Blaue Narzisse - Onlineartikel 2006/07
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Bl aue <strong>Narzisse</strong><br />
<strong>Onlineartikel</strong><br />
<strong>2006</strong>-20<strong>07</strong><br />
0
Inhaltsverzeichnis<br />
Die „Gefahr von rechts“ .......................................................................................................................... 9<br />
Wozu brauchen wir Parteien? ............................................................................................................... 10<br />
Ist das Internet ein Teil des Verkehrssystems? ..................................................................................... 11<br />
Zur Verfilmung von „Das Parfum“ ......................................................................................................... 12<br />
Auf dem linken Auge blind .................................................................................................................... 13<br />
Ein klein wenig „bloggen“ ..................................................................................................................... 14<br />
Schlachtfest der Medien – Über die Inszenierung der Tat des „Kannibalen von Rotenburg“ .............. 15<br />
Demokratieunterricht ........................................................................................................................... 16<br />
„Land der Wunder“ ............................................................................................................................... 18<br />
„Die sieben Samurai“............................................................................................................................. 19<br />
Frieden, Frieden über alles .................................................................................................................... 20<br />
"Hero" .................................................................................................................................................... 21<br />
Aufruf: Pressefreiheit für die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>"! .................................................................................... 22<br />
Flugblattaktion am 17. März <strong>2006</strong> ........................................................................................................ 23<br />
Neues aus Leipzig .................................................................................................................................. 24<br />
"Burschen schlachten!" - Methoden der Antifa .................................................................................... 25<br />
Gedichte ................................................................................................................................................ 26<br />
Dummheit .............................................................................................................................................. 28<br />
Einiges Europa ....................................................................................................................................... 29<br />
Die Neospießer ...................................................................................................................................... 30<br />
„Das Leben der Anderen“ – Eine Abrechnung mit dem MfS ................................................................ 31<br />
Überstädterung! .................................................................................................................................... 34<br />
Neofolk – mehr als nur eine Musikrichtung .......................................................................................... 35<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>. Von falschen Freunden und richtigen Feinden - Ein Resümee. ............................. 37<br />
Edwin Erich Dwinger: „ ...Und Gott schweigt ?“ ................................................................................... 41<br />
Zwischen Heulkrampf und ekstatischem Jubel - Gedanken zum gegenwärtigen Sprachgebrauch ...... 42<br />
„Mit viel Liebe und Engagement“ ......................................................................................................... 43<br />
Terror an der Rütli-Schule – Multikulti am Ende? ................................................................................. 44<br />
Heimat, wo bist du? .............................................................................................................................. 45<br />
Presse- und Meinungsfreiheit aus Europäischer Sicht. Ein Blick in die neue EU-Verfassung. .............. 46<br />
„Bist du am Leben interessiert?“ ........................................................................................................... 48<br />
Serie: Bücher aus der Mottenkiste (Teil 1). Demian. ............................................................................ 49<br />
Die multikulturelle Gesellschaft – eine Realität? .................................................................................. 51<br />
1
Wibke Bruhns: „Meines Vaters Land“ ................................................................................................... 54<br />
Macht und Verantwortung .................................................................................................................... 55<br />
Bier im Nachtbus ................................................................................................................................... 56<br />
Gedicht: der wald beginnt in der stadt ................................................................................................. 58<br />
Ankündigung: Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> expandiert nach Staßfurt ................................................................. 59<br />
Auswanderung – Die Fähigen gehen und die Dummen bleiben ........................................................... 60<br />
Serie: Bücher aus der Mottenkiste (Teil 2). Wladimir Kaminer: „Mein deutsches Dschungelbuch“. ... 61<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> auf Erfolgskurs. ....................................................................................................... 62<br />
Gedanken zu Aldous Huxley: „Schöne neue Welt. Ein Roman der Zukunft" ........................................ 63<br />
Wenn die Argumente ausgehen … ........................................................................................................ 66<br />
Der Zölibat des katholischen Priesters .................................................................................................. 68<br />
Das „andere Leben“ des Ulrich Mühe ................................................................................................... 69<br />
Bücher aus der Mottenkiste (3). Michail Bulgakow: „Der Meister und Margarita" ............................. 70<br />
Rekordverkauf in Staßfurt ..................................................................................................................... 71<br />
Heute: Vater- und Mutterlandsliebe zum Sonderpreis! ....................................................................... 72<br />
Unser ewiges Deutschland. Das Land der Dichter und Denker! ........................................................... 74<br />
Pünktlich zur WM: Deutschland über alles! Und das auch noch in den Feuilletons ... ......................... 75<br />
10 Thesen zum Thema: „Was passiert, wenn Deutschland Fußballweltmeister wird?“ ...................... 76<br />
Florians Ideen ........................................................................................................................................ 77<br />
Bücher aus der Mottenkiste (4). Heinrich Mann: „Der Untertan" ........................................................ 78<br />
Anonyme Post von der Antifa ............................................................................................................... 79<br />
Das Ende der Verkrampfung ................................................................................................................. 80<br />
Fussballästhetik ..................................................................................................................................... 81<br />
Walter Kempowski: Hamit. Tagebuch 1990 .......................................................................................... 82<br />
Vorankündigung: <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> im Radio. ........................................................................................... 83<br />
Bücher aus der Mottenkiste (5). Jostein Gaarder: „Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort" ..... 84<br />
Anfänge (1): Der Kapitalist .................................................................................................................... 85<br />
In was für einem Zeitalter leben wir? ................................................................................................... 88<br />
Anfänge (2): Der Anarch ........................................................................................................................ 89<br />
Ärger beim Chemnitzer Uni-Radio ........................................................................................................ 91<br />
Auf steinigen Pfaden ............................................................................................................................. 92<br />
Gedicht: chronos ................................................................................................................................... 94<br />
Adolf Hitler gestorben - Ein Nachruf ..................................................................................................... 95<br />
Anfänge (3): Unbekannter Wegbeobachter .......................................................................................... 97<br />
Symbole der Nation (2). Die Geschichte der deutschen Symbole ........................................................ 99<br />
2
Bücher aus der Mottenkiste (6). Franz Kafka: „Die Verwandlung" ..................................................... 100<br />
Sex im Internet .................................................................................................................................... 101<br />
Ein Armutszeugnis für unsere übersättigte Gesellschaft .................................................................... 101<br />
Virtueller Geschlechtsverkehr befriedigt ungenügend. ...................................................................... 101<br />
Horst Lange: Schwarze Weide ............................................................................................................. 103<br />
Die E-Mail ............................................................................................................................................ 104<br />
Grass – ein Sommerloch wird gefüllt .................................................................................................. 105<br />
Nachtrag zu: Die E-Mail ....................................................................................................................... 1<strong>07</strong><br />
Fuck you! ............................................................................................................................................. 108<br />
Islamische Meinungsführer disqualifizieren sich selbst! – Ein Anstoss zur Papst-Debatte ................ 110<br />
Riesenwirbel um nonkonforme Kölner Schülerzeitung ....................................................................... 113<br />
Revisionismus in Zeiten des intellektuellen Stillstandes ..................................................................... 115<br />
Gedicht: Aus fallenden Atomen .......................................................................................................... 117<br />
Mit Joachim Fernau über Geschichte sprechen .................................................................................. 118<br />
[/heretic] - Die unabhängige Jugendzeitung ....................................................................................... 119<br />
Am 7. Oktober <strong>2006</strong> – 57 Jahre danach .............................................................................................. 120<br />
na klar! ................................................................................................................................................. 122<br />
TDCler äußern sich zu ihrer Community ............................................................................................. 123<br />
Triff Deinen Chemnitzer. Eine Parallelgesellschaft wächst heran ....................................................... 125<br />
Höhere Wesen: Jean Baptiste Grenouille............................................................................................ 126<br />
Daniel Kehlmann: „Die Vermessung der Welt“ ................................................................................... 128<br />
Anstoß für Querdenker und ihre Zeitungen ........................................................................................ 129<br />
Gegenwinddurchlässig – ein Vorstoß in luftleeres Land. .................................................................... 130<br />
Chatten, Chatten, Chatten .................................................................................................................. 132<br />
Ode der Fragen .................................................................................................................................... 133<br />
Diffamierung der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> ....................................................................................................... 135<br />
Die Inszenierung zweier Genies .......................................................................................................... 136<br />
Was ist ein Podcast? ............................................................................................................................ 138<br />
Punktlandung ...................................................................................................................................... 139<br />
„Children of Men“: Keine Kinder, keine Hoffnung .............................................................................. 140<br />
Jubel bei allen arbeitslosen Sozialpädagogen ..................................................................................... 141<br />
Wo bleibt der Erfolg der Maßnahmen? .............................................................................................. 141<br />
Schweigt! ............................................................................................................................................. 142<br />
Politisch korrekte Schreibweise .......................................................................................................... 143<br />
Mensch und Computer ........................................................................................................................ 144<br />
3
Packende Action und echtes Agentenflair .......................................................................................... 145<br />
<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> 20<strong>07</strong> ............................................................................................................................ 146<br />
Ein Symptom dieser Gesellschaft ........................................................................................................ 147<br />
Über Helmut Kraussers Eros ................................................................................................................ 149<br />
Die Realität des Linksextremismus ...................................................................................................... 151<br />
Sei doch auch mal totalitär! ................................................................................................................ 153<br />
Bravo, Frau Künast! ............................................................................................................................. 154<br />
Triumphzug der Massen ...................................................................................................................... 155<br />
Im Gespräch: Stefan Herre von politicallyincorrect.de ....................................................................... 157<br />
Multikulturalismus und politischer Islam ............................................................................................ 158<br />
Die Ursprünge des Individualismus in der Antike ............................................................................... 160<br />
Der neuzeitliche Individualismus......................................................................................................... 162<br />
„Wenn Literatur politisch wird, ist sie fast immer schlecht!“ ............................................................. 164<br />
Terror lohnt sich wieder ...................................................................................................................... 166<br />
„Refugium gegen mainstream-kompatiblen Populismus von lechts und rinks“ ................................. 168<br />
Eigentum und youth bulges................................................................................................................. 170<br />
Stauffenberg. Der Kampf eines Idealisten ........................................................................................... 172<br />
Nährboden für die Gewalt von links .................................................................................................... 174<br />
Der Waldgang ...................................................................................................................................... 176<br />
Mythos pB! Theodor Körner zu Chemnitz ........................................................................................... 177<br />
Kirchentag: Lebendig und kräfitg und schärfer? ................................................................................. 179<br />
Ralph Giordano für kulturelle Selbstbestimmung ............................................................................... 181<br />
Gerd Schultze-Rhonhof: 1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte ....................................................... 183<br />
Perspektivlosigkeit führt zu Sozialismus ............................................................................................. 185<br />
Gegenöffentlichkeit im Netz ............................................................................................................... 186<br />
Rauschender Strom, brausender Wald – Heimat und Seelenformung im Lichte der FDGO .............. 187<br />
Sie fielen für Demokratie und Emanzipation … ................................................................................... 190<br />
Binnenmigration: „Für eine bessre Zukunft, verlassen wir die Heimat auch!“ ................................... 193<br />
Georg Quabbe: „Tar a Ri” – Variationen über ein konservatives Thema ............................................ 195<br />
Multi-Kulti-Kriminalität explodiert ...................................................................................................... 197<br />
Demokratie am Scheideweg ................................................................................................................ 199<br />
Demokratismus als Ideologie .............................................................................................................. 202<br />
Veränderbarkeit des Staates und der Demokratie ............................................................................. 204<br />
Ernst Jünger: Strahlungen ................................................................................................................... 2<strong>07</strong><br />
"Revolution und Fotze" ....................................................................................................................... 209<br />
4
Menetekel Afghanistan: Der Krieg, der nicht zu gewinnen ist. ........................................................... 211<br />
Die Geschichte vom Expat ................................................................................................................... 214<br />
Juden in der Wehrmacht ..................................................................................................................... 218<br />
Oswald Spengler – Der optimistische Pessimist .................................................................................. 221<br />
Edgar Julius Jung – Vordenker eines neuen Staates ........................................................................... 224<br />
Die Zwangsehe mit dem Islam PDF ................................................................................................. 227<br />
Klemens von Klemperer – ein konservativer Kritiker der Konservativen Revolution ......................... 228<br />
„Wir nennen es Arbeit“ ....................................................................................................................... 230<br />
Ernst Niekisch und die dritte imperiale Figur ...................................................................................... 231<br />
Die Tragik des deutschen Denkens – Friedrich Hölderlin .................................................................... 234<br />
Dekadenz und omnipräsente Gedankenlosigkeit ............................................................................... 236<br />
Armin Mohler und sein Credo ............................................................................................................. 238<br />
Die Lindenstraße ................................................................................................................................. 241<br />
„Bornholmer Straße“ statt „Lindenstraße“ ......................................................................................... 243<br />
Gutmenschen in der Bornholmer Straße ............................................................................................ 245<br />
„Im Kampf gegen den Untergang der deutschen Kultur kommt Mitteldeutschland eine Schlüsselrolle<br />
zu.“....................................................................................................................................................... 248<br />
Revolutionen und ihre Vorwehen ....................................................................................................... 250<br />
„Dem Burschi-Treffen entgegentreten!“ ............................................................................................ 252<br />
„Brothers Keepers“: Die schwarzen Hassprediger .............................................................................. 253<br />
Eliteuniversitäten: Amerikanische Exzellenz im Wettbewerb mit deutscher Gleichheit .................... 255<br />
Russische Polizisten im Einsatz gegen Spätaussiedler? ....................................................................... 257<br />
Über die Klimakatastrophe und andere Katastrophen ....................................................................... 259<br />
Lebensstile 2020: Die Dekadenz schreitet voran ................................................................................ 260<br />
Die Gefahr des Bürgerkrieges .............................................................................................................. 262<br />
Der Integrations-„Rausch“ der Politik ................................................................................................. 265<br />
10 Jahre Schicksalsjahr 1997: Die Wehrmachts-Ausstellung .............................................................. 268<br />
Sch(r)äuble locker? .............................................................................................................................. 270<br />
Die natürliche Ordnung ....................................................................................................................... 273<br />
Bunt statt braun .................................................................................................................................. 275<br />
Bismarcks Urenkel ............................................................................................................................... 277<br />
Wenn der Staat ein Moloch ist ............................................................................................................ 280<br />
„Konservativ sein ist richtig chic geworden.“ ...................................................................................... 283<br />
Der Türkensturm ................................................................................................................................. 285<br />
Antigermanismus - Der alltägliche Rassismus gegen Deutsche .......................................................... 288<br />
5
Russland - Rückkehr einer Weltmacht ................................................................................................ 292<br />
Tschetschenien - Krieg ohne Ende ...................................................................................................... 296<br />
„Wehrhafte Demokraten“ als Sektenjäger.......................................................................................... 300<br />
Wenn Kinder fehlen, ist eine Welt krank. ........................................................................................... 302<br />
„Denn der Mensch ist ein Raubtier …“ ................................................................................................ 304<br />
Alternativloser Schulzwang ................................................................................................................. 3<strong>07</strong><br />
Mügeln: Ein neuerliches Sebnitz ......................................................................................................... 308<br />
Schuldkult: „Nicht ein positives Wort über das Vaterland.“ ............................................................... 309<br />
Politische Beeinflussung von Schülern an Gymnasien ........................................................................ 312<br />
Ein Wort zu den sozialistischen Populisten von der NPD .................................................................... 314<br />
Die Gründung der Jenaer Urburschenschaft ....................................................................................... 315<br />
Mügeln und das neu geforderte NPD-Verbotsverfahren .................................................................... 317<br />
Regierungskrise in Belgien................................................................................................................... 319<br />
Wolfgang Sofsky: Verteidigung des Privaten. Eine Streitschrift .......................................................... 320<br />
Der Wandervogel in Japan .................................................................................................................. 321<br />
Richard Wagner: Das reiche Mädchen ................................................................................................ 323<br />
Eine wichtige Übung: Distanzieren ...................................................................................................... 324<br />
Moscheebau in Berlin: Eine demokratische Farce .............................................................................. 326<br />
Der Fall „Eva Herman“: Ein ereignisloses Spektakel............................................................................ 330<br />
Das dichterische und mythopoetische Kunstwerk von Oswald Spengler: Der Untergang des<br />
Abendlandes ........................................................................................................................................ 331<br />
Das Hambacher Fest 1832: „Wir pflanzen die Freiheit, das Vaterland auf!“ ...................................... 334<br />
Nazis gegen rechts ............................................................................................................................... 340<br />
Ein Wort zum Libertarismus ................................................................................................................ 342<br />
Carl Schmitt – Inquisitor gegen Moralismus und Entwurzelung ......................................................... 344<br />
Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn: Demokratie – Eine Analyse ........................................................... 348<br />
Multikulturelle Gesellschaft: Die Geburt eines Vielvölkerstaates ....................................................... 349<br />
Islampolitische Bruchlinien zwischen Libertären, Rechten und Liberalen .......................................... 350<br />
Familienpolitische Provokationen: Eva Herman und Gabriele Pauli ................................................... 352<br />
Das Standardwerk des volklichen Denkens ......................................................................................... 353<br />
Nicht radikal genug .............................................................................................................................. 356<br />
Der Umgang mit der RAF ..................................................................................................................... 357<br />
Ein Schock: Grüne Nazis? .................................................................................................................... 358<br />
Die Bildungslüge: Eine Anklage staatlicher Phantasielosigkeit ........................................................... 359<br />
Demokratie und Privatheit .................................................................................................................. 361<br />
6
Gentechnisch manipuliertes Essen? Nein Danke! ............................................................................... 363<br />
Pazifismus der Gedanken ODER die Schwäche des Geistes der heutigen Jugend .............................. 364<br />
Zum 90. Todestag von Walter Flex ...................................................................................................... 366<br />
Im Gespräch: Henryk M. Broder .......................................................................................................... 368<br />
Der Wanderer zwischen beiden Welten ............................................................................................. 372<br />
Die Linke und der Islam ....................................................................................................................... 375<br />
Die Wippermann-Krankheit: Linksblind .............................................................................................. 377<br />
Flex und die Ideen von 1914 ............................................................................................................... 379<br />
Verfassungsschutz und Bürgerfreiheit in NRW ................................................................................... 381<br />
Der Streit um die deutsche Nachkriegsdemokratie ............................................................................ 384<br />
Nachkriegsdemokratie II ..................................................................................................................... 385<br />
Diekmann und die 68er ....................................................................................................................... 388<br />
"Invasion": Angriff der Gleichmacher .................................................................................................. 389<br />
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ Art. 3 Abs. 2 GG ............................................................ 391<br />
Ein Wort zum Thema Gesundheit ....................................................................................................... 392<br />
Carl Schmitt, die Neocons und der Kampf gegen den Terror .............................................................. 393<br />
Joschka Fischer – Friedensnobelpreisträger in spe? ........................................................................... 397<br />
Spengler: Jahre der Entscheidung ....................................................................................................... 399<br />
Der Fall Eva Herman ............................................................................................................................ 404<br />
Aus Amoklauf wird Selbstmord ........................................................................................................... 405<br />
Michael Vogt: „Die Mechanismen der medialen Hinrichtung funktionieren ausgezeichnet.“ ........... 408<br />
Wie ein radikaler Verlierer zum Amokläufer wird .............................................................................. 411<br />
Konsequenter Liberalismus: Ludwig von Mises .................................................................................. 412<br />
Frankreichs Vorstadt-Intifada .............................................................................................................. 419<br />
Das deutsche Schulsystem – ein Erfolg! .............................................................................................. 421<br />
Reihe zum Libertarismus: Manchester heute ..................................................................................... 423<br />
Die Wahrheit der Religion II ................................................................................................................ 425<br />
Der Trost des Christentums ................................................................................................................. 427<br />
Was für ein Theater mit „Faust“.......................................................................................................... 429<br />
Jenseits von Gut und Böse? ................................................................................................................. 430<br />
Liberalismus und Anarchismus in eine Front! ..................................................................................... 432<br />
War Jesus ein Irrer? ............................................................................................................................. 436<br />
Ab ins alternative Altersheim: Die GRÜNEN werden alt. .................................................................... 438<br />
Kluge Bescheidenheit und Politik der Skepsis: Anmerkungen zum Philosophen Michael Oakeshott 440<br />
Das Kreuz mit dem Kreuz .................................................................................................................... 443<br />
7
Götz Kubitschek: Provokation ............................................................................................................. 449<br />
Der neue Mensch ................................................................................................................................ 451<br />
Politically Incorrect im Fadenkreuz des WDR ...................................................................................... 453<br />
Die Weihnachtsgeschichte .................................................................................................................. 455<br />
Oswald Spengler intim: Haß, Schmerz und Ekel .................................................................................. 457<br />
Ein 17jähriger Grieche und ein 20jähriger Türke ................................................................................ 460<br />
8
Die „Gefahr von rechts“<br />
Marco Kanne<br />
Freitag, den 02. Februar 20<strong>07</strong> um 15:46 Uhr<br />
Immer wieder dürfen wir den Medien Schreckensnachrichten über die vorgebliche Gefährlichkeit des<br />
Phänomens „Rechtsextremismus“ entnehmen. Und wenn man die jeweiligen Meldungen liest, so<br />
kann man als Beobachter den Eindruck bekommen, es gäbe eine tatsächliche „Gefahr von rechts“.<br />
Nehmen wir uns die offiziellen Zahlen des „Bundesamtes für Verfassungsschutz“ (VS) zur Hand. Das<br />
Personenpotential von tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten beläuft sich auf 39 000.<br />
Die Statistik weist für das Jahr 2005 15 361 Straftaten insgesamt aus, die durch tatsächliche oder<br />
vermeintliche Rechtsextremisten begangen wurden. Eine auf den ersten Blick erschreckende Zahl.<br />
Unter diesen 15 361 Straftaten befinden sich nun laut Bundesamt 958 Gewalttaten. Das macht einen<br />
Anteil von rund 6,2% der rechtsextremen Gesamtstraftaten. Wobei handelt es sich dann aber bei den<br />
restlichen 93,8%?<br />
Zahlen sagen mehr als tausend Worte ... über den Rechtsextremismus<br />
Die Masse der nicht mit Gewalt zusammenhängenden rechtsextremen Straftaten sind<br />
„Propagandadelikte“, also beispielsweise das Zeigen von Kennzeichen verfassungswidriger<br />
Organisationen (z.B. Hakenkreuz), oder eine schriftliche Meinungsäußerung, die als<br />
„volksverhetzend“ eingestuft wird.<br />
Warum stehen rechtsextreme Meinungsäußerungen – die sogenannten „Propagandadelikte“ – unter<br />
Strafe? Man will damit angeblich die „Würde der Opfer“ schützen. Ist dies nicht ein berechtigtes<br />
Anliegen? Das mag es mit Sicherheit sein, wenn es wirklich darum ginge, die Menschenwürde zu<br />
schützen. Aber selbst dann bliebe noch die Frage zu stellen, ob es der richtige Weg ist, eben<br />
Meinungsäußerungen zu bestrafen, die angeblich eben diese Würde verletzten würden, oder ob<br />
nicht die offene, freie und argumentative Auseinandersetzung den Opfern viel mehr gerecht würde,<br />
weil man sich dann wirklich argumentativ für diese engagieren würde? Und bedeutet<br />
Meinungsfreiheit als unverzichtbare Grundlage der freiheitlichen Demokratie nicht auch, ein Recht<br />
darauf zu haben, den größten Stuß und die größte Geschmacklosigkeit von sich geben zu dürfen,<br />
ohne Angst davor haben zu müssen, für diese Meinung in eine Gefängniszelle geworfen zu werden?<br />
Es steht unter Strafe, die „nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft“ zu verherrlichen oder<br />
zu billigen und ihre Verbrechen zu leugnen, weil dies die „Würde der Opfer“ verletzen würde.<br />
Demgegenüber scheint es aber die „Würde der Opfer“ nicht zu verletzen, wenn Linksextremisten die<br />
Vernichtung Deutschlands mit Parolen wie „Deutschland von der Karte streichen. Polen muß bis<br />
Frankreich reichen!“ fordern oder wenn sie beispielsweise am Jahrestag der schweren alliierten<br />
Bombenangriffe auf Dresden 1945 skandieren „Bomber Harris, do it again!” (“Bomber Harris, mach<br />
es noch mal!”), wenn sie also die Vernichtung menschlichen Lebens propagieren.<br />
Zweierlei Maß<br />
Wenn ein Linksextremist äußert, die Gulags in der Sowjetunion wären „geil“ gewesen, kann er damit<br />
rechnen, daß ihm diese Äußerung im Rahmen der Meinungsfreiheit zugestanden wird. Ein<br />
tatsächlicher Neo-Nazi, der die nationalsozialistischen KZs „geil“ findet, und dies auch äußert, der<br />
dürfte sich demgegenüber umgehend auf der Anklagebank wiederfinden.<br />
9
Wozu brauchen wir Parteien?<br />
Felix Menzel<br />
Mittwoch, den 10. Januar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das Interesse der Bürger am Parteienklüngel ist mittlerweile so gering, daß sich die Frage nach der<br />
Legitimation von Parteien von selbst ergibt. Wer sieht heute noch seine Interessen oder die des<br />
deutschen Volkes durch irgendeine Partei gut repräsentiert? Unternehmen und nicht-staatliche<br />
Institutionen können die Aufgaben von Parteien nicht viel schlechter erledigen, als diese es derzeit<br />
tun.<br />
Eine großartige Besserung würde die Abschaffung von staatlich geförderten Parteien allerdings nicht<br />
bringen. Aber wenigstens gäbe es dann eine Organisationsform weniger, die Intrigen fördert und<br />
unzählige Charaktere verdirbt.<br />
Die Emporkömmlinge von Parteien: Gerissene und Anpassungsfähige<br />
Innerparteiliche Demokratie ist zu einer Auslese der Gerissensten und Anpassungsfähigsten mutiert.<br />
Wem es um inhaltliche Akzente geht, der steht in Parteien auf verlorenem Posten. Nicht die Denker<br />
und Erneuerer setzen sich in einer Partei durch, sondern diejenigen, die es allen recht machen.<br />
So kommt es, daß immer wieder die gleichen heuchlerischen Typen auf der Karriereleiter der<br />
politischen Posten aufsteigen. Wenn diese dann seßhaft in den gemütlichen Sesseln der Ämter und<br />
Parlamente geworden sind, unterliegen sie nicht mehr dem Erfolgsprinzip. Einzig das Votum der noch<br />
zur Wahl gehenden Bürger zählt. Und leider gewinnt bei Wahlen nie der Kompetenteste.<br />
Die Regierung und die Parlamentarier sind vom Erfolgsprinzip abgekoppelt. Dies wirkt sich<br />
verheerend auf die Ergebnisse der Politik aus. Wenn Parlamentarier mißwirtschaften, so müssen<br />
nicht sie selbst die Suppe auslöffeln sondern der Bürger.<br />
Mißwirtschaft bleibt für Politiker meist folgenlos.<br />
Ein weiterer entscheidender Punkt: Parteien können willkürlich staatliche Macht einsetzen und<br />
niemand zieht sie für den Mißbrauch dieses Rechts zur Rechenschaft. Ein Beispiel dieser Willkür ist<br />
die Existenz und der Einsatz des Verfassungsschutzes. Warum gibt es ihn überhaupt?<br />
Wenn politische Bestrebungen kriminell sind, dann müssen sie von der Kriminalpolizei verfolgt<br />
werden. Wenn sie nicht kriminell sind, dann sind sie folgerichtig legal und schützenswert. Der<br />
Verfassungsschutz hingegen pickt sich Bestrebungen heraus, die nicht kriminell sind, die dem Staat<br />
aber trotzdem ein Dorn im Auge sind. Parteipolitiker und parteiliche Beamte setzen den<br />
Verfassungsschutz als Kampfmittel zur Festigung der eigenen Meinungsmacht ein. Der Staat<br />
vernichtet so geistiges Potential für unser Land. Kontroverse politische Konzepte erstickt er im Keim.<br />
Ist die Abschaffung von Parteien ein Fortschritt?<br />
Vielleicht ist es in einer Zeit, in der Berufspolitiker, die nichts anderes können, als schlechte,<br />
verantwortungslose und langweilige Politik zu machen, bereits ein Fortschritt, wenn man<br />
Berufspolitiker durch kompetente Persönlichkeiten aus Medien, Wirtschaft und privaten<br />
Organisationen ersetzt, die Schwarz auf Weiß Erfolge vorzeigen können. Wahrscheinlicher ist jedoch,<br />
daß sich die heute noch erfolgshungrigen Unternehmer sehr schnell an die Sessel der Ämter und<br />
Parlamente gewöhnen.<br />
10
Ist das Internet ein Teil des Verkehrssystems?<br />
Martin Lochschmidt<br />
Mittwoch, den 17. Januar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Was hat ein PC mit der Eisenbahn zu tun? Eigentlich nichts! Doch wenn man einen Zugang zum<br />
Internet nutzt? Auch dann besteht noch ein Unterschied, ob man durch die Gegend gefahren wird<br />
oder ob man sich bunte Seiten anschaut. Um Gemeinsamkeiten zu finden muss schon etwas länger<br />
gesucht werden, z.B. in der Vergangenheit.<br />
In den letzten Jahrhunderten wurden Briefe noch mit der Postkutsche und später mit der Eisenbahn<br />
transportiert. Heute gibt es mit der E-Post eine hervorragende Ergänzung dazu, vor allem für<br />
kurzfristige Mitteilungen, die in einem Telefongespräch nicht ausreichend kommuniziert werden<br />
können. Allerdings handelt sich dabei um das allgemein bekannte Paradebeispiel.<br />
Was ist Verkehr?<br />
Verkehr bedeutet nichts weiter als die Ortsveränderung von Gütern und Personen. Wenn wir uns den<br />
Gütern zuwenden, wird uns schnell klar, dass etliche Sachen über das Netz transportiert werden<br />
(Transport: lat.: hinüber tragen). Das fängt beim Geld an, geht weiter mit Musik und hört irgendwann<br />
bei der Bildung auf.<br />
Das Internet - eine riesige Datenautobahn?<br />
Früher musste man für alle zu transportierenden Informationen ein konventionelles Verkehrsmittel<br />
nutzen, heute funktioniert eben vieles elektronisch. Wer zieht denn nicht drei einfache Klicks einem<br />
langen Besuch in der Sparkasse vor? Warum Bücher lesen und Informationen suchen, wenn im<br />
Internet doch alles komprimiert geschrieben steht? Damit wird klar, was das Internet eigentlich ist,<br />
es vernetzt die ganze Welt und hat eine eigene Infrastruktur, die Teile des Verkehrssystems<br />
übernimmt und andere Teile ankurbelt, wie z.B. die Paketbeförderung von ersteigerten Gütern aus<br />
Internetauktionshäusern, für die es vorher gar keinen Markt gab.<br />
Zügiger Transport von Daten und Gütern<br />
Man kann einen gewissen Teil seines Lebens ausschließlich über das weltweite Netz planen. Natürlich<br />
bleibt der Rest nicht auf der Strecke, denn Bücher sind den Falschinformationen vorzuziehen, die<br />
man teilweise findet und in fremden Ländern ist man auch nur dann gewesen, wenn man sie<br />
betreten hat und nicht mit „Google Earth“ bestaunt hat.<br />
Für den modernen Menschen sind alle diese Informationen sicher nicht neu. Alle anderen seien<br />
jedoch dezent darauf hingewiesen, dass das Internet, trotz aller Schwächen, eben ein Teil des<br />
internationalen Verkehrssystems ist und das man damit arbeiten muss, auch wenn man schon 50 ist.<br />
Denn „kein Verkehr“ bedeutet nichts anderes als Stillstand.<br />
11
Zur Verfilmung von „Das Parfum“<br />
John Palatini<br />
Dienstag, den 31. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Vorab hieß es, die Verfilmung von Patrick Süskinds Erfolgsroman „Das Parfum“ sei stellenweise so<br />
schockierend, dass zahlreiche Kinobesucher den Saal noch vor Ende des Films verlassen mussten.<br />
Angeheizt durch diese Sensationsmeldung saßen in der Vorstellung wohl auch einige Kinogänger, die<br />
den Film ohne derart geschickt platzierte Publicity nicht angesehen hätten. Nach gut einer Stunde<br />
bemerkt man diese im Kinosaal zwangsweise, weil sie hörbar überfordert sind. Oder richtiger<br />
ausgedrückt: Sie langweilen sich. Währenddessen verstehen ihre jeweiligen Freundinnen zwar auch<br />
nicht so recht, worum es nun eigentlich geht, doch vor lauter Empathie mit den dahinsterbenden<br />
Schönheiten sind sie zumindest gerührt.<br />
Auf jeden Fall gilt: Das Buch ist besser. Natürlich! Beim Lesen erschafft sich der Leser eine mentale<br />
Projektion des Textes, die im Grunde zwangsläufig durch die Manifestation des prinzipiell<br />
Unausdeutbaren auf der Kinoleinwand enttäuscht werden muss. Denn während der Leser förmlich in<br />
die orgiastische Bildwelt des Romans hineingezogen wird und seine Fantasie, wie bei kaum einem<br />
anderen Text, köstliche Schwerstarbeit verrichten darf, stehen dem Kinobesucher die Bilder bereits<br />
vor Augen. Dieses grundsätzliche Problem einmal außer Acht gelassen, ist der Film auf den ersten<br />
Blick durchaus gelungen. Der belesene Zuschauer wird in eine Welt versetzt, die der vorgestellten<br />
wahrscheinlich recht nahe kommt: Die Handlung ist nah an der Romanvorlage; die Frauen sind<br />
ausgesprochen hübsch und sinnlich; viele Bilder, so das herrliche Lavendelfeld, sind wunderschön.<br />
Dennoch: Gerade im selbsttätigen Erschaffen eines durch den Text inspirierten Duftuniversums liegt<br />
der eigentliche, der sinnliche Reiz gerade dieses Romans und wohl auch die Ursache seines Erfolges.<br />
Dass der Film dies nicht zu leisten vermag, kann man Regisseur Tom Tykwer kaum vorwerfen. Sehr<br />
schade allerdings sind einige Abweichungen von der Vorlage gerade bei entscheidenden Details,<br />
durch welche die Radikalität der Geschichte letztendlich entwertet wird.<br />
Das Buch ist besser. Natürlich!<br />
Die Story ist, auch wenn der Untertitel die Geschichte eines Mörders ankündigt, keine<br />
Kriminalgeschichte. Vor allem ist Jean Baptiste Grenouille kein normaler Mensch und eben deshalb<br />
auch kein normaler Mörder. Die Geschichte von Jean Baptiste Grenouille ist aber die Geschichte<br />
eines außerhalb der menschlichen Ordnung stehenden Genies. Der Film allerdings leistet nicht, was<br />
Patrick Süskind mit seiner Romanvorlage gelang. Vor allem die angedeutete Sehnsucht nach der<br />
liebenden Nähe eines anderen Menschen und das darin enthaltene Bedauern der eigenen Taten,<br />
lassen Grenouilles Tod am Ende wie die Tat eines einsamen und traurigen Menschen aussehen.<br />
Der Film entwertet die Radikalität der Geschichte.<br />
Von dieser Warte aus ist der Film eine Enttäuschung, denn gerade auch in der Verfilmung hätte die<br />
Chance bestanden, den Zuschauer völlig ratlos und allein zurückzulassen, ihn also zu schockieren,<br />
anstatt ihn mit einer abgegriffenen Erklärung des Unerklärlichen abzuspeisen, ihn letzten Endes um<br />
die Wirkung eines Kunstwerks zu betrügen. Und so waren am Ende wohl viele, anspruchsvollere<br />
Zuschauer ebenso wie jene, die eine fulminante Jagd nach einem frauenmordenden Ungeheuer<br />
erwartet hatten, enttäuscht, oder aber gelangweilt. Letztendlich wird von Tom Tykwers Verfilmung<br />
wenig bleiben: Einige schöne Bilder, manchem wird auch die Musik gefallen haben, oder, um es mit<br />
einem Bild zu sagen: Der Film ist wie ein etwas zu schweres Parfum, das die Nase kurz streift, dann<br />
aber schnell verblasst, ohne, wie es manch anderen Düften gelingt, eine große Sehnsucht zu wecken.<br />
12
Auf dem linken Auge blind<br />
Marco Kanne<br />
Dienstag, den 30. Januar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Was für einen Grund gibt es für den 21 Millionen Steuer-Euro teuren, staatlichen „Kampf gegen<br />
Rechts“, wenn die offiziellen Zahlen jedenfalls eine geringere Gewalttätigkeit von Rechtsextremisten<br />
im Vergleich zu Linksextremisten belegen, die ja als Grundlage für eben diesen gelten, mal ganz<br />
davon abgesehen, daß es schon für eine angeblich freiheitliche Demokratie zwielichtig ist, wenn der<br />
Staat überhaupt gegen Meinungen vorgeht.<br />
Warum ist der Rechtsextremismus also die „größte Gefahr für die Demokratie“, wenn<br />
Rechtsextremisten sogar weniger gewalttätig sind als Linksextremisten? Warum wird keine<br />
äquivalente Menge an Finanzmitteln oder überhaupt Finanzmittel für einen „Kampf gegen Links“ zu<br />
Verfügung gestellt, wenn doch die höhere Gewaltbereitschaft linksextremer statistisch belegt ist?<br />
Linksdominierte Medien<br />
Diese Fragen sind nur dann zu beantworten, wenn man den vorgeblichen Grund für den staatlichen<br />
„Kampf gegen Rechts“ beiseite läßt, nämlich die Zahlen, die ja zu anderem Ergebnis führen müssen.<br />
Der Grund ist der, daß eben Linksextremisten links sind und damit im Grunde jene Ziele und<br />
Vorstellungen teilen, die auch das linksdominierte Medienestablishment teilt und welches dann<br />
natürlich auch die Politik unter Konformitätsdruck zu setzen im Stande ist. „Linksdominiert“ heißt in<br />
diesem Falle, daß sich nach einer Selbsteinschätzung im Rahmen der Studie „Journalismus in<br />
Deutschland“ der Universität Hamburg aus dem Jahr 2005, die deutliche Mehrheit der Journalisten<br />
als „links von der Mitte“ definiert, was sich dann auch in den entsprechenden Parteipräferenzen<br />
niederschlägt, an der Spitze Bündnis 90/Grüne mit 35,5% (!) gefolgt von der SPD mit 26; die CDU/CSU<br />
liegt weit abgeschlagen bei 8,7%. Es ist daher nicht verwunderlich, daß eine Einseitigkeit in der<br />
medialen Berichterstattung vorherrscht.<br />
Während jeder auch nur vermeintliche „Angriff“ durch angebliche „Rechtsextremisten“ zu einem<br />
Ereignis bundesweiter Bedeutung stilisiert und zu einer akuten „Gefahr für die Demokratie“<br />
phantasiert wird, so wie dies jüngst im „Fall Ermyas M.“ geschah, so werden Überfälle durch<br />
Linksextremisten und andere protegierte Gruppen gar nicht erst zur Sprache gebracht.<br />
Das Fazit<br />
Nach der Analyse der vorgebrachten Fakten, nach der Entblätterung des Kerns der Wahrheit steht<br />
nun der unabweisbar der Grund für das einseitige politische Klima in der Bundesrepublik<br />
Deutschland nackt und ungeschminkt da. Es geht im Grund nur um eins, um Macht und um die<br />
Sicherung der eigenen Vorteile. Natürlich, ein intellektuell und polisch offenes Meinungsklima wäre<br />
eine Gefahr für die linken Besitzstandswahrer in Politik, Medien und Kulturbetrieb. Ihre Positionen<br />
und Pensionen wären gefährdet, würden Mißstände und Versagen, welches sie mittelbar oder<br />
unmittelbar zu verantworten haben, offen angesprochen und die Konsequenzen dafür gezogen<br />
werden.<br />
Darum ist man auf dem linken Auge blind, weil man sich fürchtet. Das linksgerichtete Establishment<br />
fürchtet sich davor, daß wenn die entfachte Hysterie und die staatlich koordinierte und finanzierte<br />
Repression gegen alle(s), was rechts oder auch nur nicht links ist, nachläßt oder gar aufhört, daß man<br />
sich eben dann jenen annimmt, die für die wahren Probleme verantwortlich sind oder diese<br />
beschönigen und verharmlosen. Sie fürchten sich vor der Freiheit und das zu Recht!<br />
13
Ein klein wenig „bloggen“<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Es gibt einen neuen Trend im Internet oder er ist schon älter und ich habe ihn nur verpaßt, was nicht<br />
sonderlich schlimm wäre.<br />
Ich spreche jedenfalls von „Blogs“ und ihren Urhebern, den sogenannten „Bloggern“. „Blogs“ sind<br />
kleine Tagebücher, in denen man seine Fahrten durch das World Wide Web dokumentiert, andere<br />
für sich und seine Umwelt immens wichtigen Dinge kommentiert oder die Inhalte anderer Netzseite<br />
kritisiert. Für jene, die den aktuellen Errungenschaften unserer globalen Welt ebenfalls<br />
hinterherhinken, sei außerdem noch angemerkt, daß aufgrund der Einfachheit wirklich jedermann<br />
sich einen „Blog“ anlegen kann.<br />
Die neue Errungenschaft der „Blogs“, die als geballter Beweis für die Mündigkeit der Internetnutzer<br />
herhalten muß, verschafft dem gewillten, nach Informationen suchenden Leser ein noch größeres<br />
Chaos. Die Selektion, welche Informationen tatsächlich diese Bezeichnung verdienen und welche<br />
nicht, wird immer schwieriger. Der Pluralismus wird rein quantitativ ins Unendliche gesteigert. Für<br />
wen dies von Vorteil ist, bleibt fraglich.<br />
Unabhängig vom möglichen Nutzen dieser „Blogs“ finde ich es geradezu grotesk, daß bei vielen<br />
Menschen das Bedürfnis entstanden ist, ein öffentliches Tagebuch zu führen. Scheinbar angesteckt<br />
von den vorabendlichen Boulevard-Nachrichten und der Berichterstattung über die bewegenden<br />
Tagesabläufe der Promis möchten viele „Blogger“ diesen im wohlgehüteten Versteck der Virtualität<br />
nachahmen.<br />
14
Schlachtfest der Medien – Über die Inszenierung der Tat<br />
des „Kannibalen von Rotenburg“<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Im März 2001 ging ein Raunen durch den deutschen Blätterwald. Der „stern“ hatte mit seiner<br />
Reportage über den „Kannibalen von Rotenburg“, Armin Meiwes, gespickt mit unzähligen Details wie<br />
dem Verspeisen der Genitalien des freiwilligen Opfers Bernd B. geschockt. Als pietät- und<br />
verantwortungslos geißelte die Medienlandschaft die Berichterstattung des Wochenmagazins „stern“<br />
damals.<br />
Inzwischen steht allerdings fest, daß sich die Bedenkenträger nicht durchsetzen konnten. Zum<br />
fünfjährigen Jubiläum der Tat des „Kannibalen von Rotenburg“ erleben wir ein „Revival“ des Falles.<br />
Neben dem Prozeß gegen Meiwes wegen Mordes erregt dabei insbesondere ein über die Tat<br />
gedrehter Film namens „Rohtenburg“ die Gemüter. Dieser Horrorfilm sollte am 9. März in den<br />
deutschen Kinos anlaufen, wurde jedoch kurz davor verboten, um die Persönlichkeitsrechte des<br />
Armin Meiwes zu wahren.<br />
Unabhängig davon, ob es den spitzfindigen Juristen der Produktionsfirma des Filmes doch noch<br />
gelingen sollte, den Kinostart zu realisieren und so ihre Profitgier in Gänze zu befriedigen, haben es<br />
die Macher von „Rohtenburg“ mit freundlicher Unterstützung der maßgeblichen Medienvertreter in<br />
Deutschland geschafft, den Kannibalismusfall noch detailgetreuer als der „stern“ vor fünf Jahren der<br />
breiten Öffentlichkeit zu illustrieren.<br />
Ein erschreckendes Beispiel für die kranke Berichterstattung flimmerte gestern mit der Promi-<br />
Talkshow „Johannes B. Kerner“ (ZDF) über die Bildschirme. Kerner befragte den Hauptdarsteller von<br />
„Rohtenburg“ sowie einige Experten zum Film, dem Verbot und dem Prozeß gegen Meiwes. Dabei<br />
wurde unter anderem von dem „Schwanz in der Pfanne“, der trotz reichlichen Bratens nicht gar<br />
werden wollte, und anderen widerlichen Einzelheiten des Filmes und Falles berichtet. Die angebliche<br />
Absicht des Filmes, den Kannibalen psychologisch zu ergründen, dürfte aufgrund solcher Szenen für<br />
fast jeden potentiellen Zuschauer in den Hintergrund treten.<br />
Ein Ende des Medienspektakels um den Kannibalen ist nicht in Sicht. Die grausame Tat des<br />
„Kannibalen von Rotenburg“ wird auch in nächster Zeit exzessiv ausgeschlachtet werden. Für<br />
mögliche Zuschauer bleibt nur der gutgemeinte Rat, das zähe Fleisch vom Schlachtfest der Medien<br />
nicht zu essen.<br />
15
Demokratieunterricht<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Oft genug beschwerte ich mich in meiner Schulzeit über den faden Stoff – gerade in den<br />
geisteswissenschaftlichen Fächern Geschichte und Gemeinschaftskunde (Nachfolger von<br />
Staatsbürgerkunde). In der 10. Klasse änderte sich dies kurzzeitig. Neue Lehrmethoden, scheinbar<br />
extra auf mich zugeschnitten, fanden Eingang in die Unterrichtspraxis. Es war ein Unterricht der ganz<br />
besonderen Art – wesentlich lebensnäher als die fächerübergreifenden Experimente. Im Schulalltag<br />
führte man mir tagtäglich vor, was Demokratie wirklich ist.<br />
Am 9. November 2002 gründete ich mit einigen Schulfreunden eine pennale Burschenschaft. Mit<br />
diesem Akt gaben wir unserer Vaterlands- und Freiheitsliebe Ausdruck. In unserer damaligen<br />
Euphorie trugen wir stolz unser Coleur, ein schwarz-rot-goldenes Band und eine Pennälermütze,<br />
auch in der Schule. Die verdutzten Gesichter der Schüler und Lehrer hatten wir bereits erwartet,<br />
wollten etwaigen Mißverständnissen jedoch vorbeugen, indem wir uns der Schulleitung und unserer<br />
Klasse offen vorstellten. Der Direktorin erklärten wir unsere Beweggründe, eine pennale<br />
Burschenschaft zu gründen, unser zukünftiges Arbeiten auf basisdemokratischer Grundlage und<br />
unser Interesse an politischen Debatten. Sie reagierte wenig aussagekräftig, jedoch durchaus<br />
freundlich.<br />
Eine Woche später erfuhren wir die eigentliche Reaktion der Schulleitung: Unmittelbar nachdem wir<br />
uns der Direktorin Frau Buder (damals Schulleiterin des A.-v.-Humboldt-Gymnasiums; heute<br />
stellvertretende Schulleiterin des Andre-Gymnasiums) vorgestellt hatten, benachrichtigte sie weitere<br />
Schulbehörden, die Polizei und den Verfassungsschutz über unsere rechtsextremen Bestrebungen an<br />
der Schule. Mehrere Schüler und Lehrer bestätigten uns das Vorgehen von Frau Buder.<br />
Es begann eine stürmische Zeit für uns: Kurz nachdem wir so einiges über die Machenschaften der<br />
Schulleitung erfahren hatten, klingelte bei mir zu Hause das Telefon. Meine Mutter nahm den Hörer<br />
ab und am anderen Ende meldete sich meine Klassenlehrerin. Wenig überzeugend versuchte sie,<br />
meine Mutter zu belehren. Meine Mitgliedschaft in der pennalen Burschenschaft könne negative<br />
Auswirkungen auf meine Zukunft haben und diese pennale Burschenschaft sei doch eine<br />
rechtsextreme Organisation, meinte sie. Meine Mutter antwortete, sie finde es gut, daß ich im<br />
Rahmen der pennalen Burschenschaft Vorträge anhöre und selbst gestalten würde und fragte, ob die<br />
Schule denn überhaupt wisse, was wir, die pennale Burschenschaft, machen würden. Die Replik der<br />
Lehrerin, daß dies doch allgemein bekannt sei, überzeugte meine Mutter nicht. Auch bei den<br />
anderen Eltern der Mitbegründer unserer Burschenschaft hatte das Telefon geklingelt.<br />
Die Ereignisse spitzten sich in den darauffolgenden Wochen zu: Unzählige Elternabende fanden mit<br />
dem Thema „Was können wir gegen die rechtsextreme pennale Burschenschaft tun?“ statt; einen<br />
davon durfte meine Mutter wiederum miterleben. Unsere „außerschulischen Aktivitäten“ wurden im<br />
Gemeinschaftskundeunterricht mehrerer Klassen erörtert und wir bekamen ein Diskussionsverbot<br />
über das Thema „Burschenschaften“ verhängt, da wir von der NPD rethorisch geschult werden<br />
würden. Klare Hinweise von uns, daß dies eine Lüge sei und nicht belegt werden könne, wurden<br />
übergangen. Eine offene Diskussion war fortan bis zu meinem Abitur nicht mehr möglich. Man sprach<br />
lieber ohne uns über uns.<br />
Es gingen einige Wochen ins Land. Trügerische Ruhe kehrte ein. Doch dann dies: Die von mehreren<br />
linken Parteien und Gewerkschaften gestützte Jugendzeitung „Spiesser“ veröffentlichte in der Rubrik<br />
16
„Braune Brandstifter“ ein Interview mit einem ehemaligen Gründungsbursch unserer pennalen<br />
Burschenschaft, der aufgrund des öffentlichen Drucks ausgetreten war, heute allerdings wieder bei<br />
uns Mitglied ist, und mir. Umrahmt wurde dies von mehreren Kommentaren von Schülern und einer<br />
Lehrerin. Obwohl der negative Grundtenor des Interviews und seine Randerscheinungen<br />
vorhersehbar war, so zeigt die Doppelseite im „Spiesser“ dennoch die Vorgehensweise der Schule<br />
ganz deutlich. Ein Schüler, Ole (16) gibt Auskunft über den Unterrichtsstoff in Gemeinschaftskunde:<br />
„Und dann haben wir mit unserer Lehrerin in Gemeinschaftskunde gesprochen und sind gemeinsam<br />
zu dem Schluss gekommen, dass wir alle gegen diese Art Burschenschaft sind. Weil da wohl teilweise<br />
schon sehr enge Verbindungen zum Gedankengut des Nationalsozialismus zu sehen sind.“<br />
Die angesprochene Lehrerin, Frau Nothnagel, durfte sich selbstverständlich ebenfalls zu Wort melden<br />
und bekräftigte, daß die pennale Burschenschaft aus der demokratischen Grundordnung herausfalle.<br />
,Schon seltsam’, dachte ich mir in jenen Tagen, ,ist das Studium Lehramt Geschichte tatsächlich so<br />
lückenhaft, daß die angehenden Lehrkräfte nicht einmal die demokratische Geschichte der<br />
Burschenschaften seit 1815 kennenlernen?’<br />
Wenn Demokratie das ist, was Lehrer und Schulleitung damals vorlebten, dann muß ich wohl meine<br />
für den Gemeinschaftskundeunterricht auswendig gelernte Definition für „Demokratie“<br />
umschreiben. Anstelle eines pluralistischen Dialogs, erlebte ich Intrigen und Lügen. Anstelle von<br />
Freiheit für Schüler in ihrer Meinung und Schutz für Jugendliche in ihrer „Sturm und Drang“-Phase,<br />
Verleumdung und ein verbittertes politisches Klima. Zur sachlichen Auseinandersetzung mit<br />
andersgesinnten Schülern und Lehrern waren wir immer bereit, doch diese Möglichkeit räumte man<br />
uns nie ein. Trotz dem ausbleibenden Gespräch lernte ich in diesen Jahren über diese „unsere“<br />
Demokratie und ihre Spielregeln wesentlich mehr als in irgendeiner Unterrichtsstunde. Die Methode<br />
des Lernens durch eigene Erfahrungen prägte mich mehr als jedes Unterrichtsgespräch. Meine<br />
Naivität gegenüber den wohlklingenden Verlautbarungen der „politisch Korrekten“ wurde mir<br />
ausgetrieben. Die Enttäuschung über diese erzieherische Klasse bleibt dennoch und findet immer<br />
wieder neue Bestätigung.<br />
Zwei Jahre nach den geschilderten Vorfällen las ich bestürzt in einer „Kleinen Anfrage“ des SPD-<br />
Landtagsabgeordneten Johannes Gerlich vom 23. März 2005 die Antworten des damaligen<br />
sächsischen Innenministers Dr. Thomas de Maiziere:<br />
„Die Mitglieder der Burschenschaften wurden von Anfang an sowohl von Lehrkräften als auch seitens<br />
der Schülerschaft des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums aufmerksam beobachtet. Im<br />
Gemeinschaftskundeunterricht wurde u. a. auch über Burschenschaften im Zusammenhang mit<br />
rechtsextremistischem Gedankengut gesprochen.<br />
Von den Schulleitungen wurde übereinstimmend mitgeteilt, dass die der Burschenschaft<br />
angehörenden Schüler bei Diskussionen, z.B. im Leistungskurs Geschichte, zu Themen mit<br />
rechtsextremistischen Hintergrund keine Auffälligkeiten zeigen. Es gab bisher keine rechtsextremen<br />
oder nationalistischen Äußerungen im Unterricht.“<br />
Meine Äußerungen im Geschichtsunterricht und die meiner Freunde wurden offensichtlich an den<br />
Verfassungsschutz weitergeleitet und untersucht. Zynisch könnte ich mich bei meinem ehemaligen<br />
Geschichtslehrer Herrn Behrendt bedanken für die genaue Prüfung meiner Aussagen, doch dies wäre<br />
ungerecht, denn sicher ist er nur ein kleines Rad in diesem Getriebe. Ich hoffe für ihn, daß er sich den<br />
Dienst wenigstens vernünftig bezahlen läßt, denn Demokratieunterricht in dieser Form ist großartig,<br />
wirkungsvoll und einprägsam für das weitere Leben.<br />
17
„Land der Wunder“<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
„Wenn sich ein Mensch innerhalb eines Gefängnisses so frei bewegen kann, dass er es nicht dauernd<br />
als ein solches empfindet, ist er objektiv betrachtet trotzdem kein freier Mensch. Ist aber nicht die<br />
gesamte Welt ein Gefängnis?“<br />
Michael Klonovsky stellt mit seinem neuesten Roman „Land der Wunder“ ungewohnt deutliche<br />
Fragen. Seine Hauptfigur Johannes Schönbach, ein triebgesteuerter Intellektueller zwischen ganz<br />
unten und ganz oben, durchläuft die journalistische Landschaft vor und nach der Wende. Zu DDR-<br />
Zeiten muß er sein Studium der klassischen Philologie abbrechen, obwohl er Jahrgangsbester ist, und<br />
arbeitet fortan in einem Schnapslager. Er kämpft sich jedoch durch einige Zufälle begünstigt noch vor<br />
der Wende bis zum Korrekturleser der SED-Bezirkszeitung von Berlin hoch. Der Mauerfall begünstigt<br />
dann seinen weiteren Aufstieg bis hin zu einem angesehenen VIP-Redakteur, der um die Welt jetten<br />
kann und auf High-Society-Parties Champagner trinken darf.<br />
Schnell bemerkt Schönbach aber auch Schattenseiten des neuen Regimes: Sein ehemaliger Kollege<br />
und Freund Gottfried Kühl bekommt „die neue journalistische Freiheit“ zu spüren. Das Gewissen der<br />
Chefredaktion, Lohmann, weißt Kühl dauernd in die neuen Schranken, wirft ihm die Relativierung von<br />
Auschwitz vor, wenn Kühl die falschen Fakten betont und nicht nach der neuen „political<br />
correctness“ schreibt. Schönbach teilt viele Ansichten mit Kühl, weiß aber trotzdem, daß er sich<br />
anpassen muß, um aufzusteigen. Er ist zum Opportunisten verkommen. Trotzdem stößt er immer<br />
wieder auf Unangepaßte wie den Kulturredakteur Reger, der den geistigen Müll, den er produzieren<br />
soll, nicht erträgt und die Mechanismen der neuen Presselandschaft glaubt, durchschaut zu haben:<br />
„Journalismus ist die organisierte Zerstörung der geistigen Empfänglichkeit der dem Journalismus<br />
ausgesetzten Bevölkerung. […] In Deutschland wird seit Jahrzehnten die Deutsche Einheitsmeinung<br />
gepflegt, sei es die nationalsozialistische, realsozialistische oder freiheitlich-sozialdemokratische,<br />
immer muss die gerade herrschende gegen jedermann durchgesetzt werden, …“<br />
Schönbach erholt sich gegen Ende des Romans durch einen schweren persönlichen Vorfall ein wenig<br />
von seinem selbstgefälligen Leben. Als seine alte Studienangebetete stirbt, adoptiert er ihre beiden<br />
Kinder und findet nach eigenen Aussagen erstmals in seinem Leben eine wirklich wichtige Aufgabe.<br />
Viel wichtiger als Klonovsky´s immer wieder auftauchende, durchaus witzige Nebenschauplätze der<br />
Liebe und des ungebremsten Alkoholsuffs erscheinen mir die Gedanken seiner Figuren über die<br />
Presselandschaft in Deutschland. „Land der Wunder“ bestätigt gerade das vielerorts verbreitete<br />
Schwarzweißbild von der unfreien Presse in der DDR und der ach so freien in der Bundesrepublik<br />
Deutschland nicht, sondern fragt kritisch, wo Meinungs- und Pressefreiheit denn in der BRD<br />
beschnitten werden und welche Legitimationsgrundlage diesen Einschränkungen zugrunde liegen.<br />
18
„Die sieben Samurai“<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Samurai stellen heute das Symbol der japanischen Nationalkultur dar, obwohl sie längst aus der<br />
Geschichte verschwunden sind. In „Die sieben Samurai“ beweist sich noch, welche starke Faszination<br />
der Mythos der Samurai auf Außenstehende ausübt. Mit 20 Millionen Yen, 30.000 Mitwirkenden und<br />
einem Jahr Drehzeit war das Meisterwerk des berühmten japanischen Regisseurs Akira Kurosowa<br />
eines der teuersten Filme aller Zeiten in Japan und leitete zugleich die Geburtsstunde des Actionkinos<br />
ein. Neben den beeindruckenden Hauptfiguren wirkt der Film vor allem durch die auch zeitlich<br />
bedingte schlichte Art. Der Film beschreibt das Japan des 16. Jahrhunderts: eine Räuberbande<br />
plündert jedes Jahr aufs Neue ein entlegenes Dorf – eines Tages beschließen die Bauern, sich zur<br />
Wehr zu setzen. Es finden sich schließlich auch sieben Samurai, die bereit sind ihnen beim Kampf zu<br />
helfen. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange, bis es zur entscheidenden Schlacht kommt.<br />
Weiteres erzählt am besten der Film selbst – vorliegende Rezension soll ein kleiner Anreiz sein, den<br />
Film anzuschauen.<br />
19
Frieden, Frieden über alles<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Zum 61sten Male jährte sich am heutigen Tag die Bombardierung unserer Heimatstadt Chemnitz.<br />
3500 Menschen fanden an diesem Tag den Tot, Hunderttausende wurden in unserer Region<br />
obdachlos, 95 % der innerstädtischen Bausubstanz fielen den angloamerikanischen Brand- und<br />
Sprengbomben zum Opfer. Ein Beispiel – stellvertretend für Hunderte andere im Deutschland des<br />
Jahres 1945.<br />
Dies alles sind Fakten, die jedes Jahr einer Gebetsmühle gleich auf den vielen kleinen und großen,<br />
politisch korrekten oder unkorrekten Veranstaltungen nahezu heruntergespult werden. Außer Frage<br />
steht, dass es sich dabei um eine dringende Notwenigkeit handelt. Notwendig ist zu erinnern: für den<br />
einen aus Überzeugung, für den anderen aus bloßer Pflicht heraus. Der eine betont die Ursachen, ein<br />
anderer ihre Wirkung, wieder ein anderer die Suche nach Präventivmaßnahmen – doch keiner unsere<br />
bizarre Situation: alles spricht vom Frieden – unser scheidender Oberbürgermeister Dr. Peter Seifert<br />
(SPD) berichtet märtyrerhaft von seiner heute getätigten Unterschrift bei der weltweiten Aktion<br />
„Mayors for Peace“ (Bürgermeister für den Frieden), mit der sich alle unterschreibenden Städte zum<br />
Handeln für den Frieden verpflichten.<br />
Doch welchem Frieden wird hier gehuldigt? Dreht es sich hier wirklich um die wertfrei betrachtet –<br />
unanfechtbaren und notwenigen Bemühen nach Frieden – im Sinne Kants? Oder ist dieser Frieden<br />
nicht eigentlich nur eine Worthülse der „Neuen Welt“?<br />
Wohl eher letzteres: das uns verschriebene Allheilmittel ist mehr bittere Pille, denn wirklich<br />
gesundende Medizin. Spricht OB Seifert nun stellvertretend für seine vielen hundert<br />
opportunistischen Amtskollegen von der Notwendigkeit: „jedem Krieg präventiv und offensiv<br />
entgegen zu treten“, meint er nicht den edel-humanistischen Gedanken von wirklichem Frieden,<br />
sondern letztlich ein Sinndiktat der westlichen Wertegemeinschaft. Er verneint den nationalen<br />
Alleingang zu Gunsten der europäischen Lösung und huldigt einem bedingungslosen Frieden, in dem<br />
wir Verlierer selbst 61 Jahre nach dem Kriege noch als Unterlegene und gezwungene Prediger<br />
unserer diktierten Vorgesetzten zu sehen sind.<br />
20
"Hero"<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Mittwoch, den 15. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Was erwartet man normalerweise unter einem „Action-Film“? Spektakuläre Kampfszenen, viel Lärm,<br />
dramatische Szenen, die bis zum Kitsch reichen - also im Format Hollywoods. Doch es geht auch<br />
anders. Das beweist der in China gedrehte, bildgewaltige Martial-Art-Epos „Hero“.<br />
Ausgangspunkt der Handlung ist das China des dritten vorchristlichen Jahrtausends. Zu dieser Zeit<br />
war China in sieben Königreiche gespalten, die untereinander um die Vorherrschaft in China<br />
kämpften. Die Geschichtsschreibung bezeichnet den König des Reiches Qin - dessen Reich<br />
Namensgeber des vereinten Chinas war - als grausam und als den rücksichtslosesten Herrscher. Viele<br />
Attentäter versuchten ihn zu töten, in „Hero“ wird eine der Legenden erzählt.<br />
Nicht allein wegen den Begegnungen mit der alten chinesischen Kultur ist der Film sehr interessant,<br />
auch die Schwertkämpfe, das Spiel mit verschiedenen Farben und die ästhetische Darstellung des<br />
Geschehens fesseln den Betrachter. Die Wirkung der Ruhe und inneren Geschlossenheit heben den<br />
Film angenehm von Werken gleichen Genres ab. Bekannte chinesische Schauspieler wie Jet Li<br />
unterstützen die eindringliche Wirkung ebenso farbintensive Kostüme und passender Hintergrund.<br />
Damit bietet „Hero“ nicht nur eine Bereicherung für den historisch Interessierten sondern auch einen<br />
einmaligen ästhetischen Genuss!<br />
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Aufruf: Pressefreiheit für die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>"!<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Freitag, den 17. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Mit der Forderung "Pressefreiheit für die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>"! treten wir mit mehreren Aktionen heute<br />
an die Chemnitzer Schüler, Schulen und Kommunalpolitiker heran. Damit reagieren wir auf die<br />
Verleumdungen und Lügen der letzten Wochen und Monate gegenüber unserer Zeitschrift.<br />
Mit einer Flugblattaktion an den Chemnitzer Gymnasien verwirklichen wir unser Recht auf eine<br />
öffentlichkeitswirksame Gegendarstellung. Unseren Oberbürgermeister Dr. Seifert und alle Stadträte<br />
rufen wir ebenfalls zur Wahrung der Presse- und Meinungsfreiheit an Chemnitzer Gymnasien auf.<br />
22
Flugblattaktion am 17. März <strong>2006</strong><br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Freitag, den 17. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der heutige Tag wird für Schüler, Lehrer und uns wohl noch eine Weile in Erinnerung bleiben. Das<br />
Ereignis des Tages war unsere Flugblattaktion Pressefreiheit für die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“. Binnen<br />
kürzester Zeit sprach sich unsere Aktion an den Schulen herum. Die Überraschung ist uns gelungen:<br />
Viele Schüler interessierten sich für den Fall und die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“, so daß es zu einigen<br />
Gesprächen mit Schülern während des Tages kam. Auch im Unterricht wurde das Flugblatt<br />
