekonzepts bedingen. Dagegen wird ein Universalismus,<br />

der das Nationalstaatsprinzip negiert, die Demokratie ablehnen müssen, mag diese<br />

Demokratieablehnung, die bei den etablierten politischen Kräften latent vorhanden ist, mit Formeln<br />

wie „demokratische Werteordnung“ oder „Europa“ verschleiert werden.<br />

Die Arbeit von Bigalke trägt in diesem Sinne wirksamer zum Verständnis des demokratischen<br />

Gedankens bei als etwa der sogenannte Verfassungspatriotismus, der dem Volk die Verfassung<br />

entwindet (insbesondere den Sinngehalt von Artikel 146 GG entwertet) und deshalb ebenfalls eine<br />

Formel zur Demokratieabschaffung darstellt. Möge sich demgegenüber das Konzept von Daniel<br />

Bigalke zur Schaffung einer genuin deutschen Politikwissenschaft als gleichsam überfälliger<br />

Paradigmenwechsel durchsetzen!<br />

387


Diekmann und die 68er<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Mittwoch, den 24. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Kai Diekmann, BILD-Chefredakteur, wittert „den großen Selbstbetrug“, obwohl er sich in seiner<br />

Position ständig fragen müßte, ob er nicht selbst einer der größten Betrüger in Deutschland ist. Vor<br />

wenigen Tagen brachte Diekmann seine Streitschrift „Der große Selbstbetrug“ an die Öffentlichkeit<br />

und rechnet darin mit den 68ern ab, die Deutschland mit Mittelmäßigkeit, übertriebener<br />

Ichbezogenheit, Kuschelpädagogik und Faulheit verdorben hätten. Daß solche Worte, die<br />

mittlerweile diskursfähig geworden sind, aus dem Munde Diekmanns kommen, ist wenig<br />

verwunderlich und doch wünscht man sich, daß diese berechtigte Kritik an den 68ern von einer<br />

sympathischeren und glaubwürdigeren Instanz kommen würde.<br />

Diekmanns Buchvorstellung muß groteske Züge angenommen haben. Da steht einer vorne, dem<br />

keiner glaubt, und schwafelt von „fehlenden Maßstäben“ und zuviel „Verständnis für jeden<br />

Sexualstraftäter, jeden Asylbewerber, jeden afrikanischen Drogenhändler“. Das Ganze inszeniert<br />

dieser Schwätzer im Hause des Feindes bei der tageszeitung (taz) und lädt sich als Laudator auch<br />

noch mit dem ehemaligen Kulturstaatsminister Michael Naumann jemanden ein, der das vorgestellte<br />

Buch sofort zerreißt. Bereits vor der Veröffentlichung des Buches warf Alan Posener im Weblog von<br />

welt.de Diekmann Scheinheiligkeit vor. Ironisch merkte er an: „Die 68er zwingen ihn noch heute,<br />

täglich auf der Seite 1 eine Wichsvorlage abzudrucken, und überhaupt auf fast allen Seiten die<br />

niedrigsten Instinkte der BILD-Leser zu bedienen, gleichzeitig aber scheinheilig auf der Papst-Welle<br />

mitzuschwimmen.“<br />

Unter den `68ern haben sich die Dummen durchgesetzt und die<br />

Intellektuellen sind auf der Strecke geblieben.<br />

Tatsächlich gehört Kai Diekmann als BILD-Chefredakteur nicht zu denen, die glaubwürdig die fatalen<br />

Folgen der Kulturrevolution von 1968 anprangern können. Noch dazu ist Diekmann höchst<br />

unsympathisch. Das unterscheidet ihn auch vom Erscheinungsbild der „richtigen“ 68er. Was ist an<br />

Diekmann unsympathisch und an den `68ern sympathisch? Die ehrliche, antiautoritäre Einstellung<br />

der 68er der ersten Stunde, ihr vom Mainstream abweichender Habitus und Lebensstil und ihr naiver<br />

Idealismus machen sie sympathisch. Unsympathisch hingegen waren und sind die machtgierigen,<br />

opportunistischen 68er – die Fischers, Trittins und Schröders. Nach dem Erleben der linken<br />

Jugendbewegung von 1968 suchten sie später immer nur den Weg des geringsten Widerstandes,<br />

traten den „Marsch durch die Institutionen“ an und tauschten dabei die eigenen Überzeugungen<br />

bereitwillig gegen Posten ein.<br />

Der Augenblick, in dem Nüchternheit in die Debatte über die 68er einkehrt,<br />

ist lange noch nicht in Sicht.<br />

Kai Diekmann ist ebenfalls ein angepaßter Idiot, der sein Fähnlein immer schön in den Wind hängt<br />

und auf dessen Meinung man nichts geben kann. Eine Bewegung wie der Jugendprotest von 1968 hat<br />

immer etwas Mitreißendes, die dämliche Kritik eines Diekmann dagegen hat nur etwas Abstoßendes.<br />

388


"Invasion": Angriff der Gleichmacher<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Mittwoch, den 31. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Mit „Invasion“, der vierten Verfilmung des Romans "Die Körperfresser kommen" von Jack Finney, gab<br />

der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel sein Hollywood-Debüt. Zuvor hatte Hirschbiegel mit<br />

deutschen Produktionen wie "Das Experiment", vor allem aber dem Historien-Drama "Der<br />

Untergang" internationale Beachtung erlangt. „Invasion“ jedoch sei ein missglückter Hollywood-<br />

Einstand, meinen zumindest die meisten Filmkritiker. Der Misserfolg zeichnete sich bereits während<br />

der Produktion des Filmes ab, da Hirschbiegel noch vor Drehschluss abgelöst wurde. Für die Nach-<br />

und Überarbeitung des Filmes wurden die Wachowski-Brüder sowie James McTeigue verpflichtet. In<br />

der Tat gelingt es „Invasion“ nicht, über ein filmisches Einwegerlebnis hinaus zu kommen und doch<br />

transportiert dieser Film eine interessante Botschaft.<br />

Kein Automatismus zwischen Geld und Qualität<br />

Auch wenn es sich bei der 65-Millionen-Dollar-Produktion für Hollywood-Verhältnisse fast um einen<br />

"Low-Budget"-Streifen handelt (was Hirschbiegel ausdrücklich so wollte), zeigt dieser Film, dass viel<br />

Geld nicht automatisch einen guten Film garantiert. Zum Vergleich: Hirschbiegels Welterfolg "Der<br />

Untergang", die bisher teuerste deutsche Produktion, kostete gerade einmal 15 Millionen Euro.<br />

Das Skript von „Invasion“ ist eher dürftig, die Charaktere bleiben trotz Starbesetzung blass.<br />

Insbesondere die Beziehung der Psychiaterin Bennell zu ihrem Sohn wirkt unglaubwürdig, zu<br />

distanziert. Auch wenn nicht wenige alleinerziehende Mütter in der modernen US-Großstadt eine<br />

distanzierte, manchmal auch kühle Beziehung zu ihrem Kind pflegen dürften, für die Dramaturgie des<br />

Filmes wäre es trotzdem von Vorteil gewesen, hier eine emotionalere Nähe zu erzeugen, die dem<br />

Zuschauer die Identifikation mit den Charakteren und der Geschichte als Ganzes erleichtert hätte.<br />

Ansehen und wieder vergessen dürfte deshalb wohl die Devise der meisten Kinobesucher lauten.<br />

Sicherlich handelt es sich bei „Invasion“ nicht um ein cineastisches Meisterwerk. Handwerklich ist es<br />

wohl im besten Falle unterer Hollywood-Durchschnitt. Was jedoch viele Kritiker scheinbar nicht<br />

erkannt und gewürdigt haben, das ist die versteckte Botschaft des Filmes.<br />

Nun aber erst einmal zur eigentlichen Geschichte des Films: Eine Raumfähre kracht auf die Erde,<br />

genauer auf jenen Flecken, der sich USA nennt, schleudert dabei Einzelteile durch die gesamte<br />

Gegend. Und wie böse Kapitalisten-Menschen nun mal sind, machen sich einige auch gleich daran die<br />

Trümmerteile des ehemaligen Sternengefährts zu stibitzen und über eBay meistbietend zu<br />

verkaufen. Dadurch werden diese über den gesamten Globus verteilt, samt einem außerirdischen<br />

Souvenir, einer Art Virus.<br />

Nachdem die mit diesem Virus Infizierten in das Land der Träume entschwunden sind, breitet es sich<br />

in den Körpern aus und übernimmt die Kontrolle. Jegliche Emotionen werden ausgeschaltet. Die<br />

Infizierten mutieren zu gleichgeschalteten, gefühllosen Zombies, die nur noch eines im Sinn haben:<br />

das Virus zu verbreiten und alle ins Jenseits zu befördern, die sich nicht infizieren lassen wollen oder<br />

können.<br />

Der Gleichheits-Virus<br />

Neben denen, die unverständlicherweise nicht zu gefühlskalten Einheitskreaturen gemacht werden<br />

wollen, gibt es nämlich auch Menschen, die immun gegen eine Infektion mit dem außerirdischen<br />

Gleichheitsvirus sind, weil sie in der Vergangenheit einmal an Scharlach erkrankt waren.<br />

389


Die Psychiaterin Carol Bennell (Nicole Kidman), deren Sohn einer der Immunisierten ist, sowie der<br />

Wissenschaftler Ben Driscoll (Daniel Craig) untersuchen die Vorkommnisse und stellen sich im<br />

Verlauf des Filmes heldenhaft gegen die Armee der Infizierten und deren globale Pandemiepläne. Am<br />

Ende wird der Kampf natürlich belohnt und ein Heilmittel gefunden. Alles ist wieder in Butter und<br />

kann weitergehen wie bisher – Hollywood halt.<br />

Die Botschaft<br />

Natürlich geht es im Grunde nicht um ein außerirdisches Virus, sondern die Aussage des Filmes kann<br />

vielmehr als politische interpretiert werden. Das Virus ist eine Metapher für eine totalitäre, egalitäre<br />

Ideologie. Die Infektion stellt die Ausbreitung dieser Ideologie dar, die stark durch den Einsatz von<br />

Zwang geschieht. Wer immun gegen das Virus ist, sich also der Ideologie nicht unterwirft, wird<br />

„entfernt", wie dies in totalitären Systemen üblich ist.<br />

Dass der Film eine metaphorische Warnung vor einer solchen Ideologie darstellt, wird deutlich, als<br />

die wortführenden Infizierten gegenüber Bennell mehrmals von einer Welt ohne Schmerz sprechen –<br />

einer Welt von gleichen und friedlichen Menschen. Doch diese Welt ist nur um den Preis der<br />

Entmenschlichung des Menschen zu erkaufen. Und das ist ein ziemlich hoher Preis.<br />

390


„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ Art. 3 Abs. 2<br />

GG<br />

Geschrieben von: Michael Schulz<br />

Mittwoch, den 31. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Niemand würde diesen völlig selbstverständlichen Satz anzweifeln, wenn nicht die Politik den<br />

zweiten Teil des Art. 3 Abs. 2 GG „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung von Frauen und<br />

Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ überinterpretieren würde. Die<br />

staatlich verordnete Gleichberechtigung äußert sich bis jetzt vor allem in lächerlichen<br />

Formulierungen wie „unsere Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan“ (Jung) oder „Genossinnen<br />

und Genossen“ (Beck), dem Bundesministerium für Frauen, gelegentlichen bösen Blicken zu<br />

Unternehmen, die in ihrer Führungsetage keine Frauen haben und der Krippenplatzoffensive. Etwas<br />

Wirkungsvolles gibt es nicht. Warum nicht, ist ganz einfach: Frauen sind gleichberechtigt. Es gibt<br />

nichts zu tun!<br />

Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass selbst diese Punkte unlogisch und widersprüchlich<br />

sind. Beispiel Beck: Der SPD Vorsitzender spricht neuerdings von seinen „Genossinnen und<br />

Genossen.“ Gerade die Linken setzen sich doch für die totale Gleichberechtigung aller Menschen,<br />

aller Genossen ein, deswegen ja auch dieser Begriff der für alle steht. Deswegen ist es eigentlich ein<br />

Bruch mit der Wortbedeutung, wenn plötzlich von „Genossinnen“ geredet wird, denn so gäbe es<br />

doch zwei Arten von Menschen, „Genossen“ und „Genossinnen“.<br />

MenschInnen und Menschen<br />

Das Bundesministerium für Frauen fordert immer und überall, dass Frauen der Gang in alle Berufe<br />

freistehen müsste und sämtliche Diskriminierungen streng zu ahnden seien. Das ist sicherlich richtig,<br />

aber wie ist es, wenn man die Sache aus der anderen Richtung betrachtet? Wie viele männliche<br />

Arzthelfer gibt es? Wie viele männliche Krankenschwestern? Es gibt inzwischen Unternehmen, die<br />

damit werben nur Frauen zu beschäftigen. Nur darüber regt sich niemand auf.<br />

Die Krippenplatzoffensive ist das Paradebeispiel der Politik um die Wahlfreiheit zwischen Familie und<br />

Beruf sicherzustellen. Die Politiker, die diese Offensive vorantreiben, begehen einen Denkfehler. Es<br />

scheint nämlich so, dass die Parteien das Ziel haben, die traditionelle Familie zu zerstören. Die<br />

Wahlfreiheit besteht bereits. Eine gutqualifizierte Frau mit Kindern kann ganz einfach ohne<br />

Krippenplätze auskommen, indem der Mann die Erziehung übernimmt. Und so haben wir doch<br />

eigentlich genau das, was die Frauenrechtler wollen, die Frau an der Stelle des Mannes, die völlige<br />

Gleichberechtigung. Herrlich!<br />

Verfehlte Familien- und Frauenpolitik<br />

Warum die Frau laut den linken Parteien nur gleichberechtigt ist, wenn sie arbeitet und die Kinder in<br />

eine Krippe gibt, ist absolut unverständlich. Mit Wahlfreiheit hat das gar nichts zu tun.<br />

391


Ein Wort zum Thema Gesundheit<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 01. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das Thema Gesundheit ist eigentlich etwas für alte Leute, die sich damit beschäftigen, ob sie mit 85<br />

noch eine künstliche Hüfte auf Staatskosten bekommen oder nicht. Da aber die Lust am Sport bei<br />

Jugendlichen in den letzten Jahren drastisch gesunken ist und die jungen Leute ihre Zeit lieber sitzend<br />

vor dem Fernsehen, dem Computer oder in einem Fast-Food-Restaurant verbringen, sind auch sie zu<br />

einem Patienten und Konsumenten der Gesundheitsindustrie geworden. Bei Erwachsenen, die<br />

mitten im Leben stehen, sieht es nicht besser aus. In ihrem täglichen Streß fühlen sie sich nicht in der<br />

Lage, nebenbei regelmäßig Sport zu treiben und sich gesund zu ernähren.<br />

Die repräsentative Befragung der Techniker Krankenkasse (TK) „Kundenkompass Bewegung und<br />

Gesundheit“ zeigt es: Jugendliche verbringen am Tag mehrere Stunden vor dem Fernsehen oder<br />

Computer und bewegen sich nur noch halb so viel wie vor einigen Jahren. Bei den Erwachsenen<br />

ergibt sich ein ähnliches Bild. Nur jeder Fünfte treibt noch regelmäßig Sport.<br />

Meist bleibt diese bewegungsarme Lebensweise nicht folgenlos. „Unsere Studie zeigt, wie krank der<br />

Bewegungsmangel die Menschen macht. Während zum Beispiel jeder zweite Antisportler unter<br />

Rückenschmerzen leidet, sind nur halb so viele Aktive betroffen. Auch Herzinfarkt, Diabetes,<br />

Übergewicht und Depressionen sind für die Inaktiven eine deutlich größere Gefahr“, sagt Karin Gangl,<br />

die die im Oktober 20<strong>07</strong> veröffentlichte Studie der TK mitbetreut hat.<br />

Auf die Gründe ihres Bewegungsmangels angesprochen, sagten die Befragten der Studie, die<br />

Ökonomisierung ihres Lebens habe zu dieser ungesunden Lebensweise geführt. Und tatsächlich ist<br />

dies ein entscheidender Punkt. Die Trennschärfe zwischen Berufszeit und Freizeit schwindet ebenso<br />

wie die Trennung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit. Ein vermehrtes Streßgefühl bei den<br />

Menschen ist die Folge dieser gesellschaftlichen Umstrukturierung.<br />

Für ein bewußtes Leben glauben die Menschen, keine Zeit mehr zu haben. Sie lassen sich von der<br />

täglichen Zwangsvorstellung leiten, im Konkurrenzkampf der Ellenbogen-Gesellschaft nur durch<br />

erhöhte Mobilität und stetig ansteigenden Zeitaufwand bestehen zu können. Der schnelle berufliche<br />

Aufstieg gelingt dennoch nur den Allerwenigsten. Für die meisten hingegen bedeutet die<br />

Beschleunigung ihres Lebens eine ständige Unzufriedenheit.<br />

Durch Entschleunigung und ein gesundes, bewußtes Leben könnte jeder dieser Unzufriedenheit<br />

vorbeugen und durch die neu erlangte Tiefe des eigenen Lebens eine höhere Lebensqualität<br />

verwirklichen.<br />

392


Carl Schmitt, die Neocons und der Kampf gegen den<br />

Terror<br />

Geschrieben von: Simon Meyer<br />

Donnerstag, den 08. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Fukuyamas Ankündigung des „Endes der Geschichte“ hat sich bekanntlich als verfehlt erwiesen. Mit<br />

dem Fortbestehen zwischenstaatlicher Konflikte und Freund-Feind Mustern bleibt das politische<br />

Denken Carl Schmitts unverändert aktuell. Der französische Philosoph Alain de Benoist – unlängst<br />

durch die Herausgabe einer umfassenden Bibliographie der Werke Carl Schmitts hervorgetreten –<br />

leitet nunmehr in dem im Verlag der Jungen Freiheit erschienenen Essay „Carl Schmitt und der Krieg“<br />

Parallelen von Schmitts politischem Denken und der Ideologie des Kampfes gegen des Terror her.<br />

Der Titel des Werkes mag etwas irreführen. Es geht Benoist in dem Essay nicht um eine isolierte<br />

Auseinandersetzung mit dem Begriff des Krieges bei Schmitt, sondern um die Frage nach Parallelen<br />

von Schmitts politischem Denken und der Ideologie des Kampfes der USA und ihrer Verbündeten<br />

gegen den Terror. Benoist gibt, immer wieder auf Schmitt rekurrierend, eine persönliche<br />

Einschätzung der amerikanische Interventionspolitik wider und unterzieht diese einer teilweise<br />

scharfen Kritik. Gleichzeitig zeigt er auf, wie Schmitt bestimmte Entwicklungen in der heutigen<br />

weltpolitischen Lage vorhergesehen hat.<br />

Bush handelt nicht schmittianisch.<br />

Benoist nimmt die in den USA von verschiedenen – vornehmlich linken – Autoren propagierte These<br />

als Ausgangspunkt, die Neokonservativen um George W. Bush wären schmittianisch geprägt und<br />

untersucht diese These auf ihre Stichhaltigkeit. Das Ergebnis sei vorweggenommen, nach Benoist ist<br />

die These nicht haltbar. Vielmehr bestehen tiefgreifende Unterschiede zwischen Schmitt und seiner<br />

politischen Philosophie und den Protagonisten des Kampfes gegen den Terror. Die Gründe für den<br />

Irrtum der Verfechter der aufgegriffenen These liegen – so Benoist im Eingang des Essays – neben<br />

dem Umstand, daß Schmitt von diesen nicht oder nur oberflächlich gelesen wird, in einer<br />

Verkennung des unterschiedlichen Gebrauchs der Begriffe des Konservativen und des Liberalen in<br />

den USA und Europa. Nach dem Maßstabe des europäischen Gebrauchs dieser Begriffe sind die<br />

amerikanischen Neokonservativen gerade keine Konservativen sondern Liberale, so Benoist.<br />

Kampf gegen den Terror vergleichbar mit den beiden Weltkriegen<br />

In vier Kapiteln, jedes einem Einzelaspekt aus dem politischen Denken Schmitts gewidmet, präzisiert<br />

Benoist sodann seine Überlegungen. Benoist führt aus, daß der Kampf gegen den Terror von seinen<br />

Protagonisten als „gerechter Krieg“ als „theologischer Krieg“ verstanden wird, in dem sich Feinde<br />

nicht auf Augenhöhe als prinzipiell ebenbürtige Gegner gegenüberstehen. Ein Friedensschluß mit<br />

dem Gegner ist im gerechten Krieg nicht denkbar, denn der Gegner ist nicht Rivale um den Besitz<br />

einer Provinz oder um wirtschaftliche Vorteile, sondern er wird zum Feind von Begriffen wie der<br />

Menschheit oder der Freiheit erklärt. Nur in der totalen Vernichtung des Feindes kann das Kriegsziel<br />

erreicht werden. Insofern sei der Kampf gegen den Terror vergleichbar mit dem Zweiten Weltkrieg<br />

und – jedenfalls vom Standpunkt der westlichen Alliierten – auch mit dem Ersten Weltkrieg.<br />

Über Gedanken betreffend der Herkunft des Begriffs des Terrors aus der französischen Revolution<br />

leitet Benoist über zur Figur des Partisanen sowie des Revolutionskämpfers bei Schmitt und<br />

vergleicht diese mit den heutigen Terroristen. Der Partisan weise „tellurischen Charakter“ auf, er ist<br />

also regelmäßig an seine Scholle gebunden. Darin unterscheide er sich vom Revolutionskämpfer, der<br />

etwa in Lenin zu finden ist, der seine Ideologie allumfassend ähnlich dem „gerechten Krieg“<br />

393


verwirklicht sehen will. Anders als in der heute geläufigen Kriegsrhetorik bezeichnet Schmitt den<br />

Partisanen nicht als Verbrecher sondern als politischen Kombattanten. Die Richtigkeit dieser<br />

Klassifizierung zeigt sich nach Benoist schon darin, daß je nach politischem Ziel die gleiche Handlung<br />

einmal als Verbrechen und ein andermal als Heldentat eines Widerstandskämpfers bezeichnet wird.<br />

Permanenter Ausnahmezustand<br />

Innenpolitisch gehe der Kampf gegen den Terror mit einer zunehmenden Einschränkung der<br />

bürgerlichen Freiheiten einher. Nach Benoist ist im Kampf gegen den Terror anders als bei Schmitt<br />

diese Form des Ausnahmezustandes aber nicht ultima ratio zur Bekämpfung einer Notsituation, die<br />

der Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung dient. Angesichts der voraussichtlichen Endlosigkeit<br />

des in der heutigen Form geführten Krieges gegen den Terror drohe der permanente<br />

Ausnahmezustand wie er in seiner erbarmungslosesten Form in Guantánamo zu Tage tritt.<br />

In seinem letzten Kapitel verläßt Benoist schließlich den Kampf gegen den Terror und entwirft ein<br />

Bild einer unipolaren Welt unter Führung der USA. Dies sei dann das Ende des Politischen, wie es<br />

auch Schmitt als eine mögliche Entwicklung vorgezeichnet hat.<br />

Welchen Gewinn zieht man aus dem Essay und wem kann das Buch zur Anschaffung empfohlen<br />

werden? Stört man sich nicht an dem teilweise perfiden Antiamerikanismus des Autors, so stellt der<br />

Essay eine intelligente und aktuelle Interpretation der politischen Philosophie Schmitts dar. Als zum<br />

Nachdenken über die schwierige Frage der anzustrebenden Stellung Europas zur USA anregende<br />

Lektüre, die leicht an einem Abend zu bewältigen ist und die auch dem Einstieg in die Gedankenwelt<br />

Carl Schmitts dienen kann, erfüllt der Essay seinen Zweck in vollem Umfang.<br />

Alain de Benoist 20<strong>07</strong>. Carl Schmitt und der Krieg. Berlin. Junge Freiheit Verlag. 19,80 EUR<br />

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Aus der eigenen Geschichte gelernt<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Donnerstag, den 08. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

In den nächsten Wochen werden wir eine neue Printausgabe der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> herausgeben. Darin<br />

finden sich ausgewählte Texte aus dem Onlinemagazin. Insbesondere möchten wir mit der neuen<br />

Ausgabe junge Autoren fördern und weitere Schüler und Studenten für unser Projekt begeistern. Die<br />

neue Printausgabe werden wir deshalb an einigen Schulen kostenlos verteilen.<br />

Im folgenden können Sie das Vorwort der neuen <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> lesen. Es handelt von den<br />

Verhältnissen in Deutschland, unserer eigenen Zeitungsgeschichte und dem, was für uns daraus<br />

folgte. Eins ist sicher: Der Gegenwind, den wir jahrelang zu spüren bekamen, konnte in Aufwind<br />

umgewandelt werden.<br />

Daß es in Deutschland nicht vorwärts geht, hat viele Gründe. Einer davon ist die fehlende<br />

Meinungsfreiheit. In Deutschland darf man nur theoretisch das sagen, was man will. Nur theoretisch,<br />

nicht praktisch. Eine praktische Meinungsfreiheit würde bedeuten, daß jeder, der neue, einzigartige,<br />

innovative oder zumindest interessante Ansichten vertritt, auch angehört und diskutiert wird. In der<br />

bundesdeutschen Öffentlichkeit findet ein solcher offener Diskurs nicht statt. An Schulen und<br />

Universitäten verhindern ideologisch eingleisig fahrende Lehrer und Dozenten das Aufkommen<br />

kritischer Ideen und für die Entstehung veröffentlichter Meinungen haben sich<br />

Auswahlmechanismen etabliert, die dafür sorgen, daß nur bestimmte Ansichten einem großen<br />

Publikum vorgestellt werden.<br />

Von den Anfängen als Schülerzeitung zum wachsenden Onlinemagazin<br />

Da mir für dieses Vorwort der neuen <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> zwar allerhand Ideen durch den Kopf gingen,<br />

aber keine guten, habe ich noch einmal das Vorwort unserer ersten Ausgabe aus dem September<br />

2004 gelesen. Darin steht:<br />

Der Name <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> „ist eine Kombination aus dem literarischen Symbol der „<strong>Blaue</strong>n Blume“,<br />

welches für unverfälschte Natur steht und der <strong>Narzisse</strong> als Kennzeichen der Individualität und der<br />

Schönheit. Zusammengesetzt bedeutet dies, daß diese Zeitung sich als ein Projekt versteht, das<br />

Schülern (und Studenten) erlaubt, ihre eigene Meinung ohne fremde Außeneinflüsse zu<br />

veröffentlichen. Insbesondere eure kulturellen Fähigkeiten (literarisch, zeichnerisch,...) möchten wir<br />

ans Tageslicht bringen, um einerseits eine dauerhaft qualitativ gute Zeitung herausgeben zu können<br />

und andererseits euch die Möglichkeit zu geben, eure Begabungen weiter auszubauen.“<br />

Aufwind statt Gegenwind<br />

Wir starteten 2004 in Chemnitz als kulturelle Schülerzeitung, die eigentlich nichts weiter wollte, als<br />

ihren Lesern intellektuelle Impulse zu geben. Auf politische Inhalte verzichteten wir bewußt. Leider<br />

war dies damals für die Schulen und die Öffentlichkeit bereits zuviel. Weil wir eine andere – eine<br />

anspruchsvollere, kritischere und unabhängigere – Zeitung machten, sahen wir uns ständigen<br />

Verleumdungen ausgesetzt. Dieser Gegenwind hat unserer Zeitschrift jedoch nur noch mehr Aufwind<br />

gegeben. Die Autoren und Redakteure der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> trauen sich etwas: Sie lassen sich keine<br />

Meinungen aufdiktieren, sondern entwickeln mutig neue. Und weil es in einer so unfreien Zeit wie<br />

der unseren nicht ausreicht nur über Kultur zu philosophieren, schreiben wir inzwischen auch über<br />

Politik. Wir haben die politischen Konsequenzen aus unserem eigenen Werdegang und aufgrund<br />

eigener Erfahrungen gezogen. Die Dekadenz unserer Tage und die fehlende Freiheit in unserem<br />

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Lande läßt uns keine Wahl. Ja, wir sind rechts, denn eine rechte Sicht auf die Dinge fehlt nun einmal<br />

und deshalb liefern wir sie. Viel Spaß und Erkenntnis beim Lesen.<br />

Über das Kontaktformular kann die neue Ausgabe auch gerne schon jetzt bestellt werden. Die neue<br />

<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> wird 4 Euro inklusive Porto und Versand kosten.<br />

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Joschka Fischer – Friedensnobelpreisträger in spe?<br />

Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />

Montag, den 12. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Mit „unserem Joschka“ verfügen die Deutschen über einen Friedensnobelpreisträger in spe – dieser<br />

Eindruck mußte sich angesichts der deutschen Medienberichterstattung in den vergangenen Wochen<br />

demjenigen aufdrängen, der das vergangene Jahrzehnt politisch im Tiefschlaf überstanden hat oder<br />

es altersbedingt noch nicht bewusst miterlebte. Im Fokus der medialen Neuentdeckung des<br />

Außenministers der rot-grünen Koalitionsregierungen (1998-2005) stand eine neue<br />

Buchveröffentlichung Fischers: Die rot-grünen Jahre (Köln 20<strong>07</strong>).<br />

An der Verherrlichung des einstigen Spontis als eines Bannerträgers weltinnenpolitischer Vernunft<br />

wirkten dabei an prominenter Stelle nicht nur Deutsche mit. So gab sich im Oktober diesen Jahres<br />

der US-Regisseur Robert Redford dafür her, im Rahmen der Vorstellung seines Films Von Löwen und<br />

Lämmern, der Irrwege des „Krieges gegen den Terror“ zum Gegenstand hat, zusammen mit Fischer in<br />

Berlin aufzutreten. So trafen sich also ein amerikanischer und ein deutscher Bush-Kritiker.<br />

Fischer bekannte sich zu „uramerikanischen Werten“, von deren Fortleben der Bush-kritische Film<br />

Zeugnis ablege. Redfords Werk „zeige die Fokussierung der US-Regierung auf die militärische Lösung,<br />

die USA hätten den Sinn für das Politische verloren“ (jetzt.de, 25.10.20<strong>07</strong>). Redford schien es nicht zu<br />

stören, daß Fischer in einer Periode an der Spitze der deutschen Diplomatie stand, in der<br />

Deutschland mehrere militärische Auseinandersetzungen geführt hat. Dabei steht der „Kosovo-<br />

Krieg“, die 78tägige Bombardierung Jugoslawiens, unter deutscher Beteiligung im Mittelpunkt der<br />

genannten Fischer´schen Veröffentlichung.<br />

Joschka Fischers 'Friedenspolitik' schliesst militärische Interventionen<br />

nicht aus.<br />

Ausgerechnet der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Eckart von Klaeden<br />

legt – in Gestalt einer von ihm in der FAZ vom 11.10.20<strong>07</strong> veröffentlichten Rezension Fischers – den<br />

Finger in die Wunde rot-grüner Selbstdarstellung im Sinne einer „Friedensmacht“ Deutschland:<br />

„Trotz der umfangreichen Darstellung“ im Interesse einer Rechtfertigung der deutschen Beteiligung<br />

am Jugoslawien-Krieg „fallen die systematische Einordnung des Kosovokonflikts und die Analyse<br />

seiner Bedeutung sowohl für Russland als auch für die Entwicklung des Völkerrechts zu spärlich aus.“<br />

Worauf von Klaeden anspielt, ist zum einen der Umstand, daß Rußland den Luftkrieg der Nato als<br />

einen offenen Bruch nicht nur der UN-Charta, sondern auch des Zwei-Plus-Vier-Vertrages von 1990<br />

wertete, in dem Deutschland sich ausdrücklich zu einem Verzicht auf jedwede Aggressionshandlung<br />

verpflichtet hatte.<br />

Das russische Mißtrauen wurde noch verstärkt durch die Arroganz, die der deutsche Bundeskanzler<br />

Schröder dem Angebot des damaligen russischen Ministerpräsidenten Primakow entgegenbrachte,<br />

zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln. Doch nicht Schröder, sondern sein Außenminister galt in<br />

Rußland bald als der „Totengräber der deutsch-russischen Beziehungen“, wie er im Januar 2000 von<br />

offiziöser russischer Seite tituliert wurde. Von Fischers Auswärtigem Amt gehe im Zusammenhang<br />

mit dem russischen Vorgehen gegen die tschetschenischen Islamisten ein „Informationskrieg“ gegen<br />

Rußland aus.<br />

Die diffuse Europapolitik des Joschka Fischer<br />

Daß sein Vorgesetzter Schröder in den darauffolgenden Jahren darum bemüht war, rußlandpolitisch<br />

im Zeichen einer „Männerfreundschaft“ mit dem russischen Präsidenten Putin das Ruder<br />

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herumzudrehen, bewertet Fischer in seinem neuen Buch als strategischen Fehler – ebenso wie die<br />

primär wahlkampfbedingte Anti-Bush-Polemik Schröders im Vorfeld des Irakkrieges. Zudem bedauert<br />

Fischer, der SPD-Kanzler habe seine „emotionale Distanziertheit gegenüber Europa“ niemals<br />

abgelegt. Gemeint ist ein „Europa“, wie Fischer es in seiner Humboldt-Rede im Mai 2000 postulierte:<br />

eine „Föderation“ anstelle eines „Staatenbundes“, also im Kern die Herabwürdigung der<br />

demokratisch organisierten Nationalstaaten Europas in den Status deutscher Länder. Diesem<br />

Konzept hatte der französische Linksrepublikaner Chevènement bereits im Juni 2000 eine Absage<br />

erteilt: „Weil Deutschland noch immer die Nation diabolisiert, neigt es zur Flucht ins Postnationale.<br />

Da findet es sich im wehmütigen Traum einer Art von Föderation, die unterschiedliche Teile<br />

möglichst regional so zusammenhält, wie das im Heiligen Römischen Reich der Fall war.“<br />

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Spengler: Jahre der Entscheidung<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Montag, den 12. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Über dem von Spengler verfaßten Vorwort zu „Jahre der Entscheidung“ liegt jene dunkle Resignation,<br />

die potentiell in einem Schriftsteller aufkommt, der die Jahre der Entscheidung verspürt, für die<br />

Probleme der Zeit aber sachpolitische Blindheit registriert: „Ich sehe schärfer als andere, weil ich<br />

unabhängig denke, von Parteien, Richtungen und Interessen frei. Ich fühle mich einsamer als je, wie<br />

unter Leuten, die ihre Augen verbunden haben, um den Einsturz des Hauses nicht zu sehen.“ Mit<br />

„Jahre der Entscheidung“ hat Frank Lisson die letzte Schrift Spenglers neu herausgebracht und mit<br />

einem interessanten Vorwort versehen. Der Leser wird dieses Werk gewiss als das stimmungsmäßig<br />

resignierendste und verzweifeltste Buch sehen, welches in Deutschland je unter der Rubrik<br />

„Politische Schrift“ erschienen ist.<br />

Politische Krise der Gegenwart und notwendiger Realismus<br />

„Jahre der Entscheidung“ – das ist die hellsichtige Vorwegnahme heutiger politischer und<br />

ökologischer Krisen in einer schon vor nahezu 80 Jahren erahnten Möglichkeit einer globalisierten<br />

Welt. Das Buch fügt sich abschließend in die bisher wieder neu erschienenen Schriften Spenglers ein<br />

und setzt damit einen Schlußpunkt, der auf eine rege Folgeauseinandersetzung hofft. Der Ares-Verlag<br />

hat dies nun ermöglicht. Die Drucklegung der Originalausgabe von 1933, welche an Spenglers<br />

Hauptwerke „Der Untergang des Abendlandes“ (1918/1922) und „Der Mensch und die Technik“<br />

(1931) anknüpft, war weit vorangeschritten, als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 die Macht<br />

im Deutschen Reich übernahmen. Spengler änderte daraufhin den aus einem in Hamburg gehaltenen<br />

Vortrag herrührenden ursprünglichen Titel des Buches („Deutschland in Gefahr“), um Irritationen zu<br />

vermeiden. Dennoch verstanden die Nationalsozialisten diese Spengler-Schrift als „ersten ganz<br />

großen ideologischen Angriff auf die nationalsozialistische Weltanschauung“. Und der Leser wird<br />

schnell erkennen warum.<br />

Spengler schreibt gleich zu Beginn – anspielend auf die Fackelumzüge und Festakte von 1933: „Ich<br />

sehe mit Bedenken, daß täglich mit so viel Lärm gefeiert wird. Es wäre richtiger, wir sparten das für<br />

einen Tag richtiger und endgültiger Erfolge auf, das heißt außenpolitischer.“ Das Buch stellt den<br />

letzten Akt seines Autors dar, der inzwischen im damaligen Deutschland nicht einmal mehr Statist,<br />

sondern nur verzweifelter und von den Nationalsozialisten totgeschwiegener Zuschauer war.<br />

Spengler verwirft den Hang, die nüchterne Wirklichkeit nicht meistern zu wollen, sondern sie durch<br />

Romantik, Parteitheater, Fahnen, Umzüge oder Uniformen zu verschleiern. Von dieser Warte des<br />

politischen Realismus aus sieht er den Niedergang Europas voraus, nicht zuletzt ausgelöst durch das<br />

„Zeitalter der Weltkriege“. Europa werde seine zentrale Position zugunsten anderer aufstrebender<br />

Staaten und Regionen in der Welt (zum Beispiel Rußland oder Asien) verlieren. Den Niedergang<br />

Europas macht Spengler – und hier zeigt sich seine eminente Aktualität – am demographischen<br />

Faktor fest.<br />

„Zeitalter der Weltkriege“ und demographischer Niedergang Europas<br />

Die Fruchtbarkeit der Einwanderer übertreffe den Geburtenstand Europas in bedrohlichem Maße.<br />

Durch die demographische Katastrophe verspiele Europa seine Zukunft. Diesem pessimistischen<br />

Szenario setzt Spengler die Hoffnung entgegen, daß der physische Untergang Europas verzögert<br />

werden könne. Von der Politik fordert er deshalb Weitsicht und einen Tatsachensinn, der sowohl vor<br />

Weltmachtsträumereien als auch vor utopischer Sozialromantik bewahrt. Dieser Tatsachensinn<br />

399


estätigt sich einmalig in folgender Aussage: „Wir stehen vielleicht schon dicht vor dem zweiten<br />

Weltkrieg, mit unbekannter Verteilung der Mächte und nicht vorauszusehenden - militärischen,<br />

wirtschaftlichen, revolutionären - Mitteln und Zielen.“ Er sollte Recht behalten, was auch vielen<br />

anderen Analysen im vorliegenden Buch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Gegenwart<br />

zukommen läßt. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund trotzdem die Geschwindigkeit, mit der sich<br />

Spengler aus der aktuellen Politik des Tages zurückzog. Man traf ihn später bei der Lektüre Henri<br />

Bergsons und anderer Lebensphilosophen. Er zog sich, sicherlich auch in Anbetracht der „Nacht der<br />

langen Messer“ („Röhm-Putsch“) 1934 in die Theorie zurück.<br />

Proletarisierung der Massen und Abwanderung der Industrie<br />

Die Kapitel des Buches sind sinnvoll gegliedert und spitzen sich analytisch zu. In „Der politische<br />

Horizont“ betont der Autor, daß Menschengeschichte Kriegsgeschichte sei, was auch jede<br />

schönfärberische Ideologie nicht ändern könne. Das Kapitel „Die Weltkriege und Weltmächte“ ist<br />

jenes berühmte die politische Globalisierung erwägende Kapitel, worin Spengler auch das „Zeitalter<br />

der Weltkriege“ prophezeit. Es beginne im 19. Jahrhundert und werde den Übergang von der<br />

Staatenwelt zum imperium mundi – zum Weltimperium – herbeiführen, was angesichts zahlreicher<br />

militärischer Interventionen in Fernost Realität geworden ist. „Wir nennen das Demokratie,<br />

Parlamentarismus, Selbstregierung des Volkes, aber es ist tatsächlich das bloße Nichtvorhandensein<br />

einer ihrer Verantwortung bewußten Regierung und damit eines wirklichen Staates.“ Was wir heute<br />

wohl leichtfertig als „Populismus“ kennzeichnen würden, ist hier für Spengler in seiner Zeit das<br />

nüchterne Erwägen eines „Würfelspiels um die Weltherrschaft“, wobei er wußte, daß eine<br />

Demokratie, die nur blinde Zustimmung einfordert und sich dem Volke entfremdet, ihrem eigenen<br />

Anspruch widerspricht.<br />

Interessant sind die beiden letzten Kapitel des Buches, worin er herleitet, daß die Demokratie auch<br />

dann zu Ende gehe, wenn die Gewalt und das Recht der Fäuste an ihre Stelle treten. Dies geschehe<br />

zugleich in einer Zeit, in der selbst der Kinderreichtum als lästig und lächerlich gilt, einer Zeit des<br />

Egoismus, in der Versammlungen, lärmende Kneipen, Umzüge und Krawalle an der Tagesordnung<br />

stehen. Symptomatisch für solche Zeiten sind Streiks, Sabotage, Wahlbetrug, Regierungskrisen und<br />

die Sucht des „Versichertseinwollens – gegen Alter, Unfall, Krankheit“.<br />

Spenglers traurige Vorhersagen<br />

Ohne Zweifel sind dies Entwicklungen, welche auch das Bild der deutschen Nachkriegsdemokratie<br />

prägen und über die sich heutige Demographen, Ökonomen und Politologen den Kopf zerbrechen.<br />

Das Bild deutscher Großstädte der Gegenwart ist jenes, das Spengler beschrieb. Doch er erahnt noch<br />

mehr: „Zugleich flüchtet die Industrie ins Ausland.“ Für bedrohlich hielt Spengler deshalb eine<br />

weitere Entwicklung, welche die Stellung Europas zusätzlich schwäche: die „tiefe Schlauheit<br />

asiatischer Menschen“, die den Europäern überlegen seien, werde als wirtschaftliche Konkurrenz<br />

auftreten. Europa indes löst sich – scheinbar irreversibel – in eine Summe privater Atome auf, deren<br />

jedes aus seinem Leben die größtmögliche Menge von Vergnügen ziehen will. Im vorliegenden Buch<br />

bezeichnet Spengler diese Entwicklung neben der Proletarisierung der Massen („weiße<br />

Weltrevolution“) als „farbige Weltrevolution“.<br />

Das eigentliche Wesen politischer Courage in der Gegenwart<br />

Man mag nun meinen, daß Spengler, der immer in erstaunlichen Zusammenhängen und Assoziation<br />

denkt, stärker im Behaupten als im Beweisen, im Intuitiven, als im Diskursiven war. Er unterwirft aber<br />

– und dafür steht die vorliegende Schrift - bewußt die Deutung des Vergangenen dem Formwillen der<br />

Zukunft. Spengler, der Konservative, der zum Nationalsozialismus bestenfalls ein Verhältnis hatte wie<br />

400


Kurt Schumacher zum Stalinismus, suchte Männer, geprägte Persönlichkeiten, die realpolitische<br />

Konsequenzen aus seinen Erkenntnissen zogen. Die Nationalsozialisten gehörten nicht dazu.<br />

In der gut lesbaren Einleitung von Lisson steht dazu ein Zitat aus den Notizen von Spenglers<br />

Schwester Hildegard Kornhardt, welche in den letzten Lebensjahren den Haushalt des Bruders<br />

besorgte. Spengler sagt darin: „Wer Menschenkenner ist, der ist Menschenverächter. Wenn sie mir<br />

auf mein Buch hin das immer vorhalten, daß ich die Menschen verachte, während Hitler alle<br />

Menschen liebt, dann spricht das eher für mich.“ Auch hier verkündet sich die tiefe Abneigung gegen<br />

Hitler und sein als „Menschenliebe“ verbrämtes Machtstreben. „Wir wollten die Parteien los sein.<br />

Die schlimmste blieb.“ – so resümierte der „Philosoph des Schicksals“ angesichts der NS-<br />

Machtübernahme.<br />

Es ist zu empfehlen, die vorliegende Schrift nicht nur aus der Perspektive von 1933 zu lesen, sondern<br />

gerade aus der Perspektive der Gegenwart. Dann scheinen der Sinn dieser Schrift und ihre Bedeutung<br />

vollends auf. Der Leser erkennt, daß unverändert ein jeder die Freiheit zur politischen Autonomie,<br />

zur eigenen Meinung und zu wahrer Zivilcourage im eigentlichen Sinne hat. Es ist dies unverändert<br />

eine Courage, die sich des naiven Jasagens zu allem, was medienwirksam auftritt, aus eigener<br />

politischer Reflexion bewußt enthält. Spengler ließ sich seinen Mut trotz geringer Aussicht auf Erfolg<br />

nicht nehmen und warf sich entschlossen den politischen Kartellen seiner Zeit entgegen. Darin bleibt<br />

er Vorbild. Seine hier vorliegende Schrift legt dafür ein einmaliges Zeugnis ab – gerade für die<br />

Gegenwart.<br />

Spengler, Oswald 20<strong>07</strong>. Jahre der Entscheidung. Deutschland und die weltgeschichtliche Entwicklung.<br />

Neu herausgegeben von Frank Lisson, Ares-Verlag, ISBN 978-3-902475-43-5 [Titel anhand dieser ISBN<br />

in Citavi-Projekt übernehmen] , 184 Seiten<br />

401


Neonazis<br />

Geschrieben von: Michael Schulz<br />

Donnerstag, den 15. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Wenn man bei Google <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> sucht, findet man unzählige Seiten, wo der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong><br />

vorgeworfen wird, rechtsradikal zu sein. Es heißt, die BN würde niemals etwas gegen Nazis sagen,<br />

solches Gedankengut zwar nicht explizit verbreiten, aber tolerieren und in einer „light“-Version<br />

verkappt unter die Leute bringen. Dieser Artikel möchte die Unterschiede herausstellen, die zwischen<br />

Neonazis und den Idealen des Konservatismus liegen. Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> kämpft für Niveau in der<br />

Gesellschaft, sie verabscheut Dekadenz, Faulheit und Phantasielosigkeit. Schauen wir uns jetzt die<br />

Rechtsradikalen an:<br />

Der Neonazi:<br />

Nehmen wir einen typischen Neonazi, wie man ihn auf Demonstrationen sieht. Glatzköpfig, Piercings,<br />

speckige Jacke, Springerstiefel. Dazu raucht er noch und greift gerne Polizisten an. Er schmiert seine<br />

Hakenkreuze in Unterführungen und trifft sich in kleinen Kneipen oder in Kellern um dort mit<br />

Reibeisenstimme sein „Heil Hitler“ zu brüllen.<br />

<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>:<br />

Oh Gott, wie schaudert es einem vor diesen Leuten. Der Neonazi verbindet fast alles, was wir<br />

bekämpfen wollen. Schon allein das Aussehen, schon dadurch stört er die öffentliche Ordnung.<br />

Niemand traut sich so jemanden den Weg zu kreuzen und wechselt lieber die Straßenseite. Und<br />

zugleich beschädigt er noch das deutsche Ansehen. Wie kommt es einem Besucher aus dem Ausland<br />

vor, wenn er durch mit Hakenkreuzen verschmierte Gänge geht? Was denkt er von Deutschland?<br />

Grauenvoll! Genau entgegen der Einstellung „Wir lieben Deutschland“. Ein Konservativer hingegen<br />

würde nie etwas tun, was ihm schadet und vor allem nicht seinem Ruf. Er gibt sich Mühe in der<br />

Schule, weil er etwas aus sich machen will. Wobei wir beim nächsten Punkt wären, der den<br />

Konservativen von Rechtsradikalen unterscheidet.<br />

Der Neonazi:<br />

Der Neonazi ist ein gefrusteter Mensch, er ist schlecht in der Schule, kommt deswegen nicht weit.<br />

Die Ausländer an seiner Schule regen ihn auf; weil er nicht darüber stehen kann, bildet sich sein<br />

Ausländerhaß. Er hat kaum Freunde und so findet er in den rechtsradikalen Organisationen<br />

gleichgesinnte Leute, die seine Meinung teilen. Wenn er aus der Schule raus ist, egal ob mit oder<br />

ohne Abschluß, versucht er eine Ausbildung zu bekommen – mit mäßigem Erfolg, so bleibt ihm der<br />

berufliche Durchbruch verwehrt. Statt sich dafür an die eigene Nase zu fassen, schiebt er es auf die<br />

Ausländer, die ihm die Stellen wegnehmen und auf die angeblich jüdisch vereinnahmte Führung der<br />

Wirtschaft.<br />

<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>:<br />

Oje! Der Nazi schafft aber auch gar nichts, wird zum Sozialfall, liegt dem Staat auf der Tasche. Statt<br />

sich anzustrengen, aus sich etwas zu machen, schiebt er alles auf die Juden und Ausländer und<br />

betrinkt sich lieber mit seinen Krankheitsgenossen abends in einer rechtsradikalen Kneipe. Ein<br />

Konservativer möchte etwas schaffen, strengt sich an und ist im Durchschnitt gut gebildet. Er säuft<br />

sich nicht abends in der Kneipe zu, sondern trifft sich bei Freunden auf ein Bierchen. Dabei redet er<br />

über die Wirtschaft und das System und überlegt sich, wie er selbst helfen kann. Es ist nicht so, daß<br />

einer in der Masse untergeht, jeder kann allein viel erreichen. Apropos:<br />

402


Der Neonazi:<br />

In seiner Gemeinschaft trifft sich der Neonazi, um seinen Führer Adolf Hitler anzubeten, der in der<br />

gleichen Situation war wie sie; mittellos, ohne Ausbildung, ein Sozialfall und es dann geschafft hat<br />

groß rauszukommen. So wollen sie es ihm nachtun. Also gehen sie auf die Straße und terrorisieren<br />

unschuldige. Für sie ist Rechtsradikalismus eine Droge um zu überleben, da sie sonst in der<br />

Gesellschaft noch verlorener wären, als sie es eh schon sind. Ein solcher Neonazi braucht die Rasse,<br />

damit er überhaupt auf etwas stolz sein kann, er hat ja sonst nichts.<br />

<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>:<br />

Es reicht! Wie können die bloß jemanden toll finden, der unser Deutschland so dermaßen an die<br />

Wand gefahren hat! Der 2. Weltkrieg hat für Deutschland nur negative Auswirkungen gehabt:<br />

Millionen Tote, der Verlust der Ostgebiete, unbezahlbare Kulturgüter sind verloren gegangen,<br />

zerstörte Städte, die Entschädigungszahlungen und der Schuldkult. Dieser Mann hat dies alles zu<br />

verantworten! Und sie sind auf ihn stolz! Wie können sie nur!<br />

In Deutschland ist sowohl eine nationalsozialistische als auch eine kommunistische Diktatur kläglich<br />

gescheitert und hat viel Leid angerichtet. Dennoch hofft der Konservative, daß das deutsche Volk mit<br />

Einigkeit, Recht und Freiheit eine gute Zukunft erleben wird und die traurige Vergangenheit hinter<br />

sich läßt.<br />

PS der Redaktion: Zu diesem Artikel wurde ein Blogeintrag verfaßt. Darin wird die Frage aufgeworfen,<br />

ob der "Kampf gegen Rechts" nicht besser versuchen sollte, Neonazis in die Gesellschaft zu<br />

integrieren, anstatt sie systematisch auszugrenzen.<br />

403


Der Fall Eva Herman<br />

Geschrieben von: Marco Kanne<br />

Dienstag, den 20. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Medienwissenschaftler und Männerrechtler Arne Hoffmann, der schon regelrechte<br />

Vernichtungsfeldzüge der Mediokratie gegen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens kritisch<br />

aufarbeitete, legt mit seinem neuesten Buch Der Fall Eva Herman. Hexenjagd in den Medien eine<br />

präzise Analyse der Medienkampagne gegen das ehemalige Gesicht der Tagesschau vor.<br />

Eva Herman mag das jüngste, mitunter prominenteste Opfer feministischer Diffamierung und Intrige<br />

in der Bundesrepublik sein. Wie Hoffmann den Leser zu Beginn seiner Studie wissen läßt, ist sie aber<br />

bei weitem nicht das einzige. Zahlreiche Beispiele aus dem In- und Ausland vermitteln einen<br />

ungefähren Eindruck davon, wie wirkmächtig der Feminismus seit den späten 1960ern ist. Sie<br />

belegen darüber hinaus, daß die HüterInnen feministischer Diskurshegemonie keinerlei moralische<br />

oder ethische Skrupel verspüren, jene Hegemonie mit allen Mitteln zu verteidigen: angefangen von<br />

wüsten Beschimpfungen über Unterstellungen und Drohungen bis zur Initiierung staatlicher<br />

Diskriminierung.<br />

Der Fall Eva Herman, der in diesem Buch chronologisch dokumentiert wird, dient Hoffmann dabei als<br />

Beispiel, wie gegen Abweichler scheinbarer oder tatsächlicher Gesellschaftskonventionen<br />

vorgegangen wird. Von diesem Fall ausgehend wird ein Muster medialer Kampagnen<br />

herausgearbeitet, werden Mechanismen offengelegt, die bei nahezu jeder medialen Skandalisierung<br />

zum Tragen kommen. Ein Gebräu aus Ideologie, gruppendynamischen Prozessen und Quoten- bzw.<br />

Auflagendruck sorgen dafür, daß der Andere, der Abweichende und jeder, der es wagen sollte, sich<br />

mit diesem zu solidarisieren, vom Subjekt, dem Menschenwürde und Respekt zusteht, zum Objekt<br />

einer Kampagne degradiert wird, das vogelfrei den Angriffen der Meinungsmacher ausgeliefert ist.<br />

Arne Hoffman, der eine Vielzahl von Internetquellen berücksichtigt hat, die dem Leser eine<br />

weitergehende Recherche erleichtern, skizziert mit dieser Studie nicht nur die Befindlichkeiten der<br />

politischen Kultur in Deutschland, sondern appelliert zugleich an das öffentliche Establishment, sich<br />

mit abweichenden Meinungen offen und fair auseinander zu setzen. Möge Arne Hoffmann damit<br />

nicht der vielbeschworene Rufer in der Wüste sein.<br />

Literaturempfehlung: Hoffmann, Arne 20<strong>07</strong>. Der Fall Eva Herman. Hexenjagd in den Medien. 192<br />

Seiten. Broschiert. 18,90 EUR. ISBN: 3-939562-05-X. Grevenbroich<br />

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Aus Amoklauf wird Selbstmord<br />

Geschrieben von: BN-Redaktion<br />

Mittwoch, den 21. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Nach dem Alarm wegen eines möglicherweise bevorstehenden Massakers zweier Schüler an einem<br />

Kölner Gymnasium und dem Selbstmord des jüngeren, 17jährigen, am Freitag, ist der andere<br />

Tatverdächtige nun freigelassen worden. Die Polizei geht, während noch am Wochenende von der<br />

Ernsthaftigkeit der Pläne ausgegangen worden war, nach seiner Vernehmung davon aus, daß beide<br />

bereits vor Wochen ihren Amoklaufverworfen hatten.<br />

Am 20. November 20<strong>07</strong> wollten sie am Georg-Büchner-Gymnasium ein Massaker anrichten. Indes<br />

stellte sich die Kölner Staatsanwaltschaft hinter die Polizei, der von Medien und Psychologen eine<br />

Mitschuld am Selbstmord des 17jährigen Schülers unterstellt wird. Dieser war am Freitag im<br />

Schulgebäude nach Hinweisen seitens der Schule von der Polizei zu Bildern auf seiner Heimseite, die<br />

ein acht Jahre zurückliegendes Schulmassaker in Amerika zeigten, befragt worden. Vom erbetenen<br />

Toilettengang kehrte er nicht zurück, sondern warf sich vor eine Straßenbahn und verstarb. Der<br />

Vorwurf lautet unter anderem, die Polizei habe den Schüler entwischen lassen. Polizei und<br />

Staatsanwaltschaft halten entgegen, daß keine Selbstmordgefahr erkennbar gewesen sei. Der andere<br />

Schüler befindet sich auf eigenen Wunsch in einer Psychiatrie. Am Sonntag soll eine Pressekonferenz<br />

zu dem Fall stattfinden.<br />

Marco W. weiterhin in Untersuchungshaft<br />

Der in der Türkei des sexuellen Mißbrauchs an einer 13jährigen Engländerin angeklagte 17jährige<br />

Schüler Marco W. aus Uelzen bleibt vorerst in Untersuchungshaft. Das entschied das dreiköpfige<br />

Schwurgericht von Antalya am Montag, den 19. November 20<strong>07</strong>. Damit wurde die von Marcos<br />

Anwalt Michael Nagel gehegte Hoffnung auf Freilassung vorerst enttäuscht. Nagel zeigte sich<br />

gegenüber der Entscheidung des Gerichts verständnislos. Die Argumente für eine Haftentlassung<br />

seien ausreichend gewesen. Des weiteren kündigte er an, alles zu tun, um die schriftliche Aussage<br />

des vor einigen Wochen vernommenen 13jährigen Mädchens einzuholen, die am Montag noch<br />

immer nicht in türkischer Übersetzung vorgelegen hatte und somit nicht hatte genutzt werden<br />

können. Marcos Anwalt Michael Nagel denkt nun an eine Beschwerde vor dem Europäischen<br />

Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Mitte Dezember wird das Gericht in der Türkei den Fall<br />

erneut verhandeln. Bis dahin muß Marco W. in Haft bleiben.<br />

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Anmerkungen zu Dutschke<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Freitag, den 23. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Revolutionär verläßt die wiederkehrende Litanei von Frage und Antwort unserer Medien und<br />

einer alten politischen Wissenschaft, die Kritik nur simuliert, weil sie innerakademisch verharrt und<br />

ohne praktische Konsequenzen bleibt. Rabehl nun macht dies im vorliegenden Buch anhand der<br />

Perspektive Rudi Dutschkes (1940-1979) deutlich. Die befehdete Studie bricht deshalb selbst aus dem<br />

gewohnten Intelligenzbetrieb der Selbstgenügsamkeit aus und beschreibt das Aufbegehren der<br />

Studenten von 1968. Zu Beginn macht der Autor, bis 2003 Professor für Politikwissenschaft an der FU<br />

Berlin, deutlich, daß es ihm nicht um eine Biographie geht, sondern darum, Dutschkes Denken im<br />

Sinne umfassender Neureflexion (Kapitel 5: „Neubesinnen“) aus den „historischen Zusammenhängen<br />

heraus zu entschlüsseln.“<br />

Rückblende: Neugründung deutscher Staatlichkeit?<br />

Die deutsche Nachkriegsdemokratie geriet 1968 durch Anklage in die Grundlagenkrise. Gemäß dem<br />

idealistischen Anspruch einer Übereinkunft von Sollen und Sein verkündete Herbert Marcuse das<br />

Ende der Trennung des Ästhetischen vom Wirklichen, des Idealen vom Seienden. Die Aufklärung sei<br />

nur halb vollendet, und es klaffe eine irrationalistische Lücke zwischen freiheitlichen Proklamationen<br />

und den durch die Prärogativen des Besatzungstatuts vorgegebenen ökonomischen Grundprinzipien<br />

der Bundesrepublik und ihren unaufgeklärten Partei- und Denkverboten. So reicht selbst bei Marcuse<br />

der Affekt gegen diesen verkürzten Rationalismus einer negativ bleibenden Aufklärung bis zur<br />

hegelschen Ästhetik und zum Vernunftidealismus Immanuel Kants zurück. Kritik an der Einseitigkeit<br />

des Politischen und ihrer potentiellen Zensur in Deutschland steht in langer Tradition. Im Zuge dieser<br />

Tendenzen macht Rabehl deutlich, daß die Studenten an ihrer Radikalisierung dennoch scheitern<br />

mußten und sich gerade zu den Sachwaltern der halben Rationalität hin konformisierten. Und in der<br />

Tat: Sie wurden zu vorteilhaft integrierten Profiteuren an Universitäten, in Politik und Verwaltung.<br />

In Kapiteln wie „Besetzung und Befreiung“ oder „Revolte“ wird deutlich, daß sogar für Dutschke nach<br />

1945 die Deutschen zu den geschichtslosen Völkern gehörten, womit die Deutsche Ideologie nach<br />

der Wiedervereinigung – für Politologen wie Bernard Willms oder Hans-Joachim Arndt war das keine<br />

Überraschung – primär den nordamerikanischen Prinzipien des Politischen folgte:<br />

Konkurrenzparteien, formelle Mehrheitsentscheidungen, Quantität anstelle qualitativer Tiefe.<br />

Theoretische Abweichungen, alternatives Denken konnten vor diesem Maßstab leichtfertig im<br />

Rahmen herrschaftssichernder und staatlich alimentierter Politologie, auftretend im Gewand<br />

praktizierter Denunziation, als „Extremismus“ kategorisiert werden. Rabehls Ausführungen sind<br />

deshalb zutreffend. Es wurde tatsächlich kein Versuch unternommen, das Phänomen des<br />

traditionellen deutschen Politikbegriffes aus sich selbst heraus zu verstehen: den politischen<br />