gebührend behandelt. Rückmeldungen über die Ergebnisse dieser Diskussionen liegen uns nur<br />
vereinzelt vor. Es wäre schön, wenn IHR uns hierbei weiterhelfen könntet. Ein Teil der<br />
VerteilertruppeEin Redakteur unserer Zeitschrift darf in seiner Deutschklasse in nächster Zeit die<br />
Anliegen der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ und der Flugblattaktion erklären. Ohne ihm vorgreifen zu wollen, so<br />
möchten wir doch die wichtigsten Fakten und Erkenntnisse des Tagesverlaufs an dieser Stelle<br />
zusammentragen:<br />
Der Aufruf Pressefreiheit für die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“ soll die Chemnitzer Gymnasiasten ermutigen, sich<br />
nicht durch Vorurteile, Lügen und Verleumdungen leiten zu lassen, sondern mutig für die eigene<br />
Meinung einzustehen (und zwar auch öffentlich). Daß wir dabei nicht auf taube Ohren stoßen, zeigen<br />
die ersten positiven Resonanzen auf die Aktion. Deshalb: Traut euch!<br />
Das Fazit der Verteilaktion zeigt einmal mehr, daß es an Chemnitzer Schulen keine Presse- und<br />
Meinungsfreiheit gibt: Teilweise durften wir in den Schulgebäuden nicht verteilen; eine freie,<br />
unabhängige Meinung ist dort scheinbar nicht gewünscht. Dennoch fällt unser Resümee an den<br />
einzelnen Schulen durchaus positiv aus. Am Leibniz-Gymnasium und am Wirtschaftsgymnasium<br />
trafen wir viele aufgeschlossene Schüler, die bereit sind, sich andere Meinungen anzuhören. Das<br />
Kepler-Gymnasium glänzte wieder einmal mit Maulkorb. Couragierte Schüler bildeten die Ausnahme<br />
- kein Wunder bei der Erziehung. Am Agricola- und am Goethe-Gymnasium verteilten wir nur<br />
sporadisch. Ein Urteil zu fällen, steht uns hier nicht zu. Zu guter Letzt, das Andre-Gymnasium:<br />
Durchwachsen.<br />
Die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“ ist ein unabhängiges Schülerzeitungsprojekt. Vorrangig behandeln wir kulturelle<br />
Themen. Politische Agitation an den Schulen liegt uns fern. Alle Versuche, unserer Zeitschrift<br />
Querverbindungen zur NPD oder anderen Parteien zu unterstellen, laufen ins Leere. Die „<strong>Blaue</strong><br />
<strong>Narzisse</strong>“ wehrt sich gegen Indoktrination aber auch gegen Zensur und Maulkorb. Dies habt ihr heute<br />
gesehen und werdet es auch in Zukunft sehen.<br />
Verteiler vorm WirtschaftsgymnasiumNeben dem Aufruf Pressefreiheit für die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“<br />
bemühten sich heute auch Feinde der Meinungsfreiheit um die Gunst der Schüler. Mit dem Flugblatt<br />
Burschen schlachten! zog die „Antifaschistische Aktion“ ins Feld. Mit diesen „Burschen“ sind wir<br />
gemeint.<br />
Es ist erschütternd, ein Flugblatt in Händen zu halten, welches zur Schlachtung der eigenen Person<br />
aufruft. Der Aufruf zur Gewalt gegen unsere Personen ist ein neuer trauriger Höhepunkt in der<br />
Chronik der Verfolgung der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“.<br />
Trotz alledem werden wir weiter für die Freiheit der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ kämpfen. Die Aufforderung an<br />
euch, Chemnitzer Schüler, sei deshalb noch einmal wiederholt: Seid mutig, denkt selber!<br />
23
Neues aus Leipzig<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Sonntag, den 19. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Zur Leipziger Buchmesse<br />
19. März <strong>2006</strong>. Die diesjährige Buchmesse neigt sich nunmehr mit großen Schritten ihrem Ende zu –<br />
Grund genug, auch von unserer Seite aus ein keines Resümee zu ziehen. Es war eine Messe der<br />
Superlative : knapp 2200 große und kleine Verlage aus nah und fern präsentierten sich auf dem<br />
Gelände der Neuen Messe Leipzig – teilweise war der Besucherandrang von mehreren<br />
Hunderttausend selbst der Messeleitung zu groß, so dass am gestrigen Tage die Eingänge Zeitweilen<br />
gesperrt werden mussten, um einer Überfüllung der Messehallen vorzubeugen.<br />
Im Detail. Würde man die Messe mit einem Begriff fassen müssen, wäre der<br />
wohl Treffendste:<br />
Überfluß, noch genauer - grenzenloser Überfluß – Luxus. Zwar ist es in Zeiten, in denen<br />
Wissenschaftler und Intellektuelle vor der Verdummung der Massen – explizit der Jugend - durch die<br />
moderne Medienlandschaft (vor allem im interaktiven Sinne) warnen, mehr als lobenswert, dort auf<br />
einen solch gewaltigen Andrang zu stoßen, der von ganz jung bis ganz alt nahezu jede Altersgruppe<br />
vertritt – doch sieht man genauer hin, merkt man schnell, dass der Wind aus einer anderen Richtung<br />
weht. Es geht weniger um die Verbreitung intellektueller Köstlichkeiten und das Hinweisen auf die<br />
Bonbons der Denklandschaft, denn als um blanken und unverhohlenen Kommerz. Kaufen, kaufen,<br />
kaufen – und über dies, sich präsentieren. Man meint da fast, die Messe sei ein bloßer Vorwand, um<br />
das Kasperletheater in den Reihen der Besucherschaft zu rechtfertigen. Da ist vom<br />
scheinintellektuellen Provinzdenker mit Hornbrillchen und immerfort kritischen Blick, der am arte-<br />
Stand zu wohnen scheint, über die vielen kunterbunt-illustren Leser der Comic- und Mangaabteilung<br />
(die allesamt in wirklich teilweise groteskesten Kostümen anreisten), bis zum Dunstkreis der Jungle<br />
World, die sich schon mal um den hauseigenen Stand des Verbrecher-Verlages scharren, wild<br />
rauchen, wild aussehen, Antikapitalistisches auf den Lippen tragen und dir dann doch ein Abo<br />
aufschwatzen wollen, alles vertreten. Man kommt sich da teilweise regelrecht langweilig vor, wenn<br />
man am Stand der P.M. einfach nach einem Heft fragt, was einem noch in der Sammlung fehlt oder<br />
bei Suhrkamp einen Hesseband ersteht.<br />
Fazit: Die diesjährige Leipziger Buchmesse ist zu einem unüberschaubaren Massen- und<br />
Medienspektakel entartet, in dem der Gedanke an das Buch als Wert an sich, viel zu schnell und<br />
leichtfertig einem unüberschaubaren und wirren Pluralismus geopfert wurde. Einzig die zwei wirklich<br />
interessanten Fakten, dass es die Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit und der Verlag Edition<br />
Antaios in diesem Jahr trotz viel Gerede und Geschwätz geschafft haben, auf der Messe vertreten zu<br />
sein und weiterhin die wirklich ausnahmslos sehenswerte Buchkunst-Abteilung, stimmen mich<br />
einigermaßen versöhnlich. Doch muß ich sagen und lege dies auch jedem Buchfreund und Kenner<br />
ans Herz, ist der Besuch im kleinen Buchladen um die Ecke wesentlich entspannter und<br />
überschaubarer, als ein mehrerer Fußballfelder großer Buchtempel, in dem man nur einen Bruchteil<br />
des Angebotes wirklich wahrnehmen und fassen kann.<br />
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"Burschen schlachten!" - Methoden der Antifa<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Montag, den 20. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Am Freitag, den 17. März <strong>2006</strong>, überraschte die Antifaschistische Aktion am Andre-Gymnasium mit<br />
einem Flugblatt mit dem Titel "Burschen schlachten!". Diese Antwort auf unseren Aufruf<br />
Pressefreiheit für die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>" richtet sich insbesondere an die pennale Burschenschaft<br />
Theodor Körner und die akademische Burschenschaft in Chemnitz. Der "<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>" wird auf<br />
diesem Flugblatt personelle Deckungsgleichheit mit der pB! Theodor Körner unterstellt. Dies ist<br />
schlichtweg falsch.<br />
Einige Autoren der "<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>" sind auch Mitglied der pB! Theodor Körner, jedoch bei weitem<br />
nicht alle. Unsere Printausgabe der Schülerzeitung (und auch die Internetausgabe) existieren<br />
unabhängig von politischen oder anderen gesellschaftlichen Organisationen. Kulturarbeit stellen wir<br />
in den absoluten Mittelpunkt unserer publizistischen Tätigkeit. So war es immmer und so wird es<br />
auch bleiben.<br />
Frappierender als die Tatsache, die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>" im Atemzug der Burschenschaften zu nennen,<br />
finde ich die Gangart der Antifaschistischen Aktion im Umgang mit dem politischen Feind. Wer seine<br />
politischen Feinde schlachten möchte, verdient keine Meinungsfreiheit und kein Publikum für diese<br />
Forderung. Der offene Aufruf zur Gewalt gegen Mitschüler kann nicht hingenommen werden. Er muß<br />
von den Schulleitungen sanktioniert werden. Dieses Flugblatt zeigt das ganze Ausmaß der Eskalation<br />
des Klimas an den Chemnitzer Gymnasien. Die "<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>" fordert ihre Daseinsberechtigung in<br />
politisch neutral zu bleibenden Schulen; ihre Gegner maßen es sich an, zum Schlachten der<br />
Mitschüler aufzurufen.<br />
"Burschen schlachten!" zeigt auch, daß uns keine andere Möglichkeit blieb, unser eigenes Flugblatt<br />
unangekündigt zu verteilen. Wir sind uns unserer Verantwortung für unsere Autoren bewußt und<br />
wollten sie durch eine Ankündigung nicht unnötig gefährden. Der Gewaltaufruf gegen<br />
andersgesinnte Mitschüler wie in diesem Fall die Mitglieder der pB! Theodor Körner besitzt<br />
skandalösen Charakter. Er soll einschüchtern und den Pluralismus der Meinungen unterdrücken.<br />
Die Schulleitungen der Chemnitzer Gymnasien müssen nach diesem Vorfall hart gegen die Verteiler<br />
und Urheber des ketzerischen Flugblattes "Burschen schlachten!" durchgreifen. Politische Neutralität<br />
muß zurückerkämpft werden, um Meinungsfreiheit für alle zu gewährleisten. Die Antifaschichstische<br />
Aktion hat den besten Beweis erbracht, daß unser begonnener Kampf um Presse- und<br />
Meinungsfreiheit an Chemnitzer Gymnasien weitergehen muß.<br />
25
Gedichte<br />
Geschrieben von: rddts<br />
Montag, den 20. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Ein Ressort der Printausgabe der "<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>" lautet "Getextet". Schüler schreiben Gedichte<br />
und kleine Prosastücke für dieses Ressort. Das Gegenstück "Gesichtet" des Online-Magazins befaßt<br />
sich hingegen mehr mit Medienkritik und Schnappschüssen des Lebens. Trotzdem sollen auch hier<br />
Gedichte einen würdigen Platz finden.<br />
Die Redaktion<br />
Das erste Gedicht der Onlineausgabe kommt deshalb jetzt:<br />
Sag mir Kleine, wie geht es dir,<br />
ich warte seit Jahren hier.<br />
Mein Feder ist verbogen,<br />
ich selbst belogen.<br />
Doch ich dürste nach deinem Lachen,<br />
was könnten wir zusammen machen?<br />
Meilenweit entfernt<br />
haben wir uns kennengelernt,<br />
nur eine Woche Zeit<br />
für Gefühlsamkeit.<br />
Und dann warst du mir noch ferner,<br />
mein Leben ist umso ärmer,<br />
weil du mich ignorierst,<br />
mich abservierst.<br />
Und du erzählst von neuer Liebe!<br />
Du schüttest Sand in das Getriebe,<br />
meine Seele brennt vor Verlangen,<br />
Himmelschöre sangen,<br />
doch danach verstummten sie.<br />
Ich falle auf die Knie,<br />
betend zu einer höh'ren Macht,<br />
dass meine Seele wieder lacht.<br />
Doch so verrotte ich im Zimmer,<br />
ja Folter ist noch schlimmer,<br />
26
du bist die reinste Qual!<br />
Doch ich liebe dich nunmal.<br />
Und so warte ich und weine,<br />
auf dass mein Engelein erscheine.<br />
27
Dummheit<br />
Geschrieben von: Benjamin Meuche<br />
Mittwoch, den 22. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das nächste Gedicht: Dummheit<br />
Sieh nur, wie diese Menschen leben!<br />
Sie nehmen sich alles, statt alles zu geben.<br />
Die Wahrheit, die wir gefunden haben,<br />
verstehen sie nicht, diese dummen Sklaven!<br />
Meine Generation ist monoton,<br />
überall Kopien ohne Inspiration.<br />
Ein Blick in die Masse verrät es mir,<br />
Dummheit, oh Dummheit ich lebe mit dir.<br />
Sieh in dieser dummen Menschenmasse,<br />
so viele Menschen der besten Klasse;<br />
Medien manipuliert und Nachrichten schockiert,<br />
deren Weltbild selten variiert!<br />
Meine Generation ist monoton,<br />
überall Kopien ohne Inspiration.<br />
Ein Blick in die Masse verrät es mir,<br />
Dummheit, oh Dummheit ich lebe mit dir.<br />
Sieh nur, wie sie über uns lachen,<br />
gerade sie, diese dummen Narren!<br />
Unsere Köpfe voller kranker Gedanken;<br />
über das Leben, welches wir ihnen verdanken!<br />
Meine Generation ist monoton,<br />
überall Kopien ohne Inspiration.<br />
Ein Blick in die Masse verrät es mir,<br />
Dummheit, oh Dummheit ich lebe mit dir.<br />
28
Einiges Europa<br />
Geschrieben von: Sebastian Schermaul<br />
Dienstag, den 28. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Wir alle wissen, daß Europa unsere Zukunft ist. Sich dagegen zu verwehren, wäre ein Kampf David<br />
gegen Goliath. In den letzten Wochen und Monaten wurde stark über diese Thematik diskutiert.<br />
Nicht nur auf Bundes- und Landesebene, sondern auch in Schulen oder politischen Organisationen, in<br />
Zeitungen und Rundfunksendern fand man Beiträge, Meinungen, Debatten und Feuilletons zu<br />
diesem umfangreichen Thema.<br />
Nun möchte ich hier nicht die gesamte Debatte um die europäische Verfassung wieder aufwärmen,<br />
sondern mir als ganz spezielles Beispiel den angedachten „europäischen Haftbefehl“ heraussuchen.<br />
Zunächst möchte ich Artikel 16 Absatz 2 unseres Grundgesetzes zitieren: „Kein Deutscher darf an das<br />
Ausland ausgeliefert werden.“ Dieser Satz regelt eigentlich bereits die ganze Sache bezüglich des<br />
europäischen Haftbefehls, wenn da nicht noch ein Satz 2 wäre, welcher besagt: „Durch Gesetz kann<br />
eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder<br />
an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt<br />
sind.“ Man sieht nun wieder, daß wir also doch vor der Auslieferung in ein anderes Land nicht<br />
geschützt sind.<br />
Das Hauptproblem liegt dabei aber bereits an dem Punkt, daß jedes europäische Land<br />
verständlicherweise andere Rechtvorschriften und Verordnungen besitzt. Aufgrund der seit<br />
Jahrhunderten gewachsenen Sitten und Gebräuche entstanden die Rechtsordnungen, Werte und<br />
Normen einer Gesellschaft und eines Landes. Diese sind uns meist unverständlich und kommen uns<br />
vollkommen absurd vor, da wir uns nicht die gewachsenen Traditionen der speziellen Völker<br />
hineindenken können. Gerade in der Türkei, als zukünftigem EU-Mitgliedsstaat, sind die<br />
Rechtsnormen und Gebräuche, vor allem im Umgang mit Frauen, weit entfernt von den unsrigen. Die<br />
Türkei ist natürlich auch ein beliebtes Urlaubsland und es ist schwer sich in einer Gesellschaft<br />
zurechtzufinden die sich schon nicht mehr mit den Werten der christlich-abendländischen Kultur<br />
identifiziert, sondern das genaue Gegenteil dazu bildet.<br />
Zur Untermauerung möchte ich noch ein Beispiel anführen, was fast jeden von uns betrifft. In den<br />
letzten Jahren wurde oft von Fällen aus der Türkei berichtet, wo Touristen Steine und Muscheln vom<br />
Strand mitnahmen. Am Zoll wurden diese Dinge dann konfisziert und die Touristen in Gewahrsam<br />
genommen. Meist wurden Urteile erst nach der Rückkehr der Touristen in ihr Heimatland gefällt.<br />
Nach Einführung des europäischen Haftbefehls und der Aufnahme der Türkei in die Europäische<br />
Union kann jeder „Steindieb“ in die Türkei ausgeliefert werden und für eine, bei uns nicht<br />
strafwürdige Tat, einige Wochen und Monate, wenn nicht sogar Jahre, im türkischen Gefängnis<br />
sitzen. Für uns ist diese Thematik unverständlich, da es niemanden interessiert, wie viele Steine ich<br />
vom Strand mit nach Hause nehme. Anders sieht es beim Diebstahl von Kulturgütern aus, den diese<br />
Art des Verbrechens ist auch bei uns strafwürdig und wird verfolgt.<br />
Ich konstatiere, daß man sich in Recht und Verordnungen aller Mitgliedsstaaten der EU gut<br />
auskennen muß, wenn man diese Länder besucht, um nicht schon mit einem Bein im Gefängnis zu<br />
stehen.<br />
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Die Neospießer<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Mittwoch, den 29. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Als ich neulich im weltweiten Netz unterwegs war, da stellte sich für mich die Frage nach dem, was<br />
Spießertum heute eigentlich sei, nicht wirklich. Doch rechnete ich nicht mit den „Kreativen“ der<br />
linken TAGESZEITUNG (TAZ). Auf deren Internetpräsenz ist also im Rahmen einer Werbekampagne zu<br />
erfahren, wie sich nach Ansicht dieser Zeitung der süffisant gemeinte Begriff eines „Neospießertums“<br />
definiert: „Genfood und Stammtischparolen kommen Ihnen nicht über die Lippen. Atomenergie ist<br />
schlecht, Globalisierung unfair, Umweltschutz und Multikulti nicht verhandelbar. Schwule sollen<br />
Ihretwegen heiraten, wenn Sie es denn unbedingt wollen. Amerikanische Präsidenten und arabische<br />
Diktatoren sind wie Skylla und Charybdis. Für Ihr Klopapier wird verdammt noch mal kein lebender<br />
Baum gefällt. Und Brasilien spielt den schönsten Fußball.“ Man kokettiert mit einem Wort, das man<br />
dereinst als Kampfbegriff gegen die „Bürgerlichen“ verwendet hat, denen man – mal offen, mal subtil<br />
– eine Affinität zum „Faschismus“ unterstellte. Hier wären dann aber in der Tat Parallelen zu sehen,<br />
denn den linken Neospießern kann durchaus eine gewisse „Unbekümmertheit“ im Umgang mit<br />
totalitären sozialistisch-kommunistischen Gewaltsystemen und deren Verbrechen nachgesagt<br />
werden, wenn beispielsweise ein gewisser Joschka Fischer den Jahrhundert-Massenmörder Stalin<br />
schwärmerisch bezeichnet als „[...] ja eigentlich so ein Typ wie wir, der hat es dann geschafft, einer<br />
der wenigen, die es geschafft haben [...]".<br />
Auch spricht die TAZ aus, womit die Linke an sich immer ein Problem hatte und hat, ja sich in diesem<br />
Punkt zu einer besonders hartnäckigen Realitätsverweigerung hinreißen ließ: „Vergessen Sie Ihre<br />
Vorbehalte gegen alte Kampfbegriffe und stellen Sie sich der Tatsache, dass Sie inzwischen selber das<br />
Establishment sind.“<br />
Bei dem einen oder anderen linken Ministerialbeamten, Hochschullehrer, Theaterintendanten oder<br />
Journalisten scheint die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, als man noch „heldenhaft“ das<br />
„bürgerlich-faschistische Establishment“ mittels Molotov-Cocktail- und Pflastersteinwürfen<br />
bekämpfte oder sich hierzu wenigstens einen „Joint“ reinzog, mindestens so groß zu sein, wie deren<br />
Gier nach Luxus, Macht und dem mehr oder minder öffentlichen Ausleben individueller Perversionen<br />
verschiedenster Art. Das ist etablierter Habitus in der linken Republik von heute, schizophren und<br />
heuchlerisch.<br />
Die in den Mantel des Unernst gekleidete Werbekampagne der TAZ kann ihren wahren Kern nicht<br />
gänzlich verhüllen: Die Linke befindet sich in einer Identitätskrise. Ihre Konzepte und Ideologien sind<br />
gescheitert und werden nach und nach selbst von Vertretern aus den eigenen Reihen zumindest<br />
rhetorisch relativiert oder gar verworfen. Bleibt zu hoffen, dass die Deutschen die Hilf- und<br />
Konzeptlosigkeit dieses politischen Spektrums schnell durchschauen und entsprechende<br />
Konsequenzen ziehen.<br />
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„Das Leben der Anderen“ – Eine Abrechnung mit dem MfS<br />
Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />
Donnerstag, den 30. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
So schlimm war die DDR ja gar nicht. Da hatte jeder seine Arbeit und eigentlich waren auch alle<br />
Massenorganisationen in Ordnung, so saß wenigstens niemand auf der Straße und selber denken<br />
mußte man auch nicht. Auch der Onkel Erich war ein Netter, daß er etwas seltsam lächerlich<br />
gesprochen hat, sollte seinen Wert als Mensch doch nicht schmälern. Übrigens waren fast alle Bürger<br />
Kleingarteneigentümer, nur an einem fehlte es: Zukunftsangst.<br />
Auf diese Weise entsteht ein positives Bild vom real existierenden Sozialismus, welches in der<br />
jüngsten Vergangenheit durch die Medienmacher verstärkt wurde. Die „DDR-Show“ exportierte den<br />
Spaßsozialismus auch in den reaktionären Westen. Wie lustig war diese kleine Republik doch! „Der<br />
kleine Trompeter“ und anderes Liedgut wurde aus der Mottenkiste geholt. Ebenso sprach man über<br />
den alltäglichen Mangel, der aber auch ganz gut war, weil er das Improvisationstalent förderte. So<br />
konnte man sich auch mit Cola die Haare stylen und irgendwie ließen sich die Ersatzteile für das High-<br />
Tech-Fahrzeug namens Trabant beschaffen. Der „Westen“ konnte lachen, während der „Osten“ in<br />
Erinnerung schwelgte, als wäre die Mauer noch einmal aufgerichtet worden.<br />
Ja, die Mauer - eine 3,40 Meter hohe Betonwand, die nicht nur eine jahrhundertealte Stadt<br />
verschandelte, sondern auch Familien brutal trennte. Das war nicht gut, sagt man. Aber damit ist die<br />
Kritik auch am Ende und die DDR hat eine fast romantisch-soziale Wirkung auf die „Ostalgiker“<br />
projiziert .<br />
Und so werden einige elementare Dinge völlig vergessen. Wo spricht man über die NKWD-<br />
Speziallager, in denen zwischen 1945 und 1949 bis zu 100.000 Menschen umkamen? Es waren<br />
menschenverachtende Baracken, die von den späteren Führern der DDR gebilligt wurden. Wer<br />
erwähnt die Arbeitslager, die noch in den 60ern existierten, als der Mensch schon auf dem Weg zum<br />
Mond war? Bis zu 10.000 Häftlinge waren dort eingesperrt. Das wird gerne verschwiegen, alles läßt<br />
sich aber nicht verheimlichen. Das MfS mit seinen 90.000 hauptamtlichen- und 175.000 inoffiziellen<br />
Mitarbeiten wird alles Gute verzerren, spätestens durch das „Leben der Anderen“ sind die Untaten<br />
dieser Behörde wieder Gegenstand der öffentlichen Wahrnehmung. Also sollten wir uns mit dem<br />
Inhalt dieses Filmes beschäftigen, denn wir haben diese Zeit nicht miterlebt.<br />
Im Mittelpunkt stehen der Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler und der Dramatiker Georg Dreymann.<br />
Ersterer klärt zu Beginn an der Hochschule einige Nachwuchstalente über die Verhörmethoden des<br />
MfS auf. Es geht darum, den Menschen zu brechen, solange bis er sich endlich selbst als „Feind des<br />
Sozialismus“ entlarvt. Das ist Wieslers Welt, der Kampf gegen alle, die ein friedliches Zusammenleben<br />
in der DDR gefährden. Es ist eine ideologische Auseinandersetzung, die er führt. All das ändert sich<br />
mit einem Theaterbesuch eines Dreymann-Stückes, der ihn von einem ehemaligen Hochschulfreund<br />
(Grubitz) spendiert wird. Es beginnt eine Kettenreaktion, nachdem Wiesler Zweifel an der politischen<br />
Integrität des Dramatikers äußert.<br />
Der gewissenslose Karriererist Grubitz begegnet nach der Aufführung dem Minister Hempf, welcher<br />
Dreymann überwachen lassen will. Grubitz trifft sofort den richtigen Ton und schon hat er den<br />
Auftrag, die Sache zu erledigen. Er nimmt Wiesler mit ins Boot und die eigentliche Handlung beginnt.<br />
Die ganze Wohnung des Künstlers wird überwacht und die eingesetzten Spitzel dürfen nun an seinem<br />
Leben teilhaben. Wiesler ist jedoch schnell ernüchtert. Er entdeckt in der Künstlerszene eine ganz<br />
andere, eine wirklich wahrhaftige Lebendigkeit, die sein Leben nicht hat. Bei ihm gibt es keine Liebe,<br />
31
da hilft auch die Prostituierte nicht, die im Auftrag des MfS die Mitarbeiter bei Laune halten soll.<br />
Wiesler ist nur da, um zu funktionieren. Er erfährt weiterhin, daß Dreymann kein Feind der DDR ist,<br />
seine oftmals kritischen Künstlerkollegen sogar beruhigt, wenn es wieder einmal Ärger gibt. Ja, er<br />
muß erst zum Feind gemacht werden und nun kommt der fette Bonze Hempf ins Spiel, der es auf die<br />
Freundin des gefeierten Dramatikers abgesehen hat. Christa-Maria Sieland (CMS) soll mit ihm ins<br />
Bett steigen, um weiterhin auftreten zu können, was in einer Staatskarosse auch geschieht. Hier tritt<br />
Wiesler das erste Mal anders auf, indem er dafür sorgt, dass der Vorfall bemerkt wird, so entdeckt<br />
Dreymann seine Christa-Maria beim Aussteigen und beim Richten der Kleidung. Damit war die Sache<br />
offenkundig.<br />
Als nächster Schicksalsschlag bringt sich noch ein langjähriger Freund von ihm um, der Berufsverbot<br />
erhalten hat und schon war Dreymann ein „Feind der DDR“. Zur selben Zeit entwickeln sich bei<br />
Wiesler immer mehr Skrupel. Ist das wirklich der Staat, für den du kämpfen willst? Ein Staat, der von<br />
korrupten, dicken, unfähigen Menschen geführt wird, die es sich erdreisten, Existenzen und Gefühle<br />
zu vernichten? Eine Vernichtung, die nicht für die Sache ist, sondern bloß für sich selbst, für die<br />
Karriere. Von jetzt an hört Wiesler bewußt weg, wenn er im Dienst ist, außerdem ist er maßgeblich<br />
an der Verhinderung eines zweiten Treffens zwischen Hempf und CMS beteiligt. Die Gruppe um<br />
Dreymann verfaßt einen regimekritischen Artikel, der später im westdeutschen „Spiegel“ erscheint.<br />
Ein Skandal und niemand weiß, wo die undichte Stelle sitzt. Die wird erst entdeckt als CMS in Haft<br />
kommt (weil sie nicht ein zweites Mal mit einem dicken, schmierigen Minister ins Bett gestiegen ist)<br />
und die Sache ausplaudert. Immerhin will sie kein Auftrittsverbot erhalten.<br />
Jetzt kennt auch das Mißtrauen von Grubitz keine Grenzen mehr, der Wiesler schon lange skeptisch<br />
beäugt hatte. Jedoch tat er dies nicht, weil er „etwas spürte“, sondern weil er Ergebnisse brauchte,<br />
um weiter nach oben zu kommen. Wiesler muß ein Schwachpunkt sein, also soll er Christa-Maria<br />
zum IM machen, um alle Tatgegenstände, wie die Schreibmaschine für den bösen Artikel, genau zu<br />
lokalisieren. Hier wird das Pflänzchen der Courage wieder abgebrochen und Wiesler macht wieder<br />
mit, seine Existenz ist ja bedroht. Der Plan von Grubitz geht auf, denn CMS plaudert alles aus und<br />
kehrt wieder in die gemeinsame Wohnung mit Dreymann zurück, wo der „Showdown“ beginnt. Die<br />
Stasi durchsucht nun zum zweiten Mal die Wohnung offiziell, findet aber das entscheidende<br />
Beweisstück nicht. CMS rennt auf die Straße, weil sie ihren Verrat am Gewissen und der Liebe nicht<br />
ertragen konnte und richtet sich selbst. Wiesler steht mit Entsetzen daneben, aber es ist zu spät.<br />
Dreymann ist am Boden zerstört und die Stasi hat keine Beweise. Wieslers Karriere ist beendet und<br />
er verbringt die 5 Jahre bis zur Wende mit der Postkontrolle. Dreymann hat eine Schreibblockade<br />
und erfährt erst bei einer Aufführung zwei Jahre nach der Wiedervereinigung von seiner<br />
Bespitzelung. Er läßt sich seine Akten aushändigen und entdeckt, dass Wiesler die ganze Zeit eine Art<br />
Schutzengel für ihn gewesen ist, die Blockade endet hier. Später entdeckt Wiesler beim Lesen eines<br />
Dreymann-Buches in der Widmung seine alte Stasi-Dienstnummer und der Film ist zu Ende.<br />
Es ist kein glückliches Ende, die Liebe hat verloren und alles Gute wurde zerstört. Der Bonze Hempf<br />
hat die Wende überlebt und läßt es sich immer noch gut gehen. Wiesler trägt Zeitungen aus und die<br />
Gegend ist trist. Einen besseren Schluß hätte der Film auch nicht haben können, denn wer richtig in<br />
das Visier des MfS geraten ist, wurde auch gebrochen und die Haupttäter leben teilweise heute noch<br />
mitten unter uns. Wie viele Tragödien dieser Art wird es gegeben haben? Wie viele Fälle endeten<br />
noch schlimmer, weil es keine Wieslers gab? Die Mehrheit der hauptamtlichen Mitarbeiter hatte<br />
sicher keine Hemmungen bei ihren Taten. Dieser Film war also längst überfällig, weil er Realitäten<br />
zeigt und außer der Figur des Spitzels keine Beschönigung zu finden ist. Angesichts der Ostalgiewelle<br />
war es Zeit für bittere Wahrheiten. Schließlich wurden unzählige Menschenleben psychisch<br />
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vernichtet und das ist eben die andere Seite der DDR, die Seite, die nicht mehr witzig ist, die Seite,<br />
wovor Täter und Opfer immer noch Angst haben. Eine Angst, die überwunden werden muß, weil die<br />
DDR zum Glück auf dem Müllhaufen der Geschichte liegt, als einer der perversesten Staaten der<br />
Weltgeschichte.<br />
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Überstädterung!<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Freitag, den 31. März <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Gelangweilt blätterte ich heute nach einem ermüdenden Saunagang in irgendeinem<br />
Gesundheitsmagazin. Neben diversen Tips, wie man seine Rückenprobleme erfolgreich überwinden<br />
kann, stieß ich auf eine kleine Zahlensammlung: 80 % aller Frauen gehen wegem schlechten Sex<br />
fremd, 10 % aller Deutschen versuchten sich in den letzten zwei Jahren an einer Diät. Nichts neues<br />
also. Über einen Fakt erschrak ich jedoch: 2040 werden 2/3 aller Menschen in Städten leben.<br />
Was vorerst wie ein harmloses Zahlenspiel klingt, weckt in mir bei konkreterem Nachdenken<br />
gruselige Bilder. Angesichts dieser schieren Menschenmassen werden Gebäude von der Schablone<br />
dominant werden. Was entstehen da für „Städte“ ? Sind sie noch Heimat für die Bewohner ? Spielt es<br />
bald keine Rolle mehr, ob ich in Chemnitz oder Neapel lebe, da die Architektur dieselbe ist ? Beim<br />
Weiterblättern wurde mir erklärt, warum die Rückkehr in die „City“ so attraktiv ist. Die Energiepreise<br />
sind zu hoch, auf dem Land gibt es nicht genügend Attraktionen – gemeint sind wohl die „Events“ wie<br />
Disco, Feste, Szenekneipen etc.. Gut, zugegebenermaßen wird es sich langfristig für einen<br />
überregionalen Betreiber wohl kaum lohnen in einen Dorf mit 2000 Einwohnern eine Disco zu<br />
eröffnen. Trotzdem würde es sich lohnen, selber anzupacken. In vielen kleineren Städten<br />
Mitteldeutschlands regiert die Tristheit, interessante Jugendangebote gibt es nicht. Aber gerade hier<br />
bietet sich die Möglichkeit, Jugendkultur jenseits des beliebigen mainstreams aufzubauen. Wieso<br />
mangelt es viel zu oft in der ach so spritzigen, freien und kreativen Jugend an dieser essentiellen<br />
Eigenständigkeit ? Aus eigener Erfahrung – einer pennalen Burschenschaft in Chemnitz - weiß ich,<br />
dass sich langfristig solche Projekte lohnen, trotz aller Enttäuschungen und Neuanfänge.<br />
Doch wäre es fehlgeleiteter Optimismus darin allein eine Lösung des Problems „Verstädterung“ zu<br />
sehen. Die Probleme liegen tiefer: eine globalisierte Arbeitswelt zerstört schrittweise in einem<br />
drastischen Maße Bindungen an einen bestimmten Ort mit seiner Natur, seinen Vertrautheiten,<br />
Verwandten und Freunden. Damit wird der Einzelne anonymer und zugleich abhängiger. Haltepunkte<br />
weichen, die Verlässlichkeit schwindet. Wenn ich an keinen Ort mehr gebunden bin, keine Heimat<br />
mehr habe, wechseln meine Bekannten wie meine Orte. Tiefgründige Freundschaft wird seltener. Die<br />
Beziehung zum Ort wird zerstört, mit ihm auch die konkrete Verantwortung zu seiner Gestaltung.<br />
Wohnen wird zum reinen Konsumieren, was will man vom Mieter auch anderes erwarten wenn<br />
dieser eine Einheitswohnung vorgesetzt bekommt ? Die Geschichte kennt bereits ähnliche Beispiele;<br />
mit der Einführung der Planwirtschaft in der Sowjetunion verschwand auch der Privatbesitz der<br />
Bauern, niemand fühlte sich mehr für die Bauernhöfe, Traktoren und Geräte verantwortlich. „Sie<br />
gehören ja dem Staat!“ war eine gängige Floskel. Im Kambodscha der 70er Jahre unter der Diktatur<br />
Pol Pots wurden die Bewohner der Städte auf das Land vertrieben. In der Folge kamen in bestimmten<br />
Provinzen an einem Tag mehr ehemalige Stadtbewohner an, als die ländliche Provinz Einwohner<br />
besaß. Daran zeigt sich bereits die Abstrusität der damals herrschenden Vorstellung, man könne<br />
einfach per Erlass positiv die Struktur eines ganzen Landes verändern. Wie muß man sich dann die<br />
Struktur der Städte vorstellen, die durch massiven Zuzug zu gigantischen Ballungsgebieten<br />
anwachsen ? Angesichts der enormen Zahlen – 2/3 aller Menschen – bin ich pessimistisch, was die<br />
langfristige Attraktivität der großen Städte betrifft. Mit der wachsenden Verstädterung werden die<br />
verlassenen ländlichen Gebiete für Menschen, die sich einer menschenunwürdigen Vermassung und<br />
Verengung der Lebensfläche in der Großstadt entziehen wollen immer mehr an Reiz gewinnen.<br />
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Neofolk – mehr als nur eine Musikrichtung<br />
Geschrieben von: Martin Schurmann<br />
Samstag, den 01. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
In erster Linie bezeichnet der Begriff „Neofolk“ eine in den 80ern entstandene Musikrichtung. „Folk“<br />
stammt aus dem Englischen („folk“) und bedeutet Folklore, also die Volkskultur. In diesem Fall die<br />
musikalische Volkskultur. Und was „neo“ (griechisch „neos“) bedeutet, sollte ja jedem klar sein. Also<br />
eine neue, aber sich auf Tradition berufende Musikrichtung. Ohne in „Schubladen“ zu denken, aber<br />
man kann bei Neofolk von ruhiger, zum Teil sphärischer und je nach Empfinden auch melancholischer<br />
und schwermütiger Musik reden. Dabei rückt hauptsächlich die Gitarre in den musikalischen<br />
Vordergrund, unterstützt von dezent plazierten elektronischen Klängen. Viele Bands halten sich<br />
jedoch komplett an „natürliche“ Instrumentalisierung, wie Flöten, Geigen, Cello und eben die<br />
Akustikgitarre.<br />
Lyrisch geht es bei solchen Musikstücken – wie man sich denken kann – nicht gerade um Spasspartys<br />
oder der Lust an der Niveaulosigkeit, sondern vielmehr um die Ästhetik, die Romantik des Lebens. In<br />
einem Neofolk-Song kann es durchaus vorkommen, dass eine Viertelstunde über den Anblick eines<br />
Lagerfeuers berichtet wird. Doch das wird keinesfalls langweilig. Ganz im Gegenteil, beim Genießen<br />
eines solchen Liedes erinnert man sich schnell wieder daran, wie fantastisch die kleinen und im<br />
heutigen Leben unbedeutsamen Dinge sein können.<br />
Wie eben ein Lagerfeuer.<br />
In der Vielzahl der Neofolk-Bands geht es natürlich auch um andere Themen, wie beispielsweise das<br />
Heidentum, Satanismus, das Mittelalter oder die (kritische) Auseinandersetzung mit dem<br />
Christentum.<br />
Neofolk ist also romantische, naturverbundene Musik. Diese Musik wird zum Großteil auch von<br />
romantischen, naturverbundenen Menschen gehört. Aus diesem Grund kann man neben einer<br />
Musikrichtung „Neofolk“ auch von einer ganzen Subkultur „Neofolk“ sprechen. Wobei der Übergang<br />
zur Gothic-Szene sehr fließend ist. Eine strikte Einteilung und Definition dieser Subkultur halte ich<br />
daher für nicht möglich. Der Anteil der „Schwarzen“ in einem Neofolk-Konzert ist jedenfalls sehr<br />
hoch. Auch findet man sehr viele Bands auf dem Wave-Gotik-Treffen (jährlich in Leipzig). Doch im<br />
Gegensatz dazu gibt es auch viele, welche nichts mit der schwarzen Szene zu tun haben, jedoch<br />
Neofolk von morgens bis abends hören.<br />
Neofolk und Politik. Grundsätzlich ist die Mehrheit der Neofolkbands unpolitisch, wie beispielsweise<br />
In My Rosary oder Of The Wand And The Moon.<br />
Jedoch hat Neofolk oft den schlechten Ruf, eine rechtsradikale Musik zu sein. Ich möchte an dieser<br />
Stelle meinen bisher höflichen Stil kurz ablegen und sagen: „Das ist dummes Gequatsche von<br />
dummen Meschen, die vorgelegte Meinungen nachquasseln und von Selberüberlegen noch nie<br />
etwas gehört haben!“ (verzeiht mir die Verallgemeinerung).<br />
Natürlich gibt es rechtsradikale Neofolkbands. Es gibt aber auch rechtsradikale Punkbands oder<br />
rassistische HipHopper. Ist deswegen die ganze Szene versaut? Nein, ist sie nicht.<br />
Hierbei sei das Elfenfolk-Festival (22.01.2005) der Bands Nebelhexe, Faun und Sol Invictus erwähnt,<br />
welches unter dem Motto „Elfen gegen Rechts“ stattfand.<br />
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Ich kann also nur jedem empfehlen, einmal in diese vielseitige und interessante Musikrichtung<br />
reinzuhören. Vielleicht findet der eine oder andere dadurch seinen bisher unentdeckten Geschmack<br />
für die ruhigen Seiten des Lebens.<br />
Genießt es!<br />
PS:<br />
Damit das Suchen leichter fällt, hier noch einige Band-Vorschläge (neben den bereits erwähnten):<br />
Current ´93; Death in June; Orplid; Forseti; Hagalaz´ Runedance (der alte Name von Nebelhexe) und<br />
Dies Natalis.<br />
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Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>. Von falschen Freunden und richtigen<br />
Feinden - Ein Resümee.<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Sonntag, den 02. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Als ich im Mai 2004 mit Felix Menzel zusammensaß und wir uns vorgenommen hatten, nun endlich<br />
eine Schülerzeitung – genauer eine andere Schülerzeitung – ins Leben zu rufen, ahnte wohl keiner<br />
von uns beiden, welch furioses Projekt wir da zu erschaffen begannen. Keiner konnte ahnen, wie sich<br />
die ganze Sache entwickeln würde – keiner von uns beiden hätte wohl geglaubt, welcher Kampf uns<br />
bevor stand ... Nach vielen Überlegungen über Format, Name, Ausrichtung, Umsetzung, Finanzierung<br />
und ähnlichem startete am 1. September 2004 unter Felix’ Leitung der erste Verkauf unserer neuen<br />
Schülerzeitung: „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“. Der Name war schon lange im Kopf gereift und fügte sich<br />
einprägsam ins Gesamtkonzept ein. Als Schlagworte standen fest: Jugend – Freiheit – Gegenkultur.<br />
Ein klares Profil eben, dem wir uns bis heute strikt treu geblieben sind.<br />
Der erste Verkauf überraschte positiv und negativ zugleich. Am André-Gymnasium, am Goethe-<br />
Gymnasium und am Wirtschaftsgymnasium lief der Verkauf bestens und überstieg bei weitem unsere<br />
Erwartungen. Das Prinzip der fundierten Gegenöffentlichkeit schien sich bewehrt zu haben – doch, es<br />
gab auch andere Stimmen. Insbesondere am Humboldt-Gymnasium, welches ich selbst bis zum Juli<br />
2004 besuchte, regte sich seit der ersten Stunde Widerstand. Besondere Lorbeeren verdiente sich<br />
dabei die damalige Direktorin Frau Buder (heute stellvertretende Direktorin am André-Gymnasium),<br />
die unsere Zeitung bereits verboten hatte, ohne sie genau gelesen zu haben. Was war passiert? Als<br />
brave Schüler fragten wir natürlich bei jedem Direktor an, ob wir die Zeitung an der jeweiligen Schule<br />
verkaufen könnten – nicht anders bei Frau Buder. Doch diese lehnte ab – sinngemäß lautete die<br />
Begründung, dass zwar die Zeitung selbst nichts Verwerfliches an sich habe, aber die Tatsache, dass<br />
einige Redaktionsmitglieder in der „rechten Ecke“ stünden, mache die Zeitung verdächtig und<br />
verbietenswert. So könnte, laut Frau Buder, zwischen den Zeilen lesbar sein, was dem ungeübten<br />
Auge verschlossen bleibt. Und was meint sie mit der „rechten Ecke“? Sie zielte damit direkt auf<br />
unsere Mitgliedschaft in der pennalen Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz. Ja, einige von<br />
uns sind in dieser Burschenschaft und haben nie einen Hehl daraus gemacht. Wieso auch? Wir hatten<br />
und haben zu keiner Zeit etwas zu verbergen gehabt, nur hängt man seinem vermeindlichen „Feind“<br />
gern Dinge an, die aus Unwissenheit, Halbwahrheiten und Lügen geboren sind. Zu keiner Zeit gab es<br />
einen Überhang an schreibenden Burschenschaftern gegenüber den anderen Autoren.<br />
Doch allein diese Tatsache genügte Frau Buder, um den im Grundgesetz festgeschriebenen<br />
Grundsatz „Eine Zensur findet nicht statt“ ganz einfach außer Kraft zu setzen. Scheinbar war sie<br />
knapp 14 Jahre nach der Wende doch wieder in eine altbekannte Routine verfallen. Aber nicht<br />
genug, auch der Direktor des Agricola-Gymnasiums, Herr Hänel, ließ uns nicht an seiner Schule<br />
verkaufen. Später erfuhren wir, dass es wohl eine Absprache, im Buschfunk zwischen Humboldt- und<br />
Agricolagymnasium gegeben haben mußte, eben ganz nach vertrauter DDR-Manier.<br />
Das zweite Heft erschien im Januar 2005 und verkaufte sich ähnlich gut. Die große positive Resonanz<br />
auf unser Startheft erlaubte uns, in kurzer Zeit eine zweite Ausgabe zu veröffentlichen. Viele neue<br />
Autoren konnten gewonnen werden, von denen uns viele bis heute treu geblieben sind.<br />
Neu hinzu kam auch der Verkauf am Keplergymnasium, bei dem auch sehr viele Zeitungen an den<br />
Mann und die Frau gebracht werden konnten, wenngleich sich auch da schon ein wachsender Protest<br />
abzeichnete, der aber zum damaligen Zeitpunkt noch als kindisch abgetan werden konnte. An beiden<br />
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ekannten Schulen blieb die Zeitung verboten. Weiterhin verkauften wir erfolgreich am Gymnasium<br />
in Frankenberg.<br />
Im November 2004 erschien das erste Themenheft. Lyrik - war der thematische Schwerpunkt –<br />
„Tunnelwindung“ der Name. Dieses Heft wurde vor allem an die zahlreichen Abonnenten verschickt<br />
und von den Verantwortlichen auf Anfrage verkauft.<br />
Heft Nummer drei erschien im Juni 2005. Erstmals bemerkten wir, wie sehr sich die Öffentlichkeit der<br />
Chemnitzer Gymnasien polarisierte. Erstmals sahen wir uns mit einer Art Blockbildung konfrontiert,<br />
die sich klar in Gegner und Befürworter ordnen ließ und bis heute besteht, nur war das<br />
Mengenverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch ein sehr Ausgeglichenes. Die Gegner: Humboldt-,<br />
Agricola- und mittlerweile auch das Goethe-Gymnasium. Die Befürworter: André-, Wirtschafts- und<br />
von Anfang an das Leibnizgymnasium. Letzteren sei an dieser Stelle ein ausdrücklicher Dank<br />
ausgesprochen. Namentlich setzten und setzen sich Herr Gersdorf (Andrégymnasium), Frau Wießner<br />
(Wirtschaftsgymnasium) und Herr Langhoff (Leibniz- bzw. jetzt Karl-Schmidt-Rottluff-Gymnasium) für<br />
die Pressefreiheit und somit Meinungsfreiheit an Chemnitzer Schulen ein.<br />
Besonders vor diesem Hintergrund ist es fraglich, wie unsere Zeitung überhaupt Gegner haben kann,<br />
da die Kriterien zum Verbieten einer Schülerzeitung : politischer Extremismus – Sittenwidrigkeiten –<br />
persönliche Beleidigungen, zu keiner Zeit von uns erfüllt wurden, sondern sich immer nur nach den<br />
Gesetzen des meinungsmachenden Klüngels, unhaltbare Anschuldigungen herausbildeten, die sich<br />
bis heute hartnäckig halten. Dabei ist besonders interessant und erwähnenswert, dass es laut einer<br />
sächsischen Verordnung für Schülerzeitungen bis kurz nach dem ersten Verkauf unserer Zeitung nicht<br />
einmal Pflicht war, die Schulleitung um Zulassung zu bitten. Die Verordnung wurde kurz darauf<br />
ersatzlos gestrichen. Es bleibt an dieser Stelle ausdrücklich offen gelassen, ob es eine eventuelle<br />
Verflechtung zwischen dem Schulleitergeklüngel und der Verordnungsstreichung in Dresden geben<br />
kann. Die Phantasie der Leser ist hier gefragt!<br />
Trotz allem lief der Verkauf uneingeschränkt gut. Besonders erwähnenswert ist auch der sehr<br />
erfolgreiche Verkauf am Gymnasium Einsiedel – eigentümlicher Weise ist uns der Verkauf dort heute<br />
auch verboten, da die alte Schulleitung durch eine neue ersetzt wurde, die uns ähnlich den anderen<br />
Negativbeispielen nicht im Ansatz gewogen ist.<br />
Das recht erfolgreiche Jahr 2005 wurde mit dem Verkauf der Ausgabe Nummer vier im Oktober<br />
fortgesetzt. Da Felix nach seinem bestandenen Abi zum Studium nach Halle aufbrach, übernahm ich<br />
ab diesem Heft die Geschäfte des Hauptverantwortlichen.<br />
In der Zeit von Juni bis Oktober hatten einige Chemnitzer Schulen Zeit gehabt, ihre Front gegen uns<br />
noch zu verhärten. Zwar fragten wir bei den Schulleitungen an, doch der Verkauf an Agricola-,<br />
Goethe- und Einseidelgymnasium blieb chancenlos. Das bekannte Humboldt-Gymnasium hatte<br />
mittlerweile mit dem Keplergymnasium fusioniert und wurde nun nicht mehr von Frau Buder,<br />
sondern Herrn Lamm geleitet, der uns freundlicherweise den Verkauf gestattete und uns zu einem<br />
erfolgreichen Ergebnis verhalf, da wir an diesem Tag zusammen mit Schülern dieser Schule, eine<br />
enorme Menge unserer Zeitungen los bekamen.<br />
Obligatorisch blieb der Verkauf am André- und Wirtschaftsgymnasium bestehen, wenngleich sich<br />
auch feststellen ließ, dass sich die öffentliche Meinung durch die gezielte Hetze einiger Personen und<br />
Organisationen schrittweise summierend von uns abwandte. Besonders hervorzuheben sind hier<br />
zwei Einflüsse: das Projekt „P“ und eine gewisse Person namens Tom Lehmann. Was wollen diese<br />
Menschen, oder anders, was denken sie, gegen uns zu haben?<br />
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Zunächst einmal ist besagtes Projekt „P“ eine Aktion des Projektes „Schule ohne Rassismus – Schule<br />
mit Courage“, dass deutschlandweit agiert - besser agitiert. Das „P“ steht dabei für „Partizipation“ (zu<br />
deutsch: Teilnahme). Sinn des Projektes „Schule ohne Rassismus“ ist es, möglichst viele Schulen, zu<br />
Schulen ohne Rassismus umzugestalten. Das wäre ja an sich betrachtet eine gute und lobenswerte<br />
Sache und ist im Grunde zu begrüßen, doch klingt mir die Umsetzung mehr nach Zauberei, denn nach<br />
wirklich soziologisch fundierten Handlungsweisen, denn betrachtet man sich die Verwirklichung diese<br />
Ziels genauer, weiß man nicht, ob Lachen oder Weinen angebracht ist. Es ist so, dass einmal<br />
sogenannte „Workshops“ (zu deutsch: Weiterbildungen) veranstaltet werden, in denen die Schüler<br />
über die Gefahren des Rechtsextremismus in ihrer Umgebung (auch über die pB! Theodor Körner)<br />
und die Gefahren von Rassismus aufgeklärt werden. Der zweite Teil besteht dann darin, dass<br />
mindestens 75 % der Schüler einer Schule, für diese Idee unterschreiben müssen und dann –<br />
simsalabim – ist die Schule frei von Rassismus, voll von Courage und Mitgefühl für Andersaussehende<br />
oder Andersdenkende. Wenn das mal nicht der Stein der Weisen ist! Vielleicht sollten die deutschen<br />
Politiker auch mal ein Projekt „Deutschland ohne Arbeitslose“ starten – 75 % unterschreiben – und<br />
schon gibt’s keine Arbeitslosen mehr. Ich bin begeistert!<br />
Das Projekt „P“ an sich geht aber noch eine Stufe weiter: Ziel ist es, eine Stadt ohne Rassismus zu<br />
gestalten. Einzig Chemnitz und Bremen haben sich für diesen nicht umzusetzenden Schwachsinn<br />
entschieden. Gelder hierfür fließen aus Quellen des Bundestages und verschiedenen anderen<br />
Organisationen und Stiftungen. Dieses Projekt heißt deshalb „Partizipation“, da man an den<br />
Regierungsgeschäften der beiden Städte beteiligt sein möchte – man möchte, dass eine Vertretung<br />
dieser Organisation, in den Stadtrat kommt und sich dauerhaft gegen Diskriminierung und Rassismus<br />
einsetzen kann. Grundlage hierfür soll eine sogenannte „Antidiskriminierungsagenda“ sein, an der<br />
momentan eifrig gearbeitet wird. Aus verläßlichen Quellen ist mir dabei zu Ohren gekommen, dass<br />
auch über einen Artikel zum Verbot der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ nachgedacht werden sollte. Ob sich das<br />
bewahrheitet, wird die Zukunft zeigen.<br />
Aber was bedeutet das jetzt konkret? Die Vertretung im Stadtrat soll nicht gewählt werden, wie alle<br />
anderen Mitglieder, sondern als quasi unanfechtbares Kontrollorgan, ohne Wahl installiert werden –<br />
ist das nicht eigenartig? Ist das nicht gefährlich? Da kommt irgendein Projekt daher und beansprucht,<br />
sich in eine demokratische Instanz, die der Stadtrat ja ohne Frage ist, einzuschalten und dort<br />
mitzubestimmen? Noch mulmiger wird mir zu Mute, wenn ich sehe, wer da die Fäden zieht: nicht<br />
etwa Leute die frei von parteipolitischem Bekenntnis, märtyrerhaft gegen Diskriminierung und<br />
Ausgrenzung kämpfen, sondern es sind Leute aus dem Dunst- und Mitgliederkreis der Grünen, der<br />
PDS und der so genannten „Antifaschistischen Aktion“ – kurz gesagt Personen, die nicht selten aus<br />
einer Zeitepoche kommen, in der man anstatt Freiheit SED wählte ... Ein besonders ungutes Gefühl<br />
habe ich im Umgang mit einem gewissen Herrn Tom Lehmann – seines Zeichens Chef des Chemnitzer<br />
„Stadtstreichers“ und des meinungsmachenden Jugendmagazins „371“. Weiterhin Mitglied der<br />
„Grünen“ und mitverantwortlicher der Internetplattform „Triff deinen Chemnitzer“ und eben auch<br />
des Projekts „P“. Ihn lernte ich auf einer Veranstaltung der pB! Theodor Körner kennen, zu der er sich<br />
ohne Anmeldung, ganz unverbindlich mal hinzugesellt hatte, um sich wie er sagte, die ganze Sache<br />
mal anzusehen. Einige Zeit später traf ich in auf einer Veranstaltung der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ im<br />
DAStietz-Kulturkaufhaus. Wir hatten dort eine Vortragsreihe organisiert, zu der er als Gast anwesend<br />
war. Nach der Veranstaltung ging ich auf ihn zu und wollte ihn zur Rede stellen, da er mich kurze Zeit<br />
zuvor, auf einer Veranstaltung des Projekts „P“ als quasi stadtbekannten Neonazi abgestempelt<br />
hatte. Er machte mir daraufhin ohne Zweifel deutlich, dass er, wie er sagte, „was gegen die<br />
Burschenschaft und die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> habe“ und deshalb alles versuchen will, um unseren Einfluss<br />
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zu minimieren. Um schon einige Erfolge nennen zu können, benannte er mir einige Dinge aus<br />
meinem Privatleben, nannte mir Äußerungen aus dem Unterricht und Dinge, die ich so in meiner<br />
Freizeit veranstalte. Er machte mir gegenüber deutlich, dass er in engem Kontakt zum<br />
Verfassungsschutz steht und die Krönung: dass er Leute auf mich angesetzt hat, deren Aufgabe es ist,<br />
mich zu observieren, um alles über mich herauszubekommen. Schöne freie Welt!<br />
Es ist also erkennbar, dass wir es in Chemnitz grob überblickt sehr schwer haben. Wer anderer<br />
Meinung ist, wird in seinen Rechten beschnitten, wird zum Mensch zweiter Klasse.<br />
Wie ich viel später erfuhr, setzte er sich auch dafür ein, dass unsere Veranstaltungsreihe im DAStietz<br />
verboten wurde, ebenso ist bekannt, dass einige seiner Partei- und Gesinnungsgenossen im Stadtrat<br />
eine Studie in Auftrag gaben, die unser Blatt auf rechtsextreme Einflüsse zu prüfen hat. In diesem<br />
Zuge ist mir erst vor wenigen Tagen berichtet worden, dass einige Schüler von Chemnitzer Schulen<br />
im Internetforum „Triff deinen Chemnitzer“ davon berichteten, dass Mitarbeiter des<br />
„Verfassungsschutzes“ in mehreren Schulen versucht hätten, durch gezieltes Ansprechen einiger<br />
Schüler, Informationen über uns zu sammeln. Solche Methoden sind der Anfang vom Ende einer<br />
Demokratie!<br />
Im November 2005 erschien schließlich dann das zweite Themenheft. Es nannte sich<br />
„Jugendgeleitheft“ und befaßte sich mit aktuellen Problemen unserer Zeit, dabei vor allem der<br />
Jugend sowie der alternativen Jugendarbeit. Auch dieses Heft ging vornehmlich den zahlreichen<br />
Abonnenten und Interessenten zu, die auf Anfrage darum baten, da es sich um eine Zusatzausgabe<br />
handelte, die in wesentlich geringerer Auflage als Ergänzung dient.<br />
Zu Beginn diesen Jahres erschien schließlich die Nummer fünf. Aufgrund der großen Nachfrage war<br />
es uns möglich gewesen, die Auflage von bislang 300, auf 400 Stück zu erhöhen. Der Verkauf lief an<br />
den Schulen, die es uns noch gestatten haben, natürlich gut. Wie bekannt sein dürfte (und auch in<br />
anderen Artikeln des Online-Magazins) zu lesen ist, folgte dann die ruhmreiche Aktion des Projekts<br />
„P“, der gezielt unser Mitarbeiter Marcus Lehmann geopfert wurde. Auf seinen Schultern wurde<br />
ausgetragen, was man uns nicht ins Gesicht sagen konnte, in einer späteren Unterredung mit den<br />
Leuten vom Projekt „P“ und der Schulleitung, wurde er genötigt, bei uns auszusteigen.<br />
Verständlicherweise zog er sich danach von der Arbeit an der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ zurück.<br />
Da man uns keine Möglichkeiten bot, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, folgte die ebenso auf<br />
dieser Netzseite nachzuvollziehende Flugblattaktion. Eine Lehrerin am Kepler-Gymnasium, Frau<br />
Allert-Löwe, sagte dazu im Unterricht sinngemäß: „Es ist mir wirklich unbegreiflich, dass dieses<br />
Nazipack noch frei draußen rumlaufen kann!“<br />
Im Juni diesen Jahres wird die Ausgabe Nummer 6 erscheinen. Bei aller Hetze und allen Versuchen,<br />
uns das Wasser abzugraben, wächst unser Wille zum Weitermachen. Die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“ ist eine<br />
Blume, die dort am besten wächst, wo sie am meisten bekämpft wird, sie gedeiht dort am besten, wo<br />
demokratische Grundrechte einer Meinungsdiktatur geopfert werden, sie ist ein notwendiges<br />
Gegenzeichen unserer verlogenen Zeit. Sie ist ein Prinzip unseres Wesens.<br />
Libertá!<br />
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Edwin Erich Dwinger: „ ...Und Gott schweigt ?“<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Montag, den 03. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Bis heute ist die Entwicklung Deutschlands und Europas in den 20er und 30er Jahren im öffentlichen<br />
Gespräch geblieben. Tatsächlich war diese Zeit prägend für die weitere politische und soziale<br />
Entwicklung. Um so interessanter ist es, Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen.<br />
Edwin Erich Dwinger ist ein solcher. 1915 meldet er sich freiwillig zum Dienst in der deutschen<br />
Armee, wenige Tage später gerät er jedoch bereits an der Ostfront in russische Kriegsgefangenschaft.<br />
Es folgen Lagerinternierungen und Ernteeinsätze. Dwinger wird auch in den Strudel hinabgerissen,<br />
der Rußland lange Zeit prägen sollte: den russischen Bürgerkrieg (1918-1924). Um zu überleben,<br />
kämpft er auf weißer Seite gegen die rote Armee und wird damit unmittelbar Zeuge der Bestialitäten,<br />
die beide Seiten am Gegner und der Zivilbevölkerung verüben. Erst 1921 kann er in seine deutsche<br />
Heimat zurückkehren. In den folgenden Jahren entwickelt sich Dwinger zum Kommunisten,<br />
beeindruckt von der Aufbauleistung und dem Sendungsbewußtsein der jungen Sowjetunion. Bedingt<br />
durch die Machtübernahme Hitlers emigriert er 1933 in die Sowjetunion. Die Machthaber führen ihm<br />
ein glänzendes Reich vor, in dem Fortschritt und Menschlichkeit regieren. Dwinger will nun die<br />
Stätten seiner Kriegsgefangenschaft in der Ukraine besuchen und den neuen Reichtum alter<br />
Bekannter sehen. Doch sobald er die vorgegeben „Potemkinschen Dörfer“ und Musterfabriken<br />
verlässt, stößt er auf ein Bild des Grauens: Hungernde, als politisch verdächtigt Internierte und ein<br />
endloses Elend zeigen ihm das wahre Gesicht der jungen Sowjetunion. Gespräche mit den Opfern der<br />
Hungersnöte verdeutlichen dem jungen Kommunisten das gigantische Ausmaß einer unglaublichen<br />
Mißwirtschaft und die zahlreichen Opfer des politischen Terrors, durch welchen in der Geschichte<br />
der Sowjetunion insgesamt circa 35Millionen Menschen umkommen sollten. Schwer enttäuscht<br />
kehrt Dwinger nach Deutschland mit dem Resümee<br />
"Ich war Kommunist"<br />
zurück. Doch trotzdem behielt er seinen Glauben an das russische Volk, dass er einst kennengelernt<br />
hat. Zuletzt findet dies unter anderem Niederschlag in seiner Denkschrift gegen die<br />
nationalsozialistische Ideologie vom Untermenschen:<br />
"Der russische Mensch" aus dem Jahre 1941.<br />
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Zwischen Heulkrampf und ekstatischem Jubel - Gedanken<br />
zum gegenwärtigen Sprachgebrauch<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 04. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Ein langweiliges Leben voller Banalitäten erhält für den freiwillig langweilig Lebenden seinen Reiz<br />
wahrscheinlich nur dadurch, daß er sich Höhen und Tiefen in sein Leben einredet und diese inneren<br />
Erlebnisse intensiv auskostet. Dazu gehört die mannigfaltige Beschreibung der inszenierten<br />
tiefgreifenden Schicksalsschläge für ihn selbst und insbesondere für seine Umwelt.<br />
Jeder muß doch wissen, was für ein extraordinäres Leben er führt. Der langweilig Lebende täuscht<br />
sich so über seine Nichtigkeit hinweg und versucht mit seinen Schreien nach Aufmerksamkeit, sein<br />
angeknackstes Selbstbewußtsein zu kompensieren. Alltäglich maßlose Übertreibungen, ja gar eine<br />
unaufhaltsame Schlagzeilenproduktion, kennzeichnen die Sprache des modernen Deutschen.<br />
Der moderne Deutsche hat nicht mehr viel, worüber es sich mit berechtigtem Grund aus seiner Sicht<br />
lohnen würde aufzuregen - er hat ausreichend Geld, eine Frau und kann sich jedes Jahr einen<br />
Mittelmeerurlaub leisten. Die schönen Dinge fliegen an ihm ebenso vorüber wie erschreckende<br />
Phänomene unserer Welt. Er ist viel zu gestreßt, um sich mit diesen Lappalien auseinanderzusetzen -<br />
höchstens ein kurzer tief betroffener oder entzückter Aufschrei durchdringt seinen Körper. Diese<br />
Aufschreie sind es auch, die auf den ersten Blick so ganz anderes über das Seelenleben des<br />
modernen Deutschen vermuten lassen, als es die Realität offenbart. Nach längerer Beobachtung<br />
steht dann jedoch fest, daß die ergreifenden, sentimentalen Worte zu nichts weiter dienen, als der<br />
Ausschmückung eines uninteressanten Lebens.<br />
Die deutsche Sprache ist seit Jahren leidgeprüft. Zu recht wird die Sprachverhunzung durch<br />
Anglizismen und andere Blüten der "New Speech" wie zum Beispiel der mehr und mehr<br />
einkehrenden "SMS-Sprache" in den normalen Schreib- und Sprachgebrauch angeprangert. Ein<br />
weiteres, mich bedenklich stimmendes Alltagsphänomen ist die Emotionalisierung der Sprache. Der<br />
moderne Deutsche ist dem Heulkrampf nahe, wenn er von dem Nichtbestehen einer Prüfung erfährt,<br />
und gerät in Ekstase, wenn er sie bestanden hat - zumindest seinen Worten zufolge. Man ist "total<br />
fertig", wenn man die S-Bahn verpaßt hat, und "total happy", wenn man sie gerade noch erwischt<br />
hat. Leider sind dies keine Anzeichen für einen sensibleren Umgang untereinander, sondern nur<br />
Versuche, den Gesprächspartner kurzzeitig mittels der Übertreibungen aus seiner Gleichgültigkeit<br />
herauszureißen. Der inflationäre Gebrauch von Begriffen wie "Angst" kann gleichermaßen gedeutet<br />
werden. Der "Ängstliche" meint nicht den erdrückenden Zustand der Angst. Vielmehr möchte er<br />
seine Sorge deutlich machen, daß ihm ohne starke Ausdrücke niemand zuhören würde und sich<br />
niemand an sein gesagtes erinnern würde. Warum sollte der Gegenüber sich auch für die Sorgen<br />
anderer in einer ich-orientierten Gesellschaft interessieren?<br />
Auf Kraftausdrücke der "wiedererstarkten Jugend" und die damit einhergehende „Prollsprache“<br />
möchte ich nicht näher eingehen - dies wäre in der Tat zu niederschmetternd.<br />
42
„Mit viel Liebe und Engagement“<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Dienstag, den 04. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Aktuelle Reaktionen auf die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“<br />
Für die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“ schreibt nicht jeder, und nicht jeder liest sie. Das muss auch nicht sein, galt<br />
doch von Anfang an die klare Überzeugung, dass die Qualität vor der Quantität stehen soll.<br />
Schließlich ist doch Tag ein, Tag aus zu beobachten, wie uns (Jugend-)Publikationen ohne jeden<br />
Gehalt überfluten und im Prinzip nichts anderes als kommerzielle und/oder spaßgesellschaftliche<br />
Papierverschwendung darstellen. Trotzdem (oder gerade deshalb) kann sich die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“<br />
über den Umfang ihrer Beachtung - vor allem der letzten Wochen - nicht beklagen.<br />
In der letzten Ausgabe (14/06) der bedeutenden konservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“<br />
erschienen beispielweise zwei größere Artikel über das Projekt. Man bescheinigte den Autoren und<br />
Mitarbeitern, die Zeitschrift mit „(...) viel Liebe und Engagement zu gestalten“ und dass man „zum<br />
Schrecken der Linken“ nach den Erfolgen in Chemnitz die konzeptionelle Ausdehnung auf andere<br />
Städte plane.<br />
Im Weblog des „Instituts für Staatspolitik“ bemerkte man den aktivistischen Geist der Idealisten um<br />
die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“, die trotz Kälte und anderen (politischen) Widrigkeiten stadtweit für die<br />
Meinungs- und Pressefreiheit an Chemnitzer Gymnasien kämpften.<br />
Die Leser und Autoren der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ können sich also mit Recht in ihrer Überzeugung<br />
bestätigt sehen, sich nichts vorsetzen zu lassen, sondern weiter selbst nach Antworten auf die sich<br />
stellenden Fragen zu suchen, eine andere Haltung als die von satter und kommoder Trägheit und<br />
Konsum geprägte Masse der Jugend zum Leben zu finden und zu dem, was dieses Leben erst wert-<br />
und sinnvoll macht.<br />
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Terror an der Rütli-Schule – Multikulti am Ende?<br />
Geschrieben von: John Palatini<br />
Donnerstag, den 06. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Man will es den Kommentatoren im Fernsehen kaum glauben. Doch seit es nun auch die BILD-<br />
Zeitung dem Volk erklärt hat, dass es vorbei sein soll mit den Blütenträumen einer ganzen<br />
Generation, dämmert es auch dem letzten Skeptiker.<br />
Hier in den neuen Bundesländern klingt die Debatte vielleicht etwas unverständlich. Zunächst sollte<br />
man wissen, dass die Multikulti-Bewegung in Deutschland keineswegs eine harmlose Träumerei im<br />
Geiste des Weltfriedens ist, sondern knallharte 68er-Ideologie. Dabei geht es keineswegs allein<br />
darum, dass den verschiedenen Minderheiten in diesem Land Schutz gewährt und ihnen die<br />
Erhaltung ihrer kulturellen Identität ermöglicht werden soll. Nein: Es ging von vornherein um die<br />
Etablierung großer, nicht-deutscher Populationen, mit dem Ziel, die kulturelle Einheit dieses Landes<br />
zu untergraben und aufzulösen. Deshalb leben zum Beispiel türkische Frauen seit 30 Jahren in diesem<br />
Land und sprechen kaum drei Worte deutsch.<br />
Gestört hat das niemanden, weder den Staat, noch die Frau, denn innerhalb der perfekt<br />
organisierten türkischen Großkommunen wie in Berlin ist die deutsche Sprache keine Notwendigkeit.<br />
Selbst die Beamten der Verwaltung sprechen dort Türkisch. Das alles funktioniert prächtig. Keine<br />
türkische Frau wird dort Probleme haben, wo sie türkischer leben kann als in ihrer Heimat. Probleme<br />
gibt es erst dort, wo die Welten wirklich aufeinander prallen.<br />
An Berlins Hauptschulen ist dies der Fall, wie das Beispiel der Rütli-Schule eindrucksvoll beweist. Das<br />
die Schüler kaum Deutsch können, wen wundert es, wenn sie außerhalb der Schule weder mit<br />
deutscher Kultur, noch mit deutscher Sprache in Kontakt kommen. Sie leben aufgehoben in ihren<br />
Familien und Kommunen; sprechen, hören und lesen Türkisch, erlernen die Rollenbilder ihrer Kultur<br />
und die dazu gehörigen Vorstellungen von Recht und Moral. Solche Schüler reagieren aggressiv,<br />
wenn sie ein deutscher Lehrer zum Lernen oder zur Disziplin anhalten will, vor allem wenn ihnen<br />
dämmert, dass sie in Deutschland kaum eine Perspektive haben werden, die über dem<br />
Sozialhilfeniveau liegen wird. Diese Schüler sind die Opfer einer bewusst falsch verstandenen<br />
Multikulti-Ideologie.<br />
Seit sich abzeichnet, dass der Wohlfahrtsstaat in Zukunft nicht mehr alle Verlierer der Gesellschaft<br />
mit üppigen Sozialleistungen wird ruhig stellen können, geht die Angst um in Deutschland. Denn<br />
wochenlange Straßenschlachten und unzählige brennende Autos wie unlängst in Frankreich scheinen<br />
dann auch hier zur Option einer nicht mehr fernen Zukunft zu werden. Der soziale Frieden ist in<br />
Gefahr.<br />
Viele Medienverantwortliche haben das inzwischen erkannt. Freuen wir uns darüber, denn die<br />
Verabschiedung gescheiterter Denkmodelle ist der erste Schritt auf der Suche nach neuen Wegen.<br />
Wenn Berlins Bildungssenator aber behauptet, die Rütli-Schule sei ein „Ausreißer“, ein Einzelfall,<br />
dann nimmt er entweder die Realität nicht zur Kenntnis, oder aber er lügt aus Gründen der<br />
Staatsräson!<br />
Um jeder böswilligen Fehlinterpretation vorzugreifen: Der Autor positioniert sich mit diesen Zeilen<br />
nicht gegen Ausländer, sondern gegen das Multikulti-Projekt. Der Autor wünscht sich eine<br />
Verbesserung der gegenwärtigen Verhältnisse durch eine bessere Integration der türkischen<br />
Menschen in die deutsche Gesellschaft, im Interesse alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.<br />
44
Heimat, wo bist du?<br />
Geschrieben von: Torsten Görke<br />
Samstag, den 08. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
In Deutschland findet in diesem Jahr die Fußballweltmeisterschaft statt, 2010 die nächste in<br />
Südafrika. Dort wird man gewiss viel von der traditionellen Lebensweise, viel von der Identität Afrikas<br />
lernen und sich möglicherweise daran erfreuen. Ich zerbreche mir aber den Kopf darüber, was die<br />
Gäste nach den wenigen Wochen aus eben unserem Land für Eindrücke mitnehmen sollen. In einem<br />
Land, in dem ganze Stadtteile deutschen Bodens von nicht integrierten Türken bevölkert sind und<br />
unsere Sprache nicht einmal mehr kennen, in dem Schüler nur durch Polizeischutz dem Unterricht<br />
nachgehen können, in diesem, unserem Land wird die Welt nicht zu Gast bei Deutschen sein,<br />
sondern allenfalls bei einer gesamteuropäisch-asiatischen Völkeransammlung.<br />
Es mag für den Leser hart klingen, aber alle Euphemismen um die Integration in Deutschland muss<br />
man jetzt zurücklassen. Ich schmähe hier niemanden, die Türken, Inder, Kroaten, Russen, um nur<br />
einige zu nennen, tun mir unendlich leid. Menschen, die nicht wissen, wo sie hingehören, für die<br />
Heimat ein Fremdwort geworden ist, deren Seelen vielfach noch in ihrem Herkunftsland hängen,<br />
denen gilt es jetzt zu helfen. Sie sind Opfer schlechter Politik und machtgieriger Parteienkartelle. An<br />
die weltweiten Auswirkungen, die sich auf kurz oder lang herauskristallisieren werden, möchte ich<br />
noch gar nicht denken.<br />
„Wo es mir gut geht, bin ich zu Hause“; dies gilt traurigerweise immer noch für viele Menschen. Und<br />
bedeutet den Rückfall in ein modernes Nomadentum. Nun, es geht den Menschen mit<br />
unterschiedlicher ethnischer Herkunft in Deutschland aber nicht mehr gut. Vom Sozialstaatgedanken<br />
sagt man sich mehr und mehr los, die Folgen sind überall sichtbar. Das von uns kürzlich aufgegriffene<br />
Thema mit der Rütli-Schule ist nur ein Beispiel. Bei vielen Jugendlichen, auch unter Deutschen,<br />
herrscht folgender Grundsatz: „legal, illegal, scheißegal“. Und so nimmt das Bandenwesen seinen<br />
Lauf. Mehrfach wurde über die Missstände auch schon von den Massenmedien berichtet, quälend<br />
lange Debatten im nur sporadisch besetzten Bundestag geführt. Hier frage ich mich aber, was da<br />
hinter verschlossenen Türen wirklich entschieden wird. Das bleibt eurer Vorstellungskraft<br />
vorbehalten.<br />
Ich behaupte, dass nur im Schutze der Heimat große Kulturwerte geschaffen werden können. Im<br />
Zuge der „Befreiung“ durch die Sowjets am Ende des 2. Weltkrieges wurden Millionen Deutsche aus<br />
ihrer Heimat vertrieben. Die Flucht endete zwar im deutschen Sprachraum, über materielle Verluste<br />
sah man auch noch schweren Herzens hinweg. Was aber in riesigem Maße auf ihre geistige Existenz<br />
einwirkte, war der Verlust ihrer Heimat. Viele verkrafteten das nicht und gingen in melancholischen<br />
Erinnerungen unter. Was ist heute los? Geschichte wiederholt sich …<br />
Dann und wann werden die Menschen hoffentlich zur Besinnung kommen. Andernfalls werden sie<br />
aus ihren Multikulti-Träumen finster herausgezerrt. Konsequent Stellung beziehen, und nicht immer<br />
nur ängstlich abwägen, ist jetzt wichtig.<br />
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Presse- und Meinungsfreiheit aus Europäischer Sicht. Ein<br />
Blick in die neue EU-Verfassung.<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Sonntag, den 09. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
„Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“<br />
[Verfassung der Europäischen Union/Charta der Grundrechte/Kapitel II/ Artikel 11/Absatz (2) <strong>07</strong>.<br />
Dezember 2000 – Nizza]<br />
Die Verfassung der Europäischen Union ist nicht gerade unumstritten. Genauer gesagt, momentan<br />
scheint es mehr Gegner, als Befürworter zu geben. Dem einen Staatschef fehlt der Bezug zu Gott, ein<br />
anderer sieht die Rechte seines Landes und die Mitsprache innerhalb der Gemeinschhaft zu kurz<br />
kommen – was Valerie Giscard d`Estaing als sein Denkmal für die Geschichtsbücher bereits in<br />
greifbarer Nähe sah, scheint nun längst in weite Ferne gerückt. Das Datum für Einführung und<br />
Gültigkeit der EU-Verfassung, wird seit der Proklamation im Jahre 2000, im sonnigen Nizza, von Jahr<br />
zu Jahr nach hinten verschoben. Derzeit ist das Jahr 20<strong>07</strong> eingeplant. Kommissionen arbeiten<br />
händeringend an Verbesserungen, Streichungen und Erweiterungen zugleich. Was der eine<br />
gestrichen haben wünscht, betont der andere als Unentbehrlich – es scheint so schnell keine<br />
Einigung in Sicht – gut so! - bleibt doch dem einigermaßen politikinteressierten Bürger der EU bzw.<br />
seiner Vaterländer genug Zeit, um sich hinreichend in die Materie einzulesen und dieses<br />
undurchdringliche Machwerk auf Tücken und Gefahren hin gründlich zu durchsuchen.<br />
Setzt man nun voraus, diese Verfassung bekomme irgendwann einmal Gültigkeit, so ist doch der<br />
detaillierte Blick auf Auszüge dieser Entwurfsverfassung, sicher nicht uninteressant und weckt das<br />
Interesse, nach tiefgründigem Studium.<br />
Als Chefredakteur der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ interessiert mich besonders der Absatz der Presse- und<br />
Meinungsfreiheit – nicht etwa, weil ich ernsthaft Angst hätte, unser freigeistiges Literaturprojekt<br />
könnte, nach einer eventuellen Einführung, europaweit verboten werden – nein - vielmehr haben die<br />
Ereignisse der letzten Zeit, die sich rund um die „<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>“ abspielten, mein Interesse stark auf<br />
den Gedanken der Meinungsfreiheit allgemein gelenkt. Mich beschäftigt die Frage: Wie kann die<br />
Meinungsfreiheit innerhalb Europas gewährleistet werden, wenn schon an einigen Chemnitzer<br />
Schulen, gegen im Grundgesetz festgeschriebene Grundsätze wie „Eine Zensur findet nicht statt“,<br />
willkürlich verstoßen wird? Mich interessiert die wachsende Macht der Massenmedien, sowie die<br />
schwindende Macht der kleinen alternativen und vor allem unabhängigen Medien, im Kontext eines<br />
sich schleichend formierenden Europäischen Superstaates.<br />
„Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“ Dieser Satz wird nun dem mehr oder<br />
weniger geschulten Betrachter und Studierenden dieser Verfassung genau so trocken serviert, wie<br />
die vielen tausend anderen Absätze und Paraphrasen. Was bedeutet das eigentlich? Ist das nicht<br />
letztlich genau so eine Worthülse, wie das „Eine Zensur findet nicht statt.“, im Deutschen<br />
Grundgesetz, was jeder beliebige Schulleiter der nächsten besten Dorfschule, irgendwo in<br />
Deutschland, ganz einfach außer Kraft setzten kann?<br />
Fakt ist zunächst eines: Es ist eine ungeheure Leistung der zuständigen verfassungserarbeitenden<br />
Kommissionen, die Belange einer so vielschichtig kulturell, aber auch traditionsgeprägten<br />
Gemeinschaft wie der EU, in einem, in diesem Zusammenhang noch vergleichsweise kurzen Umfang,<br />
aufzusummieren und zu filtern. Ziel war es ja, eine Verfassung zu erarbeiten, die den Bauern in<br />
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Portugal mit ihren Traditionen genauso gerecht wird, wie dem mittlerweile sehr freiheitsverwöhnten<br />
Deutschen oder den progressiven Skandinaviern. Fakt ist auch, dass es dazu unumgänglich war, die<br />
Wesensmerkmale der verschiedenen Volksgruppen des Europäischen Kontinents, zunächst zu<br />
erkennen, sie dann auf das Wesentlichste zu reduzieren und dann in den Kontext der anderen<br />
Traditionen zu stellen. Dieser Kontext bildete dann die Grundlagen für alle sich weiterhin<br />
anschließenden Regelungen und Gesetze.<br />
Und so ergibt sich dann auch der oben benannte Satz, der zukünftig die Pressefreiheit Europas<br />
garantieren soll. Er gilt dann gleichfalls für die momentan recht konservativen Italiener, mit ihrem<br />
Berlusconi-auf-allen-Kanälen- Einheitsfernsehen, wie für die, schon von ihrer Geschichte aus,<br />
pluralistisch und programmatisch-liberal eingestellten Franzosen, aber auch für die Deutschen, die<br />
selbst dann noch schweigen und konsumieren, wenn auf den fünftausend angebotenen<br />
Fernsehkanälen, synchron Dauerverblödung zum kollektiven intellektuellen Genozid, verabreicht<br />
wird.<br />
Ich glaube nicht im Ansatz, dass es irgendeinen internationalen Medienmogul, der daran interessiert<br />
ist, möglichst viele kleine und mittlere europäische Medien aufzukaufen und sie mit seinem bereits<br />
bestehenden Megamedienunternehmen zu vereinigen, auch nur annähernd interessiert, dass<br />
innerhalb der EU „Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität“ zu achten sind. Wer will denn das<br />
kontrollieren? Sollte es irgendwann mal ein zentrales Brüsseler Kontrollorgan geben, wird dieses ja in<br />
Arbeit ersticken müssen, wenn von Frankreich bis vielleicht bald zur Türkei, alle Medienkartelle zu<br />
verhindern sind – dies wird sicher nach kürzester Zeit im totalen Chaos enden…was dann in<br />
consequentum die Grundlage für das Ende der Pressefreiheit legt – ja die Europäische<br />
Mediengleichschaltung nicht mehr ausgeschlossen läßt.<br />
In Summa: Meiner Ansicht nach, kann es keine Europäische Verfassung geben, die nicht notwendig<br />
dazu beitragen würde, dass nationale Interessen einem großen unüberschaubaren Einheitsbrei zum<br />
Opfer fallen. Es ist schlichtweg unmöglich, alle Interessen, der ständig wachsenden Mitgliederschar,<br />
auf einen annehmbaren Nenner zu bringen und parallel dazu, die Eigenständigkeit der<br />
Mitgliedsländer nicht grundlegend außer Kraft zu setzen – sei es nun die Frage von Meinungs- und<br />
Pressefreiheit oder die Frage nach dem Euro oder die Frage, ob Kleinasien nun mehrheitlich<br />
europäisch oder doch mehr orientalisch geprägt sei.<br />
Es gibt also schlichtweg zwei Möglichkeiten: entweder kommen interessenbedingte<br />
Zuständigkeitsgebiete, der vor allem länderspezifische Eigenheiten zugrunde liegen, zurück in<br />
nationale Hand oder es wird ein Konsens gebildet, der alles über einen Kamm schert und einen<br />