Idealismus, der Fokus auf den Begriff der „Vernunft“ und der „Pflicht“, das Primat des Ganzen<br />

anstelle einzelner Gesinnungen oder auch die Verortung eines Volkes und seiner Sprache in Raum<br />

und Zeit. Die Neugründung deutscher Staatlichkeit blieb nachhaltig um das Element der Jeweiligkeit,<br />

der eigenen deutschen Teilwahrheit, beschnitten.<br />

Die Stärke von Rabehls Buch liegt darin, daß es diesbezüglich die reformierte Idee einer Dialektik der<br />

Freiheit, eines geradezu permanenten Gestaltungsauftrags bis in die Gegenwart am Glühen erhält. Es<br />

vermag deshalb konservative Aspekte im Sinne einer staatsphilosophischen Kontinuität erstmals bei<br />

Dutschke zu erkennen. Und so ließen das Agieren der Parteien über inszenierte Werbefeldzüge und<br />

406


die politische Tendenz zur faktischen Reproduktion des ewig Gleichen im Meinen und Denken Rudi<br />

Dutschke patriotische Konsequenzen ziehen. Seine revolutionären Motive speisten sich aus der<br />

Ablehnung verordneter Besatzungspolitik. Rabehl läßt angesichts solcher Äußerungen – wie einst<br />

selbst 1968 – immer noch Funken sprühen.<br />

Generationswechsel des Denkens<br />

Ansatzweise hätte der Autor aber diesen „Mittelklassenradikalismus“ (Bude) der Studenten von 1968<br />

und dessen grenzenloses spielerisches Element eindrücklicher beschreiben können, denn 1968<br />

wurde ebenso wie in der offiziellen Politik vieles inszeniert. Mao und Che Guevara, Marx und<br />

Marcuse – man bildete sich selbst als Kriegskinder eine Zäsur zur deutschen Tradition. Dadurch<br />

wurden die Westdeutschen – wenngleich an Dutschkes Motiven gemessen unbeabsichtigt –<br />

amerikanisiert, während bei den Ostdeutschen eine traditionelle Bodenständigkeit vorhanden bleibt,<br />

die sich heute noch bemerkbar macht.<br />

Die Generation der deutschen Befindlichkeiten von 1968 haben dem Fanatismus der deutschen Seele<br />

im Westen ein Ende bereitet. Westberlin war der Nährboden dafür: Er wird aus politischen Gründen<br />

gehalten, wird gefüllt und bekommt neuen Inhalt. Es sprießen politische Formen, freies Leben, das<br />

Ideal der freien Wohnung, die Idee des studentischen Generalstreiks, eines Lebens des kultivierten<br />

Protestes. Die Jugend wird zur Avantgarde der Veränderung. Durch die Eltern sind jene Jugendlichen<br />

identifikatorisch gefangen genommen worden: Sie lernten keine Führung durch einen Vater kennen.<br />

Aus diesen Verhältnissen rührt die Aggression, weil die Söhne die Rolle des Ehemanns übernehmen<br />

und der Krieg als frühes Kindheitserlebnis verdrängt wurde. Mit Aggression werden 1968 die<br />

Schlachten der Väter von 1945 nachgespielt. Mehrfach gebrochene Konflikte sorgen für eine<br />

mehrfach gebrochene Generation – deren Zeit heute abgelaufen ist. Daraus erwächst ein neues<br />

politisches Denken, welches entgegen der gescheiterten Revolte von 1968 nunmehr vor der Aufgabe<br />

steht, den deutschen Geist der Rebellion (Luther, Münzer, Fichte, Stauffenberg) und die Besinnung<br />

auf den originär deutschen Politikbegriff zu synthetisieren und damit den zweihundertjährigen Faden<br />

politischer Tradition in Deutschland wieder aufzunehmen.<br />

Gemeinwohl als politischer Gestaltungsauftrag<br />

Der Leser mag selbst entscheiden, ob er im Gesamtkontext des Buches die autobiographischen<br />

Exkurse Rabehls über seine in München gehaltene Dutschke-Rede von 1998 oder die Abrechnung mit<br />

dem „Kartell der Lügen“ für hinderlich hält. Sein Plädoyer für den erneuten Versuch einer<br />

Staatspartei jenseits der in die Dominanzstrukturen des hegemonialen Pseudodiskurses<br />

eingebetteten Volksparteien wird nur vor folgendem Hintergrund deutlich: Nation war für Dutschke<br />

eine Instanz des Freiheitskampfes. Rabehl gibt zu: „Plötzlich wurde ich von außen in das Denken von<br />

Dutschke gestoßen, und erst jetzt begriff ich seinen revolutionären Ansatz.“ Das Buch verdeutlicht<br />

also, daß der Sinn einer politischen Ordnung nicht die Tautologie ihrer alleinigen Existenz ist, sondern<br />

das dynamisch immer wieder neu zu erkämpfende Gemeinwohl in seiner Ganzheit. Rabehls Schrift,<br />

die sich vor diesem Hintergrund von der üblichen vertrockneten Begriffsbildung einseitiger<br />

Wahrheitsansprüche abhebt – dazu zählen gerade die im Einseitigen verharrenden Begriffe „links“<br />

und „rechts“ – entwickelt Maßstäbe, von denen nicht zuletzt die heutige politische Wissenschaft<br />

profitieren könnte.<br />

Bernd Rabehl: Rudi Dutschke. Revolutionär im geteilten Deutschland, 132 Seiten, broschiert, Edition<br />

Antaios, 2002, ISBN: 3-935063-06-7 [Titel anhand dieser ISBN in Citavi-Projekt übernehmen] .<br />

4<strong>07</strong>


Michael Vogt: „Die Mechanismen der medialen Hinrichtung<br />

funktionieren ausgezeichnet.“<br />

Geschrieben von: BN-Redaktion<br />

Montag, den 26. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Universität Leipzig hat letzte Woche ihren Honorarprofessor für Medien- und<br />

Kommunikationswissenschaften, Prof. Dr. Michael Vogt, abbestellt. Hintergrund der Abbestellung<br />

sind Mutmaßungen über Voigts politische Einstellung. Vogt wird verdächtigt, rechtsextrem zu sein,<br />

weil er Filme über Rudolf Heß, den Nürnberger Prozeß und alliierte Kriegsverbrechen gedreht hat.<br />

Mit dem Rauswurf von Prof. Vogt verfestigt die Universität Leipzig die „Herrschaft des Verdachts“. Im<br />

Gespräch mit <strong>Blaue</strong><strong>Narzisse</strong>.de spricht Prof. Vogt über seinen Fall, seine Filme und das politische<br />

Klima an deutschen Universitäten.<br />

Herr Prof. Vogt, Sie wurden vor wenigen Tagen als Honorarprofessor für Medien- und<br />

Kommunikationswissenschaften an der Universität Leipzig abbestellt. Wie kam es dazu?<br />

Der Hauptgrund sind – auch wenn man daran fachlich nicht das geringste finden konnte und es die<br />

Studentenvertreter daher bei diffamierenden Pauschalverurteilungen „geschichtsrevisionistisch und<br />

verschwörungstheoretisch“ beließen – meine zeitgeschichtlichen Filme: „Geheimakte Heß“ (n-tv,<br />

2003 und 2004), „Death by hanging“ über den Nürnberger Prozeß (DVD, <strong>2006</strong>) und sogar die mit<br />

Wolfgang Venohr 1983 für die ARD gedrehten zwei Filme über die Kriegsverbrechen der Alliierten<br />

sowie die Herausgabe von Filmen über den 11. September 2001 (deutsche Fassung von „Loose<br />

Change“, DVD, 20<strong>07</strong>).<br />

Die Kampagne gegen meine auf historischen Forschungen fußenden Filme ist schon mehrere<br />

Jahrzehnte alt: Die damals von Ostberlin bezahlte VVN startete sie schon 1983, als ich zwei große<br />

ARD-Dokumentationen über die Kriegsverbrechen der Alliierten im 2. Weltkrieg machte und dabei<br />

erstmals und bislang einmalig die Verbrechen der Roten Armee dokumentierte. Die jüngere<br />

Kampagne seitens der „Antifa“ geht seit 2004 und der Ausstrahlung des Heßfilmes auf n-tv und hat<br />

jetzt ihren vorläufigen Höhepunkt und das Ziel, mich aus meiner Uni zu entfernen, erreicht.<br />

Ganz konkret wird Ihnen vorgeworfen, an einem Treffen der ITS (rechte Fraktion im Europäischen<br />

Parlament: „Identität, Tradition, Souveränität“) in Straßburg am 25. September 20<strong>07</strong> teilgenommen<br />

zu haben. Selbst die konservative Wochenzeitung Junge Freiheit hat sich von diesem Treffen<br />

distanziert. Rolf Schlierer, Vorsitzender der REP, will sie dort gesehen haben. Waren Sie dort und wenn<br />

ja, warum?<br />

Die Tagung in Straßburg war lediglich der Auslöser, wobei weder in der Presse, von der ich mit zwei<br />

Ausnahmen ebenso wenig kontaktiert und um meine Position gebeten wurde wie seitens der<br />

Studentenvertreter, nicht zur Kenntnis genommen wurde und wird, daß ich, als ich von der<br />

Pressemitteilung mit meinem Namen erfuhr, sofort aktiv wurde und dafür gesorgt habe, daß mein<br />

Name wieder verschwindet. Die Namensnennung erfolgte versehentlich, da ich die Presseerklärung<br />

weder unterschrieben, noch an ihr in irgendeiner Form an ihrem Entstehen mitgewirkt oder je mein<br />

Einverständnis dazu gegeben habe, dort genannt zu werden. Sämtliche diesbezüglichen Meldungen<br />

über mein Mitwirken an dieser Erklärung, wie inzwischen auch die in der Presse falsch zitierten<br />

Teilnehmer bestätigen, sind so nie gemacht worden. Hier ging es lediglich darum, ein vorab<br />

feststehendes Bild nicht durch Fakten erschüttern zu lassen.<br />

408


Mal ehrlich: War Ihnen nicht von vornherein klar, daß Sie sich mit ihrem zeitgeschichtlichen Film<br />

„Geheimakte Heß“ früher oder später die Finger verbrennen? Warum packen Sie solche heißen Eisen<br />

an?<br />

Als Historiker ist man den Fakten oder, um einen komplett aus der Mode gekommenen Begriff zu<br />

verwenden, der Wahrheit verpflichtet. Im Fall Heß, dessen Akten im britischen Staatsarchiv z. T. bis<br />

2021 (also noch 80 Jahre nach seinem Flug 1941) gesperrt sind, gab es neue Erkenntnisse. Mein Film<br />

paßt nicht ins politische Weltbild, weil er neueste und (entgegen allen anderen Behauptungen und<br />

Darstellungen) echte und unwiderlegte Dokumente zeigt, die belegen, daß 1940/41 seitens der<br />

Churchillregierung jegliche Friedensinitiativen (selbst die vom Deutschen Widerstand) abgelehnt und<br />

eine unbedingte Politik der Kriegsausweitung betrieben wurde. Daß Heß sehr wahrscheinlich mit<br />

einem konkreten Friedensvorschlag nach England flog, sollte nicht bekannt werden. Daher durfte im<br />

Nürnberger Prozeß Prof. Haushofer, der die Pläne Heß’ kannte und in seinem Auftrag den Flug<br />

plante, auf keinen Fall aussagen. Und so erhielten Haushofer und seine Frau vor seiner geplanten<br />

Zeugenaussage Besuch von zwei britischen Geheimdienstagenten. Die Herren müssen so<br />

überzeugend gewesen sein, daß Haushofer sich selbigen Tages zusammen mit seiner Frau im Wald<br />

erhängte. Die beiden Geheimagenten konnten erleichtert nach England melden, daß „das Problem<br />

diesen Mann betreffend beseitigt“ wurde.<br />

Auch Heß verübte 1987 angeblich spontan Selbstmord, als Gorbatschow laut Radio Moskau<br />

verkünden ließ, Heß noch vor Weihnachten nach Hause zu entlassen. Keine der seitens der Engländer<br />

am Todestag veröffentlichten Todesursachen (Selbstmord durch Erschießen, durch Erdrosseln oder<br />

schließlich durch Erhängen) stimmen, und vieles spricht hier für Mord und nur wenig für Selbstmord.<br />

Da die Faktenlage eindeutig und unwiderlegbar ist, bleibt den politischen Inquisitoren nur der<br />

Vorwurf, ein solcher Film provoziere Beifall von der falschen Seite und sei von daher – auch bei<br />

eindeutiger Beweislage – nicht zulässig. Volkspädagogisch unerwünschte Wahrheiten darf man nicht<br />

verbreiten. Soviel zur Freiheit der Wissenschaft unter Kuratel deutscher, bewährter<br />

Blockwartmentalität.<br />

Die in der Frage implizierte Verhaltenskonsequenz, solche Themen wegen des zu erwartenden<br />

Gegenwinds erst gar nicht aufzugreifen, halte ich angesichts gewonnener Erkenntnis für eine feige<br />

und duckmäuserische Einstellung. In diesem Sinne bin ich dem schönen Wort Martin Luthers<br />

verpflichtet: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“ Oder, um es mit Rosa Luxemburg, einem<br />

moderneren Freigeist zu sagen: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“<br />

Zurück zu Ihrer Abbestellung an der Uni Leipzig: Welche Schlüsse kann man aus Ihrem Fall ziehen?<br />

Wie steht es um die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland?<br />

Da mir in keinem Fall bei meinen historischen Filmen ein Fehler nachgewiesen werden konnte, wobei<br />

selbst das im Wissenschaftsbetrieb völlig normal wäre, da Erkenntnisse von gestern morgen überholt<br />

sein können, muß es möglich sein, Forschungsergebnisse in einem freiheitlichen Rechtsstaat unter<br />

dem Schutz der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit zu publizieren. Forschungsergebnisse an das<br />

politische Postulat einer volkspädagogischen Erwünschtheit zu koppeln oder ihre Veröffentlichung<br />

davon abhängig zu machen, wen man auf die Zehen tritt und wen man politisch nützen könnte,<br />

bedeutet ein Rückfall in Zeiten totalitärer Systeme und das Ende von Wissenschaftsfreiheit.<br />

Wissenschaft muß den Dissens, den Disput und den Diskurs ertragen, ja, sie kann ohne all das nicht<br />

leben und sich weiterentwickeln. Ein Ausschließen von Wissenschaftlern aus dem<br />

409


Wissenschaftsbetrieb, weil sie irgendeiner politischen Richtung nicht passen, käme einer<br />

Gleichschaltung gleich – also dem Ende von Wissenschaft.<br />

Das, was jetzt in den Medien abgeht, erinnert in seinen Auswirkungen sehr an eine Beobachtung, die<br />

in solchen Fällen Alexandre de Tocqueville 1835, also vor über 170 Jahren machte und schrieb: „In<br />

den demokratischen Republiken geht die Tyrannei anders zu Werk; sie geht unmittelbar auf den<br />

Geist los. Der Machthaber sagt hier nicht: ‚Du denkst wie ich, oder Du stirbst’; er sagt: ‚Du hast die<br />

Freiheit, nicht zu denken wie ich, aber von dem Tag an bist Du ein Fremder unter uns. Du wirst Deine<br />

Bürgerrechte behalten, aber es wird Dir nichts mehr nützen. Du wirst unter Menschen wohnen, aber<br />

Deine Rechte auf menschlichen Umgang verlieren. Wenn Du Dich einem unter Deinesgleichen<br />

nähern willst, so wird er Dich fliehen wie einen Aussätzigen; sogar wer an Deine Unschuld glaubt,<br />

wird Dich verlassen, sonst meidet man auch ihn. Gehe hin in Frieden, ich lasse Dir das Leben, aber es<br />

ist schlimmer als der Tod.’“<br />

Wie schätzen Sie das politische Klima an den deutschen Universitäten ein? Konkret: Herrschen die<br />

Linken? Welche Auswirkungen hat dieses Klima auf die Lehre und auf die Erkenntnisgenerierung<br />

(Forschung)?<br />

Die Mechanismen der medialen Hinrichtung funktionieren ausgezeichnet. Es reichen ganz wenige<br />

von der „Antifa“ instrumentalisierte oder selbst dort tätige Studenten in Kombination mit der Presse,<br />

um eine unliebsame Person abzuschießen. Liegt erst einmal das diffamierende Gesamtgemälde eines<br />

„Rechtextremisten“ vor, wagt sich auch die bürgerliche oder liberale Presse nicht mehr nach vorn.<br />

Vor dem Abzuschießenden und aus der Gemeinschaft der ehrbaren Bürger Auszusondernden ziehen<br />

sich alle zurück.<br />

Die Auswirkungen auf die Wissenschaft sind fatal: Ganze Themenfelder aus unterschiedlichsten<br />

Forschungsgebieten liegen brach und dürfen nicht mehr behandelt werden. Dabei geht es bei<br />

weitem nicht nur um die Zeitgeschichte, bei der z. B. das Thema Heß aber auch eine differenzierte<br />

Betrachtung der juristischen Besonderheit des Nürnberger Prozesses oder die hierzulande z. B. kaum<br />

diskutierte Frage der Bewertung und der Berechtigung des alliierten Bombenterrors Gegenstände<br />

der Forschung sein können müßten. Auch in zahlreichen anderen Forschungsgebieten<br />

(Intelligenzforschung, Hirnforschung mit der Determinationsproblematik, Demoskopie etc.,<br />

Kriminalitätsforschung) ist zunehmend sichergestellt, daß nur die politisch richtigen, also politisch<br />

korrekten Ergebnisse publiziert und bearbeitet werden und solche Themen, bei denen das nun beim<br />

besten Willen nicht funktioniert, erst gar nicht angegangen werden.<br />

Das Ergebnis ist dann allerdings keine „linke Wissenschaft“, sondern keine Wissenschaft: Die Erde ist<br />

nun einmal keine Scheibe, auch wenn dieses Ergebnis auch schon einmal politisch unkorrekt war.<br />

Die Konsequenzen für Deutschland und seine Stellung im internationalen Wissenschaftsbetrieb sind<br />

langfristig fatal, denn dieser ist letztlich nicht an politisch korrekten Forschungsergebnissen<br />

interessiert, sondern an wirklichen Erkenntnissen. Hier sollte, um den Anschluß nicht immer mehr<br />

bzw. nicht die besten Köpfe ans Ausland zu verlieren, dringend eine Kurskorrektur erfolgen.<br />

410


Wie ein radikaler Verlierer zum Amokläufer wird<br />

Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />

Montag, den 26. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Was treibt einen Menschen dazu, so voller Hass zu sein, um einen Amoklauf zu beginnen? Woher<br />

stammen diese Misanthropie und der fanatische Wunsch, unschuldiges Blut zu vergießen? Hans<br />

Magnus Enzensberger nennt ihn den „radikalen Verlierer“, jenen sozialen Typus von Mensch, „der<br />

nämlich schlägt, solange er allein ist, und er ist sehr allein, nicht um sich; er wirkt unauffällig, stumm:<br />

ein Schläfer.“ Aus diesem Grund sind Öffentlichkeit wie nahe Bekannte und Freunde des Täters ob<br />

seines Blutbades oft so schockiert und überrascht: Introvertierung erscheint ihnen vielmehr in die<br />

entgegengesetzte Richtung zu weisen.<br />

Ein symptomatischer Charakterzug des „radikalen Verlierers“ ist der ständig negativ ausfallende<br />

Vergleich zu anderen und die völlige Blindheit eigenen Vorzügen gegenüber. Daraus resultieren tiefe<br />

Abneigung und Selbstablehnung, da in einer permanenten und allgegenwärtigen Konkurrenzsituation<br />

in keinerlei Hinsicht ein Sieg errungen werden kann. Minderwertigkeitsgefühle verbunden mit Hass<br />

auf alles und jeden sind die psychologischen Folgen. Der Alltag wird als persönliche Demütigung, das<br />

Leben als Strafe und wertlos empfunden. Von sich selbst wird Disziplin und Allwissenheit gefordert<br />

und unvermeidbare, weil menschliche, „Schwäche“ als Symptom der persönlichen Minderwertigkeit<br />

und Impertinenz verstanden. „Identifikation mit dem Aggressor“ ist der psychologische Fachterminus<br />

für dieses Verhaltensbeispiel, womit gemeint ist, daß die Überzeugung sich einstellt, an allem selber<br />

schuld zu sein. Hier nun ergründet sich der Hauptantrieb für Amokläufer: Wenn das eigene Leben<br />

und die persönliche Existenz schon nichts mehr wert sind, wie könnte dann schon das Leben anderer<br />

Menschen von Bedeutung sein?<br />

Die Bombe tickt<br />

Von nun an ist der Zünder präpariert, die Bombe tickt. Jede Art Funke kann als Auslöser fungieren:<br />

ein Nachbarschaftsstreit, Ärger oder eine spöttische Bemerkung. Es kommt zur Explosion der<br />

angestauten Emotionen, „nicht obwohl, sondern weil das Massaker sein eigenes Ende beschleunigen<br />

wird.“ Dabei ist irrelevant, ob der Amokläufer ein Jugendlicher, Familienvater oder Junggeselle ist,<br />

die latente destruktive Energie ist in jedem Falle dieselbe. Aber es existiert auch ein alternativer<br />

Ausgang des sozialen Dramas: die Projizierung auf Feindbilder, wie sie die Geschichte schon viele<br />

sehen mußte. Juden, Ungläubige, Faschisten oder „Bonzen“ dienen als Schuldige, um die eigene<br />

Verantwortung für die individuelle Lage zu negieren. Ideologien sind für labile Persönlichkeiten<br />

potente Aggressionsabsorbenten, deren Führer zu Recht an den folkloristischen Rattenfänger von<br />

Hameln erinnern.<br />

Gedemütigte Kinder<br />

Wenn Kinder oder Jugendliche durch Ausgrenzung zu einem Rattenfänger geführt werden, so neigen<br />

sie zu unvorhersehbaren Aktionen. Die alltägliche Demütigung frisst sich tief in die Persönlichkeit des<br />

Kindes ein, es schwankt zwischen trauriger Resignation und wutschäumender Misanthropie. Wer auf<br />

diese Weise groß wird, sich immer als Geächteter und abseits aller Kollektive fühlt, ist es, ein<br />

„radikaler Verlierer“.<br />

411


Konsequenter Liberalismus: Ludwig von Mises<br />

Geschrieben von: Gastautor: Jörg Guido Hülsmann<br />

Dienstag, den 27. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Auf der Suche nach politischen Konzepten zur Bewältigung der immensen Probleme der Gegenwart<br />

sollte man gelegentlich über den eigenen Tellerrand hinausschauen und die Ansätze öffentlich wenig<br />

beachteter Denkrichtungen reflektieren. Derjenige, der ernsthaft gesellschaftliche Probleme lösen<br />

möchte und dazu Ideen entwirft, kommt nicht umhin die theoretischen Grundlagen verschiedener<br />

Denkrichtungen in Grundzügen zu erfassen. Der Libertarismus gehört zu den Gedankengebäuden, bei<br />

denen es sich lohnt, einzutreten, um bei einem gründlichen Rundgang herauszufinden, welches<br />

Potential die Ideen der Libertären haben. Deshalb werden auf <strong>Blaue</strong><strong>Narzisse</strong>.de in nächster Zeit<br />

einige Artikel zur Theorie des Libertarismus erscheinen. Den Anfang macht ein Artikel von Jörg Guido<br />

Hülsmann über Ludwig von Mises, der bereits 2001 in der eigentümlich frei erstmals veröffentlicht<br />

wurde.<br />

Was ist das Programm des Liberalismus? Was ist „liberal“ in Wirtschafts, Außen-, Innen-, Bildungs-<br />

und Finanzpolitik? Um solche Fragen zu beantworten, genügt es nicht, die Programme politischer<br />

Parteien zu studieren, die die Sache der Freiheit auf ihre Banner geschrieben haben. Man muss sich<br />

vielmehr mit der unverwässerten Theorie, mit der „Ideologie“ des Liberalismus befassen. Wer den<br />

Kommunismus kennenlernen will, liest schließlich auch nicht das Programm der PDS, sondern Marx,<br />

Lenin, Kautsky, Gramsci, Althusser oder W.F. Haug. Und wer etwas über das Wesen der<br />

Sozialdemokratie erfahren will, verliert keine Zeit mit den Hochglanzbroschüren der SPD, sondern<br />

befasst sich lieber gleich mit den Darlegungen der sozialistischen (z.B. Schmoller, Sombart, Galbraith)<br />

und individualistischen (z.B. J.S. Mill, Ralf Dahrendorf) Theoretiker der Sozialdemokratie.<br />

Was kann oder soll also derjenige lesen, der sich für den Liberalismus interessiert? Unter der großen<br />

Zahl mehr oder minder wichtiger Männer ragen hier einige wenige Klassiker heraus, die sich durch<br />

die Klarheit, systematische Geschlossenheit, Originalität und den thematischen Umfang ihres<br />

Denkens auszeichnen. Zu diesen Klassikern des liberalen Denkens zählt Ludwig von Mises.<br />

1920 Erklärung für Sowjetbankrott<br />

In den 1920er Jahren, auf dem Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn, war Mises Sekretär der<br />

niederösterreichischen Handelskammer in Wien und außerordentlicher Professor an der dortigen<br />

Universität. In Fachkreisen hatte er bereits durch seine geldtheoretische Abhandlung Theorie des<br />

Geldes und der Umlaufsmittel (München: Duncker & Humblot, 1912, 1924) und durch eine<br />

vernichtende Kritik des Sozialismus in Gemeinwirtschaft (Jena: Fischer, 1922) internationale<br />

Anerkennung erlangt. Das letztere Werk hatte ihn auch zum bekanntesten kontinentaleuropäischen<br />

liberalen Theoretiker gemacht. Kernstück der Gemeinwirtschaft ist die These von der Unmöglichkeit<br />

einer Wirtschaftsrechnung in Gesellschaften, die auf der Grundlage gemeinsamen (z.B. staatlichen)<br />

Besitzes aller Produktionsfaktoren organisiert sind. Die These hatte Mises zuerst im Winter 1919/20<br />

in einem Vortrag vor der Crème der Wiener Ökonomen und Austro-Marxisten verteidigt und gleich<br />

anschließend in einem Artikel für das Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik dargelegt. Max<br />

Adler und Helene Bauer wussten auf das Mises’sche Argument nichts anderes einzuwenden, als dass<br />

wohl in der Zukunft die momentan noch unbekannten sozialistischen Rechenmethoden entwickelt<br />

würden. Doch genau wie die Ökonomen Amonn und Schumpeter an jenem Winterabend in der<br />

Aussprache vor der Wiener Nationalökonomischen Gesellschaft keine Lösung für das von Mises<br />

aufgeworfene Problem fanden, ist eine solche Lösung bis zum heutigen Tag nicht gefunden worden.<br />

412


Das Wirtschaftsrechnungsargument liefert daher zurzeit die wichtigste Erklärung für den<br />

ökonomischen Bankrott und schließlichen Untergang des Sowjetreiches.<br />

Da die besten sozialistischen Köpfe jener Tage am Problem der Wirtschaftsrechnung verzweifelten<br />

und da zudem das praktische Scheitern der zahlreichen „Vergesellschaftungen“ in Österreich und in<br />

der Weimarer Republik immer offensichtlicher wurde, wuchs Mises’ Ruhm und zugleich die<br />

Verwirrung unter dem sozialdemokratischen Fußvolk. Immer größere Teile des gebildeten Publikums<br />

in Österreich und Deutschland fanden ihren Weg zu seinen Werken, in denen er es immer wieder in<br />

kristallklarer Sprache unternimmt, ein liberales Programm auf wissenschaftlicher Grundlage<br />

systematisch abzuleiten. In Mises’ Augen ist der Liberalismus in der Tat nichts anderes als die<br />

praktische Anwendung der Erkenntnisse der Nationalökonomie.<br />

Arbeitsteilung und Gewinnstreben<br />

Zwei Tatsachen sind es, von denen sein Denken den Ausgang nimmt. Zum einen ist gesellschaftliche<br />

Produktion (Arbeitsteilung) ergiebiger als isoliertes Wirtschaften. Zum anderen ziehen – bis auf<br />

einige wenige Asketen – alle Menschen eine bessere materielle Versorgung einer schlechteren vor.<br />

Daraus ergibt sich das Grundproblem der gesellschaftlichen Organisation, das sich in folgender Frage<br />

fassen lässt: Wie muss die Gesellschaft beschaffen sein, um die gemeinsame Produktion möglichst<br />

ergiebig zu machen? In Beantwortung dieser Frage kommt nun das Wirtschaftsrechnungsargument<br />

ins Spiel. Ziel der Wirtschaft ist es, die verfügbaren knappen Ressourcen (die sog. wirtschaftlichen<br />

Güter) zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse bestmöglich einzusetzen. Wie lässt sich aber<br />

entscheiden, zur Befriedigung welcher Bedürfnisse hier und jetzt produziert werden soll und welche<br />

Bedürfnisse außer acht zu lassen sind? Wie kann man entscheiden, welches das bestmögliche<br />

Produktionsverfahren ist und welche Techniken und Technologien hier und jetzt nicht eingesetzt<br />

werden sollten?<br />

Schuhe oder Milch?<br />

Der Unternehmer in der Marktwirtschaft kann diese Frage beantworten, indem er die Rentabilitäten<br />

der verschiedenen Produktionsalternativen vergleicht. Angenommen etwa, sein Kapital reiche zur<br />

Produktion von 10.000 Paar Schuhen oder zur Produktion von 1.000.000 Liter Milch. Indem er nun<br />

jeweils die erwarteten Gelderlöse durch die erwarteten Geldkosten teilt, erhält er für beide –<br />

physisch heterogenen – Alternativen einen einheitlichen Ausdruck in der Rentabilität. Doch die<br />

Rentabilitätsrechnung macht die physisch heterogenen Alternativen nicht nur vergleichbar, sondern<br />

gibt auch ein rationales Kriterium zur Wahl zwischen ihnen an die Hand. Wenn z.B. die<br />

Milchproduktion 15% Rendite abwirft und die Schuhproduktion 11%, so liegt es sowohl im<br />

persönlichen Interesse unseres Unternehmers, als auch im Interesse seiner Mitmenschen, die<br />

Milchproduktion zu beginnen und das Schuhprojekt aufzugeben. Denn was bedeutet es, dass die<br />

Milchproduktion rentabler ist als die Schuhproduktion? Es bedeutet, dass die Konsumenten bereit<br />

sind, für Milch Preise zu zahlen, die im Verhältnis zum Kapitalaufwand höher sind als die Preise, die<br />

sie für Schuhe zu zahlen bereit wären. Mit anderen Worten ist es gemessen am Votum der<br />

Verbraucher in diesem Fall wichtiger, mehr Milch als mehr Schuhe zu haben.<br />

Natürlich können sich die Verhältnisse in der Zukunft ändern. Wenn die Verbraucher demnächst<br />

mehr Geld als zuvor für Schuhe als für Milch ausgeben, so wird dies unmittelbare Rückwirkungen auf<br />

den Produktionsapparat haben, da ihr verändertes Verhalten die Erfolgsbedingungen für die<br />

Unternehmer ändert. Angenommen etwa, der Unternehmer erwarte nun für die Milchproduktion<br />

einen Ertrag von 12% und für die Schuhproduktion von 14%, so wird er Grund haben – ganz im<br />

Interesse der Verbraucher – auf Schuhproduktion umzustellen.<br />

413


Preisvergleich notwendig<br />

Das entscheidende Problem einer Gemeinwirtschaft besteht nun darin, dass ein Rentabilitäts- oder<br />

Produktivitätsvergleich nicht möglich ist, da in einer solchen Gesellschaft keine Preise für<br />

Produktionsfaktoren entstehen können. Marktpreise entstehen nur im Tausch, d.h. im<br />

Zusammenwirken von zwei Eigentümern. Wenn aber alle Produktionsfaktoren verstaatlicht oder<br />

„vergesellschaftet“ sind, dann gibt es eben nur einen Eigentümer. Es kann dann kein Tausch zustande<br />

kommen, und Marktpreise für Kapitalgüter können nicht entstehen. Alle Produktionsmöglichkeiten<br />

stehen folglich zusammenhanglos nebeneinander, ohne dass ein Kriterium vorhanden wäre, das eine<br />

rationale Auswahl unter ihnen ermöglichte. Wie ohne weiteres ersichtlich ist, wäre unter solchen<br />

Bedingungen wahrhaft göttliche Eingebung nötig, um die Produktion in volkswirtschaftlich sinnvolle<br />

Bahnen zu lenken und dort auch zu erhalten. Weit davon entfernt, die „Anarchie des Marktes“ zu<br />

überwinden, ist die Gemeinwirtschaft produktionswirtschaftlich völlig orientierungslos. Sie ist, wie<br />

Mises später sagen würde, „geplantes Chaos“. Vom Standpunkt der Ergiebigkeit der Produktion ist<br />

sie dem Wirtschaftssystem des Liberalismus, dem Kapitalismus, grenzenlos unterlegen. Natürlich<br />

erscheint das dem heutigen Betrachter beinahe als eine Selbstverständlichkeit. Man vergisst eben<br />

nur zu leicht, dass der keynesianische Nobelpreisträger Paul Samuelson bis zur 1989er Ausgabe<br />

seines weitverbreiteten Lehrbuchs eine wirtschaftliche Überflügelung des Westens durch den infolge<br />

seiner Planwirtschaft effizienteren Ostblock für durchaus wahrscheinlich hielt.<br />

Seiner vernichtenden Kritik des Sozialismus fügte Mises dann im Verlauf der 1920er Jahre eine<br />

eingehende Untersuchung der Frage an, ob es denn einen „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und<br />

Sozialismus, d.h. einen durch staatliche Eingriffe regulierten Kapitalismus auf Dauer geben könne. Die<br />

Politik des Westens hat diese Frage in der Nachkriegszeit durchgehend bejaht, zuletzt in Form des<br />

Blairismus. Aber in Mises’ Augen ist diese Auffassung gänzlich unbegründet. Allen Formen des dritten<br />

Weges – die er unter dem Ausdruck „Interventionismus“ zusammenfasst – wohnt eine eigentümliche<br />

Dynamik inne, derzufolge sie die Gesellschaft immer stärker in den Sog des vollkommenen<br />

Sozialismus ziehen. Diese Dynamik entspringt daraus, dass die staatlichen Interventionen in das<br />

Preisgefüge des Marktes durchweg die mit ihnen angestrebten Ziele verfehlen, so dass ständig durch<br />

neue Interventionen „nachgebessert“ werden muss. Da auch diese Interventionen im Ergebnis<br />

zweckwidrig sind, besteht immer neuer Anlass nachzubessern, bis die gesamte Volkswirtschaft durch<br />

staatliche Regelungen gegängelt wird.<br />

Sozialismus oder Kapitalismus<br />

Letztlich läuft es also stets auf eine Wahl zwischen Kapitalismus und Sozialismus hinaus. Und da der<br />

Sozialismus undurchführbar ist, „kann man sich der Erkenntnis, dass der Kapitalismus die einzige<br />

durchführbare Gestaltung der gesellschaftlichen Beziehungen ist, nicht entziehen.“ (Liberalismus, S.<br />

75) Diese Schlussfolgerung ist Mises zufolge völlig unabhängig davon, ob man in seiner emotionalen<br />

und ästhetischen Lebensauffassung eher dem Individualismus oder einer der zahlreichen Spielarten<br />

des Kollektivismus zuneigt. Man mag sich für den Einzigen halten oder dem ethnischen<br />

Nationalismus, dem sozialistischen Nationalismus, dem sozialistischen Europäertum, dem<br />

rassistischen Internationalismus usw. usw. anhängen – es ist und bleibt jedenfalls eine Tatsache, dass<br />

von gesellschaftlicher Arbeitsteilung nur im Kapitalismus die Rede sein kann.<br />

Mises lehnt daher die „übliche Gegenüberstellung von Individuum und Gesamtheit, von<br />

individualistischen und kollektivistischen Ideen und Zielen oder gar von individualistischer und<br />

universalistischer Wissenschaft [als] ein leeres Schlagwort“ ab (Liberalismus, S. 60). Diese im Bereich<br />

des Sollens angesiedelten Ideen und Ziele ändern nichts an den von der Wissenschaft festgestellten<br />

414


Tatsachen. Nur der Kapitalismus bietet eine wirtschaftliche Grundlage zur Entwicklung<br />

gesellschaftlicher Beziehungen – alle anderen Wirtschaftsformen sind dagegen Abarten eines<br />

etatistischen Destruktionismus, wie Mises es im Schlussteil seiner Gemeinwirtschaft dargelegt hatte.<br />

Aus diesen Feststellungen leitet Mises jene Forderung ab, die das Wesen des Liberalismus ausmacht:<br />

„Das Programm des Liberalen hätte also, in ein einziges Wort zusammengefasst, zu lauten: Eigentum,<br />

das heißt: Sondereigentum an den Produktionsmitteln [...]. Alle anderen Forderungen des<br />

Liberalismus ergeben sich aus dieser Grundforderung.“ (Liberalismus, S. 17)<br />

Produktiver Frieden<br />

Die höhere gesellschaftliche Produktivität, die sich infolge des Privateigentums einstellt, ist in Mises’<br />

Augen somit der Kern und die Grundlage aller anderen Elemente des Liberalismus. Beispielsweise<br />

ergibt sich die Forderung nach Freiheit aller Gesellschaftsmitglieder bzw. die Ablehnung der Sklaverei<br />

nicht aus ethischen Rücksichten, sondern weil freie Arbeit weitaus produktiver ist als Sklavenarbeit.<br />

Der ewige Frieden wird nicht aus philanthropischen Gründen angestrebt, sondern weil es produktive<br />

Zusammenarbeit allein im Frieden gibt; Krieg schadet den materiellen Interessen aller Kriegsparteien,<br />

unabhängig vom Ausgang der Kämpfe. Und auch die rechtliche Gleichstellung aller<br />

Gesellschaftsmitglieder sieht Mises nicht in einer natürlichen Gleichheit der Menschen begründet<br />

(diese verneint er), sondern in der Erfordernis, den produktiven Frieden zu wahren.<br />

Folgerichtig verwirft Mises auch in seiner Rechtfertigung der Demokratie das Ideal derjenigen, die die<br />

persönliche Beteiligung an Regierungsgeschäften (z.B. durch ständige Plebiszite und imperative<br />

Mandate) zu einem Selbstzweck machen. Diese „pseudo-demokratische Theorie von der<br />

Staatsverwaltung“ sei auf der aus aristokratischen und monarchischen Zeiten tradierten „Vorstellung<br />

von der besonderen Vornehmheit und Würde der Regierungstätigkeit“ aufgebaut. „Diese Lehre hält<br />

es für unwürdig, sich von anderen regieren zu lassen. Ihr Ideal ist daher eine Verfassung, in der das<br />

ganze Volk regiert und verwaltet. Das hat es freilich nie gegeben, kann es nie geben und wird es nie<br />

geben, auch nicht in Verhältnissen eines Kleinstaates. [...] Es ist durchaus nicht eines Mannes<br />

unwürdig, sich von anderen regieren zu lassen. Auch die Regierung und Verwaltung, die Handhabung<br />

der Polizeivorschriften und ähnlicher Verfügungen erfordern Spezialisten: Berufsbeamte und<br />

Berufspolitiker. Das Prinzip der Arbeitsteilung macht auch vor den Aufgaben der Regierung nicht<br />

Halt.“ (ebd., S. 35f) Wie begründet Mises dann die Notwendigkeit der Demokratie? Wiederum ist in<br />

seinen Augen der Zusammenhang mit dem Frieden in der Gesellschaft ausschlaggebend:<br />

„Demokratie ist jene Verfassungsform des Staates, die die Anpassung der Regierung an die Wünsche<br />

der Regierten ohne gewaltsame Kämpfe ermöglicht.“ (ebd., S. 17)<br />

Und ebenso verteidigt er das Selbstbestimmungsrecht, das er ähnlich wie Ernest Renan nicht als ein<br />

Recht der „Völker“ oder der „Nationen“ auffasst, sondern das den Bewohnern eines bliebig kleinen<br />

Territoriums zukommt: „Wenn die Bewohner eines Gebietes, sei es eines einzelnen Dorfes, eines<br />

Landstriches oder einer Reihe von zusammenhängenden Landstrichen, durch unbeeinflusst<br />

vorgenommene Abstimmungen zu erkennen gegeben haben, dass sie nicht in dem Verband jenes<br />

Staates zu bleiben wünschen, dem sie augenblicklich angehören, sondern einen selbständigen Staat<br />

bilden wollen oder einem anderen Staate zugehören wollen, so ist diesem Wunsche Rechnung zu<br />

tragen. Nur dies allein kann Bürgerkriege, Revolutionen und Kriege zwischen den Staaten wirksam<br />

verhindern.“ (ebd., S. 96)<br />

Keine Konzessionen!<br />

Wie stellt sich Mises aber nun die Durchsetzung des liberalen Programmes vor? Für Parteien, Gewalt<br />

und Druckmittel welcher Art auch immer (Parteiverbote usw.) ist in seinem Plan kein Platz.<br />

415


Entscheidend ist der Sieg der liberalen Ideen, und dieser Sieg kann allein in geistiger<br />

Auseinandersetzung errungen werden. Eindringlich warnt er, die Regeln des geistigen Kampfes nicht<br />

mit denen der Tagespolitik zu verwechseln. Im Bereich des Geistigen kann es keine Kompromisse,<br />

sondern nur unnachgiebiges Festhalten an den Tatsachen geben, auf die sich die Sache des<br />

Liberalismus stützt: „Dabei ist für Konzessionen an irgendwelche liebgewordenen und eingelebte<br />

Vorurteile und Irrlehren kein Raum. In Fragen, die über Sein und Nichtsein der Gesellschaft, über<br />

Aufstieg oder Untergang von Millionen Menschen entscheiden, gibt es keine Konzessionen aus<br />

Schwachheit oder übelangebrachter Höflichkeit.“ (ebd., S. 137)<br />

Ähnlich schrieb er in einem Brief an den Berliner Publizisten Erkelenz: „[…] seit Königgrätz hatte das,<br />

was in Deutschland Liberalismus genannt wird, das liberale Programm verlassen. Bedenkenlos haben<br />

die Liberalen seither immer das Programm der jeweils herrschenden Ideologie übernommen und in<br />

‚gemäßigter’ Fassung zu ihren eigenen gemacht. Das war die Haltung der Nationalliberalen<br />

gegenüber Bismarck, Naumann‘s gegenüber dem wilhelminischen Imperialismus (Demokratie und<br />

Kaisertum!) und gegenüber der Kriegspolitik (Mitteleuropa!), der Demokratie von 1918 gegenüber<br />

den Sozialisierungsbestrebungen u.s.f. ‚Mäßigung’ an sich ist aber kein Programm, weder für die<br />

praktische Politik des Tages (das beweist die Entwicklung der Wählerzahlen), noch für die<br />

grundsätzliche Politik des Schrifttums (das beweist das Fehlen einer demokratischen Literatur).“<br />

Inspiration<br />

Diese Auffassungen werden sicherlich auch die heutige Debatte unter den Freunden der Freiheit<br />

bereichern. Es bleibt zu hoffen, dass eine neue Generation sich von Mises’ Werk inspirieren lässt, um<br />

seinem großen geistigen Vermächtnis zu gebührendem Einfluss auf die Praxis zu verhelfen.<br />

Aus: eigentümlich frei, Heft 15, Juni 2001, www.ef-magazin.de<br />

Wir danken der Redaktion der eifrei für die Genehmigung, diesen Artikel hier veröffentlichen zu<br />

dürfen.<br />

416


Die Wahrheit der Religion<br />

Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />

Mittwoch, den 28. November 20<strong>07</strong> um 14:14 Uhr<br />

Die Rede von der Wiederkehr der Religion ist inzwischen nicht mehr ständig in aller Munde, und die<br />

Papstbegeisterung wie der Feuilleton-Katholizismus sind inzwischen wieder etwas abgeflaut. Was<br />

aber unverkennbar geblieben ist, ist ein im Vergleich zur jüngsten Vergangenheit enorm gesteigertes<br />

Interesse an religiösen Fragen. Die Kirchen scheinen jedoch dieses Interesse nicht so recht für sich<br />

nutzen zu können: Keine der beiden deutschen Großkirchen verzeichnet wirklich nennenswerte<br />

Steigerungen der Kircheneintritte oder des Gottesdienstbesuches.<br />

Das gilt allerdings nur mit einer Ausnahme: Die Heiligabendgottesdienste sind im letzten Jahr<br />

überfüllt gewesen wie schon lange nicht mehr, und alles spricht dafür, daß das in diesem Jahr wieder<br />

so sein wird. Es gibt Gemeinden in Deutschland, die damit rechnen, zum ersten Mal seit langer Zeit<br />

nicht alle Menschen in den Kirchenraum hineinlassen zu können, die dort zum Gottesdienst<br />

hineinwollen.<br />

Übervolle Kirchen an Heiligabend<br />

Eine Ursache für das Phänomen der vollen Kirche an Heiligabend ist sicherlich darin zu suchen, daß<br />

der Gottesdienstbesuch zu Weihnachten für den Großteil der Kirchenmitglieder eine, wenn nicht die<br />

einzige verbliebene, institutionelle Bindung an die Kirche geblieben ist. Wenn man auch sonst nie in<br />

die Kirche geht, so doch an Heiligabend, sei es der Stimmung wegen, sei es, weil man es schon immer<br />

so gemacht hat. Bei der Erläuterung dieses Sachverhaltes ist oft von „U-Boot-Christen“ die Rede, die<br />

sich das ganze Jahr über unter Wasser halten und nur an Weihnachten einmal auftauchen.<br />

Merkwürdig ist aber, daß das vermehrte Interesse an religiösen Massenveranstaltungen, an Stille und<br />

Kontemplation in Klöstern sowie an stimmungsvollen Gottesdiensten bei Kerzenschein nicht zu<br />

einem vermehrten Interesse an der Lehre des Christentums geführt hat. Nach dem großen Erfolg des<br />

Jesus-Buches von Papst Benedikt XVI. steht das vielleicht noch bevor, aber deutlich sichtbar<br />

geworden ist es bislang nicht. Und das liegt wohl nur zum Teil daran, daß die Kirchen in der<br />

Vergangenheit zuweilen sehr ungeschickt mit den Möglichkeiten umgegangen sind, die sich zu einer<br />

öffentlichen Diskussion über den christlichen Glauben ergeben haben. Eine solche in Gang zu<br />

bringen, ist in den letzten Jahren weder anhand der Verfilmung der Passion Christi durch Mel Gibson<br />

noch anhand des Bestsellers „The Da Vinci Code“ von Dan Brown gelungen.<br />

Wichtiger als die mangelnde Geschicklichkeit der Kirchenführer ist aber wohl eine bestimmte<br />

gesellschaftliche Generaltendenz, die in der Ausklammerung der Frage nach der Wahrheit besteht.<br />

Nachdem die Plausibilität der Säkularisierungstheorie grundlegend infragegestellt worden ist, hat<br />

sogar Jürgen Habermas eingestanden, daß die Religion nicht zugunsten allgemeiner Rationalisierung<br />

der Lebensvollzüge verschwinden werde und daß ein solches Verschwinden auch gar nicht<br />

wünschenswert wäre, weil – und das ist nun das Entscheidende – die Religion nützlich sei.<br />

Nutzen der Religion und Wahrheit des Christentums<br />

Worin der spezifische Nutzen der Religion besteht – ob in der Wertevermittlung, dem Beitrag zu<br />

Kranken- und Altenpflege und sozialer Gerechtigkeit, in der Entschleunigung des Alltags, der<br />

Streßbewältigung und dem Spenden von Trost – immer wird Religion als Mittel zu einem Zweck<br />

verstanden. (Das gilt übrigens genauso für spezifisch „rechte“ Versuche, den Nutzen der Religion zu<br />

bestimmen: etwa als institutioneller Zusammenhalt der Nation.) Ein solcher Umgang mit dem<br />

417


Phänomen der Religion mag angebracht sein, wenn man auf eine fest im Volk verankerte und intakte<br />

Religion zurückgreifen kann, die man für seine Zwecke einspannen will. Eine solche Religion haben<br />

wir in Deutschland aber nicht, und eine am Nutzen orientierte Haltung zur Religion wird selbst<br />

niemals eine solche hervorbringen.<br />

Man mag sich vielleicht zum Verbleib in der tradierten Religion entschließen, weil man ihren Nutzen<br />

eingesehen hat. Der Glaube kann auf diese Weise aber nicht hervorgebracht oder erneuert werden.<br />

Dazu ist allein die Frage nach der Wahrheit der Religion ausschlaggebend. Dabei ist die Wahrheit des<br />

Christentums selbstverständlich nicht „beweisbar“ im Sinne eines zwingenden Vernunftschlusses –<br />

schließlich heißt es ja „Glaube“, und nicht „Wissen“. Aber die Wahrheit des Christentums kann<br />

durchaus plausibel und einsichtig gemacht werden. Dazu ist es aber nötig, über den Inhalt der<br />

christlichen Lehre aufzuklären.<br />

418


Frankreichs Vorstadt-Intifada<br />

Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />

Donnerstag, den 29. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Seit dem vergangenen Wochenende sieht sich Frankreich erneut mit schweren Ausschreitungen<br />

konfrontiert, die von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen aus muslimischen Einwandererfamilien<br />

ausgehen. Anlaß der jüngsten Gewalttätigkeiten in dem Pariser Vorort Villiers-le-Bel ist der Tod<br />

zweier jugendlicher Motorradfahrer infolge eines Verkehrsunfalls zwischen zwei Jungen<br />

schwarzafrikanischer Herkunft und einem Polizeiwagen. Als signifikant für die politische<br />

Wirkungsmächtigkeit einer antirassistischen „Political Correctness“ auch in der Französischen<br />

Republik kann die Eile betrachtet werden, mit der herausgestellt wurde, eine Verfolgungsjagd der<br />

Polizisten auf die Jugendlichen liege nicht vor, und ein Alkoholtest der beiden an dem Vorfall<br />

beteiligten Polizisten sei negativ ausgefallen. In Anbetracht dessen, daß Schaulustige gegen die<br />

Polizisten die Beschuldigung erhoben hatten, den Unfall verursacht zu haben, leitete die<br />

Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung und unterlassene<br />

Hilfeleistung ein.<br />

Die Ereignisse der vergangenen Tage rufen unwillkürlich Erinnerungen an die Gewalteskalationen in<br />

den banlieues französischer Städte im November 2005 wach. Von einem „zweiten Clichy-sous-Bois“<br />

spricht der sozialistische Lokalpolitiker Francois Pupponi, Bürgermeister von der Villiers-le-Bel<br />

benachbarten Gemeinde Sarcelles. „Clichy-sous-Bois“ steht für die Vorstadt-Intifada vom Herbst<br />

2005, deren Anlaß ebenfalls der Tod zweier Jungen war. Diese waren Ende Oktober 2005, auf der<br />

Flucht vor der Polizei, in einem Transformatorenhäuschen ums Leben gekommen. Von Clichy<br />

ausgehend, wurde nahezu überall in den Vorstädten Frankreichs die öffentliche Ordnung durch die<br />

planmäßige Zerstörung privaten und öffentlichen Eigentums sowie durch gewalttätige Übergriffe auf<br />

Leben und körperliche Unversehrtheit von Polizisten in Frage gestellt. Freilich: Die gegenwärtige<br />

Situation wird im Vergleich zu jener von vor zwei Jahren als schlimmer eingestuft.<br />

Ein „anti-republikanischer Pogrom“<br />

Mit der – auch in Deutschland – vielfach euphemistisch als „Jugendunruhen“ oder „Sozialproteste“<br />

titulierten Welle kollektiver Gewaltanwendungen durch junge Muslime verbindet die jüngsten<br />

Ausschreitungen der Umstand, daß auch sie sich regionenübergreifend manifestieren. So setzten<br />

Jugendliche in Toulouse eine Bibliothek in Brand. Solche Akte der Kriegserklärung an die öffentliche<br />

Ordnung, die sich keineswegs nur gegen deren „repressive“ Momente richtet, waren es, die den<br />

französisch-jüdischen Philosophen Alain Finkielkraut vor zwei Jahren dazu veranlaßten, die<br />

jugendlichen Unruhestifter als Beteiligte an einem „anti-republikanischen Pogrom“ zu verorten. Der<br />

aus der republikanischen Linken stammende Intellektuelle scheute sich bereits damals nicht, die<br />

ethno-religiösen Bruchlinien innerhalb der gegenwärtigen französischen Gesellschaft<br />

herauszustellen: Die Ausschreitungen seien „gegen Frankreich als frühere Kolonialmacht gerichtet,<br />

gegen Frankreich als europäisches Land, gegen Frankreich und seine christliche oder judäochristliche<br />

Tradition.“<br />

„Mit all der Kraft kämpfen, die die Nation aufbieten kann.“<br />

Der „gaullistische“ französische Regierungschef François Fillon gab sich in Anbetracht der aktuellen<br />

Herausforderungen heroisch: „Wir werden mit all der Kraft kämpfen, die die Nation aufbieten kann“,<br />

erklärte er. Tatsächlich läßt sich das französisch-republikanische Modell einer supra-ethnischen, aber<br />

politisch-kulturell homogenen Staatsnation nur dann in glaubwürdiger Weise als Alternative zu<br />

419


einem Rückfall in tribalistische Strukturen propagieren, wenn die Institutionen der Republik in der<br />

Lage sind, jedem Bürger, unabhängig von seiner Herkunft und seinem Wohnort, elementare<br />

Menschenrechte und insbesondere das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum<br />

zu garantieren.<br />

420


Das deutsche Schulsystem – ein Erfolg!<br />

Geschrieben von: Michael Schulz<br />

Dienstag, den 04. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die IGLU-Studie hat mit ihrem Ergebnis, dass deutsche Grundschulen recht gut sind, für Aufsehen<br />

gesorgt. Dies hat mich dazu veranlaßt, nach meiner „Bildungslüge“, in der ich die Defizite angeklagt<br />

habe, mich zu den positiven Seiten des deutschen Schulsystems zu äußern und zwar zu solchen, die<br />

niemals von der Politik oder öffentlichen Stellen so dargestellt werden.<br />

„Renditeorientiertes Lernen“<br />

Bei PISA wurden Schüler aller Schularten getestet – mit unterdurchschnittlichem Ergebnis für die<br />

Deutschen. Dies lässt sich aber einfach erklären. Die Haupt- und Realschulen sind für einen<br />

praktischen oder bürokratischen Beruf ausgelegt. Man lernt also nur wie etwas funktioniert, aber<br />

nicht warum. Und genau das, das Verstehen der Hintergründe der Materie, die komplexen<br />

Zusammenhänge, wurden bei PISA abgefragt, denn PISA ist auf Gymnasialniveau ausgelegt, da die<br />

meisten Länder eine Einheitsschule haben, die zwischen Gymnasium und Realschule angesiedelt<br />

werden kann.<br />

Hier haben die Kritiker des hiesigen Schulsystems Recht, die schlechten PISA-Ergebnisse liegen am<br />

System. Allerdings heißt das nicht, dass das Schulsystem schlecht ist, sondern dass die Methodik der<br />

PISA-Studie für das deutsche System ungünstig ist.<br />

Viele Migranten ziehen den Schnitt herunter<br />

Ein weiterer Grund für die schlechten Ergebnisse ist, dass aufgrund der Einwanderung in Deutschland<br />

unverhältnismäßig viele Migrantenkinder deutsche Schulen besuchen, die meistens schlechtere<br />

Resultate erzielen. Und da PISA einen Mittelwert bildet und auf solche Punkte keine Rücksicht<br />

nimmt, wird das Ergebnis verwaschen. Das Ergebnis eines guten deutschen Gymnasiasten wird durch<br />

das eines schlechten Ausländers nivelliert. Der deutsche Gymnasiast kann aber trotzdem locker mit<br />

dem finnischen Schüler mithalten. Nur steht der deutsche Gymnasiast nicht allein auf der deutschen<br />

Seite, so wie der finnische Schüler auf der finnischen Seite.<br />

„Mangelhaft“ für Chancengleichheit<br />

Am schlimmsten soll das deutsche Schulsystem in Sachen Chancengleichheit sein. Nun ja, in der Tat<br />

ist es so, dass es Ausländer schwerer haben als Deutsche. Dies ist aber nicht weiter verwunderlich,<br />

wir sind ja schließlich in Deutschland; logisch, dass es für Deutsche einfacher ist. In anderen Ländern<br />

tritt dieses Problem nicht so deutlich zu Tage, da es dort höhere Anforderungen für Einwanderer gibt.<br />

Hier tritt der große Fehler der deutschen Nachkriegspolitik zutage – die Anwerbung ausländischer<br />

Arbeiter in den 50er und 60er Jahren. Die Arbeiter sind damals mit geringen Auflagen nach<br />

Deutschland gekommen und dachten sich, dass man sich in Deutschland nicht angleichen muss. Die<br />

Folgen sind bekannt: keine deutschen Sprachkenntnisse führen zu schlechten Sprachkenntnissen der<br />

Kinder, was nahezu zwangsläufig zu einem geringen Erfolg in der Schule führt.<br />

Und so sammeln sich diese Leute in der Haupt- oder Realschule – zumindest in weiten Teilen von<br />

Westdeutschland. Auch wenn die Politik es nicht wahr haben möchte, die deutschen Gymnasiasten<br />

sind froh darüber, dass es nicht so viele Ausländer bei ihnen gibt. Dass allerdings auf den Schulhöfen<br />

der meist kombinierten Haupt- und Realschulen die Ausländer, im wahrsten Sinne des Wortes, das<br />

Gewaltmonopol innehaben, hat zur Folge, dass sich die guten deutschen Realschüler in ihrem<br />

eigenen Land nicht mehr wohl fühlen. Bleibt nur so hoffen, daß sich dieses ungute Klima in positive<br />

421


Energie ummünzen lässt und die deutschen Realschüler alles tun, um so gut wie möglich<br />

durchzukommen oder so schnell wie möglich aufs Gymnasium zu gelangen.<br />

422


Reihe zum Libertarismus: Manchester heute<br />

Geschrieben von: Gastautor: Gerd Habermann<br />

Dienstag, den 04. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Immer schriller werden die Stimmen der Globalisierungsgegner und Staatsgläubigen, die vor einem<br />

neuen „Manchester-Kapitalismus“ und einer Schwächung des Nationalstaates warnen. Zunächst<br />

sollte man sich fragen, was denn schlecht am Manchester-Kapitalismus sein soll. Zu diesem Thema<br />

hat Detmar Doering Entscheidendes geschrieben: Der „Manchester-Kapitalismus“ war die Epoche, in<br />

der sich stürmisches Bevölkerungswachstum mit zunehmendem Massenwohlstand und Freihandel<br />

verband. Wo er hinkam, hat er im vergangenen Jahrhundert Armut beseitigt, Arbeitsplätze<br />

geschaffen, das Leben auch des einfachen Menschen länger und angenehmer gemacht.<br />

Historisch richtete sich die Manchester-Bewegung gegen die Verteuerung des Brotes des kleinen<br />

Mannes durch Getreidezölle, die nur Englands Großgrundbesitzern zugute kamen. Es war eine erste<br />

politische Massenbewegung, der es gelang, den Freihandel vorübergehend zumindest für England<br />

durchzusetzen. Sieht man sich nur die Gegenwart an, so nimmt in der Tat die internationale<br />

Handelsfreiheit im Zeichen der so genannten Globalisierung wieder zu. Es ist schon überraschend,<br />

wenn die internationale Linke sich dieser Globalisierung widersetzt, um die Privilegien der Arbeiter in<br />

den reichen Ländern gegen die Arbeiter in den armen Ländern zu verteidigen.<br />

Aber wie sieht das Manchestertum nun in der BRD und Europa gegenwärtig aus? Die BRD hat das<br />

rigideste Arbeitsrecht aller modernen Industriestaaten – sie steht in dieser Hinsicht auf dem 58. Platz<br />

im internationalen Freiheitsindex. Durch Kartelle vereinbarte Zwangstarife sind gleichbedeutend mit<br />

Arbeitsverboten für die, die unter Tarif arbeiten wollen. Gerade wird die unternehmerische<br />

Handlungsfreiheit wieder durch die Novellierung des schon im Ansatz verfehlten<br />

Betriebsverfassungsgesetzes – ein Rückstand von 1918 – eingeschnürt. Ein wahrer Irrläufer der<br />

Evolution ist unser Kündigungsschutzgesetz: Eine Art Verbrüderungszwang des Unternehmers mit<br />

dem Arbeitnehmer, der nur durch hohe Zahlungen (Abfindungen) abzukaufen ist. Dann muss der<br />

deutsche Arbeitnehmer gegenwärtig über 40% seines Einkommens an staatliche<br />

Versorgungsmonopole abführen, die ihn wie einen unwissenden, unmündigen Proletarier des 19.<br />