letztlich undefinierten Brei ergibt, der auf oben benannten Worthülsen basiert und dessen<br />
Eigendynamik die Herren in Brüssel aber noch tüchtig das Fürchten lehren wird.<br />
Noch haben die Bürger Europas die Zeit, sich gegen die Gleichschaltung zu wehren – aber wie ich die<br />
Geschichte kenne, wird es dies sicher nicht tun. Deshalb schon jetzt: Auf ins intellektuelle Exil!<br />
47
„Bist du am Leben interessiert?“<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Mittwoch, den 12. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Zugegebenermaßen gehört Xavier Naidoo nicht zu jenen deutschen Popmusikinterpreten, die sich in<br />
jedem ihrer Lieder über ihren letzten Liebeskummer oder die letzte Liebschaft auslassen. Die neueste<br />
Single von Xavier Naidoo „Bist du am Leben interessiert?“ beschäftigt sich mit Identität; beinahe<br />
hätte ich geschrieben der „nationalen Identität“, aber „neue Identität“ trifft es wohl besser.<br />
Seit „Du“ Deutschland bist, ist die Frage nach der eigenen Identität wieder gesellschaftsfähig. Xavier<br />
Naidoo schließt sich diesem Diskurs mit der gleichen Oberflächlichkeit, wie es die Kampagne „Du bist<br />
Deutschland“ vorgemacht hat, an. Er mahnt seine Zuhörer, sich ihres Herkommens bewußt zu sein<br />
und wachsam die mühevolle Geschichte der eigenen Ahnen fortzuführen. Wie die Gestaltung der<br />
Zukunft demnach aussehen sollte, weiß Xavier Naidoo auch: „Die ganze Generation einer Nation“<br />
solle sich „den Frieden wie auf einen Thron“ setzen, denn Krieg ist ja schlimm, und wer Krieg treibt,<br />
der kann laut Naidoo seine Söhne und Töchter nicht lieben.<br />
Der Wunsch nach einer friedliebenden Nation ist sicher zu begrüßen, jedoch verkennt Xavier Naidoo<br />
in seinem argumentativen Geflecht, daß es uns bzw. auch ihn nur gibt, weil sich unsere Vorfahren<br />
durchgesetzt haben – im Leben und auch im Krieg. Das „Wissen (unserer Vorfahren) von mehr als<br />
10.000 Jahren“, von dem Naidoo spricht, impliziert ebenfalls Erkenntnisse über die richtigen<br />
Methoden zur Familien-, Stammes- und Volkserhaltung. Anstatt diesen harten und erfolgreichen<br />
Kampf unserer Ahnen zu würdigen, schmeißt Xavier Naidoo mit hohlen Phrasen um sich.<br />
Viel heiße Luft wirbelt „Bist du am Leben interessiert?“ auf. So bleibt auch die abschließende<br />
Forderung der neuen Single diffus. Naidoo fordert das Volk auf, die alten Lieder, „die tief in deiner<br />
Seele liegen“, herauszubringen und zu singen.<br />
Lieber Xavier Naidoo, deinem Wunsch möchten wir gerne entsprechen. Wie wäre es, wenn wir mit<br />
alten deutschen Volksliedern wie „Es war ein König in Thule“ oder „Wenn alle Brünnlein fließen“ die<br />
große Revolution der alten Lieder beginnen?<br />
48
Serie: Bücher aus der Mottenkiste (Teil 1). Demian.<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Samstag, den 15. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
„Der Vogel kämpft sich aus dem Ei.<br />
Das Ei ist die Welt.<br />
Wer geboren werden will,<br />
muss eine Welt zerstören.<br />
Der Vogel fliegt zu Gott.<br />
Der Gott heißt Abraxas.“<br />
Der Mensch muss (s)eine Welt zerstören, um sich selbst zu finden. Mit diesem Satz könnte man das<br />
Motto des wegweisenden Buches „Demian – Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend“, welches 1919<br />
erstveröffentlicht wurde, zusammenfassen. Es ist sozusagen die richtungsgebende Grundlage für<br />
Hesses Welterfolg „Der Steppenwolf“ und steht heute leider etwas zu sehr im Schatten, dieses<br />
zweifelsohne größten Werks Hesses – zu Unrecht – wie ich finde, zwar ist es nicht so groß und surreal<br />
wie der Steppenwolf, aber es ist einfühlsam und prägt den Leser mit einer Mischung aus sehnsüchtigemotionalem<br />
Suchen und knallhart–realistischer Analyse, in der sich der junge Leser zu jeder Zeit<br />
wiederzufinden vermag. Eine durchaus sehr lesenswerte Mischung.<br />
Aber worum geht es: Der etwa in der Mitte der Zwanziger stehende Emil Sinclair, welcher das Buch<br />
als Ich-Erzähler beschreibend strukturiert, führt den Leser episodenhaft durch seine Kindheit hin bis<br />
zu Jugenderlebnissen und beschließt die Reise mit dem Ende des Ersten Weltkrieges. Sinclair ist ein<br />
sehr sensibler Charakter – weich – leise – oft gehänselt – strebsam und fleißig – ein Muttersöhnchen.<br />
Dem Hessekenner fällt bereits hier der so Hessetypischste Menschentypus auf, ein wenig<br />
träumerisch, ein wenig verspielt, ein wenig Außenseiter. Schon jetzt werden starke<br />
autobiographische Züge erkennbar. Dieser Sinclair nun, trifft während seiner Schulzeit, auf den ihm<br />
völlig konträren Max Demian. Einige Jahre älter als er, besucht er trotzdem Sinclairs Klassenstufe, er<br />
ist selbstbewußt, geht auf die Leute zu und geht, wie Hesse es beschreibt „von Anfang an, eigenen<br />
subtilen und konsequenten Studien nach“ – anders als Sinclair ist er nicht Außenseiter aus fehlender<br />
Akzeptanz, sondern aus Passion. So lernen sich die beiden Außenseiter kennen und sie verbindet<br />
schnell eine innige Freundschaft – wenngleich Demian mehr die Rolle des großen Bruders inne hat<br />
und man sehr schnell davon ausgeht, dass er die dominante Person in dieser Freundschaft ist –<br />
Sinclair sieht von Anfang an zu ihm auf.<br />
Bereits ziemlich zu Anfang des Buches wird deutlich, dass die beiden mehr verbindet, als nur eine<br />
bloße Freundschaft. Demian wird immer mehr zum Lehrer Sinclairs – er bezeichnet ihn als einen „von<br />
ihnen“ und versucht ihn in vielen Situationen vor Gefahr und Unheil zu bewahren.<br />
Nach der Schulzeit trennen sich die Wege der beiden Freunde, doch einige Male trifft Emil auf Max,<br />
meist dann, wenn er es am wenigsten erwartet. Die Zeit des Studiums wird als eine Zeit des ziellosen<br />
Suchens beschrieben – eine Zeit in der Sinclair zwischen fanatischer Liebe, Alkoholexzessen und<br />
strikter Enthaltsamkeit hin- und herpilgert. Er lotet seine Grenzen aus, ist auf der Suche nach seinem<br />
Wesen, findet Antworten, die ihm kein Professor zu geben im Stande ist. Hesse bedient sich auch<br />
hier, seiner sehr typischen Schreibweise, welche die jugendlichen Gedankengänge so plastisch<br />
49
nachzeichnet, dass sie dem Leser oft selbst sehr tangieren – weil vieles, was da geschrieben steht,<br />
auch im eignen Entwicklungsprozeß enthalten war oder noch ist.<br />
Die Zeit vergeht schnell und Emil kehrt nach seinem abgeschlossenen Studium zu Demian zurück. Er<br />
wohnt mit seiner Mutter in einer großen Villa am Rande der Stadt, in der Emil in der Folgezeit oft zu<br />
Besuch ist.<br />
Demian und seine Mutter erklären nun Sinclair, dass sie immer auf ihn gewartet haben und ihn seit<br />
langem schon als einen „von ihnen“ ansehen. Hesse meint damit eine Gruppe von Menschen, die es<br />
in jeder Gesellschaft gibt – Menschen die so reflektiert leben, dass sie auf eine Stufe der Erkenntnis<br />
kommen, die das Leben und Wirken der „anderen“ meilenweit entfernt erscheinen läßt. Hesse<br />
nimmt aber hierbei keine Wertung vor, er beschreibt lediglich den Vorgang der Erkenntnis – einer<br />
Erkenntnis die so tief geht, dass sie Ansichten erzeugt, die auf „höheren“ Gesetzen beruhen. Man<br />
könnte diese Leute vereinfacht als Querdenker oder geistige Aristokraten bezeichnen, typische<br />
Hessefiguren, die in keine Schublade passen und die sich konsequent gegen jegliche Kategorisierung<br />
zur Wehr setzen - dabei aber weiter kommen als alle anderen.<br />
Max und seine Mutter hatten nun schon lange erkannt, dass Emil auch ein eben solcher sei, nur, dass<br />
er bislang immer nur die Anlage dazu hatte, sich aber dessen nicht bewußt war. Der Prozeß des<br />
Lernens, an Universität und Lebenserfahrungen schließlich, läßt Emil in den Kreis der „reflektierten<br />
Querdenker“ aufsteigen und nun erstmalig in seinem Leben eine wirkliche Heimat finden.<br />
Aber warum muss nun der Mensch, laut Hesse, eine Welt zerstören, um sich selbst zu finden? Hesse<br />
benutzt diese Metapher doppelsinnig. Einmal meint er damit, dass man sich als Mensch dazu<br />
zwingen muss, alle Dinge von den vielfältigsten und auch manchmal vielleicht abwegigsten<br />
Perspektiven zu betrachten - so kann ein scheinbarer Abweg, bei genauerer Betrachtung, zu einem<br />
bloßen Umweg werden, der durch Erkenntnis zum selben Ziel führt – Einsicht in die Zusammenhänge<br />
unserer Welt – genau genommen Faust vor dem Ersten Weltkrieg – herausfinden, was die Welt im<br />
Innersten zusammenhält und dabei Umwege in Kauf nehmen, die von Exzeß bis Extase führen<br />
können.<br />
Hesse meint also mit dieser „Welt“ jene, die auch Georg Grosz in seinen oft kritisch betrachtenden<br />
Bildern anprangert – die europäische Dekadenz der Jahrhundertwende, die in Halbwelten haust,<br />
eigentlich ungebildet ist, aber die Welt mit ihrer Borniertheit direkt in den Abgrund reißt – da sie<br />
Macht hat - die zweite Deutungsebene: der Erste Weltkrieg. Hesse zeichnet nach, wozu Kleingeist<br />
und fehlende Bildung führt, geht aber dabei noch einen Schritt weiter: mit der fast nihilistischen<br />
Gelassenheit Nietzsches, nimmt er die Geschehnisse als gegeben hin, er erkennt, dass es keinen<br />
anderen Ausweg gibt als den Krieg. Es ist klar, dass er den Krieg notwendig verabscheut, er weiß<br />
aber, dass er nicht zu umgehen sein wird, er beschreibt ihn als „Reinigungsprozeß“ von den alten<br />
Hüllen, die das neue Jahrhundert noch in die Knie zwingen – er hofft auf einen neuen Frühling, nach<br />
dem Winter des Krieges. Es sagt, dass nur das Radikale dem Menschen die Schuppen von den Augen<br />
nimmt, um sein eigentlich verletzliches Wesen zu erkennen. Der Querdenker hat dabei die Aufgabe<br />
des Beobachters, der sich von keiner radikalen Ansicht beeindrucken läßt und die Sache mit Einsicht<br />
von außen betrachtet. Ihm bleibt nur das Warten auf bessere Zeiten.<br />
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Die multikulturelle Gesellschaft – eine Realität?<br />
Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />
Dienstag, den 18. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
In Deutschland leben 14 Millionen Menschen mit „Migrationshintergrund“ und in den Großstädten<br />
kann ein Deutscher auch schon mal zu einer Minderheit gehören. Außerdem kommt durch die<br />
Globalisierung die ganze Welt zusammen und sämtliche menschlichen Barrieren werden Stück für<br />
Stück abgebaut. Irgendwelche Nationalitäten interessieren bei Eheschließungen angeblich sowieso<br />
nicht, dafür gibt es genügend Beispiele aus der Welt der Reichen und Schönen. Die Völker werden<br />
verschwinden, unaufhaltsam. Diese Fakten und Mutmaßungen werden denjenigen entgegnet, die<br />
eine multikulturelle Gesellschaft für unmöglich bzw. in Deutschland für gescheitert halten. Zur<br />
Vorgeschichte:<br />
Ende 2005 schwappte eine Gewaltwelle über Frankreich und für viele Beobachter brannten nicht<br />
bloß Autos oder Müllcontainer, sondern eine ganze Gesellschaftsidee und das, obwohl die schwarzen<br />
Jugendlichen die französische Sprache beherrschen und nach den Idealen der glorreichen Revolution<br />
alle Menschen gleich sind. In Deutschland sprach man hingegen ausschließlich von<br />
orientierungslosen Jugendlichen, denen man helfen müsste, in Lohn und Brot zu kommen. Das war<br />
zwar scheinheilig, weil man hierzulande keine Unternehmer auffordern würde z.B. links- und<br />
rechtsextreme Jugendliche gezielt einzustellen, aber das Beste kommt noch: Hierzulande in der<br />
„Bunten Republik“ wäre so was ganz und gar unmöglich, doch ein paar Monate später sieht sich eine<br />
Direktorin außer Stande den Lehrbetrieb an ihrer Schule einfach so fortzuführen. Im Vergleich zu den<br />
Geschehnissen in Frankreich ist das zwar bloß minimal, aber unser Nachbarland war uns ja schon des<br />
Öfteren voraus. Jedenfalls reagierten die Medien und plötzlich wurde die Bevölkerungspolitik der<br />
BRD hinterfragt. Das jahrelange eher dumpfe Grollen der bürgerlichen Parteien (die<br />
Aschermittwochsreden der CSU mal ausgeschlossen) äußerte sich plötzlich in Einbürgerungstests, es<br />
wurde sogar offen von Abschiebung ausländischer Gewalttäter gesprochen.<br />
Natürlich verstummten die Töne der Alt 68´er nicht. Dass man sich als geistiger Brandstifter etabliert,<br />
wenn „MultiKulti“ in Frage gestellt wird, ist klar. Aber neuerdings kommt neben den oben gegebenen<br />
Gründen Realitätsfremdheit zum Argumentationsbrei hinzu. Zuviel hätte sich in den letzten<br />
Jahrzehnten geändert, womit es keine andere Option mehr geben würde.<br />
Diesen Gedanken muss man natürlich auf den Grund gehen. Da sich immer mehr Deutsche so sehr<br />
nach dem Ausland sehnen, werde ich auch dahin meinen ersten Blick werfen. In den USA, die ja am<br />
ehesten multikulturell sein müsste, spricht man überhaupt nicht mehr von einem Schmelztiegel, der<br />
alles vereinigen wird, weil die ethnischen Gruppen ihre Identität behalten wollen und auch aus<br />
Holland hörte man in der jüngeren Vergangenheit nicht unbedingt Erfolge, was ein friedliches<br />
Miteinander angeht. Überhaupt treffen ständig Volksgruppen gewaltsam aufeinander - die<br />
Nachrichten sind voll davon - soviel zum Thema, dass wir uns in der schönen neuen Welt alle lieb<br />
haben. In Zukunft wird sich die Beispielliste beliebig erweitern.<br />
Zurück ins kalte Deutschland:<br />
Wenn man in die Vergangenheit schaut, wird man feststellen, dass es bei Tacitus angefangen, über<br />
die Hugenotten bis zum türkischen Kleinunternehmer immer wieder „Ausländer“ in Deutschland<br />
gegeben hat. Der gravierende Unterschied ist jedoch deren Anteil an der Bevölkerung und die<br />
Veränderungen die damit verbunden sind. Wenn man durch manche Großstädte läuft, könnte schon<br />
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die Frage aufkommen, in welchem Land man eigentlich gerade ist. Ein weiterer Unterschied zur<br />
früheren Situation sind Verwerfungen im sozialen Frieden.<br />
Auch hierzulande tauchen immer wieder Schlagzeilen auf, die von Übergriffen von Ausländern auf<br />
Deutsche und umgekehrt berichten: Ein Bürger aus Libyen vergewaltigte eine Chemnitzerin, ein 17jähriger<br />
in unserer Stadt wurde von 15 Russen zusammengeschlagen, oder ein Schwarzafrikaner<br />
wurde durch Potsdam geprügelt. Um das gegeißelte Wort Ausländerkriminalität zu vermeiden,<br />
tauchen nur selten Statistiken auf. Allerdings muss man konstatieren, dass Ausländer<br />
überproportional vergewaltigen, töten oder an anderen Gewaltverbrechen beteiligt sind. Das ist<br />
nicht ausländerfeindlich, sondern lediglich Zahlenmaterial – und Realität.<br />
In einer Studie über Jugendkriminalität prallen in 60% der Fälle in Großstädten wie Dortmund<br />
verschiedene ethnische Gruppen aufeinander und in Berlin sieht man ganz offensichtlich, wie ein<br />
Miteinander gescheitert ist. In einer anderen Schule in der Hauptstadt rät der Direktor sogar<br />
deutschen Eltern davon ab, ihr Kind dahin zu schicken. Des weiteren ist die Arbeitslosenquote unter<br />
Ausländern, die oftmals in ghettoähnlichen Vierteln leben, höher, weswegen man oft von<br />
Armutskriminalität spricht, aber eine gesunde Gesellschaft ist doch krisenfest?<br />
Ohne Regulierung geht also offensichtlich nichts mehr, jedoch ist bis jetzt wenig passiert, um einen<br />
echten Anpassungsprozess in Gang zu setzen, denn da wäre die Gesellschaft nicht mehr<br />
multikulturell und so wird der assimilierte Teil der Zugewanderten von den Integrationsunwilligen<br />
weiterhin diskreditiert. In einem Land, was nach dem westfälischen Frieden teilweise, und während<br />
der napoleonischen Herrschaft de facto vollständig fremdbeherrscht wurde, wird das dauerhaft<br />
keine imagesteigernde Wirkung erzielen.<br />
Richtig interessant wird es dann, wenn man einen Blick auf die Befürworter dieser nicht gefestigten<br />
Gesellschaft wirft. Meistens handelt es sich dabei um Politiker, die früher Anhänger von<br />
Massenmördern wie Mao waren und heute mit dicken Autos durch die Straßen Berlins chauffiert<br />
werden. Angesprochen auf Problemlösungen reagieren sie bloß mit dem Ruf nach mehr<br />
Arbeitsbeschaffungsprogrammen für Ausländer etc., wäre das nicht diskriminierend? Oder es kommt<br />
die Mär von der Ausländerfeindlichkeit, aber ist es nicht eher feindlich gegenüber Bürgern anderer<br />
Nationen, indem man sie zu Zehntausenden verpflanzt und dann in der „neuen Welt“<br />
orientierungslos schalten und walten lässt, obwohl es tiefgreifende Unterschiede in der Lebensweise,<br />
im Frauenbild,der Religion und dem Werteverständnis gibt?<br />
Eine weitere Gruppe sind selbstverständlich Künstler und andere Prominente, die seit jeher einen<br />
Drang zum Reisen haben und sich nicht unbedingt dauerhaft in ihrer eigentlichen Heimat, welche für<br />
die Betreffenden manchmal sowieso eine andere Bedeutung hat, aufhalten müssen. Allerdings<br />
handelt es sich dabei um eine verschwindend geringe Minderheit, die Ruhm erreicht hat, den die<br />
Mehrheit unseres Volkes nie erreichen wird. Welcher normale deutsche Büroangestellte fliegt einmal<br />
in der Woche über den großen Teich?<br />
Manche Träume bleiben eben unerfüllt, wie der Traum der Liebe ohne Grenzen, denn bi-nationale<br />
Ehen werden wesentlich häufiger geschieden als Ehen zwischen Angehörigen einer Nation. So bleibt<br />
auch Heidi Klum nicht nur vom Aussehen her eine Ausnahme.<br />
Zusammenfassend ist die Diskrepanz zwischen Schein und Sein natürlich riesig. Viele Vorstellungen,<br />
was multikulturelle Gesellschaft angeht, sind zu naiv, zu einfach, zu platt. Als ob man einen frommen<br />
Moslem von heute auf morgen in eine säkularisierte Gesellschaft einbauen kann. Dafür müsste er<br />
sich selbst verleugnen, sich sofort auf ein funktionierendes Rad im unbekannten Gefüge reduzieren,<br />
52
was eigentlich menschenverachtend ist. Aber für die immer noch deutsche Mehrheit wird es keine<br />
andere Lösung als eine „Leitkultur“ geben. An grundlegenden Sachen wie die Akzeptanz unserer<br />
Werte und das Sprechen der deutschen Sprache wird kein Weg vorbeiführen. In diesem Dilemma,<br />
erzeugt durch Gruppeninteressen (soviel zum Miteinander), befinden sich nun die Politiker, welche<br />
die Wirklichkeit akzeptieren müssen. Selbst Altkanzler Schmidt (SPD) sprach von Fehlern, die in der<br />
Vergangenheit passiert sind und Daniel Cohn-Bendit (Grüne) meint überraschenderweise:<br />
„Die multikulturelle Gesellschaft ist hart, schnell, grausam und wenig solidarisch, sie ist von<br />
beträchtlichen sozialen Ungleichgewichten geprägt und kennt Modernisierungsgewinner ebenso wie<br />
Modernisierungsverlierer.“<br />
Das sollte nicht das Ziel eines Gesellschaftsentwurfes sein und eines schon gar nicht: Realität.<br />
53
Wibke Bruhns: „Meines Vaters Land“<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Donnerstag, den 20. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Bücher über Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es mehr als genug. Hinzu<br />
kommt, dass die Beurteilung des Verhaltens der damaligen Generation oft von oben herab erfolgt.<br />
Der Autor weiß oft allein schon durch die „Gnade der späten Geburt“ (Helmut Kohl), worin die Schuld<br />
der Betroffenen liegt. Diesen Stil verkörpert Guido Knopp durch seine stets anklagenden, aber selten<br />
abwägenden Geschichts-Reportagen. Um so interessanter ist es, selbstständig am Beispiel einer<br />
alltäglichen typischen deutschen Familie das Leben dieser Zeit nachzuempfinden. „Wer bin ich denn,<br />
heute zu urteilen, wo es darum geht, Früheres zu begreifen? ... Ich habe da keine Rechnungen<br />
aufzumachen und muß meinen Hochmut zügeln. ,Ihr, die ihr auftauchen werdet, aus der Flut, in der<br />
wir untergegangen sind, gedenkt, wenn ihr von unseren Schwächen sprecht, auch der finsteren Zeit,<br />
der ihr entronnen seid.“ mahnt Bertolt Brecht die Nachgeborenen. „60 Jahre später kann ich hier<br />
nicht sitzen ohne Erbarmen und ,recht haben‘. Mein Glück war die Zäsur. Was ist mit denen, die<br />
beides gelebt haben? Sollten sie, wie von DDR-Bürgern oft verlangt, die ersten 40 Jahre ihres Lebens<br />
für ungültig erklären? Immerzu Buße?“ Wibke Bruhns versucht am Beispiel ihrer Familie in<br />
Halberstadt Deutschland 1914-1945 nachzuzeichnen. Dies ist ihr gelungen. Über manche zwanghaft<br />
moralisierend wirkende Kommentare mag man hinwegsehen - ein guter Schreibstil gleicht diese<br />
Patzer leicht aus.<br />
54
Macht und Verantwortung<br />
Geschrieben von: Fellix Menzel<br />
Samstag, den 22. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Debatten über die Probleme in unserem Lande beschwören zwangsläufig die Frage nach den<br />
Verantwortlichen der Misere herauf. Aktuell zeigt sich dies am Diskurs um das Scheitern von<br />
„Multikulti“. Auffallend dabei ist, daß sich zum einen niemand schuldig bekennt und zum anderen die<br />
Suche nach den Schuldigen mehr oder weniger im Sande verläuft; Konsequenzen hat jedenfalls<br />
niemand zu befürchten.<br />
Der erste Schritt zur Lösung politischer und gesellschaftlicher Probleme muß jedoch klären, wer für<br />
sie verantwortlich ist. Wer hatte die Macht, die falschen Entscheidungen zu treffen und wer hat die<br />
Macht, heute immer noch falsch zu entscheiden?<br />
Wenn ich mir Gedanken über Machtkonstellationen mache, so nicht aus analytischem oder<br />
intellektuellen Vergnügen, sondern, weil ich glaube, daß die entscheidungsberechtigten Instanzen<br />
und Strukturen unseres Landes in ihrem Aufbau und ihrer Beschaffenheit selbst Ursache oder sogar<br />
Hauptproblem sind. Wie ist dies zu verstehen? Eindeutigen, konkreten Machtkonstellationen lösen<br />
sich seit Jahren auf und undurchsichtige Verflechtungen von Politik, Medien, Wirtschaft und<br />
Lobbyisten bescheren uns vor allem die Schwierigkeit, Entscheidungsprozesse nachzeichnen zu<br />
können und die Entscheidungsträger zur Verantwortung zu ziehen. Bildlich gesprochen kann dies mit<br />
einem Schachspiel verglichen werden, bei dem unklar ist, wer der Schachspieler ist und wer nur eine<br />
Figur ist, die so gesetzt wird, wie sie gebraucht wird. Die Rollenverteilungen für die einzelnen<br />
Entscheidungsakteure verschwimmen, so daß die Frage nach Macht und Verantwortung an<br />
Schwierigkeit zunimmt.<br />
Macht zu haben, bedeutet nicht mehr nur, Entscheidungen fällen zu können, sondern auch sie<br />
richtungsweisend zu beeinflussen. In unserem Massenzeitalter erweist sich das Volk als eine<br />
unbekannte Variable. Beherrscht jemand – vielleicht die Medien, vielleicht die Politik – die<br />
öffentliche Meinung oder kann das Volk maßgeblich eine Stimmung vorgeben, nach der sich die<br />
Entscheidungsträger richten?<br />
Ob eine unaufhörliche Gewaltenzersplitterung politischer und gesellschaftlicher Macht der richtige<br />
Weg zu einer verantwortungsvollen Politik und Politikbeeinflussung ist, wage ich zu bezweifeln.<br />
Aufgrund der zersplitterten Strukturen, die starke (autoritäre) Entscheidungsträger bestens<br />
verhindern, müssen wir nicht nur nach der Verantwortung einzelner politischer, journalistischer oder<br />
wirtschaftlicher Akteure fragen, sondern über das System an sich nachdenken.<br />
Bei diesem Nachdenken sollten wir die Forderung nach stärkeren Charakteren nicht vergessen.<br />
Charaktere, die sich klipp und klar verantworten und eine Mentalität prägen, die eigene Erfolge<br />
genauso wie das eigene Versagen gerecht zu beurteilen weiß, werden gebraucht – für das Land und<br />
vor allem für uns, die Jugend.<br />
55
Bier im Nachtbus<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Montag, den 24. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Wer kennt das nicht: man ist Abends unterwegs – war bei einer Feierlichkeit oder kommt von der<br />
Freundin nach Hause. Um noch vor dem Morgengrauen nach Hause zu kommen, nimmt man den<br />
Nachtbus, der einen als letzte kostengünstige Mitfahrvariante bleibt – Taxis gibt es ja wie Sand am<br />
Meer – nur leider zu saftigen Preisen. In Chemnitz gibt es da verschiedene Möglichkeiten, der letzte<br />
planmäßig fahrende Bus legt 00:30 Uhr im Stadtzentrum ab. Danach fahren im Stundentakt noch<br />
zwei, die aber mehrere Linien miteinander verbinden und abfahren, so dass man Umwege bis zu<br />
einer Stunde in Kauf nehmen muss. Aber warum schreibe ich das? Ich wohne am Stadtrand von<br />
Chemnitz, einer Stadt mit rustikal-urbanem Charakter – irgendwo zwischen aufstrebender Kleinstadt<br />
und scheinbar künstlichem Glanz und Kitsch einer Großstadt. Mit momentan etwa 230.000<br />
Einwohnern, bei sinkender Tendenz, weder besonders groß noch besonders klein – und auch sonst,<br />
keine besonderen Vorkommnisse. Ich bin sehr oft in dieser Stadt unterwegs – und habe mindestens<br />
zwei- bis dreimal die Woche das vermeindliche Vergnügen, diesen Nachtbus nehmen zu müssen, um<br />
von Freizeitaktivitäten, lauschigen Abenden oder Besuchen, wieder nach Hause zu kommen. Da ich<br />
überzeugter Umweltfanatiker bin, kann ich es nicht aushalten, mit einem Auto auch noch die Umwelt<br />
mit Abgasen zuzumüllen, nur weil ich nicht nach Hause laufen will. Also muss ein Kompromiß<br />
gefunden werden…<br />
Diese Busfahrten sind nun immer eine sehr interessante Möglichkeit zu privaten soziologischen<br />
Weiterbildungskursen. Man steigt ein, geschafft und müde von einem anstrengenden Tag oder<br />
vielleicht irgendwie glücklich über einen Abend zu zweit. Man hat allerlei Gedanken und möchte am<br />
liebsten so schnell wie möglich Heim und schlafen. Aber zuvor steht noch eine nicht immer freiwillige<br />
Lektion in Passagierkunde an. Also, es gibt da mehrere Typen:<br />
Zuerst das Liebespaar. Egal in welchem Alter, vielleicht gerade von einer Party nach Hause<br />
gekommen, meist unter der Mitführung allerlei alkoholischer Getränke – in jedem Falle frisch verliebt<br />
– mit einer ganzen Schmetterlingsfarm im Bauch (meist aber in Wirklichkeit viel zu vielen Alkopops) -<br />
mit der Intension schnell nach Hause – die Frage "zu mir oder zu dir" ist schon längst beantwortet<br />
und man beginnt nun schon das, was sich dann zu fortgeschrittener Stunde noch freizügiger<br />
fortsetzen läßt. Und die beiden lassen sich nicht stören – sind aber dabei nicht direkt laut, nur<br />
meistens auch nicht immer ästhetisch.<br />
Wo man auch schon beim zweiten Vertreter wären: der Enttäuschte. Auch er ein eher ruhiger bis<br />
introvertiert-depressiver Charakter, auch er hat sich vielleicht gerade von einer Party oder<br />
irgendeinem „Szeneladen“, mit den Worten „Hier ist ja eh nichts los“ oder „Ich muss morgen früh<br />
zeitig raus“, verabschiedet, sitzt er nun da, meistens sind es ja nun mal Männer, mir Bier in der Hand<br />
oder und Musik im Ohr – und will nicht so recht drüber nachdenken, dass er auch diesmal wieder<br />
keine Partyschnecke abschleppen könnte. Meistens betrachtet er sein Spiegelbild im Fensterglas des<br />
Busses und schweift ab und zu einem der Päarchen hinüber, um dann aber gleich wieder ins Fenster<br />
zu sehen – selbstverständlich wird er nicht zeitig raus müssen, selbstverständlich wird er morgen von<br />
einer „absolut langweiligen Party“ erzählen, bei der „nichts für seinen Geschmack“ dabei gewesen<br />
sei. Sicher werden auch noch ein zwei Flaschen Bier vor dem Fernsehnachtprogramm geleert – bevor<br />
er sich im Morgengrauen ins Bett wälzt – sicher zu der Zeit, in der auch bei den Liebespaaren die<br />
Augen zufallen.<br />
56
Ganz anders da die vielen wirklich Betrunkenen … meist männlich, auf zehn betrunkene Männer<br />
kommt in der Regel nur eine betrunkene Frau. Immer das selbe Erscheinungsbild: meist abgetragene<br />
Kleidung – aber nicht immer – ich unterscheide in assimilierte und nicht assimilierte Trinker – aber<br />
das führt jetzt zu weit – weiterhin charakteristisch, ein zwei Discounterplastiktüten, mit meist<br />
unzweifelhaftem Inhalt – und dann immer der scheue Blick in die Runde – oft Blicke nach draußen in<br />
die Nacht und auch oft in die Tüten – nachzählen, wie viele Braustolz heute den Brummschädel<br />
verursachen werden. Diese Gruppe ist Angsteinflößend und bedauernswert in einem. Sie sind hilflos<br />
und laut zugleich … brüllen manches Mal, werden gewalttätig – suchen Streit und wollen doch nicht<br />
verletzt werden. Sie haben verloren. Nicht selten schlägt einem schon zu Anfang der Busfahrt eine<br />
Mischung aus kaltem Rauch, Biergeruch (oft auch von Bierlachen im Bus) und Erbrochenem<br />
entgegen.<br />
Ja, es gibt noch viele Typen, wie die Jungendlichen, die in der Gruppe unterwegs sind und den ganzen<br />
Bus unterhalten, die älteren Herrschaften, die vor allem zu Weihnachten oder in der Grillsaison von<br />
Festen und Betriebsfeiern kommen und den Chef (der heute auch mal ganz volkstümlich mit dem Bus<br />
fährt) kumpelhaft duzen - immerhin ist man ja über dem Trinken perdu geworden – Montag ist es<br />
dann wieder Dr. Schmidt. Dann gibt es noch die Nachtmenschen, die irgendwie ziellos mit dem Bus<br />
unterwegs sind. Meistens stehen sie vorn beim Busfahrer und versuchen ihn in irgend ein banales<br />
Gespräch zu verwickeln. Auch sie mit Aldi – oder Lidltüte. Und viele viele andere.<br />
Auf Grund dessen, dass ich wohl zu jenen Leuten gehöre, die im Bus weder durch exzessives<br />
Knutschen, noch zu laute Musik oder Gegröle ausfallen, kann ich in Ruhe beobachten und eines ist<br />
mir vor allem bewusst geworden, seit dem ich aus Überzeugung keinen Alkohol mehr trinke: nahezu<br />
alle Passagiertypen sind Brüder und Schwestern in ihrem kollektiven Suff. Chemnitz hat ein<br />
Alkoholproblem – und sicher nicht nur wir – ich glaube das Problem ist größer – es ist ein Problem<br />
unserer Gesellschaft – unserer Zeit. Noch nie habe ich so viele Betrunkene so verschiedenster<br />
Zusammensetzung gesehen, wie in meinen Nachtbusfahrten. In Deutschland wird angefangen von<br />
der Einweihung einer neuen Telefonzelle bis hin zur Familienfeier oder Bertiebseröffnung – immer<br />
getrunken.<br />
Die Ergebnisse lassen sich dann am späten Abend bestaunen, wenn die Berufstrinker, die<br />
gefährdeten Hobbyschlucker und Partytrinker, von der Bildfläche verdrängen. Wenn Busse<br />
unterwegs sind, die in Summa eine Promillezahl im zweistelligen Bereich aufweisen, wird es mir doch<br />
ein bißchen kühl und ängstlich ums Herz – nicht zuerst um meine eigene Generation, da man die zu<br />
Großteilen jetzt schon abschreiben kann – nein mehr um unser Land – unsere Zukunft.<br />
Ich will jetzt keinen Moralapostel spielen und auch nicht dafür werben, dass jetzt jeder einen Trinker<br />
zur Pflege bei sich aufnehmen soll, aber ich möchte daran erinnern, dass man soziale Probleme und<br />
Spannungen – Einsamkeit und tiefe Trauer – nicht immer zuerst in den Gebieten von Elend und Not,<br />
viele tausend Kilometer von uns entfernt bemerken soll, sondern dass man die Augen zuerst in seiner<br />
Umgebung aufhalten soll – das Elend beginnt nebenan – inmitten eines der reichsten Länder der<br />
Erde!<br />
57
Gedicht: der wald beginnt in der stadt<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Donnerstag, den 27. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
…<br />
manche reisen um die welt-<br />
zu suchen, was sie bei sich nicht finden können.<br />
manche treiben dahin-<br />
zu suchen, was die reisenden schon fanden.<br />
manche sind frei und suchen nicht.<br />
in dieser nacht,<br />
haben sie dein bild an den himmel projiziert -<br />
um ihre kriege zu beenden.<br />
sie haben deinen duft in die straßen strömen lassen -<br />
um den haß von der welt zu tilgen.<br />
ich laufe quer durch die wälder,<br />
die sich in die stadt ausbreiten<br />
auf den vielen brachen<br />
gedeiht neues wesen –<br />
und denke an dich.<br />
58
Ankündigung: Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> expandiert nach<br />
Staßfurt<br />
Thomas Bartsch<br />
Mittwoch, den 03. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> startet am 10. Mai <strong>2006</strong> am Dr. Frank-Gymnasium in Staßfurt. Mit unserer kleinen<br />
Redaktionsmannschaft werden wir das Format einer freigeistigen, kulturellen und unabhängigen<br />
Schülerzeitung in Staßfurt etablieren. Zum „Welttag der Pressefreiheit“ am 3. Mai <strong>2006</strong> kündigen wir<br />
mit einer Flugblattaktion an unserer Schule das Erscheinen der neuen Schülerzeitung an.<br />
Gewöhnlich versuchen sich Medien und Politik am „Welttag der Pressefreiheit“ an einer globalen<br />
Draufsicht auf die Presse, erörtern Probleme von Journalisten im Umgang mit totalitären<br />
Regierungen und lobpreisen den Mut ausgewählter Journalisten. Eine Dimension von Welt<br />
vernachlässigen sie dabei, auf die es uns ankommen muß: Welt beschreibt primär die von uns<br />
wahrnehmbare Welt, unsere Umwelt.<br />
In unserer Schulumwelt möchten wir unsere Pressefreiheit nutzen, denn Pressefreiheit ist nur dort,<br />
wo man sie nutzt. Entgegen negativer Beispiele aus der Welt – insbesondere aus der Dritten Welt –<br />
herrscht bei uns Meinungs- und Pressefreiheit. Bis hinein in das Schulgesetz ist den Schülern ihre<br />
Pressefreiheit garantiert. Paragraph 54 des Schulgesetzes von Sachsen-Anhalt regelt die Freiheit der<br />
Schulpresse. Schülerzeitungen fallen demnach nicht in den Verantwortungsbereich der Schule und<br />
des Direktors sondern können eigenmächtig und auf eigene Verantwortung von Schülern<br />
herausgegeben werden.<br />
Von diesem Recht werden wir Gebrauch machen und voller Enthusiasmus die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> in<br />
Staßfurt zum Gedeihen führen. Alle Staßfurter Gymnasiasten rufen wir auf, sich an unserem Projekt<br />
zu beteiligen. Die Redaktion in Staßfurt soll weiter wachsen.<br />
Es gibt wenige kulturelle Angebote für Jugendliche in Staßfurt und in Sachsen-Anhalt. Die <strong>Blaue</strong><br />
<strong>Narzisse</strong> bietet ein wertvolles Angebot zur kulturellen Bildung für Gymnasiasten und schafft eine<br />
attraktive Möglichkeit, selbst aktiv erste Erfahrungen im Journalismus zu sammeln.<br />
59
Auswanderung – Die Fähigen gehen und die Dummen bleiben<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Freitag, den 05. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
150.000 Deutsche wanderten laut dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2004 aus – Tendenz:<br />
steigend. Der Wettkampf um die besten Köpfe geht immer öfter verloren. Die Gründe sind der<br />
schlechte Wirtschaftsstandort Deutschland, das marode Sozialsystem und die wuchernde Bürokratie.<br />
Protest dagegen formiert sich nicht und so gehen die Fähigen weiter und weiter. Die Dummen<br />
hingegen bleiben. Dauernd spricht man über Globalisierung. Großkonzerne verlagern sich nach<br />
Asien, verringern so ihre Kosten für die Produktion und Autohersteller zieht es nach Osteuropa.<br />
Billiglohnländer profitieren und Deutschland versucht krampfhaft, den eigenen Platz im<br />
Wirtschaftsgeflecht zu bestimmen.<br />
Wo der eigene Platz ist, fragen sich auch immer mehr junge, aufstrebende Akademiker. Ihre<br />
Antworten fallen leider viel zu unterschiedlich aus: Norwegen, Amerika, Shanghai und manchmal<br />
auch Deutschland. Die deutsche Nachwuchselite zieht weg. Die Globalisierung schafft eine<br />
grenzenlose Individualisierung der Fähigen. Wer sein Fach sehr gut beherrscht, der findet überall auf<br />
der Welt lukrative Angebote.<br />
Der Einzelne richtet seine berufliche Zukunft nicht nach hehren Idealen aus. Ob er seine Nation<br />
voranbringt, interessiert ihn nicht; er stellt seinen eigenen Nutzen in den Vordergrund.<br />
Selbstverwirklichung steht für ihn über der Volksidentität.<br />
Der akademische Bodensatz<br />
Ein Blick auf die Hochschullandschaft verrät neben der Tendenz zum Auswandern traurige<br />
Wahrheiten über den akademischen „Bodensatz“. Die Massenuniversitäten bewirken sinkendes<br />
Niveau und schlechtere Berufschancen für den durchschnittlichen Akademiker. Viele Studenten<br />
plagen sich bis zu 20 Jahren in miefigen Klassenzimmern und überfüllten Hörsaälen. Der Mehrwert<br />
ihrer Mühen ist häufig verschwindend gering. Gerade die Geisteswissenschaftler sind ein Problemfall.<br />
Mehr als 30 % brechen vorzeitig ihr Studium ab und für die viel zu vielen Geisteswissenschaftler gibt<br />
es viel zu wenige geisteswissenschaftliche Berufe. Für Politologen, Philosophen und Soziologen steht<br />
die Jobampel auf Rot.<br />
Die Politologin Christina Schneider gibt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 26. April<br />
<strong>2006</strong> zu bedenken, daß Massenuniversitäten die Ausmaße der Arbeitslosigkeit vertuschen sollen. Die<br />
Öffnungen der Universitäten fänden bewußt in den Geisteswissenschaften statt, da die Regierung so<br />
auf eine billige Weise die Arbeitslosenstatistik schönen könne.<br />
Das Heer der Dummen<br />
Das Phänomen der Binnenmigration hat es bereits gezeigt: Die Fähigen gehen und die Dummen<br />
bleiben. Die Globalisierung schafft neben den exzellent ausgebildeten Spezialisten auch ein Heer der<br />
Verlierer. Sie haben nicht die Kraft wegzugehen und sich anderswo eine neue Existenz aufzubauen.<br />
Zu Eigeninitiative reicht es auch nicht und so bemitleiden sie sich gegenseitig in ihrer ertragbaren<br />
„Armut“.<br />
Deutschland muß aufpassen, nicht zum Heer der Verlierer zu mutieren. Deutschland muß wieder<br />
gewinnen und wenn Deutschland wieder gewinnen soll, dann muß jeder einzelne eine Mentalität des<br />
Gewinnens verinnerlichen.<br />
60
Serie: Bücher aus der Mottenkiste (Teil 2). Wladimir<br />
Kaminer: „Mein deutsches Dschungelbuch“.<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Montag, den 08. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
„Die Straßen waren leer, es war kalt und regnete. Vor dem Marx-Denkmal standen drei<br />
angetrunkene Männer mit roten Zipfelmützen, wahrscheinlich waren sie vom Gartenzwerg-Kongress.<br />
Der eine pinkelte, seine zwei Freunde hielten sich an Marx fest.“ Wladimir Kaminer reist durch die<br />
deutsche Provinz. Per Zug lernt der Autor unter anderem Tübingen, Kaiserslautern, Sinsheim, Fulda,<br />
Quedlinburg, Heidelberg, Halle und auch unsere Heimatstadt Chemnitz kennen. Dabei entsteht ein<br />
trostloses Bild. Wenngleich ein lockerer, sprunghafter und anekdotenhafter Stil das Buch dominiert,<br />
schimmern zwischen den Zeilen witzige und zugleich ernüchternde Bilder hervor. Kaminer greift<br />
dabei wesentlich auf eigene, aktuelle Erlebnisse zurück, an tiefgehenden historische Berichte über<br />
die besuchten Orte mangelt es. Ärgerlich, wenn ich bedenke, dass gerade zu Aachen, Naumburg,<br />
Marburg und Regensburg sicher einiges zu erzählen wäre. Leider bleibt es nur bei Einblicken in<br />
Studentenkneipen und Vorlieben bezüglich Bratenfett.<br />
Fazit: Ein amüsantes, schnell zu lesendes Buch dem es aber an Tiefgang fehlt.<br />
61
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> auf Erfolgskurs.<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Montag, den 08. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Wien, 06. Mai <strong>2006</strong>. Das zurückliegende Wochenende, war für unser Literaturprojekt „<strong>Blaue</strong><br />
<strong>Narzisse</strong>“, ein zugegeben sehr Erfolgreiches. Wie schon im letzten Jahr beteiligten wir uns an der<br />
Ausschreibung des „Carl von Hochenegg Preises“, der freigeistigen Wiener Burschenschaft Libertas.<br />
Im letzen Jahr erreichten wir den ersten Platz und konnten das üppige Preisgeld, für die Förderung<br />
von Freigeist und Meinungsfreiheit in der jungen Chemnitzer Literaturlandschaft, gewinnbringend<br />
einsetzen. Auch in diesem Jahr belegten waren wir wieder ganz vorn mit dabei: Für das<br />
Neuentstehen des Onlinemagazins und die Expansion der Printausgabe ins Sachsen-Anhaltinische<br />
Staßfurt, erreichten wir den zweiten Platz, des dieses Jahr noch höher dotierten Preises. In seiner<br />
bewegenden Dankesrede würdigte unser Netzseitenverantwortlicher und Mitarbeiter Marco Kanne,<br />
den Einsatz der Redaktion, sowie die unermüdliche Arbeit und der vielen Unterstützer und<br />
überzeugten Helfer, im alltäglichen Kampf für Presse- und Meinungsfreiheit.<br />
Sicher ist, dass auch das diesjährige Preisgeld eine wertvolle Stütze unserer Arbeit sein wird und auch<br />
weiterhin unserem Kampf Rückendeckung gibt.<br />
Unbedingt sollte auch erwähnt werden, dass es auch in Wien den einen oder anderen verwirrten<br />
Geist gibt, der sich offen gegen die Verteidigung von Meinungsfreiheit einsetzt: So wurden zwei<br />
unserer Mitarbeiter, auf dem Heimweg von der Preisverleihung in Wien, brutal<br />
zusammengeschlagen. Die Täter konnten ungestraft entkommen und sind nach übereinstimmenden<br />
Aussagen, von Zeugen und auch Äußerungen gegenüber betreffenden Mitarbeitern, eindeutig der<br />
„Antifaschistischen Bewegung“ zuzuordnen. Man weiß also zunehmend, wie es diese Gruppe mit der<br />
Wahrung von Menschenrechten hält – wollten sie nicht vor erst kurzer Zeit „Burschen schlachten“?<br />
Man kann also festhalten, dass sich unser Einsatz lohnt und gelohnt hat. Durch die erneute<br />
Würdigung unserer Arbeit, sehen wir Fortschritte und ernten die Erträge unserer mühevollen Saat.<br />
Dies ist aber kein Grund, um sich nun auf den neuerlichen Lorbeeren auszuruhen: der Zwischenfall in<br />
Wien, sowie die permanenten Hetzkampagnen gegen unsere Grundüberzeugung, sind Wasser auf<br />
unsere Mühlen und weisen den Weg in eine weiterhin kämpferische Zukunft.<br />
62
Gedanken zu Aldous Huxley: „Schöne neue Welt. Ein Roman<br />
der Zukunft"<br />
Geschrieben von: John Palatini<br />
Donnerstag, den 11. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
1932 veröffentlicht, erfreut sich der „im Jahre 632 nach Ford“ angesiedelte Roman Aldous Huxleys<br />
auch heute noch großer Beliebtheit. Die Menschen der Zukunft verehren nicht mehr Jesus Christus,<br />
sondern Henry Ford als ihren Heiland. Überhaupt ersann der Autor eine ferne, man möchte meinen<br />
schrecklich schöne Welt, die nur noch wenig mit dem Vertrauten zu tun hatte. Doch schon 1949<br />
staunte Huxley selbst darüber, dass er für das Eintreffen der meisten seiner Prognosen einen viel zu<br />
großzügigen Zeitrahmen angenommen hatte. Vieles war schon in kürzester Zeit Wirklichkeit<br />
geworden. Kinder werden in der „schönen, neuen Welt“ industriell geboren und anschließend<br />
aufwendig genormt, heißt: auf Linie erzogen. In den Schlafsälen der Brut- und Normungszentralen<br />
wird ihnen alles notwendige eingeflüstert. Durch hundertfache Wiederholungen lernen sie im Schlaf<br />
den Sinn ihres neuen Lebens kennen und lieben. Aus der Art geschlagene Problemfälle sind kaum<br />
noch denkbar: Weder Menschen mit Behinderungen noch Individualisten, die den Leitspruch der<br />
Weltkultur – Gemeinschaftlichkeit, Einheitlichkeit, Beständigkeit – nicht unterschreiben wollen. Für<br />
die wenigen, die dennoch zur bestehenden Gesellschaft inkompatibel sind, existieren geeignete<br />
Lösungen. Revolutionen jedenfalls wird es nicht mehr geben.<br />
Wohlstand für alle<br />
Für alle anderen ist die neue Welt eine Welt voller Annehmlichkeiten: Immer wird es nur so viele<br />
Menschen geben, wie für die Beständigkeit des Systems erforderlich sind; für alle existiert ein<br />
sicherer Arbeitsplatz; keine Konkurrenz mehr; kein Kampf um einen Platz an der Sonne. Jeder tut,<br />
wozu er erschaffen wurde und liebt sein Leben. Stahlwerker lieben die Hitze, Kanalarbeiter den<br />
Dreck. Alle sind in ihrem jeweiligen Metier glücklich. Wohlstand für alle. Freizeit und Konsum im<br />
Überfluss. Keine einengenden Moralvorstellungen mehr: Sexualität schon für Kinder – jeder mit<br />
jedem. Krankheiten sind ausgerottet, nur das Sterben noch nicht. Doch das der Tod nichts trauriges<br />
ist, auch das lernen die Kleinsten schon im Schlaf. So lässt es sich leben: Viel besser als mit all den<br />
Gefühlen, die uns Tag ein Tag aus plagen. Trauer, Leidenschaft, Liebe – solche Affekte zeitigen<br />
unvorhersagbare Abweichungen und sind deshalb Gift für eine beständige Gesellschaft.<br />
Gefühlsbefreit wird Sex zur Freizeitveranstaltung, zum kollektiven Hobby, für das man sich nach der<br />
Arbeit mit immer neuen Partnern verabredet.<br />
Kulturelle Bedürfnisse sind unnötig!<br />
Neun Jahre Krieg waren nötig, um den gefährlichen Individualismus auszurotten. In der Zukunft<br />
gehört nun jeder jedem. Privatsphäre ist nicht mehr nötig. Alleinsein ein nicht mehr vorhandenes<br />
Bedürfnis. Im Gegenteil: Ruhe vor den anderen und stille Naturbetrachtungen machen den neuen<br />
Menschen Angst. Auch Bücher erzeugen bei ihnen Panik. Dies freilich nicht zufällig: In ihrer Kindheit<br />
konditioniert – Blumen und Bücher zusammen mit Elektroschocks – immer wieder in unzähligen<br />
Lektionen, und schon waren die sentimentale Bedürfnisse nach Abgeschlossenheit, Natur und<br />
Literatur für immer erloschen. Dahinter nun steckt eine einfache Logik: Landschaft und Bücher<br />
kosten nichts. Von Bücherlesern und Naturbetrachtern wird keine Fabrik in Gang gehalten – und<br />
allein darum geht es doch: das stabile System. Die Menschen der neuen Welt sind deshalb auch<br />
wackere Konsumenten. Sie tun das, was nötig ist, um das System am Leben zu erhalten: Sie arbeiten<br />
und stellen Güter her, die sie in ihrer Freizeit konsumieren.<br />
63
Die Masse der Menschen lebt heute nicht anders als sie Huxley uns<br />
vorstellt.<br />
Ist die schöne neue Welt doch näher als uns lieb sein kann? Die Jagd nach der neuesten Mode, dem<br />
angesagtesten Trend, dem hippesten Teil, die immer weiter enthemmte Sexualität, der Totalverlust<br />
moralischer und ethischer Grundüberzeugungen, der Kauf dich glücklich Religionsersatz, die<br />
Tendenz, das Gefühl der Leere immer exzessiver zu betäuben? Natürlich: Die Masse der Menschen<br />
lebt heute nicht anders als sie Huxley uns vorstellt: Sie gehen arbeiten, nutzen Freizeit- und<br />
Konsumangebote um ihr Geld wieder los zu werden und trinken viel, regelmäßig und immer dann,<br />
wenn ein Loch sich auftut. Ganz auf den Genuss dressiert, vergessen sie das Kinderkriegen und<br />
versuchen – hier noch ein Unterschied – hilflose, am Materiellen orientierte Beziehungen zu führen.<br />
Doch die Menschen unserer Zeit berauschen sich nicht allein, um ihre innere Leere zu kompensieren<br />
und der Sinnfrage zu entgehen. Sie haben vor allem auch Angst vor ihrer Zukunft. Und dieser<br />
Unterschied ist entscheidend, denn Angst ist in der neuen Welt ein Fremdwort. Dort gibt es keinen<br />
Grund Angst zu haben; keine Gefahr droht, kein Zusammenbruch des (Sozial-)System, keine<br />
Revolution, kein Krieg. In unserer Welt hingegen gibt es Gründe genug: Vor allem leiden wir daran,<br />
dass unsere ganz private kleine Welt zerbrechen könnte, dass sie im Sog des berstenden Systems,<br />
zerrieben zwischen Arbeitslosenquote und Rentenloch, untergeht und wir fortan, mit Unglück<br />
gestraft, ganz elend dahin vegetieren müssten. Allein schon diese Vorstellung lässt vielen Mitgliedern<br />
unserer Wohlstandsgesellschaft das Leben im Hier und Jetzt zur Hölle werden. Aus diesem<br />
Blickwinkel haben die Machthaber der neuen Welt ganz Recht: Ihre Menschen wollen keinen Sinn,<br />
keine Freiheit; sie wollen Sicherheit; eine heile Welt, die funktioniert und funktioniert und immer so<br />
fort, ohne das man fürchten müsste, dass es morgen vorbei sein könnte.<br />
In Wahrheit sehnen die Menschen unserer Zeit doch genau eine solche Welt herbei. Freiheit schön<br />
und gut, aber bitte mit Sicherheiten, denn was nützt die Freiheit, wenn ich mir nichts leisten kann,<br />
wenn ich permanent unglücklich bin, Schmerzen leide und Trauer trage, älter werde, krank bin,<br />
Schönheit und Jugend verliere, ständig begehre und keiner meiner Wünsche sich erfüllen lässt, die<br />
Drogen allmählich ihren Dienst versagen und alle anderen mehr haben als ich. Gerade dort, wo die<br />
individuelle Kompensation spröde wird, wächst die Sehnsucht nach einer neuen, einer ganz anderen<br />
Ordnung, als sie sich jeder von uns wünschen kann. Um so bedrückender und aussichtsloser die<br />
Masse der Menschen die je individuelle Wirklichkeit empfindet, um so mehr von ihnen werden bereit<br />
sein, neuen Propheten zu folgen und von ihrer Freiheit auf dem Altar der Glücksverheißungen zu<br />
opfern; einer Freiheit mit der sie ohnehin nichts anfangen können, die sie überfordert und<br />
unglücklich macht. Deshalb wird es so kommen: Der Ruf nach einer schöneren, neuen Welt wird<br />
lauter werden!<br />
PS (marxistische Schlussvariante): Bei Huxley sind es neun Jahre Krieg, Milzbrandbomben, Millionen<br />
Tote und dann das kollektive Wir anstatt des unerträglich gewordenen Ichs. Ein neues Paradies, in<br />
dem allen, ob sie es wollten oder nicht, die Verantwortung für das eigene Leben, die Freiheit, auch<br />
das Recht auf Unglück und Leiden genommen ist. Ließe sich statt dessen der Traum von der<br />
Emanzipation nicht doch noch einmal träumen? Der Traum von einer Welt, in der wir alle erkannt<br />
haben, dass es die eine Totalität unserer Existenz nicht gibt, dass statt dessen das Riesenreich der<br />
Geschichte, der Philosophie und Religion, der Kunst und Wissenschaft auf jeden von uns wartet, –<br />
eine Welt, in der alle teil haben am Erkunden und Genießen der unermesslichen Schätze, die unsere<br />
Vorfahren für uns geborgen und erschaffen haben, – eine Welt, in der wir trotz unsere Individualität<br />
glücklich zusammen leben, ohne Zwangskollektivierung und Ausschaltung unseres Willens, ein Reich<br />
der Freiheit für alle Menschen, in dem alle begriffen haben, dass Freude und Leid, Glück und Unglück,<br />
64
Glanz und Elend immer die Seiten einer Medaille sind, deshalb nie überwunden werden können und<br />
zu uns Menschen gehören bis zum Ende unserer Zeit. Wie viel Wunderbares hat der Mensch, dieses<br />
fragile Wesen gerade zwischen diesen Polen seiner Existenz hervorgebracht, worauf müssten wir<br />
heute verzichten, wie unermesslich die Langeweile, wären der Mensch und seine Gesellschaft nichts<br />
anderes als beständig.<br />
65
Wenn die Argumente ausgehen …<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Sonntag, den 14. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Chemnitz ist in vielerlei Hinsicht eine typische mitteldeutsche Stadt. Eine hohe aber noch nicht<br />
unmittelbar alarmierende Arbeitslosenquote – soziale Probleme und Spannungen, vor allem in den<br />
Brennpunkten – eine teilweise irrsinnig bis groteske Stadt- bzw. Kommunalpolitik, die versucht die<br />
Wunden der Wendezeit einigermaßen zu heilen (aber nicht selten doch lieber die Wende rückgängig<br />
gemacht haben wöllte…) – und unter anderem auch, eine latent wachsende und immer bedrohlicher<br />
werdende Kriminalität. Der eingeweihte und ortskundige Chemnitzer weiss, nicht selten aus eigener<br />
Erfahrung heraus, welche Stadtteile man vor allem in den Nachtstunden besser meiden sollte. Ich<br />
möchte hier auf keinen Fall pauschalisieren, zwar ist ein klarer Trend mithin noch keine<br />
wissenschaftlich belegte Studie, aber alle die Gegenteiliges zu behaupten versuchen, können ja ein<br />
Selbstexperiment im „Heckertgebiet“ (zu DDR-Zeiten das Vorzeigearbeiterviertel schlechthin, heute<br />
mehr und mehr Brennpunkt Nummer 1. Nicht zuletzt durch die massive Ansiedelung von<br />
Spätaussiedlern aus Osteuropa) oder auf dem „Sonnenberg“ (ebenfalls altes Arbeiterviertel aus der<br />
Gründerzeit. Heute zumeist Wohngebiet sozial schwacher Familien und ebenfalls vieler<br />
Spätaussiedler) starten. Ich möchte dafür nichts garantieren.<br />
Nimmt man sich jetzt unter<br />
http://www.sachsen.de/de/bf/staatsregierung/ministerien/smi/index.html , nun einmal die<br />
aktuellen Zahlen der Kriminalitätsstatistiken zur Hand, so stellt man zunächst fest, dass in vielen, allzu<br />
blumig daher kommenden, Formulierungen immer wieder betont wird, wie positiv sich doch alles zu<br />
entwickeln scheint. Zitat:<br />
„Im Jahr 2005 registrierte die Polizei im Freistaat Sachsen insgesamt 318166 Straftaten. Das<br />
entspricht dem niedrigsten Kriminalitätsniveau seit 1993. Im Vergleich zu 2004 wurden 17597 Delikte<br />
(5,2 Prozent) weniger registriert. Dabei kamen auf 100 000 Einwohner 7406 Straftaten, 364 weniger<br />
als im Jahr 2004.“<br />
Es geht also aufwärts – zumindest scheint es so. Denkt man aber ein wenig genauer nach, so stellt<br />
man fest, dass es kurz nach der Wende, also auch 1993, nicht gerade ruhig zuging. Zwar war ich in<br />
diesem Jahr selbst erst 7 Jahre alt, doch erinnere ich mich noch gut, welche Auseinandersetzungen<br />
sich die damals wesentlich radikaleren und teilweise sehr gewalttätigen Gruppen von „Skinheads“<br />
und „Punks“ lieferten. Es war die Zeit von Hausbesetzungen [einige Chemnitzer Häuser sind bis heute<br />
noch in Hausbesetzerhand: „Stadtindianer“ (Kaßberg), „Immermannstraße“ (Kaßberg), „Alternatives<br />
Jungendzentrum“ (Fürth)]. Es ist also kurz gesagt Augenwischerei, ja schon fast gezielte Täuschung,<br />
wenn von offizieller Seite aus behauptet wird, dass sich die Kriminalität rückläufig entwickeln würde.<br />
Denn weiter unten steht zum Beispiel zu lesen:<br />
„Gewaltdelikte machen im Rahmen der Straßenkriminalität weniger als ein Zehntel aller Fälle aus,<br />
lassen aber eine steigende Tendenz erkennen. 2005 wurden 1705 gefährliche und schwere<br />
Körperverletzungen erfasst, 10,4 Prozent mehr als 2004.“<br />
oder<br />
„2005 fanden 45,9 Prozent aller Diebstähle in Sachsens Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz<br />
statt. Bei Diebstahl in/aus Kfz waren es sogar 59,1 Prozent, bei Diebstahl von Kraftwagen 52,4<br />
Prozent.“<br />
66
Besonders auffallend ist in Chemnitz die steigende Tendenz von Gewaltstraftaten mit schwerer bis<br />
gefährlicher Körperverletzung, Diebstahl- und Raubdelikte, sowie Sachbeschädigung. Immer wieder<br />
werden in diesem Zusammenhang vor allem Jugendliche und junge Erwachsene als Täterkreis<br />
benannt. Und wen wundert es, wenn man sich das sich zunehmend verschlechternde Umfeld<br />
ansieht, dass alles andere als Aufbruchstimmung vermittelt. Fast wöchentlich wird von Schlägereien<br />
mit teilweise brutalsten Ausgängen berichtet. So waren die Notärzte in der Nach vom 30. April auf<br />
den 01. Mai im Dauereinsatz. Fast auf allen der insgesamt 9 Chemnitzer „Hexenfeuern“ kam es zu<br />
schweren Auseinandersetzungen, nicht selten unter erheblichem Alkoholeinfluß.<br />
Besonders erschreckte mich die Tatsache, dass in der Nacht vom Freitag auf Sonnabend, also<br />
gestern, erneut 4 Mitarbeiter der „<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>“ Opfer von Gewalt wurden. Der Ausgang war<br />
weniger erfreulich: ein Mitarbeiter verlor einen Schneidezahn, ein weiterer bekam durch einen<br />
Schlag ins Gesicht ein blaues Auge, dem Dritten wurde der Rucksack samt persönlicher Dokumente<br />
gestohlen, der Vierte hatte Glück und kam mit dem Schrecken davon. Es wurden umgehend zwei<br />
Anzeigen wegen Körperverletzung und Diebstahl erstattet.<br />
Es geht jetzt nicht darum, hier Horrorszenarien an die Wand zu malen und Angst zu schüren. Es wird<br />
sicher noch (hoffentlich sehr lange dauern) bis wir New Yorker Zustände haben sollten – doch eines<br />
steht fest, die Gesellschaft radikalisiert sich zunehmend und immer seltener wird gedacht – wenn die<br />
Argumente ausgehen, ist Gewalt ein immer probateres Mittel, gegen Armut, Unsicherheit und<br />
Zukunftsängste, einer immer zeilloseren Generation.<br />
67
Der Zölibat des katholischen Priesters<br />
Geschrieben von: Gastautor Pfarrer Georg Alois Oblinger<br />
Dienstag, den 16. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Oftmals ist es die erste Frage, die Jugendliche einem katholischen Priester stellen: „Leben Sie<br />
tatsächlich ehelos?“ Nicht selten werden dann auch Einwände gegen diese Lebensform geäußert: Sie<br />
sei nicht mehr zeitgemäß, sogar leibfeindlich, sie entspräche nicht dem Willen Jesu, sie sei für viele<br />
ein Hindernis, Priester zu werden, und sie würde von vielen Priestern sowieso nicht gelebt werden.<br />
Wie ist es nun tatsächlich? Die Männer die Jesus in seine Nachfolge rief, waren mehrheitlich<br />
verheiratet. Doch dann berichtet die Bibel, daß sie alles verließen, um Jesus nachzufolgen. Die<br />
Nachfolge Jesu war ihnen so wichtig, daß sie Haus und Hof, Frau und Kinder zurückließen. Sie<br />
vertrauten Jesu Worten: „Amen, ich sage euch, jeder, der um des Reiches Gottes willen Haus oder<br />
Frau, Brüder, Eltern oder Kinder verlassen hat, wird dafür schon in dieser Zeit das Vielfache erhalten,<br />
und in der kommenden Welt das ewige Leben.“ (Lk 18,28-30)<br />
Bereits in den ersten christlichen Jahrhunderten wurde diese Lebensform dann als verpflichtend<br />
festgelegt, so im Jahr 305 in der Synode von Elvira (Spanien) und im Jahr 390 in der zweiten Synode<br />
von Karthago.<br />
Doch der Zölibat hatte es noch nie leicht. Es gab immer wieder Männer ohne wirkliche Berufung, die<br />
den Priesterberuf wegen finanzieller Vorteile ergriffen, aber das hohe Ideal des Zölibates nicht leben<br />
konnten. Erstaunlicherweise hat die Kirche aber nie die Zölibatsforderung gelockert, sondern sie<br />
bekräftigt und auf die Einhaltung dieser Verpflichtung gepocht, so vor allem Papst Gregor VII. im 11.<br />
Jahrhundert und das Konzil von Trient im 16. Jahrhundert. Auch nach dem Zweiten Vatikanischen<br />
Konzil (1962-1965) wurde entgegen der Erwartung vieler der Zölibat nicht aufgegeben.<br />
Praktische Gründe dafür und dagegen dürften sich die Waage halten. Den schon genannten Gründen<br />
gegen den Zölibat muß die größere Verfügbarkeit des ehelosen Priesters entgegen gehalten werden.<br />
Auch kann sich der unverheiratete Priester in Zeiten schwerer Verfolgung leichter zum Widerstand<br />
entscheiden. Dies kann durch die Geschichte belegt werden.<br />
Doch der eigentliche Grund ist ein tieferer. Jesus selbst erzählt ein Gleichnis von einem Mann, der<br />
eine kostbare Perle fand und daraufhin alles verkaufte, was er besaß, um diese eine Perle zu kaufen.<br />
Dieser Mann war offensichtlich ein Idealist. Wer für ein großes Ziel lebt, ist bereit, um dessentwillen<br />
auch auf vieles zu verzichten, aber dabei eine größere innere Freiheit zu gewinnen. Das wird<br />
allerdings nie allen Menschen begreifbar sein, am wenigsten dem angepassten Mitläufer. So schloss<br />
schon der Apostel Paulus sein Plädoyer für die Ehelosigkeit um des Gottesreiches willen mit des<br />
Worten „Wer es fassen kann, der fasse es.“<br />
68
Das „andere Leben“ des Ulrich Mühe<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 18. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Am letzten Freitag wurde dem Schauspieler Ulrich Mühe der Deutsche Filmpreis für seine Rolle als<br />
Stasihauptmann Gerd Wiesler in „Das Leben der Anderen“ in der Kategorie „Beste Hauptrolle“<br />
verliehen. Mühe kennt die Künstlerszene der DDR, die er im preisgekrönten Film vom Dachboden aus<br />
belauscht, bestens. Bis 1989 wurde er selbst als damals bereits erfolgreicher Schauspieler vom MfS<br />
beobachtet.<br />
An den 4. November 1989 wird sich Ulrich Mühe sein Leben lang erinnern können. Der am 20. Juni<br />
1953 im sächsischen Grimma geborene Sohn eines Kürschnermeisters organisierte an diesem Tag<br />
eine Demonstration mit einer Million Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz mit. Er trat als<br />
Redner auf, um endlich dem Nachdruck zu verleihen, was er schon lange spürte. Heute sagt er offen,<br />
die DDR war eine Diktatur.<br />
Kunst in der Diktatur<br />
Ulrich Mühe stieg in den 80er Jahren schnell auf. Der vielseitige und wandlungsfähige Schauspieler<br />
durfte am Deutschen Theater in Berlin die großen Heldenrollen interpretieren. Auch in Fernseh- und<br />
Kinofilmen überzeugte er. So war es nicht weiter verwunderlich, daß er auch aus dem Westen erste<br />
Angebote bekam. Über die Landes- und Mauergrenzen hinweg erwirbt er sich durch den<br />
westdeutschen Film „Das Spinnennetz“ nach Joseph Roth Anerkennung.<br />
Die Dreharbeiten hierzu haben für den DDR-Schauspieler jedoch ein Nachspiel. Sein Arbeitsvisum für<br />
den Dreh nutzt Mühe auch zu privaten Theater- und Kinobesuchen. Die Stasi verpaßt ihm dafür einen<br />
Denkzettel. Sie bestellen ihn zur erneuten Musterung und schüchtern ihn gehörig ein. Die<br />
Staatssicherheit hat Mühe ständig im Auge.<br />
Dies war der einzige Kontakt von Ulrich Mühe zur Stasi. Sie beobachteten ihn auf das genaueste.<br />
Mühe konnte sich davon in seiner Stasiakte überzeugen. Der Vorfall zeigt aber auch, daß Künstlern<br />
zumindest ein wenig Narrenfreiheit eingeräumt wurde.<br />
War Mühe mit einer IM verheiratet?<br />
Heute beschäftigt Mühe nicht nur seine eigene Akte. Über seine ehemalige Frau, Jenny Gröllmann,<br />
ebenfalls Schauspielerin, kursieren seit Jahren Gerüchte, sie sei Informelle Mitarbeiterin der<br />
Staatssicherheit gewesen. Unter dem Decknamen „Jeanne“ wurde sie als IM geführt.<br />
Ein Rechtsstreit muß nun klären, ob Jenny Gröllmann davon wußte. Eins hat Gröllmann schon<br />
erreicht: Ulrich Mühe darf nicht mehr behaupten, daß seine damalige Frau bei der Stasi gearbeitet<br />
hat. Die Passagen im Begleitbuch zum Film „Das Leben der Anderen“, in denen Mühe dies angibt,<br />
mußten geschwärzt werden. Der Vertrieb des Buches geriet ins Stocken.<br />
Mit der Vergangenheit ist Ulrich Mühe noch nicht fertig. Er will auch nicht fertig werden. Zu sehr<br />
sehnt er sich nach einer Fortsetzung des im Oktober 1989 begonnenen Dialogs.<br />
69
Bücher aus der Mottenkiste (3). Michail Bulgakow: „Der<br />
Meister und Margarita"<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Samstag, den 20. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Selten konnte ich sagen, dass ich ein Buch mit solch einer Begeisterung in wenigen Tagen gelesen<br />
habe. Es ist die Magie der Sprache, die Gewalt des Geheimnisvollen, das Erschaudern vor dem<br />
Übermächtigen was den Leser an diesem Buch fesselt. Wer die ersten Kapitel gelesen hat, wird die<br />
Übersetzung aus dem Russischen von Thomas Reschke nicht so schnell aus der Hand legen. Der erste<br />
Teil erzählt einen ungewöhnlichen Vorfall: der Kopf des berühmten Literaten Berlioz rollt an den<br />
Patriarchenteichen vom Drehkreuz der Straßenbahn. Dieser Vorfall selbst mag im Moskau der Jahre<br />
1929 – 1940 nicht sensationell sein, Unfälle wird es immer geben. Sensationell ist vielmehr die<br />
Person, die hinter diesen Ereignissen steckt und dem Verunglückten nicht nur seinen Tod voraussagt<br />
sondern auch behauptet, Pontius Pilatus begegnet zu sein und mit Immanuel Kant beim Frühstück<br />
den sechsten Gottesbeweis diskutiert zu haben. Von seinen Untergebenen Korowjew, Asasello und<br />
dem schwarzen Kater Behemoth unterstützt, belässt es der Unbekannte nicht bei diesen Vorfällen.<br />
Moskau wird bald von einer Serie unheimlicher Vorfälle heimgesucht. In der städtischen Nervenklinik<br />
treffen sich die Opfer des Gaunerpärchens, Rettung scheint nicht in Sicht. Nur dem unbekannten<br />
Meister und Margarita scheint ein anderes Schicksal beschieden zu sein.<br />
Alles Nähere würde das eigene Lesen verderben. Aber es ist nicht nur der spannende Inhalt, der das<br />
Lesen ständig begleitet, sondern auch der gute Stil Bulgakows. Es lohnt sich!<br />
70
Rekordverkauf in Staßfurt<br />
Geschrieben von: Florian Sasse<br />
Dienstag, den 23. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Am 19. Mai <strong>2006</strong> wurde erstmals die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> am Dr.-Frank-Gymnasium in Staßfurt verkauft.<br />
Ein großer Teil des Lehrkörpers machte seit geraumer Zeit unfreiwillig Werbung für unsere nette,<br />
kleine Kulturzeitung, so daß uns der Verkauf nicht schwer fiel. In den meisten Fällen mußten wir nicht<br />
zu den Schülern gehen, sondern sie kamen zu uns. Auf diesem Wege gingen innerhalb von zwei<br />
Hofpausen über 100 Ausfertigungen an den Mann. Das bedeutet Rekordverkauf der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong><br />
an einer Schule binnen weniger Stunden. Ein herzliches Dankeschön geht deshalb an alle Schüler und<br />
Lehrer, die uns geholfen haben, den Verkauf positiv zu gestalten.<br />
Das Meinungsbild der Lehrerschaft war sehr unterschiedlich, jedoch wurde uns im Nachhinein sogar<br />
angeboten, die einzelnen Artikel im Unterricht zu besprechen.<br />
71
Heute: Vater- und Mutterlandsliebe zum Sonderpreis!<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Donnerstag, den 25. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
So, nun ist es genau so geworden, wie ich mir das gedacht hatte, als vor Jahren bekanntgegeben<br />
wurde, dass Deutschland die Fußball-WM <strong>2006</strong> ausrichten soll. Es muss so vor drei oder vier Jahren<br />
gewesen sein, als man mit stolzgeschwellter Brust verkündete, in diesem Jahr das Ausrichterland sein<br />
zu dürfen.<br />
Es sind wohl noch knapp zwei Wochen hin, bis das große Spektakel anzulaufen beginnt und schon ist<br />
man selbst als bekennender Nichtfan, voll von Überdruß und Abneigung gegen diesen wahrlich<br />
gigantomanischen Werbe- und Marketingapparat, der uns auf Schritt und Tritt die WM näher bringen<br />
soll. Es ist eine wahre Schwemme von WM-Gewinnspielen, WM-Medienberichten, WM-<br />
Werbeaktionen und so weiter, über uns hereingebrochen und das ganze nur, damit man am Ende<br />
sagen kann, dass doch wieder Brasilien das Rennen gemacht hat – da helfen auch extra aus Amerika<br />
eingeflogene Fitneßtrainer rein gar nichts!<br />
Ein wenig erinnert mich dieser ganze Irrsinn an das altbekannte Prinzip im alten Rom: „panem et<br />
circenses“ – Brot und Spiele – gebt dem Volk zu Fressen und einen ordentlichen Wettkampf und<br />
schon ist es nicht mehr ganz so relevant, wer nun im Imperium wieder mal wen bestochen hat oder<br />
welcher römische Geheimdienst jetzt welche römische Zeitung ausspioniert – eben ganz wie heute,<br />
da sage mal einer, die Geschichte wiederholt sich nicht!<br />
Aber mal im Ernst: man ist ja als bekennender Außenseiter und Mainstreamverachter schon einiges<br />
an Aktionen gewöhnt, schon allein der Wirbel um diverse Kommunal- bzw. Bundestagswahlen,<br />
stellen den denkenden Menschen vor die ernstliche Frage der menschlichen Zurechnungsfähigkeit<br />
bzw. vor die Frage ob es einem Kandidaten vielleicht doch gelingt, eine noch sinnentleertere<br />
Worthülse als sein jeweiliger Vorgänger zu verkaufen und ihn damit in seiner geld- und machtgeilen<br />
Unzurechnungsfähigkeit noch zu toppen. Aber zur Wahl entscheidet man eh nach Gefallen an Schlips<br />
und Föhnfrisur. Und das ist es, was mich gestern bewegte, als ich mal wieder auf einer<br />
Fußwanderung durch unsere Stadt unterwegs war: unglaublich aber wahr – Deutschland ergötzt sich<br />
regelrecht an einem flauschigen Nationalstolz. Oder wie soll man es anders bezeichnen, wenn vom<br />
Mc-Donalds-Pappbecher bis hin zur Zahnbürste, scheinbar alles in unseren Konsumtempeln, jetzt in<br />
deutscher Tricolore zu haben ist? Da gibt es doch tatsächlich im Aldi eine Deutschlandfahne,<br />
wohlgemerkt keine Bundesfahne (was den Eingeweihten freuen mag), für schlappe 2.99 Euro. Ich<br />
gebe zu – ich bin Patriot. Nicht vom Gefühl her, sondern rein aus ratio. Patriotismus definiere ich für<br />
mich selbst, als gesundes Verständnis für meine Herkunft, als klaren Blick für meine Heimat und<br />
Wurzeln und somit auch ein Verständnis gegenüber ausländischen Patrioten und ihre kulturellen<br />
Eigenheiten.<br />
Was hätten wohl die vielen tapferen Waffenbrüder der Freicorps von Lützow gesagt, wenn ihre<br />
Farben nun im Aldi zum Konsumgut verkommen und es vom Handybildschirmhintergrund bis zum<br />
patriotischen Einweckglas, alles im einheitlichen Schwarz-Rot-Gold gibt? Ich weis es nicht. Aber über<br />
eines bin ich mir ziemlich sicher, diese WM ist ein riesenhafter Commerzmolloch, dem es um<br />
keinerlei Werte geht, außer um einen: Verdienen! Der Fußball ist ein ertragreiches Mittel zum Zweck<br />
und im Hintergrund verdienen sich Kapitalisten eine goldene Nase nach der anderen. Der Deutsche<br />
frißt natürlich alles, was er vorgesetzt bekommt. In Zeiten von kollektiver Betroffenheit und<br />
Anteilnahme über den sich zum 60-sten Male jährenden „Tag der Befreiung“, hätte es keiner gewagt<br />
72
auch nur einen Ton zum Thema „Ich bin Stolz auf meine Fußballnation“ zu sagen – heute ist das<br />
Wurst. Und das Gute ist – es ist auch übermorgen Wurst, was man heute postuliert. Bei einem<br />
Gespräch sagte der Soziologe Prof. Dr. Bernd Rabehl einmal: „Das größte Problem der deutschen<br />
Geschichte ist ein fast krankhafter Opportunismus der breiten Volksmassen.“ Oh, ihr erbärmlichen<br />
Deutschen!<br />
73
Unser ewiges Deutschland. Das Land der Dichter und<br />
Denker!<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Sonntag, den 28. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Ich sitze im Bus in Richtung Heimat und denke über nichts direkt und unmittelbar Wichtiges nach. An<br />
einer Haltestelle steigt eine Horde Jungendlicher ein. Alle so um die 13/14 Jahre alt. Alle tragen<br />
Kapuzenjacken, eine Bierflache in der Hand und riechen nach kaltem Rauch. Es ist kurz nach Mittag.<br />
Sie setzten sich hinter mich und reden lautstark über irgendwelche trivialen Dinge, die meinen<br />
Horizont weder zu erweitern, noch zu verengen vermögen. Der eine setzt seine Kapuze ab und man<br />
erkennt einen kahlen Schädel, der über einem eingefallenen Gesicht sitzt – halb Mann, halb Kind.<br />
Erst jetzt erkenne ich die Marke „Thor Steinar“ auf seinem Pullover. Er hat die Jacke nun geöffnet<br />
und lehnt, leicht seitlich nach rechts gestützt, an der Busscheibe. Er redet in einem eigenartig harten<br />
Ton über die scheiß Ausländer, die eine Wohnung über ihm wohnen. Da sei immer tierisch viel Lärm<br />
in der Nacht. Er spricht auch davon, dass er Zecken extrem scheiße findet und im Lessingpark schon<br />
mal Zweie so richtig verdroschen habe. Er erntet bewundernde Blicke von seinen Kumpels.<br />
Ich steige an meiner Haltestelle aus. Es ist früher Nachmittag und ein Mann mit einem Dackel sitzt im<br />
Bushäuschen. Der Mann trägt eine braune und grob gearbeitete Hose; hat das rot-weiß karierte<br />
Hemd, tief in diese hineingezogen. Darüber halten schwarze Hosenträger alles zusammen. Er spricht<br />
mit seinem Dackel. Ein Ausländer setzt sich neben ihn, er steht auf. Ich folge Ihm.<br />
Im Park spielen Kinder. Zwei junge Mütter sitzen auf den Parkbänken, rings um den Spielplatz und<br />
rauchen, während sie auf ihnen Handys herumtippen. Die Kinder nehmen ihre Fahrräder<br />
auseinander. Die Mütter sprechen banale Dinge.<br />
An dem Stehtisch, vor der Dönerbude steht ein Alkoholiker. Er hat keinen Döner gegessen, aber<br />
einen Korn bestellt. Der Rauch seiner Zigarette steigt in den windstillen Frühsommermittag.<br />
Was will ich sagen? Will ich kritisieren? Nein! Ich bin gelähmt. Sicher erwartet man nun die ständig<br />
resignierende Frage: „Was ist nur aus Deutschland geworden? Wo sind die Denker von früher – die<br />
unser Land in Fahrt brachten?“ Aber ich stelle diese nicht. Ich frage mich vielmehr nach der<br />
Bedeutung von Einzelschicksalen und ihrer Relevanz für das Ganze – oder anders gesagt: „Sind wir<br />
am Ende?“. Die Antwort: Ja. Wir sind es. Seien wir endlich wieder stolz Deutsche zu sein!<br />
74
Pünktlich zur WM: Deutschland über alles! Und das auch<br />
noch in den Feuilletons ...<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 30. Mai <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Deutschen feiern Deutschland wieder. Die in wenigen Tagen beginnende Fußball-WM spornt<br />
Sportler, Wirtschafts- und Eventmanager sowie Journalisten zu Höchstleistungen an. Bei Klinsis<br />
Spaßtruppe ist alles total positiv; die Nationalmannschaft liegt voll im Soll. Die Wirtschaft hat ihre<br />
Arbeit zuverlässig erledigt. So können wir stolz mit unseren ALDI-Deutschlandfahnen dem WM-Sieg<br />
entgegen jubeln.<br />
Und auch der deutsche Blätterwald produziert fleißig. Sogar die dauergekränkten Feuilletonisten<br />
dürfen am positiven deutschen Bild mitarbeiten. Zusammen mit einigen besonders mutigen<br />
Buchautoren bringen sie uns „Das Beste an Deutschland“ näher.<br />
Matthias Matussek ist ein besonders mutiges Kerlchen. Er veröffentlichte pünktlich zur WM das Buch<br />
„Wir Deutschen. Warum uns die anderen gern haben können.“, obwohl er damit eigenen Aussagen<br />
zufolge Gefahr läuft, in die Psychiatrie eingeliefert zu werden, weil er das Wort „Nation“ in den Mund<br />
genommen und positiv konnotiert hat. Doch sein Mut wurde durch die deutschen Feuilletons<br />
belohnt. Zwar feiern die Fachkommentatoren des Blätterwalds die Arbeit nicht, doch distanziert sich<br />
auch keiner. DIE WELT vom 24. Mai <strong>2006</strong> bemängelt lediglich die Eile, die man Matusseks Buch<br />
anmerke und daß er die Nation zu sehr aus medialer Sicht sehe. Trotzdem trägt DIE WELT Matusseks<br />
Forderungen, das Bürgertum solle wieder erstarken, geflissentlich mit. Oder doch nicht? So richtig<br />
klar wird dies nicht. Wer möchte sich schon in brüchigen Zeiten genau festlegen?<br />
Die SÜDDEUTSCHE wird da schon etwas konkreter. Sie vergleicht Matussek mit King Kong. Der<br />
derzeitige Kulturchef des SPIEGEL rumpele sich so durch die Heimat. „Ein etwas durchgedrehter Trip<br />
durch eine Art Zoo, in dem sich Paul Nolte, (...) und Alexander von Humboldt rauschhaft mit Harald<br />
Schmidt (...) begegnen“ sei die Neuerscheinung. Mehr als ein stilistisch hochwertiges Buch attestiert<br />
man Matussek jedoch nicht.<br />
Nichts Halbes und nichts Ganzes<br />
Die Ausführungen über die politische Dimension der neuen „Heimatbücher“ bleiben in den<br />
Feuilletons Gewäsch. Wolfgang Weimer versteigt sich in „Cicero“ zu der tollkühnen Prognose, daß<br />
Bücher wie „Wir Deutschen“ eine „ultimative Welle der Restauration“ der alten Bürgerlichkeit<br />
ankündigen.<br />
Dabei zeugen gerade Weimers und Matusseks Beiträge zur „Auflockerung“ im Umgang mit sich selbst<br />
nicht von bürgerlichen Tugenden. Beide schwimmen nur auf der Begeisterungswelle eines<br />
derzeitigen Trends. Und sie schwimmen so geschickt, daß sie sich nach Abflauen der Welle auf jeden<br />
Fall anderen Trends widmen können. Klare, tiefgründige und eindeutige Gedanken zur deutschen<br />
Nation findet man bei ihnen nicht. Dazu muß man weiterhin bei den wirklich Konservativen, bei<br />
Weißmann und Mohler zum Beispiel, einen Blick riskieren.<br />
75
10 Thesen zum Thema: „Was passiert, wenn Deutschland<br />