Jahrhunderts behandeln und keine sicheren Versorgungszusagen mehr geben können. Sie schränken<br />

die Vertragsfreiheit im Privatleben in dramatischer Art ein (Sozialversicherungszwang). Die<br />

Abgabenlast (direkt und indirekt) insgesamt und einschließlich z.B. der skandalösen Rundfunksteuer<br />

für häufig nicht gewünschte öffentlich-rechtliche Dienste liegt zurzeit bei weit über 60%. Nur den<br />

Rest hat der Bürger zu seiner freien Verfügung; eine Sozialisierung der Einkommensverwendung, die<br />

das Sozialisieren von Produktionsmitteln erspart. Das Bildungswesen verharrt in einem Zustand<br />

betrüblicher staatswirtschaftlicher Stagnation.<br />

Nie war also die BRD so weit ab vom Manchester-Kapitalismus wie gerade gegenwärtig. Einen<br />

Lichtblick bieten einzig die Privatisierungen und Deregulierungen im Bereich bisheriger Netz- und<br />

Versorgungsmonopole. Bei Bahn, Post, Telekommunikation usw. hat die Staatswirtschaft Konkurrenz<br />

bekommen oder löst sich ganz auf, jüngst sogar bei der Energieversorgung. Die Verbilligung des<br />

Telefonierens unter dem Druck der Konkurrenz lässt erkennen, wie hoch der Ausbeutungsgrad durch<br />

staatsmonopolistische Unternehmen gewesen ist – dies damals mit dem besten Gewissen und<br />

angeblich im Interesse des kleinen Mannes! Die neue europäische Währung ist ebenfalls kein<br />

Fortschritt in liberal-marktwirtschaftlicher Hinsicht. Im Gegenteil! Als europäische Kartellwährung auf<br />

Papierbasis steht sie weit hinter der Qualität des Goldstandards im 19. Jahrhundert zurück. Erfreulich<br />

423


dagegen ist die zum Teil technisch bedingte zunehmende internationale Freiheit des Austausches von<br />

Gütern und Dienstleistungen. Von hier kommt auch am ehesten die Hoffnung, dass der kontinentale<br />

Versorgungsstaat durch Wettbewerb und interne Fehlentwicklungen langsam aufgebrochen wird.<br />

Vor „Manchester-Kapitalismus“ zu warnen, besteht also keinerlei Grund; erstens, weil wir ihn als<br />

soziale Fürsorgestaaten in Europa nicht haben und zweitens, weil es segensreich wäre, wenn wir ihn<br />

hätten.<br />

Aus: eigentümlich frei, Heft 16, Juli/August 2001, www.ef-magazin.de<br />

Wir danken der Redaktion der eifrei für die Genehmigung, diesen Artikel hier veröffentlichen zu<br />

dürfen.<br />

424


Die Wahrheit der Religion II<br />

Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />

Mittwoch, den 05. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Bevor über den Inhalt der christlichen Lehre aufgeklärt werden kann, ist es nötig, eine Schwierigkeit<br />

auszuräumen, die oftmals eine ernsthafte Beschäftigung mit religiösen Fragen von vornherein<br />

verhindert: Wenn man traditionelle Themen der Religion und der Philosophie anspricht, halten<br />

einem heutzutage schon Kinder entgegen, sie glaubten nur, was sie sehen. Gemeint ist damit aber<br />

bestimmt nicht, daß sie tatsächlich glaubten, was sie sehen. Es gibt Menschen, die Geister sehen, und<br />

die trotzdem nicht an Geister glauben, sondern diese für eine Halluzination halten. Im Traum sehen<br />

wir ständig Dinge, die wir später – wenn wir wach sind – für nicht real erklären. Gemeint ist also<br />

nicht: ich glaube nur, was ich sehe. Gemeint ist: ich glaube nur, was ich messen, zählen oder wiegen<br />

und dann durch Rückführung oder Analyse erfassen kann.<br />

Man hat es in solchen Fällen im Grunde mit einem Relikt dessen zu tun, was in der Philosophie am<br />

Anfang des Weges in die Neuzeit gestanden hat und in das Programm der Aufklärung gemündet ist.<br />

Deren Wirklichkeitsverständnis, das sich ausschließlich auf Vernunft und Empirie gründete, hat in<br />

Europa einen solchen Siegeszug angetreten, daß nicht nur die Philosophie, sondern auch die Religion<br />

vor ihm kapituliert hat. Hierbei handelte es sich aber nicht um einen Siegeszug der Erkenntnis,<br />

sondern um einen der Macht: Man war fasziniert von der Verheißung, daß die gesamte Wirklichkeit<br />

in ihre Einzelteile zerlegt und anschließend wieder künstlich neu zusammengesetzt werden könnte.<br />

Weder der Hinweis darauf, daß auf diese Weise das Wesen der Wirklichkeit gar nicht erfaßt werden<br />

kann, noch die Tatsache, daß dieses Programm bei der gesamten Organisation des menschlichen<br />

Zusammenlebens nicht funktioniert, konnten den Zug aufhalten.<br />

Der Mensch kann nicht Herr über die Natur werden.<br />

Das einzige, was man im Laufe des 20. Jahrhunderts losgeworden ist, ist der Optimismus, daß der<br />

Mensch tatsächlich Herr über die Natur werden würde. Man hat erkannt, daß das Konzept nicht<br />

funktioniert, aber man ist nicht in der Lage oder nicht willens, Alternativen anzubieten. Es ist aber<br />

nicht so, daß es keine Alternativen gäbe. Die beiden wichtigsten sind die Phänomenologie und die<br />

Metaphysik.<br />

Die Phänomenologie geht davon aus, daß die Wirklichkeit ein Gesamt aus nicht reduzierbaren<br />

Erscheinungen ist, die nicht durch Zergliederung erfaßt werden können. Wollte man die Phänomene<br />

zergliedern, so würde man sie zerstören: Dem Geheimnis einer Blume kommt man nicht durch<br />

Zerlegung der Blume in ihre Einzelteile auf die Spur, sondern nur durch Betrachtung der Blume als<br />

Ganzes. Damit kann man zwar keine Macht über die Natur erlangen, aber man kommt ihrem Wesen<br />

auf die Spur. Außerdem – und hier kommt die Religion ins Spiel – ist man nicht gezwungen, alle nicht<br />

rational erklärbaren Phänomene für unwirklich zu halten. So hielten Rudolf Otto, Mircea Eliade und<br />

andere Religionswissenschaftler die Erfahrung des Heiligen für ein nicht reduzierbares Phänomen.<br />

Diese Erfahrung des Ganz-Anderen, das in die Alltagswelt eintritt, aber ihr nicht angehört, kann<br />

phänomenologisch als der Ursprung der Religion gedeutet werden.<br />

Metaphysik und Phänomenologie<br />

Mit Metaphysik schließlich ist hier der Gebrauch der ganzen Vernunft gemeint. Das reduktionistische<br />

Wirklichkeitsverständnis der neuzeitlichen Philosophie hat die Vernunft immer in den Fängen der<br />

Empirie gehalten und gemeint, über die Dinge, die nicht sinnlich wahrnehmbar seien, lasse sich<br />

nichts Vernünftiges sagen. Der Gipfel dieser Auffassung ist die Behauptung, daß die<br />

425


Naturwissenschaften mit dem Erweis der Naturgesetze gezeigt hätten, daß es nichts Über-<br />

Natürliches – Meta-Physisches gebe. Doch eine Wissenschaft, die sich qua definitionem der<br />

Erforschung der Natur widmet, ist überhaupt nicht in der Lage, irgend etwas über das auszusagen,<br />

was außerhalb der Natur steht. Wenn sie das doch tut, dann verstrickt sie sich in Widersprüche, die<br />

so weit gehen, daß schließlich die Grundlagen jeder Wissenschaft und jedes Denkens bestritten<br />

werden müßten. Wer zum Beispiel die menschliche Vernunft als Produkt eines evolutionären<br />

Prozesses beschreibt und meint, daß die Prozesse des menschlichen Verstandes vollständig von den<br />

neuronalen Prozessen im Gehirn abhängig sind, der hat damit die Annahme verabschiedet, daß die<br />

Prozesse des menschlichen Verstandes richtig sein können. Diese Annahme ist aber die<br />

Voraussetzung unseres Denkens. Wer sie angreift, hat seinen eigenen Gedankengang damit sinnlos<br />

und zunichte gemacht.<br />

Vernunft etwas Metapysisches<br />

In diesem Sinne ist die Vernunft selbst etwas Metaphysisches. Sie ist Grundlage und Voraussetzung<br />

für die Erkenntnis der Natur und kann als solche nicht selbst der Natur angehören. Wer aber erkennt,<br />

daß es etwas außerhalb der Natur gibt und daß dieses phänomenologisch und mit Hilfe der Vernunft<br />

erfaßt werden kann, der glaubt vielleicht nicht mehr nur das, was er sieht.<br />

426


Der Trost des Christentums<br />

Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />

Freitag, den <strong>07</strong>. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Wer sonntags in den Gottesdienst geht, kann angesichts der Predigt oftmals den Eindruck nicht<br />

loswerden, daß diejenigen Recht haben, die mit Nietzsche das Christentum für die Religion der<br />

Schlechtweggekommenen halten, und daß außerdem diejenigen im Recht sind, die mit Karl Marx und<br />

neuerdings Richard Dawkins die Sehnsucht nach Trost und ein Leben nach dem Tod angesichts der<br />

Trostlosigkeit und Sinnlosigkeit der Welt für den Ursprung der Religion halten. Ein solcher Eindruck<br />

ist leicht zu gewinnen, wenn man in der Kirche ständig hört, Gott liebe jeden Menschen so, wie er<br />

sei, ohne Bedingungen, und wenn alle Menschen ein wenig netter zueinander seien, dann werde<br />

schon alles wieder in Ordnung kommen.<br />

Schon Kinder erkennen, daß da etwas nicht stimmen kann, und Jugendliche können schon gar nichts<br />

mit einer solchermaßen verwässerten Religion anfangen. Die bis zum Überdruß wiederholte Rede<br />

vom „lieben Gott“ nährt wohl weniger die Vorstellung von einem Vater, sondern von einem<br />

Großvater im Himmel.<br />

Sündenbewußtsein<br />

Der Grund dafür, daß uns Gottes Zuspruch nichts mehr sagt, ist wohl der, daß wir meinen, gar nicht<br />

auf ihn angewiesen zu sein. Uns ist etwas abhanden gekommen, was der Großteil der Menschheit<br />

besessen hat, und was die christliche Predigt von der Vergebung und der Erlösung immer<br />

voraussetzt: das Sündenbewußtsein.<br />

Man tut häufig so, als sei das Wissen um die eigene Sündhaftigkeit etwas spezifisch Christliches, und<br />

als hätten gerade die „natürlichen“, heidnischen Religionen so etwas nicht gekannt. Das stimmt aber<br />

nicht. Die längste Zeit der Menschheitsgeschichte über waren die Menschen davon überzeugt, daß es<br />

ein Naturrecht gebe, und daß sie selbst ständig dagegen verstießen. Die Einwände, die gegen die<br />

Vorstellung eines Naturrechts erhoben wurden, waren zahlreich, konnten aber alle nicht überzeugen.<br />

Weder der Hinweis darauf, daß es sich beim Sittengesetz um einen Trieb oder etwas Anerzogenes<br />

handele, noch die Behauptung, die Befolgung moralischer Prinzipien habe für den Menschen im<br />

evolutionären Prozeß einen Selektionsvorteil bedeutet, treffen zu.<br />

Sittengesetz<br />

Welchem Trieb folgen wir denn beispielsweise, wenn wir einem Ertrinkenden zu Hilfe eilen, wo doch<br />

in Wirklichkeit alle unsere Triebe sich dagegen sperren, unser Leben für die Rettung eines anderen in<br />

Gefahr zu bringen? Welchen Selektionsvorteil sollte es bedeuten? Und wie sollten wir schließlich<br />

verschiedene ethische Systeme miteinander vergleichen können, wenn wir keinen<br />

Vergleichsmaßstab hätten? Die Antwort lautet, daß wir sehr wohl um richtig und falsch, gut und böse<br />

wissen, daß wir wissen, wie wir eigentlich handeln sollten, daß wir also das Sittengesetz kennen.<br />

Wenn wir allerdings immer so handeln würden, wie wir sollten, dann wäre das Sittengesetz nichts<br />

weiter als ein Naturgesetz, das beschreiben würde, wie Menschen sich verhalten. Daß dies nicht der<br />

Fall ist, ist offensichtlich: Wir spüren das Sittengesetz gerade dann, wenn wir uns anders verhalten,<br />

als es von uns verlangt. Hier wird deutlich, weshalb die materialistische Weltanschauung nicht richtig<br />

sein kann, weil sie keinen Platz läßt für etwas, das außerhalb der Materie steht. Das tut aber nicht<br />

nur die Vernunft (die ja, wenn sie nichts als eine zufällige Bewegung der Materie im Gehirn wäre,<br />

427


keinerlei Beweiskraft hätte, womit überhaupt kein menschliches Denken überzeugend sein könnte),<br />

sondern auch das Sittengesetz.<br />

Eine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem Woher von Vernunft und Sittengesetz bietet nur<br />

die religiöse Weltanschauung, die von einem geistbegabten Wesen ausgeht, das die Welt erschaffen<br />

hat. Das mag etwas voreilig erscheinen, gerade angesichts der Tatsache, daß sehr viele Menschen<br />

heutzutage weder Materialisten noch religiös im eigentlichen Sinne sind, sondern statt dessen an<br />

eine unpersönliche „Kraft“ glauben, die hinter dem Universum steht. Dieser Glaube entspringt nun<br />

aber tatsächlich menschlichem Wunschdenken, weil er die unangenehmen Seiten sowohl der<br />

materialistischen als auch der religiösen Weltanschauung umgeht: Weder muß er sich damit<br />

abfinden, daß das ganze Weltall eine sinnlose Bewegung von Atomen ist, noch muß er sich an<br />

sittliche Grundsätze halten – denn wie sollte diese blinde und zahme Lebenskraft sittliche<br />

Forderungen stellen?<br />

Gott ist „gut“.<br />

Es bleibt die Religion, die sagt, daß Gott es ist, der die Welt geschaffen und das sittliche Gesetz in<br />

unseren Geist gelegt hat. In diesem Sinne ist Gott „gut“, aber nicht nachsichtig, milde oder „lieb“. Die<br />

Wahrheit ist: Ohne Gott können wir nicht leben, denn ohne ihn müßten wir unsere Vernunft und die<br />

Vorstellung vom Guten aufgeben. Aber mit Gott können wir ebensowenig leben, weil wir uns an das<br />

Gute, das er unerbittlich von uns fordert, nicht halten.<br />

Dieses ständige Verstoßen gegen die Forderung des Gesetzes ist es, was die Tradition als Erbsünde<br />

bzw. als Sündhaftigkeit bezeichnet hat. Erst an diesem Punkt setzt die Botschaft des Christentums<br />

ein. Ohne Zweifel spendet das Christentum dann Trost, aber es beginnt nicht damit.<br />

428


Was für ein Theater mit „Faust“<br />

Geschrieben von: Felix Menzel<br />

Montag, den 10. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Im Gegensatz zu Kino und Fernsehen hat das Theater in den letzten Jahrzehnten an Einfluß verloren.<br />

Das Theater ist zu langsam, zu unspektakulär und zu exklusiv. Um diesen Nachteil wettzumachen,<br />

setzt der junge Regisseur Sebastian Baumgarten in seiner „Faust“-Neuinterpretation, die derzeit am<br />

„jungen schauspielhannover“ aufgeführt wird, multimediale Elemente ein. Das Schauspiel wird im<br />

Hintergrund durch eine Videokomposition von Stefan Bischoff, durch Musikstrecken sowie weitere<br />

innovative Bausteine begleitet. Trotz dieser interessanten Ansätze überzeugt das Stück nicht. Schuld<br />

daran ist die groteske ideologische Aufladung des „Faust“-Stoffes.<br />

In der Szene, in der sich das Gretchen als Prostituierte dem Faust nähert und dabei, in einem Käfig<br />

sitzend, von NS-Schergen sanft mit Peitschen gestreichelt wird, kann jeder Zuschauer klar erkennen,<br />

daß es sich bei dem Stück nur um eine mit Theorie aufgeblähte Antifa-Sitzung handelt.<br />

Das Theater als Medium in der Krise<br />

"Akkumulation von Bildern" über assoziative EindrückeSchade, denn der theoretische Ansatz von<br />

Sebastian Baumgarten ist gar nicht mal so schlecht, nur gelingt es ihm nicht, die „immense<br />

Akkumulation von Bildern“ (Giorgio Agamben), Assoziationen und Fragmenten mit einer<br />

nachvollziehbaren, inhaltlichen Interpretation des „Faust“ zu verbinden. Der postdramatische<br />

Theaterentwurf von Baumgarten scheitert an seiner eigenen Komplexität und an der unsinnigen<br />

ideologischen Aufladung. Faust als ein „frühes Dokument des Kommunismus“ zu interpretieren, wie<br />

es Carl Hegemann, wissenschaftlicher Berater dieser Inszenierung, getan hat, ist einfach nur gröbster<br />

Unfug.<br />

Faust als „der erste Vertreter eines humanen Kommunismus“<br />

Einige Kritiker schrieben trotz dieses Unfugs von „Jubel in Hannover“. Der Autor dieses Artikels<br />

hingegen hat kurz nach der Halbzeit des Stückes unter Protest mit 30 weiteren Zuschauern die<br />

Vorstellung verlassen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Lücken auf den Rängen bereits unübersehbar.<br />

429


Jenseits von Gut und Böse?<br />

Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />

Montag, den 10. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der Deutsche, so heißt es immer wieder, findet Gott nicht in der Kirche, sondern in der Natur. Vor<br />

allem beim Waldspaziergang sei das Heilige viel spürbarer als im Gottesdienst. Die gewaltige Eiche,<br />

der Wasserfall, der plötzliche Schritt aus dem Dickicht heraus auf eine Lichtung: das alles bringe<br />

einem Gott viel näher als jede Predigt. Einer solchen Vorstellung stimmen wir oft gerne zu, denn sie<br />

ist schön, gefühlsmäßig plausibel, und außerdem so folgenlos. Der Pantheismus wurde lange Zeit für<br />

die einzig intellektuell befriedigende Form des religiösen Denkens gehalten, aber das ist sie nicht.<br />

Die Vorstellung, daß Gott sich in der Natur offenbare, daß die Natur in Wirklichkeit Gott sei, mag<br />

gefühlsmäßig überzeugen, aber intellektuell tut sie das nicht. Jedenfalls ist sie mit einer erheblichen<br />

Schwierigkeit verbunden: Wenn die ganze Natur ein Teil von Gott ist, dann gibt keinen Unterschied<br />

mehr zwischen Schöpfer und Geschöpf, und dann gibt es auch keinen Unterschied mehr zwischen<br />

Gut und Böse. Nun haben wir uns zwar angewöhnt, diejenigen Menschen, die die Welt klar und<br />

eindeutig in Gut und Böse aufteilen, für naiv zu halten, und statt dessen zu betonen, daß es zwischen<br />

beidem noch erheblichen Spielraum gibt. Aber gerade diesen Spielraum, die verschiedenen<br />

Graustufen zwischen Schwarz und Weiß, gibt es ja nur, weil es Schwarz und Weiß gibt. Ohne beides<br />

wäre die Welt so einfarbig, wie die Pantheisten meinen.<br />

Das Böse wegdenken<br />

Der Pantheismus ist dabei nur einer, wenn auch der intelligenteste, der vielen neuzeitlichen Heile<br />

Welt?Versuche, das Böse wegzuerklären. Darwin meinte, das Böse sei nur ein sogenanntes Böses,<br />

weil Aggression der Arterhaltung diene; Marx hielt das Böse für einen (behebbaren)<br />

gesellschaftlichen Defekt, Freud für einen psychischen. Nietzsche schließlich näherte sich der<br />

pantheistischen Auffassung sehr stark an, wenn er das Böse für einen bloßen Begriff hielt, den man<br />

beliebig durch andere Begriffe wie „unnütz“ oder „unvernünftig“ ersetzen könne. Krieg, Krankheit,<br />

Tod, alldem mag man vielleicht noch etwas Positives abgewinnen, aber was ist gut an Grausamkeit<br />

und Haß an sich? Nein, das Böse existiert, und seine Existenz ist ein entscheidender Hinweis auf die<br />

Richtigkeit der christlichen Lehre.<br />

Interessanterweise wurde aber gerade die Existenz des Bösen immer wieder gegen die christliche<br />

Auffassung ins Feld geführt: Wie kann es Böses in der Welt geben, wenn ein guter Gott die Welt<br />

geschaffen hat? Dies ist in der Tat die Frage. Die naheliegende Antwort – daß es dann eben doch kein<br />

guter Gott war, der die Welt geschaffen hat, daß Gott gar nicht existiert – ist aber zu einfach: Denn<br />

böse und ungerecht kann ich die Welt nur nennen, wenn ich eine Vorstellung von gut und gerecht<br />

habe: Wäre die ganze Welt sinnlos, dann könnten wir gar nicht um ihre Sinnlosigkeit wissen.<br />

Der Krieg des Guten und Bösen<br />

Es gibt nur zwei Auffassungen, die beides berücksichtigen: daß vieles in der Welt schlecht und<br />

anscheinend sinnlos ist, und daß es zugleich Wesen in der Welt gibt, die darum wissen. Auf der einen<br />

Seite ist dies die christliche Lehre, die besagt, daß ein guter Gott die Welt geschaffen hat, diese aber<br />

auf Abwege geraten ist. Auf der anderen Seite ist es der Dualismus. Dieser hält die Welt für ein<br />

Schlachtfeld, auf dem die Mächte des Guten und die Bösen einen ewigen Krieg führen. Beide<br />

Mächte, das Gute wie das Böse, sind ewig, gleich mächtig, und unabhängig voneinander. Das<br />

Problem, das das Christentum am Dualismus hat, ist ausdrücklich nicht die Unterteilung in Gut und<br />

Böse. Das Problem des Dualismus ist die nicht zu Ende gedachte Metaphysik: Wenn beide Mächte<br />

430


wirklich unabhängig und gleich mächtig sind, mit welchem Recht darf man dann die eine gut und die<br />

andere böse nennen? Wenn wir das tun, dann muß es zusätzlich zu den beiden Mächten noch etwas<br />

Drittes geben, einen Maßstab des Guten – das wäre dann der wahre Gott.<br />

Wir erkennen hieran, daß das Böse zwar existiert, aber nicht als etwas Selbständiges. Niemand will<br />

das Böse um seiner selbst willen. Böse kann nur sein, wer das Gute kennt, und es dann auf<br />

verkehrtem Weg erreichen will. Das Böse ist immer darauf angewiesen, das Gute zu gebrauchen,<br />

schon allein, weil es ohne Verstand und Willen – beides an sich gut – nicht existieren kann. Deshalb<br />

hat das Christentum auch immer behauptet, der Teufel sei ein gefallener Engel. Und deshalb ist der<br />

Dualismus auch nicht konsequent, sondern bleibt auf der Hälfte des Gedankengangs stehen.<br />

Es reicht nicht, Gott nur in der Natur zu suchen.<br />

Praktisch sind sich Christentum und Dualismus aber wesentlich ähnlicher als heute vielfach<br />

angenommen wird. Der Kampf zwischen Gut und Böse findet wirklich statt, unsere Welt ist wirklich<br />

ein Schlachtfeld – nur das es sich nicht um einen Krieg zwischen zwei gleichstarken Parteien handelt,<br />

sondern um einen Bürgerkrieg, eine Rebellion der Geschöpfe gegen den Schöpfer. Oder um es mit C.<br />

S. Lewis zu sagen: „Vom Feind besetztes Gebiet – das ist unsere Welt. Das Christentum läßt uns<br />

wissen, wie der rechtmäßige König gekommen, gleichsam verborgen gelandet ist und uns alle<br />

aufruft, am weltweiten Feldzug der Partisanen teilzunehmen. Wenn wir zum Gottesdienst gehen,<br />

hören wir den Geheimsender unserer Verbündeten ab; deshalb ist auch dem Feind so sehr daran<br />

gelegen, uns vom Gottesdienst fernzuhalten. Er bedient sich dabei unserer Eitelkeit, Feigheit,<br />

Faulheit und unseres intellektuellen Snobismus.“ Deshalb, so könnte man ergänzen, reicht es auch<br />

nicht, Gott nur in der Natur zu suchen.<br />

431


Liberalismus und Anarchismus in eine Front!<br />

Geschrieben von: Gastautor: Stefan Blankertz<br />

Dienstag, den 11. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Beziehung zwischen Anarchismus und Liberalismus ist über weite Strecken die von „feindlichen<br />

Brüdern“. Anarchisten grenzen sich scharf ab vom Liberalismus, der durch Kompromisse mit<br />

Etatismus, Nationalismus und Militarismus zum Teil des herrschenden Systems geworden ist. Liberale<br />

beeilen sich, sich vom Anarchismus zu distanzieren, dessen Liebäugeln mit Terrorismus und<br />

autoritären sozialistischen Richtungen ihnen suspekt ist.<br />

Auf der Ebene der Theoriebildung haben Anarchisten jedoch stets die ursprünglichen liberalen Ideen<br />

für sich reklamiert: Für Peter Kropotkin hatten Herbert Spencers Theorien eine große Bedeutung;<br />

Rudolf Rocker hebt in seinem Hauptwerk „Nationalismus und Kultur“ die anti-etatistische Grundlage<br />

des Liberalismus hervor; Lysander Spooner, Benjamin R. Tucker, Voltairine de Cleyre und Paul<br />

Goodman sahen sich als die rechtmäßigen politischen Erben von Thomas Jefferson; Murray Rothbard<br />

entwickelt die Ökonomie von Ludwig von Mises weiter.<br />

Andererseits gibt es auch Liberale ohne Berührungsangst mit dem Anarchismus wie Albert Jay Nock,<br />

John Dewey und Felix Morley. Thomas Jefferson hielt, sich auf indianische Traditionen berufend (!),<br />

„no government at all“ für den erstrebenswerten politischen Zustand. Zwei historische Chancen einer<br />

antietatistischen Koalition zwischen Liberalismus und Anarchismus sind verpaßt worden. Die<br />

Anarchisten haben es in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht geschafft, sich mit den antiimperialistischen<br />

und anti-viktorianischen Kräften des Manchester-Liberalismus zu verbünden. Dies<br />

ist um so tragischer, weil es in der Folge die marxistisch dominierte Historiographie von Anarchisten<br />

weitgehend unbehelligt vermocht hat, aus den Manchester-Liberalen, deren Zielgruppe aus<br />

Arbeitern und Lumpenproletariern bestand, im öffentlichen Bewußtsein zu Handlangern der<br />

Ausbeuter zu machen.<br />

Die zweite Chance ist vom Liberalismus vertan worden, als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

Anarchisten in Rußland (Ukraine 1918-1922) und Spanien (1936-1939) sowohl gegen die konservative<br />

Staatsgewalt als auch gegen die „revolutionäre“ Staatsgewalt der Marxisten kämpften und auf<br />

wirksame internationale Unterstützung angewiesen wären. Die falsche Entscheidung der damaligen<br />

Liberalen, die Partei der Konservativen zu ergreifen, hat nicht nur den Anarchismus in der<br />

Katastrophe des Faschismus und Kommunismus für Jahrzehnte untergehen lassen, sondern auch das<br />

Schicksal des konsequenten Liberalismus selbst besiegelt. Danach ist der Liberalismus vollends zur<br />

staatstragenden Macht degradiert.<br />

Die Hoffnung für das kommende Jahrtausend besteht darin, daß der von Paul Goodman und Murray<br />

Rothbard eingeleitete Versuch, im „libertarianism“ eine Koalition zwischen Anarchisten und Liberalen<br />

zu stiften, Erfolg hat.<br />

Die anarchistische Basis des liberalen Freiheitsbegriffs<br />

These: Der konsequente Liberalismus kritisiert am Sozialismus nicht den Sozialismus, sondern den<br />

Interventionismus. In einer politologisch präzisen Definition von Sozialismus kommt der Staat nicht<br />

vor: Sozialismus ist ein politisches System, in welchem gemeinsames Eigentum sozioökonomische<br />

Differenzierung in der Bevölkerung vermeiden solle. Wenn wir die Variante des Ost-Sozialismus, in<br />

der der Staat Träger des gemeinsamen Eigentums war, zur definitiven Gestalt des Sozialismus<br />

erklären, fallen viele, die sich als Sozialisten bezeichnet haben, heraus.<br />

432


Im Kontext der Zensur gegen angeblich bolschewistische Intellektuelle in der McCarthy-Zeit schrieb<br />

Ludwig von Mises 1956 beispielsweise unmißverständlich: „Jedoch ist Freiheit unteilbar. Jeder<br />

Versuch, die Freiheit der dekadenten und lästigen Literaten und Schein-Künstler zu beschränken,<br />

würde den Autoritäten die Macht verleihen, zu bestimmen, was gut und was schlecht ist. Freiheit<br />

muß allen zugestanden werden, selbst den verächtlichen Menschen, damit nicht die wenigen, die<br />

von ihr zum Wohle der Menschheit Gebrauch machen können, behindert werden.“<br />

Fast hundert Jahre vorher hatte der Anarchist Bakunin, der sich auch als Kollektivist und Sozialist<br />

bezeichnete, das so ausgedrückt: „Absolute Freiheit für Vereinigungen, ohne solche auszunehmen,<br />

die nach ihrem Ziel unmoralisch sind oder zu sein scheinen, und selbst solche, deren Ziel die<br />

Korruption und die Zerstörung der individuellen und öffentlichen Freiheit ist. Die Freiheit kann und<br />

soll sich nur durch die Freiheit verteidigen, und es ist ein gefährlicher Widersinn, sie zu<br />

beeinträchtigen unter dem Vorwand, sie zu beschützen, und da die Moral keine andere Quelle,<br />

keinen anderen Ansporn, keine andere Ursache und kein anderes Ziel hat, als die Freiheit, und da sie<br />

selbst nichts ist als die Freiheit, so wendeten sich alle der Freiheit zum Schutz der Moral auferlegten<br />

Einschränkungen immer zum Schaden der Moral.“<br />

Der hier von Bakunin und Mises formulierte Freiheits-Begriff, der in gleicher Weise von der<br />

Sozialdemokratin Rosa Luxemburg und dem Konservativen Milton Friedman zugrunde gelegt wird,<br />

kennt nur ein Kriterium für die Zulässigkeit von Handlungen: Freiwilligkeit. Bakunin versteht unter<br />

„absoluter“ und „vollständiger“ Freiheit:<br />

„Freiheit zu gehen und zu kommen, laut jede Meinung auszusprechen, faul oder fleißig, unmoralisch<br />

oder moralisch zu sein, mit einem Wort: über die eigene Person und den eigenen Besitz nach<br />

Belieben zu verfügen, ohne jemand Rechenschaft abzulegen: Freiheit, ehrlich zu leben durch eigene<br />

Arbeit oder durch schimpfliche Ausbeutung der Wohltätigkeit oder des privaten Vertrauens, sobald<br />

beide freiwillig sind.“<br />

Im Freiheits-Begriff des Liberalismus ist zwingend die Toleranz enthalten, Lebensformen<br />

hinzunehmen, die auf freiwillig gebildetem gemeinsamen Eigentum beruhen, selbst wenn dies nicht<br />

dem persönlichen Ideal entspricht, das ein Liberaler vertritt, oder wenn Liberale gemeinsame<br />

Eigentumsnutzung als ökonomisch ineffektiv bewerten. Der liberale Freiheit-Begriff widerspricht<br />

nicht notwendigerweise sozialistischen oder sogar kommunistischen Theoretikern. Nehmen wir<br />

beispielsweise den kommunistischen Anarchisten Peter Kropotkin, der den kommunistischen<br />

Grundsatz, gut sei, was der Gesellschaft, der das Individuum angehört, nütze und schlecht, was ihr<br />

schade, so auslegt:<br />

„Für uns bedeutet ‚Kommune’ nicht mehr eine territorial abgegrenzte Anhäufung menschlicher<br />

Wohnungen, sondern eine Interessenkommune, deren Mitglieder über Tausende von Städten und<br />

Dörfern zerstreut sind.“<br />

Alle, auch die wirtschaftlichen Angelegenheiten zwischen diesen strikt freiwillig gebildeten<br />

Interessenkommunen sollten laut Kropotkin durch „freie Vereinbarung“ geregelt werden. Der<br />

Unterschied zwischen Kropotkin und Mises ist kaum mehr als terminologischer Art.<br />

Die liberale Basis der Ökonomie des Anarchismus<br />

Die Form, in der die materiellen Lebensgrundlagen gesichert werden, die Ökonomie, bestimmt in<br />

entscheidendem Maße die gesellschaftliche Wirklichkeit. Der Anarchismus enthält, unabhängig von<br />

seiner inneren Differenzierung, zwei aus seiner Begriffslogik abgeleitete Thesen zur Ökonomie:<br />

433


1. Die effektivste und gerechteste Sicherung der Lebensgrundlagen geschieht durch das<br />

selbstbestimmte, verantwortliche Handeln der einzelnen Menschen und freiwilligen Gruppen.<br />

2. Die ökonomischen Probleme wie unzureichende Versorgung oder ungerechte Verteilung sind<br />

Folgen von politischherrschaftlicher Überformung des selbstverantwortlichen Wirtschaftens.<br />

Mit der ersten These knüpft der Anarchismus an die Theorie des klassischen Liberalismus an, mit der<br />

zweiten These nimmt er die sozialistische Kritik an unsozialen Zuständen auf. Beide Traditionslinien –<br />

Liberalismus und Sozialismus – werden zusammengebracht, indem nachgewiesen wird, daß die<br />

unsozialen Zustände nicht Folgen des freien Wirtschaftens seien, wie dies in autoritären<br />

sozialistischen Konzeptionen behauptet wird, sondern auf die unzureichende Durchführung des<br />

liberalen Programms und auf Inkonsequenzen in diesem Programm selbst zurückzuführen sind.<br />

Die Bedeutung der Ökonomie für den Anarchismus läßt sich daran erkennen, daß sich die innere<br />

Differenzierung hauptsächlich in der ökonomischen Zielperspektive festmacht. Die Namen der<br />

anarchistischen Fraktionen bezeichnen jeweils die angestrebte Form des Wirtschaftens: Mutualismus<br />

(Pierre Joseph Proudhon), Kollektivismus (Michael Bakunin), Individualismus (Max Stirner, Benjamin<br />

R. Tucker, John Henry Mackay), Kommunismus (Peter Kropotkin, Emma Goldman),<br />

Genossenschaftlichkeit (Gustav Landauer, Martin Buber), Syndikalismus (Errico Malatesta, Rudolf<br />

Rocker).<br />

Die Fixierung auf die Zielperspektive hat leider allzuoft verdeckt, daß die Kritik an der staatlich<br />

strukturierten Wirtschaft die gemeinsame Basis aller Strömungen bildet. Die kommunistischen<br />

Anarchisten machen nicht wie die autoritären Kommunisten das freie Wirtschaften als Hindernis für<br />

kommunitäre Lösungen aus, sondern staatliche Eingriffe. Und für individualistische Anarchisten<br />

verstößt die staatliche Unterdrückung freiwilliger kommunistischer Experimente ebenso gegen ihr<br />

Prinzip wie erzwungener Kommunismus.<br />

Als Hindernis auf dem Weg, die gemeinsame ökonomische Basis zu erkennen und zu einem<br />

„Anarchismus ohne Adjektive“ zu finden, wird vielfach die Eigentumsfrage angesehen. Dies jedoch<br />

entspringt eher einem Selbstmißverständnis als objektiver Differenz. Denn einerseits können<br />

individualistische Anarchisten gegen die kollektive Nutzung von Eigentum auf freiwilliger Basis auch<br />

dann nichts einwenden, wenn sie sie persönlich für nicht erstrebenswert oder für ökonomisch nicht<br />

rational halten. Andererseits fordern kommunistische Anarchisten keineswegs die generelle<br />

Aufhebung des Eigentumsrechts.<br />

For a free humanity!Da der Anarchismus ebenso wie der Liberalismus und anders als der Marxismus<br />

eine Reihe sehr unterschiedlicher geistiger Wurzeln subsumiert, ist es nicht möglich, die verbindliche<br />

Analyse und Kritik der staatlichen Ökonomie namhaft zu machen. Gleichwohl läßt sich aus den<br />

vorliegenden Ansätzen so etwas wie eine Typologie herausarbeiten, wobei der einzelne<br />

anarchistische Ökonom die Aspekte betont, die der jeweiligen Situation und Theorie angemessen<br />

sind:<br />

1. Der Staat reklamiert Ressourcen für sich und erzwingt die kollektive, von ihm autoritär geleitete<br />

Nutzung. Die anarchistische Kritik zeigt, daß diese Art der Nutzung Ressourcen verschwendet (z.B.<br />

Militär), nicht bedürfnisgerecht einsetzt (z.B. forcierter Straßenbau mit Steuergeldern und auf<br />

enteignetem Boden), zur ökonomischen Privilegierung dient (z.B. Luft; der Staat überläßt deren<br />

„Nutzung“ – Verschmutzung – kostenlos oder extrem billig dem favorisierten Personenkreis der<br />

Unternehmer).<br />

434


2. Der Staat schützt ungerechtfertigte Eigentumsansprüche; das sind Eigentumsansprüche, die nicht<br />

durch Arbeit und freie Vereinbarung entstanden sind, sondern durch Deklamation (dies ist z.B. beim<br />

Staat selbst und bei Kirchen der Fall), Raub (dies ist z.B. bei Großgrundbesitz der Fall) und staatliche<br />

Privilegierung (dies ist z.B. bei Monopol- und Oligopollizenzen in der Energiewirtschaft und im<br />

Bankenwesen der Fall). Die anarchistische Kritik zeigt, daß dieser Schutz wesentlich zur<br />

sozioökonomischen Ungleichheit beiträgt.<br />

3. Der Staat verbietet soziale Experimente, z.B. verbietet das Geldmonopol das Experiment mit<br />

alternativen Zirkulationsmitteln; das Energiemonopol verbietet den individuellen Ausstieg aus der<br />

Großtechnologie; die Subventionen lassen ökologischen Landbau konkurrenzunfähig werden; extrem<br />

hohe Steuerbelastung bindet alle über die Sicherung des Lebensstandards hinausgehenden<br />

Einkommensteile an den Staatshaushalt und macht alternative Investitionsentscheidungen<br />

unmöglich. Die anarchistische Kritik zeigt, daß diese Behinderungen der sozialen Kreativität die<br />

Lösung gesellschaftlicher Probleme erschwert oder unmöglich macht.<br />

Perspektive<br />

Die libertäre Synthese von Liberalismus und Anarchismus gewinnt nach dem wirtschaftlichen<br />

Zusammenbruch des „östlichen“ Staatssozialismus und mitten in der sozialen und ökologischen Krise<br />

des „westlichen“ Staatskapitalismus zunehmend an objektiver Bedeutung. Dieser objektiven<br />

Bedeutung kann der „Libertarianism“ gerecht werden, wenn anstelle von Nostalgie und Fortführung<br />

der Fraktionskämpfe des 19. Jahrhunderts energisch die ökonomischen Probleme des 21.<br />

Jahrhunderts aufgegriffen und einer freiheitlichen, lebenserhaltenden und lebensbejahenden<br />

Perspektive zugeführt werden.<br />

Aus: eigentümlich frei, Heft 1, 1998, www.ef-magazin.de<br />

Wir danken der Redaktion der eifrei für die Genehmigung, diesen Artikel hier veröffentlichen zu<br />

dürfen.<br />

435


War Jesus ein Irrer?<br />

Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />

Mittwoch, den 12. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Stellen Sie sich vor, jemand stiehlt Ihnen Geld, macht Sie öffentlich lächerlich oder tut Ihnen sonst<br />

irgendein Unrecht an. Und nun kommt ein anderer, geht zu diesem Jemand – und vergibt ihm. Das<br />

fänden Sie wahrscheinlich albern, doch dann stellt sich heraus, daß dieser Andere es wirklich ernst<br />

meint: er vergibt jemandem ein Unrecht, daß Ihnen angetan worden ist – und er tut das, ohne Sie<br />

vorher zu fragen. Dieser Mann, sagen Sie, muß geisteskrank sein, oder noch Schlimmeres. Aber für<br />

einen weisen Lehrer und einen sanftmütigen Friedensprediger würden Sie ihn wohl kaum halten.<br />

Es gibt eine weitere Möglichkeit: Wenn sich dieser ominöse Mann, der Sünden vergibt, die offenbar<br />

gar nicht ihm angetan wurden, doch anscheinend so verhält, als ob er der Hauptbetroffene sei, also<br />

derjenige, dem mit der Sünde am meisten Unrecht getan wurde – dann könnte es sein, daß dies<br />

tatsächlich stimmt. Wenn es sich bei dem Mann um denjenigen handelte, der das Sittengesetz<br />

gemacht und den Menschen geschaffen hat, wenn er derjenige wäre, dessen Liebe durch jede Sünde<br />

verletzt wird, wenn es sich also bei diesem Mann um Gott selbst handelte – dann hätte er Recht<br />

damit, Sünden zu vergeben.<br />

Irrer oder dämonischer Verführer<br />

Der Jesus des Neuen Testaments war kein gutmütiger Lehrer, kein liberaler Revoluzzer und kein<br />

netter Typ, mit dem man prima eine WG hätte gründen können. Der Jesus des Neuen Testaments<br />

war entweder ein Irrer oder ein dämonischer Verführer – oder er war Gottes Sohn. Jesu Zeitgenossen<br />

war das bewußt, und deshalb haben ihn die einen als Retter verehrt und die anderen gnadenlos<br />

verfolgt und schließlich ans Kreuz geschlagen.<br />

Aber kann das alles überhaupt sein? Ist es überhaupt möglich, daß Gott selbst Mensch wird und den<br />

Menschen die Sünden vergibt? Die Antwort kann nur lauten: Wieso nicht? Wenn wir auf unser<br />

Gewissen hören und uns unserer Sündhaftigkeit bewußt werden, dann erkennen wir jedenfalls, daß<br />

wir uns nicht selbst aus der Sünde befreien können. Es gibt nur einen, der das kann, und das ist Gott<br />

selbst. Der Großteil der Menschheit wußte das schon immer. In nahezu allen heidnischen Religionen<br />

gibt es Geschichten, die von einem Gott erzählen, der stirbt und wieder lebendig wird, und der<br />

dadurch den Menschen neues Leben bringt.<br />

Gott ist auf die Erde gekommen.<br />

Das Christentum aber stellt sich nicht bloß in diese Reihe, und es variiert den heidnischen Mythos<br />

auch nicht nur. Das Neue, das für heidnische Vorstellungen fast unbegreifliche Neue am Christentum,<br />

ist, daß hier der heidnische Mythos historische Wirklichkeit geworden ist: Gott ist tatsächlich, zu<br />

einem bestimmten historischen Zeitpunkt an einem bestimmten geographischen Ort, als Mensch auf<br />

die Erde gekommen.<br />

Der Gedanke, daß etwas gleichzeitig Mythos und historische Realität ist, ist so unvorstellbar, daß<br />

immer wieder Versuche unternommen worden sind, beides voneinander zu trennen. Die Evangelien<br />

des Neuen Testaments, so haben viele Theologen gemeint, hätten die wahre Geschichte des<br />

jüdischen Zimmermanns Jesus umgeschrieben und aus ihr erst einen Mythos gemacht. In<br />

Wirklichkeit, so meinten die einen, habe Jesus lediglich die alles verzeihende Liebe Gottes gepredigt<br />

und sei für Frieden und Gewaltlosigkeit eingetreten. Die anderen behaupteten, Jesus sei ein<br />

politischer Aufrührer gewesen, der die Fremdherrschaft der Römer gewaltsam beenden und eine Art<br />

436


protokommunistischer Weltrevolution anstoßen wollte, weshalb er von den Römern ans Kreuz<br />

geschlagen worden sei. Wieder andere hielten ihn für einen der vielen Charismatiker seiner Zeit, die<br />

die jüdische Religion verinnerlichen und vertiefen wollten.<br />

Doch man muß den Evangelien schon sehr viel Gewalt antun, um sie in eine dieser oder ähnlicher<br />

Theorien zu pressen. Das wurde auch getan. Man hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die<br />

historische Glaubwürdigkeit der Evangelien immer stärker infragegestellt und hat sie als Zeugnisse<br />

christlicher Gemeinden bezeichnet, die aus großem zeitlichen Abstand zu den tatsächlichen<br />

Ereignissen heraus und ohne echtes historisches Interesse ihren Glauben niedergeschrieben hätten.<br />

Mythos oder historische Wirklichkeit<br />

Es hat aber auch immer Stimmen gegeben, die gegen diese Sicht die historische Zuverlässigkeit der<br />

Evangelien betont haben: Die Evangelisten bezeichnen sich selbst als Augenzeugen der Geschehnisse<br />

bzw. als Historiker, die die Geschichte Jesu wahrheitsgemäß schildern wollen; ihr Erzählstoff ist zwar<br />

mythisch, aber sie erzählen ihn nicht so, wie Mythen eigentlich erzählt werden: weder schreiben sie<br />

besonders kunstvoll noch siedeln sie ihre Geschichte in ille tempore, in einer Zeit vor der Zeit, an. Die<br />

Evangelien sind in Wirklichkeit weder nur Mythen noch sind sie nur historische Berichte. In ihnen<br />

wird von der Vermählung von beidem, dem Hieros Gamos von Mythos und Wirklichkeit, erzählt.<br />

Demgegenüber sind die meisten der Unternehmungen, den „historischen Jesus“ von dem der<br />

Evangelien zu trennen, relativ einfach als Versuche erkennbar, sich einen Jesus nach den eigenen<br />

persönlichen Vorlieben zu konstruieren. In Wirklichkeit geht es dabei aber nicht um historische<br />

Plausibilitäten. In Wirklichkeit will man der unerbittlichen Alternative ausweichen, vor die uns die<br />

Evangelien stellen: Jesus war entweder ein Irrer oder Gottes Sohn.<br />

437


Ab ins alternative Altersheim: Die GRÜNEN werden alt.<br />

Geschrieben von: Simon Meyer<br />

Donnerstag, den 13. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Die Grünen haben es nicht leicht. Altmarxistische Phrasen werden jetzt auch bei der Linkspartei<br />

gedroschen, Angela Merkel hat die Umweltthemen für sich besetzt und langsam aber sicher wird es<br />

bei den alten Kämpfern der Putzgruppen Zeit für das künstliche Hüftgelenk. Die mürbe gewordenen<br />

Bandscheiben haben zunehmend Schwierigkeiten, den in der Zeit der Teilhabe an der Macht<br />

angefressenen Wohlstandsbauch zu tragen.<br />

Tatsächlich, die ehemalige Avantgarde der 68er-Jugend ist in die Jahre gekommen. Selbst Joschka<br />

Fischer, der ehemalige Sympathieträger Nr. 1, hat sich auf eine bequeme Ruhestelle zurückgezogen.<br />

Das einzige, was nicht zu altern scheint, sind dessen immer neue Ehefrauen.<br />

Um so skurriler erscheint es, daß sich die Grünen zwanghaft ein jugendliches Image geben wollen.<br />

Geistig verharren viele Grüne trotz Glatze und Gehhilfe in einem künstlichen dauerpubertierenden<br />

Stadium. Dies liegt an der Kinderlosigkeit vieler grüner Politiker, die nie lernen mußten, wie es ist, als<br />

Elternteil für Kinder Verantwortung zu übernehmen. Und wer selbst Kinder hat, legt kein zwanghaft<br />

infantiles Gehabe an den Tag.<br />

Springen die Grünen noch einmal vom Rollstuhl auf?<br />

Den Grünen fehlt völlig die Einsicht, wie wenig authentisch dieses Auftreten mittlerweile wirkt.<br />

Besonders anschaulich ist das Fehlen jeder realistischen Selbsteinschätzung, wenn etwa eine Claudia<br />

Roth meint, mit ihren Phrasen noch Teil einer Jugendbewegung zu sein. Tatsächlich wirkt sie für<br />

einen nicht geringen Teil der Jugend nur wie ein schriller, aber alternder Vogel, der versucht, den<br />

eigenen Jugendunsinn unters Volk – Verzeihung – unter die Bevölkerung zu bringen. Einstmals, als<br />

die Grünen noch authentisch auftraten, schien das Leben tatsächlich eine einzige Dauerparty mit<br />

lauter bunten Vögeln zu sein. Doch jede Party geht einmal zu Ende. Heute lassen manche Grünen-<br />

Politiker Erinnerungen an Lucy aus den Peanuts aufkommen, die – ihr Leben betrachtend – hysterisch<br />

„Ich will nur Höhepunkte!“ schreit.<br />

Ebenso bröckelnde Fassade der grünen Oligarchen ist der Name der Partei. Die Erhaltung der<br />

natürlichen Umwelt unserer Heimat liegt vielen Jugendlichen am Herzen und so dient der<br />

vorgebliche Naturschutzgedanke den Grünen quasi als Knusperhäuschen, um diesen Teil der<br />

idealistischen Jugend anzulocken und für ihre Ziele einzuspannen. Tatsächlich spielt – jedenfalls<br />

sobald man die kommunale Ebene verläßt – der Umweltschutz im grünen Parteiprogramm<br />

mittlerweile eine marginale Rolle. Eine Demo für die Teilnahmeberechtigung von transsexuellen<br />

SchwarzafrikanerInnen beim Maibaumkraxeln im niederbayerischen Hintermoosing läßt den grünen<br />

Veteranen noch mal vom Rollstuhl springen, die Schönheit der Donauauen kennt er allenfalls von<br />

seinem Abreißkalender in seiner biederen Stadtwohnung. Die echten Naturschützer haben die Partei<br />

längst verlassen.<br />

„Ihhhhhhhhhhhh, da ist ein Naziiiiiiiiiiiiii! Naziiiiiiiiiiiii! Naziiiiiiiiiiii!“<br />

Jugendliche, die sich für den Umweltschutz engagieren wollen, sollten sich andere Betätigungsfelder<br />

als eine grüne Jugendorganisation suchen. Beim grünen Nachwuchs sind andere Qualitäten als<br />

Begeisterung für die Natur gefragt. Aufstiegschancen bemessen sich nach der Lautstärke, in der man<br />

das Wort „Nazi“ schreien kann. „Naziiiiiii! Naziiiiiiiiiii! Naziiiiiiiii!“<br />

438


Ob man eine Eiche von einem Plastikbonsai unterscheiden kann, ist nebensächlich. Wer sich also<br />

nicht nur zum metaphorischen Waldgänger geboren fühlt, sondern sich aktiv für die Erhaltung der<br />

natürlichen Umwelt unserer Heimat einsetzen will, ist in der Bündischen Jugend oder einer<br />

unpolitischen Naturschutzorganisation tausendmal besser aufgehoben, als bei den infantilen Greisen<br />

einer Partei, die Begeisterung für die Natur durch Antifakeule und Gutmenschengesäusel ersetzt<br />

haben.<br />

439


Kluge Bescheidenheit und Politik der Skepsis:<br />

Anmerkungen zum Philosophen Michael Oakeshott<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Freitag, den 14. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Wohl kein anderer als der britische Philosoph Michael Oakeshott (1901-1990) hat so sehr bewiesen,<br />

daß jener vermeintlich für immer Wohlstand verbürgender Grundkonsens so genannter „westlicher<br />

Demokratien“ eine destruktive Grundhaltung in sich birgt, die durch ein Mehr an Skepsis hinsichtlich<br />

dessen, was mit politischen Mitteln bewirkt werden kann, ausgeglichen werden müsse. In der<br />

deutschen Literatur sind die Schriften Oakeshotts leider schwer zu finden. Umso begrüßenswerter ist<br />

es nunmehr, daß beim Verlag Edition Antaios eine erste einführende Arbeit von Till Kinzel zu diesem<br />

Philosophen erschienen ist.<br />

Moral der Höflichkeit<br />

Oakeshott steht in seinem Denken – so betont Till Kinzel – allen Bestrebungen fern, eine politische<br />

Korrektheit durchzusetzen oder mit ihr gewisse Fragen krampfhaft mit dem Hammer lösen zu wollen.<br />

Auch der scheinliberalen Einhegung des politischen Diskurses durch Gesinnungswächter und den von<br />

ihnen alimentierten Denunzianten stand er zutiefst skeptisch gegenüber. Gleichzeitig manifestiert er<br />

damit die wichtige Rolle, die dem politischen Philosophen und seiner Wissenschaft zukommt. Dieser<br />

nämlich besitzt mehr und bedeutsameres als nur Meinungen, die sich auf Tagesfragen beziehen. Er<br />

verfügt jenseits jeglicher Korrumpierbarkeit über die hintergründige Analyse des politischen<br />

Handelns, über eine umfassendere Sicht, über eine gleichsam „ostentative Unaufgeregtheit“. Diese<br />

steht in der Tat der heute in der Politik längst üblich gewordenen Hysterie mit ihrem Kult der Wut<br />

und Trauer gegenüber und setzt ihr eine Moral der Höflichkeit entgegen. Diese speist sich aus<br />

Nüchternheit und Skepsis. Kinzel versäumt es dabei nicht zu verdeutlichen, daß dies gerade die<br />

elementaren charakterlichen Versatzstücke eines konservativen aber auch dezidiert philosophischen<br />

und damit parteilich unabhängigen Menschen sind. Zugleich erhellt sich damit, daß es sich bei<br />

Oakeshott eben nicht um eine banale Spielart des britischen Commonsense-Konservatismus handelt<br />

und er wohl auch in Deutschland nicht als herkömmlicher Konservativer gesehen werden darf.<br />

Blick für die konkrete Situation<br />

Es ist die „Politik der Zuversicht", wie Oakeshott sie nennt, die das Gerüst der politischen Moderne<br />

bilde und entgegen seiner denkenden Nüchternheit an grenzenloses Wachstum und<br />

Problemlösungspotential glaube. Vor allem aber steht mit diesem Buch Oakeshotts Grundthese im<br />

Raum, daß politische Philosophie eben nicht dazu da sei, die Vorgaben von Parteien zu erfüllen,<br />

deren Programme auszuarbeiten oder – sinngemäß – in Kooperation mit der „Bundeszentrale für<br />

politische Bildung“ der volkspädagogischen Bürgereinlullung zuzuarbeiten. Vielmehr ist politische<br />

Philosophie der Aufruf, selbst zu denken, sich auf die Frage nach den wirklichen und nicht medial<br />

inszenierten Gefährdungen politischer Ordnung zu konzentrieren um zu verdeutlichen, daß es<br />

philosophisch nicht opportun ist, aus dem politischen Gegner plötzlich den „Feind“ zu machen oder<br />

den politischen Gegner in seinem Reflexionsprozess jenseits irgendwelcher Tabus plötzlich als<br />

„verwirrt“ abzutun. Soll ja schon mal vorgekommen sein. – Alles viel zu naiv und unaufrichtig, würde<br />

Oakeshott sagen. Er nämlich würde heute gewiss zustimmen, wenn wir beherzigen, daß die<br />

reflektierte Skepsis des Konservativen folgendes verlangt: Den Blick für die Situation, für sanfte, aber<br />

rechtzeitige Anpassungen der äußeren Ordnung an gesellschaftliche und geistige Veränderungen.<br />

440


Politische Skepsis und Tatkraft<br />

Es handelt sich für Oakeshott wohlgemerkt nicht um eine bestimmte politische Position oder<br />

Richtung, sondern um einen inhaltlich offenen Stil politischen Denkens und Handelns. Er prangert<br />

deshalb zu Recht die Begierde an, regieren zu wollen oder jedes Parteiprogramm im Hinblick auf<br />

potentielle Wählerstimmen in der Sprache der absoluten Zuversicht abzufassen. Im Gegenteil. Er<br />

fordert das Lebensrecht der von ihm beschriebenen politischen Philosophie ein und stellt damit ein<br />

britisches Äquivalent zum deutschen Politikwissenschaftler und Initiator einer deutschen<br />

„Philosophie der Selbstbehauptung“ (zuletzt 20<strong>07</strong>) Bernard Willms dar. Beide nämlich warnten davor<br />

zu ignorieren, daß Leben immer Negation bedeuten kann, entgegen menschlicher Zuversicht<br />

verlaufen kann und geistiger Selbstbehauptung bedarf. Es geht bei Oakeshott also um eine politische<br />

Skepsis gepaart mit denkender Tatkraft. Die Lebensführung des Menschen erfordere es damit auch<br />

nicht wie mit Marx (10. Feuerbachthese), die Welt zu verändern. Vielmehr sei es – eben viel<br />

bescheidener – nötig, allein unser eigenes Verständnis der Welt, unsere Auffassungen zu verändern<br />

und zu hinterfragen. Dabei ist dem Philosophen alles Wissen ohne Tabus bedeutsam. Es gibt keine<br />

strategische oder ideologische Ausgrenzung von Fakten oder Begriffen, sondern es wird integral<br />

gedacht und erwägt. Philosophie ist nach Oakeshott die Erfahrung selbst, die der Betrachtung der<br />

Modi menschlicher Seinsweisen offen steht, d.h. konkrete Situationen und nicht durch Bedürfnisse<br />

und Gesinnungen reduzierte Halbwahrheiten betrachtet. Oakeshott selbst lebte auch nach seinen<br />

Maximen: Er befreite sich gleichsam in der Manier eines Dandys von jedem praktischen Interesse<br />

und vertrat eine Wissenschaft jenseits staatlich alimentierter Profit- und Prestigemaximierung,<br />

jenseits medial abverlangten Begriffschrotts.<br />

Bescheidenheit und Unabhängigkeit<br />

Kinzel malt das Bild eines Philosophen, der „Ja“ sagt zur Welt, wie wir sie vorfinden und sich nicht der<br />

Hybris einer vermeintlichen Abschaffung aller Übel preisgibt. Das Leben ist ein Dilemma und als<br />

Aufgabe soll es dies auch bleiben. Jegliche politische Absicht und parteipolitische Beeinflussung<br />

beinhaltet schon immer eine gefährliche Reduzierung, eine Vereinfachung des Lebens als komplexes<br />

Geschehen. Damit bleibt Politik als Tagesgeschäft notwendig mittelmäßig und defizitär, weswegen<br />

der politische Philosoph seinen eigenen Weg gehen muß. Philosophie ist aber gerade deshalb keine<br />

weltentfremdete Flucht vor der Realität, sondern die realistische Instandsetzung des Konkreten.<br />

Kinzel meint: „Der Idealismus, wie ihn Oakeshott versteht, wie ihn aber auch die deutsche<br />

philosophische Tradition verstanden hat, ist deshalb eine Form des konkreten Denkens.“ Vortrefflich<br />

ergibt sich bei aufmerksamer Lektüre anhand der Philosophie Oakeshotts ein Bild, das aufzeigt, wie<br />

es möglich ist, philosophisch konservativ zu sein und trotzdem ganzheitlich zu denken, Hegel zu<br />

mögen, in die Zukunft zu denken und trotzdem eine auf das „Hier und Jetzt“ bezogene Haltung an<br />

den Tag zu legen. Hilfreich ist dabei, daß abschließend die Elemente eines modernen Konservatismus<br />

beschrieben werden. Das Vertraute dem Unbekannten vorziehen, das Gegenwärtige dem Möglichen,<br />

das Ausreichende dem Überflüssigen. Zugleich aber betrachtet der Konservative als bescheidener<br />

Mensch nach Oakeshott den Glauben an die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen als Flucht<br />

vor der Komplexität. Er setzt ihr eine Skepsis entgegen, die sich gerade aufgrund ihrer Bescheidenheit<br />

für keine Macht einspannen läßt.<br />

Das Projekt der Zukunft<br />

Siebzehn Jahre nach seinem Tod bietet das vorliegende Buch über Michael Oakeshott eine geeignete<br />

Einführung mitsamt zahlreicher Anstöße und Bezüge zur Gegenwart. In Zeiten der politischen<br />

Machtkonzentration, des Verschwindens vermittelnder Gewalten, des Ausbaus eines weit<br />

verzweigten Exekutiv-Apparates mitsamt seiner Ministerialbürokratie, der Nutzung neuester<br />

441


Techniken zur Kontrolle und Überwachung sowie in Zeiten ausgeprägten medialen Stumpfsinns sollte<br />

eine „Politik der Skepsis“ und die „kluge Bescheidenheit“ ein wichtiges Projekt des deutschen<br />

Konservativen bleiben, denn: „Alles Leben ist notwendigerweise unvollkommen; es ist voller<br />