Fußballweltmeister wird?“<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Donnerstag, den 01. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Fußballwahnsinn treibt bislang schon eigenartige Blüten und ich bin mir sicher, dass er auch noch<br />
eigenartigere zu treiben im Stande ist. Generell halte ich den eventuellen Sieg der deutschen<br />
Mannschaft, der momentan wie eine Verheißung gepredigt wird, mehr für den „worst case“ … Lassen<br />
wir’s rankommen. Hier auf jeden Fall ein Bild dessen, was den Deutschen nach der WM alles so an<br />
Fußballfaschismus erwarten könnte:<br />
1.) Jürgen Klinsmann bekommt das große Bundesverdienstkreuz am Bande.<br />
2.) Oliver Kahn läßt sich, obwohl er zur WM nicht viel tun mußte, seinen Maybach vergolden.<br />
3.) In jeder Stadt wird eine der größten Straßen nach einem Deutschen Nationalspieler benannt. Die<br />
Berliner „Straße unter den Linden“ wird in „Gerald-Asamoah-Allee“.<br />
4.) Es wird energisch behauptet, der Sieg sei maßgeblich von den Amerikanischen Fitnesscoaches<br />
beeinflußt gewesen, woraus sich ein generelles Kritikverbot am „großen Bruder“ ableitet.<br />
5.) Das WM-Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ wir eins zu eins auf die deutsche<br />
Ausländerpolitik übertragen, wobei das „zu Gast“, durch ein „zu Hause“ ersetzt wird.<br />
6.) Angela Merkel muss keine Politik mehr betreiben, sondern wird von selbst zur gefeierten<br />
Politikerin, weil sie bis zum Ende ihrer Amtszeit nur noch vom „grandiosen Sieg in ihrer Amtszeit“<br />
berichten muss. So bekommt sie spielend durch, dass 2008 die 10 Millionengrenze der Arbeitslosen<br />
überschritten wird – ist ja in Anbetracht „dieses Sieges“ für die deutschen Medien nicht von<br />
Relevanz.<br />
7.) Ein Fußballminister wird eingeführt.<br />
8.) In jedem deutschen Kaufhaus wird eine Fußballabteilung eingerichtet. Zum Beispiel gibt es dann<br />
dort von der Klobürste bis zum Fußabtreter alles in trendy Schwarz-Rot-Gold.<br />
9.) Die Nationalhymne wird von Oliver Pocher als Mitgrölfansoundtrack vertont.<br />
10.) Nur ein Fußballpatriot ist ein richtiger Patriot. Alles andere sind Neonazis.<br />
Ich bete, dass Brasilien wieder mal das Rennen macht!<br />
76
Florians Ideen<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Montag, den 05. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Florian Langenscheidt, Herausgeber und Gesellschafter der Langenscheidt-Verlagsgruppe, kennt 250<br />
gute Gründe, Deutschland heute (!) zu lieben. Mir fallen da auf anhieb ein paar mehr ein, jedoch<br />
gehören Erscheinungen einer höchst kurzlebigen und orientierungslosen Massenkultur nicht<br />
unbedingt dazu. Warum Herr Langenscheidt bei einem bekannten „Top-Model“ ins Schwärmen<br />
gerät, das mag sich dem insbesondere männlichen Beobachter ja vielleicht noch erschließen, beim<br />
erklärten „Stolz“ auf Sabine Christiansen, Birkenstock und den Grünen Punkt kann man dann aber als<br />
Patriot nur noch mit dem Kopf schütteln. Als typischer Vertreter der orientierungslosen und satten<br />
„Generation Golf“, also jener tragenden Säule der Spaßgesellschaft, bastelt Langenscheidt sich<br />
seinen „Nationalstolz“ aus konsumistischen und boulevard-medialen „Leistungen“ und<br />
„Leistungsträgern“ und trifft dabei genau den Geschmack des Establishments.<br />
Ja, wenn uns eines noch gefehlt hat, dann ein Buch á la Langenscheidt. Für knapp 40 Euro darf man<br />
sich auf 500 Seiten mit verkappten Werbeanzeigen berieseln lassen, die man bei RTL2 oder SAT.1<br />
umsonst bekommt und die in literarischer Form nicht weniger nervig oder einfallslos sind, als eben<br />
im TV. Natürlich bin ich z.B. auch stolz auf die hohe Wertschätzung, die allgemein der Marke „Made<br />
in Germany“ (noch) in aller Welt entgegengebracht wird, aber solche und ähnliche ökonomische und<br />
Lifestyle-Bagatellfragen treten für mich angesichts der demographischen Entwicklung unseres Volkes,<br />
des exzessiven und repressiven Regimes des Multikulturalismus, sowie einer „Kultur des Todes“<br />
(Papst Benedikt XVI.), die für Konsum- und Triebbefriedigung die Beseitigung menschlicher<br />
„Störfaktoren“ legitimiert, nun wirklich in den Hintergrund.<br />
Langenscheidt hat nun mit diesem Buch eine Art moderne Litfasssäule geliefert, eine<br />
Werbebroschüre für die in diesem „Werk“ genannten Konzerne und Selbstdarsteller. Er ist damit ein<br />
Protagonist des gegenwartsbezogenen und ökonomisch motivierten Kulissen-Patriotismus, was<br />
seinen Ausdruck auch im Engagement Langenscheidts für Aktionen wie „Du bist Deutschland“ oder<br />
„Land der Ideen“ findet. Was das ganze mit Vaterlandsliebe zu tun hat, warum ich Deutschland<br />
wegen der Weltraum- und Indianertunte „Bully“ Herbig und nicht etwa wegen der großen Opfer und<br />
Leistungen vergangener Generationen lieben sollte, dies wird nicht klar, soll es ja auch nicht. Dieses<br />
vorgeblich „leidenschaftliche Plädoyer für Deutschland“ (Pressemitteilung) bezieht sich nicht auf<br />
Deutschland als eine überzeitliche Größe, als ein kulturelles Kontinuum, als eine sinnstiftende und<br />
Orientierung gebende Konstante, nein in diesem Buch dreht sich alles um „... das Beste an<br />
Deutschland von heute, nicht um vergangene Leistungen“ (ebenfalls Pressemitteilung).<br />
„Liebe zu Deutschland“ soll das Buch zeigen, am Ende ist es nichts anderes als ein nicht ganz so lautes<br />
und offenkundiges Bekenntnis zur „Berliner Republik“ und deren „Werte“: Multikulti, Konsum,<br />
Werterelativismus, „Selbstverwirklichung“. Diese „Werte“ sind es aber, denen wir die Zerstörung der<br />
Familien, die Zerstörung der Nachbarschaften und anderer gewachsener Gemeinschaften und<br />
sinnvoller Normvorstellungen zu „verdanken“ haben. Langenscheidt fordert also „Liebe“ zu dem Gift,<br />
welches Deutschland weiter leise zersetzt. Irgendwie zynisch. Aber auch langweilig.<br />
Langenscheidt, Dr. Florian<br />
Das Beste an Deutschland. 250 Gründe, unser Land heute zu lieben<br />
Verlag Deutsche Standards Editionen GmbH<br />
77
Bücher aus der Mottenkiste (4). Heinrich Mann: „Der<br />
Untertan"<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Sonntag, den 11. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
„Diederich Heßling war ein weiches Kind, …“ so beginnt einer der bekanntesten Romane Heinrich<br />
Manns. Als Bruder des ungleich bekannteren Thomas Mann, fristet er heute leider mehr ein<br />
Schattendasein. Zwar sind Titel wie „Professor Unrat“ oder eben besagter „Untertan“ nicht gerade<br />
unbekannt, doch wirkten „Buddenbrooks“ und „Zauberberg“ bis heute weit stärker nach.<br />
Inhaltlich zeichnet Heinrich Mann in seinem Buch eine erschreckende Charakterskizze: Ein<br />
überempfindliches und schwächlich anmutendes Kind entwickelt sich in seinem Heranwachsen früh<br />
in die soziale Leere hinein. Ungeliebt und vielgescholten erkennt es nur eine Möglichkeit um<br />
weiterem Unheil zu entkommen: Die Anpassung – den Opportunismus. Konkret die Assimilation mit<br />
einer wilhelminischen Muskelspiel- und Protzgesellschaft, die außer vieler hohler Phrasen, wenig<br />
konkrete Werte zu vermitteln weis. Statt dessen stehen Scheinwerte wie Mannestugend, Ehre und<br />
Vaterland im Flakscheinwerfer einer nationalistisch übergeschnappten Nation. Zwar sind diese Werte<br />
an sich nichts verwerfliches, doch kümmert es den bürgerlichen Nationalen mit Zwirbelbart wenig,<br />
ob seine Stammtischparolen nach einem „Platz an der Sonne“, wirklich auf fruchtbaren Boden fallen<br />
– Hauptsache man redet sich euphorisch einen Krieg zurecht, der Europa grundlegend zu Grunde<br />
richten sollte.<br />
Diederich Heßling ist nun einer dieser bürgerlichen Spießer. Er macht jede Mode der Kaiserzeit mit,<br />
kämpft mit Schmiß und Bierglas in der Hand für Kaiser und Vaterland. Der Herrscher des Reiches wird<br />
dabei zur grundlegenden Identifikationsgestalt: jeglicher Normen beraubt, steigert sich der kleine<br />
plumpe Mensch mehr und mehr in das väterliche Vorbild hinein. So wird aus einem Held ein Heiliger.<br />
Seine Liebe zu diesem Gottgleichen läßt ihn seine Herkunft vergessen, läßt ihn gegen seinen<br />
Mitarbeiter Napoleon Fischer ins Feld ziehen, obwohl dieser als Sozialdemokrat, um das legitime<br />
Recht der Mitarbeiter, auf soziale Verbesserungen kämpft – immerhin befindet man sich in mitten<br />
einer spätindustrialisierten Gesellschaft. Er tauft sich selbst zum Jünger seines „Messias“.<br />
Heßlings Problem war seit jeher eine spießbürgerliche, wenn auch anerzogene, Engstirnigkeit und<br />
fehlende Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Er ist ein Würstchen, dass schon im Sandkasten<br />
stets von seinen Spielgefährten ausgelacht worden war und der nun eine Lebensaufgabe im Glaube<br />
an Kaiser und Reich, sowie eine umfassend überlegene Nation, gefunden hat. Und das Schlimme<br />
dabei ist: Aufgrund seiner nun erdachten Lebensaufgabe, hält er sich für elitär! Seine nun<br />
gewonnene Zugehörigkeit zur Elite eines „elitären“ Landes, läßt ihn Grundprinzipien menschlicher<br />
Zivilisation übertreten, sie hinwegfegen. Und warum? Weil er sie selbst nie gekannt hat. Er ist jetzt<br />
der Folterknecht im SM-Studio. Eine gelungene Skizze des neogermanischen Herrenmenschen!<br />
78
Anonyme Post von der Antifa<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 13. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Liebe Chemnitzer Antifanten,<br />
für euren netten Brief an mich in eurer Zeitschrift flimmern bedanke ich mich recht herzlich. Leider<br />
habe ich nirgends einen Absender, ein Impressum oder eine Angabe über den Autor gefunden, so<br />
daß ich dir, lieber Autor, auch nicht privat schreibe, sondern den öffentlichen Kontaktweg suchen<br />
möchte. Ich bin mir aber sicher, daß meine Gedanken dich auch auf diesem Weg schnell erreichen.<br />
Liebe AntifantInnen, ich weiß, eure Post war nicht böse gemeint. Ihr lobt mich aufgrund meines<br />
„aufgeräumten Kinderzimmerschreibtischs“ und wollt mich auch nicht mehr schlachten, doch<br />
trotzdem muß ich euch kritische Worte erwidern, da ihr in einigen euren Annahmen grundlegend<br />
falsch liegt (z.B. bin ich überzeugter Kapitalist, „verkürzte Kapitalismuskritik“ findet ihr bei mir nicht).<br />
Beziehungsweise bestätigt eurer Brief nur, daß ihr Andersgesinnte vielleicht doch schlachten wollt –<br />
zwar nicht körperlich, aber mental.<br />
Burschen "schlachten"?<br />
Die inhaltlichen Differenzen zwischen uns versucht ihr jedenfalls nicht mit sachlichen Argumenten<br />
auszutragen, sondern durch persönliche Diffamierungen – in diesem Fall hat es mich getroffen, was<br />
nicht sonderlich tragisch ist, aber ich weiß, daß ihr auch andere Opfer sucht. Ihr mögt den freien<br />
Diskurs nicht und ihr seid ihm auch nicht gewachsen. Leider fallen auf eure plumpe Hetze noch zu<br />
viele Jugendliche herein, denn es ist einfacher zu hetzen, anstatt zu diskutieren.<br />
Ich bitte euch, doch endlich in eine inhaltliche Debatte einzusteigen. Stoff, über den es lohnt, sich<br />
auszutauschen, findet ihr auf den Seiten dieses Onlinemagazins genug. Um euch dennoch etwas auf<br />
die Sprünge zu helfen, sozusagen um euch eine kleine Starthilfe zu geben, möchte ich euch folgende<br />
drei Fragen stellen:<br />
1. Was soll an die Stelle der von euch verhaßten Nation treten?<br />
2. Was, wenn nicht tradierte Werte und Normen, sollen eine Gesellschaft zusammenhalten und dafür<br />
sorgen, daß der Mensch sich nicht wie ein Tier benimmt?<br />
Und falls euch diese Fragen viel zu theoretisch und abstrakt sind, so bitte ich euch doch wenigstens<br />
um die Beantwortung der Frage drei:<br />
3. Warum seid ihr zu feige, persönlich für eure Überzeugungen einzustehen? Warum schreibt ihr<br />
eure Hetze immer nur anonym?<br />
Ich hoffe, ich überfordere euch nicht. Gerne gebe ich euch auch Platz auf den Seiten dieses<br />
Onlinemagazins, eure Antworten vorzutragen – nehmt mir es aber nicht übel, wenn dies nur unter<br />
eurem richtigen Name möglich ist.<br />
Ich bin gespannt auf eure geistigen Ergüsse. Derweil wünsche ich euch ein paar schöne Sommertage,<br />
kifft nicht so viel, das schadet den Gehirnzellen! Bis demnächst,<br />
Euer Felix Menzel<br />
PS: Ihr habt sehr schöne Fotos von mir geschossen. Könntet ihr mir diese bitte per E-Post zuschicken,<br />
damit ich sie mir in mein Familienalbum kleben kann? Vielen Dank schon mal im Voraus.<br />
79
Das Ende der Verkrampfung<br />
Geschrieben von: John Palatini<br />
Donnerstag, den 15. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Es ist keine vier Wochen her, da stand ich in einem Supermarkt in Kanada und traute meinen Augen<br />
nicht, ob des schier unglaublichen Angebots an solchen Produkten, die mit den kanadischen Farben<br />
verziert waren; – von Tassen, Tellern, Stiften, über Wimpel und Fahnen in XXL war alles zu haben,<br />
worauf sich ein Ahornblatt drucken ließ. Bei uns, dachte ich mir, würde es doch nirgendwo eine Tasse<br />
– ich suchte gerade eine – in schwarz-rot-gold zu kaufen geben. Der Kanadier lässt sich, wie mir<br />
scheint, mit dem Wort 'unverkrampft' recht gut beschreiben, und das eben nicht nur in Bezug auf<br />
den Umgang untereinander und gegenüber Fremden, sondern gerade auch mit Blick auf die<br />
Verwendung nationaler Symbole.<br />
Die Nationalflagge weht in Kanada vor fast allen alleinstehenden Häusern, sie ist vor jedem Hotel,<br />
selbstverständlich vor allen öffentlichen Gebäuden, am Flughafen und im Park gehisst, und vor den<br />
Niagara-Fällen auch. Dabei präsentiert der Kanadier sein Land keineswegs als das zwangsläufig<br />
schönste und beste der Welt. Er kommt ohne den Glauben aus, dass es allein der kanadische way of<br />
life sei, mit dem die Welt sich erlösen ließe. Der Kanadier zeigt Flagge, weil ihm sein Land gefällt, weil<br />
er gern hier lebt und weil man ihm die positive Identifikation mit seiner Heimat niemals hat verekeln<br />
wollen. Das zu erleben, tat gut.<br />
Zurück in Deutschland erzählte ich die Anekdote aus dem Supermarkt. Drei Tage später, ich traute<br />
meinen Augen nicht, schenkte mir ein Freund mit breitem Grinsen eine Frühstückstasse in schwarzrot-gold.<br />
Seitdem hat sich auf unseren Straßen, in den Gesichtern der Menschen und an den Autos<br />
viel verändert. Wir zeigen wieder Farbe, zum Glück nicht nur auf Frühstückstassen, und das ist gut.<br />
Gestern erlebte ich im Freien das zweite Spiel der deutschen Mannschaft inmitten einer größeren<br />
Menge deutscher Fans. Applaus als die deutsche Mannschaft einlief, ein zackiges "Aufstehen!" und<br />
auch die Zögerlichen erhoben sich und sangen die Nationalhymne mit; dann lange zittern, ein<br />
unermüdliches Anrennen gegen eine defensive polnische Mannschaft und schließlich, in der<br />
Nachspielzeit das erlösende und hoch verdiente Tor, der Sieg.<br />
So weit, so gut, ein spannendes Fußballspiel, wie es viele schon gegeben hat. Doch der nun nicht<br />
mehr enden wollende Jubel, die Freude, das Schwenken der Fahnen, die Umarmungen, – all das in<br />
einem Ausmaß und einer Intensität, wie ich es nach einem Vorrundenspiel kaum für möglich<br />
gehalten hätte. Auf dem Marktplatz versammelten sich Hunderte, fast alle mit Fahnen, Trikots und<br />
Hüten in schwarz-rot-gold. Sie sangen, tanzten, freuten sich. Es war so schön. Ich dachte an Kanada<br />
und musste schmunzeln. Das Wort unverkrampft kam mir erneut in den Sinn, doch dieses Mal stand<br />
ich mitten in Deutschland.<br />
Ich wünsche mir, dass diese frühe Euphorie noch weiter um sich greift. Hoffen wir, dass in den<br />
Supermärkten noch viele Fahnen in den Regalen liegen. Eine Nationalflagge im Haus zu haben, ist<br />
alles andere als falsch oder anrüchig. Sie zu zeigen, am Tag der deutschen Einheit zum Beispiel, sollte<br />
selbstverständlich werden. Egal, ob unsere Mannschaft am Ende siegt oder nicht, wenn das<br />
wenigstens bliebe: ein neuer, ein unverkrampfter Umgang mit unseren nationalen Symbolen, das<br />
wäre was. Macht Schluss mit diesem masochistischen Naserümpfen beim Gedanken an unsere<br />
Nation! Freuen wir uns über unsere Mannschaft, feiern wir ihre Siege und vor allem: tragen wir die<br />
überall spürbare, nicht zu übersehende Verabschiedung der kollektiven Verkrampfung in die Zukunft.<br />
80
Fussballästhetik<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Samstag, den 17. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Alles dreht sich zurzeit in Deutschland um die Weltmeisterschaft: täglich finden mindestens drei<br />
Spiele statt, die Identifikation mit unserer Nationalmannschaft ist auch in Chemnitz allgegenwärtig<br />
und an allen Ecken und Enden wird an Fussball erinnert. Gewiss gäbe es für den geübten Beobachter<br />
genug Anlass, die Masseneuphorie zu kritisieren: wie auf Knopfdruck holt plötzlich auch der letzte<br />
Deutsche die alten Reichsfarben schwarz-rot-gold aus dem Keller, vollkommen vergessen bleibt die<br />
Tatsache, dass man für das selbstverständliche Zeigen der Symbole der eigenen Nation vor wenigen<br />
Wochen noch besserwisserisches Stirnrunzeln geerntet hätte. Aber ich will nicht in Miesmacherei<br />
verfallen. Es ist – unabhängig davon, wie man sie verarbeitet – tatsächlich ein sehr schöner Anblick,<br />
überall die deutschen Farben zu sehen. Für denjenigen, der weiß, welche Geschichte, welches<br />
Leiden, welche Freuden und welche Kraft unseres Volkes die Farben auch in ihrer<br />
Entstehungsgeschichte symbolisieren, muss allein die Verwendung von schwarz-rot-gold viel<br />
bedeuten. An diesen Farben liegt etwas schicksalhaftes, bindendes und damit auch selbstbewußtes<br />
was Deutschland so bitter notwendig hat. Vergleicht man das kritische, sich vor Dauerdiskussion und<br />
ewiger Nörgelei dahinquälende Deutschland mit dem starken, selbstbewussten, ja standhaften<br />
Fussball-Deutschland, verspürt man etwas, was ich bisher zwar in seiner Entfaltung nur im kleinen<br />
Rahmen erlebt habe, was aber gerade da auch umso wichtiger war: Gemeinschaftsgefühl.<br />
Bisher bleibt es sicher nur bei einer vagen Partygemeinschaft, die es an Oberflächlichkeit nicht<br />
mangeln lässt. Aber hier kann man wenigstens im Ansatz erkennen, welche Kraft eine Gemeinschaft<br />
entfalten kann. Meiner Generation fehlt dieses Erlebnis vollkommen und wenn es sich hier auch<br />
sicher nicht um ein Ereignis von historisch absoluter Brisanz handelt, merkt man doch im Ansatz: es<br />
gibt ihn, den starken Kontrast zu einer zerfallenden, verwesenden Gesellschaft.<br />
Das Wesen des Fußballs selbst verkörpert diesen Kontrast: jeder Spieler hat ein klares Ziel, eine klare<br />
Aufgabe, die ihm eine klar umrissene Individualität gibt, durch die er gerade – weil diese eben für<br />
den Gesamterfolg vonnöten ist – zum Sieg der eigenen Mannschaft beiträgt. Hier beweist sich die<br />
eigene Fähigkeit, hier gibt es kein Ausweichen mehr, keine Schattendiskussion. Hier zählt nur ob die<br />
eigene Aufgabe erledigt wurde oder nicht. Die Konzentration auf das Wesentliche, die unserer<br />
Gesellschaft immer mehr abhanden kommt, hat sich im Sport erhalten. Damit geht eine Frische und<br />
Tatendrang einher, die sich außerhalb des Sports vollkommen in Beliebigkeit und Spekulationen<br />
verloren hat. Aktionismus mag viele Schwachstellen haben. Es steht aber fest, dass Erfahrung nur<br />
durch Taten und Mut gesammelt werden kann. Hier sollte der fussballerische Elan und Kampfeswille<br />
neue Ansätze für das kleine und gerade deshalb so wichtige Gestalten im eigenen Leben sein.<br />
81
Walter Kempowski: Hamit. Tagebuch 1990<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 20. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die letzten beiden Sätze in Walter Kempowskis „Hamit“ sind die prägnantesten im gesamten<br />
Tagebuch. „Heimat können wir abhaken. Geblieben ist das Heimweh.“<br />
Kempowski, Jahrgang 1929, stammt aus Rostock. Dort verbrachte er seine Kindheit und Jugend. 1948<br />
verurteilte ihn ein sowjetisches Militärtribunal zu 25 Jahren Arbeitslager wegen Spionage, die er im<br />
Zuchthaus Bautzen absitzen sollte. Nach acht Jahren kam er jedoch bereits frei. Mittlerweile wohnt<br />
er seit über 40 Jahren im Westen Deutschlands, im beschaulichen Nartum südwestlich von Hamburg.<br />
1990 wurde Kempowski erstmals wieder mit seiner Jugend und seiner Zeit in Bautzen konfrontiert.<br />
Mit seinem Tagebuch 1990 „Hamit“, das jüngst im Knaus-Verlag erschienen ist, gewährt er uns einen<br />
Einblick in seine persönlichen Gedanken über das sich wiedervereinigende Deutschland.<br />
Hamit sagt man im Arzgebirg für Heimat. Kempowski ist es jedoch bei seiner Rückkehr nach Rostock<br />
und seinen Fahrten durch die entlegen anmutenden Ecken Mitteldeutschlands gar nicht heimatlich<br />
zumute. Er fühlt sich fremd in seiner angestammten Heimat. Mehr noch als seine Erinnerungen an<br />
seine Zeit in der DDR, eine Zeit hinter Gittern, befremdet ihn die Veränderung der Heimat.<br />
Kempowski sieht die Trümmer, die nach 40 Jahren DDR hinterlassen wurden.<br />
Als befremdlich empfindet er aber auch den Diskurs im Westen über die deutsche Einheit. Mit<br />
etlichen Tagebucheinträgen dokumentiert der Schriftsteller, wie SPD, Linke und die bis heute<br />
wortführenden Intellektuellen unseres Landes bis weit in das Jahr 1990 hinein den Gedanken einer<br />
Wiedervereinigung kaum ertragen konnten. Sie verbanden mit der Wiedervereinigung ein ihnen<br />
unheimliches Wiedererstarken der tot geglaubten Nation.<br />
Kempowski gehört nicht zu ihnen und gerät trotzdem nicht in Feierlaune. „Hamit“ erinnert ein wenig<br />
an jene Stimmung, die Werner Bergengruen mit seiner „Deutschen Reise“ auslöst. Bergengruen war<br />
im Spätsommer 1933 mit dem Fahrrad durch Deutschland gefahren. 1945 schrieb er im Vorwort zu<br />
dieser „Deutschen Reise“: „Ein letztes Mal durfte ich all das insgeheim schon zur Zerstörung<br />
Verdammte und heute unwiederbringlich Dahinsinkende auf mich wirken lassen und von dieser<br />
Wirkung mir und anderen Rechenschaft abgegeben.“<br />
Walter Kempowski ist dieses letzte Mal verwehrt geblieben. Ihm bleibt nur das Heimweh.<br />
82
Vorankündigung: <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> im Radio.<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Freitag, den 23. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Am Montag, den 26. Juni <strong>2006</strong> findet ein Radiointerview statt. Dieses wird im Rahmen der Sendung<br />
"cheek2chime" unter www.radio-unicc.de zu hören sein. Thematisch wird sich die Sendung mit der<br />
"bunten Welt der Kunst" beschäftigen. Inhaltlich werde ich zu den Themen Dadaismus, Streetart und<br />
natürlich die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> sprechen. Beginn ist 19:00 Uhr unter dem Link "livestream".<br />
Alle Leser und Freunde unserer Zeitung sind recht herzlich eingeladen, in diesem Fall einmal etwas<br />
von uns zu hören! Für alle, die an diesem Tag keine Zeit haben direkt zuzuhören, wird das Interview<br />
in absehbarer Zeit auch als mp3 zum Download bereitstehen.<br />
83
Bücher aus der Mottenkiste (5). Jostein Gaarder: „Durch<br />
einen Spiegel, in einem dunklen Wort"<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Freitag, den 23. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Was sagt einem so ein komischer Titel? Nichts? Richtig! So ging mir das auch, als ich dieses Büchlein<br />
zum ersten mal in die Hand nahm – aber schon nach wenigen Seiten wurde klar, was gemeint ist: der<br />
Mensch im Spiegel seines Wesens. Mensch als dunkles, schlicht unergründliches Wort – was wir im<br />
Spiegel sehen sind nur wir selbst… oder?<br />
Zwar werden in dieser Serie eigentlich nur richtig alte Bücher vorgestellt und „Durch einen Spiegel, in<br />
einem dunklen Wort“, ist mit 13 Jahren nicht gerade alt, jedoch es steckt tief in der Mottenkiste. Will<br />
sagen, kaum einer der Gaarder-Leser kann mit dem Buch etwas anfangen. Es steht, wie so oft bei<br />
wirklichen Dichtergrößen, im Schatten des Hauptwerkes. Hört man „Sophies Welt“, so geht einem<br />
ein Licht auf – vielleicht auch noch beim „Kartengeheimnis“, aber dann kommt - wie so oft - nichts.<br />
Eigentlich schade! Sind es doch meist die sperrigen und weniger bekömmlichen Bücher, vor oder<br />
nach einer Phase mit Megaauflagen, die uns als wirkliche Spezialitäten erscheinen.<br />
Es ist Weihnachten – die schwer krebskranke Cecilie liegt in ihrem Dachgeschoßzimmer und wartet,<br />
von ihrem Vater ins Wohnzimmer zu den Gästen hinunter getragen zu werden. Sie ist vielleicht<br />
gerade mal 15, hat ihr Leben noch ganz vor sich und steht doch, auf eine bizarre Art und Weise,<br />
bereits am Ende. Tagtäglich bekommt sie Spritzen, sie ist nach einer langen Zeit im Krankenhaus<br />
wieder zu Hause – alle wissen warum. Keiner sagt den Grund. Oft hat sie Fieber, sie schläft viel und<br />
ist sehr schwach.<br />
Sie verlebt den schönen Weihnachtsabend in Familie und wird am Abend wieder zu Bett gebracht. In<br />
der Nacht erscheint ihr ein Engel – gut, jetzt könnte man denken, was ist denn das für ein Kitsch –<br />
doch halt! Da kommt kein Engel, wie man ihn aus Märchen kennt: lange blonde Haare, weißes<br />
Kleidchen, Dauergrinsen… eigentlich mehr eine Engelin … nein es kommt Ariel. Ariel ist zunächst mal<br />
ein Neutrum, also geschlechtslos. Es ist etwa einen Meter groß und hat keine Haare. Es (also das<br />
Engel) spricht zu Cecilie. Es spricht von seiner Heimat, dem was wir „Himmel“ nennen und davon, das<br />
eigentlich alle Engel so aussehen. Es sagt zum Beispiel, dass jeder Mensch schon im Himmel ist, da<br />
dieser unmittelbar über dem Boden beginnt. Und das ist auch das Grundprinzip dieses kurzen, aber<br />
schwergewichtigen Buches: Nichts ist so, wie wir es kennen. Ariel kennt nichts, was uns hier auf der<br />
Erde normal ist. Sei es die stechende Kälte, wenn man Schnee in den Händen hält, sei es Helligkeit,<br />
sei es Trauer und Freude. Cecilie ist gezwungen, alles was sie vermeindlich als „Wahrheit“ kennt,<br />
einmal zu hinterfragen und zum anderen, es zu erklären. Wie erklärt man einem Engel, wie sich<br />
Schnee in der Hand anfühlt, wenn er weder heiß noch kalt kennt, werde hart noch weich?<br />
Gaarder entwirft in seinem Werk eine lesenswerte Reise durch die menschliche Erkenntnisprozesse.<br />
Er versucht, ein Stück hinter das Bild im Spiegel zu schauen. Er malt wie so oft Bilder einer Welt, die<br />
den menschlichen Horizont eigentlich übersteigen.<br />
84
Anfänge (1): Der Kapitalist<br />
Geschrieben von: Sebastian Schermaul<br />
Montag, den 26. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Mit "Anfänge" möchten wir drei Texte präsentieren, die im Herbst 2004, kurz nach dem Erscheinen<br />
der ersten Ausgabe der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>, entstanden sind.<br />
Die Texte dienten als Vorlage für einen Dialog. Für diesen Dialog dachten wir uns mehrere fiktive<br />
Figuren aus. Eine davon ist der Kapitalist.<br />
Hallo ich bin’s, der Kapitalist.<br />
Einige von euch kennen mich bestimmt schon, einige hassen mich auch, aber das macht mir nichts<br />
aus, denn ich bin so, wie ich bin. Man kann mich überall antreffen, in jeder Gesellschafts- und<br />
Sozialschicht und in jedem Volk. Denn ich bin wichtig, niemand kann meinen Fängen entgehen, ich<br />
kriege euch alle.<br />
Ich bin’s, der euch das Geld aus der Tasche zieht oder euch für harte Arbeit nur wenig von diesem<br />
gibt. Das ist auch richtig so, denn ich besitze das Geld und ihr nicht, aber ich kann im Vergleich zu<br />
euch darüber frei verfügen. Genauso, wie über die Natur. Mir ist doch egal, ob hier seltene Bäume<br />
wachsen oder eine vom Aussterben bedrohte Tierart lebt, mir kommt es nur darauf an, möglichst viel<br />
Gewinn aus dem bisschen Umwelt zu schlagen. Die kann sich ja schließlich glücklicherweise nicht<br />
wehren und nicht schreien, so daß ich sie genüsslich Quadratmeter für Quadratmeter aussaugen<br />
kann. Genauso wie das Proletariat, das mir sowieso vollkommen ausgeliefert ist.<br />
Aber eigentlich bin ich gar nicht so böse, wie immer alle behaupten. Ich schaffe nämlich auch viel<br />
Gutes in der Welt. Ich sorge dafür, daß ihr alle Arbeit habt, denn ohne mich als Unternehmer würdet<br />
ihr alle arm und verlumpt auf der Straße sitzen. Des weiteren sorge ich dafür, daß ihr alle was zu<br />
essen habt, denn ich bezahle euch ja auch. Wenn es kein Geld mehr geben würde, würde auch keiner<br />
freiwillig mehr arbeiten gehen, da ja alles kostenlos wäre und am Ende ist von allem nichts mehr da,<br />
weil niemand für Nachschub gesorgt hat. Vor diesem Schicksal will ich euch bewahren und noch sehr,<br />
sehr lange Euer aller Freund sein.<br />
Deshalb verbleibe ich freundschaftlich Euer Kapitalist.<br />
85
Symbole der Nation (1). Die Kraft des Symbols<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Dienstag, den 27. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Verlust des Symbolischen scheint plötzlich durchbrochen zu werden: zur Fußball-WM wird<br />
wieder Flagge gezeigt, die Völker entdecken ihre Zeichen neu. Gerade uns Deutsche mag das<br />
erstaunen, nationale Symbolik und Identität besaß bei uns bisher einen schlechten Stellenwert: man<br />
fühlte sich in der „Westbindung“, beim großen Bruder USA oder der EU besser aufgehoben als im<br />
eigenen Vaterland. Doch welche Kraft steckt hinter nationalen Symbolen ? Was geben nationale<br />
Symbole ihren Trägern ? Welche Aussagekraft steckt hinter ihnen ? Wir möchten uns in der Serie<br />
„Symbole der Nation“ – angeregt durch die Fußball-WM - mit der Aussage-Kraft nationaler Symbolik<br />
beschäftigen. Zugleich sollen die Ursprünge unserer deutschen nationalen Symbolik aufgezeigt<br />
werden. Der Mensch orientiert sich an Symbolen. Ob es etwa bei politischen Bewegungen die<br />
schwarze oder rote Fahne ist, im Katholizismus das Christuskreuz oder eben beim Staat und der<br />
Nation das Hoheitszeichen, etwa der Adler, die aufgehende Sonne Japans oder der heilige Michael<br />
als Zeichen der Deutschen: immer orientiert sich der Mensch an Zeichen, an Symbolen, also<br />
Sinnbildern. Zum einen vermitteln diese eine starke Verbindlichkeit, die das politische, religiöse oder<br />
nationale Bekenntnis im Symbol verankern. Das Symbol lässt sich nicht mehr in Frage stellen. Es übt<br />
eine so starke Kraft auf den Menschen aus, dass dieser für einen kurzen Moment alles rationale<br />
Abwägen aufgibt und seine Kraft vollkommen aus dem Symbol schöpft. Oft sind es Symbole, die den<br />
Alltag prägen: das Händeschütteln, Anstecker auf dem Rucksack oder ein freundliches Lächeln. Diese<br />
mögen keinen rationalen Sinn haben, sie werden kurzfristig nicht von Erfolg gekrönt sein. Eine<br />
Begründung gibt es für sie nicht. Trotzdem sind sie unverzichtbar - Symbole und darüber hinaus Riten<br />
ermöglichen erst gemeinschaftliches Zusammenleben. Warum, kann niemand erklären. Symbole sind<br />
also etwas Heiliges, Unantastbares, Unnahbares. Sie entziehen sich jeder Diskussion.<br />
Zur WM tritt diese Unnahbarkeit wieder stärker in den Vordergrund. Die Fans fiebern mit ihrer<br />
Nationalmannschaft um den Sieg, sie feuern sie an, ungeahnte Kräfte werden freigesetzt. Noch läuft<br />
dies auf recht trivialer Ebene ab: in den Nationalfarben kann man alles kaufen, eine wirkliche<br />
Unantastbarkeit lässt sich nur in Ansätzen erkennen. So kommt es eben auch vor, dass mit der<br />
Bierflasche in der Hand und dem Deutschlandlied auf den Lippen den anderen Fans vor die Füße<br />
gekotzt wird.<br />
Aber es gibt auch positive Gegenbeispiele nationaler Symbolik: in Rom, auf dem „Altare di Patria“ –<br />
Altar des Vaterlandes – brennt die ewige Flamme der italienischen Nation. Ihr Ursprung weist in das<br />
römische Reich zurück – sobald die Flamme untergehen würde, würde auch das Reich zerfallen.<br />
Italien hat die Flamme Roms aufgenommen und vertritt somit sein Selbstverständnis als Nachfolger<br />
des antiken Roms. Erst hier – am „Altar des Vaterlandes“, lernt man, was eine Nation ist und woran<br />
es gerade in Deutschland zugleich fundamental mangelt. Die Italiener gehen unverkrampft mit ihrer<br />
Geschichte um, sie haben genug Grund dazu. In Rom werden die antiken Denkmäler gepflegt und die<br />
im regelmäßigen Wechsel die Flamme bewachenden Soldaten beweisen eindrucksvoll, dass es sich<br />
nicht um Denkmalspflege handelt.<br />
Auch in Deutschland gibt es ähnliche nationale Weihestätten: das Brandenburger Tor, den Kyffhäuser<br />
oder einfach nur die Geburtsorte großer Deutscher. Man denke an das Geburtshaus Schillers in<br />
Marbach am Neckar oder den Hölderlin-Turm in Tübingen. Warum werden diese nicht entsprechend<br />
geschmückt ? Vor dem Brandenburger hing zeitweise Telekom-Werbung. Traurig, wenn man<br />
bedenkt, dass sich hier einmal das Herz des preußischen Staates befand. Symbole der Nation – das ist<br />
86
zuerst der vollkommene Verzicht auf Trivialitäten. Nur Symbole können Grundlegendes, Identität,<br />
nationale Identität vermitteln. Kein Geschichtsbuch kann dem Bürger einer Nation erklären, warum<br />
er Teil der Nation ist, warum er sich mit ihr verbunden fühlt, warum ihr Schicksal auch sein Schicksal<br />
ist, warum sie Vaterland ist. Erst Symbole schaffen Identität. Alles andere ist Beiwerk.<br />
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In was für einem Zeitalter leben wir?<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 29. Juni <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Gute Frage. Sie mit einem Wort zu beantworten, ist schwerer als anfangs gedacht, auch wenn<br />
zusammengesetzte Substantive erlaubt sind. Massengesellschaft, vielleicht? Nein, das trifft es nicht.<br />
Unsere Gesellschaft ist heterogener denn je. Schwule und Lesben, Menschen mit den<br />
verschiedensten Migrationshintergründen und Einheimische, die jedoch alle anders aussehen und<br />
etwas anderes verrücktes treiben, sie alle tragen zu unserer pluralistischen Gesellschaft bei. Ja, das<br />
ist es: Wir leben im Zeitalter des Pluralismus. Plural – wir, ihr, sie – diese Dimension paßt auch nicht.<br />
Ein „Wir“ gibt es nicht mehr, wir haben ja gerade festgestellt, wie unterschiedlich wir alle sind.<br />
Pluralismus meint deshalb die Unterschiedlichkeit von Menschen. Unterschiedlichkeit?<br />
Ein Blick ins Wohnzimmer einer kleinbürgerlichen Familie; kleinbürgerlich, das sind ja zumindest<br />
schon mal viele in unserer pluralistischen Welt, die so ganz ohne richtige Arbeiter, richtige<br />
Bürgerliche, richtige Sozialisten und richtige Konservative auskommt.<br />
Das Zeitalter der unbegrenzten Möglichkeiten<br />
Der Blick verrät jedenfalls jeden Abend das gleiche Bild: gebannt schauen alle fern; und in der<br />
Nachbarwohnung wird auch fern gesehen und die da drüber wohnen, die schauen auch fern oder auf<br />
irgendeiner anderen Bildschirm. Schauen wir wo anders hin, nicht immer nur auf die Bildschirme!<br />
Betrachten wir beispielsweise die Schuhe der Jugend von heute. Turnschuhe, Turnschuhe,<br />
Turnschuhe, Turnschuhe, Springerstiefel, oh, das muß ein Punk sein, oder eine Glatze, zumindest mal<br />
was anderes, bei den Schuhen. Es geht weiter: Turnschuhe, Turnschuhe, Turnschuhe, ...<br />
Pluralismus scheidet aus – genug gesehen, so unterschiedlich sind die Menschen nun doch nicht.<br />
Nicht mal die Jugend von heute nutzt ihre Freiheit, nicht mal bei den Schuhen; und das, obwohl ihr<br />
alle Möglichkeiten offenstehen.<br />
Das Informations- und High-Techzeitalter<br />
In was für einem Zeitalter leben wir? Eine Antwort will sich nicht finden lassen. Oder? Na klar, das<br />
Informations- und High-Techzeitalter, da ham mers. Information, das ist klasse, das bedeutet, daß<br />
alle Menschen richtig viel wissen. Testen wir mit einem kleinen Experiment, ob wir richtig liegen.<br />
Fangen wir einfach an: wir fragen unsere lieben Mitbürger, zufällig auf dem Marktplatz ausgewählt,<br />
nach dem Namen unseres Bundespräsidenten. „Hä, Bundespräsident, Jürgen Klinsmann vielleicht?<br />
Gerhard Schröder? Joschka Fischer? Angela Merkel, Edmund Stoiber, ja und mehr kenn ich nich.<br />
Politik ist sowieso doof.“<br />
Wieder ein Fehlschuß, Mist!<br />
Information und High-Tech fallen aus, Pluralismus ist schon längst ausgeschieden und Masse trifft es<br />
auch nicht. Das Rätsel bleibt ungelöst und vielleicht ist das die Lösung: Wir leben im Zeitalter der<br />
Unübersichtlichkeit und Verblendung. Wenn nicht, ist es auch egal. Hauptsache, wir werden<br />
Fußballweltmeister!<br />
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Anfänge (2): Der Anarch<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Montag, den 03. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Guten Abend,<br />
ich nenne mich Anarch und der Allgemeinheit gefällt es, mich mit gewissen wertenden Titulierungen<br />
zu umschreiben. Diesen entspringt jedoch im seltensten Fall Akzeptanz. Ich könnte Ihnen wohl auch<br />
viel mehr von mir erzählen doch kann ich nicht gewährleisten, daß Sie es bis auf den letzten Grund<br />
des Seelen- und Geistesspiegels verstehen. Mein Wesen streift durch viele Orte und kennt viele<br />
Bewusstseinszustände, aber stets meidet es die ordnenden Namen und Titulierungen - mögen diese<br />
der Masse auch einziger vager Schlüssel zu meinem Verständnis sein.<br />
Ich habe zwei Geschwister – den Rebell und den Soldaten. Es würde zweifelsohne zu weit führen, sie<br />
bis ins letzte Detail zu beleuchten und in ihrem vielschichtigen Charakter offenzulegen. Zudem kann<br />
ich für mich selbst nicht garantieren, dass meine Eltern – die Ehre und das Gewissen - mich der Lüge<br />
bezichtigen. Trotzdem will ich es versuchen, den einst wandelte ich auch in ihrem Geiste bis ich zu<br />
dem reifte, der ich heute bin.<br />
Mein Bruder, der Rebell trägt wesentlich weniger Jahre als ich. Wenn er mit seinem wilden,<br />
traumzerfetzten Gesicht schweißgebadet die Holztür unserer kleinen Waldbehausung aufreißt und<br />
unzufrieden in seine Heimat und die Welt schaut spürt er in sich den Drang gegen all die<br />
Ungerechtigkeiten entschlossen zu kämpfen. Wie, ja weshalb, weiß er nicht. Ihn trägt nur das Gefühl<br />
des Hasses auf das Unrecht. Spöttelnd sitzt dann sein älterer Bruder, der Soldat auf der Gartenbank<br />
und schaut seinem Geschwisterchen nach. Auch er kennt diesen Teil in sich, doch hat er ihn erweitert<br />
und zugleich überwunden. Der reinen Gegnerschaft setzt er die Identität gegenüber. Ihn trägt nicht<br />
mehr allein die Verachtung oder das Gefühl für das Unrecht, sondern vor allem die Liebe zur Pflicht.<br />
Man könnte ihn auch den Asket oder den Mönch nennen. Am besten ihr fragt meine werte Frau<br />
Gemahlin - die Tradition - nach seinen vielen geistigen Brüdern in der Geschichte. Gleich wird ihnen<br />
allen das Prinzip der Entsagung und des Verzichts auf irdische und materielle Güter, ja auf jegliche<br />
Güter sein. Doch wenn ich meinen Bruder mitleidsvoll nach all diesen Verlusten frage, so spottet er<br />
wieder und meint: „Dadurch wurde ich nur freier.“. Ja, warum wurde er freier, werte Gäste? Hat er<br />
nicht allen entsagt?<br />
Ihn trägt wie mich das Gefühl – das Gefühl das sittlich absolut richtige zu tun und durch den Verzicht<br />
an Geist, Erkenntnis und charakterlicher Größe zu reifen. Ihn interessiert nicht, ob die gebrachten<br />
Opfer irgend etwas nützen, sondern allein der Umstand seine Pflicht gegenüber dem eigenen<br />
Gewissen und Gott zu erfüllen. Der Soldat könnte gar nicht anders leben, weil er anders nicht<br />
glücklich werden kann. Ja, ich weiß – Soldat. Dies führt wieder in die Sphären des Militärs und gibt<br />
eine Schablone nur zu gut her. Doch bedenkt das Soldat zu sein zuerst eine Haltung gegenüber sich<br />
selbst bekräftigt und nicht den Umstand der Mittel und Notwendigkeiten der Zeiten. Diese sind<br />
sicher, gerade in unserer Zeit in der der technisierte Krieg seine wahnsinnig mörderisch und<br />
unmenschliche Fratze in die Leiber und Kinder der Völker brennt. Doch dies zählt nicht, sondern<br />
allein die Bereitschaft zur Pflicht, zur Aufopferung also die unbedingte Bereitschaft sich einer<br />
selbstgewählten sittlichen Ordnung zu unterwerfen und nach ihren Prinzipien zu leben. Doch dies<br />
wird gerade in der Zeit in der ich lebe immer schwieriger, da die Bereitschaft zur Pflicht mit<br />
Dummheit und Naivität verwechselt wird. Aber die Verachtung der Massen stärkt uns Brüder nur.<br />
89
Genug. Jetzt habe ich euch von meinen Brüdern und so auch schon fast alles von mir erzählt, denn<br />
ich bin mir sicher, daß ihr meine beiden Brüder besser nachempfinden könnt als mich selbst. Denn<br />
mehr Zeit will man mir auch nicht gewähren. Doch nur so viel sei euch gesagt:<br />
Ich musste erst wie sie leben um zum Anarch zu reifen. Nun trägt mich nur die Tradition meines<br />
Geistes und meiner Werte die über die Zeiten aus mir selbst herangereift sind. Meine Umwelt<br />
brauche ich nicht mehr um ich selbst zu werden. Auf die gleichen, sklavischen Massen blicke ich<br />
mitleidig und werte fortan meine Umwelt nur all zu gern. Ich bin endlich vollkommen frei und ich<br />
selbst geworden, ergraut scheint das Ziel fast erreicht.<br />
90
Ärger beim Chemnitzer Uni-Radio<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 06. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Am 26. Juni <strong>2006</strong> hat unser Herausgeber der Chemnitzer Print-<strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>, Benjamin Jahn<br />
Zschocke, dem Chemnitzer Studentenradio, UNiCC, ein Interview über Dadaismus, Streetart und sein<br />
Selbstverständnis von Kunst gegeben. Mehrere Hörer der Sendung sowie Redakteure des Radios<br />
empörten sich heftig darüber. Anlaß gab nicht der Inhalt des Interviews. Für Aufregung sorgte<br />
vielmehr der persönliche Hintergrund von Benjamin Jahn Zschocke: seine Mitgliedschaft in der<br />
pennalen Burschenschaft Theodor Körner und sein Engagement für die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>.<br />
Radio UNiCC - "Einzig, nicht artig."<br />
Radio UNiCC bezeichnet sich selbst als „einzig, nicht artig“. Seit Ende 2001 versucht Radio UNiCC,<br />
seinen Hörern ein alternatives Radio-<br />
programm anzubieten. Dies geschieht hauptsächlich über das Internet. Zusätzlich dazu kann das<br />
Campus-Radio jeden Tag von 18-19 Uhr auf der UKW-Frequenz 102,7 des Radio T empfangen<br />
werden. Das Interview mit Benjamin Jahn Zschocke fiel nicht in diesen wichtigsten Zeitraum des<br />
Radioprogramms. Und dennoch hagelte es Proteste.<br />
Robert Piehler, Vorstandsmitglied des Chemnitzer Uniradios, begründet die Empörungswelle wie<br />
folgt: „Die Einladung von Herrn Zschocke war nicht per se problematisch für Radio UNiCC, sondern<br />
die Art der Präsentation.“ Die Moderatorin habe Herrn Jahn Zschocke „nicht kritisch genug befragt“<br />
und dessen politischen Hintergrund nicht ausreichend illustriert.<br />
Daß einer noch studierenden, jungen Moderatorin solche Fehler unterlaufen, ist sicher kein<br />
Ausnahmefall. Deshalb verwundern auch die harten Auseinandersetzungen beim Uniradio. Wie Herr<br />
Piehler mitteilt, ist aus persönlichen Gründen ein Redaktionsleiter nach den Vorfällen<br />
zurückgetreten.<br />
Die ganze Aufregung kann Benjamin Jahn Zschocke nicht verstehen. „Eine ungeahnte und sehr oft<br />
unreflektierte Kontroverse brach über meine Person herein.“, sagt er zu den Vorfällen nach dem<br />
Interview. Er wolle nur über Kunst diskutieren und nicht über Politik. Gleichzeitig warnt er vor einer<br />
übereiligen Ausgrenzung von Andersdenkenden. Den Umgang von Radio UNiCC mit ihm findet er<br />
nicht akzeptabel: „Man redet nicht mit mir, sondern über mich.“<br />
Radio UNiCC muß sich fragen lassen, warum anscheinend viele ihrer Hörer und einige ihrer<br />
Redaktionsmitglieder nicht die Toleranz aufbringen, einem kontroversen Gast in der Sache<br />
zuzuhören. Die harten Auseinandersetzungen und Konsequenzen beim Uniradiosender lassen<br />
vermuten, daß die Redakteure doch artiger sind, als sie zugeben möchten. Die Antwort, daß ein<br />
kleiner journalistischer Fehler diese heißen Debatten ausgelöst hat, wirkt jedenfalls wenig<br />
überzeugend. Es ist eher zu vermuten, daß Benjamin Jahn Zschocke von einigen Beteiligten voreilig<br />
stigmatisiert wurde und sich einige Verantwortliche von Radio UNiCC wünschen, kontroverse<br />
Interviewpartner in Zukunft von Debatten auszuschließen. Das ist leider in unserem Land nicht einzig,<br />
aber artig.<br />
91
Auf steinigen Pfaden<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Sonntag, den 09. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Wer die Entwicklung unseres Projektes einigermaßen stringent verfolgt hat, kann mit Sicherheit nach<br />
einiger Zeit feststellen, was unser Anspruch ist – was genau es zu vermitteln gilt; was nicht. Aber<br />
selbst dem weniger tiefgründigen Leser von Online- oder Printausgabe, wird ersichtlich, wo unsere<br />
Weisung liegt – was unser Projekt so ausnahmslos einzigartig macht. Es ist also an der Zeit, es auf den<br />
Punkt zu bringen. Nicht Widerstand<br />
Immer wieder hört man in vermeindlich „konservativen“ Kreisen das flammende Wort Widerstand<br />
aufleuchten. Immer konkreter die Vorstellung, einer fast gänzlich moralisch verfallenen Generation,<br />
von der unbedingten Notwenigkeit vom „Kampf gegen das System“. Weniger konkret die Vorstellung<br />
von Umsetzung und Tat. Alles verliert sich in blutleerem Fabulieren, in wenigen Fällen wird aus dem<br />
Wort auch eine Tat – und selbst dann bleibt der Erfolg aus. Denn: es gibt kein System zu bekämpfen,<br />
so lange sich die Reihen der Kämpfenden noch nicht einmal in der Präphase der Mobilmachung<br />
befinden.<br />
Ernst Jünger bringt es in seinem Roman „Auf den Mamorklippen“ treffend auf den Punkt:<br />
„Wachsende Allergie gegen das Wort „Widerstand“ kam hinzu. Ein Mann kann mit den Mächten der<br />
Zeit harmonieren, er kann zu ihnen im Kontrast stehen. Das ist sekundär. Er kann an jeder Stelle<br />
zeigen, wie er gewachsen ist. Damit erweist er seine Freiheit - physisch, geistig, moralisch, vor allem<br />
in der Gefahr.“<br />
Was lohnt ein Widerstand gegen eine Zeit, die barbarisch ist - die mit Unkultur wirbt, um noch<br />
Bestehendes zu vernichten? Nach dem altrömischen Motto „divide et impera“, also „teile und<br />
herrsche“, wird man selbst Teil dessen, was man bekämpft. Durch die Denkrichtung „Ich bin gegen<br />
das System“, wird man selbst Soldat in der feindlichen Armee. Man wird Spielball in der Mühle<br />
unserer Zeit – vor allem zu Gunsten jener, die zur Sicherung ihrer Macht nicht nur Befürworter,<br />
sondern auch deren Gegner fest im Wesen der Zeit integriert haben.<br />
Der vielleicht gutwillig Kontrastrebende wird so zur reactio der berechnenden actio und<br />
verschwendet somit seine Energien, in ein sinnloses Hin und Her der bestehenden<br />
Machtverhältnisse. Seine zuvor vielleicht noch nutzbaren Energien, wirklich etwas ändern zu wollen,<br />
reiben sich so auf – verbrauchen sich, bis er schlußendlich genau dort ist, wo er nicht hinwollte – in<br />
den Armen der Zeit, die er selbst opportun umsorgt.<br />
Spaltung vorbeugen<br />
In je mehr Gruppen und Subgruppen sich ein Volkskörper von selbst teilt, um so besser ist er<br />
regierbar. Das ist ein Fakt, der sich bereits auf antike Staatsphilosophie zurückführen läßt und der bis<br />
heute nichts an Aktualität eingebüßt hat.<br />
Die Medien fördern diesen Trend. Ziel der heutigen Berichterstattung ist es mehr und mehr, das zu<br />
betonen, was uns trennt, nicht was uns verbindet. Es gibt eine eigene Fernsehsendung für<br />
Hausfrauen, Hundeliebhaber, Eisenbahnfreunde, Schwule, eine für Lesben, für Fußballfreunde, eine<br />
für Fußballfeinde … Die Einordnung in eine Gruppe muss nicht mehr im sozialen Alltag erkämpft<br />
werden, sie wird durch das bloße Anwählen eines Kanals schon zur Wirklichkeit. Natürlicher<br />
Platzhaltungskampf wird so im Wohnzimmer – und vor allem ohne Gegner - entschieden. Alle haben<br />
in ihrer unnatürlichen Schwäche recht.<br />
92
Kritisch betrachtet ist es aber so, dass eine Berichterstattung und Medienkultur eigentlich das<br />
hervorheben sollte, was einen Volkskörper zusammenhält – wie soll das aber funktionieren, wenn<br />
Medienkonzerne weltweit operieren und für die ganze „westlich-zivilisierte Welt“ nur ein<br />
Standartprogramm im Angebot haben? Kein Wort von sensibler Einfühlung in die Seelen derer, die<br />
sich diese Ergüsse dann als der Weißheit letzter Schluß zu Gemüte führen.<br />
Die bislang ungekannte Euphorie, bei der Teilnahme der Deutschen Nationalmannschaft zur Fußball<br />
WM, ist nicht allein dadurch zu erklären, dass eine einheitlich vorteilsbetonende Berichterstattung<br />
ein neues, wenn aber auch diesmal blutleeres, Zusammengehörigkeitsgefühl suggeriert hat. Kaum<br />
einer blieb davon verschont.<br />
Kultur statt Politik<br />
Es ist aber nun keineswegs so, dass unser Kulturprojekt den Anspruch hätte, jenes neue und<br />
vorteilsbetonende Medienorgan zu sein, noch es sein zu können. Wer nicht realistisch denkt ist ein<br />
Träumer und wird früher oder später hart auf dem Boden der Tatsachen aufschlagen.<br />
Jedoch: Das bekannte Prinzip der Gegenkultur bewährt sich dort, wo man konsequent an ihm<br />
arbeitet. Wie bereits zuvor erwähnt, ist Politik mehr oder minder schlecht für den Charakter. In der<br />
Egobefriedigung im ständigen Hetzen nach Posten und Titeln, saugen sich schwarze Löcher an<br />
vielleicht nutzenswerter Energie satt. Binden alles, was irgendwie gefährlich – weil progressiv wäre.<br />
Es muss also der Ansatz sein, der defacto momentan einfach nicht zu ändernden Zeit, wertfrei zu<br />
begegnen und ihr eine neue Gegenzeit oder besser eine Gegenöffentlichkeit entgegen zu setzen.<br />
Wichtig ist, dass Autarkie vor eigenem Nutzen liegt. Sicherlich wird das konsequente Streben so nicht<br />
erleichtert, doch jeder Schritt der in Autarkie gegangen ist, hinterläßt bleibende Spuren. Ziel ist es,<br />
dass sich die finden, die zusammengehören, auf dass ihr Streben Spuren hinterlässt.<br />
93
Gedicht: chronos<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Dienstag, den 11. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Hier wieder einmal ein neuer Ansatz in Richtung Lyrik ... chronos<br />
schimmernde ungewissheit wälzt sich<br />
durch die lilafarbenen wälder<br />
sie verharrt im unterholz<br />
wittert gefahr und güte der lebenden<br />
zittert nicht, wenn die atomaren winter<br />
das land veröden.<br />
er hält alle spinnenfäden<br />
an denen unsere leben hängen<br />
in den matt graugrünen fingerstümpfen<br />
schon ein windhauch läßt sie reißen<br />
will anfang<br />
kann ende sein.<br />
wer chronos fassen will<br />
muss baphomet bezwingen<br />
muss schneller sein als ein gedanke<br />
wer ihm begegnet<br />
muss verwesen<br />
bei lebendigem leibe.<br />
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Adolf Hitler gestorben - Ein Nachruf<br />
Geschrieben von: Gastautor Björn Clemens<br />
Mittwoch, den 12. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Am 8. Juli <strong>2006</strong> ist nach kurzer, schwerer Krankheit der mächtigste Politiker aller Zeiten, Adolf Hitler,<br />
im Alter von 117 Jahren von uns gegangen. Nachdem er am 9. Juni von dem Virus der Fußball-<br />
Weltmeisterschaft befallen wurde, haben ihn deren Strapazen, die fröhlichen Feiern und die<br />
ausgelassene Laune überanstrengt. Davon konnte er sich nicht mehr erholen. Am Tag der größten<br />
Euphorie verschied er still und leise. Bis 1945 führte Hitler die deutsche Politik als Hauptfigur auf der<br />
politischen Bühne. Nach einem desaströsen Mißerfolg zog er sich in die zweite Reihe zurück. Von<br />
dort gelang es ihm seitdem, wesentlich wirkungsvoller die Geschicke seines Volkes zu gestalten. Um<br />
das zu erreichen, wechselte er, dem es stets nur auf eigene Machtpositionen angekommen war, in<br />
aufsehenerregender Weise die Seiten. Von einem Extrem ins andere fallend, suchte Hitler den<br />
machiavellistischen Schulterschluß mit Linken, Antifaschisten und Nationalmasochisten aller Couleur.<br />
Zu diversen Randgruppen begann er freundschaftliche Beziehungen zu pflegen. Sie konnten seine<br />
neue Strategie zu manchem Vorteil nutzen.<br />
Mit dem genialen Schachzug, in den Hintergrund zu treten, um von dort die Strippen zu ziehen,<br />
bestieg Hitler eine Erfolgsleiter, die alles in den Schatten stellte, was er in der kurzen Anfangsblüte<br />
seiner ersten Karriere zu erreichen vermochte. Wie Bundestrainer Jürgen Klinsmann nahm Hitler sein<br />
Domizil in der Ferne. Von Neuschwabenland gelang es ihm, die offiziellen Regenten seines Staates<br />
mit unsichtbarer Hand zu leiten und zu bevormunden. Die bloße Erwähnung seines Namens und<br />
seines Lieblingsprojektes Auschwitz genügte, um die Mächtigen erzittern zu lassen und<br />
Entscheidungen in die gewünschte Richtung zu lenken. Hitler und sein Wirken standen Pate bei der<br />
Herstellung eines besonderen Verhältnisses zum Staate Israel, der diesem zu umfangreicher<br />
finanzieller und diplomatischer Alimentation verhalf, er unterstützte die deutsche Teilnahme am<br />
Kosovokrieg, der mit den Ergebnissen seiner früheren Arbeit begründet wurde, er erwirkte die<br />
ausgedehnte Verteilung deutscher Steuergelder in Gestalt diverser Wiedergutmachungszahlungen an<br />
die verschiedensten Lobbyistenverbände. Zahlreiche weitere Beispiele könnten hier angeführt<br />
werden. Hitlers Regie war immer unentbehrlich. Dabei nahm sein Einfluß mit größer werdendem<br />
zeitlichen Abstand zu seiner aktiven Spielzeit zu, bis er bei seinem Tod einen nahezu göttlichen<br />
Nimbus erworben hatte. Hitler hatte erreicht, daß die Begriffe von Volk und Nation bei Strafe der<br />
Volksverhetzung nicht mehr anders als zur Schmähung benutzt werden, die deutsche Fahne nicht<br />
mehr gehißt und die Nationalhymne nicht mehr gesungen werden durfte. Stattdessen war ein das<br />
ganze Land umspannendes Netz von Bußstätten, Gedenkorten und Mahnmalen entstanden, an<br />
denen die von Hitler begründete Zivilreligion gefeiert wird.<br />
Nebenbei baute sich Hitler auf wirtschaftlichem Gebiet ein Imperium auf. Die Filmindustrie rettete er<br />
genauso vor dem Zusammenbruch, wie die großen Buchverlage, deren Geschichtsabteilungen zu<br />
zwei Dritteln aus Werken bestehen, in denen Hitler, seine Generäle, sein Wien, sein Wagner, seine<br />
Helfer, seine Frauen, seine Hunde und seine Unterhosen ausgiebig erörtert werden. Die<br />
Tageszeitungen und Talkshows im Fernsehen konnten jederzeit mit Hitler rechnen, wenn das<br />
Interesse des Publikums nachließ. Schnell wurde mit seiner Hilfe der Geist des Rechtsextremismus<br />
beschworen, ein Aufstand der Anständigen zelebriert und Stimmung und Nachfrage waren wieder<br />
hergestellt.<br />
95
Dann jedoch kam auch für Adolf Hitler der Tag, an dem er seinem Alter Tribut zollen mußte. Der<br />
ehemalige Führer zog sich einen Infekt zu und verlor über Nacht die Kraft, einer patriotischen<br />
Normalisierung im Lande, die mit der Fußball WM plötzlich und unerwartet einsetzte,<br />
entgegenzutreten. Er konnte nicht verhindern, daß die Nation Gefallen am ungezwungenen Umgang<br />
mit ihren Fahnen und Farben fand, daß das Wort Deutschland mit Freude und Enthusiasmus<br />
ausgesprochen und das Deutschlandlied mit Stolz auf offener Straße angestimmt werden konnte. Am<br />
9. Juli erlag er seiner Krankheit. Die Beerdigung wird im kleinen Kreise ewig Gestriger und<br />
Gutmenschen stattfinden. Wir verleihen unserer Hoffnung Ausdruck, daß der überraschende Zauber<br />
der WM den bösen Geist Adolf Hitlers auf Dauer vertreiben konnte und es interessierten Personen<br />
nicht gelingen wird, ihm zu einer Wiederauferstehung zu verhelfen.<br />
96
Anfänge (3): Unbekannter Wegbeobachter<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Sonntag, den 16. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die meisten Menschen mögen mich nicht sonderlich. Sie liegen lieber in der prallen Sonne, schlürfen<br />
Cocktail für Cocktail, Sangria für Sangria oder lassen das Bier in Strömen in ihre Kehlen rinnen. Voller<br />
Leere starren sie mit einem dichten, unsichtbaren Vorhang vor den Augen auf die Wellen des heran<br />
brausenden Meeres. Die vielen unterschiedlichen Farbtupfer des wilden Spieles auf See nehmen sie<br />
dabei nicht im geringsten wahr. Ich führe ein einsames, tristes und zumeist unscheinbares Leben. Die<br />
Mehrheit der Strandbesucher wird es ebenso als langweilig oder gar verdrießlich charakterisieren.<br />
Auf diesem kalten Globus kenne ich keine Schöpfung, die sich meiner Gedanken annimmt, meine<br />
Gefühlswelt versteht, mit mir diskutieren möchte oder einfach den naturgewaltigen Moment ohne<br />
jede störende Aufregung bestaunt. Als ein sehnsüchtiges Wesen würde ich mich beschreiben, wenn<br />
mich jemand erstaunlicherweise einmal fragen würde. Ich hoffe auf jeden Funken Zärtlichkeit und<br />
Mitgefühl, doch dazu müßte man mich fassen können. Dies gelingt genauso wenig wie eine Taube<br />
mit den Händen zu ergreifen, die du auf dem Marktplatz eifrig den ganzen Vormittag jagtest. Ich<br />
schwebe besinnlich daher, stehe nicht unter Zeitdruck und dehne meine Gliedmaßen langsam<br />
ausstreckend, um sie später wie ein frierendes Kind wieder einzuziehen. Ein kuscheliges Beieinander<br />
erahne ich dabei, doch leider erklimme ich den Berg der Einsicht, daß dieses Phantasieren reine<br />
Einbildung ist. Nässe und frostige Kälte empfinde ich, wenn ich mich wieder zusammenkauere. Ganz<br />
allein mit meinem eigenen „Ich“ vereinsamt mein schweigendes Gemüt.<br />
Manchmal habe ich den Eindruck, in solchen Augenblicken verbänden sich meine verbitterten Tränen<br />
mit den schuldlosen, vielen kleinen Regentropfen und bestrafen den starren, ausgebrannten<br />
Menschen auf dieser Erde. Bei einer Tasse Früchtetee könnte er in seinem mollig warmen Nest die<br />
Füße auf die Heizung legen und sie entfrösteln, dabei Kraft tanken für die wesentlichen Aufgaben<br />
seines Fristens oder einmal wieder seinen Liebsten die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdient<br />
haben. Doch was macht er stattdessen? Er wirft wutentbrannt und in einem laut kreichendem Ton<br />
den Scheibenwischer an. Stets plagt ihn die Angst, seinen nächsten belanglosen Termin zu verpassen.<br />
Mit einer überaus arroganten Gemeinheit beschwert er sich über mich und malträtiert dann zu allem<br />
Überfluß auch noch meinen Leidensgenossen, den Regen. Manche Menschen freuen sich, wenn es<br />
wie aus Kannen gießt, ihren Feldern somit neuer Lebensmut eingehaucht wird oder sie zur rechten<br />
Zeit eine längst überfällige Abkühlung erwischt. Diese Menschen sind rar. Sie werden gewöhnlich<br />
dumme Bauern, die gerade deswegen die größten Kartoffeln ernten, genannt. Aber auch sie wollen<br />
mich nicht in ihr vergleichsweise gutmütiges Herz schließen.<br />
Geifernden Haß gießt man über mich; eine Kelle mit kochend heißem Wasser nach der anderen, kein<br />
Zögern und immer tiefer in die blutigen Wunden. Sie werfen mir Autounfälle, Zeitverzögerungen und<br />
schlechte Weitsicht vor, dabei möchte ich doch nichts lieber als das sie endlich wieder genüßlich, den<br />
Dolch nicht bereits im Rücken spürend, in die Ferne blicken können. Meine ausgesandten Warnrufe<br />
(Wie wenn nicht so, soll ich denn sonst mit den Menschen kommunizieren?) erreichen keine<br />
Schaltzentrale dieser kleinen, nichtigen Wesen. Als noch viel schlimmer muß ich es betrachten, daß<br />
diese Häufleins von Elend da unten meine Signale gänzlich falsch deuten und glauben, ich begehre<br />
es, sie mit Waffen zu ärgern, die sie selbst noch nicht erfunden haben.<br />
97
Ach ja, was soll ich nur unternehmen? Selbstmord geht nicht. Lebe ich doch gar bis in alle Ewigkeit.<br />
Besinnung fällt mir immer schwerer. Meine Träume drehen sich seltener und seltener, um den<br />
gedanken-<br />
versunkenen Wanderer, der gerade an einem winzigen Teich hockt und die morgendliche Pracht<br />
seiner Umgebung bewundert. Er hält länger als den bedeutungslosen Wimpernschlag inne, als er<br />
mich in die unendlichen Weiten vom Teich herauf emporsteigen sieht. Ich kann ihn in meinen Bann<br />
ziehen. Er ist meiner Schönheit willenlos ausgeliefert, sich ergötzend an der Schau des Moments, den<br />
ich nur für ihn allein so meisterhaft inszeniere.<br />
Im Traume des Wanderers und in meinem eigenen schreite ich einsam davon. Keiner stört sich an<br />
meinem Verschwinden. Ich sage leise „Auf Wiedersehen!“ und begebe mich auf meine nächsten<br />
Abenteuerreisen; stets in der Hoffnung, es denke vielleicht irgendwann jemand an mich zurück. Ich<br />
erinnere mich gewiß an jeden von euch, verabschiede mich aber jetzt und wünsche euch einen<br />
schönen, sonnenreichen Tag!<br />
Euer ergebenster Freund<br />
Der Nebel<br />
98
Symbole der Nation (2). Die Geschichte der deutschen<br />
Symbole<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Mittwoch, den 19. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Ursprünge unserer nationalen Symbolik reichen bis in das Mittelalter zurück. Entgegen der<br />
landläufigen Meinung, die deutschen Farben seien erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstmals<br />
aufgetaucht, lassen sie sich bereits in dem Wappentier des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches<br />
Deutscher Nation finden. Sie repräsentieren das "Sacrum Imperium", das Heilige Reich. Dieses Reich<br />
berief sich auf zwei Traditionsstränge: zum einen sollte an das zusammengebrochene Römische Reich<br />
angeknüpft werden. Die Erinnerung an das Chaos der Völkerwanderung stärkte die Sehnsucht nach<br />
einer starken Reichsgewalt - wenngleich der Zusammenbruch der alten römischen Herrschaft ja<br />
bereits durch die Vielzahl an Völkern innerhalb des Reiches und die Unregierbarkeit eines riesigen<br />
Imperiums vorbereitet wurde. Hinzu kam die christliche Identität, die auch in der kaiserlichen<br />
Symbolik ihren Niederschlag fand. So bestand die Reichskrone aus verschiedensten Juwelen, die alle<br />
jeweils wieder ihren besondere Farbe und Größe besaßen. Jeder Juwel besaß seinen sinnvollen Platz,<br />
zwei identische Seitenplatten beruhen auf der heiligen Zahl 12 und ihrem Quadrat, 144. Ihnen liegt<br />
die Vision Gottes aus Kapitel Vier der Offenbarung Johannis zugrunde:<br />
„Und siehe, ein Thron war gesetzt im Himmel, und auf dem Thron saß einer, und der da saß, war<br />
anzusehen gleichwie der Stein Jaspis und Sarder; und ein Regenbogen war um den Thron, anzusehen<br />
gleichwie ein Smaragd. Und um den Thron waren vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen<br />
saßen vierundzwanzig Älteste, mit weißen Kleidern angetan, und hatten auf ihren Häuptern goldene<br />
Kronen. Und von dem Throne gingen aus Blitze, Stimmen und Donner; und sieben Fackeln mit Feuer<br />
brannten vor dem Thron, welches sind die sieben Geister Gottes. Und vor dem Thron war es wie ein<br />
gläsernes Meer, gleich dem Kristall, und mitten am Thron und an dem Thron vier himmlische<br />
Gestalten, voll Augen vorne und hinten.“<br />
In diesen Zeilen läßt sich die Kraft erahnen, die von der Reichsidee ausging. Die relativ starke<br />
nationale Homogenität sicherte die Bindung der Untertanen an ihren Kaiser, Strukturen und<br />
Hierarchien innerhalb der Reichsgemeinschaft entstanden. Ausdruck fand die kaiserliche Autorität<br />
vor allem in dem Adlerwappen: ursprünglich enthielt der Adler die goldene, die kaiserliche Farbe.<br />
Schrittweise setzte sich eine schwarze Tingierung auf goldenem Feld durch. Die roten Krallen des<br />
Adlers entstanden wahrscheinlich unbeabsichtigt: Blattgold wurde bei mittelalterlichen<br />
Buchmalereien oft mit roter Mennige unterlegt, damit es besser auf dem Pergament haften blieb. An<br />
den Rändern – den Klauen des Adlers – löste sich aber die Farbe oft wieder ab, somit trat das Rot der<br />
Krallen zum Vorschein. Der Adler als typisches Symbol Deutschlands hat sich bis heute in seiner<br />
grundsätzlichen Form erhalten.<br />
Quelle:<br />
Karlheinz Weissmann: Die Zeichen des Reiches. Symbole der Deutschen<br />
99
Bücher aus der Mottenkiste (6). Franz Kafka: „Die<br />
Verwandlung"<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Samstag, den 22. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Was ist eines der zentralsten Probleme, das sich einem Menschen, vor allem in seiner Jungend,<br />
aufdrängt? Um es kurz zu machen: Das Anderssein. Die zwangsläufige ob nun gewollte oder<br />
ungewollte Kollision mit dem Thema: Wo stehe ich – Wo die anderen? In den meisten Fällen lässt<br />
sich dieses Problem, mit dem auch hier wieder wirksamen Allheilmittel des opportunen Handelns,<br />
lösen. Man passe sich möglichst unauffällig einer Gruppe an – gehöre dazu – gehe in ihr auf - und vor<br />
allem: Man sorge dafür, dass man Andersartige ausgrenzt, um den Bestand der eigenen Gruppe nicht<br />
zu gefährden.<br />
Doch, was passiert, wenn einem das oft so einfache Anpassen nicht ermöglicht wird? Was, wenn eine<br />
Behinderung, ein irreparabler „Schaden“, die Aufnahme verweigert oder noch schlimmer – das<br />
eigene Sein, in aller Konsequenz und Gedankenschärfe, als nichtig erklärt …? Ähnlich erging es Gregor<br />
Samsa, dem Protagonisten aus Kafkas Parabel „Die Verwandlung“. Zwar war Samsas Wesen nicht von<br />
Anfang an darauf ausgelegt gewesen, zu einer Gruppe zu gehören, jedoch litt er spät an den Folgen<br />
seines „irreparablen Schadens“.<br />
Zur Person: Samsa ist ein Angestellter in einer Versicherungsgesellschaft. Er wohnt zu Hause bei<br />
Mutter, Vater und Schwester. Er allein versorgt die mittelgroße Familie. Der Vater streng und<br />
unnachgiebig – die Mutter leise und unterlegen. Klar werden schon in der Personenkonstellation<br />
autobiographische Züge erkennbar. Zwar ist der Vater der eigentliche Hausherr, aber Samsas Stellung<br />
als Alleinversorger, lässt ihn doch zumindest einen gewissen Respekt der restlichen Familienglieder<br />
zuträglich werden. Trotzdem leidet er. Er leider an Einsamkeit, seiner Depression, er leidet an seinem<br />
Beruf, seinem Wesen. Er ist sagen wir, nicht der klassischste aller Pessimisten, aber trotzdem ein erst<br />
zu nehmender.<br />
Die recht spröde Handlung dümpelt so lange dahin, bis er sich, aus keinem erkennbaren Grund, in<br />
einen riesenhaften Käfer verwandelt. Er wacht am Morgen auf und merkt die Auswirkung eines<br />
bizarren Vorfalls. Aus Armen wurden Flügel, der Rücken zum Panzer, die Ohren zu Fühlern. – Rasch<br />
schlägt die Stimmung innerhalb seiner Familie um. Mit dem ersten Dienstausfall zieht sich zuerst die<br />
geliebte Mutter zurück, später auch die wesentlich tolerantere Schwester. Seinem cholerischen Ideal<br />
folgend, entwickelt sich der Vater zum „Haupthasser“, hetzt im Kreise der Familie gegen den Ballast,<br />
wird ausfällig und gewalttätig.<br />
Samsa ist gefangen – in seinem Körper – seiner Wohnung. Er ist gestraft, ohne den Grund zu kennen.<br />
Kafkas subtile Schreibweise lässt den Leser an seinen Gedanken teilhaben. So schnell er sich in die<br />
Geschichte eingeblendet hatte, so unvermittelt blendet er sich auch wieder aus ihr hinaus. Der Leser<br />
bleibt allein, mit mehr Fragen, als er Antworten bekommen kann – und das ist es ja, was einen guten<br />
Text ausmacht – Fragen zu hinterlassen, die die eigene Verortung besser erkennen lassen.<br />
100
Sex im Internet<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Montag, den 24. Juli <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die dauerhafte Flucht in virtuelle Onlinenetzwerkwelten ist widerwärtigster Eskapismus. Mehr als<br />
genug Menschen sind ihm bereits verfallen. 20 % der deutschen Jugendlichen chatten täglich oder<br />
mehrmals die Woche. Viele von ihnen stundenlang. Zirka 7 % der Internetnutzer sind süchtig nach<br />
der Magie des weltweiten Netzwerkes und bei einer amerikanischen, nicht-repräsentativen<br />
Befragung von 9000 Nutzern gaben 8 % zu, mehr als 11 Stunden die Woche mit Sexangeboten ihre<br />
Zeit im Netz zu verbringen. Diese und die vielen anderen, die ihre heimlichen Begehren im Internet<br />
nicht offenbaren, werden sich jetzt freuen, denn langsam drängen sich Sexvideospiele in die Nischen<br />
des Onlineangebots. Flucht aus dem Alltag ist ein menschliches Bedürfnis. Früher sind die Menschen<br />
Wandern gegangen: Der junge Taugenichts oder Heinrich von Ofterdingen sind in die weite Welt<br />
ausgezogen, um dem strengen Elternhaus zu entkommen und die „<strong>Blaue</strong> Blume“ zu finden. Die<br />
jungen Wandervögel brachen mit den Konventionen des wilhelminisch geprägten Bürgertums, und<br />
wanderten auch – in den Harz – wo auch schon Goethe, Eichendorff und Heine ihre eskapistischen<br />
Bedürfnisse auslebten. Und auch die 68er flüchteten – sie flüchteten vor tradierten Normen, ohne so<br />
recht zu überlegen, ob es ohne sie geht, aber auch dieser Eskapismus war ein vitaler, ein lebendiger<br />
Eskapismus.<br />
Ein Armutszeugnis für unsere übersättigte Gesellschaft<br />
Das Trägermedium der neuen Generation der süchtigen Eskapisten ist tot. Es lebt nicht und hat auch<br />
noch nie gelebt. Wenn nur die Maschine Antworten auf die Foren-, Chat- oder Blogeinträge<br />
produzieren würde, wie es der computerspielsüchtige bereits länger kennt, dann würde der<br />
Internetjunkie auch weiter spielen, bloggen und chatten. Es reicht ihm der virtuelle Kontakt zu den<br />
Mitmenschen – es reicht ihm die Simulation sozialer Kontakte. Dies ist ein Armutszeugnis für einen<br />
Menschen und für unsere übersättigte Gesellschaft, die tatenlos diesem Verfall zusieht!<br />
Onlinesexvideospiele sind ein ganz besonderes Phänomen. Was geschieht hier mit dem Körper der<br />
spielenden Person? Wird sie in das virtuelle Netzwerk aufgesaugt? Kann das Internet als Prothese für<br />
die menschlichen Sinnesorgane fungieren? Die Allzweckwaffe Computer hat hier noch<br />
Nachholbedarf, denn gänzlich kann sie unseren Körper und seine Funktionsfähigkeit nicht ersetzen.<br />
Virtueller Geschlechtsverkehr befriedigt ungenügend.<br />
Der virtuelle Geschlechtsverkehr wurde noch nicht zu einem unvergeßlichen Erlebnis optimiert. Für<br />
den umtriebigen Internetnutzer eröffnet sich ein Problem, wenn er seine sexuellen Triebe<br />
befriedigen will. Auch die neuesten Onlinesexvideospiele können dieses Problem nicht lösen.<br />
Während der „Player“ mit dem Joystick oder der Maus seine Sexpuppe, in der er sich gerne<br />
wiederfinden würde, steuert, muß er auch noch seine körperlichen Bedürfnisse – sprich: Onanieren –<br />
befriedigen. Das virtuelle Sexvergnügen wird dadurch behindert, daß der Internetnutzer<br />
zwischendurch ganz real immer mal abspritzen muß und es danach den meisten wahrscheinlich<br />
geringere oder keine Freude mehr bereitet, das Spiel fortzusetzen.<br />
Ein Porno vergnügt mehr als Sex online nachzuspielen.<br />
Beim Anschauen eines Pornos ist die simultane körperliche Befriedigung kein Problem. Onlinespielen<br />
fehlen noch die technischen Spitzfindigkeiten, um gleichzeitig körperliche Ekstase und<br />
101
triebbefriedigende Interaktivität anzubieten. Das virtuelle Netzwerk hat es noch nicht gänzlich<br />
geschafft, den Körper in die eigene Welt aufzusaugen.<br />
102
Horst Lange: Schwarze Weide<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Sonntag, den 03. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Reihe „Die vergessene Bibliothek" aus dem Verlag V. F. Sammler hat sich zum Ziel gesetzt<br />
Romane und Erzählungen zu veröffentlichen, „die neben unbestreitbarer literarischer Qualität auch<br />
dokumentarischen Wert aufweisen und den heutigen Leser unmittelbar ansprechen". Den<br />
Schwerpunkt dabei bildet die Welt des alten Europa: weltabgeschiedene Alpendörfer, das Leben der<br />
Adeligen, Handwerker und Bauern. Eine verlorene und doch so nahe, immens reichhaltige Welt vor<br />
der Vertreibung der Deutschen und der damit verbundenen Zerstörung des Osten Deutschlands. Der<br />
schlesische Dichter Horst Lange kann nun als unmittelbarer Zeuge dieser Zerstörung gelten. Horst<br />
Lange kam in der Kaserne des Königsgrenadier-Regiment Nr. 7 in Liegnitz am 6. Oktober 1904 zur<br />
Welt. Die militärische Welt prägte ihn damit von Geburt an, sein Vater war Regimentsschreiber und<br />
Vizefeldwebel Ernst Lange. Die erlebte Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt unter den Soldaten<br />
sollte sich später in seinem Roman Ulanenpatrouille niederschlagen. Aber Horst Lange erfuhr noch<br />
eine andere, für das Entstehen der „Schwarzen Weide" wesentlichere Prägung: die feuchte und<br />
moorige Landschaft um Liegnitz, das „Bruch". Hier liegt auch der kleine Fluss „Schwarze Weide".<br />
Typische, positiv wie negativ besetzte Charakterfiguren sind in dieser ländlichen Gegend zu Hause:<br />
der grobschlächtige, von Todesangst geplagte Bauer Starkloff, der verschlagene Gastwirt Smorczak,<br />
der väterliche Oberst ebenso wie die sich immer mehr zu Entscheidungskraft durchringende,<br />
verantwortungsbewußte Hauptfigur Dimke, die selbstbewußte Cora und die durch ihre<br />
Introvertiertheit beeindruckende Irene. Alle sind Teil eines gewaltigen Spiels, das von der Schwarzen<br />
Weide beherrscht wird.<br />
In ihren sumpfigen Gewässern geschieht auch der Mord, der als Höhepunkt des Buches die Handlung<br />
zum Kippen bringt und die Verhältnisse neu ordnet. Nach vielen Jahren kehrt Dimke als Erbe zurück<br />
nach Kaltwasser, in das Dorf der Schwarzen Weide, wo er einst unter dem Schutz seines Onkels lebte.<br />
Der Ermordete hat ihn als Erbe eingesetzt, er will nun die chaotischen Verhältnisse ordnen. Doch<br />
bereits im zweiten Kapitel der Schwarzen Weide prophezeit Dimke den Fluch des Ermordeten: „...ich<br />
konnte mir nicht vorstellen, daß er einmal, lahm und vom Tode ausgezehrt, im Bett sterben würde,<br />
sondern er mußte draußen vornüber stürzen wie ein Baum, der gefällt wird und manches mit sich<br />
reißt.". Schließlich greift die „Schwarze Weide" noch einmal fundamental in das Leben des Dorfes<br />
ein, reißt tiefe Wunden und verschwindet wieder. Doch sie hinterlässt auch Klarheit, Hoffnung und<br />
Glück. Dem verantwortungsbewußten und beherzten Handeln Dimkes gelingt es, die negativen<br />
Seiten der Schwarzen Weide wenigstens zu lindern.<br />
Ein sehr gut lesbares Buch - allein schon durch die prächtigen<br />
Landschaftsbeschreibungen.<br />
Ebenso vermittelt Lange anhand der Hauptfigur eine richtige Lebenshaltung. Wie die Spinne oder<br />
auch Fliege im Netz erkennen wo man steht, was man tun kann, was man will und was man<br />
akzeptiert und achtet.<br />
103
Die E-Mail<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Mittwoch, den 06. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Schalten Sie den Computer ein, stellen Sie eine Verbindung mit dem Internet her und dann kommt<br />
es: Eine junge Dame spricht zu Ihnen „Sie haben Post“ und verkündet damit, daß Sie eine neue E-Mail<br />
erhalten haben. Dabei ist AOLs „Sie haben Post“ das Vortäuschen falscher Tatsachen, denn per E-<br />
Mail spricht niemand mit Ihnen. Vielmehr erwartet Sie ein nerviger Newsletter oder ein<br />
fragmentarischer, elektronischer Brief eines Kollegen oder Freundes. Die Möglichkeiten der<br />
Kommunikation bestimmen den Umgang der Menschen untereinander maßgeblich mit. Wir wählen<br />
täglich aus einer Vielzahl von Kommunikationswegen denjenigen, der den schnellsten, korrektesten<br />
oder einfachsten Zugang zu unseren Freunden oder Kollegen verspricht. Mit E-Mails können schnell<br />
und einfach kurze Nachrichten und große Datenpakete versandt werden.<br />
Die Vorteile der E-Mail lassen sich leicht bestimmen. Unabhängigkeit von der unmittelbaren<br />
Erreichbarkeit des Empfängers, die Möglichkeit zum Datentransfer und keine zusätzlichen Kosten.<br />
Weitere Punkte könnten aufgezählt werden. Der grundsätzliche Vorteil bleibt der gleiche. Im<br />
Gegensatz zu anderen Kommunikationswegen geht die E-Mail beim Abarbeiten von Arbeitsprozessen<br />
als klarer Punktsieger heraus.<br />
Persönliche Gespräche sind unerläßlich. E-Mails nichts weiter als<br />
Hilfswerkzeuge.<br />
Die E-Mail paßt wunderbar ins rationale Zeitalter. Was dabei auf der Strecke bleibt, wird kaum<br />
thematisiert und diejenigen, die es thematisieren, verinnerlichen es nicht.<br />
"Sie haben Post."<br />
Wieviele Freundschaften und Beziehungen sind schon an E-Mails zerbrochen? An der Unmöglichkeit,<br />
auf die Schnelle etwas so genau zu formulieren, wie man es in einem persönlichen Gespräch<br />
herüberbringen könnte? Wieviele Freundschaften und Beziehungen wurden schon per SMS beendet?<br />
Kommunikation besteht nicht nur aus Worten und Sätzen bzw. Versatzstücken von ihnen. Der<br />
Zugang zum Freund gelingt über Mimik und Gestik und über den Blickkontakt. Doch das alles zählt<br />
nicht im rationalen Zeitalter, im Zeitalter der E-Mail. Kommunizieren mit dem Körper stammt aus<br />
archaischen Zeiten, aus Zeiten, in denen die seelische Vielfalt noch gegen die Rationalität gewann.<br />
Verfall der Umgangsformen<br />
E-Mails lösen keine zwischenmenschlichen Probleme. Wer dies trotzdem versucht, der läßt<br />
Gleichgültigkeit gegenüber seinen Mitmenschen gedeihen, denn er sieht die unmittelbare Reaktion<br />
auf seine Anliegen, Vorwürfe und Komplimente nicht. Der Absender sieht die Freude in den Augen<br />
seines Empfängers nicht, er sieht die seltenen Tränen eines Mannes nicht, er erlebt nichts, er tippt<br />
nur.<br />
104
Grass – ein Sommerloch wird gefüllt<br />
Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />
Samstag, den 09. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Höß, Mengele, Schleyer, Schönhuber, (Hardy) Krüger und ... Günter Grass. Wenn man vor wenigen<br />
Tagen nach den Gemeinsamkeiten dieser Personen gefragt hätte, wäre man wohl spätestens beim<br />
letzten Namen nie auf die Idee gekommen, dass alle Mitglieder der Waffen- SS waren. Natürlich hat<br />
das rein gar nichts mit einem charakterlichen Vergleich zu tun, aber die Situation erscheint trotzdem<br />
ein wenig grotesk, vor allem wenn man bedenkt, dass seine Division Hitler befreien sollte.<br />
Verblasst sein Ruhm?<br />
Ein Günter Grass, der gegen das gemeinsame Gedenken von Reagan und Kohl an einem<br />
Soldatenfriedhof war, obwohl einige Kameraden von ihm dort lagen, ein Günter Grass, der oft genug<br />
die deutsche Vergangenheit in jenen zwölf Jahren thematisierte, in Russland ein anerkannter<br />
Antifaschist ist, der die Kanzlerschaft von Kurt-Georg Kiesinger nicht verstand, weil er für ihn alles<br />
Andere als ein Essengeldkassierer in der NSDAP war, ja genau dieser war selbst Mitglied einer<br />
nationalsozialistischen Organisation und hat es 62 Jahre lang verschwiegen.<br />
Hauptvorwurf: Grass hat es zu spät gesagt.<br />
Genau an diesem Punkt hören viele auf zu denken. Natürlich könnte man die Person Grass jetzt<br />
kabarettistisch auseinandernehmen oder sein Verhalten als „widerlich“ geißeln, wie das einige getan<br />
haben. Der seriöseste Gedanke ist vielleicht noch Teile seines literarischen Werkes im<br />
Zusammenhang mit seiner für heutige Verhältnisse nicht ganz normalen Mitgliedschaft als Selbsthass<br />
zu sehen, der natürlich auf die Nation projiziert wird. Sein fast höhnischer Ausspruch über die<br />
angeblich vielen Widerstandskämpfer und der damit einhergehenden Überraschung, wie ein<br />
gewisser Österreicher überhaupt an die Macht gekommen ist, lässt sich eventuell in diese Richtung<br />
der Enttäuschung deuten. Hauptsächlich sind es jedoch harte Vorwürfe mit harten Konsequenzen auf<br />
der Tagesordnung, die sich vor allem gegen die Person richten. Kann man diesen älteren Herren nicht<br />
einfach in Ruhe lassen? Genau das sollte getan werden, denn viel interessanter sind die Reaktionen<br />
auf die ungewöhnliche Offenbarung von Grass. Von „Beichte“ bis „Schock“ ist da die Rede, nicht<br />
wenige werden darüber lachen.<br />
Nun, 62 Jahre ist ein relativ langer Zeitraum, aber so unwahrscheinlich ist es ja auch nicht, dass seine<br />
Laufbahn als Schriftsteller mit einer frühzeitigen „Beichte“ anders verlaufen wäre. Insofern ist an den<br />
Äußerungen nichts Ungewöhnliches zu finden, was bei den Folgen langsam anders aussehen wird<br />
Konsequenz Nummer eins: Grass hat seine Stellung als moralische Instanz<br />
verloren.<br />
Damit stellt sich zuerst die Frage, wie viele moralische Instanzen wir in Deutschland überhaupt<br />
brauchen? Immerhin haben wir einen deutschen Papst, den man vielleicht öfter zuhören sollte und<br />
auf der anderen Seite gibt es, immer noch oder bald wieder, Bundesverdienstkreuzträger Michel<br />
Friedman. Ob man jetzt die Tatsache, dass er ukrainischen Prostituierten Kokain angeboten hat,<br />
schlimmer findet, als die Geschichte von Grass, bleibt natürlich ganz frei dem Leser überlassen. Alles<br />
in allem kann es Günter Grass sowieso völlig egal sein, ob er so eine Stellung hat oder nicht.<br />
Konsequenz Nummer zwei: Grass soll seine Auszeichnungen zurückgeben.<br />
Weil Grass Mitglied der Waffen-SS war, und damit moralisch diskreditiert ist, soll er den<br />
immateriellen Lohn für seine Arbeit abgeben, der für einen Menschen sehr bedeutend sein kann.<br />
105
Wenn er es allerdings eher gesagt hätte, wäre er trotzdem moralisch diskreditiert gewesen und hätte<br />
den Lohn nie bekommen. Dieser Minderheit der Stimmen geht es also lediglich um die Mitgliedschaft<br />
und nicht um die Person und sein Werk. Diese „Persönlichkeiten“ machen sich überhaupt keine<br />
Gedanken über die damalige Zeit und die Optionen, die man als 17-jähriger damals hatte. Die Fakten,<br />
dass man mit NS-Gedankengut infiltriert wurde und eben keine militärischen Landkarten und<br />
Rüstungsstatistiken oder Guido-Knopp-Bücher vor sich liegen hatte, werden völlig außer Acht<br />
gelassen. Es gelingt der Öffentlichkeit nicht, die Geschichte aus der Zeit heraus zu verstehen.<br />
Das Überraschende ist, dass hier mit jemanden halbwegs hart ins Gericht gegangen wird, der<br />
eigentlich eine gute Reputation hat. Nicht auszudenken, was mit einem Autor vom konservativen<br />
Ufer passiert wäre, dass hätte sich die Linke wohl nicht nehmen lassen, über ihn herzufallen.<br />
106
Nachtrag zu: Die E-Mail<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 12. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Letzte Woche stellte ich in meinem Artikel über die E-Mail die Frage in den Raum, wieviele<br />
Beziehungen per SMS beendet werden.<br />
Inzwischen habe ich die Zahl gefunden. Es sind 40 % aller Beziehungen. Eine erschreckende Zahl.<br />
1<strong>07</strong>
Fuck you!<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Mittwoch, den 13. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Lautes Knallen der Straßenbahntüren. Innendrin drängen sich doppelt so viele Mitfahrer, wie die<br />
Bahn eigentlich zu fassen glaubt. Ein Handy klingelt – noch eines - und noch eines. „Ja Gruß, bin<br />
grade in der Bahn und in 10 Minuten bei dir, blablabla…“. Ein Kind schreit aus voller Kehle, die<br />
Mutter versucht es zu besänftigen. Die Umstehenden empfinden Hass. Die Ampel rot – die<br />
Straßenbahn hält abrupt an – alle werden zusammengepfercht. An der nächsten Haltestelle wird es<br />
noch enger - eine neue Flut von hektischen Menschen komprimiert die in der Bahn befindliche Masse<br />
erneut. Von draußen brennt sie Sonne in die Gesichter der Angespannten. „Könnte ich mal bitte<br />
vorbei?“ – „Müssen sie so drängeln?“ Einem wird es zuviel: Er schreit seine Wut über diese alltägliche<br />
Sinnlosigkeit laut heraus: --------------------„Fuck you!“--------------------- Das Ergebnis? Stille, Entrückung,<br />
leises Entsetzen – und doch: im eigentlich dialektischen Sinne eine „neue Qualität“. Eine neue<br />
Qualität die bedeutet, einer hat sich artikuliert. Einer hat still Kulminiertes ausgesprochen. Grund zu<br />
Achtung für seinen Mut und zu Verachtung für seine vulgäre Art – hätte man selbst so handeln<br />
können? Ein kollektiv schwaches Gewissen verurteilt einen der Mut hat – weil er etwas an sich hat,<br />
was sie nicht haben – dafür hassen sie ihn.<br />
Das Prinzip Expressionismus<br />
So oder so ähnlich könnte man heute viele Beispiele benennen, in denen sich Ärger über die Zeit<br />
anstauen könnte. Vor allem in den Dschungeln unserer urbanisierten Welt, wird die Quote derer, die<br />
sich von der Vermassung allen Wesens erdrückt glauben, täglich größer. Es gibt Wesen in jeder Welt,<br />
die darauf stoßen – die das Prinzip des Chaos ordnen wollen – zumindest es verstehen. Sinn ist<br />
jedoch nicht Unordentliches in Ordnung zu bringen – nicht die umgefallenen Zinnsoldaten wieder in<br />
Reih und Glied aufzustellen, sondern zu artikulieren, dass sie Umgefallen sind. Das Prinzip ist nicht<br />
neu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts formierte sich in den Köpfen, die von Aufrüstung und falschem<br />
Gehorsam der Kaiserzeit geprägt waren, eine Ahnung die böses Erwarten ließ. Und tatsächlich, ein<br />
ungeahnter Krieg wurde heraufbeschworen und geführt, Europa wurde nicht nur mit<br />
Siebenmeilenstiefeln durchschritten, sondern auch zerstampft.<br />
Im Lärm des Krieges und vorallem seiner Nachwehen entstand eine revolutionäre Kunstbewegung. In<br />
Malerei, Graphik, Dichtung und Musik brach man alte Krusten auf. Nicht leise und geordent, schön<br />
und dekadent, wie man es sich noch von dem Kriege leisten konnte, wollte man sein, sondern laut,<br />
schrill und vulgar - zum einen, um der Welt den Spiegel vorzuhalten - zum anderen um eigene Ängste<br />
zu verarbeiten, um Unsicherheit zu verbergen. Keiner wollte verändern, fast alle Expressionisten<br />
hatten lediglich den Anspruch zu zeigen - aufmerksam zu machen. Dem trägen Volkskörper der<br />
Nachkriegszeit, der gern in Selbstmitleid zerfloss und der auch gern alles hätte vertuschen und<br />
relativieren wollte, hielt man einen gnadenlosen Spiegel vor. Dort wo es für den Spiegel nicht mehr<br />
ausreichte schrie man, um den wunden Punkt zu verorten.<br />
Perspektiven - Kunst?<br />
Zurück zur überfüllten Straßenbahn. Was bringt ein Hinweis auf eine kunsthistorische Epoche, wenn<br />
man heute nicht nachvollziehen kann, wie sich die Schreienden damals wohl gefühlt haben müssen.<br />
Fakt ist: Expressionismus ist heute immer noch genauso "angesagt" wie vor 80 Jahren. Des Prinzip<br />
heißt immer noch: Provokation und Verschiebung der Zumutbarkeit zu Gunsten einer kollektiven<br />
Aufmerksamkeit.<br />
108
So sind Maler und Bildhauer wie Markus Lüpertz in Deutschland oder internationale Musikbands wie<br />
"Slipknot" oder der Sänger Marilyn Manson - heutige Vertreter dieser Strömung.<br />
"Slipknot"<br />
Wer das nicht glaubt, sieht sich Musikclips an - schaut sich die Bilder genauer an und wird dann<br />
abgestoßen sein. Zumindest in den meisten Fällen.<br />
Kunst kann man unter anderem in einem politischen Hintergrund sehen. Das bedeutet zum Beispiel,<br />
dass alles menschliche Handeln im Kontext der Gesellschaft zu sehen ist. Die Kunst des<br />
Expressionmus bestand früher und besteht heute darin, zu schocken. Gut, jetzt sagt mancher sicher<br />
Provokation ist blutleer - das stimmt auch - denn es geht nicht um Provokation, sondern darum mit<br />
Lärm und ungewöhnlichen Mitteln, auf den Punkt aufmerksam zu machen, der die Gesellschaft ad<br />
absurdum führt.<br />
109
Islamische Meinungsführer disqualifizieren sich selbst! –<br />
Ein Anstoss zur Papst-Debatte<br />
Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />
Sonntag, den 17. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Papst war in Deutschland und besuchte seine bayrische Heimat. Dabei erfreute er nebenbei<br />
zahlreiche Gläubige, die dem Heiligen Vater in Massen zujubelten, ihm aber auch zuhörten. Es gab<br />
herzliche Worte und einen riesigen Medienrummel. Diese kurzen Sätze könnte man so stehen lassen,<br />
aber in der Bundesrepublik Deutschland müssen solche Ereignisse natürlich noch kritisch hinterfragt<br />
werden. Es ist ja auch ein Ärgernis, wenn man keine Ärgernisse hat. Es fällt schwer, harsche Kritik an<br />
Gottes Stellvertreter auf Erden zu entfachen, dafür hat der Papst einfach ein zu gutes Ansehen in<br />
Deutschland. Er sei zu nett, wurde publiziert. Also wurde viel über die vermissten Reformvorhaben<br />
gesprochen. Im Sinne von „Wir sind Kirche“ sollen so viele Sachen reformiert werden, dass man sich<br />
fragen muss, warum sie überhaupt noch der katholischen Kirche angehören. Dennoch bleibt<br />
festzuhalten, dass der Besuch trotz eines Farbbeutelanschlags auf das Geburtshaus des Pontifex<br />
Maximus und einer ganz kleinen Schwulendemonstration ohne größeren Lärm über die Bühne ging.<br />
Aber eben nur eigentlich, denn stark verspätet wurde eine Ansprache des Papstes in der Aula der<br />
Regensburger Universität ausgewertet und von „islamischen Repräsentanten“ angegriffen.<br />
Kritik am Islam?<br />
Nachdem am 14. September <strong>2006</strong> bereits erste Missfallsbekundungen im weltweiten Netz zu lesen<br />
waren, wurde der Tonfall einen Tag später noch aggressiver. Man fordere nicht nur eine<br />
Entschuldigung, sondern der Türkei-Besuch des Kirchenführers solle abgesagt werden. Ein<br />
regelrechter Aufschrei ging durch die islamische Welt. Was war passiert?<br />
Der Pontifex referierte in Regensburg über „Glaube, Vernunft, Universität.“ Die Kernaussage war<br />
seine Kritik an der Verengung des Vernunftbegriffes in der westlichen Welt, in welchem es keinen<br />
Gott mehr gibt. Dies führt zu einer Einschränkung des Denkens und Handelns und dazu, dass ein<br />
Dialog des Westens mit tief religiösen Gesellschaften erschwert wird, wenn Gott an Wichtigkeit<br />
einbüßt. Jedoch entwickelte sich der Ausgangspunkt seiner Überlegungen zum Zankapfel. Er nannte<br />
einen Dialog zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos mit einem persischen<br />
Gelehrten, den der Kaiser wahrscheinlich während der Besatzung von Konstantinopel aufgeschrieben<br />
hat, als er mit der islamischen Welt besonders stark in Berührung kam. Dabei kritisiert er<br />
Mohammed, der seine Lehre mit dem Schwert verbreitete. Für den Kaiser war ein derartiges<br />
Verhalten untragbar, weil der Glaube in erster Linie mit der Seele zutun hat und nicht mit dem<br />
Körper. Also kann man nur mit der freien Rede jemanden vom Glauben überzeugen, aber eben nicht<br />
mit Gewalt, die ja auch keinem vernunftbegabtem Handeln entspricht. So schlussfolgerte der Papst:<br />
„Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch<br />
Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß Handeln, ist dem Wesen Gottes<br />
zuwider.“<br />
Daraus entsteht für den Leser eine Einheit zwischen Vernunft und Glauben, die heute – auch mit<br />
Blick auf religiöse Gewalttaten in Problemregionen – in unserer Gesellschaft angezweifelt wird.<br />
Deshalb ist gerade diese Ansprache von Papst Benedikt XVI. so bemerkenswert, weil sie nicht nur<br />
eine Absage an die Säkularisierung darstellt, sondern auch an religiösen Übereifer. Das er hierbei<br />
Zitate über den Islam verwendet hat, ist legitim. Schließlich handelt der Gläubige im Islam nicht<br />
autonom, sondern ist dem Willen Allahs unterworfen, egal was er fordert. In allen Lebensumständen<br />
110
gibt es keine andere Wahl, auch nicht die Wahl der Vernunft, die dem heiligen Krieg ja durchaus<br />
entgegensteht. Damit handelt es sich allerdings weder um einen Angriff auf Muslime, noch um eine<br />
vollständige Verurteilung des islamischen Glaubens. Er hat lediglich eine historische Trennlinie<br />
zwischen Christentum und Islam sichtbar gemacht, zwischen Abendland und Morgenland. Denn Gott<br />
lässt in unserer Welt größere Spielräume zu, er ermöglicht Veränderung und Fortschritt, während im<br />
Islam z.B. die Rechtsordnung völlig unveränderlich ist. Wer dies jedoch aus einer anderen Perspektive<br />
sieht, nämlich, dass mehr Freiheit auch in Dekadenz und Gottlosigkeit münden kann und deshalb die<br />
festen Säulen des muslimischen Glaubens benötigt, wurde vom Papst in keinster Weise angegriffen.<br />
Das er aber seine eigene Sichtweise, die Differenzierung öffentlich machte und eine gute Begründung<br />
lieferte, war dann der Anlass für den, von einigen Muslimen heraufbeschworenen Konflikt, obwohl<br />
der Text aus dem Mittelalter stammt und kein Wort darüber verloren wurde, dass es keine<br />
Weiterentwicklung im Islam gegeben hätte.<br />
Wer steht hinter den Angriffen?<br />
In Deutschland meldete sich ein gewisser Ali Kizilkaya zu Wort, der Vorsitzende des „Islamrats für die<br />
Bundesrepublik.“ Der Islamrat ist von der als extremistisch eingestuften „Islamischen Gemeinschaft<br />
Milli Görus“ (IGMG) unterwandert, in deren Münchner Moschee die Terroranschläge des 11.<br />
September 2001 begrüßt wurden. Ein ganzes Netz von Vereinigungen wird über die „IGMG“<br />
gesteuert und genug Unternehmen mit Sympathisanten unterstützen das Ganze. Es gibt etliche<br />
Querverbindungen zu anderen Vereinigungen, bis ins Ausland. So existierten Kontakte zu<br />
islamistischen Parteien in der Türkei, die sich mittlerweile zur AKP zusammengeschlossen haben und<br />
nach dem Gewinn der letzten Parlamentswahl regieren. Deshalb ist auch der Protest aus der Türkei<br />
nicht weiter verwunderlich. Die „IGMG“ hat aber auch Verbindungen zur Muslimbruderschaft in<br />
Ägypten, die ebenfalls protestiert hat und wo es personelle Verbindungen zur Terrorgruppe Gamaat<br />
al-Islamiya geben soll, die bei Mordaktionen gegen christliche Araber und europäische Touristen<br />
beteiligt war. Über die „Islamic Call Society“ bestehen zudem Kontakte bis Libyen. Alle Aktivitäten in<br />
dieser Form sind sehr dubios und deuten extremistische Hintergründe nicht nur an, die u.a. zur<br />
Etablierung einer Parallelgesellschaft in Deutschland dienen könnten. Udo Ulfkotte schildert dies in<br />
„Der Krieg in unseren Städten“ ausführlich.<br />
Die Kritik dieser Organisationen am Heiligen Vater kann nur als blanker Hohn empfunden werden,<br />
wenn Menschen Entschuldigungen verlangen, die Zitaten aus dem Koran wie diesem zustimmen:<br />
„Siehe, schlimmer als das Vieh sind bei Allah die Ungläubigen, die nicht glauben.“ (Sure 8, Vers 55)<br />
Für die Zukunft?<br />
Sollte eine weitere Aufhetzung gegen den Pontifex Maximus erfolgreich sein, müsste er wohl schon<br />
aus Vernunftsgründen die Reise in die Türkei selbst absagen, für die Türkei wäre dies auch ein<br />
entsprechender Rückschlag um etwaige EU-Bemühungen. Schuld daran ist der Papst jedoch nicht,<br />
sondern aggressive Islamisten, die in der Öffentlichkeit besser dastehen wollen und Unwissende, die<br />
tatsächlich von einem rhetorischen Angriff auf den Islam ausgehen oder die umstrittene Ansprache<br />
in ihrer Komplexität nicht erfasst haben.<br />
Es ist zu hoffen, dass sich dennoch eine vernünftige Mehrheit herausbildet, welche sich den<br />
attackierenden Hasspredigern entgegenstellt und über den Tellerrand hinausblickt, dem Oberhaupt<br />
der römisch-katholischen Kirche das Recht zugesteht, sich frei äußern zu können und die<br />
Selbstdisqualifikation von Personen anerkennt, die eine große Persönlichkeit der Gegenwart<br />
unwürdig beschimpfen, denn solche Dinge haben mit „Dialog“ und „Frieden“ gar nichts zu tun. Es<br />
handelt sich dabei leider um eine andere Offenbarung. Wenn sich die islamischen Kritiker Gedanken<br />
111
über die Gefühle der katholischen Gläubigen machen würden und nicht nur über die eigenen, so<br />
würden sie feststellen, dass sie mit ihren Äußerungen Gefühle und Ordnungen verletzen. Der Heilige<br />
Vater ist in Religionsfragen unfehlbar.<br />
112
Riesenwirbel um nonkonforme Kölner Schülerzeitung<br />
Geschrieben von: Redaktion der "Objektiv"<br />
Mittwoch, den 20. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Kleine Zeitung, große Wirkung: Die neue Kölner Schülerzeitung „Objektiv“ sorgte in den letzten<br />
Wochen für bundesweite Schlagzeilen und einen Sturm der Entrüstung im politischen Establishment<br />
der Domstadt. Die Klassifizierungen reichten dabei von „rechtsextrem“ über „rassistisch“ bis hin zu<br />
Vergleichen mit der Hitlerjugend! Was war geschehen?<br />
Eine engagierte Mannschaft aus dem Umfeld der Jugendorganisation der Bürgerbewegung pro Köln<br />
hatte beschlossen, eine Schülerzeitung herauszubringen, in der auch politisch non-konforme Themen<br />
behandelt werden sollten. Ohne falsche Tabus oder Denkverbote der „political correctness“. Heraus<br />
kam eine bunte Mischung aus Unterhaltung, Freizeittips und einigen politischen Artikeln. Finanziert<br />
wurde das vierfarbige, 24-Seiten starke DIN-A4-Heft komplett durch Werbeanzeigen – eine<br />
hervorragende Leistung des Oberstufenschülers Martin Schöppe, der als Herausgeber auch die<br />
Anzeigenkunden besorgte.<br />
Inhaltlich und stilistisch ist „Objektiv“ ganz an seinem jungen Zielpublikum orientiert. Eine<br />
übersichtliche Seitengestaltung und nicht allzu lange Texte sorgen für kurzweiligen Lesespaß. Dabei<br />
gibt es neben Freizeittips – etwa zu einer neuen Kölner Kletterhalle – zum Beispiel auch einen<br />
Cartoon und ein Preisrätsel im Heft. Als politische Inhalte lag der jungen Redaktionsmannschaft u.a.<br />
die große Gewaltbereitschaft unter türkischen Jugendlichen und der geplante Neubau einer<br />
Großmoschee in Köln am Herzen. Themen, die in den Kölner Medien – vergleichbar auch zur<br />
bundesweiten Situation – meist unter den Teppich gekehrt werden. Frei nach dem Motto: Was nicht<br />
sein darf. Schließlich sollen die multikulturellen Blütenträume der Alt-68er ja nicht zerplatzen.<br />
Gleichzeitig ließen die Blattmacher in einem Interview auch den Jugendbeauftragten von pro Köln zu<br />
Wort kommen. Ein wohltuender Ausgleich angesichts der sonst üblichen Medienblockade gegenüber<br />
der unbequemen Bürgerbewegung, die im Kölner Stadtrat mit immerhin fünf Mandatsträgern<br />
vertreten ist.<br />
Genau das war wohl auch der Grund für die völlig überzogenen Reaktionen der etablierten Kölner<br />
Parteien auf die mit einer Auflage von 3.000 Stück erschienene Schülerzeitung. Junge Union und<br />
Jungsozialisten verabschiedeten gemeinsame Presseerklärungen, die Jungen Liberalen konstruierten<br />
sogar eine Nähe zu den Methoden der Hitlerjugend! Die Kölner Tageszeitungen und die<br />
überregionale Presse, hier besonders Spiegel Online, phantasierten von angeblich rassistischen<br />
Tendenzen des Blattes, wobei sie vor allem eine fiktive Geschichte von „Jessica und Ali“ als<br />
vermeintlichen Beleg heranzogen. Dabei weiß wohl jeder Jugendliche, der in einer (noch) deutschen<br />
Großstadt lebt, daß das in der Geschichte be-schriebene aggressive Machogehabe mancher<br />
türkischer Jugendlicher in der Realität noch viel schlimmer sein kann. Aber warum werden hier die<br />
„platten Klischees“ und „Vorurteile“ kritisiert, während ansonsten bei der Darstellung von<br />
rechtsorientierten Jugendlichen, zum Beispiel in TV-Krimis oder anderen Fernsehsendungen, stets<br />
nur die einfältigsten Stereotype vom „primitiv-gewalttätigen Skinhead“ bis hin zum „arrogantwiderwärtigen<br />
Burschenschaf-ter“ guten Gewissens verwendet werden dürfen?<br />
Eine Frage, auf die die etablierte Politik und die Medien-Macher keine Antwort geben wollen.<br />
Schließlich soll die Verschiebung des politischen Koordinatensystems in diesem Land nach links nicht<br />
öffentlich thematisiert werden. Noch ein Grund mehr für eine unabhängige Schülerzeitung, die den<br />
Jugendlichen neben der vorgefertigten Einheitsmeinung des herrschenden Zeitgeistes auch andere<br />
113
Argumente und alternative Erklärungsmuster anbietet. Denn nur durch das Vorstellen und Abwägen<br />
aller Argumente und Meinungen kann sich jeder selbst ein „Objektiv“es Bild machen! Die nächste<br />
Ausgabe der Schülerzeitung befindet sich übrigens schon in der Vorbereitung.<br />
Anmerkung der Redaktion der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>: In den folgenden Wochen werden wir verschiedenen<br />
Jugendzeitungen Platz zur Selbstdarstellung geben beziehungsweise selbst über Jugendzeitungen<br />
berichten. Zum Abschluß dieser Reihe werden wir die einzelnen Projekte und die derzeitige<br />
Gesamtlage von nonkonformen Schüler- und Jugendzeitungen kommentieren.<br />
114
Revisionismus in Zeiten des intellektuellen Stillstandes<br />
Geschrieben von: Gastautor Peeter Helme<br />
Samstag, den 23. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Begriff 'Revisionismus' wird von modernen Wörterbüchern als eine Bewegung oder Strömung<br />
bezeichnet, deren Ziel eine Änderung zwischenstaatlicher, verfassungsrechtlicher oder ideologischer<br />
Wertsetzung darstellt. In einem breiteren westlichen Sprachgebrauch aber ist 'Revisionismus' in den<br />
letzten Jahrzehnten zu einem effektiven politischen Schimpfwort geworden. In einem zunehmenden<br />
Maße ist es nunmehr das gesamte weite Feld des konservativen Denkens, das in einen<br />
Revisionismusverdacht gerät. Mit dieser Entwicklung erhält der besprochene Begriff nun eine<br />
verstärkte Brisanz für die politische Situation der Gegenwart.<br />
Das Wort 'Revisionismus' besitzt seine etymologischen Wurzeln im Lateinischen, wo das Verb<br />
revidere so viel wie 'wieder hinsehen' oder 'erneut anschauen' bedeutet und insofern zunächst<br />
einmal ohne weitere politische Konnotation bleibt. Die Nebenbedeutung, die den Begriff zu einem so<br />
brisanten in der Gegenwart macht, erhielt er erst im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts.<br />
Sebastian Haffner hat in seinen 'Anmerkungen zu Hitler' fehlende 'Selbst-Revision' bei Hitler<br />
angeklagt. Hitler habe die Grundlagen seines im Ersten Weltkrieg entwickelten Weltbildes niemals<br />
wieder verändert, niemals revidiert. So zeigt sich die Fähigkeit zum Revisionismus als eine<br />
erwachsene Fähigkeit. Revisionismus ist eben die Fähigkeit, seine eigenen Ideen und Standpunkte<br />
stets wieder aufs Neue zu prüfen und weiter zu entwickeln und ist somit ein Gegenentwurf zum sich<br />
in Europa immer weiter verbreitenden Versuch, ein für alle Mal Geschichte fest zu legen. Diese<br />
Tendenz, Urteile über Geschichte zu verewigen, ist alles andere als humanistisch oder<br />
wissenschaftlich. Hinter dieser Entwicklung verbirgt sich eine totalitarismusnahe Pseudoreligiösität.<br />
Das Ziel der Linken: ein geschichtshermetisches Utopia<br />
Der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Kagan sieht in seinem Essay 'Macht und Ohnmacht'<br />
in der Politik Europas das Begehren, ein geradezu geschichtshermetisches Utopia herbeizusehnen.<br />
Eine solche Idee der Geschichtsüberwindung hat eine Reihe von Denkern beschäftigt. Geistiger<br />
Mittelpunkt einer Vielzahl Intellektueller dürfte Jürgen Habermas, Fürsprecher neupositivistischer<br />
Philosophie und Leitfigur der kontinentaleuropäischen Linken, sein.<br />
Inspirierend mag hier Hans Blumenberg gewirkt haben, der mit seinem Hauptwerk 'Die Legitimität<br />
der Neuzeit' (1966) das Standardwerk der vermeintlichen menschlichen Schaffenskraft geschrieben<br />
hat. Er definiert die Neuzeit als diejenige Epoche, die sich von jenseitigen Bedingungen frei gemacht<br />
hat, und sich so selbst befähigt sieht, schöpferisch tätig zu sein. Eine solche Welt kann tatsächlich<br />
revisionsfrei sein, da sie ihr eigenes Ziel, ihren eigenen Endzustand definieren kann. Eine Anders-,<br />
Um- oder Neudenkung der Geschichte kann dort ausgeschlossen werden — wie aus sowjetischer<br />
Erfahrung bekannt ist.<br />
Revisionismus verträgt sich nicht mit materialistischen Werten wie<br />
Einfachheit und Schnelligkeit.<br />
Revisionistisches Denken sollte als eine geistige Überlebensmöglichkeit des Menschen in einer Welt<br />
gesehen werden, die sich in Richtung intellektuellem Stillstand bewegt.<br />
Es macht wenig Sinn, die Hauptschuld bei den Pseudohumanisten zu suchen — sie versuchen zwar,<br />
den Horizont des Geistes einzuengen, doch liegt die Schuld tatsächlich in uns allen. Da der Mensch<br />
versucht ist, seine subjektiven Wünsche schnell und einfach zu verwirklichen, sind die Ziele, in deren<br />
115
Namen wir unsere eigene, kleine Welt errichten, in zunehmendem Maße von materiellem Denken<br />
geprägt. Es ist die geistige Welt, die an Substanz verliert — das geistige Abenteuer wird selten.<br />
Die Ideologie des Materialismus und der menschlichen Selbstermächtigung wird einen noch weiter<br />
gehenden Prozess der Primitivisierung erfahren, da sie Symbole und emotionale Werte immer weiter<br />
ausschalten wird. Diese stellen eine Gefahr für den Wunsch nach einmaliger Festzerrung von<br />
Geschichte dar.<br />
Der Neuanfang: Revisionismus im eigenen Leben<br />
Um diese einfältige Welt zu stören, ist noch nicht einmal geschichtswissenschaftlicher oder<br />
politischer Revisionismus von Nöten — es reicht durchaus, wenn mehr Menschen an den<br />
vermeintlich selbstverständlichen Dingen des Alltags zweifeln, wenn mehr Menschen sich fragen,<br />
welche ihrer Wünsche wirkliche eigene sind und nicht auf die Ideale einer vom heideggerschen<br />
'Gerede' berauschten Gesellschaft ausgerichtet sind.<br />
Dabei stellt sich die Frage nach einer Veränderung der großen, weiten Welt erst gar nicht —<br />
eigentlich ist sie bereits beantwortet: Wir müssen die Welt nicht ändern, sie wird es schon selbst tun,<br />
wenn wir nur endlich anfangen, intensiv zu denken und zu fühlen.<br />
Peeter Helme, Redakteur der Netzzeitschrift “Kriteerium” (www.kriteerium.ee).<br />
116
Gedicht: Aus fallenden Atomen<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Mittwoch, den 27. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Nach langen Dürrezeiten jetzt endlich wieder mal etwas lyrisches: Aus<br />
fallenden Atomen<br />
Den fallenden Atomen<br />
Galt unser Schreckenswort<br />
Brannten wir Phantomen<br />
Glauben in den Innen-Ort<br />
Lichter bannten sich in Ferne<br />
Unserm starken Blicke hin<br />
Steh, Schau, Schweig und: Lerne<br />
In der Totale sieht der Sinn<br />
Und ein Pfeilschuß, schnellstes Licht<br />
Brannte es an fernsten Horizont<br />
Staub der alten dunklen Bücher bricht<br />
Blicken an die Himmelsfront.<br />
117
Mit Joachim Fernau über Geschichte sprechen<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Samstag, den 30. September <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Auf allen Kanälen erzählen und illustrieren Guido Knopp und Co. Geschichte. Sendungen angefangen<br />
von „Zeitzeichen“ des Radiosenders WDR 5 bis hin zu Knopps berühmten „Hitlers Frauen“<br />
emotionalisieren historische Ereignisse, finden aber keinen Weg, Geschichte unverkrampft zu<br />
verarbeiten. Die Erzähler der Geschichte rudern geschickt an den bereits jahrzehntelang<br />
existierenden Tabus unserer Gesellschaft vorbei und bedienen sich altbewährter Denkmuster. Ein<br />
Weg aus der Verkrampfung ist nicht in Sicht.<br />
Dem Erzählen von Geschichte fehlt einer, der sie locker anpackt und der damit eingängig unterhalten<br />
kann. Es fehlt ein Joachim Fernau. Wenn Joachim Fernau heutzutage die Möglichkeit bekommen<br />
würde und eine Radiosendung mit Geschichte und seinen Geschichten füllen dürfte, dann würde er<br />
wahrscheinlich so beginnen:<br />
„Liebe Hörer, ich weiß, Sie stehen gerade im Stau oder machen nebenbei den Abwasch. Darf ich<br />
dennoch kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Ich danke Ihnen und will mich auch nicht länger bei<br />
der Vorrede aufhalten, denn wir haben heute wichtiges vor: Wir möchten über Geschichte sprechen<br />
– heute über die Geschichte der Preußen, der armen Leute in Preußen und für morgen denke ich mir<br />
auch noch etwas aus. Keine Angst, ich habe nicht vor, Ihnen Jahreszahlen noch und nöcher an den<br />
Kopf zu werfen. Lassen Sie uns also beginnen.<br />
Wenn ein Bayer einen Preußen ärgern will, sagt er: ‚Wir haben schon mit Messer und Gabel<br />
gegessen, als ihr noch auf den Bäumen saßt.’“<br />
Leider ist Joachim Fernau seit fast 20 Jahren tot. Er starb am 24. November 1988 in Florenz. Joachim<br />
Fernau, geboren am 11. September 1909 in Bromberg (Westpreußen), gehört zu den begnadetsten<br />
deutschen Geschichtserzählern des 20. Jahrhunderts. Nachdem er im 2. Weltkrieg als<br />
Kriegsberichterstatter gearbeitet hatte, widmete er sich journalistischen und schriftstellerischen<br />
Aufgaben. Dabei herausgekommen sind über zwanzig Bücher; manche mit einer Auflage von mehr<br />
als einer Million; die dem Leser Geschichte lebhaft und auf unterhaltsame Weise beibringen.<br />
Fernau erzählt einmalig. Er plaudert über die alten Griechen und Römer, äußert sich äußerst<br />
subjektiv zum Nibelungenlied und weiß ganz genau, wer die Genies der Deutschen sind. Seine<br />
schnodderige Art macht Geschichte lebendig. Spontan, witzig und überraschend redet Fernau drauf<br />
los.<br />
Die saloppen Einschätzungen über die Monumente der deutschen Geschichte und seine historischen<br />
Anekdoten wirken unaufdringlich. Man hört Joachim Fernau beim Geschichtenerzählen gerne zu.<br />
Er überraschte regelmäßig seine Stammleser und war ein Autor, der gegen den Strich dachte und<br />
schrieb und doch stand er auf einem festen Fundament. Die deutsche Seele zu erforschen, lag ihm<br />
am Herzen. Joachim Fernau fordert seine Leser zu einem unverkrampften Deutschsein auf. Mit<br />
Berechtigung, denn bei ihm ist diese Forderung nicht nur Lippenbekenntnis, sondern das Resultat des<br />
eigenen Lebenswerkes.<br />
118
[/heretic] - Die unabhängige Jugendzeitung<br />
Geschrieben von: Redaktion der [/heretic]<br />
Dienstag, den 03. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Schülerzeitung "Objektiv" hat sich bereits auf den Seiten dieses Onlinemagazins vorgestellt.<br />
Heute ist die nächste Jugendzeitung an der Reihe.<br />
[/heretic] ist ein unabhängiges Projekt von Schülern, Studenten und jungen Arbeitnehmern. Der<br />
Name der Zeitung hat im ersten Durchgang keinen Bezug zum Häretiker oder der Häresie aus dem<br />
katholischen Weltbild, vielmehr ist es ein Hinweis darauf, dass sich der Inhalt außerhalb der<br />
bequemen, "offiziellen Lehre" in unserer erstarrten Gesellschaft bewegt. Themen aus den<br />
verschiedensten Bereichen sollen also undogmatisch und kritisch beleuchtet werden und dazu<br />
anregen über die Inhalte weiter nachzudenken. Jeder, der möchte, kann sich aktiv an diesem Projekt<br />
beteiligen, indem er die Zeitung in seinem Umfeld verteilt oder Artikel schreibt und einschickt. Auch<br />
Gedichte sind Willkommen!<br />
[/heretic] erscheint vierteljährlich und wird in einer Auflage von je 10.000 Exemplaren gedruckt und<br />
vor Schulen gratis verteilt. Über das Internetportal www.heretic-online.de können unsere Leser dann<br />
ein gratis Online-Abo abschliessen und so ständig auf dem Laufenden bleiben.<br />
Anmerkung der Redaktion der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>: In den folgenden Wochen werden wir verschiedenen<br />
Jugendzeitungen Platz zur Selbstdarstellung geben beziehungsweise selbst über Jugendzeitungen<br />
berichten. Zum Abschluß dieser Reihe werden wir die einzelnen Projekte und die derzeitige<br />
Gesamtlage von nonkonformen Schüler- und Jugendzeitungen kommentieren.<br />
119
Am 7. Oktober <strong>2006</strong> – 57 Jahre danach<br />
Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />
Montag, den 09. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Da sitze ich schon mal im Zug und will meine Ruhe haben und werde dennoch durch irgendwelche<br />
Klingeltöne von der Landschaft abgelenkt. Damit musste ich natürlich rechnen, weil ich ja nicht<br />
alleine in dem, mittlerweile seelenlosen, Transportmittel vor mich hinstarrte. Aber inmitten des<br />
ganzen Lärmes fiel mir etwas auf, was mich veranlasste, diesen Artikel zu schreiben. Dieses Mal höre<br />
ich keine Britney- Spears Titel oder Furzgeräusche, sondern eine Melodie, an die ich mich nur selten<br />
erinnere – die Nationalhymne der DDR. Natürlich ohne Text, weshalb die Genossen sicher stolz<br />
wären, denn die Erinnerungen scheinen zu verbleichen, nach 16 Jahren Einheit, und da ist es doch<br />
schon was, wenn ein junger Mensch, mittels modernster Technik auf Weltniveau, die Hymne sogar<br />
richtig vorträgt. Auch einen FDJ-Aufnäher habe ich erblickt. Schon frage ich mich: „Sind das nun die<br />
letzten Reste der unsäglichen Ostalgiewelle oder handelt es sich um geschichtliche Ignoranz?“<br />
Eigentlich kann mir das egal sein, da mir beides nicht gefällt, also ignoriere ich das Geschehen, denn<br />
ich glaube es besser zu wissen, solange bis nach einigen Momenten eine Diskussion um den<br />
Jugendlichen herum beginnt:<br />
„Da hatte wenigstens jeder Arbeit und jeder der gut war, konnte studieren.“<br />
Etliche solche Halbsätze waren dann zu hören. „Kostenlose medizinische Versorgung“, „weniger<br />
Ausländer als heute“ oder „damals wurde mehr für Jugend gemacht“. Ein anderer habe von seinen<br />
Eltern gehört, dass es in der DDR menschlicher zugegangen wäre als heute. Moment mal!<br />
Ein Staat, der seine eigene Bevölkerung einsperrte, mit einem Geheimdienst, der mehr Mitarbeiter<br />
als die Gestapo hatte, soll menschlicher gewesen sein als der angeblich freieste Rechtsstaat, den wir<br />
heute haben? Wie kann man denn so was denken?<br />
Die Diskussion geht weiter: „Heute kann ich aber überall hin, wo ich will“, daraufhin entgegnete der<br />
Meinungsführer: „Mit welchem Geld???“ Schlussendlich einigte sich ein Großteil der Runde darauf,<br />
dass die heutigen Zeiten besser seien. Alle haben ein Handy, einen Computer und vor allem<br />
Computerspiele und irgendwie wäre Honecker doch noch peinlicher als die Merkel heute gewesen.<br />
Freie Wahlen besser als Existenzsicherung?<br />
Ist das alles, was unseren Staat besser als die DDR macht? Irgendwelche Neuerungen, die man eines<br />
Tages vielleicht sogar im Sozialismus hervorgebracht hätte. Sind sie überhaupt wertvoller als eine<br />
funktionierende staatliche Versorgung?<br />
Die Gruppe wäre in schallendes Gelächter ausgebrochen, hätte ich von „freien Wahlen“ erzählt oder<br />
von „völlig freier Arbeitsplatzwahl“, in einer Zeit mit überdimensionalen Arbeitslosenzahlen. Wie<br />
sehr hätte man mich ausgelacht, wenn ich von einem gerechteren Staat gesprochen hätte und auch<br />
nur einer aus der Gruppe auf die Idee gekommen wäre, mir die uneingeschränkte Freiheit von<br />
korrupten Politikern an den Kopf zu werfen. Sicher sind meine Einfälle und Überzeugungen auch in<br />
diesem Fall beinahe grenzenlos, schließlich habe ich mit dem Sozialismus an sich Probleme, denn er<br />
ist mit Freiheit nicht kompatibel, er schafft uniforme Gesellschaften und ist gnadenlos gegenüber<br />
seinen Gegnern. Dann war da noch die Entleerung der Seelen durch staatlich geförderten Atheismus.<br />
Davon lassen sich aber Menschen, die ein Desinteresse für Politik und Geschichte besitzen, nicht<br />
überzeugen.<br />
120
Hauptsächlich interessieren sie sich nämlich für Brot und Spiele, um weiterzuleben und dabei noch<br />
Spaß zu haben. In diesem Fall bin ich mit meinen freiheitlichen Gedanken in der Minderheit, wenn<br />
ich die Freiheit nicht mit Hyperwohlstand kombinieren kann. Nämlich genau dieser wird zur Zeit<br />
abgebaut und das zu Recht, weil die nächsten Generationen sonst arge Probleme bekommen würden<br />
und weil er eine Gesellschaft auch zu dekadent werden lässt. Ja, so kann man das sagen.<br />
Wäre die DDR untergegangen, wenn der Westen keinen Wohlstand in der damaligen Form gehabt<br />
hätte? Vielleicht, aber hätte sich eine Volksbewegung zur Wiedervereinigung entwickelt? Aufgrund<br />
der größeren Freiheiten? Warum wollten überhaupt so viele Bürger hinter der Mauer zum „goldenen<br />
Westen“ gehören? Ja, wegen des Wohlstandes, des Geldes wegen und nicht wegen des Vaterlandes,<br />
was mit Glück vielleicht an zweiter Stelle kam. Wollte man damals zur BRD aufgrund der winkenden<br />
Unabhängigkeit von der Sowjetunion, wegen der Freiheit oder weil die D-Mark im sozialistischen<br />
Ungarn für die Bevorzugung der kapitalistischen Westdeutschen sorgte?<br />
Wer sich diese Überlegungen zu Gemüte führt, wird feststellen, dass in den Köpfen anscheinend auf<br />
Sand gebaut wurde. Viele Vorzüge fanden sich nur im Schlepptau von Reichtum und Macht wieder,<br />
was unglücklicherweise das Denken geprägt hat. Dann gab es bei einigen noch wahnwitzige Ideen,<br />
wie den Luxus auf der einen Seite mit der sozialen Sicherheit auf der anderen Seite des<br />
Stacheldrahtes zu kombinieren. Das die darauf folgende Nichterfüllung, gepaart mit einer Menge von<br />
weiteren Fehleinschätzungen, zu Frust führt, ist deshalb nicht verwunderlich und hat auf beiden<br />
Seiten die Aggressivität weiter angeheizt. Nur deshalb hat die SED-Nachfolgepartei noch heute eine<br />
Vielzahl von dauerhaften Stammwählern.<br />
Staatsidee der BRD?<br />
Dass es einigen Leuten egal ist, in welchem Staat sie leben, getrennt oder vereint, mit den<br />
Landsleuten, mit Selbstbestimmung oder nicht, sollte nachdenklich machen. Nur wenn die Kasse<br />
stimmt, sind alle zufrieden. Es ist also offensichtlich, dass Wohlstand kein<br />
Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugt. Man kann sich nicht über eine gemeinsame Währung<br />
definieren und wenn die Nationalfahne bloß noch für Fußballspiele taugt, fehlt ein Bindeglied<br />
zwischen zwei Landesteilen, die immer noch sehr unterschiedlich sind, obwohl schon viel passiert ist.<br />
Die Wiederentdeckung der Nation könnte auch in diesem Bereich eine Menge unnötige Barrieren<br />
und Vorurteile abbauen. Außerdem haftet an ihr nicht die Vergänglichkeit, die der Wirtschaftskraft<br />
eigen ist. Leider wird sich dahingehend nichts ändern, wenn für die Entscheidungsträger des<br />
deutschen Volkes Nutzungsmehrung darin besteht etliche Millionen, die für Deutschland vorgesehen<br />
waren, nach Polen zu transferieren und wenn die Integration nicht erst beim Islam sondern schon an<br />
den neuen Ländern scheitert, werden wohl auch weiterhin Protestparteien die Ordnung in Gefahr<br />
bringen.<br />
121
na klar!<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Donnerstag, den 12. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der dritte Artikel unserer Reihe. Diesmal rezensiert einer unserer Autoren selbst eine junge Zeitung:<br />
die na klar!, die Bundeszeitung des jugendbewegten Freibundes.<br />
Na klar! - an was mag der unkundige Leser bei dieser Überschrift denken? Es handelt sich auf jeden<br />
Fall um etwas Bejahendes, Selbstsicherheit und Kraft ausstrahlendes. Nichts destruktives, nicht nur<br />
herumnörgeln, sondern selbst Vorbild sein; im Idealfall: selbst schaffen.<br />
Angesichts der Tatsache, dass die naklar! durch einen Jugendbund herausgegeben wird, ist der Name<br />
zweifelsohne richtig gewählt. Schließlich liegt es an der Jugend, mit Ideen und Tatendrang ihr Umfeld<br />
zu gestalten und in es hineinzuwirken. Die na klar! lässt den Außenstehenden einen Einblick in das<br />
Leben des Freibundes wagen: die Themen reichen von gemeinsamen Wanderfahrten über<br />
Bundestreffen bis hin zum Gedichtwettstreit, indem das Gefühl für die deutsche Muttersprache<br />
vertieft wird. Auf den letzten Seiten finden sich unter der Überschrift “Das geht dich an” auch<br />
Berichte zu aktuellen Ereignissen sowie Terminbekanntgaben - die na klar! erscheint vierteljährlich in<br />
mehreren hundert Auflagen.<br />
Insgesamt erschließt sich dem Leser ein beeindruckendes Jugendleben. Die Bezeichnung<br />
“ganzheitlich” trifft hier wohl am ehesten zu. Sowohl Geistiges, Körperliches als auch Seelisches<br />
werden nicht vergessen und bedingen sich gegenseitig. Beim Gedichtwettstreit oder der<br />
Gruppenfahrt werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Das Leben des Freibundes basiert auf<br />
den Traditionen der deutschen Jugendbewegung, in der Zeitschrift finden sich immer wieder Bezüge<br />
zu ihr.<br />
Dem Leser wird jedoch schnell klar, dass es sich hier um die Repräsentation eines Jugendbundes<br />
handelt, nicht um ein unabhängiges, selbstständiges Magazin. Doch das kann auch den Reiz dieser<br />
Zeitung ausmachen. Auf 28 Seiten gelingt es, bündisches Lebensgefühl in Ansätzen zu vermitteln.<br />
Dem Leser wird schnell bewusst werden, dass wer den Freibund und auch die Autoren der na klar!<br />
näher kennen lernen will persönlich - etwa bei einem Herbstlager - vorbeischauen muss.<br />
Anmerkung der Redaktion der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong>: In den folgenden Wochen werden wir verschiedenen<br />
Jugendzeitungen Platz zur Selbstdarstellung geben beziehungsweise selbst über Jugendzeitungen<br />
berichten. Zum Abschluß dieser Reihe werden wir die einzelnen Projekte und die derzeitige<br />
Gesamtlage von nonkonformen Schüler- und Jugendzeitungen kommentieren.<br />
122
TDCler äußern sich zu ihrer Community<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Freitag, den 13. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Was denken die Nutzer von Triff Deinen Chemnitzer über ihre Community? Wir haben sie gefragt.<br />
BN-Online: Wie gefällt es dir bei Triff Deinen Chemnitzer? Welche Vorteile<br />
hat diese Community für dich?<br />
Isabel: Es ist super hier! Man lernt neue Leute in der Umgebung kennen und kann mit Freunden<br />
quatschen und erfährt, was es so neues gibt und wo was los ist! Die Anzeigen sind auch super, da<br />
man dort verkaufen oder kaufen kann.<br />
André: Es ist ganz nett hier und man kann viel Spaß haben. Die Vorteile und Besonderheiten sehe ich<br />
in der Regionalität der Community. Man kann bei Lust und Laune einfach und schnell Leute treffen,<br />
um sie auch außerhalb des TDC kennen zu lernen.<br />
Emily: Also ich finde TDC relativ sinnlos, aber man kann eben Zeit vertrödeln und auch schauen, wie<br />
man auf andere wirkt.<br />
Christian: Das TDC ist eine nicht zwingend notwendige aber interessante Einrichtung! Man lernt recht<br />
schnell neue Leute kennen, auch wenn man ihnen eher nur schreibt, aber da es meistens Chemnitzer<br />
sind, steht einem Treffen bei gegenseitiger Sympathie ja nichts im Wege! Ganz witzig ist die Art sein<br />
Profil einzurichten. Andere vernachlässigen das etwas.<br />
Tobias: Der Vorteil ist, daß viele Leute hier angemeldet sind und auch immer genug online sind! Der<br />
Nachteil: Viel zu viel geistiger Dünnschiß!<br />
Chrissi: Naja, es geht so. Mir persönlich gibt es hier zu viele notgeile Leute, die nur auf Abenteuer aus<br />
sind oder durch schleimige Nachrichten uninteressant für mich sind. Der Vorteil ist, daß ich hier<br />
einige Freunde kennengelernt habe, die ich nicht mehr missen möchte und daß ich mit Leuten in<br />
Kontakt bleiben kann, die ich sonst nicht oft sehe.<br />
Cindy: Also TDC hat viele Vorteile. Man lernt nicht nur nette Leute aus der Umgebung kennen,<br />
sondern man liest sich viel die Blogs durch. Es ist viel Spannendes dabei und viel Tiefgründiges, was<br />
einen bewegt. Und außerdem kann man seine Meinung äußern.<br />
BN-Online: Seid ihr auch noch Mitglied bei anderen Communities?<br />
Cindy: Ich denke, dass wird fast jeder hier sein.<br />
Emily: Ich bin noch Mitglied bei Photocase, weil ich halt gern fotografiere und da hat man die Chance,<br />
daß man ein bißchen bekannter wird damit.<br />
Tobias: Ja, ich bin bei chemunicate.de, chemnitz-community.de und talk-about-le.de.<br />
Isabel: Früher ja, aber TDC ist die beste Community. Da sind die Leute wenigstens nur aus der<br />
Umgebung.<br />
André: Diese Fun-Community (TDC – Anmerk. d. Red.) hier reicht aus.<br />
BN-Online: Wie viel Zeit investiert ihr in TDC?<br />
Chrissi: Ich bin vielleicht zwei- bis dreimal die Woche für maximal eine Stunde online.<br />
Emily: Ich bin am Tag einmal im TDC. Vielleicht so eine Stunde.<br />
123
Christian: Wenn ich mal im Netz bin, sehe ich immer mal vorbei. Es kann auch sein, daß ich es mal ein<br />
bis zwei Wochen schleifen lasse. Immerhin gibt es da draußen auch noch das reale Leben!<br />
Tobias: Keine Ahnung, es hält sich in Grenzen.<br />
Cindy: Das ist sehr unterschiedlich. Ich bin aber dennoch jeden Tag online, um meine Mails zu<br />
beantworten, aber ab und an kann ich auch mal stundenlang hier verbringen, zumindest, wenn mich<br />
die Chatsucht packt.<br />
André: Unterschiedlich, mitunter mehrere Stunden täglich, weil nebenbei das Browserfenster offen<br />
ist.<br />
BN-Online: Findest du, daß es problematisch ist, wenn man sich zu lange in<br />
Communities wie zum Beispiel TDC „aufhält“?<br />
Christian: Ach warum, soll doch jeder solange und so oft im Netz sein, wie er will! Für manche<br />
Menschen ist ein Chat oder eine Community die einzige Art, Leute kennen zu lernen. Viele sind zu<br />
schüchtern. Dieses Gefühl verliert man oft, wenn man einfach nur schreibt! Ist ein ganz witziger<br />
Zeitvertreib!<br />
Emily: Und ich denk schon, daß es problematisch ist, zu viel Zeit mit so etwas zu verbringen, weil man<br />
zwar auch irgendwie Kontakte knüpft, aber ich denke im real life heißt „Kontakte knüpfen“ was ganz<br />
anderes als im TDC und so etwas sollte man schon draufhaben.<br />
André: Problematisch würde es erst dann, wenn man sich selbst nicht soweit kontrollieren kann, daß<br />
wichtigeres dem TDC weichen muß.<br />
Tobias: Kommt auf die Person an, aber bei mehreren Stunden am Tag wird’s auf jeden Fall<br />
problematisch.<br />
Cindy: Nein, daß finde ich nicht. Ich denke hier ist fast jeder in dem Alter, wo er sich selber<br />
einschätzen kann.<br />
Chrissi: Das, denke ich, kommt auf den Charakter eines Menschen an. Ich hatte auch Zeiten, in denen<br />
ich aus akuter Langeweile den ganzen Tag im TDC verbracht habe. Aber ich habe noch ein Leben<br />
außerhalb des Internets, was einigen anderen wohl zum Verhängnis wird und sie das TDC als ihr<br />
Leben betrachten und dadurch "reale" zwischenmenschliche Beziehungen nicht mehr zu pflegen<br />
wissen bzw. es verlernen.<br />
Isabel: Das kann zum Problem werden. Ja, man muß sich zusammen reißen. Zu viel Zeit damit zu<br />
verbringen, nur mit Leuten zu schreiben, schränkt sicher auch das soziale Verhalten in Discos oder<br />
auf Partys ein. Doch im Großen und Ganzen gibt es schlimmeres als Communities.<br />
124
Triff Deinen Chemnitzer. Eine Parallelgesellschaft<br />
wächst heran<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Freitag, den 13. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
In Chemnitz sorgt eine Partycommunity für Furore. Triff-deinen-Chemnitzer.de (kurz: TDC) hat sich<br />
binnen weniger Jahre mit mehreren Tausend Mitgliedern zu einer der erfolgreichsten<br />
Regionalcommunities Deutschlands gemausert. Die Jugend trifft sich bei TDC. Dort unterhält man<br />
sich, handelt wie auf einem Flohmarkt und sucht nach Bekanntschaften oder der großen Liebe.<br />
Mancher zeigt sich von seiner besten Seite, und mancher von seiner schlechtesten, so wie im<br />
richtigen Leben.<br />
Die TDClerin Isabel, 18, sagt über ihre Lieblingscommunity: „Es ist super hier! Man lernt neue Leute in<br />
der Umgebung kennen und kann mit Freunden quatschen und erfährt, was es so neues gibt und wo<br />
was los ist! Die Anzeigen sind auch super, da man dort verkaufen oder kaufen kann.“ Der<br />
Erfolgsfaktor von TDC ist tatsächlich dessen Anbindung an die Region – viele Mitglieder kennen sich<br />
oder können sich ohne weiteres kennenlernen. Triff Deinen Chemnitzer wahrt den Bezug zum realen<br />
Leben. So finden zum Beispiel regelmäßig eigene Partys statt.<br />
Für die meisten Mitglieder ist TDC eine feste Größe ihrer Freizeitbeschäftigung geworden. Hier<br />
treiben sie sich zwischen einer halben und zwei Stunden täglich herum, diskutieren, verkaufen ihre<br />
alten Handys und suchen nach einem neuen Schnäppchen.<br />
TDC entwickelt sich aufgrund der Größe und der Möglichkeiten für die einzelnen Mitglieder immer<br />
mehr zu einer Parallelgesellschaft mit der Besonderheit, daß öffentlicher Raum und privater<br />
zusammenfallen – eine Tendenz, die bald das ganz reale Leben erfassen wird. Die schönen Facetten<br />
des Lebens kommen in dieser Parallelgesellschaft ebenfalls zum Tragen wie die weniger schönen.<br />
Wie egozentrisch die Jugendlichen sind, zeigen sie in ihren eigenen Bildergalerien. 15-jährige<br />
Mädchen stellen sich mit eigenen Bildern, auf denen sie fast nackt zu sehen sind, dem Votum der<br />
anderen Mitglieder. Viele junge Männer tun es ihnen inzwischen gleich. Voyeurismus und Egozentrik<br />
haben sich in der TDC-Gesellschaft breit gemacht.<br />
Eine virtuelle Gesellschaft ist prädestiniert für grenzenlose Selbstinszenierung. Die Jugend bettelt um<br />
Aufmerksamkeit. Sie erhofft sich davon ein kleines Stück Liebe und mancher wünscht sich insgeheim,<br />
ein kleines Stückchen berühmt zu werden.<br />
125
Höhere Wesen: Jean Baptiste Grenouille<br />
Geschrieben von: John Palatini<br />
Dienstag, den 24. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Auch wenn der Untertitel von „Das Parfum“ die Geschichte eines Mörders ankündigt, so ist sie doch<br />
keine gewöhnliche Kriminalgeschichte. Vor allem ist Jean Baptiste Grenouille kein normaler Mensch<br />
und eben deshalb auch kein normaler Mörder. In der Figur Grenouilles begegnet der Leser einem<br />
außerhalb der menschlichen Ordnung stehenden und agierenden Genie. Der Film allerdings leistet<br />
genau in Bezug auf diese entscheidende Perspektive nicht, was Patrick Süskind mit seiner<br />
Romanvorlage gelang. Vor allem die angedeutete Sehnsucht Grenouilles nach der liebenden Nähe<br />
eines anderen Menschen und das darin enthaltene Bedauern seiner eigenen Taten, lassen seinen<br />
beabsichtigten Tod am Ende wie die Tat eines einsamen und traurigen Menschen aussehen.<br />
Geboren auf dem Fischmarkt von Paris im Jahre 1738, aufgewachsen in einem Heim, verkauft an den<br />
Gerber Grimal, wird Grenouille schließlich, Dank seines unglaublichen Geruchssinns, Lehrling des<br />
angesehenen Parfumeurs Baldini. Seine Umwelt nimmt er vor allem riechend wahr. Sehen und<br />
Sprechen sind für ihn völlig untergeordnete Fähigkeiten. Das wird auch im Film ausgesprochen<br />
deutlich. Nicht aus der Erscheinung der Welt und den Handlungen und Aussagen der Menschen fügt<br />
sich für Grenouille die Symphonie des Lebens; wesentlich ist ihm allein der Geruch aller Dinge. Leben<br />
ist für ihn die Komposition alles Duftenden; ein Kosmos, der anderen Menschen unbegreiflich und<br />
verschlossen bleibt. Die Frage nach einem ganz normalen Leben, nach Frau und Kindern, nach einem<br />
Beruf und der Einbindung in ein soziales Umfeld, für Grenouille stellt sie sich nicht. Alle Tätigkeiten,<br />
jede Kommunikation von seiner Seite erfolgt im Grunde nur, um den Gerüchen der Welt auf der Spur<br />
zu bleiben.<br />
Für Grenouille ist das Leben eine Komposition alles Duftenden.<br />
In den Gassen der Stadt wittert er den Duft eines Mädchens, gerät in Ekstase, geht ihr nach und tötet<br />
sie, um ihren Duft ungestört in sich hineinzusaugen. Um diesen aber dauerhaft zu bewahren, fehlt<br />
ihm die Kenntnis eines dafür geeigneten Verfahrens. In Paris ist ein solches nicht zu finden. Aus<br />
diesem Grund verlässt Grenouille nach Erhalt seines Gesellenbriefs die Stadt. Er begibt sich nach<br />
Grasse, dem Mekka des Parfumhandwerks. Dort erlernt er das entscheidende Verfahren der<br />
Enfleurage. Um jedoch den Duft der Frauen zu konservieren, muss er auch hier zum Mörder werden;<br />
für Grenouille allerdings ein Problem, das sich nicht stellt. Seine Sehnsucht gilt fortan allein der<br />
Kreation eines himmlischen Parfums aus dem Duft junger Frauen. Schlussendlich sind es<br />
fünfundzwanzig, die in Grasse ihr Leben verlieren.<br />
Nach seiner letzten Tat wird Grenouille gefasst und zum Tode verurteilt. Einen wirklichen<br />
Spannungsbogen in Bezug auf die Aufklärung der Morde fehlt. Die Suche nach dem Mörder wird von<br />
Süskind auf die Darstellung der verängstigten Bürgerschaft und einige Massenpsychosen reduziert.<br />
Im Roman wird Grenouille schließlich gefasst, weil er zufällig erkannt wurde; im Film sind die Häscher<br />
einfach da. Doch genau darum geht es auch nicht! „Das Parfum“ ist kein Krimi, sondern ein<br />
Kunstwerk; - die höchst gelungene Inszenierung eines einmaligen, jenseits der menschlichen Moral<br />
agierenden Genies.<br />
„Das Parfum“ ist ein Kunstwerk.<br />
Baldini, der Pariser Meisterparfumeur, vergleicht die Erschaffung eines Parfums mit der Komposition<br />
eines musikalischen Meisterwerks. Er selbst allerdings beherrscht gerade einmal die technischen<br />
Verfahren, ohne aber seinen Gegenstand – den Duft – auch nur im Ansatz zu verstehen. Ihm geht die<br />
126
technische Meisterschaft über alles, weil sie seine einzige Hoffnung ist, dem Universum der Düfte<br />
wenigstens einige, wenn auch höchst unvollkommene Kreationen abzuringen.<br />
Grenouille hingegen muss seinem Gegenstand nichts abringen. Spielerisch hantiert er mit den<br />
verschiedensten Essenzen. Er ist ihr begnadeter Meister. Technische Fertigkeiten benötigt er nicht,<br />
um etwas zu kreieren, das andere dann als schön empfinden, sondern – auf einer völlig anderen<br />
Ebene – um sich sein eigenes Universum der Düfte überhaupt erst zu erschaffen. Was er Baldini als<br />
dessen Lehrling liefert, sind Kunstwerke, die Gefallen finden und seinen Meister zum ersten<br />
Parfumeur Frankreichs erheben. Doch niemand außer Grenouille selbst ist in der Lage, die<br />
eigentlichen Tiefen dieser Kompositionen, ihre Abgründe – bestehend aus Speiseresten und<br />
Exkrementen – zu erahnen. In der Gegenüberstellung des Handwerkers Baldini und des eigentlichen<br />
Meisters Grenouille gestaltet Süskind am auffälligsten die Charakteristik des Genies. Die Szenen in<br />
der Werkstatt Baldinis und das hinreißende Spiel Dustin Hoffmanns in der Rolle des Parfumeurs sind<br />
die Höhepunkte des Films.<br />
127
Daniel Kehlmann: „Die Vermessung der Welt“<br />
Geschrieben von: Johannes Schüller<br />
Samstag, den 28. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Daniel Kehlmann stürmt die Bestsellerlisten. Sein aktuellstes Werk „Die Vermessung der Welt" ist<br />
mittlerweile in allen Buchläden zu finden - obwohl sein Schreibstil keineswegs in die aktuelle<br />
bundesdeutsche Popliteratur passt. Kehlmanns Schreibstil steht für etwas eigenes, besonderes, was<br />
sich nicht einfach in die aktuelle Literatur einordnen lässt, sondern vielmehr untergründige<br />
literarische Traditionen zu bedienen scheint. Mit „Die Vermessung der Welt„ greift er ein historisches<br />
Thema auf und entfaltet daran seine unverwechselbare Sprachmagie. „Die Vermessung der Welt“<br />
Ende des 18. Jahrhunderts baut auf zwei Persönlichkeiten auf: Carl Friedrich Gauß und Alexander von<br />
Humboldt. Gauß, ein mathematisches Wunderkind, ein sturer Kopf mit Hang zur Melancholie,<br />
verlässt kaum das heimische Göttingen. Dort schafft er das System der modernen Mathematik,<br />
erklärt die Planetenbewegungen und begründet die moderne Physik. Ohne Gauß wäre unsere<br />
heutige Mathematik nicht denkbar.<br />
Humboldt hingegen ist vor allem ein unermüdlicher preußischer Arbeiter, den seine unerschöpfliche<br />
Neugierde in den heißen, dichten Dschungel Südamerikas und in die Weiten der sibirischen Taiga<br />
treibt. Gegen innere und äußere Widerstände, gegen Tropenkrankheiten und eine vollkommen<br />
unbekannte Wildnis gelingt es ihm, immer tiefer in den Dschungel vorzudringen und eine<br />
vollkommen unentdeckte Welt für die europäischen Entdecker und Kolonialisatoren durch Forschung<br />
zu strukturieren.<br />
Beiden deutschen Wissenschaftlern ist eine sehr seltene Paarung von Instinkt, Selbstdisziplin und<br />
Kreativität eigen. Diese Paarung taucht immer wieder im Buch auf, wenn die Handlung zu kippen<br />
droht. Bei der Besteigung des Chimborazo nähern sich Humboldt und sein Gefährte Bonpland mit<br />
sinkender Lichtdichte zugleich dem Ende, dem Nichts. Sie schauen in endlos scheinende Schluchten,<br />
sehen Halluzinationen, sprechen in mehreren Personen gleichzeitig und wähnen sich bereits als tot.<br />
Wenige Tage später erreicht Europa die Nachricht, dass Humboldt als einziger Mensch den höchsten<br />
Punkt der Erde erreicht habe. Humboldt hat nicht vergessen, während der Besteigung genauste<br />
Messungen vorzunehmen.<br />
„Die Vermessung der Welt„ hat einen deutlich erzählerischen Charakter, der für Kehlmann typisch<br />
ist. Er verzichtet auf Kommentierungen und lässt vielmehr die Hauptpersonen selbst sprechen. Dabei<br />
treibt er manche Dialoge derart ins Groteske, dass man diese schon als Zeugnis bester Ironie<br />
bezeichnen kann. So beschimpft etwa Gauß seinen Sohn ununterbrochen während der Fahrt nach<br />
Berlin und schmeißt dessen neuesten stolzen Besitz - ein Buch von Turnvater Jahn - aus dem<br />
Kutschenfenster. Hier wird deutlich, dass Carl Friedrich Gauß im wissenschaftlichen Bereich ein Genie<br />
gewesen sein mag, im familiären Bereich aber ein Versager blieb und seine Familie meist im Stich<br />
ließ.<br />
Kehlmanns aktuelles Werk lässt sich gut lesen, schon allein wegen der typischen, besonderen<br />
Sprache. Zusätzlich lohnt es sich aber auch, sich einmal von der literarischen Seite zwei berühmten<br />
deutschen Wissenschaftlern zu nähern.<br />
128
Anstoß für Querdenker und ihre Zeitungen<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Montag, den 30. Oktober <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Im September 2004 erschien die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> das erste Mal, im Februar <strong>2006</strong> die [/heretic] und<br />
ebenfalls in diesem Jahr wagte sich die Objektiv an die Öffentlichkeit. Die Gemeinsamkeit der drei<br />
Projekte liegt in ihrem Denken jenseits des Mainstreams. In kurzer Abfolge sind drei anspruchsvolle<br />
Jugendzeitungen entstanden, die ihren Leserkreis mit non-konformen Gedankengängen<br />
konfrontieren.<br />
Zu hoffen ist, daß alle drei Projekte die Jugend zum Nachdenken über selten thematisierte Probleme<br />
bewegt und eine interne Diskussion über sinnvolle Medienprojekte zwischen den jungen,<br />
querdenkenden Zeitungsmachern in Gang kommt. Non-konforme Jugend- und Schülerzeitungen sind<br />
dringend notwendig. Sie können einen wichtigen Beitrag für einen Informations- und<br />
Meinungspluralismus in der deutschen Jugend leisten.<br />
Gewöhnliche Schülerzeitungen schaffen es, tausendmal vorgekaute Meinungen in einer frischen,<br />
spontanen Art und Weise wiederzugeben. Die in diesem Onlinemagazin vorgestellten Zeitungen<br />
rücken demgegenüber eine neue Denkhaltung in den Fokus des Geschehens.<br />
Mit Ächtung dämmen Schulen, Parteien und Medien den Einfluß der non-konformen<br />
Jugendzeitungen ein. Immer wieder greifen die gleichen Mechanismen: Mit dem Vorwurf des<br />
Rechtsextremismus wird auf den Projekten der jungen Medienmacher herumgetrampelt. Auf<br />
inhaltliche Debatten lassen sich die Gegner der Querdenker nicht ein.<br />
Ganz entgehen kann man dieser unreflektierten Kritik wohl nicht. Wir als junge querdenkende<br />
Medienmacher müssen uns jedoch gründlich hinterfragen, ob wir genug tun, um dem Aufkommen<br />
einer Ächtung unserer Zeitungen vorzubeugen.<br />
Transparenter werden! Für mehr Authentizität sorgen!<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>, die [/heretic] und die Objektiv stellen sich nicht transparent genug dar. Es fehlt<br />
der einen Zeitung mehr, der anderen weniger Authentizität. Diesen Mangel müssen wir beheben. Es<br />
muß dem Leser klar werden, welche Gesichter und welche Namen hinter den Zeitungen stehen. Der<br />
Eindruck, daß es sich um randständige Projekte aus dubiosen Untergrundschichten oder<br />
zwielichtigen Milieus handelt, darf nicht entstehen. Vielmehr müssen wir die Intentionen unserer<br />
Zeitungen präziser formulieren und mehr Transparenz und Offenheit zeigen.<br />
129
Gegenwinddurchlässig – ein Vorstoß in luftleeres Land.<br />
Geschrieben von: Benjamin Jahn Zschocke<br />
Donnerstag, den 02. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Vor etwas weniger als drei Wochen fand in Chemnitz eine von Sächsischer Antifa und Privatinitiativen<br />
ins Leben gerufene Demonstration statt. Unter dem Motto „Schöner leben ohne Naziläden“, aber<br />
auch „Schöner leben ohne Nazis“, versammelten sich etwa 2000 Antifanhänger unter Polizeischutz in<br />
Chemnitz, um dann erstaunlich faschistoid durch die Stadt zu marschieren. Ziel der Kundgebung<br />
waren zwei vermeindlich rechtsextreme Ladengeschäfte am Rande der Stadt, auf deren „Gefahren“<br />
man mit dieser Demonstration aufmerksam machen wollte. Diese zwielichtige Veranstaltung wurde<br />
nicht nur genutzt, um wieder einmal medienwirksam darauf hinzuweisen wie geschlossen sich<br />
Chemnitz gegen „Rechte Ideale“ formiert (zahlreiche Kommunalpolitiker nahmen daran teil,<br />
nachdem in einer Stadtratssitzung dafür Werbung gemacht wurde), sondern auch um explizite<br />
Ängste und Vorurteile bei den zumeist jungen und jüngeren Teilnehmern zu schüren. So wurde in<br />
einer Rede auf der Demonstrationskundgebung unter anderem auch auf unser Zeitungsprojekt<br />
eingegangen. Gezielt wurden die beiden „Intellektuellen Köpfe“ Felix Menzel und Benjamin Jahn<br />
Zschocke verbal als gewissermaßen graue Eminenzen im Vorhof der hoch gebildeten rechtsextremen<br />
Subkultur diffamiert. In Beispielen ging man auf unsere angeblichen Verflechtungen bis in die<br />
höchsten und einflussreichsten (politischen) Institutionen ein. Wirklich nachvollziehbare Quellen<br />
wurden wie immer nicht genannt. Sicherlich verließ der ein oder andere aufmerksame Zuhörer die<br />
Veranstaltung mit einer Mischung aus Angst und Angriffslust.<br />
Aber die gezielte Irreführung hat Methode. Beim Versuch unser Projekt zu attackieren, versagen die<br />
üblichen Angriffsstrategien. Alle Angriffspunkte der üblichen „Verfahrensweise“ erweisen sich schnell<br />
als zu unsicher. Keiner von uns profiliert sich durch unflätiges Benehmen in der Öffentlichkeit, keiner<br />
ist aggressiv und verbalisiert sich so, wie man es gern hören möchte. Ebenso wenig fühlt man sich<br />
hier einer wie auch immer gearteten Subkultur zugehörig, was auch eine Verbalisierung in diese<br />
Richtung ausschließt. Deshalb ist man sozusagen jetzt zum „Plan-B“ übergegangen:<br />
Verbalisieren<br />
Durch die gezielte und bewusst polemische Formulierung von Parolen und deren ständige<br />
Wiederholung in jugendkulturgemäßen Medien erzeugt man eine gewisse Wiedererkennbarkeit der<br />
zu bekämpfenden Personen und Institutionen. Durch das Verwenden von eingängigen Sprüchen auf<br />
Plakaten, Ansteckern, Sprühschablonen und in Printmedien, wird eine stets wiedererkennbare<br />
„Kultur des Hasses“ erzeugt, deren Abfluss sich in der unkontrollierten Entfaltung von Hirngespinsten<br />
aller Art, Schritt für Schritt mehr in den Köpfen der zumeist nach Identität suchenden Jugendlichen<br />
manifestiert. Eine Kritik an der zur „Eigenen Meinung“ gewordenen Gehirnwäsche, wird automatisch<br />
mit einer Fundamentalkritik an der Person selbst gleichgesetzt, was eine objektive Betrachtung des<br />
Sachverhaltes nunmehr unmöglich erscheinen lässt.<br />
Personalisieren<br />
Nicht wie sonst üblich wird eine ganze Masse von Wirkungen und deren Ursachen, sowie zugehörige<br />
Anhänger in einen Kontext gebracht, der dann zur Disposition steht, sondern durch das<br />
Konzentrieren auf eine sehr kleine Gruppe von umso gefährlicheren Rädelsführern wird eine subtile<br />
Angst vor einem unberechenbaren Gegner geschürt. Das hat zwei Vorteile. Zum einen kann man<br />
gekonnt die (Verbal-)Attacke auf eine unüberschaubare Masse von „Gegnern“ umgehen und somit<br />
auch um die Gegenreaktion herum kommen. Zweitens ist eine zielgenauere und medienwirksamere<br />
130
Angriffsmöglichkeit geschaffen, da der Rahmen der „Operation“ in überschaubaren<br />
Größenordnungen bleibt. Will sagen, man kennt seine „Gegner“ mit Namen und scheint sich auch<br />
sicher, dass ein eventuell erfolgreicher Angriff, die ganze angehängte Systematik zu Fall bringen<br />
könnte.<br />
Politisieren<br />
Besonders bei Kulturschaffenden, die zumeist von Haus aus unpolitisch sind, wird versucht eine<br />
genaue Einordnenbarkeit zu konstruieren, die das klare Feindbild nun zu seiner Abrundung bringt.<br />
Was sonst subtil formuliert wird, kommt jetzt vermeindlich wissenschaftlich daher und vermittelt<br />
den Eindruck von hoher Wichtigkeit und verbreitet den Geruch einer „kurz bevor stehenden Gefahr“.<br />
Besonders eignet sich in Deutschland natürlich die beliebte Faschismuskeule, um seine Gegner<br />
mundtot zu machen. Alle nur im Anschein rechten Bestrebungen werden inhaltlich verdreht und<br />
zugespitzt wiedergegeben und in die Achse des Bösen, aus Verfassungsfeinden und<br />
Auschwitzleugnern eingereiht. Somit wird ihnen ein wieder erkennbares Image aufdiktiert, welches<br />
die Bekämpfung nun auf die Bühne der Politik verlagert und somit den erreichbaren Wirkungsgrad<br />
um ein Vielfaches erhöht.<br />
Glorifizieren<br />
In einem Fernsehbeitrag über uns war vor kurzem über uns zu hören: „Also eines muss man ihnen ja<br />
lassen, sie sind intelligent und wissen genau was sie tun.“ Mit diesen Anspielungen auf einen, vor<br />
allem mit Geistesmacht geführten, Kampf versucht man das „Schlachtfeld“ eine Etage zu heben. Die<br />
Problematik wird zunächst den weniger gebildeten Aggressionsträgern, mit dem Verweis auf die<br />
Kompliziertheit der Materie, entzogen. Nachdem sich die ganz klugen Köpfe damit wissenschaftlich<br />
beschäftigt haben, werden deren geistige Ergüsse in Form von Broschüren oder Studien<br />
veröffentlicht. Diese wiederum werden dann wieder der großen Massen von Anhängern zugänglich<br />
gemacht, versehen mit Hinweisen und Bekämpfungsstrategien. Der gewünschte Effekt wird dadurch<br />
noch einmal vertieft - die eigene Leistung in ihrer Wichtigkeit scheinbar erweitert.<br />
Eines muss aber bei alledem klar sein: Eine Einordnung ist immer nur dann möglich, wenn das<br />
Politische dem Künstlerischen vorauseilt oder ihm sogar das Wasser abgräbt. Ganz eindeutig ist das<br />
nicht der Fall. All jene die Glauben im Kontrast zu uns zu stehen, gar unsere Gegner zu sein, befinden<br />
sich in einem scherzhaften Irrglauben. Denn welches Ziel treffen die abgefeuerten Granaten, wenn<br />
da kein Gegner ist? Sie stoßen vor in luftleeres Land, verletzen womöglich noch das eigene Klientel.<br />
Unsere Wirkungskreise sind nicht jene, welche man zu bekämpfen sucht. Einmal sind sie noch<br />
wesentlich vielschichtiger als oft angenommen und zum Zweiten werden sie all den politisch<br />
verblendeten Geistern auf ewig verschlossen bleiben, da zuerst eine Hinterfragung der eigenen<br />
Handlungsmuster vonnöten wäre, was aber leider zumeist aussichtslos erscheint.<br />
131
Chatten, Chatten, Chatten<br />
Geschrieben von: Diane Wolf<br />
Sonntag, den 05. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Es stellt sich doch immer die gleiche Frage. Ist es spannend, macht es Spaß, hin und her zu chatten?<br />
Besteht da ein gewisser Reiz? Mit anderen zu schreiben, zu flirten, einfach Gedanken auszutauschen,<br />
oder ganz einfach der Langenweile zu entfliehen. Aber es stellt sich auch die Frage, was für Folgen<br />
das hat? Es gibt so viele Chatseiten und immer mehr Menschen, die sich einloggen, aber warum?<br />
Viele sind einsam und suchen jemanden fürs Leben, wollen mit jemandem reden, weil sie in ihrer<br />
Umgebung niemand finden, der mit ihnen reden könnte. Aber auch viele Jugendliche chatten nur aus<br />
Spaß. Es macht ja auch Spaß, Geheimnisse auszutauschen, mehr über die andere Person zu erfahren<br />
und sich vielleicht mal zu treffen.<br />
Doch das Chatten ist eine Art, in eine andere Welt zu versinken und da vergessen viele meist den<br />
Alltag und sitzen Stunden lang am PC, chatten und schreiben, was das Zeug hält. Meist werden<br />
Hausaufgaben vergessen oder Pflichten nicht erfüllt. Ja, ja, das kann zu schlechten Noten in der<br />
Schule führen.<br />
Aber nicht nur Jugendliche auch Erwachsene chatten sehr gern, sogar bis spät in die Nacht hinein,<br />
doch die Folgen sind meist immer die gleichen: Sie erscheinen dann zu spät am Arbeitsplatz, haben<br />
schlechte Laune, arbeiten unkonzentriert und haben kaum Zeit für die Kinder.<br />
Das Chatten kann man jedoch nicht aufhalten. Immer mehr fühlen sich zum Chatten hingezogen.<br />
132
Ode der Fragen<br />
Geschrieben von: rddts<br />
Mittwoch, den 08. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
In welcher literarischen Gattung lassen sich die eigenen Empfindungen so genau und komprimiert<br />
darstellen wie in der Lyrik? Wo Epik und Dramatik ausschweifend werden und letztendlich im Leser<br />
nichts als Verwirrung stiften, schafft ein Gedicht Klarheit. Die Botschaft ist entsprechend deutlich und<br />
wenn auch nicht vollkommen entschlüsselbar, so reizt sie doch frei nach Gottfried Benn die Gehirne<br />
und lässt sie schöpferisch werden. Hier eine Kostprobe der Gedichte eines jungen Chemnitzers, der<br />
unter dem Pseudonym rddts veröffentlicht. [Anmerkung der Redaktion]<br />
Ode der Fragen<br />
Wie gern würde ich deinen Rücken berühren,<br />
der mit Schweißperlen benetzt;<br />
Wie gern würde ich deinen Atem spüren,<br />
doch brächte ich ihn jetzt!<br />
Die Einsamkeit, die mich quält,<br />