Möglichkeiten, doch karg an Gewissheiten.“ (Oakeshott)<br />

Till Kinzel: Michael Oakeshott. Philosoph der Politik, 112 Seiten, broschiert, Edition Antaios,<br />

Schnellroda, 20<strong>07</strong>, ISBN: 978-3-935063-09-8.<br />

442


Das Kreuz mit dem Kreuz<br />

Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />

Sonntag, den 16. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Pfarrer Jürgen Fliege ist wahrscheinlich nicht der einzige, der das Kreuz am liebsten nicht nur aus<br />

Schulen und Gerichtssälen, sondern auch aus Kirchen verbannt sähe. Nicht nur, daß ein zu Tode<br />

gequälter Mann, der an ein Stück Holz genagelt ist, nicht besonders angenehm oder erhebend ist. Die<br />

Vorstellung von einem „Sühneopfer“ Christi am Kreuz ist doch – milde gesagt – eine etwas veraltete<br />

Vorstellung, wenn nicht ein „Horror-Angebot“ (Fliege). Was ist das auch für eine merkwürdige<br />

Theorie: Gott wollte die Menschen strafen, weil sie von ihm abgefallen sind, doch Christus erklärte<br />

sich bereit, sich an unserer Stelle bestrafen zu lassen, so daß Gott uns laufen ließ?<br />

Man mag diese und ähnliche Vorstellungen für antiquiert, unschön und grausam halten, aber sie<br />

haben gegenüber den Gegenentwürfen von Fliege und Co. einen entscheidenden Vorteil: Sie nehmen<br />

das Christentum ernst. Wenn die ganze Sache mit dem Kreuzestod Jesu in Wirklichkeit nur ein großes<br />

Mißverständnis oder eine üble Gemeinheit der römischen Machthaber war, was bleibt dann noch<br />

vom Christentum? Ein paar gut gemeinte moralische Ratschläge? Selig die Friedfertigen, die<br />

Sanftmütigen, die Barmherzigen? Das ist alles nicht falsch, aber es ist nicht vollständig. Wenn schon<br />

die moralischen Lehren Jesu das Zentrum des Christentums sein sollen, dann bitteschön auch alle:<br />

„Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.“<br />

„Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen.“ „Wer zu seinem Bruder sagt: Du Narr!, der ist<br />

des höllischen Feuers schuldig.“<br />

Unerfüllbare ethische Forderungen<br />

Meint irgend jemand im Ernst, nach solchen Vorschriften gerecht leben zu können? Meint er<br />

wirklich, Jesus habe uns entlastende und liberale Lehren gebracht? Jesus war kein Liberaler, so wie er<br />

kein Pazifist war, kein Marxist oder sonst etwas, das man im 19. und im 20. Jahrhundert in ihn<br />

hineingelesen hat. Seine ethischen Forderungen sind unerfüllbar. Wer behauptet, Jesus habe uns<br />

durch neue ethische Forderungen von der Last des Gesetzes befreit und uns gerecht gemacht, der<br />

kennt offensichtlich das Neue Testament nicht. In solche und ähnliche Fallen tappt man, wenn man<br />

das Kreuz Christi beiseite schiebt. Es ist nämlich der Kern des Christentums.<br />

Also muß man als Christ doch dieser brutalen und unmenschlichen Lehre folgen, daß Gott unser Blut<br />

verlangt, und sich nur durch das Blut Christi versöhnen läßt? Muß man also erst einmal an eine<br />

Theorie glauben, bevor man Christ werden kann? Nein. Eine Theorie ist ja dazu da, um eine Sache zu<br />

erklären, um ein Bild zu geben. Nicht der Theorie muß man glauben, sondern der Sache, die sie<br />

erklärt. Diese „Sache“ ist im Christentum: Der Tod Christi versöhnt uns mit Gott und gibt uns die<br />

Möglichkeit zu einem Neubeginn. Sein Tod hat die Sünde getötet und damit auch den Tod selbst.<br />

Erklärungen dieses Kerns sind immer nur Hilfsmittel und dürfen mit der Sache nicht verwechselt<br />

werden. Deshalb ist die Theorie vom zornigen, blutdurstigen Gott, der sich durch Christi Blut hat<br />

besänftigen lassen, nicht das Christentum. Der Kreuzestod und seine erlösende Wirkung hingegen<br />

schon. Aber wie sollen wir uns die Sache denn dann vorstellen? Wieso sollte ein Unschuldiger<br />

bestraft werden, und damit die Schuldigen erlösen?<br />

Der Mensch hat Schulden bei Gott.<br />

Vielleicht sollte hier weniger von Bestrafung im Sinne des Strafgesetzbuches als vielmehr von Schuld<br />

im Sinne von Schulden die Rede sein. Wenn wir Schulden haben und ein andere begleicht sie für uns,<br />

443


dann ist daran nichts Irritierendes mehr. Aber, so könnte man fragen, wenn Gott uns die Schulden<br />

erlassen will, dann könnte er es doch einfach tun? Wozu mußte Christus erst sterben? Das erkennen<br />

wir, wenn wir näher betrachten, welche Schulden es denn sind, die der Mensch bei Gott gemacht<br />

hat.<br />

Er ist, wie die Tradition sagt, in Sünde gefallen, was nichts anderes sagt, als daß er sich selbst zu Gott<br />

machen wollte. Er wollte so tun, als käme er allein zurecht, als gehöre er sich selbst. Das einzige, was<br />

uns da heraushilft, ist Reue und Buße. Wir sind Rebellen gegen Gott, die die Waffen niederlegen<br />

müssen. Das Problem ist, daß wir das nicht können. Denn um wahrhaft bereuen zu können, müßten<br />

wir alle unsere Schlechtigkeit verurteilen, und das können wir nicht – aufgrund unserer<br />

Schlechtigkeit. Der einzige, der das könnte, wäre vollkommen. Und das ist Gott. Gott aber kann nicht<br />

leiden und sterben.<br />

Wenn Gott Mensch werden würde, …<br />

Was ist die Lösung? Wenn Gott selbst Mensch würde, dann könnte er leiden und sterben – weil er<br />

Mensch ist – und er könnte wahrhaft bereuen, seinen Eigenwillen aufgeben – weil er Gott wäre. Und<br />

wenn wir Menschen nun am Tod dieses Wesen teilhaben könnten, dann wären wir erlöst.<br />

Dies ist eine andere Art, den stellvertretenden Kreuzestod Jesu und seine erlösende Wirkung für uns<br />

Menschen zu erklären. Es ist aber nicht die Sache selbst. Sie findet man vielleicht in solchen<br />

Erklärungen, vielleicht in der eigenen Bibellektüre, vielleicht in den Sakramenten. Aber man findet sie<br />

jedenfalls nicht in dem, was Pfarrer Fliege sagt.<br />

444


„Unser Potenzial muss erst einmal im vorpolitischen Raum reifen und weiter<br />

wachsen.“<br />

Geschrieben von: BN-Redaktion<br />

Dienstag, den 18. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

André F. Lichtschlag ist Herausgeber der libertären Zeitschrift eigentümlich frei, die nächstes Jahr<br />

ihren zehnten Geburtstag feiern wird. Lichtschlag tritt mit seiner Zeitschrift für konsequenten<br />

Kapitalismus ein und hält wenig von der angepassten FDP. Im Interview mit <strong>Blaue</strong><strong>Narzisse</strong>.de spricht<br />

er über die Gründzüge des Libertarismus, Schnittmengen zwischen Libertären und Konservativen und<br />

über das Potenzial dieser beiden Milieus.<br />

<strong>Blaue</strong><strong>Narzisse</strong>.de: Herr Lichtschlag, was es bedeutet, ein Libertärer zu sein?<br />

Lichtschlag: Libertäre sind konsequente Liberale. Dreh- und Angelpunkt des Liberalismus ist das<br />

Recht auf Privateigentum, welches Libertäre ohne Wenn und Aber achten. Drei Beispiele: Wenn ich<br />

ein Bild male, dann haben Sie nicht das Recht, es mir wegzunehmen. Wenn ich das Bild an Sie<br />

verkaufe und wir beide einen Preis für dieses Geschäft finden, dann hat kein Dritter das Recht, uns<br />

dies zu verbieten oder Teile des Betrags beim Kauf oder nachher zu konfiszieren. Das gilt für alle<br />

Produkte und selbstverständlich auch für den Staat, der nicht das Recht hat, unseren kleinen privaten<br />

Handel mit einer Mehrwert- oder Einkommenssteuer zu belegen. Nehmen wir als drittes Beispiel,<br />

dass Sie etwas produzieren. Sagen wir, Sie malen ein Hakenkreuz auf die Wand Ihres Hauses. Auch<br />

hier ist Ihr Privateigentum unbedingt zu achten und kein Libertärer würde auf die Idee kommen, dies<br />

zu verbieten. An dieser Stelle sehen Sie, dass die Konzentration auf ein vermeintlich ökonomisches<br />

Prinzip auch für persönliche Freiheitsrechte wie die Meinungsfreiheit eine Grundvoraussetzung ist.<br />

Ist Libertarismus damit nur ein radikaler Liberalismus?<br />

Das Wort „libertär“ wurde zunächst in den USA von den klassischen, radikalen und Anarcho-Liberalen<br />

gebraucht, da dort die Bedeutung des Wortes „liberal“ leider in ihr Gegenteil verkehrt wurde. In<br />

Amerika bedeutet „liberal“ soviel wie „sozialdemokratisch“. In Deutschland haben wir heute ein<br />

anderes Problem, dass nämlich dank jahrzehntelangen Bemühens der FDP das Wort „liberal“ für gar<br />

nichts mehr steht oder nur noch für reinen Opportunismus. Auch hierzulande hat sich deshalb das<br />

Wort „Libertäre“ teilweise durchgesetzt. Im angelsächsichen Sprachraum werden Erzliberale auch oft<br />

als „Konservative“ bezeichnet oder ordnen sich selbst so ein. Auch diese Entwicklung wird im<br />

deutschen Sprachraum inzwischen nachgeholt. Der Herausgeber des liberalen Schweizer<br />

Wochenmagazins „Weltwoche“ schreibt, dass echte Liberale und Libertäre heute längst als<br />

„Konservative“ firmieren.<br />

Wenn es keinen Staat mehr gäbe, würden wahrscheinlich auch Nationen als kollektive<br />

Identitätsstifter nicht mehr lange existieren. Können Sie sich nicht mit der Idee der Nation<br />

identifizieren?<br />

Mir persönlich ist das fremd. Ich kann mit der nationalen Kategorie gar nichts anfangen. Das Gerede<br />

von der Nation erscheint mir das Opium fürs Volk zu sein, mit dem die herrschende Politklasse ihre<br />

Untertanen ruhig hält. Zumindest in anderen Ländern. Deutschland ist da momentan noch ein<br />

Sonderfall.<br />

Ist aber nicht die radikale Ablehnung von Staatlichkeit nur eine Utopie, die niemals Realität werden<br />

kann?<br />

445


Ich glaube, dass es sehr wichtig ist und zu großem Erkenntnisgewinn führt, wenn man seine Utopie –<br />

nennen wir es ruhig so – zu Ende denkt. Das erleichtert es dann, einzelne reale Schritte auf dem Weg<br />

dahin zu bewerten. Alles, was die privaten Eigentumsrechte stärkt, ist in diesem Sinne richtig, alles<br />

was sie schwächt, ist falsch.<br />

Und wie – wenn nicht auf politischem Wege – kann man private Eigentumsrechte stärken?<br />

Ich glaube, dass politisches Engagement immer in großer Gefahr steht, in die falsche Richtung zu<br />

wirken. Weil Macht immer korrumpiert. Dennoch kann und sollte man es auch auf politischem Wege<br />

versuchen.<br />

Gilt für Sie der Freiheitsbegriff nur auf das Individuum bezogen und nicht auf Kollektive wie Völker?<br />

Ja, weil persönliche Kategorien bei Kollektiven völlig unsinnig sind. Schauen Sie: Manch einer würde<br />

eine Sezession Bayerns von Deutschland unterstützen. Er möchte also – kollektivistisch gesprochen –<br />

Freiheit für das bayrische Volk. Andere fühlen sich als Deutsche in Bayern und sind vehement<br />

dagegen. Ebenfalls aus vermeintlich nationalen Motiven. Und Dritte wollen als Franken Freiheit für<br />

das fränkische Volk. Los von Bayern und Deutschland! Immer, wenn auch nur ein Individuum anders<br />

denkt als die Masse, macht das Kollektivdenken keinen Sinn mehr. Es sei denn, Sie denken radikal<br />

demokratisch, also dass die Mehrheit immer recht hat. Auch das ist natürlich problematisch, etwa im<br />

Bayern-Beispiel. Da ist dann die Frage: Welche Mehrheit wovon? Ganz abgesehen davon ist die<br />

demokratische Idee grundsätzlich pervers, wenn man sie zu Ende denkt. Wenn die Mehrheit<br />

entscheidet, jeden Andersdenkenden zu ermorden, dann ist das aus demokratischer Sicht<br />

vollkommen in Ordnung. Ich gehe da lieber von unveräußerlichen individuellen Rechten aus. Diese<br />

Rechte sind Abwehrrechte und keine Rechte im Sinne von „Freiheit wozu?“, da das Rechte auf Kosten<br />

Dritter wären. Nach dieser sozialdemokratischen Freiheitsidee ist ein Hund im Zwinger, der jeden Tag<br />

sein Essen hingestellt bekommt, „frei“. Und ein Wolf in der Wildnis wäre „unfrei“. Jedes Kind merkt,<br />

dass hier die Freiheitsidee ins Gegenteil verkehrt wird.<br />

In Ihrem Magazin eigentümlich frei tauchen immer wieder auch rechte Autoren und Interviewpartner<br />

wie Dieter Stein oder Ellen Kositza auf. Was hat Sie dazu veranlasst, Ihr Themen- und<br />

Meinungsspektrum nach rechts auszuweiten?<br />

Was heißt überhaupt „rechts“ und „links“? Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn hat „links“ – verkürzt<br />

aufgezählt – so definiert: „Materialismus, messianische Rolle einer Gruppe wie Volk, Rasse oder<br />

Klasse, Zentralismus, Totalitarismus, staatliche Kontrolle von Erziehung und Unterricht,<br />

Versorgungsstaat, Militarismus, Antiliberalismus, Freiheitshass, Antitraditionalismus, Gleichschaltung<br />

der Massenmedien, Abschaffung oder Relativierung des Privatbesitzes, Verfolgung und Kontrolle der<br />

Glaubensgemeinschaften, Hass, Verherrlichung des Durchschnitts, Populismus und Uniformismus,<br />

Berufung auf das demokratische Prinzip, ideologische Wurzel in der französischen Revolution,<br />

Einsetzung von Säkular-Riten als Religionsersatz, Anfeuerung von Massenhysterien, Freiheit vom<br />

Gürtel abwärts, alles für den Staat, alles durch den Staat, nichts gegen den Staat, Politisierung des<br />

gesamten Lebens, Totalmobilmachung des Neids im Interesse von Partei und Staat.“ Das Fehlen oder<br />

das Gegenteil dieser Prinzipien, so Kuehnelt-Leddihn, sei „rechts“. Demnach war Hitler eher ein<br />

Linker. Dafür sprechen auch noch andere Beobachtungen, in Kürze erscheint dazu in unserem<br />

Buchverlag ein Buch von Josef Schüßlburner, der geistesgeschichtlich nachweist, dass der<br />

Nationalsozialismus nichts als ein Zweig des Sozialismus war. Und wenn wir uns die Aufzählung Ritter<br />

Kuehnelt-Leddihns anschauen, wissen wir auch, warum selbst Mainstreammedien unsere heutige<br />

Herrschaftskaste bis hin zur CDU intuitiv richtig als „links“ einordnen. Wenn das alles so ist, dann bin<br />

446


ich gerne ein Rechter. Dazu kommt wie schon gesagt, dass die Begriffe „konservativ“ und „libertär“<br />

heute nicht nur in den USA teilweise synonym verwandt werden.<br />

Im Zusammenhang mit Meinungsfreiheit hat sich eigentümlich frei nicht gescheut, sogar heiße Eisen<br />

wie den Geschichtsrevisionismus zu thematisieren.<br />

Sie wissen wahrscheinlich, dass sich viele amerikanische Libertäre auch mit Revisionismus<br />

beschäftigen, etwa mit der Revision der offiziellen Geschichtsschreibung über den angeblichen<br />

amerikanischen Bürgerkrieg, der in Wirklichkeit ein aggressiver Krieg des Nordens gegen den Süden<br />

war. Die Sklavenbefreiung wurde erst im Nachhinein als angebliches Motiv entdeckt, um später die<br />

imperialistische Invasion zu legitimieren. Es gilt in Deutschland seit 1968 das Dogma, dass<br />

Deutschland unter dem angeblichen „Rechten“ Hitler die schlimmsten Verbrechen der Geschichte<br />

begangen habe. Von diesem Dogma der angeblichen „Einzigartigkeit“ – und von dem Tabu, Hitlers<br />

Verbrechen überhaupt mit anderen zu vergleichen – leben die roten Sozialisten, die jedoch nicht<br />

davor zurückschrecken, Stalins oder Pol Pots Verbrechen zu kaschieren. Dazu muss man wissen, dass<br />

kaum ein Rechter nach dem Krieg wirklich Hitler verehrt hat, dass aber die meisten Linken Pol Pot,<br />

Mao oder Stalin zumindest eine Zeitlang begeistert hinterherliefen. Und sie versuchen sich und ihre<br />

Schuld reinzuwaschen, indem sie den Popanz des größten Verbrechers der Weltgeschichte vor sich<br />

hertragen. Sie schränken dabei sogar die Freiheit der Forschung ein und verhindern den freien<br />

Meinungsaustausch zum Thema. Um so mehr wird es ihnen eines Tages um die Ohren fliegen, wenn<br />

viele Menschen am Ende doch erfahren, dass es ganz so einfach und schwarzweiß nicht war, wie uns<br />

die offizielle Geschichtsschreibung beigebracht hat.<br />

Wer hat mehr geirrt, die Achtundsechziger oder deren Vätergeneration?<br />

Eine interessante Frage! Schauen wir uns die Ausgangssituation an. Dort: Weltwirtschaftskrise,<br />

Versailler Vertragsbürden, Bedrohungsempfinden durch den Bolschewismus. Hier: Wohlstand wie nie<br />

zuvor, Schutz und Freiheit durch die USA garantiert. Dann dort der Irrtum, in großer Not dem<br />

viertgrößten Massenmörder der Geschichte nachgelaufen zu sein. Hier der Irrtum, ohne Not einem<br />

oder mehreren der drei größten Massenmörder der Geschichte hintergelaufen zu sein. Dort nach<br />

dem Irrtum Abkehr vom Sozialismus sowie tatkräftiger und mühsamer Aufbau des Landes und<br />

Schaffung von Werten. Hier nach dem Irrtum Leben wie die Made im Speck, immer mehr<br />

Sozialismus, steter Verbrauch der Substanz. Dort am Ende Übergabe einer positiven Bilanz und eines<br />

Landes, in dem Menschen an sich selbst glauben. Hier am Ende Übergabe eines bankrotten<br />

Wohlfahrtsstaats mit Menschen, denen man eingeredet hat, sie hätten ein Recht, auf Kosten Dritter<br />

zu leben. Und das Vererben einer unbezahlbaren Rechnung an die Nachfolgegeneration. Ja, es ist<br />

schwer zu entscheiden, wer mehr danebenlag.<br />

Was spricht dafür, dass im Internet gerade eine aus Libertären und Konservativen bestehende APO<br />

2.0 heranwächst?<br />

Erstens: Die Bilanz der Sozialisten aller Parteien und ihrer Politik. Und zweitens: Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong><br />

und vieles andere mehr! Vieles ist heute in Bewegung. Schauen Sie sich die unzähligen Initiativen,<br />

Parteien, Medien und Grüppchen des rotgrünen Spektrums Ende der 70er Jahre an, die vielen K- und<br />

Ö-Gruppen, die taz, der Pflasterstrand, Konkret, die Ökodörfer, -magazine und -läden. Vergleichbar<br />

wächst da auch heute einiges im konservativ-libertären Bereich heran, nicht zuletzt im Internet.<br />

Denken Sie an die Graswurzelbewegung für Ron Paul. Am Ende werden sich auch hier diejenigen<br />

Projekte durchsetzen, die über die ursprüngliche Szene hinauswachsen. Die anderen werden<br />

irgendwann wieder verschwinden oder ein ungewollt belustigendes Freakdasein fristen, ähnlich wie<br />

447


die auch heute noch bestehenden kommunistischen Splittergruppen, sei es die Volksfront von Judäa<br />

oder auch die Judäische Volksfront.<br />

Herr Lichtschlag, vielen Dank für das Gespräch!<br />

448


Götz Kubitschek: Provokation<br />

Geschrieben von: Markus Betz<br />

Dienstag, den 18. Dezember 20<strong>07</strong> um 13:11 Uhr<br />

Die Provokation von Götz Kubitschek ragt aus der zweiten Kaplaken-Staffel, der „Sondervergütung“<br />

für Konservative des Verlags Edition Antaios, besonders hervor und kann schon jetzt mit Fug und<br />

Recht dem Kanon konservativer Pflichtlektüre zugerechnet werden. Der Leiter des Instituts für<br />

Staatspolitik nimmt den Leser mit auf einen abenteuerlichen Denkweg, der in vier Texten, vom „wir“<br />

über das „ihr“ und „ich“ schließlich zum „du“ führt.<br />

„Lasst uns, wenn wir uns treffen, niemals harmlos über das Harmlose reden.“ Mit diesem Leitspruch,<br />

den Kubitschek seinen Essays voranstellt, wird die Voraussetzung für ein gewinnbringendes Lesen<br />

desselben deutlich: Es gelte die Krise, in der unsere Nation steckt, erst einmal wahr- und<br />

ernstzunehmen, ja sie willkommen zu heißen. „Denn wer in der Krise steckt, der ringt noch, der hat<br />

noch nicht aufgegeben ...“ Wer zur Einsicht komme, dass die multikulturelle Gesellschaft kein<br />

friedfertiges, buntes Fest ist, sondern bereits Symptome des Vorbürgerkriegs aufweist, „wird vor der<br />

Frage stehen, ob er sich wehrt oder verschwindet.“ Wer sich für ersteres entscheidet, komme an der<br />

Provokation nicht vorbei, da sie oft das einzige Mittel der Schwachen sei: als Zuspitzung der Begriffe,<br />

als gezielter Verstoß gegen das Regelwerk der Harmlosigkeit und des Konsensdiskurses, als<br />

Konfrontation des an Störungen nicht gewohnten Polit-Establishments mit seinen Leichen im Keller.<br />

Provokation als Kampfmittel der Konservativen<br />

Wer nun in Kubitscheks Aufforderung zum „Zündeln am Holzstoß“ eine Anstiftung zum rechten<br />

Aktivismus oder gar zur gewalttätigen Radikalisierung sieht, wird beim Weiterlesen eines besseren<br />

belehrt. Vom Posten des Aktivisten soll der politisch erwachende junge Mensch auf den Posten des<br />

Gärtners versetzt werden. Den Utopien als „Verschiebebahnhöfe in die Zukunft“ (Armin Mohler, der<br />

als Vordenker gewürdigt wird) wird die Einsicht entgegen gestellt, dass das Leben in seiner<br />

Vielgestaltigkeit nicht beherrschbar und berechenbar sei, sondern vor allem gehegt – in der<br />

doppelten Bedeutung von „geschützt“ und „begrenzt“ – werden müsse, so wie es der Gärtner<br />

praktiziere. Dazu gehöre zuallererst, „im eigenen Geviert für Ordnung zu sorgen und mit dem was<br />

man sagt, nicht allzu weit von dem entfernt zu sein, was man tut und wagt.“ Das eigene Leben zu<br />

führen, statt sich gehen zu lassen als gelebte Praxis des Rechten.<br />

„Des Kaisers neue Kleider“<br />

Davon ausgehend gäbe es natürlich auch die rechte Sicht auf das „Große und Ganze“ und Zeiten, in<br />

denen dieses so aus den Fugen gerät, wo die ganze Persönlichkeit in die Waagschale geworfen<br />

werden müsse. Als Beispiel dient Stauffenbergs Attentat. In solchen Zeiten nehme der Gärtner seinen<br />

bereitstehenden Knüppel oder das Schwert zur Hand und werde zum Krieger, zum Provokateur.<br />

Dabei freue er sich auf den Tag, da er wieder pflanzen und mit dem Kämpfen aufhören kann. Immer<br />

wieder gelte es zu erkennen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, an dem wir nicht mehr zusehen,<br />

zuhören und danebenstehen dürfen, sondern den Satz aussprechen: „Der Kaiser ist nackt!“<br />

Welche Alternative gibt es für den Konservativen zu Zynismus, Resignation oder naserümpfendem<br />

Mitfunktionieren? Es bleibe die Möglichkeit eine Spur zu hinterlassen, ein Beispiel zu setzen, das<br />

Nachahmer mobilisiert. Das „Ich nicht“ des Provokateurs multipliziere sich so zum „Wir auch nicht“.<br />

Der Autor ruft seine Leser auf, „den festen Grund zu bilden, auf dem man im Sumpf stehen kann,<br />

eine Widerstandsinsel, ein Wegweiser für diejenigen zu sein, die etwas vom Anderssein verstehen.“<br />

449


Wann ist Provokation angemessen?<br />

Die drängenden Fragen für denjenigen, der anders sein will, lauten also: Wie sorge ich im eigenen<br />

Geviert für Ordnung und bringe das, was ich sage, mit meinem Tun in Einklang? Wo gibt es in<br />

meinem Leben Situationen, in denen ich nicht mehr danebenstehen werde, sondern provoziere?<br />

Götz Kubitschek, Provokation, Band 6 der Reihe Kaplaken, 80 Seiten, kartoniert mit Fadenheftung,<br />

8,00 €, Schnellroda: Edition Antaios 20<strong>07</strong><br />

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Der neue Mensch<br />

Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />

Dienstag, den 18. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Wer vom „neuen Menschen“ spricht, von einer neuen, besseren Welt und einem neuen, besseren<br />

Leben, der gilt schnell als unverbesserlicher Träumer, wenn nicht als Kommunist. Der Träumer<br />

glaubt, wenn nur jeder Einzelne seinen Teil zum weltweiten Frieden beiträgt – die Waffen niederlegt,<br />

den Schwachen hilft, den Armen gibt – dann werde diese neue schöne Welt Stück für Stück kommen.<br />

Der Kommunist glaubt, wenn nur endlich die weltweite Revolution aller Unterdrückten gegen die<br />

Unterdrücker erfolgt, wenn die Unterdrücker ausgemerzt sind und es nur noch eine einzige Klasse<br />

von Menschen gibt, in der allen alles gehört, dann sei die neue Welt da, in der es alles im Überfluß<br />

gibt, nur kein Leid, keinen Krieg, keine Ausbeutung mehr.<br />

Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß der von der Realität enttäuschte Träumer immer<br />

Gefahr läuft, zum Kommunisten zu werden, der die neue Welt mit Gewalt herbeiführen will. Mit<br />

Recht ist auch auf die unvorstellbare Blutspur hingewiesen worden, die der Kommunismus in der<br />

Geschichte hinterlassen hat. Bedeutet das aber, daß alles am Kommunismus und alles an dem, was<br />

der Träumer will, falsch, schlecht und böse ist? Das Böse ist nichts Selbständiges, sondern ist das<br />

verdorbene Gute. Was aber ist das Gute, das der Kommunismus verdorben hat?<br />

Kommunismus und Christentum: Gemeinsamkeiten und Unterschieden<br />

Die Antwort finden wir im Christentum. Auch hier gibt es den Glauben an den neuen Menschen, an<br />

die neue Welt, die die Christen das Reich Gottes nennen. Auch die Christen glauben, daß es in dieser<br />

Welt kein Leid, keinen Krieg, ja nicht einmal mehr den Tod geben wird. Aber, und das ist der<br />

wichtigste Unterschied zum Kommunismus, die Christen glauben an eine wirkliche neue Welt und<br />

nicht nur an eine rhetorische. Das Reich Gottes ist nicht bloß die perfektionierte oder reparierte<br />

Welt, in der wir leben, sondern sie ist vollkommen neu. Und es ist nicht der Mensch, der sie<br />

herbeiführen kann – das kann nur Gott.<br />

Der Kommunismus kann eingereiht werden in die vielen Versuche des Menschen, aus eigener Kraft<br />

den Sündenfall rückgängig zu machen. Der echte Kommunist erkennt ja durchaus, daß der Mensch<br />

ein Mängelwesen ist, daß „das Trachten des menschlichen Herzens böse ist von Jugend auf“ (Gen<br />

8,21). Aber er hält das ganze sozusagen für ein technisches Problem und meint, wenn man nur die<br />

richtigen Hebel umlege, die Erziehung umstelle, die Umverteilung organisiere, dann werde alles<br />

wieder in Ordnung kommen. Der Kommunist verkennt das wahre Wesen des Sündenfalls und seine<br />

Ursache: Die Auflehnung des Menschen gegen Gott. Alles Leid, alles Übel und das Böse haben hier<br />

ihre Ursache, und weil der Mensch nicht aus eigener Kraft zurück kann, kann er die neue Welt auch<br />

nicht selbst herbeiführen.<br />

Es ist schon viel, wenn man das erkannt hat und dann versucht, die wacklige Ordnung, die in dieser<br />

Welt möglich ist, zu bewahren, zu stärken oder wiederaufzurichten. Aber das ist noch nicht alles.<br />

Denn den neuen Menschen gibt es tatsächlich: Jesus Christus. Die Christen glauben nun, daß wir<br />

Anteil haben können, an dem neuen Leben, das in Christus erschienen ist. „Jesus hat das Reich<br />

Gottes gepredigt, gekommen ist die Kirche“, so hat es immer wieder spöttisch geheißen. Doch so<br />

falsch ist das nicht: Wenn auch die Kirche – die Gemeinschaft der Gläubigen – als Institution in der<br />

Welt notwendigerweise unvollkommen ist, so ist sie es doch, die die Botschaft Christi weitergibt. Sie<br />

verkündet, was Gott um unsertwillen in Christus getan hat und was er noch mit uns vor hat. Sie ist es,<br />

die es uns ermöglicht, Anteil zu haben am neuen Menschen Christus.<br />

451


Die Hoffnung, Gott möge die neue Welt herbeiführen<br />

Und weil wir wissen, daß nichts in dieser Welt vollkommen ist, und daß jede Art von Ordnung, jede<br />