ist der Neid, der mich zerfrisst.<br />
Die Stärke, die mich stählt,<br />
ist die Angst, dass man mich vergisst.<br />
Die Sehnsucht, die mich erfüllt<br />
ist ein Sumpf voller Fallen.<br />
Gedanken, stark unterkühlt,<br />
ein Hilferuf durch die Hallen.<br />
Hass, der mich belebt<br />
ist der sichere Tod.<br />
Gift, das an mir klebt,<br />
eine Ladung Schrot.<br />
Geister, unheilvolle Boten,<br />
hoffend, dass man stirbt.<br />
Schrecken, Ahnungen der Toten,<br />
dass der Körper die Scheide wird.<br />
Wahnsinn, der mich erstürmt<br />
in einem unaufhaltsamen Rennen.<br />
Schutz, der mich umschirmt<br />
133
wird mich vom Leben trennen.<br />
Eine irrsinnige Suche,<br />
die nicht enden will,<br />
umgeben von Luzifers Tuche,<br />
und es wird totenstill ...<br />
134
Diffamierung der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong><br />
Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />
Samstag, den 11. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Seit einigen Tagen geistert eine Seite durchs Netz (www.braune-narzisse.tk), welche die <strong>Blaue</strong><br />
<strong>Narzisse</strong> verunglimpft. Dabei werden Äußerungen verzerrt dargestellt und mit ideologischen<br />
Kampfbegriffen aus dem extrem linken Milieu versehen. Wir ersparen uns an dieser Stelle einzelne<br />
Kommentierungen, weil wir auf andere Fakten hinweisen und keine Zeit für einen Kleinkrieg opfern<br />
wollen. Wer ist hier extrem?<br />
Die Initiative zu diesem „Projekt“ nennt sich demokratisch. Wenn man jedoch ein paar Links, die auf<br />
www.braune-narzisse.tk angepriesen werden, näher betrachtet, wird man beispielsweise zu<br />
Indymedia weitergeleitet. Über diese Seite kann man sich dann auch in diversen<br />
Verfassungsschutzberichten im Bereich Linksextremismus informieren. Soviel zur Demokratie.<br />
Außerdem wird man beim Lesen ständig mit aggressiven Kommentaren konfrontiert, die<br />
anscheinend eine geistige Infiltration erzeugen sollen. Des weiteren werden Handlungsweisen der<br />
BRD als unmenschlich diffamiert und es wird der „böse Kapitalismus“ angeprangert und zwar auf<br />
eine Weise, die über eine normale Kritik hinausgeht.<br />
Braune <strong>Narzisse</strong>?<br />
Diese kurzen Informationen reichen also aus, um diese Initiative als unseriös und nicht objektiv<br />
einzuordnen.<br />
Anerkennung?<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> ist eine freigeistige Zeitung mit einigen konservativen Autoren, die über den<br />
Tellerrand hinausblicken und etwas provokanter werden. Damit macht man sich natürlich nicht<br />
überall beliebt. Schon gar nicht bei Gruppen, in denen man meint, die Weisheit für sich gepachtet zu<br />
haben und wo die Toleranz nur bis Trotzkismus, Sozialismus und Kommunismus reicht. Aber eines ist<br />
doch interessant! Diese Leute haben sich mit uns beschäftigt. Ja, sie haben Zeit dafür geopfert, wo<br />
sie sich doch auch anderen Aktivitäten hätten widmen können. Dafür ein großes Dankeschön!<br />
Danke Antifa! Danke für die Erhöhung unseres Bekanntheitsgrades!<br />
135
Die Inszenierung zweier Genies<br />
Geschrieben von: John Palatini<br />
Dienstag, den 14. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Verfilmung von „Das Parfum“ regt dazu an, über die Hauptfigur Jean Baptiste Grenouille länger<br />
nachzudenken. Grenouille ist ein abscheuliches Genie. Süskinds Inszenierung des Genies drängt zu<br />
Vergleichen mit der Darstellung Mozarts in zahlreichen Biografien und literarischen sowie filmischen<br />
Kunstwerken. Am bekanntesten ist Milos Formans Film „Amadeus“ nach Peter Shaffers<br />
gleichnamigem Theaterstück. Mit Ausnahme seines Konkurrenten Antonio Salieri kann niemand<br />
erahnen, was für ein unbegreifliches, und in seinen Tiefen abgründiges Werk von Mozart da<br />
erschaffen wird. Immerhin kann Salieri erkennen, dass er mit Mozarts Kompositionen ein die<br />
Grenzen des menschlichen Fassungsvermögens sprengendes Opus in den Händen hält, das er in<br />
seiner Tiefe weder verstehen, noch kopieren kann. Unerträglich leidet er deshalb an Mozarts Größe.<br />
Die leidenden Konkurrenten der Genies: Salieri und Baldini<br />
Auch Giuseppe Baldini weiß genau, dass er ein Stümper ist. Er empfindet Grenouille als Stachel in<br />
seinem Fleisch, weil er ihn als die Verkörperung seiner eigenen Unfähigkeit begreift. Um so mehr<br />
leidet er, weil sein Erfolg ausschließlich von seinem begnadeten Lehrling abhängt. Erst als dieser Paris<br />
endlich verlassen hat, fällt er zum ersten Mal seit Jahren in einen friedlichen Schlaf. Pech nur, dass es<br />
gerade sein Haus ist, das auf der Pont au Change in dieser Nacht zusammenstürzt und ihn begräbt.<br />
Doch Genie sein bedeutet noch mehr: Halten beide die künstlerischen Konventionen im eigenen<br />
Interesse scheinbar ein – Mozart um Geld zu verdienen, Grenouille um seinen Gesellenbrief zu<br />
erhalten – so fehlt ihnen auf anderen Gebieten jede Fähigkeit zur Einsicht in das, was den Menschen<br />
als richtige Form der Gestaltung des Lebens und des Zusammenlebens erscheint. Mozart wird immer<br />
wieder als derjenige dargestellt, der zu einem Leben nach bürgerlichen Maßstäben nicht in der Lage<br />
ist: Er arbeitet nachts, schläft bis Mittag, kann nicht mit Geld umgehen und gibt sich sinnlichen<br />
Genüssen exzessiv hin. In Formans Film wird seine extraordinäre Position in der Gesellschaft, die<br />
immer nur eine scheinbare Dazugehörigkeit ist, vor allem durch sein Faible für extravagante<br />
Perücken und sein hysterisches Lachen verdeutlicht.<br />
Auch Grenouille sprengt in diesem Zusammenhang die Konventionen. Allerdings kommt es bei ihm<br />
vordergründig nicht zu gesellschaftlichen Konflikten, weil er, anders als Mozart, auf die Gesellschaft<br />
nicht angewiesen ist. Grenouille benötigt die Frauen wie Mozart die Geselligkeit, um sein Genie<br />
radikal und gegen jede von ihm völlig unreflektierte Moral und ohne Rücksicht gegen sich selbst zu<br />
verwirklichen.<br />
Ein letzter Punkt: Das extreme Lebens des Genies freilich ist durch eine nach menschlichen<br />
Maßstäben kaum zu ertragende Einsamkeit geprägt: Mozart ist einsam, trotz seiner Frau, die ihn<br />
nicht versteht; und natürlich: auch Grenouille ist einsam. Das Genie kann niemals in der Gesellschaft<br />
aufgehen. Es strebt ausschließlich für sein Werk. Darin ist das Genie radikal und ohne jede<br />
Begrenzung egoistisch. Moralische Grenzen werden von ihm bewusst übergangen oder aber gar nicht<br />
erst zur Kenntnis genommen.<br />
Genies sind einsam. Sie streben ausschließlich für ihr Werk.<br />
Aus diesem Grund ist der Versuch, im Film eine Reflexionsebene anzudeuten, auf der Grenouille eine<br />
potentielle Liebe zu dem von ihm zuerst ermordeten Mädchen durchspielt, bei genauerer<br />
Überlegung eine traurige Konzession an die Erwartungen des Publikums. Durch die ästhetisch<br />
136
ansprechenden Rückblenden, in denen das Mädchen nicht tot ist, entsteht der Eindruck des<br />
Bedauerns und der Wehmut.<br />
Doch der Grenouille des Romans ist zu solchen Reflexionen und Gefühlen überhaupt nicht in der<br />
Lage. Er lässt sich am Ende dann auch nicht töten, weil er nicht geliebt würde, weil er einsam wäre,<br />
sondern deshalb, weil er sein Genie verwirklicht und den höchsten Gipfel erklommen hat, weil er<br />
tatsächlich der Herrscher der Welt, ja selbst ein neuer Messias sein könnte. Nein, er hat durch die<br />
Kreation seines perfekten Dufts das Göttliche in die Welt geholt, und ist, indem er alle Grenzen<br />
menschlichen Unvermögens überwunden hat, selbst zum Gott geworden; er steht auf dem<br />
allerhöchsten Gipfel, sein Leben hat sich erfüllt und eben deshalb kann er diese Welt auch verlassen<br />
und sterben.<br />
137
Was ist ein Podcast?<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Freitag, den 17. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Radio zum MitnehmenPodcasts sind kleine Radiosendungen oder Filmschnipsel, die über das<br />
Internet mit Hilfe einer dafür geschaffenen Software, z.B. das von Apple kostenlos angebotene<br />
itunes, abonniert werden können. Ein Vorteil von Podcasts ist, daß sich der Internetnutzer die<br />
Sendungen zeitversetzt auf seinem PC oder MP3-Player anhören kann. Jeder Nutzer stellt sich dabei<br />
sein eigenes Programm selbst zusammen. Der bekannteste, aber nicht beliebteste Videopodcast, ist<br />
der allwöchentliche von Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin möchte über diesen Kanal innovativ<br />
über ihre Politik informieren. Die Tagesschau, die Linkspartei, verschiedene Film-Podcasts, die Trailer<br />
von Kinofilmen zeigen, und viele mehr haben bereits einen eigenen Videopodcast etabliert.<br />
Angefangen hat das Podcasting mit Radiosendungen. Beliebt bei den Usern ist hier zum Beispiel der<br />
WDR-Podcast „Ditsche“ mit Olli Dittrich.<br />
Hören und Sehen, was dir wirklich gefällt.<br />
Jedoch soll jetzt nicht der Eindruck entstehen, daß Podcasting nur ein weiteres Werbemittel für die<br />
großen Radio- und Fernsehsender wäre. Weit gefehlt! Einen Podcast kann eigentlich jeder erstellen,<br />
der über ein billiges Mikrofon und einen PC verfügt. Und immer mehr nutzen diese Möglichkeit auch.<br />
Wer einen Podcast erstellen will, der muß einfach nur eine MP3-Datei erstellen beziehungsweise für<br />
ein Video eine MPEG-4-Datei.<br />
Das RSS-Feed macht es dann möglich, daß andere Nutzer die ins Internet gestellten Audio- und<br />
Videodateien kostenlos im Abonnement beziehen können.<br />
Zielgenaue Auswahl der gewünschten Inhalte<br />
Der Begriff „Podcast“ ist zusammengesetzt aus dem Gerät, womit man Radio und Fernsehen<br />
mitnehmen kann, dem iPod, und dem englischen „broadcast“ (zu deutsch: Rundfunk). Das Neue am<br />
Podcast ist nicht die Möglichkeit, Audio- und Videodateien anderen Nutzern im Internet zugänglich<br />
zu machen. Das geht schon lange. Neu ist, daß die Internetnutzer auf einfache Weise, sich ihr<br />
Programm selbst zusammenstellen können. Niemand muß sich<br />
seine Lieblingssendungen mühsam auf unzähligen WWW-Seiten zusammensuchen.<br />
Podcasts vereinfachen die Suche und Auswahl von Radio- und Fernsehsendungen. Nutzt dies und<br />
hört und seht künftig nur das, was euch wirklich interessiert.<br />
138
Punktlandung<br />
Geschrieben von: Miriam Spranger<br />
Montag, den 20. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
„Punktlandung“, so heißt eine junge Schülerband aus Mittweida. Demnächst findet ihr in diesem<br />
Onlinemagazin einen Bericht über sie. Und heute gibt es bereits einen ersten Liedtext von ihnen.<br />
[Anmerk. d. Red.]<br />
Zweifel<br />
Zweifel von mir aus daran, dass ich dir immer helfen kann<br />
Doch zweifel nie daran, dass ich versuch zu tun, was ich kann<br />
Und zweifel meinetwegen auch daran, dich immer zu versteh’n<br />
Doch zweifel nie daran, dass ich’s versuch.<br />
Zweifel ruhig daran, dass ich immer an deiner Seite geh’<br />
Doch vergiss’ dabei nicht, dass ich trotzdem hinter dir steh’<br />
Und zweifel immer noch daran, dass ich dir alles erzähl’<br />
Doch das bedeutet nicht, dass ich dich belüg’.<br />
Drum zweifel auch nicht an Versprechen, die ich dir geb’<br />
Denn sie zu halten ist das einzige, was zählt<br />
Im Grunde kannst du zweifeln, woran du willst<br />
Mit einer Ausnahme<br />
Zweifel nicht an mir …<br />
139
„Children of Men“: Keine Kinder, keine Hoffnung<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Donnerstag, den 23. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das Jahr 2027. Seit nunmehr 18 Jahren wurde weltweit kein einziges Kind mehr geboren, da ein<br />
unbekanntes Phänomen dazu geführt hat, dass alle Frauen unfruchtbar wurden. Die menschliche<br />
Spezies sieht ihrem baldigen Aussterben entgegen. Vor diesem Hintergrund bestimmen<br />
Hoffnungslosigkeit, Chaos und Gewalt den Alltag. Großbritannien bildet den letzten sicheren Ort und<br />
wird von illegalen Immigranten überschwemmt, die ihre in Chaos untergegangene Heimat auf der<br />
Suche nach Hoffnung und Schutz verlassen haben. Die britische Regierung reagiert mit restriktiver<br />
Behandlung der Illegalen und mit Isolation.<br />
Theo (Clive Owen) ist ein kleiner Beamter im Energieministerium. Seit dem Tode seines Sohnes hat er<br />
sich in sich selbst zurückgezogen. Sein Leben ändert sich schlagartig, als er von einer<br />
Terroristenbande entführt wird, zu deren führenden Mitgliedern auch seine Exfrau Julia (Julianne<br />
Moore) gehört.<br />
"Keine Kinder,keine Zukunft,keine Hoffnung."<br />
Er soll für eine illegale Immigrantin Transferdokumente besorgen, damit diese unbehelligt aus dem<br />
abgeriegelten London an die britische Küste reisen kann. Das Geheimnis der schwarzen Illegalen<br />
offenbart sich Theo erst später: Sie ist im achten Monat schwanger und damit die Hoffnung der<br />
Menschheit. Eine gefährliche und abenteuerliche Reise durch eine gottverlassene, hoffungslose Welt<br />
nimmt ihren Lauf.<br />
Ganz im Sinne des Zeitgeistes<br />
Oberflächlich betrachtet zeichnet Cuarón ein Bild von einer Zukunft, die durchaus möglich erscheint.<br />
Leider gelingt es ihm nicht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit möglichen Gründe für eine solche<br />
Zukunft aufzuzeigen und sich damit gegen den herrschenden Zeitgeist zu stellen.<br />
Kinderlosigkeit wird als plötzlicher Donnerschlag inszeniert, an dem ja niemand schuld ist, nicht etwa<br />
als Folge von Dekadenz, Atomisierung und Verantwortungslosigkeit. Der britische Staat wird als<br />
unmenschlich dargestellt, weil er sich der Flut von illegalen Immigranten erwehren will, die ja zu<br />
einer Destabilisierung dieser letzten Insel der Stabilität und zum totalen Untergang führen könnten,<br />
würde man – so scheinbar das Ansinnen des Regisseurs – sie „einfach reinlassen“. Der Gipfel an<br />
zeitgeistiger Linientreue manifestiert sich jedoch in der Person, die zur Rettung der Menschheit<br />
auserkoren ist: Eine schwarze, illegale Immigrantin. Und ihr Kind ist „natürlich“ ein Mädchen – was<br />
auch sonst?<br />
Nicht mehr, als Unterhaltung<br />
Dem Film gelingt wie kaum einem anderen seines Generes, ein Bild von einer möglichen, düsteren<br />
Zukunft realistisch zu zeichnen. Handwerklich und atmosphärisch ist „Children of Men“ sicher einer<br />
der besseren Filme der letzten Zeit, politisch leider jedoch so überkorrekt, dass er als<br />
zeitgeistkritisches Kunstwerk nicht taugen kann. Der Film hat nicht den Mut, die wahren Probleme<br />
unserer Zeit zu reflektieren und Tabus zu brechen, um wachzurütteln und zum tiefergehenden<br />
Nachdenken über die zeitgeistimmanenten Probleme – ethnische und kulturelle Konflikte,<br />
Zerstörung der Familie, geistige und soziale Verwahrlosung, Werteverfall, Vermassung - anzuregen.<br />
Was bleibt, ist deshalb im Grunde nur ein Film, der unterhalten kann, nicht mehr und nicht weniger.<br />
Aber das hat ja durchaus seine Berechtigung.<br />
140
Jubel bei allen arbeitslosen Sozialpädagogen<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Sonntag, den 26. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Amoklauf von Sebastian B. aus Emsdetten an seiner alten Geschwister-Scholl-Realschule freut<br />
alle arbeitslosen Sozialpädagogen. Sie können sich Hoffnung auf eine neue Arbeitsstelle in einer<br />
kriselnden Schule machen. „Vater Staat“ entsendet sicher bald eine neue Schar von<br />
verständnisvollen Sozialpädagogen und Psychologen an Schulen, um die Kriminalität von Schülern zu<br />
bekämpfen. Zudem wird er Initiativen zur Gewaltprävention mit Fördergeldern unterstützen. Wenn<br />
an Berliner Schulen Ausländer ihre Lehrer solange terrorisieren, daß diese sich nicht mehr imstande<br />
fühlen, regulären Unterricht abzuhalten, dann rufen Politiker und Journalisten schnell nach<br />
zusätzlichen pädagogischen Hilfskräften. Wenn irgendwo in Deutschland ein ehemaliger Schüler im<br />
altbekannten Schulhaus Amok läuft, hört man die gleiche Rhetorik. Immer soll der Staat etwas tun.<br />
Sozialpädagogen und Psychologen sollen die Integration von Außenseitern fördern und<br />
beschwichtigend in Konflikte eingreifen.<br />
Wo bleibt der Erfolg der Maßnahmen?<br />
Das Problem der Kriminalität an Schulen ist allen seit Jahren bekannt.<br />
Der Amoklauf des Sebastian B. aus Emsdetten ist nur ein auffälliges Beispiel für die Unruhen an<br />
Schulen. Die Beständigkeit von Gewaltexzessen zeigt jedoch, daß die bisher getroffenen Maßnahmen<br />
nicht gewirkt haben. Und trotzdem fragt kaum einer, ob es richtig ist, dieses Problem durch die<br />
Zuhilfenahme von staatlich eingesetzten Sozialpädagogen und Psychologen zu lösen.<br />
Woher kommt dieses riesige Vertrauen in die staatliche Allmacht? Bei den dringendsten Aufgaben in<br />
unserem Land versagt der Staat. So ist es in der Bildung. Und so ist es auch in der Bekämpfung von<br />
Gewalt.<br />
Eltern und Lehrer müssen ihre sozialen Aufgaben erkennen.<br />
Gewalt an Schulen verhindern, alle Schüler fordern und fördern ist nicht die Aufgabe von<br />
Sozialpädagogen, sondern eine selbstverständliche Aufgabe von Lehrern und Eltern. Nur weil diese<br />
häufig wegschauen, kommt es überhaupt zu der Vielzahl von Konflikten. Eltern und Lehrer und nicht<br />
pädagogische Hilfskräfte müssen das tun, was selbstverständlich klingt. Sie müssen sich vernünftig<br />
um ihre Kinder und Jugendlichen kümmern.<br />
Ein Jugendlicher, der an einen Sportverein gebunden ist, wird nicht den ganzen Tag mit<br />
„Ballerspielen“ vor dem Computer verbringen. Hier ist die Aufgabe der Integration. Lehrer und Eltern<br />
müssen dafür sorgen, daß ihre Kinder Gemeinschaften, Sport- oder Musikvereine finden, wo sie sich<br />
gut aufgehoben fühlen. Beim Musizieren kommt man nicht auf dumme Gedanken – zumindest nicht<br />
auf so dumme wie Sebastian B. aus Emsdetten.<br />
141
Schweigt!<br />
Geschrieben von: D.D.<br />
Mittwoch, den 29. November <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Ein Gedicht einer Chemnitzer Studentin:<br />
Schweigt!<br />
Wie ein Messer,<br />
das blutige Spuren zieht,<br />
narben sich die Worte<br />
in meine Rinde.<br />
Wie der Mond in der Nacht<br />
bin ich allein.<br />
Sternengruppen leuchten<br />
nur töricht und schwach.<br />
Wie eine Bleistiftmine<br />
breche ich<br />
unter der Last<br />
eurer Dummheit.<br />
Schweigt lieber,<br />
wie die Fische,<br />
statt sinnlos<br />
ätzende Säure zu spucken.<br />
142
Politisch korrekte Schreibweise<br />
Geschrieben von: Martin Delker<br />
Samstag, den 02. Dezember <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Immer öfter stößt man auf sogenannte geschlechtsneutrale, antisexistische Schreibweisen. Anfangs<br />
wurde zum Beispiel aus „Schüler“ „Schülerinnen und Schüler“. Der effektive Sinn solcher<br />
Schreibweisen erschließt sich dem Verfasser allerdings nicht. Hat sich doch vor wenigen Jahren noch<br />
jeder damit angesprochen gefühlt und außer ein paar radikalen Feministinnen dürfte sich auch eine<br />
Frau nicht diskriminiert gefühlt haben. Nachdem sich diese Formulierungen jedoch als zu aufwendig<br />
erwiesen haben, kam „Schüler/innen“ auf. Auch andere Satzteile lassen sich so geschlechtsneutral<br />
schreiben, wie „jede/r“. Das mag zwar kürzer und weniger umständlich erscheinen, bringt jedoch<br />
ästhetische Einbußen und Schwierigkeiten beim Lesen mit sich. In jüngster Zeit setzt daher die<br />
Schreibweise „SchülerInnen“ durch.<br />
Von Schülerinnen und Schülern, Schüler/innen zu SchülerInnen<br />
Auf immer mehr öffentlichen Mitteilungen findet man das sogenannte Binnen-I. In Österreich ziert es<br />
mittlerweile sogar schon Verkehrschilder. Dort wollte man auch die Nationalhymne<br />
geschlechtsneutral formulieren. Aber das alles ist für manchen Sprachreiniger noch lange nicht<br />
genug.<br />
Das Wort „man“ sei auch sexistisch und müsse durch „mensch“ ersetzt werden. Man könnte ja<br />
darüber lachen, würden nicht immer mehr Personen solche geschlechtsneutralen Formulierungen<br />
benutzen.<br />
Kuriose Blüten treibt das ganze schon jetzt, wenn zum Beispiel laut einer „Bibel in gerechter Sprache“<br />
im alten Israel Pharisäerinnen und Pharisäer predigten. Oder man hört von Burschenschaften, die<br />
während der Befreiungskriege von Studentinnen und Studenten gegründet wurden. Es sollen auch<br />
schon auf Vereinsfesten „Mitgliederinnen und Mitglieder“ begrüßt worden sein.<br />
Man stelle sich nun aber vor, daß Vertreter des männlichen Geschlechts ähnliches einfordern.<br />
Werden dann männliche Personen „geerzt“ statt gesiezt? Was passiert mit der dritten Person Plural?<br />
Man könnte sich ja dann vielleicht auf „sier“ einigen. Die Schäden, die solch ein vollkommen<br />
übertriebener Gleichstellungswahn an der deutschen Sprache und deutschem Kulturgut anrichtet<br />
und anrichten wird, müssen wohl nicht weiter erläutert werden.<br />
143
Mensch und Computer<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 05. Dezember <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Computer können alles messen. Sie spionieren die Menschen aus. Ein kurzes Flanieren des Menschen<br />
durch das weltweite Netz genügt dem Computer, um dessen Wünsche und Interessen zu erfassen.<br />
Der Mensch schaut bei dem Bücherladen amazon.de vorbei und sucht nach ein paar Büchern und<br />
CDs.<br />
Beherrschen Computer den Menschen?<br />
Der Computer speichert sogleich die Literaturvorlieben des Menschen. Beim nächsten Besuch auf<br />
amazon.de unterbreitet der Computer dem Menschen bereits auf ihn zugeschnittene<br />
Literaturvorschläge, wenn dieser noch nicht einmal richtig zur Tür reingekommen ist.<br />
Die Fähigkeiten des Computers übersteigen die des Menschen. Der Computer merkt sich alles und<br />
errechnet binnen weniger Sekunden treffsichere Prognosen. Ist der Computer deshalb ein<br />
metaphysisches Wesen? Ein Schreckgespenst oder vielleicht sogar Gott?<br />
Der Computer weiß alles über Sie. Obwohl der Mensch eifrig behauptet „Alle Menschen sind gleich.“<br />
hat der Computer diese These längst widerlegt und nutzt die Ungleichheit der Menschen aus.<br />
144
Packende Action und echtes Agentenflair<br />
Geschrieben von: Wolfgang Frei<br />
Montag, den 11. Dezember <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Fertigstellung von Mission Impossible 3 war langwierig, denn Regisseur sowie Schauspieler<br />
wurden ausgetauscht und der Starttermin des Films mehrmals verschoben. Am Ende bekam TV-<br />
Starregisseur JJ Abrams den Zuschlag, der mit Alias und Lost gerade die TV-Landschaft eroberte. Dank<br />
Alias hatte er schon ausgiebig Erfahrung im Agentengenre vorzuweisen und Tom Cruise wurde auch<br />
aus diesem Grunde auf ihn aufmerksam. Cruise ließ Abrams erstaunlich viel freie Hand. Dieser nutze<br />
das aus und holte praktisch sein gesamtes Alias-Team mit an Bord. So überrascht es dann auch nicht,<br />
dass der Film genauso gut den Titel „Alias: Der Film“ hätte tragen können.<br />
Mission Impossible 3<br />
Die Parallelen sind mehr als deutlich. Dies ist aber keine Kritik. Denn dank JJ Abrams bekommt man<br />
nach dem schwachen zweiten Teil endlich wieder einen Actionfilm vorgesetzt, der zwar eine 08/15-<br />
Story besitzt, jedoch wieder Agentenflair und packende Action hat. Zudem ist Owen Davian einer der<br />
besten Bösewichte seit langem. Auf Grund der guten schauspielerischen Leistungen und der super<br />
Inszenierung ist der Film eines der Unterhaltungshighlights <strong>2006</strong>. Man sollte einfach ohne Vorurteile<br />
gegenüber Tom Cruise an den Film rangehen. Seine privaten Eskapaden waren wohl<br />
hauptverantwortlich dafür, dass der Film im Kino etwas untergegangen ist. Am Film selbst kann es<br />
jedenfalls kaum gelegen haben.<br />
Paramount spendiert dem Actionkracher leider nur eine durchwachsene DVD. Das Bild ist bestenfalls<br />
als durchschnittlich zu bezeichnen. Dafür kriegt man einen guten Sound. Die Extras sind für eine<br />
Single Disc OK. Für alle Fans von guten Actionkrachern gibt’s dennoch eine Kaufempfehlung von mir.<br />
Anmerkung der Redaktion: Diesen Artikel haben wir aus der größten Kölner Schüler- und<br />
Jugendzeitung Objektiv übernommen. Für die Genehmigung möchten wir uns bei der Redaktion der<br />
Objektiv bedanken.<br />
145
<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> 20<strong>07</strong><br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 14. Dezember <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Im März <strong>2006</strong> startete dieses Onlinemagazin. Seitdem sind regelmäßig Artikel zu Kultur, Jugend und<br />
Zeitgeschehen erschienen. Etwa zwanzig Autoren haben sich an unserem Onlineprojekt beteiligt.<br />
Die Kontinuität der Onlineausgabe der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> hat uns nun dazu veranlaßt, unsere<br />
Konzentration gänzlich dem Onlinemagazin zu widmen. Im Februar 20<strong>07</strong> präsentieren wir deshalb<br />
eine weiterentwickelte Version von blauenarzisse.de.<br />
Drei konkrete Neuerungen planen wir derzeit:<br />
Erstens stellen wir von der Blogsoftware, die wir derzeit benutzen, auf ein kostenloses Content<br />
Management System um. Dadurch können wir die Seiten dieses Onlinemagazins facettenreicher<br />
gestalten und einige neue Experimente wagen.<br />
Zweitens wird man nicht mehr nur von uns lesen, sondern man wird auch von uns hören. Wir starten<br />
ab Februar 20<strong>07</strong> einen eigenen Podcast. Monatlich werden wir ein kleines Wortprogramm zum<br />
Hören produzieren und ins Netz stellen. Sollte uns bis Februar niemand zuvorkommen, dann ist unser<br />
Podcast der erste konservative auf dem Markt. Was ein Podcast ist, haben wir vor nicht allzu langer<br />
Zeit erklärt.<br />
Drittens machen wir uns derzeit Gedanken, wie wir ein anständiges Blog organisieren bzw. ein<br />
kleines Blognetzwerk von nonkonformen Denkern aufbauen können. Genaues können wir noch nicht<br />
sagen. Bis jetzt ist angedacht, ein Expertenblog zum Thema „Die Zukunft unserer Medien“<br />
einzurichten und zusätzlich jedem unserer Leser anzubieten, ein eigenes Blog aufzubauen.<br />
Wichtig ist uns hierbei, verantwortungsvoll mit dem Bloggen umzugehen. Zur großflächigen<br />
Archivierung von Belanglosigkeiten über das Internet möchten wir nicht beitragen. Unsere Blogs<br />
sollen vielmehr interessante Stichpunktzettel gespickt mit guten Beobachtungen und<br />
Gedankenexperimenten werden.<br />
Wir möchten die Möglichkeiten der „Neuen Medien“ ausloten und einen verantwortungsvollen<br />
Umgang mit Innovationen aufzeigen. Konservative beschäftigen sich bisher nur marginal mit<br />
innovativen Medienstrategien. Dies muß sich ändern. Unsere Vorhaben bieten dafür erste Ansätze.<br />
146
Ein Symptom dieser Gesellschaft<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Sonntag, den 17. Dezember <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der „Fall Stephanie“ und die Geschehnisse rund um die Gerichtsverhandlung des Vergewaltigers,<br />
Mario Mederake, haben die Bundesrepublik in der jüngsten Zeit aufgewühlt.<br />
Öffentliche Entrüstung, hilflose Suche nach Erklärungen oder gar Forderungen nach dem Tod des<br />
Sexualverbrechers prägten die Stimmung, welche besonders durch Boulevardmedien katalysiert und<br />
verstärkt wurde. Ohne Zweifel sind die Taten von Mederake für einen gesunden Menschen<br />
unbegreiflich, jedoch bleibt zu fragen, ob der Täter wirklich das „Monster“ (Dresdner Morgenpost)<br />
oder die „feiste Sex-Bestie“ (Berliner Kurier) ist, zu der er stilisiert wurde, ob er also wirklich nur die<br />
kranke, perverse Ausnahme einer ansonsten moralisch gesunden Regel ist und in wie weit die<br />
(mediale) Öffentlichkeit durch den „Fall Stephanie“ einen medialvoyeuristischen Trieb auslebte und<br />
von der eigenen Verkommenheit mittels hypermoralistischer Aufwallung abzulenken versuchte.<br />
Das Verbrechen<br />
Am Morgen des 11. Januar <strong>2006</strong> entführt der 36-jährige Mederake die damals 13-jährige Stephanie.<br />
Er lauert ihr auf dem Weg zur Schule auf und zerrt sie in sein Auto. Noch am gleichen Tage<br />
alarmieren die Eltern die Polizei. Von diesem Zeitpunkt an beginnt für die Schülerin ein<br />
fünfeinhalbwöchiges Horrorszenario, in dem sie jede vorstellbare und unvorstellbare Form von<br />
Vergewaltigung und Peinigung über sich ergehen lassen muss.<br />
Die Polizei tappt bei ihren Ermittlungen wochenlang im Dunklen, kommt nicht voran mit der Suche<br />
nach Stephanie. Fast einen Monat nach der Entführung des Mädchens setzten die Eltern eine<br />
Belohnung für Hinweise aus.<br />
Am 15. Februar endlich wird Stephanie in Dresden, nur wenige hundert Meter von ihrem Elternhaus<br />
entfernt, aus der Wohnung von Mederake befreit, nachdem ein Passant einen vom Opfer verfassten<br />
Hilferufzettel mit Hinweis auf den Entführungsort findet, den Stephanie bei nächtlichen Zwangs-<br />
„Spaziergängen“ mit dem Täter hat unbemerkt fallen lassen können. Die Polizei nimmt daraufhin den<br />
arbeitslosen Anlagenbauer fest. Am nächsten Tag wird gegen den vorbestraften Kinderschänder<br />
Haftbefehl erlassen. Der sächsische Innenminister räumt nach dem Aufkommen von massiven<br />
Vorwürfen Pannen bei den Ermittlungen im „Fall Stephanie“ ein.<br />
Der „Fall“ und die (mediale) Öffentlichkeit<br />
Mit der Befreiung Stephanies aus der Gewalt ihres Peinigers beginnt das mediale Interesse<br />
aufzuflammen. Das Mädchen schildert im „Spiegel“ und in der ZDF-Sendung „Johannes B. Kerner“ ihr<br />
Martyrium, im „Focus“ meldet sich die Familie des Opfers zu Wort. Kontroverse Diskussionen über<br />
das Für und Wider der öffentlichen Auftritte von Stephanie sind die Folge.<br />
Als die Staatsanwaltschaft Dresden am 6. November Anklage erhebt, erreicht die mediale<br />
Aufmerksamkeit gegenüber dem Täter eine neue Qualität. Bei der Anklageverlesung im Dresdner<br />
Landgericht springt der Angeklagte auf, schreit um sich und kann nur durch das Eingreifen von sechs<br />
Justizbeamten mit Mühe gebändigt werden. Es soll nicht die letzte aufsehenerregende Aktion des<br />
Sexualstraftäters Mederake während der Gerichtsverhandlung bleiben.<br />
Zwei Tage später schon gelingt dem Angeklagten auf Grund lascher Sicherheitsmaßnahmen die<br />
Flucht auf das Dach der JVA. Statt den Sexualstraftäter sofort von dort entfernen zu lassen, werden<br />
Psychologen eingesetzt, Decken und Lebensmittel gereicht. Mederake bleibt 20 Stunden lang auf<br />
147
dem Dach, bis er freiwillig von dort wieder zurückkehrt. Die Bilder des Peinigers von Stephanie, der<br />
auf dem Dach stehend das Opfer, die gesamte Justiz, diesen Staat und diese Gesellschaft verhöhnt<br />
und jedem den laschen Umgang dieser Gesellschaft mit Sexualverbrechern vor Augen führt, gehen<br />
durch das ganze Land. Die Empörung ist riesig.<br />
Das Urteil<br />
Die Gerichtsverhandlung wird nach diesem Vorfall fortgesetzt. Der psychologische Gutachter<br />
attestiert Mederake eine „seelische Abartigkeit“ und eine „Persönlichkeitsstörung“, hält ihn für voll<br />
schuldfähig. Auf Grund einer erkannten „anhaltenden Gefährlichkeit“, empfiehlt er die<br />
„Sicherheitsverwahrung“ im Anschluss an die Haftstrafe.<br />
Am 14. Dezember fällt das Urteil gegen Mederake. Er wird zu 15 Jahren Haft wegen Geiselnahme,<br />
Vergewaltigung, sexuellem Kindesmissbrauchs und Körperverletzung verurteilt und es wird<br />
anschließende Sicherheitsverwahrung angeordnet – Höchststrafe.<br />
Stephanies Eltern bekunden Erleichterung, die Medien nehmen das Urteil wohlwollend zur Kenntnis.<br />
Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan. Alles im Lot also. Wirklich?<br />
Die dünne Trennlinie<br />
So schnell wie der Fall die mediale Öffentlichkeit beherrschte, so schnell ist er wieder aus selbiger<br />
verschwunden. Eine tiefergehende Diskussion über die Frage nach dem „Warum?“ hat nicht<br />
stattgefunden. Medien, Politiker und Bürger konnten sich einmal mehr in moralistischem<br />
Fingerzeigen üben. Man hatte eine perverse, zu tiefst böse Gestalt gefunden, der man die ganze<br />
Abartigkeit dieser Gesellschaft anlasten und sie einer kollektiven Beichte gleich, für alle eigenen<br />
Sünden, Verfehlungen und Irrungen verurteilen konnte.<br />
Auf eine sehr bequeme Art und Weise wurde so das Gewissen der Massen und Verantwortlichen<br />
entlastet, ohne dass auch nur ein unbequemer Gedanke daran verschwendet werden musste, wie<br />
dünn heute die Trennlinie zwischen akzeptierten und beförderten Perversionen und den brutalen<br />
Taten Mederakes und anderer, zwischen dem möglichst störungsfreien und konsequenzlosen<br />
Konsumieren von Befriedigungen und dem Verbrechen ist.<br />
Mederake ist mit Nichten das allein Böse in einer sonst heilen Welt. Er ist in erheblichem Maße ein<br />
Produkt dieser Gesellschaft, ein Indikator, welcher die in ihr wohnenden Abgründe unabweisbar an<br />
das Licht des Tages befördert. Er ist ein Symptom dieser Gesellschaft, nicht ihre eigentliche<br />
Krankheit.<br />
148
Über Helmut Kraussers Eros<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Mittwoch, den 17. Januar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Mit dem Todestrieb beschäftigte sich Helmut Krausser in seinem Roman „Thanatos“. In seinem<br />
neuesten Roman „Eros“ ist der Liebestrieb dran. Ein anonym bleibender Ich-Erzähler bringt die<br />
Lebensgeschichte des millionenschweren Industriellen Alexander von Brücken, der seine einzige<br />
Lebensaufgabe darin sieht, seiner Jugendliebe nachzueifern, in Romanform. Der Millionär Alexander<br />
von Brücken steigert sich in eine krankhafte Obsession zu seiner Jugendliebe Sofie hinein, die die<br />
Umbrüche in der deutschen Nachkriegsgeschichte leibhaftig miterlebt. Sofie findet in ihrem Leben<br />
nichts endgültiges, wonach sie sich richten möchte. Sie findet nie den passenden Mann und nie die<br />
passende politische Ideologie. Alexander von Brücken hat dieses endgültige bereits mit 14 Jahren<br />
gefunden und es läßt ihn Zeit seines Lebens nicht mehr los.<br />
Die Moderne, in der wir und Kraussers Romanfigur von Brücken leben, hat alle Autoritäten<br />
dekonstruiert. Gott ist tot. Es gibt keine kräftige Nation mehr, die unmißverständliche Pflichten<br />
verteilt und auf die Vernunft können wir auch nicht mehr vertrauen. Der Mensch ist sich selbst<br />
überlassen. Er fühlt sich nicht mehr einer Autorität unterworfen, sondern versucht nur noch, im<br />
pseudorationalistischen Zeitalter mitzukommen.<br />
Trotz der geistigen Armut unserer Tage herrscht Zufriedenheit in unserer Gesellschaft. Allein die<br />
wenigen, die ihr Leben nach etwas ideellem ausrichten wollen, suchen verzweifelt nach<br />
Möglichkeiten. Um die dekadente Gesellschaft als Suchender nach endgültigen Verbindlichkeiten<br />
durchzustehen, gibt es zwei Varianten.<br />
Die eine Variante ist ein ganzheitliches Leben: Gemäß dem humanistischen Bildungsideal der<br />
Dekadenz die eigene aufrechte Haltung entgegensetzen. Wer ein ganzheitliches Leben pflegt, der ruft<br />
sich selber die Aufforderung zu, ein anständiges Leben in einer Gesellschaft zu führen, die auf<br />
Anstand pfeift.<br />
Die Frage ist, ob es in einer solchen Gesellschaft nicht lächerlich wirkt, aufrecht und anständig zu<br />
gehen. Gewürdigt wird der aufrechte Gang jedenfalls nicht.<br />
Der andere Ausweg ist die Ausrichtung des eigenen Lebens auf einen einzigen großen Wurf, auf eine<br />
kleine fixe Idee. Der Mensch kann sich zum Beispiel durch Kunst eine künstliche Transzendenz<br />
schaffen. Oder doch nicht? Mit dem Durchbruch des allgegenwärtigen Journalismus, der kritischen,<br />
häufig unzureichend reflektierten Kommentierung von allem und jedem, und der Industrialisierung<br />
der Künste wird diese letzte Bastion, diese letzte Möglichkeit, Transzendenz herzustellen,<br />
verschwindend gering.<br />
Der große Wurf in einer kaputten Gesellschaft gelingt in Form von Kunst nur den allerwenigsten. In<br />
Form von Politik kann dieser Wurf wohl überhaupt nicht mehr gelingen. Für den<br />
überdurchschnittlichen, aber nicht genialen, und für das gescheiterte Genie gibt es entlang dieses<br />
zweiten Ausweges nur eine Möglichkeit, den großen Wurf beziehungsweise die kleine fixe Idee zu<br />
verwirklichen. Eine letzte, traurige Variante liegt in der Obsession, in einer krankhaften, vollkommen<br />
irrationalen Zwangsvorstellung einem Gegenstand oder einer Person gegenüber.<br />
Alexander von Brücken ist so einer: überdurchschnittlich begabt und wirtschaftlich erfolgreich ohne<br />
großes Zutun. Dennoch würde seinem Leben ohne die krankhafte Sehnsucht nach Sofie etwas fehlen.<br />
Helmut Krausser gelingt es mit „Eros“ einmal mehr, ein „Ich“ zu inszenieren, welches Auswege aus<br />
149
einer Welt voller Leere sucht. Kraussers Protagonisten, diesmal Alexander von Brücken, finden dabei<br />
immer wieder groteske Auswege aus der eigenen Verlorenheit.<br />
Einen Kritikpunkt muß sich Krausser jedoch anhören. In „Eros“ führt er Alexander von Brücken durch<br />
die Nachkriegszeit mit ihren entscheidenden Umbrüchen, der 68er Studentenrevolte, dem<br />
Linksterrorismus in den 70er Jahren und der deutschen Teilung. Diese Umbrüche und die Rahmung<br />
des Romans bleiben leider viel zu farblos. Alles geschieht so, wie es der Leser erwartet.<br />
Sofie wird in ihrer Studentenzeit Marxistin, beteiligt sich in den 70ern an Banküberfällen und landet<br />
in den 80ern im DDR-Exil. Alexander von Brücken eifert ihr immer nach. Entweder er oder einer<br />
seiner Kontaktmänner trifft sie über die Jahre hin und wieder oder bewahrt sie vor einem<br />
Schicksalsschlag. Die Nachkriegsgeschichte und die Geschichten von Sofie und Alexander von<br />
Brücken wirken den gesamten Roman über ziemlich einfallslos.<br />
Helmut Krausser liegt mit „Eros“ nicht vollkommen daneben, doch er hat schon besseres<br />
geschrieben. „Eros“ kommt nicht an die Qualität von „Thanatos“, „Fette Welt“ oder der<br />
„Schmerznovelle“ heran.<br />
150
Die Realität des Linksextremismus<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Mittwoch, den 24. Januar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Gefahr, welche durch die extreme Linke für unser Land ausgeht, wird medial und politisch<br />
unterschätzt oder bewusst verharmlost. Doch wie ist es um jene Seite der politischen Landschaft<br />
bestellt, gegen die man keinen „Kampf“ ausgerufen hat, gegen die sich kein „zivilgesellschaftliches<br />
Engagement“ richtet? Zahlen und mehr<br />
Die Verfassungsschutz-Statistik verzeichnet für das Jahr 2005 eine Gesamtzahl der linksextremen<br />
Straftaten von 2305. Deutlich weniger also, als die Gesamtzahl der rechtsextremen Straftaten. Ist<br />
damit nicht schon die höhere Gefährlichkeit des Rechtsextremismus belegt? Wenn man bei dieser<br />
oberflächlichen Betrachtung bleiben würde mit Sicherheit. Wir aber wollen uns diese Zahlen einmal<br />
genauer ansehen.<br />
Im Zeitraum 2005 verzeichnete die Polizei von den linksextremistischen Gewalttaten von 896,<br />
darunter eine versuchte Tötung. Dies macht einen Anteil von 39%(!) an den linksextremen<br />
Gesamtstraftaten. Bei den übrigen 1 409 (61%) linksextremen Straftaten, die nicht als „Gewalttaten“<br />
eingestuft werden, handelt es sich interessanterweise in der Mehrheit (713) um<br />
Sachbeschädigungen. Wie Sachbeschädigungen ohne den Einsatz physischer Gewalt zu Stande<br />
kommen, muß dem neutralen Beobachter allerdings ein Rätsel bleiben.<br />
Unter den linksextremen Gesamtstraftaten findet sich jedoch kein einziges Propagandadelikt. Zu<br />
erklären ist dies ganz einfach damit, daß es für Linke nicht möglich ist, sogenannte<br />
„Propagandadelikte“ zu begehen. Steht beispielsweise das Zeigen der Hakenkreuzfahne in der<br />
Bundesrepublik unter Strafe, so ist es demgegenüber keine Straftat, die Fahne der<br />
menschenvernichtenden UdSSR-Diktatur oder auch jene des DDR-Regimes öffentlich zu zeigen.<br />
Das vom Verfassungsschutz geschätzte linksextreme Personenpotential lag im Jahr 2005 bei 30.600.<br />
Damit macht das Personenpotential des Linksextremismus im Vergleich zu dem des<br />
Rechtsextremismus rund 22% weniger aus.<br />
Höhere Gewalttätigkeit von links<br />
Was ist aber der Unterschied von Links- und Rechtsextremismus, der die Behauptung einer<br />
besonderen Gefährlichkeit des Rechtsextremismus und die Verharmlosung des Linksextremismus<br />
rechtfertigt? Welche besondere und schwerwiegende Begründung liegt vor, wenn im „Kampf gegen<br />
Rechts“ – also in der Bekämpfung eines ganzen politischen Spektrums, angefangen von<br />
Rechtsliberalen, über Konservative bis hin zu tatsächlichen oder mutmaßlichen Neonazis bzw.<br />
Rechtsextremisten – 21 Millionen Euro an Steuergeldern durch die Bundesregierung ausgegeben<br />
werden?<br />
Grundlage dafür können jedenfalls nicht die nackten Zahlen des Bundesamtes für Verfassungsschutz<br />
bezüglich der Gewaltbereitschaft der jeweiligen Vertreter des Links- bzw. Rechtsextremismus sein.<br />
Auf Grundlage genau dieser Zahlen muß man eigentlich zur umgekehrten Schlußfolgerung kommen,<br />
denn trotz des 22% geringeren Personenpotentials des Linksextremismus im Vergleich zum<br />
Rechtsextremismus, wurden nur 7% weniger Gewalttaten von Linksextremisten begangen. Würden<br />
Sachbeschädigungen als „Gewalttaten“ mitgezählt werden, würde sich die Gesamtzahl linksextremer<br />
Gewalttaten nochmals fast verdoppeln. Statistisch gesehen kommen damit auf jeden<br />
151
Linksextremisten 0,029 Gewalttaten im Zeitraum 2005, auf jeden Rechtsextremisten jedoch nur<br />
0,025. Damit ist eine höhere Gewalttätigkeit des Linksextremismus statistisch belegt.<br />
Konsequenzen ziehen<br />
Angesichts der vorliegenden Zahlen ist das Verhalten des medialen und politischen Establishments<br />
verantwortungslos. Wer die signifikante Gefahr, die höhere Aggressivität und Gewalttätigkeit linker<br />
Extremisten verharmlost oder verschweigt, der macht sich zum Mittäter.<br />
Primär Politik und Medien stehen in der Pflicht, nicht länger wegzusehen, wenn unter dem<br />
Deckmantel beispielsweise sozialistischer, mulikultureller, antifaschistischer usw., also linker<br />
Zielsetzungen Gewalt gegen (andersdenkende) Menschen oder Sachen ausgeübt wird.<br />
Jedoch fängt die Verantwortung für ein offenes, tolerantes und freiheitliches Meinungsklima bei<br />
jedem Bürger selbst an. Es darf nicht weggesehen oder verharmlost werden, wenn Linke andere<br />
Menschen beleidigen oder angreifen. Hier wäre die vielbeschworene „Zivilcourage“ wirklich<br />
angebracht.<br />
152
Sei doch auch mal totalitär!<br />
Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />
Montag, den 19. Februar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Manchmal entdecke ich merkwürdige Nachrichten, ob im Netz oder in der Zeitung, bei denen ich<br />
einfach nur noch staune, weil ich sie nicht verstehe. Geht euch das auch so? Hat ihr nicht auch<br />
manchmal das Gefühl, dass wir den 1. April haben? Irgendwer will mich hinters Licht führen, denke<br />
ich mir dann, aber ich täusche mich dabei. Es stimmt tatsächlich und damit bleibt nur eine Frage<br />
offen: Wie gehe ich damit um? Nehmen wir ein Paradebeispiel:<br />
Schulischer Erziehungsauftrag<br />
2003 fanden Demonstrationen gegen den Irak-Krieg statt und in den Medien waren dabei sehr viele<br />
Schülerdemonstrationen zu finden. Um euch jetzt die Utopie von einer 100%-Quote zu nehmen, sei<br />
nur gesagt, dass ich des Öfteren nicht anwesend war, da Mister Bush die Schreie aus Chemnitz im<br />
Weißen Haus sicher nicht gehört hätte. Der Grund ist aber sowieso völlig egal, denn zu<br />
Demonstrationen sollte niemand gezwungen werden – logisch – wir leben ja nicht in der DDR. Eine<br />
Schuldirektorin (Marie-Luise Bock, nennen wir sie Böcki) in Herten-Westerholt (NRW) sieht das ein<br />
wenig anders, wahrscheinlich will sie auch mal Sozialismus spielen. Ist ja auch toll, wenn alle<br />
Sozialisten sind! Die Anderen werden halt erschossen oder nur schikaniert. Böcki´s humaner<br />
Gesinnung ist es wohl zu verdanken, dass zwei Schülerinnen nur Letzteres ertragen müssen. Worum<br />
ging es?<br />
Sozialismus spielen mit Schülern<br />
Die Schule plante im Rahmen von Projekttagen gegen Rassismus ebenfalls eine Demonstration, bei<br />
der jedoch die 100%-Quote erreicht werden sollte. Das fanden die Sozialisten ja schon früher ganz<br />
toll. Unglücklicherweise weigerten sich die bereits erwähnten Schülerinnen daran teilzunehmen,<br />
nicht weil sie Rassisten sind, sondern weil der Meinung waren, ein hier lebender Ausländer müsste<br />
sich der „deutschen Art“ anpassen.<br />
Alle müssen gegen Rassismus marschieren!<br />
Das Wort „deutsch“ brachte für Böcki wohl das Faß zum Überlaufen. Man hätte schließlich im<br />
Unterricht intensiv über „Nazi-Vokablular“ wie „Arier“, „Herrenrasse“ und eben auch „deutsche Art“<br />
gesprochen. Ob es dabei um die Gefahr von Essen nach Deutscher Art ging und inwiefern Sauerkraut,<br />
aufgrund der Vermischung verschiedener Sorten durch die Globalisierung, überhaupt noch arisch ist,<br />
konnte leider nicht ermittelt werden. Jedenfalls mussten die beiden VerbrecherInnen eine<br />
Stellungnahme abgeben, wieso sie nicht zu Demonstration gingen.<br />
Zurück zum Ernst des Lebens<br />
Es ist in der Tat bitter, wenn Direktoren, die de facto eine Machtposition gegenüber ihren Schülern<br />
besitzen auf Mittel zurückgreifen, die Zwang bedeuten und jegliche Erziehung zu einem mündigen<br />
und freigeistigen Bürger unterbinden. Auch der stille Aufschrei in den Medien wird diesen<br />
couragierten jungen Menschen nicht weiterhelfen, wenn diese Frau nicht aus ihrem Beruf entfernt<br />
wird. Jetzt könnten Wochen und Monate folgen, in denen Rache ausgeübt wird. Um wieder formal zu<br />
werden: Frau Marie-Luise Bock, Menschen wie Sie, sollten sich schämen!<br />
153
Bravo, Frau Künast!<br />
Geschrieben von: Martin Lochschmidt<br />
Montag, den 19. Februar 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Nicht umweltgerechte Autos von deutschen Autobauern veranlassten Frau Renate Künast (Bündnis<br />
90/Die Grünen) zu dieser Aussage in der „Financial Times Deutschland“:<br />
"Leute, kauft Hybrid-Autos von Toyota!“<br />
An der Herstellung von "Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ waren im Jahr <strong>2006</strong> in Deutschland laut<br />
Statistischem Bundesamt 802.000 Beschäftigte beteiligt. Die Exportquote betrug 53,8 Prozent.<br />
Gerade letzteres wird Hybrid-Autos aus Deutschland wahrscheinlich machen, wenn es eine<br />
entsprechende Nachfrage gibt, die ein Unternehmen sicher nutzen wird.<br />
Wenn die Verbraucher, für die Frau Künast mal als Ministerin tätig war, diese Aussage jedoch<br />
wörtlich nehmen sollen, hätten wir wohl bald einige Arbeitslose mehr in diesem Land. Dieses<br />
Szenario ist natürlich vollkommen unrealistisch, wäre aber aus der Perspektive der Grünen-<br />
Fraktionschefin im Bundestag durchaus konsequent, wenn sich an den Motoren von deutschen Autos<br />
nichts ändert. Hieraus lässt sich ein hoher Stellenwert der Ideologie ablesen. Außerdem geht die<br />
Aussage mit den stärkeren radikal-ökologischen Meinungen innerhalb der Grünen Partei konform,<br />
womit das Profil als Oppositionspartei geschärft werden soll. Eigentlich sollte es bei Existenzfragen<br />
von Menschen darum nicht gehen, denn in erster Linie ist Frau Künast als Vertreterin des deutschen<br />
Volkes in den Bundestag eingezogen. Von dem sollte man als Politiker eigentlich Schaden abwenden<br />
und nicht zufügen. Zumindest ausländische Händler und Verbraucher dürften solche Aussagen in<br />
diesem Kontext auch irritieren.<br />
Irritiert dürfte auch jedermann beim Lesen der nächsten Forderung sein, welche schon etwas älter<br />
ist.„Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) hat dazu aufgerufen, deutsche Produkte zu<br />
kaufen und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen. Jeder könne etwas für mehr Beschäftigung in<br />
Deutschland tun. "Er muss sich überlegen, wo die Produkte hergestellt sind, die er kauft", sagte<br />
Künast der Bild am Sonntag. "Die Babypuppen kommen alle aus China, die Strampler aus der Türkei,<br />
die Turnschuhe aus Vietnam. Das gibt es alles auch von deutschen Herstellern." Weitere<br />
Kommentare erübrigen sich damit.<br />
154
Triumphzug der Massen<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 20. März 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Triumphzug der MassenIn und vor manchen Diskotheken rottet sich der gesamte gesellschaftliche<br />
Mob zusammen. Dieser Mob benimmt sich so affig, wie es kein Individuum je allein blicken lassen<br />
würde. Ähnliches gilt für politische Demonstrationen: Auch hier verlieren die Beteiligten jeglichen<br />
Sachverstand und hören stumpf auf die populistischsten Marktschreier. Hinter all diesen<br />
Zusammenrottungen steckt das soziologische Phänomen der Masse. Wenn sich einzelne Individuen<br />
zu Massen zusammenrotten, erkennt man sie nicht wieder.<br />
Eine Masse entsteht, wenn eine Menge von Menschen sich zusammenrottet und ein gemeinsames<br />
Bewusstsein entwickelt. Die Angehörigen der Masse verlieren dabei ihr individuelles Bewusstsein<br />
und geben die eigenen intellektuellen Fähigkeiten zugunsten des nivellierenden Charakters der<br />
Masse auf. In der Masse herrscht Gleichheit und die Charaktereigenschaften der Beteiligten<br />
verkehren sich in ihr.<br />
Die Masse ist dumm und aggressiv.<br />
Welche Eigenschaften die Masse ausbildet, dazu hat Gustav Le Bon (1841-1931) in „Psychologie der<br />
Massen“ Anhaltspunkte gegeben. Le Bon erklärt, warum sich der Mensch in der Masse anders<br />
benimmt als allein. Während das Individuum reflektiert, überlegt und relativ vernünftig handelt,<br />
schlägt dieses Verhalten in einer Masse in das blanke Gegenteil um. Menschen in einer Masse<br />
werden aggressiv und ihr Intellekt kommt nicht mehr zum Tragen. Vielmehr akkumuliert sich die<br />
Dummheit und die eigenen Sitten verrohen. Le Bon weist diese Verhaltensweisen zum Beispiel bei<br />
Demonstrationen nach. Daß sich in dieser Hinsicht seit über hundert Jahren nicht viel verändert hat,<br />
zeigten die Hartz4-Demos vor zwei Jahren. Die protestierende, dumme Masse interessierte sich nicht<br />
für wirtschaftspolitische Lösungen. Mit „Weg mit Hartz4“ meinte die Masse: Wir sind nicht bereit, auf<br />
die staatliche „Kohle“ zu verzichten. Wir wollen mehr Geld, alles andere ist uns egal.<br />
Die Masse beherrscht Politik und Lebensstil jedoch auch jenseits der Spitzenzeiten politischer<br />
Demonstrationen. Ein Beispiel gefällig? Bitteschön: Kaum einer würde so affig zu lauter Musik<br />
herumspringen wie es in Diskotheken gang und gäbe ist. Wenn dies jedoch alle machen, macht es<br />
der einzelne auch mit. Ob dieses Rumgehampel Schwachsinn ist oder nicht, spielt dann keine Rolle<br />
mehr.<br />
Die Masse beherrscht Politik und Lebensstil.<br />
Macht und Einfluß der Massen sind immens. Eliten hingegen kommen kaum noch zum Gestalten<br />
unserer Gesellschaft. Der spanische Philosoph Jose Ortega y Gasset führte Anfang der 1930er Jahre in<br />
„Der Aufstand der Massen“ aus, dass die Führer der Massen elitäre Eigenschaften vermissen lassen.<br />
Die Führer der Massen sind vielmehr selbstzufrieden, hoch spezialisiert, aber ohne Blick für das<br />
Ganze und ohne den Anspruch, aus der eigenen Gesellschaft ein Artefakt zu meißeln. Sie verwalten<br />
ihre eigene Macht und ihr eigenes Geld ihrer selbst willen.<br />
Steht uns ein Kampf der Kulturen bevor? Aggressive, islamische Masse<br />
gegen dekadente, europäische Masse?<br />
Der „Triumph der Massen“ hat weitreichende Folgen für die heutige Zeit. Drei Ebenen sind dabei<br />
interessant:<br />
155
Das Problem der Macht und Stärke einer Masse könnte sich bald „im Kampf der Kulturen“ zwischen<br />
dem christlichen Abendland und dem Islam entladen. Wer hier wohl die größere Durchschlagskraft<br />
an den Tag legt, hat sich in Frankreich bei den Rassenunruhen vor eineinhalb Jahren gezeigt.<br />
Aggressive Massen, wie die islamischen „Youth Bulges“, siTriumph der Massennd in der Lage,<br />
herrschaftsfreie Räume zu erkämpfen, d.h. aggressive islamische Banden besetzen z.B. Wohnviertel,<br />
in denen das Gewaltmonopol des Staates nichts mehr gilt. Sollte es in Europa zu einem „Kampf der<br />
Kulturen“ kommen, dann steht die aggressive, islamische Masse der dekadenten, europäischen<br />
Massengesellschaft entgegen. Sollte es nicht zu einem „Kampf der Kulturen“ kommen, steht eine<br />
gegenseitige Assimilierung und Nivellierung der beiden Kulturen bevor.<br />
In einer Zeit, in der öffentliche Aufmerksamkeit quasi zu einer Währung geworden ist, wächst der<br />
Einfluß der Masse weiter. Wer etwas von dem knappen Gut Aufmerksamkeit abbekommen will, der<br />
muß sich nach bestimmten Regeln richten. Eine der Regeln besagt: Widerspreche der Masse nicht.<br />
Erfolg haben nur die Marktschreier, die „Weg mit Hartz4“ brüllen; nicht diejenigen, die sorgsam die<br />
deutsche Wirtschaftspolitik reformieren wollen und dazu unpopuläre Lösungen vorschlagen.<br />
Und dennoch: Umso knapper Aufmerksamkeit wird, umso interessanter werden Nischenmärkte für<br />
Produzenten. Diejenigen, die chancenlos im Kampf um die Aufmerksamkeit der Masse sind, müssen<br />
sich auf Nischenmärkte konzentrieren.<br />
156
Im Gespräch: Stefan Herre von politicallyincorrect.de<br />
Geschrieben von: BN-Redaktion<br />
Freitag, den 06. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
No PCBeim täglichen Flanieren durch die deutsche Presselandschaft erblickt das Auge selten neue<br />
oder aufregende Dinge. Umso schöner, wenn es dann doch einmal einen Farbtupfer findet. Das Blog<br />
politicallyincorrect.de ist ein solcher Farbtupfer. <strong>Blaue</strong>narzisse.de sprach mit Stefan Herre, dem<br />
Initiator des Blogs, über die Entwicklung von politicallyincorrect.de, die politische Korrektheit in<br />
Deutschland und die Gefahren des Islams.<br />
<strong>Blaue</strong>narzisse.de: Stefan, dein Blog heißt politically incorrect. Was ist an deinem Blog denn so<br />
politisch inkorrekt?<br />
Stefan Herre: Dazu bedarf es nur mal eines Blickes in eine deutsche Tageszeitung: Die dortige<br />
Berichterstattung ist zumeist implizit und explizit islamfreundlich und amerikafeindlich. Über Bush<br />
wird zu 99 % negativ berichtet, wohingegen der Islam als eine "Bereicherung unserer Kultur"<br />
gewertet wird. Diese Einseitigkeit ist eine große Bedrohung für unsere Demokratie und unsere<br />
Grundrechte, dem ich mit meinem Blog aktiv entgegenwirken will. Es ist für mich eine vordringliche<br />
Aufgabe, die "political correctness" als eine schwere Bedrohung unserer Freiheit zu entlarven.<br />
Wer schreibt alles für PI und wie ist die Resonanz auf eure kritische Kommentierung?<br />
Unser PI-Autorenteam besteht aus fünf Personen: Unser "fleißiges Bienchen" Dr. Beate Klein aus<br />
Berlin; Jens von Wichtingen aus Kapstadt (Übersetzungen); "Turmfalke" – unser investigativer Islam-<br />
und Umweltexperte; "gw", unser Video-Experte, der erst vor kurzem von unserem Partnerblog<br />
Outcut TV zu uns gewechselt ist, und ich, der den Laden zusammen hält. Die Resonanz auf unsere<br />
Berichterstattung ist sehr positiv, wie auch die stetig wachsende Leserzahl beweist. Es scheint, als<br />
hätten viele "da draußen" nur darauf gewartet, dass esStefan Herre eine Nachrichtenquelle wie uns<br />
als Korrektiv zu den Massenmedien gibt. Natürlich gibt´s auch die üblichen Diffamierungskampagnen<br />
von links gegen uns – aber das spornt uns eigentlich nur noch mehr an, als dass es uns in irgendeiner<br />
Weise tangiert.<br />
Warum berichtet ihr ausgerechnet über die Gefahren des Islams so ausführlich?<br />
Weil es zur Zeit die größte Bedrohung unserer Freiheit ist. Das Problem ist, dass es immer noch viel<br />
zu viele Menschen gibt, die sich mit dem Thema Islam und speziell mit den Gewalt-Suren im Koran<br />
nicht genügend befassen. Wenn ein Imam dann solchen Leuten in einer Talkshow weismacht "Islam<br />
heißt Frieden", dann glauben sie es ihm. Dabei sieht die tägliche Wirklichkeit diametral anders aus.<br />
Eure Berichterstattung und Kommentierung der Gefahren des Islams ist politisch inkorrekt und<br />
erfrischend. Israel, die USA und die Bundesrepublik Deutschland hinterfragt ihr hingegen nicht so<br />
kritisch. Wieso durchbrecht ihr die Political Correctness bei diesen Themen nicht?<br />
Das stimmt so nicht. Wir kritisieren grundsätzlich alles, was unsere Freiheit, unsere Demokratie und<br />
unsere Grundrechte bedroht – egal ob von links oder von rechts und egal ob es aus den USA kommt<br />
oder aus Usbekistan. Wenn der Eindruck entsteht, wir würden – z.B. gegenüber US-Präsident Bush –<br />
zuweilen zu positiv berichten, so ist dies sicherlich auch ein Resultat der einseitig Bush-feindlichen<br />
Berichterstattung der etablierten Medien. Da übernimmt man, ich gestehe, dann gerne reflexartig<br />
eine Gegenposition.<br />
Vielen Dank für das Interview!<br />
157
Multikulturalismus und politischer Islam<br />
Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />
Dienstag, den 10. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der radikale Multikulturalismus stellt eine Form des Rassismus dar, dessen Propagandisten die<br />
Wörter "Toleranz" und "Pluralismus" im Munde führen. Seine verfassungsrechtliche Verwirklichung<br />
käme einer vollständigen Preisgabe der zivilisatorischen Errungenschaften unserer republikanischen,<br />
auf Menschen- und Bürgerrechte gegründeten Staatsordnung gleich.<br />
In der Antwort auf seine Auszeichnung mit dem Baltasar-Gracián-Kulturpreis im Jahre 2001 nahm der<br />
liberal-konservative Soziologe Erwin K. Scheuch die prinzipielle Unvereinbarkeit eines radikalen<br />
Multikulturalismus mit dem Modell des demokratischen Rechtsstaates aufs Korn: "Warum ist 'Volk'<br />
ein Unwert? Und warum wird der Gebrauch des Wortes tabuisiert? Demokratie bedeutet die<br />
Bindung der und des politischen Ordnungsrahmens an das Volk. Demokratie impliziert<br />
Wertegemeinschaft, eine kulturelle Übereinstimmung. Das aber gilt als Unwert für den Gegenbegriff<br />
der multikulturellen Gesellschaft. Das [...] bedeutet einen völligen Werterelativismus. […] Je fremder<br />
die Kultur der Zuwanderer, um so erwünschter, wenn durch deren Sitten der christliche Wertekanon<br />
als nur einer unter vielen Werten verblassen soll. Wird umgekehrt gefordert, daß etwa in Nigeria die<br />
Muslime unterlassen sollen, den Christen ihre Scharia aufzuzwingen, so gilt das als kultureller<br />
Imperialismus. Multikulturalismus bedeutet mithin, die Situation von Wertkonflikten im Alltag<br />
herbeizuwünschen."<br />
Wir können Scheuchs Diagnose zuspitzen: Multikulturalismus ist ausschließlich in westlichen<br />
Demokratien darauf gerichtet, „die Situation von Wertkonflikten im Alltag herbeizuwünschen“, da<br />
der (noch) herrschende Wertekanon säkularer Rechtsstaatlichkeit „problematisiert“ werden soll. Wo<br />
jedoch unter islamischem Vorzeichen eine „monokulturelle Gesellschaft“ verwirklicht ist, werden<br />
„Wertkonflikte“, die den herrschaftlichen Islam in Frage zu stellen vermöchten, nicht<br />
herbeigewünscht. Dies gilt auch für Landnahmen des politischen Islam mitten in Europa, dem<br />
Widerstand zu leisten von multikulturalistischer Seite als unerwünschte Provokation eines<br />
Wertekonflikts gegeißelt wird. Polemik? Jedenfalls dürfte es außerordentlich schwierig sein, eine<br />
Stellungnahme etwa irgendeines bedeutenden rot-grünen deutschen Politikers oder „Intellektuellen“<br />
zu finden, der die Anerkennung eines „unabhängigen Kosovo“ für problematisch hält, weil – neben<br />
Hunderttausenden serbisch-orthodoxer Christen – infolge des Triumphs der albanisch-muslimischen<br />
Gewaltsezessionisten auch die Gesamtheit der in dieser Region beheimateten Juden vertrieben<br />
wurde. Ein anderes, aus EU-Perspektive vielleicht noch näher liegendes Zeugnis multikulturalistischer<br />
Affinität zu einem Zurückweichen gegenüber dem „monokulturalistischen“ Herrschaftsanspruch des<br />
Islam (wenn nicht gar dessen aktiver Ermunterung) ist die Stellungnahme des Cheftheoretikers des<br />
originären kanadischen Multikulturalismus zum „Karikaturenstreit“: Charles Taylor sieht im<br />
Zusammenhang mit der Veröffentlichung islam-kritischer Karikaturen die Berufung auf Presse- und<br />
Meinungsfreiheit als „eher lächerlich“ an.<br />
Die in den Vereinigten Staaten lebende Exil-Iranerin Maryam Namazie hält Menschen- und<br />
Bürgerrechte nicht für lächerlich, weshalb sie den multikulturalistischen Feinden des „westlichen“<br />
Verfassungsstaates ins Stammbuch schreibt: „’Multikultis’ gehen so weit zu behaupten,<br />
Menschenrechte hätten ausschließlich westlichen Charakter und seien mit einer islamischen<br />
Gesellschaft unvereinbar. […] Die Niederlage der Nazis und ihrer Theorie der biologischen<br />
Unterschiede haben den Gedanken rassischer Überlegenheit gewaltig in Misskredit gebracht.<br />
158
Trotzdem fand der antihumane Gehalt, der im Rassismus steckte, eine andere, in der heutigen Zeit<br />
weniger aneckende Ausdrucksform. Statt rassistischer Begriffe werden nun kulturelle Begriffe<br />
bemüht, um Unterschiede zu manifestieren. Deshalb ist der Multikulturalismus nichts anderes als die<br />
neue Ausdrucksform des Faschismus, und seine Verfechter und Anhänger sind die Anhänger eines<br />
zeitgemäßen Holocausts.“<br />
159
Die Ursprünge des Individualismus in der Antike<br />
Geschrieben von: Frank Bielau<br />
Montag, den 16. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Antike ist ein Grundpfeiler der heutigen Demokratie.Jene Ordnung, die wir heute „Demokratie“<br />
nennen, hat sich im Widerstreit mit anderen Ideologien aus der Synthese verschiedener politischer<br />
Vorstellungen entwickelt. In der „Demokratie“ vereinigen sich Ideen der politischen Linken wie<br />
Gleichheit und Mitleidsethik mit den Elementen des Liberalismus: also Rationalismus, - oft<br />
materialistisch interpretiert – Wertepluralismus und Individualismus. Die ersten Propheten des<br />
Individualismus tauchen bereits im antiken Griechenland auf – dort wollen wir beginnen:<br />
Kritik an den demokratischen Grundvorstellungen kann nur dann sinnvoll geäußert werden, wenn<br />
man die Geschichte der Begriffe im einzelnen kennt – andernfalls wird man sein Thema nur<br />
unzureichend bearbeiten können, denn politische Begriffe bilden im Rahmen ihrer<br />
Entwicklungsgeschichte eine Einheit, eine Gesamtheit; und so wird ihre Bedeutung auch erst dann<br />
deutlich, wenn man ihre Genese kennt. Gleichheit und „Linke Ethik“ (Mitleidsethik, „Ethik der<br />
Schwachen“) lassen sich als linke Werte aus dem Christentum verhältnismäßig leicht ableiten, sie<br />
sollen hier deshalb nicht näher untersucht werden. Schwieriger sind die anderen Begriffe zu erfassen.<br />
Thema dieser Untersuchung aber soll die Entwicklungsgeschichte des Individualismus sein.<br />
Man darf annehmen, daß die Politische Gemeinschaft in der Frühgeschichte der indoeuropäischen<br />
Völker eine Selbstverständlichkeit gewesen ist. Die Menschen haben in Übereinstimmung mit ihrer<br />
heidnischen Religion gelebt: Familie, die staatliche Gemeinschaft und ihre Werte waren direkt aus<br />
den religiösen Vorstellungen abgeleitet, und aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse der<br />
Verhaltensforschung und der Soziobiologie legen nahe, daß sie damit zugleich im Einklang mit ihrer<br />
Natur gelebt haben. So waren die religiösen Vorstellungen der Alten offenbar nichts anderes als das<br />
kulturelle Abbild der menschlichen Natur.<br />
Aristoteles: Nikomachische Ethik<br />
Genauso sehen das dann auch die Hauptvertreter der klassischen griechischen Philosophie. „Der<br />
Mensch ist ein gemeinschaftliches Wesen“ – so lauten die berühmten ersten Worte der Politik des<br />
Aristoteles. Es gibt demnach eine natürliche Weltordnung, ein Ideal, dem die Menschen sich im<br />
Rahmen ihrer Möglichkeiten anzunähern haben. Gelingt ihnen das, führen sie ein „Gutes Leben“ und<br />
erfahren Glück. Platons Staat ist die geistesgeschichtliche Urform der organischen, hierarchischen<br />
Gemeinschaft, und auf deren Nähe zum historischen Nationalsozialismus ist schon oft hingewiesen<br />
worden. Auch Rom hat in Cato und Cicero Vertreter der klassischen Naturrechtskonzeption.<br />
Aristoteles: Politik<br />
Mit dem Beginn des kulturellen Niedergangs treten die ersten Propheten des Individuums in<br />
Griechenland auf. Sie nennen sich „Sophisten“ und sind, das ist bemerkenswert, Zeitgenossen<br />
Platons. Kennzeichnend für das Wirken der Sophisten war ein Perspektivwechsel: Nicht mehr die<br />
alte, religiös begründete kosmische Ordnung war nun maßgeblich; es ging für den einzelnen nicht<br />
mehr darum, seinen durch die Natur vorbestimmten Platz in dieser Ordnung zu finden und sich dort<br />
zu verwirklichen, statt dessen um die subjektive Maximierung des eigenen, des individuellen Vorteils.<br />
Der Sophist Protagoras spricht es aus: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, (der seienden, daß sie<br />
sind, der nichtseienden, daß sie nicht sind)“.<br />
160
Platon: Politeia<br />
Schon das Hauptanliegen Platons ist die Widerlegung der Sophisten, und sein gesamtes Werk ist<br />
ohne sie undenkbar. So erkennen wir in der klassischen Philosophie der Antike insgesamt die reactio<br />
auf die „modernen“, revolutionären Vorstellungen der Sophisten. Platon, Aristoteles oder Cicero sind<br />
konservative Kräfte, die in ihrem Werk dem Versuch, die alte Ordnung aus den Angeln zu heben,<br />
Widerstand entgegensetzen.<br />
Der Untergang der alten Welt entscheidet das Ringen zwischen „progressiven“ und konservativen<br />
Kräften. Die Masseneinwanderung aus dem Orient, zunächst nach Griechenland, später ins Römische<br />
Reich, zerstört die gewachsenen indoeuropäischen Gemeinschaften und befördert die Dekadenz, die<br />
schließlich auch den letzten Rest der natürlichen Werteordnung beseitigt. In ganz Europa wandern<br />
die Völker, und in der Folge werden auch hier bestehende Gemeinschaften zerstört, Bevölkerungen<br />
neu durchmischt und atomisiert. Der Einzelne ist auf sich selbst zurückgeworfen und versucht, so gut<br />
es geht durchs Leben zu kommen. Am Ende dieses Prozesses ist das Prinzip der staatlichen<br />
Gemeinschaft weitgehend vergessen – es wird erst mit dem Aufstieg des Nationalismus im 19.<br />
Jahrhundert wiederkehren. An seine Stelle aber tritt zunächst die Opposition zwischen dem<br />
Herrscher und dem Untertan.<br />
Epiktet: Das Buch vom geglückten Leben<br />
Ein Kapitel ist noch nachzutragen: In der Spätzeit der Antike blüht die individualistische Philosophie<br />
des dekadenten Hellenismus, etwa die Lehre Epikurs oder der Stoa. Gerade die stoische Philosophie<br />
war in den höheren Schichten im kaiserlichen Rom populär, und sie findet auch in unserer Zeit noch<br />
ihre Anhänger. Die Stoa ist ein Programm für Zeiten der Dekadenz, sie hat keinesfalls den Anspruch,<br />
den Niedergang insgesamt aufzuhalten, sondern empfiehlt dem je einzelnen den Rückzug auf sich<br />
selbst. Indem das Individuum sich mit den Verhältnissen arrangiert, kann es auch in schweren Zeiten<br />
ein erfülltes Leben führen, wenn es gelingt, tugendhaft zu leben. Der Erfolg der Stoa besiegelt den<br />
Untergang der antiken Ordnung. Denn wenn die Eliten sich mit dem Niedergang abfinden, gibt es<br />
keine beharrende Kraft mehr, die den Prozeß insgesamt noch aufhalten kann.<br />
161
Der neuzeitliche Individualismus<br />
Geschrieben von: Frank Bielau<br />
Montag, den 16. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Gerade das einsame, vertiefte Lesen alter Bücher bildet!Mit Thomas Hobbes ist, zumindest für die<br />
Neuzeit, der entscheidende Anfang gemacht: Die geistige Vorstellung vom Individuum ist in der Welt<br />
und beginnt, ihre Wirkung zu entfalten. Zwar hat es immer wieder Ansätze gegeben, dem<br />
gemeinschaftlichen Prinzip wieder Geltung zu verschaffen – aber der Individualismus hat allen<br />
Versuchen widerstanden und ist bis heute das Maß der Dinge. Jeder neue Versuch setzt aber<br />
zunächst das Verständnis voraus, was Individualismus bedeutet, und wie er entstanden ist.<br />
Als in der Renaissance der europäische Geist wieder erwacht, sind die großen gesellschaftlichen<br />
Umwälzungen längst abgeschlossen. Der erste große politische Denker jener Zeit ist der Florentiner<br />
Niccoló Machiavelli. In seinem Hauptwerk, Il Principe (Der Fürst), entwickelt er Strategien für den<br />
Machterhalt regionaler Herrscher. Er gilt als einer der Begründer des Individualismus in der Neuzeit,<br />
und in der Tat ist sein Blick auf den Menschen unzweifelhaft individualistisch. Es ist jedoch nicht zu<br />
übersehen, daß Machiavellis Bild der Gesellschaft lediglich beschreibenden Charakter hat, er<br />
beobachtet den Menschen seiner Zeit und versucht, daraus Konzepte zum Machterhalt abzuleiten. Er<br />
findet also die atomisierte Gesellschaft, den sozial und sittlich entwurzelten Menschen bereits vor<br />
und macht ihn daher zur Grundlage seiner Überlegungen.<br />
Niccoló Machiavelli: Il Principe<br />
Von größerer Bedeutung für die Genese des neuzeitlichen Individualismus ist daher der Engländer<br />
Thomas Hobbes. Bekannt ist heute vor allen Dingen das zweite Buch seines Hauptwerks Leviathan, in<br />
dem Hobbes den Naturzustand als „Kampf aller gegen alle“ definiert und düster diagnostiziert, der<br />
Mensch sei dem Menschen ein Wolf. Der einzige Ausweg aus dieser unerträglichen Situation sei ein<br />
Vertrag, der einem Einzigen absolute Macht über alle anderen einräumt.<br />
Für unser Thema ist aber das weniger beachtete erste Buch des Leviathan interessant, denn dort<br />
entwickelt Hobbes die Methodik seiner weiterführenden Überlegungen. Er ist fasziniert von den<br />
modernen Naturwissenschaften und befaßt sich zunächst ausgiebig mit der Geometrie Euklids. Die<br />
Ungenauigkeit geisteswissenschaftlicher Untersuchungen ist ihm unerträglich, und seine Vision ist:<br />
die Übertragung exakter, naturwissenschaftlicher Methodik auf geisteswissenschaftliche Bereiche,<br />
etwa die politische Theorie. Sein erster gedanklicher Schritt ist daher die Analyse, die Reduktion des<br />
Staates auf die Grundbestandteile, die Individuen. Das führt ihn zu seinem Naturzustand, zu dem<br />
Kampf aller gegen alle.<br />
Thomas Hobbes: Leviathan<br />
Den Menschen versteht Hobbes in der Logik seiner Methode als Automaten mit bestimmten<br />
Eigenschaften, Bedürfnissen, Trieben, Leidenschaften. Er wird so berechenbar, bestimmte<br />
Bedingungen führen unweigerlich zu bestimmten, zumindest z.T. vorhersagbaren Reaktionen. Eine<br />
entscheidende Konsequenz der Methodik ist, daß die Interaktion der einzelnen Menschen<br />
untereinander sowie ihr möglicher Bezug auf eine Gemeinschaft praktisch keine Bedeutung mehr<br />
hat. Jedes einzelne Element wird als bindungsloses, asoziales Individuum begriffen, das auch schon<br />
für sich allein denkbar und lebensfähig ist, und dessen größtes Problem die Angst sein muß, von<br />
seinen Mitmenschen umgebracht zu werden. Hobbes’ Synthese ist dann die Gründung des Staates<br />
und die freiwillige Unterordnung aller Individuen unter einen allmächtigen Herrscher, der verhindert,<br />
daß einer den anderen tötet.<br />
162
Carl Schmitt: Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn<br />
und Fehlschlag eines politischen Symbols<br />
Das neue, in naturwissenschaftlicher Methodik entstandene, aber unzweifelhaft vereinfachende<br />
Modell vom Staat hat nichts mehr von einer Gemeinschaft: Es handelt sich um eine atomistische<br />
Ansammlung von Automaten, prinzipiell von Gleichen, die ihren individuellen Vorteil auch<br />
gegeneinander suchen und die in ihrer Interaktion vom Souverän kontrolliert und begrenzt werden.<br />
Der Staat insgesamt ist in dieser Vorstellung ein gigantischer Mechanismus und als solcher<br />
naturwissenschaftlichem Verständnis ebenso zugänglich wie jede andere Maschine. Hier liegt der<br />
eigentliche Ursprung des modernen Individualismus, denn der neue Ansatz, so fragwürdig er uns<br />
erscheint, ist von nachfolgenden Denkern wie Baruch de Spinoza, David Hume oder John Stuart Mill<br />
aufgegriffen und weiterentwickelt worden. Aber nicht nur die Vordenker des Liberalismus berufen<br />
sich auf Hobbes.<br />
Auch rechte Denker waren von der Exaktheit und Funktionalität des neuen Modells beeindruckt, und<br />
so gibt es eine zweite Traditionslinie, die von Hobbes über Carl Schmitt zu Helmut Schelsky oder<br />
Bernhard Willms reicht – lauter Denker, die zwar zur politischen Rechten gehören, deren<br />
gesellschaftliche Vorstellungen aber individualistisch ausgerichtet sind.<br />
163
„Wenn Literatur politisch wird, ist sie fast immer<br />
schlecht!“<br />
Geschrieben von: BN-Redaktion<br />
Freitag, den 20. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Im Gespräch mit blauenarzisse.de spricht Michael Klonovsky über seine neuesten Buchprojekte, die<br />
Faszination des Werkes von Nicolás Gómez Davilá, den Zeitgeist und seine ganz eigenen Strategien,<br />
sich diesem zu entziehen. Klonovsky, Jahrgang 1962, wurde in Schlema (Erzgebirge) geboren, wuchs<br />
in Ostberlin auf und verdient seit der Wende seine Brötchen als Schriftsteller und Journalist. Derzeit<br />
ist er als Chef vom Dienst beim FOCUS tätig.<br />
<strong>Blaue</strong>narzisse.de: Herr Klonovsky, zum Herbstanfang 20<strong>07</strong> erscheint bei Reclam eine von Ihnen<br />
herausgegebene Aphorismensammlung von Nicolás Gómez Dávila. Was fasziniert Sie an dem<br />
kolumbianischen Reaktionär?<br />
Michael Klonovsky: Seine Zeitgeistferne. Sein Einzelgängertum. Die Verbindung von Hochmut und<br />
Demut. Sein – vollkommen hoffnungsloser – Wunsch nach Rückverzauberung der Welt. Und<br />
natürlich vor allem seine enorme Prägnanz. Er war imstande, Sachverhalte gewissermaßen letztgültig<br />
zu formulieren.<br />
Welche Sachverhalte hat Dávila denn letztgültig formuliert? Meinen Sie damit etwa Setzungen wie<br />
„Die Politiker sind in der Demokratie die Kondensatoren der Dummheit.“?<br />
Ach Gott, soll ich jetzt seitenlang zitieren? Beschränken wir uns auf ein zum aktuellen<br />
Oettinger/Filbinger-Knatsch passendes Beispiel: „Der veraltete Konformismus ist das Ärgernis des<br />
herrschenden Konformismus.“<br />
Dávila hätte sicherlich eine tagespolitische Debatte wie die Oettinger-Affäre nicht einmal<br />
mitbekommen. Fehlt einem Denker, der sich von seiner Zeit abgewendet hat und sich in seiner<br />
riesigen Bibliothek über Metapolitik und Metaphysik Gedanken macht, nicht manchmal das konkrete<br />
Ereignis, an dem er seine Theorien hochziehen kann?<br />
Solche sogenannten Debatten, wie sie hierzulande stattfinden, nicht mitzubekommen, halte ich<br />
einstweilen für die Lösung. Ansonsten sind die konkreten Ereignisse, solange Menschen agieren,<br />
doch ohnehin immer dieselben. Ein wirklich bedeutender Denker kann also gar nicht völlig<br />
danebenliegen oder veralten. Im Gegenteil schafft oft gerade der Rückzug die bessere Draufsicht – so<br />
wie ein Maler ein paar Schritte von seinem Bild zurücktritt, um es zu überschauen.<br />
Glauben Sie, daß sich heutzutage jemand nach einem extrem kulturpessimistischen Denker sehnt? Wo<br />
glauben Sie, das Publikum für Ihr Buch und Dávila zu finden?<br />
Gómez Dávila war kein Pessimist, in bezug auf den Untergang der Industriegesellschaft war er sogar<br />
sanft optimistisch. Scherz beiseite: Wenn Sie übers Publikum reden wollen, bin ich die falsche<br />
Adresse. Wer's liest, der liest's, wer nicht, der nicht. Die Auswahl beginnt mit dem Satz: „Der erste<br />
Schritt der Weisheit besteht darin, fröhlich zuzugeben, dass es keinen Grund gibt, dass unsere Ideen<br />
irgendjemanden interessieren könnten.“ Allerdings wird die Halbwertszeit von Gómez Dávila nicht<br />
unbeträchtlich sein, man kann ihn auch in zehn oder fünfzig Jahren für sich entdecken.<br />
Wenigstens haben Sie für die Aphorismensammlung einen deutschen Verlag (Reclam) gefunden. Bei<br />
Ihrem Roman „Land der Wunder“ war das nicht so. Dennoch erhielten Sie aus den Reihen der<br />
164
deutschen Feuilletonisten gute Kritiken. Sind Sie damit besänftigt oder stört Sie immer noch das<br />
politisch korrekte Meinungsklima in Deutschland?<br />
Mit "Land der Wunder" habe ich – fürs erste – einen beachtlichen Misserfolg errungen, was<br />
womöglich mit dem verzögerten Erscheinen des Romans aufgrund seiner offenkundigen<br />
Undruckbarkeit im Land der Wunder zusammenhing; als er schließlich erschien, war die Schublade<br />
„Wenderoman“ schon belegt. Ich führe das nur aus, weil ich mir keineswegs sicher bin, ob es<br />
tatsächlich vor allem Gründe der Politischen Korrektheit waren, die zu den Ablehnungen führten – es<br />
ist ja kein eigentlich politischer Roman. Aber natürlich stört mich dieses Meinungsklima, so wie mich<br />
jeder Zeitgeist stört.<br />
Vor 1990 arbeiteten Sie in Ostberlin unter anderem als Maurer und Korrekturleser, jetzt sind Sie<br />
aufgestiegen zum Schriftsteller und Journalist. Woher rührt Ihre Unzufriedenheit? Hatten Sie sich<br />
mehr erhofft?<br />
Wie kommen Sie darauf, dass ich unzufrieden sei? Also mit dem besagten Meinungsklima würde ich<br />
auch als Losverkäufer oder Bundeskanzler hadern, und ich hätte von „Land der Wunder“ gern 100<br />
000 Stück verkauft, aber ansonsten, ich bin quietschvergnügt. Haben Sie sich nicht amüsiert über<br />
„Land der Wunder“? Also ich muss immer noch lachen, wenn ich manche Passagen lese.<br />
Eine Annegret Kunkel (Sophie Dannenberg) schreibt über „Das bleiche Herz der (68-)Revolution“; der<br />
Ingeborg-Bachmann-Preisträger von 2004, Uwe Tellkamp, getraut sich über rechtsintellektuelle<br />
Terroristen zu schreiben („Der Eisvogel“) und Sie thematisieren ebenfalls schwierig anzusprechende<br />
Befindlichkeiten in unserem Land. Tut sich etwas in der deutschen Literaturszene?<br />
Wissen Sie, wenn Literatur politisch wird, ist sie fast immer schlecht. Ansonsten habe ich zwar Frau<br />
Dannenberg gelesen, aber Herrn Tellkamp nicht, und ich habe keine Ahnung, was sich so in der<br />
deutschen Literaturszene tut.<br />
Können wir deshalb von Ihnen eher weitere essayistische „Philosophien der Passionen" erwarten und<br />
uns an Geschichten rund um Wein, Frauen und Radfahren erfreuen oder denken Sie eher an weitere<br />
Romane?<br />
Frauen und Wein werden mit absoluter Gewissheit in allen Büchern vorkommen, die ich schreibe,<br />
egal welche Genrebezeichnung der Verlag raufdruckt. Konkret sitze ich gerade an einem Buch über<br />
Giacomo Puccini, aber das ist eher essayistisch. Romane? Mal sehen.<br />
Frauenphantasien, Wein, Zustände körperlicher Ekstase in Hochgebirgen auf dem Rennrad und ein<br />
bißchen Heidegger und Dávila. Wie haben Sie in so eine originelle Lebensphilosophie hineingefunden?<br />
Und, wie lange wollen Sie noch als Radrennfahrer mit tiefgründigen Detailkenntnissen von Biergärten<br />
aktiv bleiben?<br />
Nun, diese Aufzählung entbirgt ja noch keine Lebensphilosophie, sondern bloß die simple Tatsache,<br />
dass der Schreiber auch einen Körper besitzt. Ich weiß, dass meine literarische Themenauswahl<br />
etwas bizarr wirkt, aber es handelt sich durchweg um Dinge, die mir große Freude bereiten, und<br />
wenn einer schreiben und ein bisschen denken kann, dann traktiert er jedes Thema auf solidem<br />
Niveau. Die Heidegger-Lektüre – um bei Ihrem Beispiel zu bleiben, es gäbe auch andere – empfinde<br />
ich als genauso anstrengend und beglückend wie das Bergaufradeln, und danach wird selbstredend<br />
gebechert. Wie lange? Na, möglichst bis zuletzt.<br />
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Klonovsky!<br />
165
Terror lohnt sich wieder<br />
Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />
Montag, den 23. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der frühere mazedonische Innenminister Ljube Boškoski muß sich seit dem 16. April 20<strong>07</strong> vor dem<br />
Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag für Ausschreitungen mazedonischer<br />
Sicherheitskräfte im Kampf gegen albanische Freischärler in Mazedonien im August 2001<br />
verantworten. Der Innenminister einer demokratischen Republik soll wegen eines Verbrechens im<br />
Kriege belangt werden, währenddessen die Verantwortlichen für den völkischen Sezessionskrieg<br />
albanischer Extremisten gegen Mazedonien selbstverständlich nichts befürchten müssen. Was lehrt<br />
uns dieser Fall?<br />
Widerstand gegen „albanische Freischärler“ wird in Washington und Berlin auch den Mazedoniern<br />
nicht verziehen – selbst, wenn es sich nur um Stunden handelt, die verstreichen, bis eine<br />
demokratisch legitimierte Regierung sich dazu bereiterklärt, mit einer Räuber- und Mörderbande ein<br />
„Abkommen“ abzuschließen, um eine republikanische zugunsten einer sozusagen „multikulturellen“<br />
(ethno-föderalistischen) Verfassungsordnung preiszugeben: „Die Kämpfe in Mazedonien wurden am<br />
13. August 2001 mit dem unter Druck Washingtons und der EU geschlossenen Abkommen von Ohrid<br />
beendet. Es soll den Albanern einen der Größe ihrer Bevölkerungsgruppe gemäßen Zugang zu<br />
staatlichen Mitteln ermöglichen und ist in den vergangenen Jahren auch weitgehend eingehalten<br />
worden.“ (FAZ, 16.4.20<strong>07</strong>)<br />
Was ist mit dem Recht Mazedoniens auf Selbstverteidigung?<br />
Da die führenden Mächte der NATO die albanischen Freischärler der UCK offenbar nicht nur im<br />
Kosovo, sondern auch im benachbarten Mazedonien als ihre Landarmee betrachteten, kann die<br />
strafrechtliche Verfolgung dieser „Kombattanten“ kaum von Interesse für das Haager Jugoslawien-<br />
Tribunal sein. In der FAZ vom 16. April 20<strong>07</strong> heißt es: „Gegen Angehörige der albanischen<br />
Minderheit, die etwa ein Viertel der mazedonischen Bevölkerung stellt, hat die Haager<br />
Chefanklägerin Carla Del Ponte keine Beschuldigungen erhoben.“ Mehr noch: Die Gewaltakte der<br />
islamischen NATO-Verbündeten spielen in der Logik der Chefanklage nicht einmal dort eine Rolle, wo<br />
es um die sachliche Beurteilung dessen geht, was Angehörigen der legalen mazedonischen<br />
Hoheitsgewalt vorgeworfen wird: „Über die Rolle der Freischärler ist in der Haager Anklageschrift<br />
nichts weiter zu erfahren. Ausführlich dargestellt wird aber der Gegenschlag [sic!] von Polizei und<br />
Armee auf das als Rückzugsort der Täter vermutete Dorf Ljuboten.“ Die Anklageschrift legt den<br />
Mazedoniern substantiell zur Last, so gehandelt zu haben, wie NATO und UCK zu handeln pflegen:<br />
sich bei ihrer Kriegführung nicht auf „legitime militärische Ziele“ (waren die von der NATO<br />
bombardierten Donaubrücken etwa solche?) beschränkt und Gefangene gefoltert zu haben. (Wie<br />
„verteidigt“ sich beispielsweise der NATO-Mitgliedstaat Türkei gegen die Wünsche seiner kurdischen<br />
Bürger nach kultureller Autonomie?)<br />
Die Albaner haben in Mazedonien ihr Ziel erreicht: extra für sie „befreite<br />
Zonen“.<br />
„Es ist ein Fehler, mit Terroristen zu sprechen“, bemerkte der EU-„Außenminister“ Javier Solana<br />
heuchlerisch, als radikalnationalistische Albaner sich im Frühjahr 2001 auch im Nordwesten<br />
Mazedoniens formiert hatten, wo sie – nach dem Vorbild der UCK-Terroristen im serbischen Kosovo<br />
und Metohija – „befreite“ Zonen einrichteten und Angehörige der slawischen Mehrheitsbevölkerung<br />
Mazedoniens gewaltsam vertrieben. Ermuntert hatte sie der Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999,<br />
166
die Passivität der Kfor-Verwaltung gegenüber dem von Albanern ausgehenden Genozid an den<br />
Kosovo-Serben – und das damals bereits offen zutage tretende weitgehende Desinteresse des<br />
Haager Jugoslawien-Tribunals an jedweder strafrechtlichen Verfolgung albanischer Unruhestifter.<br />
167
„Refugium gegen mainstream-kompatiblen Populismus von<br />
lechts und rinks“<br />
Geschrieben von: BN-Redaktion<br />
Dienstag, den 24. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Im Gespräch mit jo@chim, dem Betreiber von antibuerokratieteam.de, sprachen wir über das<br />
Freiheitsverständnis eines Libertären und über die These, daß Weblogs die Meinungsvielfalt in<br />
Deutschland nachhaltig verbessern. Antibuerokratieteam.de sieht sich selbst als ein radikal liberales<br />
Weblog jenseits von „lechts und rinks“, das sich den Idealen der Aufklärung und des Rationalismus<br />
verpflichtet fühlt.<br />
jo@chim, Sie bezeichnen sich selbst als kulturprogressiven Libertären. Können Sie es mit Ihrer<br />
politischen Einstellung überhaupt noch überzeugt in der FDP aushalten?<br />
Singen kann ich nicht, Trachtenverein liegt mir nicht und ich hasse Fußball – bleibt also nur noch<br />
diese Option, um meiner urdeutschen Neigung zur Vereinsmeierei zu frönen. Nein, im Ernst: Peter<br />
Sloterdijk hat einmal bemerkt, dass unser Parteiensystem lediglich die Auswahl zwischen vier<br />
Spielarten von Sozialdemokratie anbietet – und die FDP ist darunter sicher diejenige, in der am<br />
meisten Liberale zu finden sind. Wo, wenn nicht dort, sollte ich für ein radikales Verständnis von<br />
Liberalismus werben? Im Unterschied zu vielen anderen Libertären habe ich auch ein eher<br />
pragmatisches Verständnis von Politik, das sich durchaus positiv auf Gestaltungsmöglichkeiten<br />
hinsichtlich mehr Freiheit und mehr Markt im Rahmen unseres halb-kapitalistischen (oder: halbsozialistischen<br />
– je nachdem aus welcher Perspektive man das betrachtet) Systems bezieht. Das<br />
heisst aber nicht, dass es mir immer leicht fällt, diese Partei angesichts der allzuoft grassierenden<br />
Substanzlosigkeit des deutschen Partei-Liberalismus „auszuhalten“.<br />
Warum kommentieren Sie die Geschehnisse im „Narrenzirkus“ BRD?<br />
Narrenzirkus BRD. Nun gut – alle Staaten sind IMHO (meiner unmaßgeblichen Ansicht nach,<br />
Übersetzung der Red.) Manegen für autoritäre Dompteure, hohe Seilschaften, laute Maulakrobaten,<br />
Salto schlagende Traumtänzer, viele dumme Dressierte und einige fein integrierte Clowns vor einer<br />
Masse zahlender Claqueure! Da geht dieses Land durchaus keinen Sonderweg. Warum ich schreibe?<br />
Vielleicht, weil ich einer aus der Liste bin? Ansonsten aus Mitteilungsdrang natürlich und weil ich<br />
mich gerne mit anderen austausche. Vor allem aber auch, weil es mir wichtig erscheint, gegen die<br />
kollektivistischen Großideologien Nationalismus und Sozialismus anzuschreiben, die ich für die<br />
beiden Grundtorheiten des vergangenen Jahrhunderts halte. Und weil mir vor der Naivität vieler –<br />
angesichts des neuen religiös verbrämten Totalitarismus, der unter dem „Banner des Propheten“<br />
marschiert – graut.<br />
Experten meinen, dass sich durch Blogs die Meinungsvielfalt in unserem Land enorm steigert. Welche<br />
Bedeutung und welche Chancen haben Weblogs, die wie Ihres eine weniger populäre Meinung<br />
vertreten? Verändert sich gar durch Weblogs das Meinungsgefüge in unserem Land und bekommen<br />
auch Sie ein „Stück von diesem Kuchen“ ab?<br />
Na, die Vielfalt der Meinungen wird sich ja wohl nicht „steigern“? Web 2.0 erleichtert es aber,<br />
Meinungen, auch unbequeme oder extreme, zu veröffentlichen, selbst wenn man kein Journalist<br />
oder Internet-Profi ist. Mit einem gewissen Grad an Anonymität und „live“ – weltweit. Rote, braune<br />
oder islamistische Hassprediger finden somit natürlich eine ideale technische Plattform – aber damit<br />
kann ich besser leben, als mit Schlapphüten, die mir per Sperrverfügung die eigene Urteilskraft<br />
168
aberkennen wollen. Über publizistische Reichweiten ist mit der Masse der seit 2004 auch hierzulande<br />
entstehenden Weblogs und Communities verschiedener Couleur allerdings noch lange nichts<br />
ausgesagt – die Szene tendiert oft auch dazu, „im eigenen Saft zu schmoren“ und ihre Rolle im<br />
Meinungsbildungsprozess maßlos zu überschätzen. Im Gegensatz zu den USA befindet sich die<br />
politische Blogosphäre im deutschsprachigen Raum in den Kinderschuhen, die direkte Wirkung auf<br />
politische Prozesse ist eher (noch?) marginal. Ein radikal liberales Projekt wie unseres ist eher als<br />
Refugium gegen mainstream-kompatiblen Populismus von lechts und rinks angelegt, denn auf<br />
„Massenwirkung“. Größere Geldüberweisungen sind, wohl nicht zuletzt deshalb, leider auch noch<br />
nicht hier eingegangen. Mit aktuell 500 bis 800 „Unique Readers“ (identifizierbaren Leser) täglich<br />
backen wir im Vergleich zu größeren Weblogs wie dem „Bildblog“ oder der „Achse des Guten“ nach<br />
wie vor kleine Küchlein.<br />
Was ist für Sie Freiheit?<br />
Wie viele Seiten hat Ihr Magazin? Ok, kurz: ich definiere Freiheit vor allem negativ aus dem<br />
Widerspruch zwischen der Autonomie des Individuums und der Autorität von Kollektiven,<br />
gleichgültig ob Sie als „Klasse“, „Nation“ oder „demokratische Majorität“ daher kommen. Freiheit ist<br />
Abwesenheit von Zwang staatlicher und nicht-staatlicher Natur, der mir mein ursprüngliches und<br />
grundlegendes Recht auf „Selbst-Eigentum“ bestreiten will. Ich sehe mich daher nicht nur als „Anti-<br />
Etatisten“, sondern auch als antiautoritären Individualisten. Dies übrigens ausdrücklich in<br />
Abgrenzung zu libertär-konservativen Ansätzen, die sich Wissen um eine „natürliche Ordnung“<br />
anmaßen, die durchzusetzen sei. Ich halte es ganz im Sinne des Liberalen F.A. von Hayek: "Diese<br />
Scheu, ungelenkten sozialen Kräften zu vertrauen, steht in engem Zusammenhang mit zwei anderen<br />
Wesenszügen des Konservatismus: seiner Vorliebe für Autorität und seinem Mangel an Verständnis<br />
der Wirtschaftskräfte."<br />
Wir danken Ihnen für das aufschlußreiche Interview!<br />
Danke für die Gelegenheit, den Lesern Ihres sehr ansprechend gestalteten Magazins einige Fragen<br />
beantworten zu dürfen. Wer gerne weiter diskutieren möchte: ich werde dieses Interview auch auf<br />
antibuerokratieteam.de veröffentlichen – dort können Sie gerne kommentieren!<br />
169
Eigentum und youth bulges<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Montag, den 30. April 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Soziologe und Genozidforscher Gunnar Heinsohn (Universität Bremen) widmet sich in seinem<br />
Werk „Söhne und Weltmacht. Terror im Aufstieg und Fall der Nationen“ dem Phänomen der youth<br />
bulges. Mit youth bulge, einem von Gary Fuller (USA) 1995 eingeführten Begriff, meint Heinsohn, den<br />
Überschuß an jungen Männern einer Nation, die nicht hungern und betteln, deren Suche nach einer<br />
angesehenen gesellschaftlichen Position aber aussichtslos ist.<br />
Die erfolglosen 15-25jährigen aus islamischen und Dritte Welt-Staaten bilden ein Massenheer, dem<br />
die westlichen Industrienationen mit ihren niedrigen Geburtenraten nicht gewachsen sind. Politisch<br />
und militärisch deutet sich eine Niederlage insbesondere für Europa an. Ob sich eine<br />
wirtschaftliche für die bisherigen Weltmächte ebenfalls anbahnt, hängt davon ab,<br />
wann die Staaten mit großem youth bulge begreifen, was Eigentum ist.<br />
Heinsohn zufolge stacheln die USA durch den globalen „Kampf gegen den Terror“ junge Männer aus<br />
dem islamischen Kulturkreis nicht an, Selbstmordattentäter und Terroristen zu werden. Die USA<br />
treiben niemand in die Arme eines Osama bin Ladens oder anderer Topterroristen. Der Zorn der<br />
Terroristen hat eine andere Ursache: Junge, aufstrebende Männer finden in ihrer Gesellschaft keine<br />
berufliche Position, die ihnen angemessen erscheint. Aufgrund des Überschusses an jungen Männern<br />
ist dies nicht möglich, da auf jede Stelle zehn Bewerber kommen. Hinzu kommt, daß die<br />
Erfolgsaussichten auf eine Frau durch die fehlende berufliche Position sinken. Ideologische und<br />
religiöse Motive spielen in der Theorie Heinsohns eine untergeordnete Rolle; sie fungieren allenfalls<br />
als Katalysator der inneren und äußeren Konflikte. Der eigentliche Grund für Terror, Bürgerkriege<br />
und Genozide in bestimmten Kulturkreisen ist deren demographische Lage; es ist der Überschuß an<br />
jungen Männern.<br />
Die überflüssigen 15-25jährigen sehen keine Perspektive. Terrorismus ist<br />
ihr Ausweg aus der Ausweglosigkeit.<br />
Youth bulges sind keineswegs ein Phänomen des 20./21. Jahrhunderts. Europas Aufstieg an die<br />
Weltspitze vom 16. bis 19. Jahrhundert korreliert mit den Geburtenüberschüssen der werdenden<br />
europäischen Großmächte. Während 1480 50 Millionen Menschen in Europa lebten, bevölkerten<br />
1900 460 Millionen den Kontinent. Ein zweiter Faktor für den Aufstieg Europas darf dennoch nicht<br />
unterschlagen werden: Die europäischen Großmächte vollzogen; spätestens im 18./19. Jahrhundert<br />
den Übergang zu Eigentumsgesellschaften.<br />
Im fehlenden Verständnis für Eigentum und dem großflächigen Fehlen von Eigentumstiteln sieht<br />
Gunnar Heinsohn einen entscheidenden Grund für die rückständigen Verhältnisse der Dritten Welt.<br />
Eigentumstitel haben Besitztitel noch nicht abgelöst. Was heißt das? Hat ein Bauer ein Haus, so<br />
besitzt er es lediglich. Er kann auf seinem Grundstück produzieren, also zum Beispiel Viehzucht<br />
betreiben oder in seinem Haus einer Tätigkeit nachgehen. Das Haus jedoch besitzt keinen Wert,<br />
solange kein beglaubigter Eigentumstitel vorliegt. Wenn das Haus des Bauern einen Eigentumstitel<br />
hätte, so könnte der Bauer damit handeln. Er könnte es z.B. mittelfristig mit einer Hypothek belegen<br />
lassen, um Geld für innovative, wirtschaftliche Unternehmungen zu bekommen. Erst, wenn Güter<br />
oder Immobilien mit Eigentumstiteln versehen sind, beginnt das Wirtschaften. Durch die Schaffung<br />
von Eigentum (d.h. die Überführung von Besitztümern in Eigentumsgegenstände) wird Geld emittiert<br />
und Kredite sowie Verpfändungen ermöglicht, so daß Geld in Umlauf gelangt.<br />
170
Mit Besitz läßt sich produzieren, mit Eigentum wirtschaften.<br />
Den basalen Unterschied zwischen Besitz und Eigentum, zwischen Produzieren und Wirtschaften, hat<br />
die Dritte Welt noch nicht verinnerlicht. Was würde aber passieren, wenn die Dritte Welt – wie<br />
Europa 1500 bis 1900 – youth bulge und Eigentumsgesellschaft vereinen könnte? Eine sichere<br />
Prognose dafür ist nicht möglich. Heinsohn drückt sich in „Söhne und Weltmacht“ auch davor,<br />
konkrete Szenarien dafür zu entwerfen. Etwa, weil die Wahrscheinlichkeit, daß sich<br />
Eigentumsgesellschaften auf dem „schwarzen Kontinent“ entwickeln, so gering ist? Wenn youth<br />
bulge-Staaten beginnen würden zu wirtschaften, so hätte dies eine wirtschaftliche und politische<br />
Expansion zur Folge. Besitzergreifend handeln youth bulges schon heute. Aufständige Islamisten, die<br />
sich in den westlichen Industrienationen Raum verschaffen, sind der beste Beweis dafür. Wenn die<br />
zornigen jungen Männer neben ihrer Aggressivität die Grundzüge des effektiven Wirtschaftens<br />
anfangen zu begreifen, dann werden sie in Europa und daheim expandieren.<br />
Die youth bulges werden ihren Machtansprüchen mit Gewalt Nachdruck<br />
verleihen.<br />
Bis 2020 werden die youth bulges empfindlich zuschlagen. Mit Eigentum im Rücken würde dieses<br />
Zuschlagen für Europa noch schmerzlicher ausgehen als ohnehin schon. Vielleicht ist es deshalb<br />
genau richtig, die Dritte Welt mit Hilfe von sinnlosen Entwicklungsgeldern nicht auf die Beine<br />
kommen zu lassen.<br />
171
Stauffenberg. Der Kampf eines Idealisten<br />
Geschrieben von: Christian Neubacher<br />
Dienstag, den 08. Mai 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Claus Graf Schenk von Stauffenberg„Mein Deutschland kann nicht untergehn – und wenn es jetzt<br />
auch sinkt, es muss sich wieder groß und stark erheben – es gibt noch einen Gott“, sagte der damals<br />
elfjährige Claus Graf Schenk von Stauffenberg unter Tränen beim Zusammenbruch des deutschen<br />
Kaiserreichs im Jahre 1918 und drückte damit nur aus, was Millionen von Deutschen in diesen Tagen<br />
fühlten. Für Stauffenbergs Generation sollte dieses nationale Trauma und die Folgen die daraus<br />
erwuchsen, Zeit ihres Lebens bestimmend sein.<br />
Hineingeboren in eines der vornehmsten katholischen Adelshäuser Süddeutschlands, wurde er in<br />
aristokratischem Geist erzogen, seine Liebe galt schon früh der Literatur. Im kleinen Kreis<br />
veranstaltete er Faust-Abende und träumte sich in die kühne Schlachtenromantik des „Wanderers<br />
zwischen beiden Welten“ von Walter Flex.<br />
„Ihr trugt die Schande nicht, ihr wehrtet euch.“<br />
Stauffenberg selbst findet Gefallen am Militär, ihm schwebt eine Offizierslaufbahn vor Augen. Der<br />
Mensch ist seiner Meinung nach ein „zoon politikon“, ein der Gemeinschaft verbundenes Wesen und<br />
die wahrhaft aristokratische Geisteshaltung sieht im Militär die wichtigste Stütze des Staates. „Für<br />
alle, die das Vaterland, und das neue Reich erkannt haben, gibt es nur den einen hehren Beruf, den<br />
uns die großen Griechen und Römer durch die Tat vorgelebt haben: Des Vaterlandes und des<br />
Kampfes fürs Vaterland würdig zu werden und dann sich dem erhabenen Kampf für das Volk zu<br />
opfern.“ Wer solche Sätze schreibt, der liebt das Pathos und es verwundert nicht, daß er die Nähe zu<br />
„Seinesgleichen“ sucht.<br />
Im Kreis des Dichters Stefan George und den düsteren Klängen seiner monumentalen Sprachkunst<br />
findet er sich wieder. Es ist eine rein geistige Welt – anders darf man Georges Verse vom „Neuen<br />
Reich“ nicht verstehen. Die Sehnsucht nach dem Überlebensgroßen treibt die Jünger Georges an.<br />
Genau diese Sehnsucht aber verbindet ihn mit einem Menschen, der als „Fürst des Ungeziefers“<br />
(George) zum Verführer der Massen werden sollte: Adolf Hitler.<br />
„Es lebe das geheime Deutschland“<br />
Sein Name hatte mit den Erfolgen der Nationalsozialisten ab 1930 Einzug in die Offizierskasinos<br />
gehalten und das Gros der jungen Offiziere stand den Ideen Hitlers, die Wideraufrüstung zu forcieren<br />
und die Schmach von Versailles zu tilgen, wohlwollend gegenüber. Die Einstellung des Offiziers<br />
Stauffenberg gegenüber Hitler war geprägt von Ehrfurcht und Verachtung zugleich - verkörperte<br />
Hitler doch den Typus des proletarischen Volkstribuns und damit das Gegenteil des Adeligen aus<br />
vornehmem Geblüt. In offenen Widerstand mündete diese Haßliebe allerdings erst, als sich an allen<br />
Fronten die Deutschen auf dem Rückzug befanden. Erst als Hitlers „atavistisches Wüten“ (Joachim C.<br />
Fest), die Verstrickung Deutschlands in einen Mehrfrontenkrieg und die systematische<br />
Judenvernichtung zum Merkmal des sich abzeichnenden Endes wurde, ging er mit Henning von<br />
Tresckow und den anderen Mitverschwörern des 20. Juli 1944 in den aktiven Widerstand über. Für<br />
Stauffenberg war der offene Widerstand gegen Hitler ein Kampf gegen das „Dämonische im<br />
Menschen“.<br />
Die moralische Integrität, die dem Generalstab und der Führungsclique des Dritten Reiches abhanden<br />
kam, verdichtete sich zusehends in einer kleinen Gruppe entschlossener Verschwörer, deren Kopf<br />
172
Stauffenberg war. Es kam auch letzten Endes nicht mehr auf den Erfolg des Attentats an. Henning<br />
von Tresckow, einer der engsten Vertrauten Stauffenbergs, war der Meinung, daß das Attentat<br />
erfolgen müsse „coûte que coûte“, um der Welt zu zeigen, „ daß die deutsche Widerstandsbewegung<br />
vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat“.<br />
Kampf gegen das „Dämonische im Menschen“.<br />
Natürlich war die Tat des 20. Juli 1944 Hochverrat und zwar in dem Sinne, daß sie sich gegen die<br />
damals herrschende positive Rechtsordnung wandte, deren maßgebendes normsetzendes Organ<br />
eben der Diktator Hitler war. Für viele stellte der persönliche Eid auf eben diesen Diktator einen<br />
Grund dar, sich passiv zu verhalten, jeden noch so sinnlosen oder verbrecherischen Befehl über sich<br />
ergehen zu lassen und ihn zu befolgen. 60 Jahre danach hat die Geschichte über den Diktator und<br />
seine Gefolgsleute ein eindeutiges Urteil gefällt. Den Spätgeborenen verbietet es die zeitliche<br />
Distanz, über den Verschwörern den Stab zu brechen. Wir können nur versuchen, die Bedeutung der<br />
Ereignisse zu erfassen. Im besten Falle finden wir im Geist der Verschwörer einen positiven Kraftquell<br />
zur Stärkung der nationalen Idee, die sich nicht – wie es die politische Linke seit Jahrzehnten versucht<br />
– allein auf die Zeit des historischen Nationalsozialismus reduzieren läßt.<br />
173
Nährboden für die Gewalt von links<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Montag, den 14. Mai 20<strong>07</strong> um 00:22 Uhr<br />
Im Vorfeld des diesjährigen G8-Gipfels in Heiligendamm, führte die Polizei Durchsuchungen mehrerer<br />
Lokalitäten der linken Szene im gesamten norddeutschen Raum durch. Der Verdacht der Behörden<br />
lautet dabei auf „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ durch Linksextremisten.<br />
Doch anders als beispielsweise im September 2003 beim Vorgehen der Polizei gegen die<br />
neonationalsozialistische „Kameradschaft Süd“, die ein Sprengstoffanschlag auf das „Jüdische<br />
Zentrum München“ geplant hatte, war von einem einhelligen Ruf, die mutmaßlichen Terroristen<br />
müssten nun „mit aller rechtsstaatlichen Härte“ verfolgt werden, nichts zu hören.<br />
Militante Linke dachte über Exekutionen nach<br />
Dabei ist die Lage nach ersten Auswertungen des beschlagnahmten Materials besorgniserregend. Die<br />
Polizei stellte Zubehör für Brandsätze mit Zeitzündern, Anleitungen zum Bau von Spreng- und<br />
Brandvorrichtungen, sowie gefälschte Personaldokumente sicher.<br />
Nach einem Bericht der „Welt“ dachten linksterroristische G8-Gegner sogar ernsthaft über<br />
„Exekutionen von Entscheidungsträgern“ nach.<br />
Und die Reaktionen der linken Szene auf die Durchsuchungsaktion der Polizei lassen weiteres<br />
befürchten. In Hamburg kam es bei einem Aufmarsch linksgerichteter Demonstranten zu<br />
gewalttätigen Ausschreitungen, bei denen vier Personen verletzt und acht Demonstranten<br />
festgenommen wurden.<br />
Reaktionen der etablierten Linken<br />
Aus den Reihen der etablierten politischen Linken, von „Linkspartei“ bis zu den „Grünen“, waren,<br />
statt Reaktionen der Erleichterung und Verurteilung des gewaltbereiten, terroristischen Teils der G8-<br />
Gegner Bagatellisierungen, Verharmlosungen und merkwürdige Vorwürfe einer angeblichen<br />
„Kriminalisierung“ des Anti-G8-Protests zu hören.<br />
Die Vorsitzende der „Grünen“, Claudia Roth, bezeichnete tief betroffen die polizeilichen<br />
Durchsuchungen als „unverhältnismäßig, willkürlich und undifferenziert“ und kündigte an, an einem<br />
linken Protestaufmarsch gegen das Vorgehen der Polizei teilnehmen zu wollen.<br />
Der rechtspolitische Sprecher der „Linksfraktion“ im Bundestag, Wolfgang Neskovic, verstieg sich<br />
gegenüber dem ehemaligen DDR-Blatt „Berliner Zeitung“ gar zu der Behauptung, die polizeilichen<br />
Ermittlungen gegen die gewaltbereite linke Szene seien „Methoden, die an einen Polizeistaat<br />
erinnern“. Dies grenzt angesichts der Zusammenarbeit Neskovics mit der Linkspartei, die bis vor<br />
gerade einmal knapp 18 Jahren (damals freilich noch unter dem Namen SED) eine tatsächlich<br />
polizeistaatliche Diktatur befehligte, an menschenverachtenden Zynismus, insbesondere gegenüber<br />
den Opfern des totalitären DDR-Sozialismus.<br />
Fehlende Abgrenzung zu Linksextremisten<br />
Die Verharmlosungen linker Gewalt sowie die Angriffe aus etablierten linken Kreisen in Politik und<br />
Medien gegenüber den Sicherheitsbehörden können von militanten Linksextremisten mit einiger<br />
Berechtigung als zusätzliche Legitimation ihres gewaltsamen Kampfes gegen ein System angesehen<br />
werden, welches sie ohnehin als „faschistisch“ wahrnehmen.<br />
174
Statt die linksmotivierte Gewalt zu verurteilen, sich von militanten Linken abzugrenzen und eine klare<br />
Trennlinie zwischen diesen und den friedlichen G8-Kritikern zu ziehen, solidarisiert sich die etablierte<br />
Linke mit mutmaßlichen und tatsächlichen Gewalttätern. Dies ist ein fatales politische Signal, das<br />
gerade zu den Nährboden für eine weitere Ausbreitung linksextremistischer Gewalt schafft.<br />
175
Der Waldgang<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 24. Mai 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Waldgang verspricht keine Idylle. Er ist ein gefährlicher Weg, den nur einsame Aristokraten<br />
begehen, die sich den täglichen praktischen Dingen abgewandt haben, um theoretische Fragen zu<br />
klären. Wer sich auf dem Waldgang befindet, der hat sich dazu entschlossen, die Brandmarkung als<br />
Feind der Gesellschaft, die die Masse braucht, um sich als Gemeinschaft zu konstituieren,<br />
hinzunehmen. Der Waldgang ist der Spielraum „kleiner Eliten, die sowohl wissen, was die Zeit<br />
verlangt, als auch noch etwas mehr.“<br />
Der Waldgänger tritt bewußt als Einzelner aus der Masse aus, um so die Ungleichheit der Menschen<br />
zu nutzen. Er ist sich der Chancen und Gefahren des einsamen Ganges bewußt. Er riskiert seine<br />
Auslöschung und leistet dafür aktiven Widerstand gegen eine Gesellschaft, die den Kontakt zum<br />
Boden verloren hat. So gewinnt der Waldgänger ein ursprüngliches Verhältnis zur Freiheit zurück.<br />
Dieses Verhältnis ist genauso wie der dunkle Wald: heimisch und unheimlich.<br />
Der Waldgang führt hart an den Tod heran.<br />
Die Freiheit, die sich der Waldgänger nimmt, hat der in der Gesellschaft Verweilende nicht. Die<br />
Menschen sind durch die zunehmende Technisierung nicht souveräner geworden; sie sind genauso<br />
verletzlich wie eh und je, da der Kollektivismus sie aus ihren organischen Verbänden – den Familien,<br />
Dörfern und der heimatlichen Verankerung – herausgerissen hat. Der Kollektivismus knechtet die<br />
Menschen; der Waldgänger zieht der Knechtschaft die Gefahr vor. Er läßt sich von keiner Masse und<br />
keiner Übermacht – vielleicht abgesehen von Gott – Gesetze vorschreiben und hält Tuchfühlung zu<br />
den Mächten, die den zeitlich begrenzten (Staat, Politik, Zeitgeist) überlegen sind (Kultur, Geschichte,<br />
Theologie).<br />
„Sprache webt um die Stille“<br />
Während der Waldgänger den Zeitgeschehnissen aufgrund seiner Unabhängigkeit eine geringe<br />
Bedeutung beimessen kann, lebt der Zivilist metaphorisch gesprochen auf dem Schiff. Auf dem Schiff<br />
ist nur ein zeitlich begrenztes Dasein möglich. Ständig müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein,<br />
um auf dem Schiff zu leben. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dann läßt es sich ganz passabel<br />
leben. Im Fall der Fälle würde eine soziale Ächtung einen Passagier auf dem Schiff deshalb viel härter<br />
treffen, als die freiwillige Abkehr des Waldgängers. Wer das Schiff verlassen will, der hat ein Problem.<br />
Auf offener See aussteigen? Bestimmt nicht, dann lieber das geringere Übel wählen und an Bord<br />
bleiben. Das Schiff steht für die technische Welt, welche den Menschen in eine ganz bestimmte<br />
Disposition drängt und ihn dort festnietet. Im Wald offenbart sich die musische Welt. Dichter, Denker<br />
und starke Geister sind hier daheim, die in sich ruhen und Kraft schöpfen. Sie können sich noch auf<br />
das Grundlegende konzentrieren und hören das Wort unter Tausend Wörtern heraus.<br />
Literaturempfehlung: Ernst Jünger - Der Waldgang<br />
176
Mythos pB! Theodor Körner zu Chemnitz<br />
Geschrieben von: Sebastian Schermaul<br />
Montag, den 28. Mai 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Über die pennale Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz, die seit viereinhalb Jahren besteht,<br />
gibt es bereits pseudowissenschaftliche Arbeiten von linken Autoren. In einer 13seitigen<br />
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme setzt sich zum Beispiel Petra Zais (GRÜNE) mit den „Burschen in<br />
Sachsen“ auseinander. Dabei machen die jungen Gymnasiasten der pB! Theodor Körner nichts<br />
Schlimmes: Sie getrauen sich lediglich, ihre konservative Meinung selbstbewußt zu vertreten und<br />
organisieren ein Jugendleben jenseits des Zeitgeistes.<br />
Am 9.11.2002 gründete sich die pennale Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz. Dieser<br />
historisch vorbelastete Tag sollte ein Sinnbild für den Kampf um Meinungsfreiheit, Demokratie aber<br />
auch Verfolgung an den Chemnitz Gymnasien sein.<br />
Die Burschenschaft ist ein Lebensbund.<br />
Die Anfänge waren schwer! Im Sommer 2002 lernten sich einige konservative Chemnitzer<br />
Gymnasiasten im Weltnetz kennen und wußten damals bestimmt noch nicht, was für eine Tragweite<br />
diese Kontakte untereinander, aber auch zu Burschenschaftern aus anderen Städten, haben sollte.<br />
Nach ein paar Besuchen bei anderen Verbindungen keimte schnell der Entschluß, eine eigene<br />
Verbindung in Chemnitz zu gründen. So wurde an einem verregneten 9.11.2002 am „Harrassprung“<br />
in Lichtenwalde die pennale Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz gegründet.<br />
Die Burschenschaft verlangt von ihren Mitgliedern innige und treue<br />
Freundschaft auf ewig.<br />
Die Gründungsaktiven entschieden sich für den Wahlspruch „Deutsch und Frei! Kühn und Treu!“,<br />
welcher bei jedem Bundesbruder seit der Bandaufnahme tief im Herzen verwurzelt ist. Als Zeichen<br />
der Zusammengehörigkeit, Treue zum Bund und unter den einzelnen Bundesbrüdern tragen die<br />
Mitglieder ein schwarz-rot-goldenes Band mit kornblumenblauer Perkussion. Diese Farben sind das<br />
Wichtigste für ein jedes Mitglied des Bundes und jeder Fechtenverbindet damit unterschiedliche<br />
Ereignisse und Erinnerungen. Sei es das Eingedenken an die letzte Partie, denn die pennalen<br />
Burschenschafter pflegen das Fechten nach Linzer Pauk- und Ehrenordnung, nach der mit stumpfen<br />
Säbeln auf den Oberkörper des anderen gezielt wird. Seien es die daraus folgenden Spuren auf dem<br />
Band oder sei es die Erinnerung an die letzte gesellige Kneipe im Kreise der Bundesbrüder. Gerade<br />
diese Eintracht macht die Besonderheit und Einzigartigkeit dieses Bundes aus. Es gibt sicherlich keine<br />
andere Form von Vereinen oder Zusammenschlüssen, wo Traditionen gepflegt werden,<br />
Freundschaften bis zum Tode bestehen und ein generationsübergreifendes Miteinander<br />
untereinander herrscht.<br />
Die Burschenschaft verlangt gegenseitige Opferwilligkeit und<br />
Unterstützung in allen Lebenslagen.<br />
In den letzten vier Jahren durchlief die Verbindung die verschiedensten Stadien. Nach der<br />
Aufbauphase, in der der Bund stark von außen, sei es von Lehrern, Schülern oder Politikern,<br />
attackiert wurde, kehrte mit der ersten eigenen Wohnung und den ersten Neumitgliedern, den<br />
sogenannten Füxen, etwas Ruhe ein. Nach drei Jahren zählte die Verbindung 15 Mitglieder, was für<br />
Chemnitzer Verhältnisse beachtlich war. Nun kehrte wohl oder übel ein gewisser Alltag ein, der aber<br />
in keinster Weise langweilig war. Man traf sich in den Mittagspausen auf der eigenen Konstante,<br />
paukte miteinander und verbrachte viele lustige Stunden im vertrauten Kreise. Neben diesem<br />
177
„normalen“ Bundesleben blieb es aber nicht aus, daß die Verbindung von außen angegriffen wurde.<br />
Hetzartikel und Propaganda machten es dem einen oder anderen Bundesbruder nicht gerade leicht,<br />
sich in Familie und Schule zu behaupten. Der Zusammenhalt innerhalb des Bundes allerdings brachte<br />
jedem neue Kräfte und half ihm, teilweise schwere Zeiten in Schule oder Familie zu überwinden.<br />
Dieser Zusammenhalt besteht bis heute und wird regelmäßig durch gemeinsame Veranstaltungen<br />
oder Ausflüge sowie ein aktives Bundesleben erneuert.<br />
Die Burschenschaft tritt zum Schutze jedes einzelnen Mitgliedes ein.<br />
Der Mythos dieser, noch recht jungen Verbindung, liegt in der unbestrittenen Standhaftigkeit und<br />
dem Selbstverständnis einer pennalen Burschenschaft an Chemnitzer Gymnasien, die sich in mehr als<br />
vier Jahren aufgebaut hat. Dies wäre allerdings nie erreicht wurden, wenn nicht beherzt konservative<br />
Jugendliche für ihre Ideale gekämpft hätten und dies auch heute immer noch tun, was ihnen nur<br />
selten positive Resonanz bringt. Die pennale Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz und ihre<br />
Geschichte ist ein Vorzeigebeispiel eines pennalen Jugendbundes in Mitteldeutschland. Und dennoch<br />
fragt sich, warum linke Gutmenschen sofort Alarm schlagen, wenn junge konservative pennale<br />
Burschenschafter beginnen, sich durch Fechten körperlich zu ertüchtigen, sich durch Vorträge<br />
gegenseitig zu bilden und beschließen, die Schulzeit gemeinschaftlich in einem Bund zu gestalten. In<br />
einer freien Welt müßte dies doch das normalste auf Erden sein. Aber leider ist unserem Land diese<br />
Normalität abhanden gekommen.<br />
178
Kirchentag: Lebendig und kräfitg und schärfer?<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Mittwoch, den 06. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
„Kirche von unten“ – das will der Kirchentag, der vom 6. bis 10. Juni 20<strong>07</strong> in Köln stattfindet, auch<br />
sein. Ursprünglich war es der Name einer nonkonformen Gruppe von christlichen Dissidenten in der<br />
DDR. Die „Kirche von unten“ wollte christliches Leben in den sozialistischen Alltag hineinzutragen<br />
und den Kirchenfunktionären die Deutungshoheit absprechen.<br />
In der DDR hatte sich die Lutherkirche in zwei Strömungen gespalten. Die erste Gruppe bestand aus<br />
Pfarrern, die die DDR akzeptierten und ihre Gemeindearbeit auf Gottesdienst, Taufe, Konfirmation<br />
und Beerdigung beschränkten. Kritik am sozialistischen Regime ließen diese Pfarrer nicht hören. Die<br />
zweite Strömung entstand in den 70er Jahren aus jüngeren Pastoren, die sozialistisch sozialisiert<br />
waren. Diese Pfarrer hatten Marx' These vom „Urkommunismus“ als einer Art Urchristentum<br />
akzeptiert und glaubten, dass die DDR der bessere, weil fortschrittlichere deutsche Staat war. Sie<br />
waren der Meinung, dass Sozialismus lediglich die säkulare Version des Christentums sei. Den<br />
Kommunisten waren beide Strömungen recht: die eine, weil sie passiv im Kirchen-Ghetto verharrte,<br />
und die zweite, weil sie die kommunistische Utopie unter das Kirchenvolk brachte.<br />
Erst in den 80er Jahren entstanden kleine Studentengemeinden, die einen gefährlicheren Geist<br />
pflegten. Nicht wegen fundierter Bibelexegesen, sondern aus einem Lebensgefühl heraus: die „lichte<br />
Zukunft“ in den Plattenbauten der sozialistischen Stadt stellte sich als verwaltete Ödnis heraus, die<br />
Rhetorik des Staates war zu hohlen Phrasen geronnen, und das Leben in FDJ und Jugendclubs war<br />
von Stumpfsinn geprägt. Die neuen Jungen Gemeinden wollten keine Vorträge über Jesus als den<br />
ersten Kommunisten mehr hören. Sie wollten wandern und am Lagerfeuer unkorrekte Lieder<br />
klampfen. Sie zogen aus den Betonsilos in verfallene Altbauten, gründeten WGs, feierten und<br />
schrieben kleine Zeitschriften, die illegal kursierten und des Nachts per Hand vervielfältigt wurden.<br />
Die <strong>Blaue</strong> Blume zwischen den Betonplatten<br />
Zwischen den rissigen Betonplatten der Aufklärung wuchs so die blaue Blume der Romantik. Bald<br />
wurde die Stasi aufmerksam und zwang die Kirchenfunktionäre, die rebellischen Jungen Gemeinden<br />
auszutrocknen. Manche Pfarrer fügten sich und verbaten die Gruppen. Deshalb schlossen sich die<br />
jungen Rebellen in der „Kirche von unten“ gegen die Kirchenfunktionäre zusammen. Viele<br />
Dissidenten der Bürgerbewegung von '89 hatten hier ihre Wurzeln.<br />
Nach der Wiedervereinigung verschwanden die Dissidenten schnell von der Bühne. Die<br />
Bürgerbewegung „Bündnis 90“ ließ sich von den GRÜNEN schlucken, andere Bürgerbewegte gingen<br />
zur CDU. Die Kirche sank wieder in die Bedeutungslosigkeit zurück, und „Kirche von unten“ ist nur<br />
noch der Name eines Punkclubs in Berlin-Prenzlauer Berg.<br />
Was bedeutet „Protestant sein“ eigentlich?<br />
Eine „Kirche von unten“ – das will der Kirchentag auch sein. Seit Kriegsende gibt es das evangelische<br />
Laientreffen. Aber der ursprüngliche Protest gegen die Kirchenführung, den es besonders seit 1968<br />
auch in Westdeutschland gab, hat die evangelische Kirche und den Kirchentag zu einer Ansammlung<br />
verschiedenster Gruppen und Grüppchen werden lassen. Heute weiß keiner mehr, was „Protestant<br />
sein“ eigentlich bedeutet. Deshalb haben allerlei politisierende Weltverbesserer leichtes Spiel, ihre<br />
Agenda gegen den Willen der Mehrheit der Gesellschaft aufzuzwingen. Ein besonders verheerendes<br />
Beispiel ist die „Bibel in gerechter Sprache“, die zum Vehikel für Feministen und die<br />
179
Einwandererlobby geworden ist. Der eigentliche Gehalt von Martin Luthers Botschaft an das<br />
deutsche Volk ist verloren gegangen.<br />
Die Bibel in gerechter Sprache: ein Vehikel für Feministen und die<br />
Einwanderungslobby<br />
Die evangelische Kirche in Deutschland leidet unter Überalterung, Mitgliederschwund und<br />
wachsender Bedeutungslosigkeit. Hunderte alter Kirchen wurden aufgegeben oder werden<br />
zweckentfremdet genutzt. Auch angesichts der islamistischen Herausforderung hat die<br />
Kirchenleitung die Profilschärfung gefordert. Unter diesem Motto steht auch der Kirchentag:<br />
„Lebendig und kräftig und schärfer!“<br />
Nur was genau ist denn das Profil der Evangelischen Kirche? Wofür stehen die Lutheraner im 21.<br />
Jahrhundert? Über 3000 evangelische Initiativen und Gruppen werden diese Frage auf dem<br />
Kirchentag diskutieren. Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> wird den Kirchentag aus konservativer Perspektive im<br />
Weblog begleiten.<br />
180
Ralph Giordano für kulturelle Selbstbestimmung<br />
Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />
Mittwoch, den 06. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
„Ich werde auch weiterhin auf meiner kulturellen Selbstbestimmung beharren, auf einer Lebensform,<br />
die die meine ist und die in mannigfacher Hinsicht mit der muslimischen nicht übereinstimmt. Und<br />
ich will das sagen dürfen, unbehelligt. Ich will sagen dürfen, dass ich auf deutschen Straßen weder<br />
Burka noch Tschador begegnen will, so wenig wie Muezzin-Rufe von haushohen Minaretten hören.“<br />
Diese Worte stammen nicht aus dem Munde eines völkischen Romantikers oder eines<br />
Klerikalkonservativen. Vielmehr stammen sie von dem deutsch-jüdischen Schriftsteller Ralph<br />
Giordano, der in der deutschen Öffentlichkeit bisher mit dem Anliegen einer kompromisslosen<br />
Aufklärung über die Völkermorde der Nazis assoziiert wurde.<br />
So prangerte Giordano etwa in seiner Buchveröffentlichung „Die zweite Schuld oder Von der Last<br />
Deutscher zu sein“ (1987) das weitgehende Fehlen einer adäquaten Ahndung nationalsozialistischer<br />
Gewaltverbrechen durch die Justizorgane der Bundesrepublik Deutschland und den Rückgriff auf<br />
Funktionseliten des „Dritten Reiches“ in die Apparate der Exekutiv- und Legislativorgane des<br />
demokratisch reorganisierten (West-)Deutschland an, verschwieg aber auch nicht die<br />
geschichtspolitisch fatalen Auswirkungen des durch die SED-Diktatur „verordneten Antifaschismus“<br />
der DDR.<br />
Was weniger bekannt sein dürfte: Insbesondere in den 80er Jahren engagierte sich Giordano<br />
vehement für eine Aufklärung der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit über den von der<br />
osmanischen Staatsführung ausgehenden Völkermord an den Armeniern 1915/16, was dem<br />
zivilcouragierten Autor seitens türkischer Nationalisten wüsteste, antisemitische Beschimpfungen bis<br />
hin zu Morddrohungen eintrug.<br />
Ralph Giordano attackiert Muslime. (WELT Online)<br />
Genau dies wiederholte sich nun im Zusammenhang mit Giordanos kritischen Stellungnahmen zu<br />
einem geplanten Repräsentativbau einer Moschee in Köln-Ehrenfeld mit zwei 55 Meter hohen<br />
Minaretten – ein von allen etablierten kommunalpolitischen Kräften des sogenannten<br />
„Verfassungsbogens“ (Edmund Stoiber) kritiklos mitgetragenes Projekt, das Giordanos Auffassung<br />
nach eine Integration der Muslime vortäusche, die tatsächlich nicht gelungen sei:<br />
„Meine Forderungen an die politische Leitung der Stadt Köln, die Pläne zum Bau einer zentralen<br />
Großmoschee in Köln-Ehrenfeld einzustellen, weil sie angesichts der gescheiterten Integration ein<br />
falsches Bild von den wahren Beziehungen zwischen muslimischer Minderheit und<br />
Mehrheitsgesellschaft entwerfen, haben mir Morddrohungen eingebracht, unmissverständlich und in<br />
türkischer Sprache – womit ich diesen Teil der muslimischen Minderheit nicht unter Generalverdacht<br />
stellen will.“<br />
Der islamische Ansprechpartner der städtischen Behörden beim Bau der Großmoschee ist die<br />
Türkisch-Islamische Union (Ditib), die unter der Kuratel der – ursprünglich säkularistisch<br />
ausgerichteten, mittlerweile jedoch „fundamentalistisch“ durchsetzten – Religionsbehörde des<br />
türkischen Staates, Diyanet Isleri Baskanligi, steht.<br />
181
Moscheekritik: Morddrohungen gegen Ralph Giordano (Spiegel Online)<br />
Der Moscheebau-Kritiker Giordano hat sich – wie vor ihm etwa Michael Wolffsohn oder Peter<br />
Sichrovsky – aus multikulturalistischer Sicht des Vergehens schuldig gemacht, aus der „ethnischen“<br />
Nische, die man hierzulande einem überlebenden Juden gern zugesteht, herauszutreten und als<br />
deutscher Bürger Partei zu ergreifen für jüdisch-christliche Traditionen. In diesem Sinne verwies der<br />
Kölner CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma expressis verbis auf das Verfolgtenschicksal<br />
Giordanos, um sein Unverständnis über dessen islampolitischen Standpunkt zum Ausdruck zu<br />
bringen, nach der Devise: Wem die Nazis das Recht auf Leben absprachen, der muss aus der<br />
Geschichte lernen – und islamistische Herrschaftsansprüche unterstützen.<br />
182
Gerd Schultze-Rhonhof: 1939 – Der Krieg, der viele Väter<br />
hatte<br />
Geschrieben von: Harald Finke<br />
Samstag, den 09. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
In Köln mischt die Objektiv, eine Schülerzeitung der „Jugend pro Köln“, die Stadt auf. Auch in ihrer<br />
dritten Ausgabe gelingt es der Objektiv, ungewöhnliche und brisante Themen anzupacken. In den<br />
letzten Wochen liefen die Verteilaktionen für die dritte Ausgabe der Schülerzeitung. Was die Schüler<br />
als Lesestoff für die Pausen angeboten bekamen, wird an dieser Stelle auszugsweise vorgestellt. Der<br />
folgende Artikel befaßt sich mit „1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte“:<br />
Wie konnte es dazu kommen? Diese Frage stellt sich wohl jeder Schüler, wenn im<br />
Geschichtsunterricht der zweite Weltkrieg behandelt wird. Die allgemein angebotene Antwort ist<br />
bekannt: „Hitler-Deutschland“ habe am 1.9.1939 Polen überfallen und damit „den Krieg entfesselt“,<br />
wahlweise um „Lebensraum im Osten“ oder gleich „die ganze Welt“ zu erobern.<br />
Die Frage nach der Verantwortung für den Ausbruch des zweiten Weltkrieges scheint also geklärt.<br />
Doch Gerd Schultze-Rhonhof wollte es genauer wissen. Und was der Generalmajor der Bundeswehr<br />
a. D. in seinen Buch „1939: Der Krieg, der viele Väter hatte“ aus den Archiven zusammengetragen<br />
hat, lässt sich mit der herrschenden Meinung von der „deutschen Alleinschuld“ so gar nicht in<br />
Einklang bringen. Eine ganze Reihe von Staaten habe den zweiten Weltkrieg verursacht, so lautet die<br />
brisante These des Autors.<br />
Bei seiner Darstellung holt Schultze-Rhonhof weit aus. Zunächst geht er auf den ersten Weltkrieg und<br />
seine Folgen ein. Mit dem ungerechten „Vertrag“ von Versailles schufen die Siegermächte von 1918,<br />
allen voran England und Frankreich, in Europa eine Ordnung, die nicht einem gerechten Frieden,<br />
sondern nur der Niederhaltung Deutschlands diente. Das „Versailler Diktat“ belastete die junge<br />
deutsche Demokratie schwer – und führte letztlich zum Aufstieg Hitlers. Aus zeitgenössischer Sicht,<br />
so zeigt Schultze-Rhonhof, erschien die Außenpolitik des Diktators, insbesondere die<br />
Wiederaufrüstung, den Deutschen nicht als „Vorbereitung eines Angriffskrieges“, sondern als die<br />
längst überfällige Überwindung des Versailler „Vertrages“. Diese war zuvor auch von allen<br />
demokratischen Parteien der Weimarer Republik angestrebt worden, aber immer wieder am<br />
Widerstand Englands und Frankreichs gescheitert.<br />
Vor diesem Hintergrund beleuchtet der Autor im Hauptteil seines Buches dann den polnischdeutschen<br />
Konflikt, der im September 1939 zum zweiten Weltkrieg eskalierte. Hier erfährt der Leser<br />
Interessantes über den 1918 geschaffenen polnischen Staat. Dieser taucht in der gängigen<br />
Geschichtsschreibung nur als Opfer auf. Tatsächlich aber handelte es sich beim damaligen Polen um<br />
einen „Schurkenstaat“: Allein zwischen 1918 und 1924 führte Polen Eroberungskriege gegen die<br />
meisten seiner Nachbarstaaten. Minderheiten – darunter 2 Millionen Deutsche – wurden brutal<br />
unterdrückt.<br />
Spannend liest sich schließlich auch die Schilderung des letzten Jahres vor dem Kriegsausbruch. Folgt<br />
man der gängigen Darstellung, so suchte das Deutsche Reich 1939 nur nach einem Vorwand, um<br />
Polen zu überfallen. Dieser Sichtweise hält Gerd Schultze-Rhonhof entgegen, dass es zwischen<br />
Dezember 1938 und September 1939 intensive deutsch-polnische Verhandlungen gegeben hat. In<br />
deren Verlauf war Hitler zu weitergehenden Zugeständnissen an Polen bereit, als alle<br />
demokratischen Regierungen der Weimarer Republik zuvor. Dass es dennoch nicht zu einer<br />
183
Verständigung kam, sei einmal mehr vor allem dem Eingreifen Englands zuzuschreiben: Während die<br />
britische Diplomatie sich gegenüber Deutschland als ehrlicher Vermittler anbot, riet sie den Polen<br />
insgeheim, die Verhandlungen zu boykottieren und es auf Krieg ankommen zu lassen. Die<br />
Selbstüberschätzung maßgeblicher polnischer Militärs tat ein Übriges, um die Weichen in Richtung<br />
Krieg zu stellen.<br />
Hervorzuheben ist, dass es Gerd Schultze-Rhonhof bei allen seinen Ausführungen nie um eine<br />
Verherrlichung der NS-Diktatur geht. Im Gegenteil, die Verbrechen Hitlers – wie etwa die Besetzung<br />
der „Rest-Tschechei“ im März 1939 – werden klar benannt, soweit sie für den im Buch behandelten<br />
Zeitraum eine Rolle spielen. Zu Recht kritisiert der Autor aber, dass die heutige<br />
Schulgeschichtsschreibung sich darauf beschränkt, den deutschen Schuldanteil am zweiten Weltkrieg<br />
darzustellen. Der englische, französische und polnische Schuldanteil wird ausgeblendet. Von der<br />
„Political Correctness“ unterschlagene historische Zusammenhänge jungen Menschen wieder näher<br />
zu bringen, ist Gerd Schultze-Rhonhofs ausdrückliches Anliegen. Es ist daher zu wünschen, dass sein<br />
Buch über die Vorgeschichte des zweiten Weltkrieges den Weg in die Hände vieler Mitschüler findet.<br />
Material für Fragen und spannende Debatten im Geschichtsunterricht bietet es mit seinen vielen<br />
Zitaten und Quellen allemal.<br />
Wer sich durch den Umfang von knapp 600 Seiten abgeschreckt fühlt, findet auf der Internetseite des<br />
Autors unter www.vorkriegsgeschichte.de eine Kurzfassung, die gerade bei der Erstellung von<br />
Hausarbeiten oder Referaten hilfreich ist.<br />
Gerd Schultze-Rhonhof: 1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte. Olzog-Verlag, 5. Auflage, <strong>2006</strong>, 560<br />
Seiten, 34,90 €<br />
www.vorkriegsgeschichte.de<br />
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Perspektivlosigkeit führt zu Sozialismus<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Montag, den 11. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Stellt euch folgenden jungen Mann vor – es gibt von ihrer Sorte in Mitteldeutschland Tausende: Jung,<br />
vielleicht 17, vielleicht auch schon volljährig. Vor die innere Entscheidung gestellt, sich entweder<br />
zusammenzureißen und eventuell einen Hochschulabschluß anzustreben oder sich gehen zu lassen<br />
und nach vergeigtem Abitur vor dem Nichts zu stehen. Mit der Welt unzufrieden, aufgrund eigener<br />
Versagensängste, Lust zur Rebellion oder aufgrund tatsächlicher Mißstände. Genau weiß er es selbst<br />
nicht. Dieser junge Mann verfügt nicht über die Tiefgründigkeit eines politischen Denkers, aber seine<br />
gefühlte Perspektivlosigkeit macht ihn anfällig für die Utopien des Sozialismus.<br />
Sozialismus ist wie eine seuchenhafte Krankheit. Sie breitet sich dort aus, wo bereits genügend<br />
kranke Keime vorhanden sind und Bakterien in den Poren des Systems warten. Sozialismus erfaßt<br />
immer zuerst die Krankheitsanfälligen, die Schwachen und gegen nichts Resistenten eines Systems.<br />
Der junge Mann aus Mitteldeutschland zählt eigentlich nicht zu ihnen. Er könnte den Ausbruch aus<br />
dem Seuchenherd schaffen; könnte bald in einer großen Stadt studieren und sich selbst mit<br />
Eigeninitiativen aus dem Heer der Krankheitsanfälligen herauskämpfen. Leider fehlt ihm eine<br />
Eigenschaft für diesen Schritt: Ihm mangelt es an Selbstbewußtsein und an der Fähigkeit, den<br />
eigenen Schweinehund zu überwinden.<br />
Wo soll er Selbstbewußtsein auch hernehmen? Der junge Mann ist zwar durchschnittlich bis<br />
überdurchschnittlich intelligent, aber in seinem ganzen Leben hat er noch nie über einen längeren<br />
Zeitraum spielerisch Selbstbewußtsein vermittelt bekommen. Er war noch nie in Sportvereinen aktiv,<br />
in denen es Erfolge zu erkämpfen galt; nie wurde er dazu ermutigt, über mehrere Jahre das Spiel auf<br />
einem Musikinstrument zu erlernen und noch nie hat man ihm deutlich machen können, daß er nur<br />
mit kontinuierlichem Einsatz etwas erreichen kann. Bisher war alles Stückwerk, hin und wieder ein<br />
guter Ansatz, mehr nicht.<br />
Zurück zum Sozialismus: Er infiziert auch diesen jungen Mann und gibt ihm ein Alibi für sein<br />
Scheitern. Ganz egal, ob der junge Mann sein Abitur schafft und danach irgendwo versackt oder ob er<br />
es nicht schafft und perspektivlos im leeren Mitteldeutschland nach irgendeinem Strohhalm für sein<br />
Leben sucht; er wird sich nicht dafür verantwortlich machen, sondern kennt den Verantwortlichen<br />
schon: den bösen kapitalistischen Staat.<br />
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Gegenöffentlichkeit im Netz<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 19. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Zeitungsmarkt im Netz hat schneller als gedacht die altbekannten Machthierarchien<br />
herausgebildet. Die Masse liest den gleichen Blödsinn wie bisher: Die Onlineausgabe der BILD<br />
durchblättern täglich 1,5 Millionen Menschen. Den Spiegel ziehen 2,3 Millionen zu Rate und FAZ<br />
lesen steht bei fast 0,4 Millionen auf der Tagesordnung. Rechts davon hat sich bisher wenig getan.<br />
Nirgendwo am Online-Horizont ist ein frecher Emporkömmling zu sehen, der es wissen will. Grund<br />
genug, sich die Angebote im Netz, die das Potential zur Gegenöffentlichkeit haben, genauer<br />
anzuschauen.<br />
Der Marktführer der „Neuen Rechten“, die Junge Freiheit, präsentiert eine Netzseite, die vor 10<br />
Jahren vorzeigbar gewesen wäre. Sie hat nichts, aber auch gar nichts mit Onlinejournalismus zu tun.<br />
Die inhaltlichen Angebote, die wöchentlich erneuert werden, übernimmt die JF aus der Printausgabe.<br />
Auf jungefreiheit.de findet man keine zusätzlichen Artikel, keine Verweise, keine Blogs und keine<br />
Foren, wo sich die Intelligenz der Rechten austauschen könnte. Dabei steckt in der Marke „JF“<br />
immenses Potential. Dies zeigen die JF-Foren bei dol2day und StudiVZ. Es ist unerklärlich, warum die<br />
JF die Diskussionen in diesen Foren nicht auf die eigene Seite zieht. Fazit: Einfach nur schlecht!<br />
Gemessen an den täglichen Besuchern hat das Blog politicallyincorrect die Onlineversion der JF<br />
bereits überholt. Politicallyincorrect knackt immer häufiger die Zehntausend-Besucher-Schallmauer<br />
an einem Tag. Die Blogautoren rund um Stefan Herre beschäftigen sich in einer lobenswerten<br />
Regelmäßigkeit mit den Gefahren des Islams. Daß sie zu unkritisch mit den USA, Israel und der BRD<br />
umgehen, trübt ein wenig das positive Bild. Das Blog läuft Gefahr, aufgrund der einseitigen<br />
Kommentierung zu eintönig zu werden. Der anspruchsvolle Leser würde sich über etwas mehr<br />
Kreativität und eigene Ideen freuen. Fazit: Marktführer mit Schwächen!<br />
Im Gegensatz zu den konservativen Onlinepräsenzen mag man den libertären unterstellen, sie wären<br />
wesentlich fortschrittlicher, flotter und für neue Innovationen offener. Generell könnte dies<br />
stimmen, denn eine Reihe von libertären Blogs kommentiert den täglichen Bürokratiewahnsinn der<br />
BRD. Der Wortgeber der Libertären schlechthin, die Zeitschrift eigentümlich frei, hinkt jedoch den<br />
Standards des Web 2.0 hinterher. Regelmäßig bloggen die Autoren der eifrei auf www.ef-online.de.<br />
Mehr als Texte ins Netz zu stellen, die auch im Printmagazin erscheinen könnten, leistet das Blog<br />
nicht. Eine onlineverträgliche Form sieht anders aus. Fazit: So kann niemand im<br />
Meinungswettbewerb bestehen.<br />
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Rauschender Strom, brausender Wald – Heimat und<br />
Seelenformung im Lichte der FDGO<br />
Geschrieben von: Florian Gerstenhauer<br />
Donnerstag, den 21. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Da sich der Naturschutz angeblich in einer „Akzeptanzkrise“ befindet, sucht dessen Lobby nach<br />
„neuen Vermittlungswegen“. So regt Herbert Zucchi (* 1950), Professor an der Fakultät für<br />
Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der FH Osnabrück und bekennender 68er-Veteran,<br />
eine Reaktivierung des „ab den späten 1960er Jahren möglicherweise“ im Zuge der Studentenrevolte<br />
und der „demokratischen Aufbruchstimmung“ verschütteten Begriffes „Heimat“ an. In seiner<br />
Befragung „Was Studierende mit Heimat verbinden und verbindet“ (Natur und Landschaft, 82. Jg.<br />
20<strong>07</strong>, Heft 2 S. 63-67) empfiehlt er, dem ökologischen ein soziales Naturideal zur Seite zu stellen.<br />
Dem zur „angewandten Ökologie“ degradierte Naturschutz müsse der Rang als Kulturwissenschaft<br />
wiedereingeräumt werden.<br />
Im WS 04/05 wurden an der FH Osnabrück 170 angehende Agrarwissenschaftler gefragt, was sie mit<br />
„Heimat“ assoziieren. Die Resonanz ist erfrischend und so gut wie ausschließlich positiv. Sie reicht<br />
von Schlagworten wie „Glück, Wohlfühlen, Vertrauen, Geborgenheit“ bis hin zu Formulierungen von<br />
nachgerade poetischer Strahlungskraft: „Wo ich glücklich bin, ohne genau zu wissen warum.“<br />
Nicht nur Bäume haben Wurzeln ...<br />
82 Befragte verbinden Heimat mit Kindheit und Jugend: „Erinnerungen“, „eigene Wurzeln“. Ebenfalls<br />
eine große Rolle spielen Natur und Landschaft: „Die Landschaft, aus der ich komme“, „Der Wald bei<br />
unserem Dorf“ etc. Die Studenten nannten klimatische Eindrücke und landschaftsbezogene<br />
Tätigkeiten (Erntehilfe, Pilze sammeln etc.), vereinzelt auch konkrete geographische Orte, Sprache,<br />
Dialekt, Tradition, Mentalität, Gottesdienst. Fünfzehn Befragte meinten, Heimat sei an keinen Ort<br />
gebunden. Ein Student antwortete: „Das Gegenteil von Fremde“. Lediglich zwei Studenten nannten<br />
Schlagworte wie „Deutschtümelei“, „Nazizeit“ etc.<br />
... auch Menschen brauchen ihre Heimat<br />
Diese völlige Unbefangenheit der Studenten inspiriert Zucchi nicht etwa, hier seine eigenen<br />
Maßstäbe zu überdenken – Gott bewahre! Vielmehr widmet er sich einer unreflektierten<br />
„antifaschistischen“ Rechtfertigung des Heimatbegriffes, und hierin liegt aus konservativer Sicht die<br />
unfreiwillige Komik des Beitrags von Zucchi. Die Zuschreibung einer „heiligen und besonderen Kraft“<br />
an die Heimaterde durch Raoul Heinrich Francé (1874-1943) ist für Zucchi „starker Tobak“, und wenn<br />
ein Grußwort zum deutschen Naturschutztag 1957 in Kassel die uns umgebende Natur als „kostbares<br />
Ahnenerbe, als Born der Volksgesundheit, als Stätte seelischer Erhebung und körperlicher Erholung,<br />
als Fundgrube wissenschaftlicher, lebensgesetzlicher Erkenntnisse und schließlich als Offenbarung<br />
des Göttlichen“ preist, so sieht Zucchi darin eine nachwirkende „braune Heimat-Ideologie“.<br />
Das Grundgesetz im Wanderrucksack?<br />
Als Alternative schlägt Zucchi vor, man solle einen „progressiv-demokratischen Heimatbegriff im<br />
Sinne von Aufklärung und Bildung“ entwickeln. Wie bitte – Naturbetrachtung im Lichte der<br />
freiheitlich-demokratischen Grundordnung? Das Grundgesetz im Wanderrucksack,<br />
Holocaustdenkmal statt Gipfelkreuz?<br />
Zum Glück bleibt es bei Andeutungen. Immerhin rekonstruiert Zucchi aus dem Befund der Umfrage,<br />
wie „Heimat entsteht und was sie ist“:<br />
187
„Während seiner Ontogenese erlebt das Individuum die spezifische Landschaft seines Umfelds,<br />
speichert Bilder über sie und entwickelt daraus persönliche landschaftliche Leitbilder. Zeitgleich<br />
wächst das Kind in ein soziales Gefüge von Familie, Freunden, Bekannten und Nachbarn hinein, es<br />
entstehen in ihm persönliche soziale Leitbilder. Landschaftliches Gefüge und soziales Gefüge sind<br />
aber nicht losgelöst voneinander, sondern stehen in enger Verbindung zueinander, wobei<br />
Korrespondenz von Mensch und Landschaft immer (auch) Kultur bedeutet, was sich z. B. in<br />
landschaftsbezogenen Tätigkeiten (Ernte, Angeln etc.) oder auch in den Baumaterialien vor allem<br />
alter Häuser (Fachwerk, Schindeln) manifestiert. Erlebte Situationen mit Menschen und Landschaften<br />
verbinden sich in Kindheit und Jugend mehr und mehr, sie werden zu einem Teil der Persönlichkeit<br />
und damit des psychischen Gefüges des Individuums.“<br />
Zucchi erkennt Heimat als „Gegenbegriff zu Globalisierung und Fortschritt“. Praktische<br />
Schlußfolgerungen ergeben sich nicht, im Gegenteil: Heimat bedeute – trotz der Gemeinsamkeiten<br />
der Umfrageergebnisse – für jeden etwas anderes und enge niemanden ein; „eine (starre) Definition“<br />
verbiete sich. Wie hier ein „progressiv-demokratischer Heimatbegriff“ zu entwickeln und was genau<br />
das sei, wird nicht deutlich.<br />
Nun sind der Protest gegen die Moderne, der Zusammenhang von Naturbild und Seelenbildung<br />
weder Entdeckungen der Nationalsozialisten noch des Grundgesetzes. Oswald Spengler schrieb:<br />
„Das Naturbild des Kindes und des Urmenschen entwickelt sich aus der kleinen Technik des Alltages,<br />
die beide immer wieder zwingt, sich von dem angstvollen Schauen in die weite Natur den Sachlagen<br />
der nächsten Umgebung kritisch zuzuwenden.“<br />
Eine konkrete von zahllosen möglichen Topographien, die konkrete Anforderungen stellt, steht hier<br />
im Mittelpunkt. Aus diesen alltäglichen Erfahrungen entwickle sich ein „Inbegriff bleibender<br />
Merkmale, der sich für den wortgewohnten Menschen zu einem Bilde des Verstandenen<br />
zusammenschließt, der Welt als Natur.“ Dieses „Bild des Verstandenen“ prägt Mensch, Volk und<br />
Kultur und zeichnet epochale Entwicklungen: „In diesem Sinne ist die Landschaft schöpferisch.“ Bei<br />
Arthur Moeller van den Bruck lesen wir:<br />
„Mit dem Entstehen von Kulturen brechen Landschaften zu ihrer höchsten Blüte auf, und mit ihrem<br />
Untergange zerfallen sie in Sand und Öde. ... Klima, Fauna, Flora oder was ein Volk sonst an<br />
Eigentümlichkeiten in einem Lande vorfindet, sind ihm immer nur Mittel zu seiner Kultur.“<br />
Spengler und van den Bruck gehen von einer kulturell effektiv homogenen Entwicklung der einen<br />
Landstrich bevölkernden Menschen aus. Was aber geschieht, wenn die „sozialen Gefüge“ (Zucchi)<br />
unterschiedlicher Bewohnergruppen divergieren? Zunächst ist mit dem Wort von der<br />
„Korrespondenz von Mensch und Landschaft“ gesagt, daß das bloße Wohnen in einer Landschaft<br />
jemanden noch nicht zum Siedlungsgenossen oder „Mitbürger“ derjenigen macht, die dort bereits<br />
eine seelische Formung durchlaufen und Kultur (z. B. landschaftsspezifische Architektur, s. o.)<br />
hervorgebracht haben. Wenn die sozialen und kulturellen Ausprägungen einer relevanten Gruppe<br />
Fremder denjenigen der angestammten Bevölkerung grundlegend widersprechen, so wirken sie als<br />
Teil der sozialen Umwelt auf die kindliche Entwicklung und damit auf die Zukunft der Angestammten<br />
in einer Art und Weise ein, die der bereits vollzogenen, und zwar insoweit gerechtfertigten<br />
seelischen Formung der Angestammten zuwiderläuft.<br />
Heimat ist nicht der Ort …<br />
Damit könnte man – placet experiri! – argumentieren, daß in einer multikulturellen Gesellschaft die<br />
kindliche Entwicklung naturwidrig und somit krankhaft verlaufe. Damit wiederum könnte die<br />
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Forderung „Assimilation oder Ausreise“ naturrechtlich begründet werden. Denkbar wäre die<br />
multikulturelle Gesellschaft folglich nur dort, wo landschaftsspezifische Wahrnehmungen überhaupt<br />
keine kulturschöpfende Seelenformung mehr zeitigen: Multikulturalität ertragen kann nur der<br />
Bewohner des „Steinkloß Weltstadt“, nach Spengler „statt eines formvollen, mit der Erde<br />
verwachsenen Volkes ein neuer Nomade“, der „reine, traditionslose, in formlos fluktuierender Masse<br />
auftretende Tatsachenmensch, irreligiös, intelligent, unfruchtbar“, der von seiner Schöpfung, der<br />
„absoluten Stadt“, zu ihrem Geschöpf, zum Opfer gemacht wird.<br />
… sondern die Gemeinschaft der Gefühle<br />
Vorstehendes Gedankenspiel zeigt, welch seltsame Blüten unschuldige Lobbyarbeit treiben kann.<br />
Was aber ist uns nun Heimat? Für Zucchi kann es „eben auch der HSV sein“, aber wie umschreiben<br />
wir dieses entwicklungsgeschichtliche Fundament, abseits spontaner Banalitäten? Wieder Oswald<br />
Spengler:<br />
„Uns ist sie eine ungreifbare Einheit von Natur, Sprache, Klima, Sitte, Geschichte; nicht Erde, sondern<br />
„Land“, nicht punktförmige Gegenwart, sondern geschichtliche Vergangenheit und Zukunft, nicht<br />
eine Einheit von Menschen, Göttern (oder Götzen, Anm. d. Verf.) und Häusern, sondern eine Idee,<br />
die sich mit rastloser Wanderschaft, mit tiefster Einsamkeit und mit jener urdeutschen Sehnsucht<br />
nach dem Süden verträgt, an der von den Sachsenkaisern bis auf Hölderlin und Nietzsche, die besten<br />
zugrunde gegangen sind.“<br />
Na, ist das was? Ich denke, ein Paar Mücken für den Umweltschutz sind da schon drin, Herr Zucchi.<br />
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Sie fielen für Demokratie und Emanzipation …<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Donnerstag, den 21. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Denkmalkultur wird in Deutschland kleingeschrieben.Die Bundesregierung plant ein Ehrenmal für die<br />
bei Auslandseinsätzen gefallenen Soldaten. Das ist eine Sensation – in dreifacher Hinsicht. Erstens:<br />
Die Bundesrepublik schickt Soldaten in den Krieg. Das gibt es erst seit Joschka Fischer. Zweitens:<br />
Deutschland schickt Soldaten in völkerrechtswidrige Kriege. Das haben sich im 20. Jahrhundert nur<br />
zwei deutsche Politiker erlaubt: Adolf Hitler und Joschka Fischer. Drittens: man „ehrt“ Soldaten.<br />
Dabei gilt der Begriff der „Ehre“ spätestens seit 1968 als 'reaktionär'. Soldaten waren doch Mörder,<br />
oder?<br />
Doch so richtig will die Sensation nicht einschlagen. Es ist still im Blätterwald. Fast zu still. Noch vor<br />
wenigen Jahren tobten die Debatten um das so genannte Holocaust-Denkmal in Berlin. Nun<br />
verweigert die sonst so diskurs- und streitsüchtige Linke jeden Kommentar. Bis auf ein paar Zeilen in<br />
der taz war bisher kaum etwas zu vernehmen. Warum ist es so still? Was mag der Grund sein, dass<br />
die Chefredakteure von Süddeutscher, ZEIT, Rheinischem Merkur und Frankfurter Rundschau lieber<br />
die Finger von diesem Thema lassen? Nun ist das geplante Gefallenendenkmal kein beliebiges<br />
Thema, sondern markiert eine symbolpolitische Wende in der Geschichte der Bundesrepublik, die<br />
vergleichbar ist mit den ganz großen Einschnitten – Weizsäckers "Befreiungs"-Rede 1985, der<br />
Historikerstreit 1985/86, das Holocaust-Denkmal 1996, die Wehrmachtsausstellung 2000/01. Und<br />
trotzdem ist alles still? Ist es das, weil es zum ersten Mal seit - ja, seit wann eigentlich? – eine<br />
symbolpolitische Wende nach rechts ist? Ist es denn eine Wende nach rechts?<br />
Der Reihe nach. Vor einem Jahr forderte Verteidigungsminister Jung in der ZEIT ein Denkmal für<br />
gefallene Soldaten. Damals regte sich keine Reaktion. Dann tauchte das Thema hin und wieder in<br />
parteipolitischen Stellungnahmen auf, ohne je echte Schlagzeilen zu machen. Die Fronten waren klar:<br />
die CDU für ein Soldatendenkmal, die Linken zuerst dagegen, dann für eins für alle im Ausland<br />
umgekommenen Helfer, denn die Bundeswehr sei ja nur eine bewaffnete Truppe braver Helferlein.<br />
Aber auch hier rührte das Thema niemanden wirklich. Bisher fanden die Trauerveranstaltungen in<br />
einem Flugzeughangar bei Köln statt. Bei Trauerfeiern, zu denen man die Frau Bundeskanzlerin<br />
einflog, wurde schnell die Technik aus der Halle geschoben, die Wellblechwände mit schwarzem<br />
Leinen ausgekleidet und der Betonboden geschrubbt. Die Fernsehkameras wurden so ausgerichtet,<br />
dass man möglichst wenig von der pietätlosen Halle sah.<br />
Die verhinderte konservative Debatte<br />
Nun hat der Verteidigungsminister seinen hinter den Kulissen ausgeschriebenen Entwurf vorgestellt<br />
– ein ärmlicher Flachbau mit ein paar griechisch anmutenden Säulen – der gute Chancen hat,<br />
durchgewinkt zu werden. Das Denkmal soll im Innenhof des Verteidigungsministeriums aufgestellt<br />
werden, weit weg von der öffentlichen Wahrnehmung und lediglich gut für obligatorische<br />
Kranzabwürfe. Doch warum so eilig? Es scheint, als seien CDU und Linke einen klammheimlichen<br />
Kompromiss über den Gräben eingegangen, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Beide Seiten<br />
haben ein Interesse, in Berlin ein Gefallenendenkmal zu bauen, dass zwar den Erfordernissen der Zeit<br />
entspricht, aber keinen öffentlichen Streit erregt.<br />
Für Linke sind die Motive eines Kompromisses schnell ausgemacht: Soldaten sind meist Mörder,<br />
Frieden schafft man ohne Waffen, und Militär und Armee sind ohnehin Auslaufmodelle in der<br />
globalen Zivilgesellschaft. Da aber momentan noch Soldaten ihr Leben für die Emanzipation<br />
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afghanischer Frauen oder die Schulpflicht für Nomadenkinder in Kandahar riskieren, muss ein<br />
Denkmal her. Nicht für den militärischen Einsatz, den Kampfeswillen oder den Opfergeist, sondern<br />
für ihre Mission als eine Art bewaffnetes THW. Deshalb drängen Linke darauf, das Mahnmal<br />
gleichzeitig den "unbewaffneten Helfern" zu widmen, die in ähnlicher Mission unterwegs seien.<br />
Ein Denkmal für ein bewaffnetes THW?<br />
Für die CDU sieht die Sache diffiziler aus. In der CDU weiß man um die symbolische Kraft militärischer<br />
Mahnmale, und die meint man deckeln zu müssen. Denn ein Mahnmal braucht eine Inschrift. Und<br />
genau da wird es kritisch: Was sollte denn auf dem Denkmal stehen? "Sie gaben ihr Leben für die<br />
Demokratie in Afghanistan", wirkt unglaubwürdig.<br />
In den Zeiten des souveränen Nationalstaates fiel die Antwort leicht: „Sie fielen für Volk und<br />
Vaterland“, oder „Für Kaiser und Reich“, oder „Unseren Gefallenen Helden zur Ehre“. Doch da die<br />
CDU die europäische Integration forciert, gelten rein nationale Denkmäler als vermeidbares Übel.<br />
Lieber betont man die „gemeinsamen europäischen Werte“ wie Demokratie und Menschenrechte.<br />
Eineöffentliche Diskussion über den Charakter des Mahnmals und seine Inschrift würde schnell eine<br />
Debatte über Sinn und Unsinn des Afghanistan-Einsatzes, die deutsche Bündnispolitik und den „Kitt,<br />
der unsere Gesellschaft zusammenhält“, entfachen. Man müsste laut die unbequeme Frage stellen:<br />
„Wofür wäre heute ein junger Deutscher bereit, sein Leben zu opfern? “ Und das zu beantworten will<br />
nun wirklich niemand.<br />
Ein Ehrenmal für gefallene Soldaten gibt es schon<br />
Dabei hätten Konservative in der verhinderten Debatte um das Gefallenendenkmal die<br />
Diskurshoheit. Denn das deutsche Ehrenmal für gefallene Soldaten gibt es schon. In Berlin, an<br />
zentraler Stelle, mit einer langen Tradition. Gemeint ist die „Neue Wache“ neben der Humboldt-<br />
Universität Unter den Linden. Die Neue Wache wurde als Ehrenmal für die in den deutschen<br />
Freiheitskriegen 1812-13 Gefallenen geschaffen. Später gedachte man hier auch der Toten des<br />
Deutsch-Dänischen Krieges 1866, des Deutsch-Französischen Krieges 1870-1871 und des Ersten<br />
Weltkrieges 1914-1918. Vor der Neuen Wache stand Tag und Nacht eine Garde, die die<br />
Wachablösung würdevoll im preußischen Zeremoniell zelebrierte. Ursprünglich stand in dem kahlen,<br />
leeren Raum der Neuen Wache nur ein steinerner Block, auf dem ein eiserner Lorbeerkranz lag.<br />
Durch eine kreisrunde Öffnung in der Decke spiegelte sich das Himmelslicht im Lorbeerkranz. Diese<br />
Schlichte hatte etwas sehr Würdevolles und entsprach der preußischen Geisteshaltung.<br />
Heute liegt der Lorbeerkranz im Deutschen Historischen Museum DHM gleich neben der Neuen<br />