Institution, die dauerhaft Bestand hat, eine große Leistung darstellt, deshalb werden wir die Kirche<br />

nicht verachten, weil sie nicht das Reich Gottes herbeiführt, weil sie nicht einmal so tut, als könnte<br />

sie es. Christen sind keine Kommunisten. Sie wissen, daß wir mehr können als bloß unsere<br />

Unvollkommenheit zu verwalten, weil Christus uns den Weg geebnet hat. Aber sie wissen auch, daß<br />

nur Gott die neue Welt herbeiführen kann. Das Warten darauf nennen die Christen Hoffnung.<br />

452


Politically Incorrect im Fadenkreuz des WDR<br />

Geschrieben von: Florian Gerstenhauer<br />

Freitag, den 21. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Aufgabe, die „Grundversorgung“ der Bevölkerung mit<br />

Rundfunk sicherzustellen. Das bedeutet, daß eine flächendeckende Rundfunkversorgung<br />

gewährleistet sein muß, die inhaltlich ausgewogen ist. Alle relevanten gesellschaftlichen Strömungen<br />

sind angemessen zu berücksichtigen. Die Entstehung von – so das Bundesverfassungsgericht<br />

wörtlich: „Meinungsmacht“ sei zu verhindern. Dem Bürger solle vielmehr durch neutrale,<br />

wahrheitsgemäße Berichterstattung und ein vielseitiges Meinungsspektrum seine eigene, freie<br />

Meinungsbildung ermöglicht werden. Die derzeitige Berichterstattung des WDR über das Weblog<br />

Politically Incorrect zeigt jedoch, daß die Öffentlich-Rechtlichen weit entfernt von diesem hehren Ziel<br />

sind.<br />

Derzeit berichtet der WDR auf seiner Internetseite über das Weblog Politically Incorrect (PI), das sich<br />

der verbalen Bekämpfung des Islam gewidmet hat. Licht und Schatten liegen dort dicht beieinander;<br />

einerseits gibt es vorzüglich recherchierte Skandalmeldungen, die sonst kaum zu finden sind,<br />

andererseits finden sich Billigenten wie: Das Sparschwein werde aus Rücksicht auf Muslime<br />

abgeschafft, oder: Aldi führte eine ‚Pizza Halal’ von geschächtetem Fleisch im Sortiment (was<br />

rechtlich verboten wäre). Daß auf Politically Inocrrect auch verbale Ausfälle unterster Schublade<br />

geduldet werden, rundet den zwiespältigen Gesamteindruck ab. Das Grundanliegen – Existenzangst<br />

gegenüber dem Islam – ist jedenfalls aller Ehren wert.<br />

WDR wahrt nur seine formale Neutralität, aber wer hinter die Fassade<br />

schaut …<br />

In seiner Berichterstattung legt der WDR vordergründig Wert auf formale Neutralität: Was zu<br />

kritisieren ist, wird kritisiert. Der sprachliche Stil bleibt dabei etwas hinter der Häme zurück, die man<br />

von Typen wie Stefan Niggemeier, einem der einflußreichsten Kritiker von PI, gewöhnt ist, und in<br />

zwei Teilen werden Argumente gegen PI und dann die Verteidigung dargestellt. Also ein<br />

ausgewogener Bericht?<br />

Daß ausgerechnet der linke Journalist Stefan Niggemeier zum Zeugen gegen PI aufgerufen wird, ist<br />

verdächtig, hatte doch Niggemeier vor einigen Monaten in einer üblen Schmähschrift ausgerechnet<br />

in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gegen PI gehetzt.<br />

… bemerkt, daß bestimmte Meinungsgruppen von der Pluralität<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Weiter wird gegen PI ins Feld geführt, es leugne den Unterschied zwischen Islamismus und normalem<br />

Islam. Daß selbst ehemalige Muslime genau diesen Unterschied leugnen, wird dem Leser<br />

vorenthalten: So stellt der „Zentralrat der Ex-Muslime“, eine Gruppe, der viele Dissidenten aus<br />

islamischen Ländern angehören, die in Deutschland Zuflucht gefunden und sich ehrbare Existenzen<br />

aufgebaut haben, sehr deutlich heraus, daß der Islam als solcher mit westlichen Werten unvereinbar<br />

sei. Daß nicht ein einziges islamisch dominiertes Land dieser Erde westlichen<br />

Menschenrechtsstandards genügt, verschweigt der WDR ebenfalls.<br />

Weiter heißt es, PI-Chef Stefan Herre arbeite mit der Jungen Freiheit zusammen, die – und hier<br />

beruft man sich auf den NRW-Verfassungsschutz – versuche, rechtsextreme Positionen ins<br />

bürgerliche Lager zu überführen. Diese ominöse „Neue Rechte“ soll so diffus sein, daß man sich nicht<br />

auf ein konkretes Feindbild beschränken muß, andererseits aber sei sie so straff organisiert, daß sie<br />

453


gefährlich werden kann. Daß eine derartige Strömung also existiere und planvoll und absichtlich<br />

„rechtsextremistische Ansichten salonfähig mache“, wird als gesicherte sozialwissenschaftliche<br />

Erkenntnis hingestellt. Daß andererseits islamische Kräfte, die hier eine Moschee nach der anderen<br />

bauen, planvoll das tun, was im Koran gefordert wird, nämlich islamische Strukturen stärken, um<br />

daraus Herrschaftsansprüche abzuleiten, ist in den Augen des WDR eine „Verschwörungstheorie“.<br />

Mehr als nur eine Verschwörungstheorie<br />

Selbstverständlich ist PI auch gefährlich: In vielen Weblogs, auch bei großen Tageszeitungen, fänden<br />

sich „Versatzstücke“ von PI. Das beweist aber nur, daß ein nicht übersehbarer Teil der Bevölkerung<br />

diesbezüglich Äußerungsdrang verspürt; eigentlich wäre es Aufgabe des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks – also des WDR – auch diese Bürger zu bedienen. Statt dessen wird das Warnen vor<br />

islamischen Herrschaftsansprüchen Privaten überlassen – zum Beispiel eben PI. Und das, obwohl<br />

diese Sorgen und Ängste – das PI-Motto lautet: „Islamophob und stolz darauf“ – angesichts einer<br />

völlig ungeklärten Einstellung der großen Muslimverbände zu Koranversen, die etwa zur Gewalt und<br />

Abgrenzung gegen Juden und Christen aufrufen, keinesfalls aus der Luft gegriffen sind.<br />

Der Staatsrechtslehrer Professor Murswiek hat bereits vor 10 Jahren, auf der<br />

Staatsrechtslehrertagung 1997, darauf hingewiesen, daß ein Staat, der den Bürger fürsorglich<br />

erdrückt, mindestens ebenso unfreiheitlich wirken kann, wie ein offen totalitärer Staat (die Rede<br />

Murswieks wurde von Alexander von Stahl im JF-Prozeß vor dem BVerfG zitiert; sie ist überaus<br />

lesenswert und kann in jeder juristischen Hochschulbibliothek nachgeschlagen werden: „Staatliche<br />

Warnungen, Wertungen, Kritik als Grundrechtseingriffe“, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1997, S.<br />

1021 ff.).<br />

Unterschwellige Propaganda im WDR<br />

Im vorliegenden WDR-Bericht haben wir genau diesen Fall: Formal betrachtet geht es ruhig und<br />

besonnen zu, „audiatur et altera pars“. Jedoch wird durch die Anordnung der Argumente, scheinbar<br />

beiläufige Hinweise und Unterschlagung von Informationen dem Leser ein bestimmter Blickwinkel<br />

vorgegeben. Insofern ist der Beitrag ein regelrechtes Lehrstück für unterschwellige Propaganda. Ob<br />

sein Verfasser dies absichtlich getan hat oder im Vollgefühl seiner Zugehörigkeit zu den Guten glaubt,<br />

einen formal ausgewogenen Artikel verfaßt zu haben, kann man nur raten. Davon, daß der öffentlichrechtliche<br />

Rundfunk seinen Programmauftrag erfüllt, kann jedoch keine Rede sein: Das Vertreten<br />

islamkritischer Positionen wird nach wie vor ausschließlich von Privaten gewährleistet.<br />

454


Die Weihnachtsgeschichte<br />

Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />

Freitag, den 21. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Pünktlich zu den größeren christlichen Feiertagen strahlen vor allem die Privatsender<br />

Filmdokumentationen aus, die dem historischen Jesus jenseits des Jesus der Evangelien auf die Spur<br />

kommen wollen. Jesus, so eine RTL-Sendung zum vorletzten Osterfest, sei zum Beispiel gar nicht in<br />

Bethlehem geboren, wie im Neuen Testament behauptet, sondern in Nazareth. Überhaupt sei die<br />

ganze Weihnachtsgeschichte eine nachträgliche Erfindung der Evangelisten. Dazu paßt, daß die<br />

Mehrheit der Deutschen laut einer kürzlich angestellten Umfrage die Weihnachtsgeschichte des<br />

Lukas für ein schönes Märchen hält.<br />

Nun gehört gerade dieser Teil des Lukasevangeliums zwar zu den eher kunstvoll gestalteten, aber<br />

wenn man schon ein Märchen hören will, dann gibt es doch zahllose Autoren, die bessere und<br />

schönere Märchen geschrieben haben als ausgerechnet der Historiker Lukas, der sein Evangelium<br />

nach eigenem Bekunden ausdrücklich auf der Grundlage aller zur Verfügung stehenden Quellen als<br />

Tatsachenbericht abgefaßt hat. Dennoch hat man die Glaubwürdigkeit der Geburtsgeschichten bei<br />

Lukas und Matthäus immer wieder bestritten. Der Titel „Gottes Sohn“ sei für Jesus erst nach seinen<br />

Lebzeiten in Gebrauch gekommen, als die Christen mit der griechischen Philosophie und Literatur in<br />

Kontakt gekommen seien, und so sei die nachträglich erfundene „Jungfrauengeburt“ eine Imitation<br />

heidnischer Legenden. Alexander der Große beispielsweise wurde dadurch gezeugt, daß Zeus in<br />

Gestalt einer Schlange mit der Ehefrau Philipps von Makedonien Ehebruch trieb.<br />

Schon hier sollte man aufmerken: Im Neuen Testament ist nicht von einem Ehebruch Gottes mit<br />

Maria gegen Josef die Rede. Gott schläft nicht in Menschen- oder Tiergestalt mit Maria, sondern<br />

Jesus entsteht im Mutterleib Marias durch den Heiligen Geist. Diese Erklärung soll keine Gynäkologen<br />

zufriedenstellen, sondern steht in der Tradition des Alten Testaments, daß ein Prophet Gottes von<br />

Mutterleib an ausgewählt ist. Jesus ist aber nicht nur ausgewählt, sondern ganz durch den Heiligen<br />

Geist entstanden und überbietet damit die Propheten.<br />

Gegen den Bericht im Matthäusevangelium ist oft eingewendet worden, daß Matthäus sich aus den<br />

Messiasprophezeiungen des Alten Testaments eine Geburtsgeschichte gebastelt habe. In Jesaja 7<br />

wird die Geburt eines Sohnes, der „Gott mit uns“ genannt werden soll, durch eine Jungfrau<br />

angekündigt. In Micha 5 heißt es außerdem, der Fürst und Hirte Israels werde aus Bethlehem<br />

kommen. Nun gibt es aber gar keine Hinweise darauf, daß diese und andere Prophezeiungen des<br />

Alten Testaments zur Zeit Jesu üblicher Weise auf den erwarteten Messias bezogen wurden. Ist es<br />

nicht wahrscheinlicher, daß Matthäus nach den Ereignissen die heiligen Schriften danach<br />

durchforstete, ob sie angekündigt worden waren, als daß er sich wahllos ein paar Zitate<br />

zusammensuchte und eine Lügengeschichte daraus bastelte?<br />

Der eigentliche Grund dafür, daß die Weihnachtsgeschichte allenfalls noch als Märchen anerkannt<br />

wird, ist, daß die berichteten Ereignisse mit dem rationalistischen, reduktionistischen,<br />

positivistischen Weltbild nicht übereinstimmen. An eine Jungfrauengeburt konnte man vor 2000<br />

Jahren vielleicht noch glauben, aber heute doch nicht mehr! Aber stimmt das? Wußte man zur Zeit<br />

Jesu einfach noch nicht, wie Kinder entstehen? Laut Lukas wunderte sich Maria über die<br />

Ankündigung der Geburt ihres Sohnes, weil sie doch noch von keinem Mann wisse. Und nach<br />

Matthäus wollte Josef seine Verlobte heimlich verlassen, als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr.<br />

455


Beide waren sich also über die Naturgesetze durchaus im Klaren. Sie akzeptierten die<br />

Schwangerschaft Marias als ein Wunder.<br />

Geschichten, in denen solch ein Wunder angekündigt wurde, hat es aber nicht nur im Alten<br />

Testament gegeben, sondern auch in den heidnischen Religionen. Im Hirtengedicht des römischen<br />

Dichters Virgil heißt es:<br />

Endzeit ist schon da, sibyllinischen Sanges Erfüllung;<br />

Groß aus Ursprungsreine erwächst der Jahrhunderte Reigen.<br />

Schon kehrt wieder die Jungfrau, kehrt wieder saturnische Herrschaft.<br />

Schon wird neu entsandt ein Sproß aus himmlischen Höhen.<br />

Seit der Geburt nur des Knaben, mit dem die eiserne Weltzeit<br />

Gleich sich endet und rings in der Welt eine goldene aufsteigt.<br />

In der Geburt Jesu erfüllt sich nach dem Verständnis der Evangelisten sowohl die jüdische als auch<br />

die heidnische Hoffnung auf den Erlöser. Die Geburt dieses Erlösers von einer Jungfrau ist keine<br />

Anspielung auf satirische Götterlegenden der Griechen, sondern bringt das Wunderbare dieser<br />

Geburt zum Ausdruck: Es handelt sich bei dem Knaben um Gottes Sohn, den König, den Herrscher,<br />

den Retter der Welt.<br />

Natürlich hat er die Welt an Weihnachten noch nicht gerettet. Er ist noch nicht gestorben und<br />

auferstanden von den Toten. Er hat unsere Sünden noch nicht getilgt, uns noch keinen Neuanfang<br />

ermöglicht und das Kommen des Reiches Gottes noch nicht angekündigt. Aber: Seine Geburt hat in<br />

uns die Hoffnung auf all das geweckt. Die wunderbaren Aspekte der Weihnachtsgeschichte sind<br />

daher auch kein bloßer Zierrat, keine stimmungsvolle Poesie für die kerzenlichterfüllte Kirche an<br />

Heiligabend und keine Zutat zum schönen Märchen von Jesu Geburt, sondern sie sind Hinweise<br />

darauf, daß hier – im Stall in Bethlehem vor über 2000 Jahren – der Erlöser tatsächlich geboren<br />

wurde.<br />

Christ, der Retter ist da!<br />

Wer das versucht zu begreifen, der geht vielleicht nicht mehr nur der Stimmung wegen an<br />

Weihnachten in die Kirche, damit sich das Essen und das Auspacken der Geschenke auch irgendwie<br />

nach Weihnachten anfühlen. Vielleicht spürt er etwas von dem Ernst des Weihnachtsfestes, das ja<br />

immer das heidnische unter den christlichen Festen gewesen ist, und vielleicht murmelt er bei den<br />

Weihnachtsliedern nicht mehr nur unhörbar mit und lächelt nicht mehr spöttisch über diejenigen, die<br />

in „Stille Nacht“ laut und überzeugt singen: Christ der Retter ist da!<br />

456


Oswald Spengler intim: Haß, Schmerz und Ekel<br />

Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />

Samstag, den 22. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Oswald Spengler (1880-1936) war besonders sensibel für soziale und kulturelle Entwicklungen in<br />

Deutschland. Sein Kulturpessimismus umschließt die Dekadenz und das Spätzeitbewusstsein seiner<br />

Zeit, die gespannte Beziehung zwischen Geist, Macht und Modernitätskrise. Es ist bezeichnend, daß<br />

seine Lebensphilosophie völlig außerhalb der „professionellen“ Wissenschaft entstand, sich von den<br />

Schalthebeln der Macht abkehrte, um sich einer verdeckten und immer einflussreicheren Stellung im<br />

vorpolitischen Wirkungsgefüge zuzuwenden. Spenglers Enttäuschungen kehrten sich gegen die<br />

Kultur und deren offizielle Repräsentanten in Politik und Medien. Ursache dessen war die<br />

Zwiespältigkeit des Lebens in einer Übergangszeit der parallelen Erneuerung von Kunst und Kultur.<br />

Man kann von Innerlichkeitskult sprechen oder von einem inneren Egotismus, wie ihn der<br />

französische Philosoph Stendhal prägte. Spenglers eigene Tragödie als Mensch, als Einsamer und<br />

Fremdling, ist ein Phänomen seiner Zeit.<br />

Lange waren schriftliche, zugängliche Quellen diesbezüglich kaum vorhanden oder nur über Umwege<br />

findbar. Sie erforderten den Besuch des Spengler-Archivs in München, dessen viele Manuskripte<br />

Spenglers erster Biograph Anton Mirko Koktanek für seine einmalige Biographie Oswald Spengler in<br />

seiner Zeit (1968) studierte und zitierte. Dort stößt man begeistert auf die bisher noch unbekannten<br />

aus extrem persönlicher Perspektive geschriebenen Fragmente namens „Eis-heauton“, die uns<br />

Koktanek in Permanenz als „Bekenntnisse“ Spenglers präsentiert. (Vgl. ebd., S. XXIV) Der Leser selbst<br />

konnte sie aber bisher nicht aus erster Hand nachprüfen. Diese Aufzeichnungen treten bei Koktanek<br />

unter „EH – Eis heauton, inedited“ – also unveröffentlicht – auf.<br />

Spengler in persönlichen Notizen<br />

Deshalb kommt es einer Sensation gleich, diese autobiographischen Aufzeichnungen in Buchform<br />

nunmehr vor sich liegen zu haben. Spenglers Schwester ordnete diesen Nachlaß – gewissenhafter als<br />

ihr Nietzsche-Äquivalent – und übertrug ihn mit einer Schreibmaschine. Es handelt sich dabei um<br />

genau jene „Eis heauton“-Notizen, die zwischen 1913-1919, den Jahren vor dem großen Ruhm<br />

Spenglers, aufgeschrieben wurden. Hier also haben wir im Lilienfeld-Verlag die vollständige Ausgabe<br />

der originalen Transkriptionsfassung von Spenglers „Eis-heauton“-Fragmenten vorliegen. Man muß<br />

nicht mehr ins Münchner Spengler-Archiv reisen. „Eis heauton“ – „An sich selbst“ – ist mit seinen<br />

transkribierten 145 handschriftlichen Aufzeichnungen damit erstmals als Buch publiziert. Spengler<br />

knüpft an Mark Aurel zwölf im Zeltlager an der Donau geschriebenen Bücher an, welche damals<br />

bereits Aurels gleichnamige Selbstbetrachtungen "eis heauton" beinhalteten. Aurels Grundgedanke<br />

war: Der Herrscher (Kaiser) ist der Diener der Menschheit. Er ist von göttlicher Weltvernunft berufen<br />

und setzt seine sittliche und geistige Überlegenheit für das Allgemeinwohl ein.<br />

Konservative Kulturkritik und überlegener Weitblick<br />

Und wahrlich, so persönlich aber auch geistig überlegen und „deutungsgewaltig“ (Botho Strauß) wie<br />

nie zuvor tritt dem Leser Spengler im vorliegenden Buch gegenüber. Diese autobiographischen<br />

Fragmente stellen ein synthetisches Kompendium von individueller Psychologie und konservativer<br />

Kulturkritik in höchster Konsequenz und Schärfe dar. Spengler richtet sich gegen korrumpierte<br />

Massenmedien, soziale Barbarei, einwandernde Proletarier und Unterschichten, wucherndes<br />

Finanzkapital, blinde Umweltzerstörung und zweckentfremdete Technik. Zugleich trifft man aber auf<br />

einen verunsicherten, furchtsamen und bindungsunfähigen Mann, dessen Urgefühl die Angst ist und<br />

457


der seit seiner Kindheit geprägt wurde von einem strengen und verständnislosen Vater: „…gehetzt,<br />

gepeinigt von einer unbestimmten grenzenlosen Angst, (…), wie ein verirrtes Stück Bewußtsein in<br />

einer fremden unendlichen Welt.“ Interessant ist, wie Spengler seine Angst an vielen Stellen<br />

gewissermaßen wiederholend seinem Leser vorträgt, sie als treibende Kraft des Denkens markiert:<br />

„Angst, eine Wohnung zu mieten, einen Brief zu öffnen, einen Laden zu betreten. Angst vor Weibern<br />

– sobald sie sich ausziehen." Spengler erscheint hier nicht als der gnadenlose und selbstbewußte<br />

Philosoph des Untergangs. Vielmehr offenbart er die individualpsychologischen Motive seiner<br />

spezifischen Philosophie: „Immer wieder das Gefühl, minderwertig zu sein.“ „Ekel vor allem, was ich<br />

gemacht habe, vor mir selbst, vor meiner Unfähigkeit.“ Selbstzweifel und Selbsterhebung sind hier<br />

also dicht beieinander. Auf den ersten Blick scheinen sich auch Anmaßung und Überheblichkeit in<br />

diesen Texten die Hand zu reichen. Bei genauer Lektüre aber und vorausgesetzter ernsthafter<br />

Kenntnis des kompletten Hauptwerkes „Der Untergang des Abendlandes“ (1918/1922) erscheinen<br />

die vorliegenden Fragmente aber nicht als Partitur von unterschiedlichen Seufzern und Klagelauten,<br />

wie leichtfertig moniert wurde, sondern vielmehr als das ernstzunehmende subjektive Phänomen<br />

eines Menschen in seiner Zeit, das über einen einmaligen Weitblick verfügte und sich dessen in<br />

tragischer Selbstreflexion bewußt war: „Dieser Blick ist die eigentlich philosophische Gabe.<br />

Philosophische Fachwissenschaft ist philosophischer Unsinn.“<br />

Das persönliche Opfer des Philosophen<br />

Die vorliegenden Fragmente bilden den psychischen Hintergrund Spenglers als Lehrer des heroischen<br />

Realismus, der zugleich gepeinigt von Angst und Ekel den gegenwärtigen Zustand seiner Zeit<br />

überwinden wollte. Mehr noch, es gibt sogar im „Untergang des Abendlandes“ direkt präsente<br />

Versatzstücke von Spenglers emotioneller Lage, so wenn in diesem Hauptwerk von „Weltangst“ und<br />

„Weltsehnsucht“ als Urgefühle einer jeden Kultur die Rede ist.<br />

Spengler opferte viel an Freude und Wohlergehen für die Originalität seiner Philosophie, zu der hin er<br />

sich nahezu durchlitt. Und so führt auch nichts an den Fakten vorbei: Wir haben Fragmente eines<br />

geistigen Machtmenschen vorliegen, der aus Schwächen besteht, aus Ekel und Phobien,<br />

Gegenwartsverachtung und Menschenscheu, Verzagtheit und Wirklichkeitsflucht: „Die Einsamkeit in<br />

meiner Zeit, dieser ekelerregenden Zeit, hat das Opfer verlangt.“ Anderseits trifft man aber auch auf<br />

energische Sentenzen der Hoffnung: „Ich habe schon als Kind immer die Idee in mir getragen, ich<br />

müsste eine Art Messias werden. Eine neue Sonnenreligion stiften, ein neues Weltreich, ein<br />

Zauberland, ein neues Deutschland, eine neue Weltanschauung. Das war zu 9/10 der Inhalt meiner<br />

Träume.“<br />

Selbstverachtung birgt immer auch Selbsterhebung in sich<br />

Spengler gelingt es immer wieder, seine tragische Größe in Szene zu setzen, Zerrissenheit und<br />

zielstrebige Einheit zu synthetisieren und damit die eigenen Symptome als zu lösende Symptome der<br />

Krise seiner Zeit zu verstehen, an denen man stets auch zu zerbrechen droht. Davon zeugt auch das<br />

einzige überlieferte Gedicht Spenglers, welches sich im vorliegenden Buch befindet. Das<br />

Zusammenspiel von Selbstverachtung und Selbsterhebung, der Prozeß des Aufrichtens eines immer<br />

wieder aus subjektivem Verhängnis selbst zu Boden Stürzenden – dies sind die Kernelemente von<br />

Spenglers autobiographischen Fragmenten. Sie verdeutlichen auch das Schicksal des Deutschen der<br />

Nachkriegszeit. Verstoßenheit und Angst werden zum Zeichen der Auserlesenheit gegen die<br />

geistlose, weil (offenbar) nicht leidende Mittelmäßigkeit der Zeit, gegen das parlierende<br />

„Literatengeschmeiß“.<br />

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Sensible Kulturkritik und kämpferischer Pragmatismus<br />

Das Nachwort von Gilbert Merlio, Autor der Spengler-Monographie „Oswald Spengler – Témoin de<br />

son temps“ (1982), ist dabei sehr erhellend. Es verdeutlicht die charakterliche Struktur Spenglers<br />

anhand seines Werkes. Merlio liefert abschließend ein treffliches Stichwort zur methodischen<br />

Bezeichnung von Spenglers Tagebucheinträgen. Die „Doppelte Vexation“ sei der bezeichnende<br />

Terminus für deren Grundcharakter. Treffender ließe sich nicht bilanzieren, denn gemeint ist damit<br />

das wohl im charakterlichen Durchschnitt der Gegenwart kaum noch findbare Phänomen, geistiger,<br />

optimistischer, kämpfender Pragmatiker zu sein, der zugleich sensibler, leidender und sein Leiden<br />

gezielt sublimierender Kulturpessimist ist. Eine strategische Verknüpfung von Eigenschaften also, die<br />

alle berechtigt sind und ausgelebt werden können. „Ich bin nie zufrieden gewesen mit dem, was ich<br />

geschrieben habe.“ So dachte Spengler über sich. Diese Unzufriedenheit hat ihn zur Höchstform<br />

getrieben. Er hat sich gequält und die Erkenntnisse seiner Arbeiten müssen den Leser auch heute<br />

quälen.<br />

Oswald Spengler: Ich beneide jeden, der lebt - Die Aufzeichnungen "Eis heauton" aus dem Nachlaß,<br />

Gebunden, Lilienfeld Verlag, 20<strong>07</strong>, 120 Seiten, ISBN: 3940357022 [Titel anhand dieser ISBN in Citavi-<br />

Projekt übernehmen] .<br />

459


Ein 17jähriger Grieche und ein 20jähriger Türke<br />

Geschrieben von: Michael Schulz<br />

Freitag, den 28. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />

Das Überwachungsvideo zeigt die Tat.In München wurde in einem U-Bahnhof ein Rentner grundlos<br />

zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt. Täter waren ein 17jähriger Grieche und ein<br />

20jähriger Türke. Obwohl bereits klar war, dass es sich um Ausländer handelt, war davon in der<br />

„heute“-Sendung des ZDF vom 22.12.20<strong>07</strong> keine Rede. Man konnte es nur vermuten, da der<br />

interviewte Polizeikommissar davon sprach, dass der Rentner als „scheiß Deutscher“ beschimpft<br />

wurde. Es ist bezeichnend, dass der Fall keinen medialen Aufschrei über Ausländerkriminalität<br />

auslöste. Man muss fast froh sein, dass der Fall überhaupt bekannt wurde, denn in der „Tagesschau“<br />

des gleichen Tages wurde der Fall noch nicht einmal erwähnt.<br />

Was ist passiert?<br />

Dank der Kameraüberwachung der Bahnhöfe konnte die Gewalttat genau dokumentiert werden.<br />

Nach Aussage von Zeugen wies der Rentner die Gewalttäter in der U-Bahn darauf hin, dass das<br />

Rauchen verboten sei und forderte sie auf die Zigaretten auszumachen. Statt sich in die öffentliche<br />

Ordnung einzufügen, bespuckten sie ihn und beschimpften ihn als „scheiß Deutschen“. Daraufhin<br />

entfernte sich der Mann. Als er ausstieg, folgten ihm die Ausländer.<br />

Die Überwachungskamera hielt fest, wie sie den Bahnsteig entlang stürmten und einer der beiden<br />

den Rentner in der Vorhalle aus vollem Lauf durch einen Faustschlag zu Boden schlug. Anschließend<br />

traten sie den wehrlosen Mann mehrere Male ins Gesicht und an den Oberkörper. Der<br />

Polizeikommissar berichtete, dass „einer ca. 10 Meter Anlauf nahm, um noch einmal mit voller<br />

Wucht dem Rentner ins Gesicht zu treten.“<br />

Bereits am Tag danach konnten die Täter festgenommen werden, da sie vor der Tat einem Passanten<br />

sein Handy geklaut hatten. So konnten sie geortet werden. In der Vernehmung zeigten die beiden<br />

keinerlei Reue. Weil der Rentner sie angesprochen habe, „wäre das halt so passiert“.<br />

Bedeutung für die Gesellschaft<br />

Dieser Fall macht deutlich, wie gescheitert die Einwanderungspolitik ist. Die Brutalität, Hinterlistigkeit<br />

und Respektlosigkeit der beiden Ausländer lässt vermuten, dass in den ausländischen<br />

Parallelgesellschaften, die sich in deutschen Städten gebildet haben, keinerlei Werte, Moral oder<br />

sonstige Normen wie z.B. Respekt vor dem Alter, existieren. Hier ist es sicherlich demnächst im<br />

wahrsten Sinne des Wortes tödlich, weiterhin auf Toleranz und Integration zu setzen. Denn Toleranz<br />

führt nur zu mehr Gewalt und Integration ist weder bei den Ausländern noch bei den Deutschen<br />

erwünscht. Das einzige, was hier helfen würde, wäre der vom französischen Staatspräsidenten<br />

erwähnte Hochdruckreiniger. Sicherlich hat diese Äußerung auch zu seinem Wahlsieg beigetragen.<br />

Und die Medien?<br />

Bei Zusammenstößen zwischen Deutschen und Ausländern sind die Medien immer dabei – zumindest<br />

wenn die deutsche Seite die Täterseite ist. Die Tagesschau hält es an diesem Tag nicht für notwendig<br />

den Münchner Fall zu erwähnen, statt dessen stürzen sich alle auf einen kleinen Zwischenfall in<br />

Dresden. Dort hatte eine Gruppe Rechtsextremer nach einem Diskobesuch zwei Sudanesen leicht<br />

verletzt.<br />

Die Medien haben kein Interesse an einem Fall wie in München, es ist Alltag. Und der Alltag kommt<br />

nicht in die Nachrichten.<br />

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