Wache – als totes Museumsstück. In der Neuen Wache hingegen steht heute die Skulptur 'Mutter<br />
mit totem Sohn' von Käthe Kollwitz, die „allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ gewidmet ist<br />
und als beliebige Kranzabwurfstelle für die ungeliebten Trauerveranstaltungen für deutsche<br />
Kriegsopfer fungiert.<br />
Seit längerem schlagen Konservative die Neue Wache als alt-neues Ehrenmal vor. Sie fordern, die<br />
unpassende Skulptur von Käthe Kollwitz zu entfernen, den Lorbeerkranz und den Granitblock wieder<br />
in die Neue Wache zurückzubringen und wieder an die preußische Tradition der Wachablösung, die<br />
selbst die Nationale Volksarmee NVA der DDR noch bis 1990 aufrecht erhielt, anzuknüpfen. Einzig die<br />
Neue Wache kann ein würdevoller, traditionsreicher Ort für das ehrende Gedenken an die Männer<br />
und Frauen sein, die ihr Leben für Deutschland opfern.<br />
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Zuviel Tradition?<br />
Aber dieser Ort hat eine kraftvolle Aura. Er scheint der politischen Klasse zu viel Tradition und<br />
Geschichte zu haben, denn man meint, mit der Geschichte des Nationalstaates gebrochen zu haben.<br />
Im Verständnis der heutigen Politikergeneration ist Deutschland lediglich ein Nationalstaat auf Abruf,<br />
bis die Vereinigten Staaten von Europa geschaffen sind und es eine gemeinsame europäische Armee<br />
gibt. An die Tradition der deutschen Staaten anzuknüpfen, die vor 1949 existierten, und Deutschland<br />
als einen normalen Nationalstaat unter anderen europäischen Nationalstaaten zu begreifen, scheint<br />
undenkbar.<br />
Unterschwellig schwingt noch ein weiteres Dilemma mit: Würde man sich für den traditionellen Ort<br />
des Ehrenmals aussprechen, müsste man erneut überlegen, wie man den deutschen Opfern alliierter<br />
Kriegsverbrechen – den Bombentoten, den Vertriebenen, den Verhungerten und Deportierten –<br />
gedenkt, die mit der jetzigen Lösung als abgespeist gelten. Und zwei konservative Debatten auf<br />
einmal - das geht nun wirklich zu weit.<br />
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Binnenmigration: „Für eine bessre Zukunft, verlassen wir<br />
die Heimat auch!“<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Montag, den 25. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Nirgendwo ist der demographische Niedergang Deutschlands so greifbar wie in der ehemaligen DDR.<br />
Sie hält unangefochten die Spitzenposition in Europa, was das Geburtendefizit betrifft. Die<br />
Bundesländer der ehemaligen DDR verlieren seit 1945 rapide an Einwohnern.<br />
Hatte 1945 die sowjetische besetzte Zone noch Millionen Vertriebene aufgenommen und kam auf<br />
über 22 Millionen Einwohner, so zogen die meisten aus Furcht vor den Russen gleich weiter in die<br />
westlichen Besatzungszonen. Von 1950 bis zum Mauerbau flüchteten weitere 2,6 Mio. Deutsche aus<br />
dem kommunistischen Staat, so dass das Gebiet 1961 noch 17,1 Mio. Einwohner zählte. Zum<br />
Zeitpunkt ihres Zusammenbruchs 1990 hatte die DDR 16,3 Mio Einwohner. Seitdem sind knapp 3<br />
Mio. in die alten Bundesländer gezogen.<br />
Beinahe 2 Millionen sind zudem Wochen- oder Tagespendler, die ihr Einkommen "im Westen"<br />
verdienen, aber ihren behördlich gemeldeten Lebensmittelpunkt östlich des zerbröckelten „eisernen<br />
Vorhangs“ haben. Somit leben noch 12 Millionen. Deutsche in der ehemaligen DDR – etwa so viel<br />
wie vor dem 1. Weltkrieg, vor dem Beginn der Moderne. Deren Zahl wird weiter fallen. Auf<br />
absehbare Zeit wird sich keine nennenswerte Industrie ansiedeln, Arbeitsplätze werden so bald nicht<br />
mehr entstehen. Besonders drastisch ist die Lage in Gegenden, die den Strukturwandel seit 1945<br />
entweder verpasst haben, wie Mecklenburg-Vorpommern, oder die zu Vorzeigegebieten des<br />
sozialistischen Staates auserkoren waren.<br />
Einwohnerzahl auf dem Stand von 1912<br />
In Mecklenburg-Vorpommern, einem traditionellen Agrarland, gab es nie viel Industrie; die Mehrheit<br />
der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft und tat das nahtlos bis 1990. Doch seit 1990 ist<br />
Arbeitskraft teuer, und Maschinen sind billig. Deshalb entließen die großen<br />
Landwirtschaftsgenossenschaften (LPGs) bei ihrer Privatisierung viele Tausende Menschen, die in den<br />
armen Dörfern keine neue Arbeit fanden. Mecklenburg holte innerhalb von wenigen Jahren die<br />
Entwicklung nach, die das "Bauernsterben" im Westen schon in den 50er Jahren schleichend<br />
erzwungen hatte.<br />
Aufgeben, Wegziehen oder Kämpfen?<br />
Anders sah es in den Braunkohle- und Industriestädten aus. Da der sozialistische deutsche Staat sich<br />
als Arbeiterstaat verstand und von Kadern aus der Arbeiterbewegung regiert wurde, kam den<br />
Belangen der Industriearbeiterschaft besonders viel Aufmerksamkeit zu. Städte wie Cottbus,<br />
Hoyerswerda und Spremberg wuchsen zu DDR-Zeiten binnen Jahren auf das doppelte bis dreifache.<br />
Doch heute ist Braunkohle zu teuer, und Tausende Schichtarbeiter verloren ihre Arbeit binnen<br />
Monatsfrist. Auch Industriestädte wie Magdeburg mit dem 'Schwermaschinenkombinat Ernst<br />
Thälmann' (SKET), dass gleich nach der Wende 80.000 Arbeiter entließ, haben mit<br />
Massenarbeitslosigkeit zu kämpfen. Die Deindustrialisierung, die in der Bundesrepublik bereits in den<br />
achtziger Jahren begonnen hatte und sich bis heute noch hinzieht, vernichtete binnen weniger Jahre<br />
Tausende von Arbeitsplätzen.<br />
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„Bau auf! Bau auf!“ Eine freie deutsche Jugend sollte die Heimat aufbauen …<br />
Den Arbeitslosen boten sich nur drei Optionen: aufgeben (Frührente, Hartz IV), wegziehen oder<br />
kämpfen. Viele Dagebliebene schlagen sich mit niedrigen Löhnen, langen Arbeitszeiten und<br />
Pendelstrecken mühsam durch. Das Leben in den verwaisenden Regionen ist deutlich härter als<br />
anderswo. Was Arbeitsbedingungen und Arbeitslohn angeht, sind die Einwohner der ehemaligen<br />
DDR statistisch deutlich kompromissbereiter. Inzwischen hat sich in den strukturschwachen Regionen<br />
mit Arbeitslosenzahlen über 30% wieder eine Art Subsistenzwirtschaft etabliert: die Dörfler leben<br />
von Hartz IV, bauen eigene Kartoffeln an, halten sich Kleinvieh und beleben die Tauschwirtschaft<br />
wieder.<br />
Diejenigen, die ihr Glück im Westen versuchen, bleiben meist da. Zu hoffnungslos ist die Lage zu<br />
Hause, zu bequem das Leben hier. Das trifft insbesondere auf junge Frauen zu, die in<br />
überdurchschnittlichem Maß in den Westen ziehen. Dadurch wächst der Überschuss an jungen<br />
Männern, und die Geburtenrate fällt weiter.<br />
… doch seit 17 Jahren kehrt sie der Heimat den Rücken.<br />
Die Negativentwicklung ist kaum aufzuhalten, wird sich aber früher oder später auf niedrigem Niveau<br />
stabilisieren. Ein diffuses Unmutsgefühl ist allenthalben spürbar, artikuliert sich aber nur in<br />
unproduktiven Ressentiments. In bezug auf die demographische Entwicklung ist der Staat relativ<br />
machtlos. Die ehemalige DDR hat in den letzten 17 Jahren den westlichen Strukturwandel in rapider<br />
Geschwindigkeit nachgeholt. Auch in den westlichen Bundesländern werden viele Dörfer verwaisen,<br />
die deutsche Bevölkerungszahl implodieren und viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze<br />
abwandern. Hier sind die neuen Bundesländer nur Vorreiter.<br />
Ein millionenschwerer Aderlass<br />
Was diese Entwicklung für soziokulturelle Konsequenzen mit sich bringt, ist Gegenstand zahlreicher<br />
Konferenzen und Publikationen. Wissenschaftler sind sich einig, dass die sozialen und ethnoreligiösen<br />
Spannungen zunehmen werden. Die Verstädterung wird einen anderen Charakter<br />
bekommen: meist junge und mehrheitlich muslimische Ballungsräume werden überalterten<br />
restdeutschen Dörfern und Kleinstädten in 25 Jahren gegenüberstehen. Das Gefühl einer<br />
gemeinsamen Verbundenheit wird schwinden, und damit auch die ideelle Basis des deutschen<br />
Sozialversicherungssystems, dass seit der Einführung durch Bismarck besteht. Was das für den<br />
einzelnen bedeutet, ist unklar und Grund für zahlreiche Spekulationen. Sicher ist nur: es wird<br />
ungemütlich.<br />
Die Wölfe kehren zurück<br />
Etwas Positives kann man der Entwicklung vielleicht abgewinnen: Die Wölfe kehren zurück. 1847<br />
wurde der letzte Wolf im Bayrischen Wald geschossen. Seitdem galt das "Tier der Deutschen" in<br />
Deutschland als ausgerottet. Zwei Wolfsrudel haben sich schon im letzten bei Deutschland<br />
verbliebenen Teil Schlesiens niedergelassen. Die scheuen Tiere geniessen die menschenleeren<br />
Strassen, die verwaisten Äcker und die verlassenen Dörfer und leben auf einem verlassenen<br />
Truppenübungsgelände in Niederschlesien. Wenigstens sie hatten in diesem Frühjahr Nachwuchs: 5<br />
kleine Wolfswelpen.<br />
194
Georg Quabbe: „Tar a Ri” – Variationen über ein<br />
konservatives Thema<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Dienstag, den 26. Juni 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
„Tar a Ri“; so nennt sich ein fast vergessenes Werk von Georg Quabbe, welches 1927 in einer<br />
einzigen Auflage erschienen ist und nun als „Quellentext zur Konservativen Revolution“ vom Uwe-<br />
Berg-Verlag neu aufgelegt wurde. Die von dem Autoren Armin Mohler beschriebene Bewegung der<br />
„Konservativen Revolution“ in der Weimarer Republik war geprägt von politischer Aussagekraft und<br />
aktivistischem Pathos, die sich keineswegs einem Rückzug in die vita contemplativa preisgaben,<br />
sondern einen ungeheuren intellektuellen Einfluß ausübten.<br />
Und so äußerte sich in ihr ein konsumkritischer und zivilisationskritischer deutscher<br />
Gegenmodernismus. Die Denker dieser Bewegung, so Oswald Spengler, Edgar J. Jung, Carl Schmitt,<br />
Ernst Jünger oder Arthur Moeller van den Bruck, richteten sich gegen die Schwächung aller<br />
gesellschaftlichen Bindungen, d.h. gegen die Individualisierung des Bewußtseins im Zuge der<br />
Auflösung des Bürgertums. Georg Quabbe beteiligte sich an dieser „Gegenaufklärung“, ohne jedoch<br />
eine alles erklärende konservative Theorie anzubieten.<br />
Das gleichsam realpolitische Instrumentarium einer solchen Haltung ist der metapolitische Ansatz,<br />
vor dessen Hintergrund der Dualismus der Begriffe, nachsinnend und doch ergriffen aktivistisch,<br />
selbst zu sehen ist. Dabei offenbart sich eine Synthese aller Begrifflichkeiten zugunsten eines<br />
einheitlichen, politisch engagierten Weltbildes. Kontemplatives Sein und aktivistische Sehnsucht<br />
gipfeln zur Metapolitik, zur Politik über schriftstellerische Einflußnahme. Damit entstand der für die<br />
„Konservative Revolution“ als reaktionäre Gegenrevolution zum Liberalismus typische Charakter, der<br />
mit dem Schritt vom Restaurativen zum Revolutionären über metapolitische und nicht realpolitische<br />
Einflußnahme im damaligen Deutschland eine neue Dimension konservativen Denkens eröffnete.<br />
Georg Quabbe, Völkerrechtler und intellektueller Vordenker der DNVP bis zu seinem Übertritt 1929<br />
zu den Volkskonservativen, gilt als ein Vertreter dieser Bewegung. Seine politische Linie war eine im<br />
Vergleich zu anderen konservativen Revolutionären moderate Haltung. Quabbe steht innerhalb des<br />
deutschen Konservatismus für eine rare Denkrichtung: die Verbindung zwischen konservativem<br />
Denken mit liberalen Momenten sowie die Ablehnung der Demokratie unter Hervorhebung der<br />
Verteidigung der Republik. Quabbes Denken ist damit zu unterscheiden von den Meinungen, die<br />
seine intellektuellen Mitstreiter bzw. Gegenspieler auf der politischen Linken und Rechten der<br />
Weimarer Republik vertraten. Ging es diesen vorrangig darum, das Weimarer System wahlweise als<br />
kapitalistisch bzw. wie Oswald Spengler im ersten Kapitel zu „Preußentum und Sozialismus“ (1919)<br />
als System der „Novemberverräter“ zu brandmarken, so vertrat Quabbe in seiner jetzt neu im Verlag<br />
Uwe Berg vorliegenden feinsinnigen Analyse eine Position, die sich am besten folgendermaßen<br />
resümieren läßt: Das Weimarer System ist nicht das System der Konservativen, aber Veränderungen<br />
innerhalb dieses Systems werden wir nur dann realisieren, wenn wir es als gegeben akzeptieren und<br />
in seinen verfassungsrechtlichen Gegebenheiten mitarbeiten.<br />
Das Konservative ergänzend zu anderen Ideen<br />
Dennoch war der Rechtsanwalt Quabbe geprägt von einer tiefen Affinität für das konservative<br />
Element. Er betrachtete dieses aber stets komplementär zu anderen geistigen Strömungen. Damit ist<br />
er Vertreter einer spezifischen politischen Reflexionskultur, die innerhalb der „Konservativen<br />
Revolution“ abzustreiten seit Kurt Sontheimers Schrift von 1961 („Antidemokratisches Denken in der<br />
195
Weimarer Republik“) stets bis heute modern war, obwohl diese Schrift des nunmehr <strong>2006</strong><br />
verstorbenen Politologen wenig effizient das deutsche Phänomen politischen Denkens der<br />
Zwischenkriegszeit zu erfassen fähig oder gewillt war. Diese bei Quabbe auffindbare Reflexionskultur<br />
sagt aus, daß Quabbe in seiner politischen Denkweise vom Ganzen ausging, alle Strömungen<br />
akzeptierte und gleichsam fatalistisch wußte, daß seine Gegner auch nur aus lebensinnerer und<br />
psychischer Notwendigkeit zu ihrer Sichtweise gelangten – wie er selbst auch. Der das leugnende<br />
Dogmatiker hingegen wäre Vertreter der Nicht-Reflexion, weil er allein nur an sein Prinzip glaubt.<br />
Quabbe selbst bezeichnete sich als konservativ. In seinem Werk „Tar a Ri“, welches aus dem Irischen<br />
ins Deutsche übersetzt "Komm, o König!" bedeutet, widmet er sich der Entwicklung des<br />
Konservatismus in vielen europäischen Staaten. Bei der Lektüre wird jedoch rasch jene erwähnte<br />
Tendenz deutlich, daß er keine dogmatisch eingeschränkte Variante des Konservatismus vertritt,<br />
keine theoretisch hochzuhaltende Ideologie. Vielmehr versucht er gerade, die historische<br />
Entwicklung des Konservatismusbegriffs mit all seinen Brüchen und Veränderungen bis in das Jahr<br />
1927 nachzuvollziehen und weiterzuentwickeln. Er schreibt beispielsweise: „Es würde meiner<br />
Grundeinstellung widersprechen, wenn ich untersuchen wollte, auf welcher Seite die Wahrheit zu<br />
finden ist; für mich handelt es sich ja hier, wie immer, um die Klarstellung des Gegenstandes und<br />
nicht um das Abwägen des Für und Wider.“<br />
Tar a Ri – „Komm, o König“<br />
Georg Quabbes politische Philosophie ist dazu geeignet, neue Dimensionen innerhalb der<br />
„Konservativen Revolution“ auszumachen, sie nicht leichtfertig als „Wegbereiter Hitlers“ zu<br />
diffamieren, sondern vielmehr aus sich selbst heraus in ihren Motivationen zu verstehen. Für Quabbe<br />
nämlich war seine eigene Haltung immer „der Komplementärgedanke zu irgendeinem Gedanken der<br />
Gegenseite.“ Es ging ihm also keineswegs um einen völlig wertlosen zweiwertigen Formalismus des<br />
„Entweder-Oder“, wie man ihn heutigen Parteipolitikern vielmehr vorwerfen muß, sondern darum,<br />
einander trotz fester Überzeugungen und Gegenüberzeugungen anzuerkennen, ohne dennoch von<br />
der eigenen Standhaftigkeit im Denken abzuweichen: „Die letzte Weisheit bleibt also ein ‚Wir sind so<br />
und deshalb handeln wir danach.“ Die Person Quabbe gibt Kraft zur Schaffung eines neuen<br />
konservativen und zugleich modernen und wertvolleren Staatsdenkens im Deutschland der<br />
Gegenwart.<br />
196
Multi-Kulti-Kriminalität explodiert<br />
Geschrieben von: Markus Schmidt<br />
Montag, den 02. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Jahrelang haben Politiker und Mediengewaltige versucht, die verheerende Entwicklung der multikulturellen<br />
Kriminalität in Deutschland totzuschweigen oder sogar zu verharmlosen. Jetzt eskaliert<br />
die Lage so weit, dass ein weiteres Wegschauen unmöglich geworden ist. Zwei Städte stehen im<br />
Brennpunkt des überregionalen Medien-Interesses: Berlin und Köln.<br />
Der Berliner Innensenator Körting hat zwar dem hauptstädtischen Bandenunwesen kaum mehr als<br />
schöne Wort entgegen zu setzen, aber er hat immerhin verstanden, dass in Berlin nur<br />
vorweggenommen wird, was ganz Deutschland früher oder später bevorsteht: „Die Entwicklung, die<br />
wir jetzt haben, wird es in drei bis fünf Jahren auch in anderen Städten geben.“ Zu dieser Entwicklung<br />
gehört das Treiben arabischer und türkischer Jugendbanden, die ungehemmt stehlen, rauben, mit<br />
Drogen handeln, ja sogar vergewaltigen und morden. Mehr als 600 Intensivstraftäter, die mindestens<br />
neun Verbrechen begangen haben, zählt mittlerweile die Berliner Statistik. Mehr als 80 Prozent von<br />
ihnen sind Türken oder Araber, manche mit, manche ohne deutschen Personalausweis. Rund 1.200<br />
einschlägige Problempersonen werden zu den sogenannten „Schwellentätern“ mit fünf bis neun<br />
Straftaten gezählt.<br />
Köln belegt den traurigen zweiten Platz in der Städtewertung. In der Domstadt sind 1<strong>07</strong> Intensivtäter<br />
gezählt worden, davon mehr als 70 Prozent „mit Migrationshintergrund“. München, obwohl<br />
einwohnerstärker als Köln, zählt „nur“ 81 junge Serienkriminelle, darunter 51 Ausländer. Ganz oben<br />
in der Statistik rangiert der 25jährige Berliner Türke Levent U., dem mehr als 200 Straftaten<br />
zugerechnet werden. Und dabei markieren die registrierten Delikte nur die Spitze des Eisberges. Der<br />
„Focus“ zitiert einen Berliner Kriminalisten mit der Einschätzung: „Wenn von einem Täter 90<br />
Straftaten registriert sind,kann man davon ausgehen, daß er bis zu 1.000 begangen hat.“<br />
Die Ermittler wissen genau, wie es dazu kommen konnte. Eberhard Schönberg, Vorsitzender der<br />
Berliner Gewerkschaft der Polizei, stellt fest: „In Deutschland kann man eine jahrelange kriminelle<br />
Karriere aufbauen, ohne dass es zu Sanktionen kommt.“ Die Schuldigen sitzen im etablierten<br />
Politikbetrieb! Sie haben, um den Gral ihrer multikulturellen Zuwanderungs-Ideologie zu hüten,<br />
Hinweise auf ein Ansteigen der Ausländerkriminalität in Deutschland mit dem Kainsmal der<br />
„Ausländerfeindlichkeit“ gebrandmarkt. Dabei übersehen sie bewusst, dass nicht nur Deutsche,<br />
sondern auch die breite Mehrheit der gesetzestreuen Ausländer, die in unserem Land leben, zu den<br />
Opfern ihrer ideologischen Verblendung gehören. Jene, die täglich mit der einschlägigen Klientel zu<br />
tun haben, werden langsam wach. Gilles Duhem, der in Berlin-Neukölln jahrelang ausländische<br />
Jugendliche betreut hat, erklärt im Interview mit dem „Focus“ zum Hintergrund eines Problems, das<br />
er als regelmäßig türkisch oder arabisch, jung und männlich identifiziert hat:<br />
„Diese Jungs wachsen in einem archaisch geprägten Umfeld auf. Der Vater herrscht über die Familie,<br />
er verprügelt die Kinder, verheiratet sie. Gleichermaßen reden Vater und Mutter ihnen ein, dass<br />
deutsche Frauen Schlampen und ihre eigenen Frauen weniger wert seien als sie selbst. Wenn sie<br />
dann auch noch in kriminelle Kreise geraten, ist eine steile Verbrecherkarriere nur eine Frage der<br />
Zeit. Die Eltern kümmern sich nicht um ihre Kinder in einer Form, die wir in der westlichen Welt<br />
Erziehung nennen. Es interessiert sie nicht, was sie in der Freizeit machen, ob sie zur Schule gehen.<br />
Wichtig ist, dass die Familienehre nicht verletzt wird.“<br />
197
Duhem schlägt laut „Focus“ für den Umgang mit solchen jungen Männern vor: „Man muss sie aus<br />
ihrer Umwelt rausholen, in geschlossene Internate bringen, wo sie ‚stationär‘ erst mal auf die hiesige<br />
Welt vorbereitet werden.“ Der mit dem Thema „jugendliche Intensivtäter“ befasste Berliner<br />
Oberstaatsanwalt Roman Reusch hat erkannt, dass es eine Klientel gibt, bei der jeder<br />
„Behandlungsversuch“ zum Scheitern verurteilt ist. Soweit die betreffenden Personen noch keinen<br />
deutschen Pass in der Tasche tragen, sollten sie nach Hause geschickt werden, wofür eine<br />
Gesetzesänderung nötig wäre. Der „Focus“ zitiert Reusch mit der Äußerung: „Solche Kriminellen<br />
sollte man nicht einbürgern müssen. Im Gegenteil: Man müßte sie ausweisen können, was heute<br />
aber in vielen Fällen aufgrund der Gesetzeslage nicht geht.“ Und er weist auf die Folgekosten des<br />
Scheiterns der multi-kulturellen Politiker-Träume hin: „Jeder außer Lande geschaffte Verbrecher<br />
bringt Entlastung für den Kiez, in dem er lebt, für die Sozialkassen, von denen er zumeist lebt, für<br />
diejenigen, die ansonsten seine Opfer geworden wären, und auch für den Verfolgungsapparat.“<br />
Dieser Artikel wurde mit freundlicher Unterstützung aus der Jugendzeitschrift "Objektiv"<br />
übernommen.<br />
198
Demokratie am Scheideweg<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Montag, den 02. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Begriff „Demokratie“ ist infolge inflationären Gebrauchs überall vernehmbar. Er schmückt<br />
nahezu jede Kolumne und umsäumt jede Nachrichtensendung mit dem Ziel, ein Gefühl des<br />
Fortschrittes und der Erlesenheit unter seinen Lesern und Hörern zu verursachen. Sich<br />
„demokratisch“ zu nennen gehört zum guten Ton, ist Grundlage dafür, in der Politik anerkannt zu<br />
werden. Gerade die Deutschen – so tönt es – hätten eine besondere Verantwortung.<br />
Kaum jemand aber bemerkt, daß gegenwärtig der Begriff „Demokratie“ als Schlagwort des 19.<br />
Jahrhunderts selbst zur begrifflichen Phrase verkommt. Er ist der permanenten Gefahr preisgegeben,<br />
purer Schein und lediglich subjektive Äußerungsform der die Demokratie krampfhaft<br />
proklamierenden Klasse zu sein, die damit eigentlich nur Hauch der Stimme, flatus voci, von sich gibt.<br />
Damit erstarrt eigentliche Demokratie unter der Kruste des begrifflichen Konformismus.<br />
Entsprechend vergessen es jene Eiferer des puren Begriffs, daß Demokratie – gerade im politischen<br />
Denken der Deutschen – immer mehr war und ist, als es der heute allseits gebrauchte Begriff im<br />
allgemeinen Verständnis überhaupt wiederzugeben in der Lage ist. Und genau mit dieser Ignoranz<br />
wird die besondere Verantwortung der Deutschen im Hinblick auf ein neues, auf die Zukunft<br />
bedachtes und dynamisches Verständnis von Demokratie gnadenlos vertan. Die Demokratie – als<br />
Realität und als Begriff – steht am Scheideweg. Sie steht vor der Entscheidung, entweder<br />
permanente Phrase zu bleiben oder aber in Anerkennung des heraklitischen Diktums, daß alles fließt<br />
– pantha rei –, sich selbst zu hinterfragen und komplexeren Erkenntnisräumen zu öffnen. Um dies zu<br />
verstehen, braucht lediglich ein Exkurs in die deutsche Geistesgeschichte selbst unternommen zu<br />
werden.<br />
Staatsformen als verschiedenartig gewachsene Phänomene<br />
Trotz eines krisenhaften Zustandes der bundesdeutschen Demokratie und des deutschen Staates<br />
finden öffentlichkeitswirksam keine demokratie-kritischen Debatten statt. <strong>Blaue</strong>narzisse.de stellt<br />
dennoch kritische Fragen. Hier wird sich noch gefragt, welche Traditionen unsere Demokratie<br />
aufgreifen sollte und welche Verkrustungen Politik und Gesellschaft auflösen müssen.<br />
Die Lehre des Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) gibt an, daß der geistige Begriff<br />
und die Realität nicht grundsätzlich übereinstimmen, der Weg dazu aber beschritten werden kann.<br />
„Demokratie“ ist also kein global erstrebenswertes und eindimensionales „Ding an sich“, sondern es<br />
ist „ein Ding von jemandem“, der damit Ziele und Vorteile zu realisieren gedenkt und sich die<br />
Demokratie im eigenen Sinne interpretiert, um andere Perspektiven dieser Staatsform auszugrenzen.<br />
Obwohl der Begriff „Demokratie“ suggerieren soll, daß eine freie Entfaltung eines jeden möglich ist,<br />
kann die von Demokraten gestaltete Realität anders aussehen. Diese können Demokratie trotzdem<br />
zur hegemonialen Regulierung des Verhaltens der Bürger benutzen. Das Wort „Demokratie“ kann<br />
dann beispielsweise militärische Interventionen in Fernost rechtfertigen bzw. „Schurken“ definieren.<br />
Die Interpretation in der deutschen Geistestradition hingegen hat ein Demokratieverständnis<br />
ausgebildet, daß jedem ein Recht auf seinen eigenen Weg einräumt. Jedes Phänomen gilt hier als<br />
erhaltungswürdig, solange es dort wirkt, wo es heranwuchs. Die in Deutschland oft thematisierte<br />
griechische Mythologie sprach hierbei vom Antaios-Prinzip. Der Harzer Dichter Rolf Schilling<br />
bemerkte dazu trefflich 1981: „Jedes Volk hegt seine ihm eigenen Mythen und Symbole, scheidet sich<br />
199
von anderen Völkern durch Charakter, Prägungen der Sprache, Dominanz geistiger Werte und<br />
anderes mehr.“<br />
Diese jeweils unterschiedlichen Phänomene – z.B. das Demokratiebild in Deutschland und dasjenige<br />
der USA - lassen sich dennoch nach der Redlichkeit des je eigenen Anspruchs definitiv unterscheiden.<br />
Kein Begriff – so schrieb es Kant als großer Lehrmeister der Deutschen - existiert ohne den ihn<br />
denkenden und benutzenden Menschen, ohne das dazugehörige Volk und sein Begriff von Politik,<br />
auch nicht ohne das Wissen davon, daß das durch den Begriff bezeichnete politische Phänomen im<br />
Sinne kreativer Evolution im Geiste des Menschen immer auch verschiedenartigen Charakter tragen<br />
kann, um nicht zu erstarren. Was bedeutet das für die Gegenwart und worin besteht der eigentliche<br />
deutsche Politikbegriff?<br />
Deutsche Staatsphilosophie strategisch diskriminiert<br />
Daß wir gegenwärtig bei kontroversen Debatten in Deutschland permanent durch staatlich<br />
alimentierte Bedenkenträger der Gefahr preisgegeben sind, mit „Extremist“, „Utopist“, „Faschist“<br />
oder „Rote Socke“ betitelt zu werden, hat allein strategische Gründe, die Ausdruck eines<br />
einzigartigen Charakters bundesdeutscher Staatsräson im Vergleich zu anderen europäischen<br />
Demokratien sind. Diese Gründe rechtfertigen es bekanntlich, im Umgang mit Fragen der<br />
Geschichtspolitik oder des Demokratieverständnisses eher den moralischen Kreuzzugseifer als den<br />
Menschenverstand – Basis einer vitalen Demokratie – walten zu lassen. Ursache dafür ist ein im<br />
Nachkriegsdeutschland verordnetes Verständnis von Demokratie, welches einen Importartikel der<br />
Siegermächte mit vermeintlich unüberwindbarer Werteordnung – man erinnere sich an die<br />
Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes (Art. 79 Abs. 3 GG) – einpflanzte.<br />
Es wurde nicht der Versuch unternommen, den deutschen Politikbegriff in seiner 200jährigen<br />
Tradition aus sich selbst heraus, als gewachsenes Phänomen Mitteleuropas, zu verstehen. Deshalb<br />
hat sich dieser Begriff – verkörpert im Rufe des Grafen Stauffenberg vor seiner Hinrichtung: „Es lebe<br />
das Geheime Deutschland“ - nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 nicht<br />
freiwillig verabschiedet. Er ist vielmehr gezielt negiert worden. Zum einen, indem beispielsweise der<br />
politische Widerstand, der sich noch an der deutschen Staatsphilosophie orientierte, als potentiell<br />
„nationalistisch“ vorverurteilt wurde, zum anderen lag bereits vor Kriegsende ein Entwurf des<br />
künftigen deutschen Grundgesetzes nach amerikanischer Vorgabe im amerikanischen Geheimdienst<br />
(OSS/CIA) und im US-Außenministerium unter dem Titel „Der grundsätzliche Charakter eines<br />
zukünftigen deutschen Regierungssystems. Erster Entwurf, Report Nr. 3521.9, Dokument I.2“ vor.<br />
Demokratie als die Möglichkeit des Anders-Seins?<br />
So kam es, daß die bundesdeutsche Demokratie mit den Zusatzstoffen Kapitalismus, Parteienstaat,<br />
Westbindung, „Extremistenbeschimpfung“ sowie mit konditionierter wissenschaftlicher Risikoscheu<br />
ausgestattet wurde. Das konforme Denken jenseits dieses „Risikos“ ist dann eben in den<br />
„bürgerlichen Demokratien“ mit dem Konstrukt der vermeintlich erstrebenswerten „Mitte“ erfaßt<br />
worden. Diese gibt es aber als solche nicht. Armin Mohler schrieb einst über diese<br />
begriffskonstruktivistische Strategie innerhalb der bürgerlichen Demokratien und bezogen gerade auf<br />
das Nachkriegsdeutschland: „Krisensituationen machen immer deutlich, daß das politische<br />
Schwergewicht jenen Zeitgenossen zufällt, die aus tieferen Regionen motiviert werden – ob man sie<br />
nun als ‘Linke’ oder ‘Rechte’, ‘Konservative’, ‘Populisten’ oder was auch immer einstuft. Diesen<br />
Mangel haben die Liberalen immer wieder durch die Selbsternennung zur ‘Mitte’ auszugleichen<br />
versucht, über alle Rückschläge hinweg.“ Daß wir uns heute an einer krisenhaften Zeitenwende<br />
befinden, vermag niemand mehr überzeugend zu leugnen.<br />
200
Dennoch bemerken viele „Demokraten“ nicht, daß ein sich verabsolutierendes Modell von<br />
„Demokratie“ als unbedachter „Mittismus“, also als ein Streben der Parteien der absoluten<br />
politischen Mitte zu, äußert. Auf den Standpunkt kommt es also an. Allein, auctoritas non veritas<br />
facit legem, die Sieger von 1945 und nicht die historische Wahrheit sprach das Recht. So erklären sich<br />
die bereits bei der Gründung der Bundesrepublik 1949 angelegten Absurditäten der politischen<br />
Gegenwart. Wir haben es seitdem genau genommen mit einem Projektionsphänomen zu tun, das<br />
den politischen Feind nur einseitig verortet und den Spiegel der Selbstreflexion genüßlich<br />
zertrümmert hat. So erfolgte nach 1949 die Denunziation einer jeden Bezugnahme auf die deutsche<br />
Staatstradition strategisch im Rahmen der nicht ergebnisoffen verstandenen Ideologiegehalte<br />
„demokratisch“ und „freiheitlich“. Diese ergaben sich über die Auslegung der „freiheitlichdemokratischen<br />
Grundordnung“, also lediglich über die vorherrschende Interpretation derselben.<br />
Daß dies einer von den Grundgesetzvätern nicht beabsichtigten Ausschaltung des Denkens und einer<br />
Vereinseitigung gleichkommt, liegt auf der Hand. Die darin angelegte Reflexionshemmung legt sich<br />
heute wie Mehltau über den frei über unsere Republik noch nachsinnenden Menschenverstand.<br />
201
Demokratismus als Ideologie<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Montag, den 02. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das Konstrukt des „Extremismus“ ist nur eines davon. Es stellt ein Feindbild her, welches als solches<br />
nicht existierte, hätte man keine die dominanten Herrschaftsstrukturen immer wieder festigende<br />
Ideologie – eben die des „Demokratismus“, soweit er erstarrt ist und nicht auch andere<br />
Demokratiemodelle als realistisch oder erwägenswert betrachtet. Ideologie wurde in der<br />
Ideengeschichte häufig als Ansammlung von Halbwahrheiten ausgelegt. Ein Staat, der<br />
unvoreingenommen und ideologiefrei agieren möchte, muß versuchen, möglichst viel Wahrheit<br />
freizulegen.<br />
Um überhaupt von reifer Demokratie sprechen zu können, bedarf es heute einer Anerkennung der<br />
Offenheit des politischen Prozesses im Hinblick auf Geschichtsdeutung und Verfassungsauslegung.<br />
Die grundgesetzliche Ewigkeitsklausel (Art. 79 Abs. 3 GG) müßte durch eine konstruktive<br />
Entwicklungsklausel ersetzt werden, welche die freie Auseinandersetzung über das bisher noch nicht<br />
zur Verfassung gereifte Grundgesetz ermöglicht (Art. 146 GG). Nicht zuletzt könnte damit das<br />
gesamte nachkriegsdemokratische Paradox amtlich festgeschriebener Kriegsursachen,<br />
Alleinschuldiger, Geschichtsbilder, definierter Singularitäten, Parteiverbote und innerstaatlicher<br />
„Feinde“ sachlich aufgelöst werden.<br />
So fordert es auch die aus der klassischen deutschen Staatsphilosophie herrührende<br />
Sozialphilosophie von Johannes Heinrichs (geb. 1942), der bis 2002 Inhaber des Rudolf-Bahro-<br />
Lehrstuhls an der Humboldt-Universität zu Berlin war. Er trennt folgerichtig die Politik von der<br />
Ideologie, die Kultur von der Wirtschaft. Faktisch wirkt sich dieser Reformvorschlag so aus: Wir<br />
hätten ein gestuftes Kompetenzsystem aus vier unabhängig gewählten Parlamenten (Grundwerte,<br />
Kultur, Politik, Wirtschaft). Alle Sachsphären genießen eine legislative Autonomie bei gleichzeitiger<br />
Rückkoppelung im Gesetzgebungsprozeß. Der Effekt ist, daß die politische Sphäre ohne<br />
diskriminierende Begriffe gegenüber unliebsamen Erkenntnissen und Oppositionen auskommen<br />
müßte. Zudem ist die Wirtschaft nicht dominierendes Element gegenüber Politik und Kultur, sondern<br />
dienendes Teilsystem in einer Gesellschaft als sozialer Gemeinschaft. Das Ganze ist in der deutschen<br />
Tradition nach Hegel (1770-1831) mehr als die Summe der Teile. Jede der vier Ebenen erhält erst in<br />
Verbindung mit den anderen ihren Sinn – mit Blick auf das größere Ganze. Damit ist sowohl die<br />
Chancengleichheit für alle politischen Parteien (Art. 21 Abs. 2 GG) unabhängig von einem ideologisch<br />
orientierten „Verfassungsschutz“ besser gewährleistet, als auch die Reduzierung des Einflusses<br />
parteipolitisch motivierter „Allroundpolitiker“ auf kulturelle Belange.<br />
Trennung von Politik und Ideologie und von Kultur und Wirtschaft<br />
Trotz eines krisenhaften Zustandes der bundesdeutschen Demokratie und des deutschen Staates<br />
finden öffentlichkeitswirksam keine demokratie-kritischen Debatten statt. <strong>Blaue</strong>narzisse.de stellt<br />
dennoch kritische Fragen. Hier wird sich noch gefragt, welche Traditionen unsere Demokratie<br />
aufgreifen sollte und welche Verkrustungen Politik und Gesellschaft auflösen müssen.<br />
Man trüge dem Grundgesetz in seinem eigentlichen Anliegen Rechnung: Es kennt keine definierten<br />
„demokratischen Kräfte“, sondern nur das Recht auf Meinungsfreiheit. Auch hier zeigt sich die<br />
Notwendigkeit der Trennung von Staat und exzessiver sprachlicher Ideologie. Diese Trennung als<br />
abendländische Errungenschaft wird durch staatliche Praktiken gering geschätzt, die selbst den<br />
Boden des freien Willensbildungsprozesses durch willkürlich anwendbare Phantomwörter wie<br />
202
„extremistisch“ verlassen. Solange das in unserer halbmodernen „Demokratie“ möglich ist, befindet<br />
sie sich im Stadium eines soeben – 1949 – gelegten Eies, aus welchem sie erst noch schlüpfen muß,<br />
um den demokratischen Selbstanspruch nach Ergebnisoffenheit zu verwirklichen.<br />
Der Scheideweg deutet hier an, daß es – soweit gewollt - die Möglichkeit und die Theorie zur<br />
konstruktiven Entwicklung gibt. Ein solches politisches System höherer Logik kennt keinen Einfluß<br />
von Parteipolitikern auf die Nominierung von Autoren bei der von einer unabhängigen Jury<br />
vorgenommnen literarischen Preisverleihung wie im Frühjahr <strong>2006</strong> beim Fall Peter Handke. Der<br />
Wahlkampf wäre von den Interessen der lediglich erlesene Parteien stützenden Konzerne befreit und<br />
zugunsten umfassender Wahloptionen versachlicht. Dies bedeutet zudem, daß künftig auf<br />
ideologisch motivierte innerstaatliche Feindbestimmungen, wie sie nur der Religionsstaat des<br />
Mittelalters im Definieren von „Ketzern“ kannte, zu verzichten ist. Die brennenden Scheiterhaufen<br />
haben wir überwunden. Die sozialen Scheiterhaufen gibt es in der Bundesrepublik noch zur Genüge –<br />
man denke an den Fall Filbinger oder Hohmann. Die in politischen Stiftungen sitzenden Initiatoren<br />
dieser Feindbestimmungen merken nicht, daß sie ihrer eigenen Ideologie aufsitzen, die zugunsten<br />
demokratischer Sachlichkeit überflüssig würde. Sie selbst werden womöglich zu befürchten haben,<br />
eines Tages arbeitslos aufzuwachen und plötzlich „Nazi“ zu sein, ohne es gemerkt zu haben, weil der<br />
Anwendungsbereich ihres Extremismus-Begriffes so groß und willkürlich war, daß man diesen auch<br />
auf sie selbst anwenden kann. Wer kennt nicht den goetheschen Zauberlehrling, der die selbst<br />
gerufenen Geister nicht mehr los wird?<br />
Soziale Scheiterhaufen, auf denen die Unliebsamen brennen<br />
Es scheint, als sei die deutsche Staatsphilosophie selbst der lösende Schlüssel zum Dilemma des<br />
nachkriegdemokratischen Paradoxes, der die Tür zur Befreiung vom Konfessionsstaat zu öffnen<br />
geeignet ist. Vitalität und Reife, Sachlichkeit und Dynamik, differenzierte Staatsführung und<br />
skeptischer Geist gegenüber allen Begriffen und Ideologien waren die Leistungen dieses Demokratie-<br />
Begriffs. Darin besteht damals wie heute für die Deutschen die traditionelle politische Redlichkeit<br />
und ihr gesunder Menschenverstand, der wesentlich philosophisch begründet ist.<br />
203
Veränderbarkeit des Staates und der Demokratie<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Montag, den 02. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der sozialdemokratische Staats- und Völkerrechtslehrer Prof. Dr. Carlo Schmid hat in seiner<br />
Grundsatzrede vor dem Parlamentarischen Rat vom 8. September 1948 die Gefahren einer<br />
Mißachtung der deutschen Tugenden im Verständnis von Demokratie für die Gegenwart erahnt und<br />
den Deutschen den Artikel 146 GG an die Hand gegeben. Dieser setzt die Schaffung einer „freien“<br />
anstelle einer „freiheitlichen“ Verfassung als permanenten Gestaltungsauftrag bis heute fest.<br />
Hat es bisher die politische Praxis nötig, sich in meterweise Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien<br />
als die „freiheitlichste Ordnung auf deutschem Boden“ proklamieren zu lassen, anstatt den Bürger<br />
aus praktischer Erfahrung heraus selbst zu dieser Erkenntnis kommen zu lassen, so liegt die<br />
Entscheidungsgewalt über die Verfassung nach Schmid unverändert beim Souverän – dem Volke<br />
selbst.<br />
„Die Erlebnisgehalte bilden den Menschen, nicht das Schulpensum“ - schrieb der konservative<br />
Revolutionär Edgar J. Jung (1894-1934) in seiner soeben wieder erschienenen Schrift „Sinndeutung<br />
der deutschen Revolution“. Und hörten wir vor 18 Jahren in der DDR, daß den Sozialismus in seinem<br />
Lauf „weder Ochs noch Esel“ aufhalte, so ist es heute trotzdem immer noch modern und vorteilhaft,<br />
sich als guten „Demokraten“ zu bezeichnen und beim „Kampf gegen den Extremismus“ mit der bei<br />
Aldi schnell besorgten Kerze ganz vorn zu stehen. In den folgenden 18 Jahren werden sich analog<br />
dazu die Verhältnisse soweit verändert haben, daß dann bei sich als reif ansehenden Menschen, die<br />
heute von der Denunziation und ihrem monologen Begriff von „Demokratie“ leben, die pure Scham<br />
angesichts ihrer heutigen Naivität übrig bleibt.<br />
Trotz eines krisenhaften Zustandes der bundesdeutschen Demokratie und des deutschen Staates<br />
finden öffentlichkeitswirksam keine demokratie-kritischen Debatten statt. <strong>Blaue</strong>narzisse.de stellt<br />
dennoch kritische Fragen. Hier wird sich noch gefragt, welche Traditionen unsere Demokratie<br />
aufgreifen sollte und welche Verkrustungen Politik und Gesellschaft auflösen müssen.<br />
Undogmatische Offenheit sollte also als historische Lehre gelten, denn das Beispiel DDR stimmt<br />
nachdenklich. Die Implosion der DDR bestätigt die Aktualität systeminnerer Starre, die im Gegensatz<br />
zu wandelbarer gesellschaftlicher und geistiger Dynamik steht. Dogmatische Repression konnte den<br />
Untergang nicht abwenden. Im Gegensatz zur gebotenen Versachlichung hielt die SED-Führung noch<br />
auf der 7. Tagung des Zentralkomitees im Dezember 1988 an ihrem dogmatischen Kurs fest. Die<br />
Vitalität der deutschen Staatsphilosophie betont an dieser Stelle im Sinne des Berliner<br />
Staatsphilosophen Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) das Bewußtsein einer auch denkbaren und<br />
heute mehr denn je realen staatlichen Unvernunft. Ist als Ausdruck derselben die Ideologie eine<br />
Hauptgarantie der inneren Konsistenz der Macht, wird sie zugleich auch zu einer immer<br />
bedeutenderen Garantie ihrer Kontinuität. So erklären sich die medialen Phänomene, die<br />
zunehmenden ideologischen Feindbestimmungen („rechts“, „links“, „extremistisch“, „terroristisch“<br />
etc.). So erklärt sich auch das Ausschlachten vereinzelter „fremdenfeindlicher“ Vorfälle, ihr<br />
Übertragen auf die Gesamtsituation mit einem vermeintlich allgegenwärtigen Bedrohungspotential<br />
durch „Extremisten“. Ohne die Ideologie der Demokratie, die vorgibt, nicht „ideologisch“ zu sein,<br />
wären solche Fälle nicht möglich. Fichte schrieb 1792 über den Staat: „Er darf sich nicht die<br />
Entscheidung über Wahrheit und Irrtum anmaßen, (…), er darf die freie Untersuchung nie hindern.“<br />
204
Extreme nicht mit Extremen vergelten<br />
Ein wirklich kritischer und zivilcouragierter Blick auf die Gegenwart muß also erkennen, daß das<br />
politische System in Deutschland niemals an „Extremisten“ oder anderen Feindbildern krankt,<br />
sondern daß es diese Feindbilder selbst konstruiert, wenige reale Fälle zum Anlaß einer allgemeinen<br />
Gefahrenproklamation benutzt, um sich kontroverses und gleichwohl komplexeres Denken vom<br />
Halse zu halten, welches aufkommt, weil gerade diese politische Praxis immer rabiater wird und das<br />
politische System seine eigene Negation geradezu maßgeschneidert immer neu erschafft. Wir haben<br />
es also nicht mit einem Phänomen zu tun, das konjunkturell oder finanziell z.B. im „Kampf gegen<br />
rechts“ behebbar, sondern strukturell im System angelegt ist.<br />
Übrig bleibt aus dieser Sicht der Dinge kein „Extremist“, sondern eine legitime politische Opposition,<br />
ein junger Mensch, ein besorgtes oder gar frustriertes Individuum, das sich reife Gedanken über die<br />
Politik macht. Diese Gedanken – gleichgültig welcher Couleur – müssen zunächst ernst genommen<br />
werden. Eines gehört dabei bedacht: Die Macher des „Extremisten“ interpretieren eigene<br />
Minderwertigkeitskomplexe und persönlichen Haß in ihre Schöpfung hinein. Wie sonst sollten sie<br />
etwas verabscheuen, wenn nicht in ihnen schon davor die Disposition dazu vorhanden war, etwas<br />
verabscheuen zu wollen und zu können. Die Projektionslogik – das dialogische Verhältnis der<br />
Phänomene zueinander als Bestandteil der klassischen deutschen Philosophie – entlarvt hier<br />
erstaunlich, daß die „Extremisten“ die selbst erschaffenen Abbilder der Fehlbarkeiten ihrer Macher<br />
sind. Dieses Prinzip hält dem Staat den Spiegel vor. Er wird selbst potentieller Extremist im Spiegel<br />
seiner eigenen Ideologie und gibt offenbar die Verantwortung ab, anstatt den aufrechten Weg zu<br />
gehen und einen Scheideweg der Demokratie zu erkennen, der das Potential des alternativen<br />
Umgangs mit politischen Phänomenen in sich birgt.<br />
Diese Erkenntnisse zur Grundlage moderner politischer Wissenschaft zu machen würde bedeuten,<br />
ein leistungsfähiges und wandelbares politisches Systemdenken zu begründen, das die Verwerfungen<br />
der Gegenwart überwindet. Es wurzelt in der deutschen Staatsphilosophie und ist die sinnvollste<br />
Lehre aus der Geschichte, die – wie bisher - Extreme nicht mit Extremen vergilt.<br />
Deutsche Demokratie bleibt Gestaltungsauftrag<br />
Der Scheideweg also, vor dem die deutsche Demokratie steht, stellt sich am Ende konkret als solcher<br />
dar, entweder das Paradox einer einmaligen nachkriegsdemokratischen Praxis zu überwinden und<br />
sich dem im Grundgesetz verankerten Gestaltungsauftrag zu stellen oder aber sich dem Problem des<br />
ideologielastigen und von geistiger Herkunftslosigkeit zehrenden Systemerhalts bis zum bitteren<br />
Ende wie in der DDR auszuliefern. Diese Weggabelung begründet zugleich die Unterscheidung<br />
zwischen einer Orientierung am abstrakten Begriff „Demokratie“ oder aber seiner umfassend weil<br />
geistig gelebten Realität.<br />
Die deutsche Philosophie gibt dafür heute mehr denn je zu bedenken, was Rudolf Pechel (1882-1961)<br />
als Herausgeber der Schriften der „Konservativen Revolution“ und als Publizist bei der „Deutschen<br />
Rundschau“ bis hinein in die frühe Bundesrepublik ähnlich zu betonen nicht müde wurde: Faschismus<br />
oder Demokratie, Kollektivismus oder Individualismus, Sozialismus oder Liberalismus – das alles sind<br />
dieselben Schlagworte, wenn der Mensch, der sich dieser Begriffe bedient, immer der gleiche bleibt<br />
und nur den Mantel seiner Sprache oder seines Regimes wechselt, ohne diese Begriffe mit<br />
konkretem – nationalem, gelebtem oder kulturellem - Inhalt zu füllen. Der Anspruch auf<br />
vermeintliche Ideologiefreiheit war schon immer die größte und eigentliche Ideologie, die sich einst<br />
als Importartikel dem geistig reiferen Mitteleuropa aufdrängte. So ist in Deutschland traditionell der<br />
ideologische Parteienstaat nicht die Antwort auf die große Frage der Freiheit und der Aufklärung. Der<br />
205
aufklärende und erneuernde - eben risikobewußte - Freiheitsakt steht jenseits lediglich zeitlich<br />
gebundener Vorteile und Vorurteile noch aus.<br />
206
Ernst Jünger: Strahlungen.<br />
Geschrieben von: Karsten Kleber<br />
Donnerstag, den 05. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Ernst Jünger war nicht nur Krieger, politischer Denker und Literat, sondern auch ein äußerst scharfer<br />
Beobachter, der beinahe zeitlebens Tagebücher mit Reflexionen, Meditationen und Erlebnissen<br />
füllte, die für mehr als ein Leben gereicht hätten. Die „Strahlungen“, seine Tagebücher von 1941-45,<br />
erstmals 1949 erschienen, sind, wenn man sich darauf ausrichtet, wiederkehrenden Motiven<br />
nachzuspüren und in Jüngers hochindividuelle Prosa einzutauchen, eine fesselnde Lektüre. Sie<br />
bestehen aus einem „Ersten Pariser Tagebuch“, dem Niederschlag eines Intermezzos im Kaukasus<br />
(„Kaukasische Aufzeichnungen“), einem „Zweiten Pariser Tagebuch“ und schließlich den ersten der<br />
„Kirchhorster Blätter“, verfaßt nach Jüngers Entlassung aus dem Militär.<br />
Jünger begleitet als Beobachter den Verlauf des Krieges mit einer glasklaren Bewußtheit, dem Wissen<br />
um die Unausweichlichkeit der Katastrophe, was ihn bisweilen auch zu übertriebenen<br />
Prophezeihungen treibt. So ist seine innere Verfassung in diesen Jahren allgemein eine des<br />
Schmerzes. Den Bemühungen, eine geistige Existenz in der „Feuerwelt“ aufrechtzuerhalten, widmet<br />
er in seinem Tagebuch breiten Raum – hierhin gehört auch die luxuriöse Oberfläche seines Pariser<br />
Lebens von 1941-44 mit der Unterbrechung des Einsatzes im Kaukasus, das sich wieder und wieder<br />
als Tanz auf dem Vulkan offenbart. Auch die Nähe des Abgrundes ist Jünger ununterbrochen bewußt,<br />
und seine Schilderungen von Beinahe-Zusammenstößen mit Protagonisten des<br />
nationalsozialistischen Regimes lassen den Leser bisweilen erschaudern, gerade wenn sie im Umfeld<br />
der Kontakte erfolgen, die Jünger zu den Kreisen der Verschwörer des 20. Juli pflegte. Um so<br />
beeindruckender ist die Prinzipienfestigkeit und Geradlinigkeit, mit der Jünger, sich geistig und<br />
geistlich in häufigen Meditationen für das Schlimmste wappnend, die stürmische See jener Jahre<br />
befährt.<br />
Jünger beobachtet einen gefährlichen Tanz nahe dem Abgrund.<br />
Abseits von dieser Generallinie sind in den Text immer wieder Aperçus und Gedankensplitter von<br />
größter Schärfe und Brillanz eingeschaltet. Ob sich Jünger zum Verhältnis der Geschlechter, zum<br />
rechten Literaturgenuß oder schlicht zum Wesen des Spiegels äußert, stets kann man gerade den<br />
knappsten Gedankengängen bemerkenswerte, quasi kondensierte Erkenntnisse entnehmen.<br />
Es tritt dem Leser in diesem Buch ein führender literarischer Kopf gegenüber, der trotz oder, wie zu<br />
vermuten ist: vielmehr wegen seiner nationalrevolutionären Vergangenheit keinem der<br />
ideologischen Sirenengesänge seiner Zeit, gleich von welcher Seite sie ausgehen mögen, sich<br />
zuzuneigen bereit ist. Jünger exemplifiziert damit auf beeindruckende Weise den Satz Kierkegaards,<br />
daß der Einzelne in letzten Hinsichten höher ist als das Allgemeine (hier vertreten durch den Staat<br />
und die totalitäre Gesellschaft).<br />
Eine prominente Stelle in den Tagebüchern nehmen Aufzeichnungen von Träumen, dazu magische,<br />
okkulte Überlegungen im weiteren Sinne ein, und hier muß man dem Weltbild und<br />
Literaturverständnis Jüngers seinen Entfaltungsraum lassen, auch wenn sich geschmackliche oder<br />
erkenntnistheoretische Bedenken anmelden sollten. Es beeindrucken etwa Träume, die den Tod des<br />
Vaters ein Jahr zuvor ankündigen oder gleichnishaft die Lage des Abendlandes in den Strudeln des<br />
Krieges anzeigen. Überhaupt ist Jüngers Zugriff auf seine Träume faszinierend; man wünscht sich, mit<br />
einer ähnlichen Gabe versehen zu sein.<br />
2<strong>07</strong>
Magische und okkulte Momente träumt er …<br />
Eindrucksvoll ist die Bildung, die Belesenheit, die Kultiviertheit der Zeitgenossen, mit denen Jünger<br />
vor allem in Paris verkehrt und mit denen er Möglichkeiten einer deutsch-französischen<br />
Verständigung auslotet. Die Personen, mit denen man durch das Tagebuch allmählich vertraut wird,<br />
geben das Bild einer geistigen Elite, die in groteskem Gegensatz zu dem totalitären Charakter der<br />
damaligen Politik steht und die Tragik der Geschehnisse zwischen 1914 und 1945 erahnen läßt. Noch<br />
maßgeblicher ist die Erkenntnis, was wir dadurch und seitdem an menschlichen und geistigen<br />
Reichtümern verloren haben.<br />
… und bewahrt dennoch seinen bestechenden Blick auf die Realität.<br />
Ein letzter Höhepunkt von Intimität mit dem Autor wird erreicht mit den Notizen zum Tode des<br />
Sohnes Ernstel, der im November 1944 fiel. Der Schmerz des Vaters ist ergreifend. Seine Frau mit<br />
einbeziehend, schreibt er am 14. Januar 1945: „Wir traten nun auch in die wahre, die einzige<br />
Gemeinde dieses Krieges ein, in seine geheime Brüderschaft.“<br />
Eine Stimme aus dem Weltenbrand des 20. Jahrhunderts, ein Buch, das Naivitäten beseitigt und<br />
simple Interpretationsschemata abblättern läßt. Es will mit Geduld und wachem Geist gelesen sein,<br />
dann prägt es dem Leser eine scharfe Rißzeichnung des Autors in die Erinnerung.<br />
208
"Revolution und Fotze"<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 05. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Ein junger Rechter hat es wirklich schwer. Die Lehrer mögen ihn nicht, versuchen ihm, im<br />
Geschichtsunterricht ein falsches Bewußtsein für seine Nation zu vermitteln, und seine Freunde<br />
würdigen seine Wertvorstellungen, seinen Sinn für Ordnung und Anstand, nicht. Und der junge<br />
Rechte von heute hat noch ein Problem: ein Motivationsproblem. Während der junge Linke für<br />
„Revolution und Fotze“ (Dávila) kämpft und poppt, bleiben für den Rechten nur die langweiligen<br />
Zeitvertreibe übrig.<br />
Gegen Dekadenz und Wertewegfall zu kämpfen, gehört wohl zu den am schwierigsten<br />
umzusetzenden politischen Zielen. Es ist unpopulär, immer den Moralapostel spielen zu müssen. Wer<br />
der eigenen Klientel sagen muß, daß der eingeschlagene Weg; wenn er überhaupt jemals erfolgreich<br />
sein sollte; langwierig und mühsam ist, hat schlechte Karten in einer reizüberfluteten und<br />
schnellebigen Zeit.<br />
Devise für den jungen Linken: Revolution und Fotze. (Nicolás Gómez Dávila<br />
in: Einsamkeiten)<br />
Linker Utopismus, aufgesetzte Lässigkeit und der dem ersten Anschein nach selbstlose Einsatz für die<br />
Schwachen in der Gesellschaft wirken da schon peppiger als ein angestrengtes rechtes Denken.<br />
Wohl deshalb ahmen die braunen Sozialisten von der NPD und ihrer Jugendorganisation die<br />
Verhaltensweisen der jungen Linken nach. „Frei, Sozial und National“ grölend, Wände mit rechten<br />
Parolen beschmierend und schlechte, aber revolutionär aufgemachte Flugzettel anonym vertreibend,<br />
versuchen die „freien Kräfte“ die nationale Revolution vom Zaun zu brechen. Die Fotze fehlt den<br />
meisten jungen nationalen Revolutionären, die zu Großteilen aus den frauenunterversorgten<br />
Regionen Mitteldeutschlands stammen, dennoch.<br />
Die braunen Sozialisten sind links: Die Revolution wollen sie, die Fotze<br />
fehlt ihnen.<br />
„Revolution und Fotze“ sind populär; sie gehen konform mit der Popkultur, die es schafft Menschen<br />
– egal, ob rechts oder links – zu binden. Mainstream-Jugendliche und nationale Rebellen erliegen<br />
jeweils den Eigenarten ihrer Popkultur. Freie Geister hingegen hadern, suchen, verwerfen Optionen<br />
und sehen irgendwo Ansätze in gegenwärtigen Strömungen der Kultur. Meist können sie sich nur für<br />
verstorbene Künstler und Intellektuelle begeistern.<br />
Und die linken Möchtegern-Freigeister? Tote Künstler und Intellektuelle – abgesehen von Marx und<br />
Che Guevara – interessieren sie weniger. Mit Krawallmusik von unbegabten Proleten mit E-Gitarre<br />
können sie schon eher etwas anfangen.<br />
Die Linken machen es richtig. Sie nehmen ihr Recht auf jugendliche Freiheit wahr und leben ihre<br />
revolutionäre Romantik in vollen Zügen aus. Die Jugend ist eben jene Phase, wo man verdorben und<br />
idealistisch für die sexuell befreite, kommunistische Diktatur des Proletariats Steine werfen darf. Mal<br />
ehrlich, eigentlich hätten wir doch alle so eine schöne folgenlose Jugend wie die Joschka Fischers,<br />
Jürgen Trittins und Uschi Obermaiers gerne genossen. Nicht wahr? Auch der sonst so zugeknöpfte<br />
ehemalige Finanzminister Hans Eichel; der Name verheißt einiges; hat bei Sabine Christiansen<br />
ausgeplaudert, zu alten 68er-Jugendzeiten fröhlich Joints geraucht zu haben. Wie cool.<br />
209
Linke Möchtegern-Freigeister dürfen auch mal Steinchen werfen.<br />
Den Rechten bleibt, sofern sie in der Bündischen Jugend organisiert sind, der Abenteuerrausch, bzw.<br />
den Verbindungsstudenten bleibt der Alkoholrausch, aber der ist bestimmt in 10 Jahren ebenso<br />
„out“ wie heimliches Rauchen mit 14 auf dem Schulhof.Es ist eine mysteriöse Eigenart des<br />
Menschen, daß bei ihm – trotz einer grundsätzlichen Ablehnung – eine unterschwellige Sympathie<br />
für Zustände der Regel- und Normenlosigkeit mitschwingt. Auch wenn der Mensch ein dauerhaftes<br />
Chaos ablehnt, so wünscht er sich doch insgeheim hin und wieder einen stimulierenden Tabubruch.<br />
Das Spiel mit diesen Tabubrüchen beherrschen junge Linke perfekt. Und ihnen verzeiht man es auch,<br />
wenn sie sich auf Gleisen anketten, um die liebe Umwelt zu retten oder wenn sie Steinchen für die<br />
Rettung der armen Menschen in der Dritten Welt werfen.<br />
Das Spiel mit dem Tabubruch: Die Linken beherrschen es perfekt.<br />
Aus Tabubrüchen können kleine und große Motivationen gezogen werden. Die Motivation diesen<br />
Artikel zu lesen, lieferte dir sicher die Überschrift, die Bebilderung und die damit verbundene<br />
Hoffnung, in diesem theoretisierendem; also langatmigem; Onlinemagazin einmal etwas<br />
Schmuddeliges und Tabubrechendes zu finden.<br />
210
Menetekel Afghanistan: Der Krieg, der nicht zu gewinnen<br />
ist.<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Montag, den 09. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Deutsche Soldaten stehen heute in Georgien, Usbekistan, Bosnien, im Kosovo und auch in<br />
Afghanistan. Der Afghanistan-Einsatz gilt als besonders umstritten, da alle Rechtfertigungen für den<br />
Afghanistan-Einsatz klingen unglaubwürdig klingen. Unmittelbar nach dem Anschlag vom 11.<br />
September 2001 galt der Einsatz als befristete Anti-Terrormaßnahme gegen Al Qaida, doch bald<br />
wurde klar, dass Al Qaida ohne die Entmachtung der Taliban nicht auszuschalten war.<br />
Hierfür forderten die Amerikaner deutsche Soldaten an, und da die USA gleichzeitig für den<br />
unpopulären Einmarsch in Irak zu werben begannen, geriet die Bundesregierung unter Druck. Die<br />
Rede von „kompensatorischen Bündnisverpflichtungen“ kam auf: ein deutsches „Nein“ zur<br />
Beteiligung am Irakkrieg ohne UN-Mandat gegen ein „Ja“ zum UN-mandatierten Afghanistan-Einsatz.<br />
Angesichts der realistischen Optionen der Bundesregierung erschien dies als durchaus kluges<br />
Manöver. Und dennoch sieht die Lage in Afghanistan finsterer aus, als es sich die politischen und<br />
militärischen Strategen vor einigen Jahren gewünscht hatten. Der Afghanistan-Einsatz gerät zu einer<br />
„Mission Impossible“.<br />
Mit diplomatischen Schachzügen lässt sich eine wankelmütige Öffentlichkeit nicht dauerhaft für<br />
einen riskanten und teuren Krieg gewinnen. Und so begann der rhetorische Eiertanz der<br />
Bundesregierung: mal sollte Afghanistan die Demokratie gebracht werden, dann war es die Befreiung<br />
der afghanischen Frau von Burka und Tschador, dann die Beschulung der Nomadenkinder in<br />
Peshawar oder der Brunnenbau in Helmand. Angesichts der Kluft zwischen den hehren Zielen im<br />
Westen und der realistischen Lage vor Ort witzelten Konservative über „Frauenparkplätze in<br />
Afghanistan“.<br />
Frauenparkplätze in Afghanistan?<br />
Die Afghanen werfen ihre Identität nicht so einfach weg. Afghanistan – das Wort suggeriert, daß es<br />
ein Land namens Afghanistan und ein Volk namens Afghanen gäbe. Und wo es Land und Volk gibt,<br />
dort sollte es auch Gemeinwesen und Bürgersinn geben. All dies sind westliche Konzepte, deren<br />
Vorraussetzungen in Afghanistan fehlen. Afghanistan ist de facto kein Staat, kein Volk und kein Land.<br />
Afghanistan – das sind mehrere Dutzend Nomaden-Stämme, Ethnien und Religionsgruppen, die seit<br />
Jahrhunderten bitter verfeindet sind. Sie kämpfen um Weideland, um Ackerboden für Schlafmohn,<br />
um Gebirgspässe und Wasserquellen. Die Hauptstadt Afghanistans, Kabul, haben die meisten noch<br />
nicht einmal auf Bildern gesehen. Es gibt keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsame Religion und<br />
keine gemeinsame Geschichte. Am besten versteht man Afghanistan als das unzugängliche<br />
Gebirgsland, daß von den Nachbarstaaten nie erobert werden konnte und deshalb wie ein wilder<br />
Puffer, wie freies Land, zwischen den Grenzen der Nachbarn liegt.<br />
Westliche Politologen sprechen in ihren Analysen der Situation vor Ort von Staatszerfall, um zu<br />
begründen, warum die „frei gewählte Zentralmacht in Kabul” über keinerlei Einfluss im Land verfügt.<br />
Aber auch das trügt. Denn Afghanistan hatte nie einen funktionierenden Staat. Das Konzept “Staat”<br />
gab es hier noch nie.<br />
Wohlmeinende Westler begründen die Konflikte zwischen den ethnischen Gruppen mit der<br />
Traumatisierung, die die 20 Jahre Krieg gegen die sowjetischen Besatzer und die 10 Jahre Bürgerkrieg<br />
211
nach dem Abzug der Russen verursacht hätten. Selbst das greift zu kurz. Ohne Zweifel sind viele<br />
Menschen in Afghanistan traumatisiert. Aber das Konzept ‚Traumatisierung’ suggeriert, daß es einen<br />
friedlichen Urzustand vor dem Triumphzug der Taliban 1993 oder dem Einmarsch der Russen 1979<br />
oder den drei Invasionen der Briten gegeben hätte.<br />
Afghanistan ist kein Staat und die Afghanen sind kein Volk.<br />
Die historischen Dokumente über Afghanistan legen nahe, daß es sich um eine Geschichte voller<br />
gewalttätiger Auseinandersetzungen, Stammesfehden und Revolten handelt. Das kulturelle Gewebe<br />
der Ethnien des Gebirgslandes ist durchtränkt mit den Mythen von Krieg und Kampf. Die Lieder und<br />
Gedichte, die die Nomadenhirten abends am Feuer singen, erzählen von ruhmreichen Kämpfen<br />
gegen die Nachbarstämme. Kinder wachsen auf mit dem Bild mythischer Stammeshelden, die sich<br />
das Weideland ihrer Väter erkämpfen. Kein Wunder, daß die ‚Mediatoren’ der westlichen zivilen<br />
Aufbauhelfer und Hilfsorganisationen oft auf Unverständnis unter den Stammesältesten treffen.<br />
Ein historischer Blick auf das westliche Engagement in Afghanistan sagt mehr über die globalen<br />
westlichen Ambitionen aus als über die Afghanen. Diese Ambitionen verkennen die Eigenarten der<br />
Stämme Afghanistans. Das Zusammenleben der Stämme Afghanistans organisiert sich nicht in der<br />
gleichen Weise wie in westlichen Zivilgesellschaften.<br />
Erfolglose Transplantationen von Ideologien<br />
Die britischen Invasoren hofften 1839-42, dass englische Imperialmodell transplantieren zu können,<br />
was so erfolgreich in Indien und Afrika praktiziert wurde. Indem man die lokalen Eliten mit Protz und<br />
Pomp und britisch-imperialen Weihen versah, hoffte man, sich die Sympathien des einfachen<br />
Nomadenvolks erkaufen zu können. Das Konzept funktionierte allerdings nur in Kabul, und auch hier<br />
nur sehr kurz. Nicht alle Nomadenfürsten ließen sich kaufen; zu stark war die kulturell tradierte<br />
Feindschaft der Stämme untereinander. Von der 30.000-Mann starken, britischen Invasionsarmee<br />
überlebte nur ein einziger den Feldzug des Empire.<br />
Afghanische Frauen in BurkaDie Sowjetunion, die ähnlich wie die NATO „auf Einladung der Regierung<br />
in Kabul” 1979 einmarschierte, hing der marxistischen Doktrin an. Nur gab es keine Industrie in<br />
Afghanistan, und somit auch kein Proletariat. Kein Problem für die Ideologen im Kreml; man erfand<br />
kurz den Begriff der “Unterdrückten”. Die Unterdrückten – das waren die Frauen, die Hirten und die<br />
Armen. Da nach Marx Religion “lediglich Opium für das Volk” war, müsse man lediglich den Einfluss<br />
der „reaktionären” Priesterkaste auf das Volk und der Stammesfürsten als „Ausbeuterkaste”<br />
eliminieren, um genug Loyalität in der Bevölkerung zu gewinnen. Wenn sich junge Männer dennoch<br />
lieber den islamischen Lehren zuwandten, so konnte das nur soziale Ursachen wie Armut und<br />
Bildungsmangel haben. Deshalb bauten die Sowjets Schulen, Brunnen und den prestigeträchtigen<br />
Großstaudamm Kadschaki, der bald ein Viertel Afghanistans mit Strom versorgen sollte. Doch der<br />
Islam war für junge Afghanis das interessantere Konzept als die vagen Fortschrittsversprechen der<br />
fremden Invasoren.<br />
Heute hängt die westliche Entwicklungstheorie dem Subsidiaritätsprinzip an. Man hofft,<br />
zivilgesellschaftliche Selbstorganisation westlicher Gesellschaften in das gebirgige Hochland von<br />
Afghanistan transplantieren zu können. Nach wie vor sieht man die Wurzeln der Gewalt vorrangig in<br />
ungelösten sozialen Problemen und Bildungsmangel. Aber von Großprojekten, wie sie noch die<br />
Sowjets planten, hat man schon aus wirtschaftlichen Erwägungen Abstand genommen. Heute zählt<br />
man eher auf kleinteiligen Brunnen- und Straßenbau, auf säkulare Dorfschulen, auf Mikrokredite und<br />
auf ‚Mediation’ – auf friedliche Lösungen der Konflikte um Weide- und Ackerland. Das<br />
212
Subsidiaritätsmodell entspricht den Bedingungen vor Ort besser, vernachlässigt aber dennoch die<br />
aufgebaute und gewachsene eigene Identität der Afghanis.<br />
Das Oktroyieren fremder Identitäten scheitert regelmäßig in Afghanistan.<br />
Den zunehmenden Einfluss der Taliban, die die stillschweigende Sympathie vieler Clans genießt,<br />
bekommen auch deutsche Soldaten zu spüren. Ulrich Klose, außenpolitischer Sprecher der SPD-<br />
Fraktion im Bundestag, meint dennoch, daß die freien und demokratischen Wahlen die<br />
Zentralregierung in Kabul legitimiert hätten. Die Annahme, es reiche aus, leseunkundige Viehhirten in<br />
den Gebirgsdörfern Afghanistans Zettel in Wahlurnen werfen zu lassen, um die uralten<br />
Stammesfehden zu schlichten, ist absurd.<br />
Westliche Strategen sollten sich fragen, was die Konsequenzen des Scheiterns der ISAF-Mission sein<br />
werden. Denn daß die Mission scheitert, ist heute schon sicher. Was es für das Selbstverständnis<br />
junger Muslime in den Städten Westeuropas bedeutet, wenn die Barfußkrieger der Taliban die NATO,<br />
das „mächtigste Militärbündnis der Geschichte” aus dem Felde schlagen, darüber möchte man lieber<br />
nicht spekulieren.<br />
213
Die Geschichte vom Expat<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Dienstag, den 10. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Expats nisten sich in billigen, heruntergekommenen Altbauten ein. Expat – das Wort ist neu in<br />
Deutschland, doch wir werden es öfter hören. Expat ist amerikanischer Slang und steht für Expatriate<br />
(lateinisch: ex – aus; patria – Vaterland), dem aus seinem Vaterland Ausgewiesenen. Das Wort ist ein<br />
Passivum; es betont die Unfreiwilligkeit der Ausreise. Im Gegensatz zum deutschen<br />
Heimatvertriebenen wohnt dem amerikanischen Expat eine politische Bedeutung inne.<br />
Heimatvertrieben wurden Deutsche, weil sie Deutsche waren. Expats gehen freiwillig, weil sie mit<br />
den politischen Umständen unzufrieden sind, betonen aber den Zwang.<br />
Der Expat bezeichnet gleichzeitig einen amerikanischen Typus, einen Lebensstil, eine Aura. Expat<br />
Literature ist ein amerikanisches Literaturgenre. Der Urtyp des amerikanischen Expats ist Ernest<br />
Hemingway. Das Genre, der Urtyp und seine Aura beruht auf der Spannung zwischen zwei Polen,<br />
zwischen denen der Expat agiert und Gespanntheit verkörpert. Der Expat ist die amerikanische<br />
Version des Bohemiens. Nur versieht der Expat die Pole mit einer räumlichen Konnotation.<br />
Der klassische Bohemien, zu deutsch Müßiggänger, ist männlich, intellektuell, studiert, geliebt, aus<br />
guten Verhältnissen, großbürgerlich, viril – und gleichzeitig gescheitert, ein Trinker, verarmt, mit<br />
wechselnden Affären und einem ausschweifenden Nachtleben. Nur deshalb ist er interessant. Kein<br />
Mensch würde Bücher über Säufer lesen. Aber das Buch verkauft sich, wenn der Säufer reich ist,<br />
Hölderlin zitiert, den bürgerlichen Kanon teilt und noch in seiner Verworfenheit auf das bürgerliche<br />
Wertesystem rekuriert.<br />
Stilvolle Trinker und kosmopolite Müßiggänger<br />
Der europäische Bohemien wird zum amerikanischen Expat, wenn er in Amerika reich und bürgerlich<br />
ist und in Europa ein gebildeter Säufer. Der typische Expat ist Abgänger eines teuren Colleges. In der<br />
klassischen Expat-Narrative erwartet seine Umgebung von ihm ein bürgerliches Leben. Doch er<br />
flüchtet vor den Erwartungen und aus der sauber-weißen Vorstadtvilla in Connecticut. Er wird<br />
vertrieben von der Odnis des vorgezeichneten Lebens, und entflieht in die Großstädte Europas, wo er<br />
ein kleines Mansardenzimmer in einem verfallenden Altbau bewohnt; stilecht über einem Bordell;<br />
und dichtet oder an einem Roman arbeitet, den trockenen Rotwein immer neben sich. Hier leidet er,<br />
allein, umgeben nur von der zerfallenden Hochkultur, dem morbiden Charme europäischer Altstädte<br />
und der Dekadenz der Bourgeoisie. Doch kein Expat leidet ewig, und so kehrt er dereinst heim nach<br />
Connecticut in die weiße Vorstadtvilla, bewundert ob seiner Kultur und Reife – und heiratet seine<br />
College-Liebe.<br />
Europas Niedergang als Touristenattraktion<br />
Die Expat Novel ist eine klassisch-romantische Narrative und ein Standardplot amerikanischer<br />
Literatur seit mindestens 150 Jahren. Der Erfolg dieser Narrative beruht auf der Spannung zwischen<br />
drei Dichotomien, die alle gegeben sein müssen: Raum (Amerika versus Europa), Zeit (Vergangenheit,<br />
Tradition vs. Gegenwart) und Sein (bürgerlich vs. antibürgerlich). Diese Dichotomien werden in einer<br />
Figur komprimiert und reisen so durch Zeit und Raum. Der gesunde, junge, wohlhabende,<br />
gelangweilte Amerikaner durchlebt das morbide, dekadente, kulturschwere, kranke und arme Europa<br />
– und kehrt aus diesem Sumpf wieder zurück, mit der Aura der Hochkultur um sein Haupt.<br />
214
Nähme man ein Element aus der Narrative heraus, bräche diese zusammen. Ein Collegeabgänger, der<br />
sich in Kansas besäuft? Uninteressant! Ein Ostküstenbub, der sich in Mittenwald oder dem<br />
Neubaugebiet Gropiusstadt einmietet? Öde! Ein Harvard-Absolvent, der in München erfolgreich ist?<br />
Langweilig!<br />
Berlin wird langsam aber sicher interessant für Expats.<br />
Die Expat-Narrative ist gleichzeitig ein Indiz für das kulturelle Minderwertigkeitsgefühl der<br />
amerikanischen Elite. Denn der Held der Geschichte muß immer jenseits des Atlantiks, in Europa,<br />
seine kulturelle Reife behaupten. Wieder daheim, in Amerika, sind die Erfahrungen aus dem<br />
europäischen Mansardenzimmer lediglich schmückendes Beiwerk wie anderer Leute Urlaubsfotos<br />
oder das Hirschgeweih in einer Dorfkneipe.<br />
Amerikanische Reinheit und Europäischer Schmutz<br />
Wie jedes kulturelle Genre entstand die Expat-Narrative aus der Überschneidung mehrerer<br />
kultureller Identitäten und literarischer Traditionen. Zuvorderst der Predigt. Die Predigt bediente<br />
unter den puritanischen Auswanderern, deren Kultur noch bis weit in das 19. Jahrhundert prägend<br />
blieb, besonders die Gegensätze Amerika/England und Reinheit/Schmutz. Puritanische Pfarrer<br />
predigten jede Woche vor Tausenden, daß sie um Haaresbreite dem dekadenten, schmutzigen,<br />
degenerierten und gottlosen Europa entronnen waren und hier eine neue Welt der Reinheit und<br />
Gottesfurcht gefunden hatten.<br />
Die zweite kulturelle Identität, die später in die Expat-Narrative einfloß, war die der Frontiers Men,<br />
der Grenzland-Männer. Nachdem sich 1776 die Vereinigten Staaten gegründet hatten, benötigte<br />
man eine Identität, die sich deutlich von der alten Kolonialmacht und ihrer aristokratischen Kultur<br />
absetzte. Im frühen 19. Jahrhundert zirkulierten Tausende kleiner Kurzgeschichten wie die von Davy<br />
Crocket über den amerikanischen Helden des Wilden Westens, der auf sich allein gestellt das Land<br />
kultivierte und die unkultivierten Wilden ausrottete.<br />
Doch Mitte des 19. Jahrhunderts war die Elite des neuen Landes zu Geld gekommen, und das<br />
Selbstbild des Amerikaners als bärtigem Pelztierjäger war nicht mehr attraktiv. Jetzt sehnte man sich<br />
nach Kultur – und nach wie vor stand Europa für Kultur. Dieser Moment war der Zeitpunkt der<br />
Geburt der Expat-Narrative. Die Expat-Narrative wurde zu einer Zeit geboren, als Atlantik-Reisen<br />
unerschwinglich waren. Lediglich begüterte Ostküsten-Beaus konnten sich eine Transatlantik-Passage<br />
leisten, was die Narrative um so attraktiver machte, da sie gleichzeitig für Elite und Armut stand. Der<br />
Expat musste aus der Elite kommen, um Dekadenz und Armut in Europa leben zu können. Das neue<br />
Literaturgenre verschweisste die alten Traditionen in einem: das Bild von Europa als dekadenter,<br />
schmutziger Hochkultur und das Selbstbild als unzivilisierter, aber reinen und jungen Nation.<br />
War früher die Expat-Narrative etwas für den bürgerlichen Individualisten mit romantischaristokratischen<br />
Lese-Interessen, so hat das Zeitalter der Massen auch hier Einzug gehalten. Die<br />
Expat-Narrative findet sich in Reinform im amerikanischen Blockbuster „Moulin Rouge“ (1999) und in<br />
primitiverer Form im neueren „Eurotrip“. Expats findet man auch in den Empfängerkulturen: der<br />
russische Kultstreifen „Brat – Der Bruder“ (1996), in der der russische Provinzheld im degenerierten<br />
Petersburg mit einer Schrotflinte mit Ausländerbanden aufräumt, zeigt eine Schlüsselszene: durch<br />
Zufall gerät der Russe auf eine Expat-Party, auf der stilvoll zerlumpte Amerikaner den Joint kreisen<br />
lassen und den Eingeborenen wie ein Stilmöbel in Lokalkolorit behandeln.<br />
215
Expats in Prag und St. Petersburg<br />
Expat Communities – ganze Gemeinschaften von Amerikanern in europäischen Städten – gibt es<br />
spätestens seit den 1950ern. Damals kannte man sich noch. Man war gemeinsam in der Fremde,<br />
man frequentierte die gleichen Kneipen und half einander bei Alltagsproblemen. Hemingway kannte<br />
alle anderen Expats mit Namen. Das ist schon lang passé. Das Zeitalter der Massen hat die stilisierte<br />
Flucht einzelner, amerikanischer Intellektueller zum Expat-Schwarm degenerieren lassen. Expat<br />
Communities sind nicht mehr ein Dutzend gebildeter Möchtegern-Schriftsteller; sie gehen heute in<br />
die Tausende. Expat Communities entstehen und verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind.<br />
Die grösste amerikanische Expat Community gab es Anfang der 1990er Jahre in Prag. Der<br />
Zusammenbruch des sozialistischen Regimes, das geistige Vakuum nach der Implosion des<br />
Marxismus und die einmalig billigen Preise und Mieten zogen Tausende Amerikaner an. 1993 lebten<br />
in Prag über 50.000 junge Amerikaner und stellten über 10% der Prager Bevölkerung. Zwei Jahre<br />
später waren fast alle wieder verschwunden.<br />
Expats kommen heute in Schwärmen. Der Name der gerade angesagten Stadt wandert durch<br />
Internetforen und College Internate und zieht schnell Tausende nach. Binnen kurzer Zeit haben sie<br />
„ihre“ Kneipen, ihre Viertel, gründen eigene Zeitungen und Cafes. Meist bleibt die Community ein<br />
paar Jahre; binnen Wochen ist sie wieder verschwunden. Viele ziehen in die nächste Stadt, angelockt<br />
von einem sagen-umwobenen Nachtleben, morbid-dekadenter Bausubstanz und billigen Mieten.<br />
Andere kehren heim, neue kommen nach. Sprachkenntnis ist nicht notwendig, man bleibt unter sich,<br />
denn der Expat findet sein Publikum ohnehin auf der anderen Seite des Atlantiks.<br />
Die glückliche Paralellgesellschaft<br />
Expat Communities sind Parallelgesellschaften reinsten Wassers. Staatsrechtlich gesehen sind Expats<br />
Touristen, die zwei bis drei Jahre bleiben. Im Gegensatz zum Touristen, der Urlaubsfotos sammelt,<br />
sucht der Expat Lebenserfahrung und Reife. Expats sind meist gern gesehen; sie bringen Geld, geben<br />
es gern aus, sind nie kriminell oder gewalttätig, beleben die Kulturindustrie, sind kreativ, freundlich,<br />
gehen freiwillig wieder nach Hause und fallen niemandem zur Last. Expats spekulieren nicht auf<br />
Sozialhilfe, unterwerfen sich nicht der Meldepflicht, engagieren sich nicht politisch, zeigen kein<br />
Interesse an lokalen Gepflogenheiten oder den Bräuchen der Einheimischen. Der Expat braucht die<br />
Einheimischen, als Staffage in seinem Theaterstück, als Hintergrundmusik für seinen Lebensroman.<br />
Expat-Schwärme befallen nur kulturelle Zentren, die vom wirtschaftlichen Niedergang und<br />
gesellschaftlicher Dekadenz gezeichnet sind. Um interessant für Expats zu sein, benötigt eine Stadt<br />
größere Flächen verfallener Altbausubstanz, billige Mieten, niedrige Preise, ein liberales, oder besser,<br />
gleichgültiges gesellschaftliches Klima, ein florierendes Nachtleben, eine Künstlerszene und einen<br />
vermarktbaren Namen.<br />
Sind Expat-Schwärme ein Krankheitssymptom?<br />
Der zurückgezogene Expat ...Das Aufblühen und Verschwinden der Expat Communities ist ein<br />
veritabler Indikator für den Zustand eines Gemeinwesens. Mit etwas Abstraktionsvermögen kann<br />
man den Befall mit Expat-Schwärmen als Gradmesser für die seelische Verfasstheit einer Kultur<br />
lesen. Denn Expat-Schwärme benötigen sowohl wirtschaftliche Depression als auch gesellschaftliche<br />
Liberalität – zwei Ingredienzen, die sich unter gesunden Umständen gegenseitig ausschließen.<br />
Wirtschaftlich harte Zeiten begünstigen konservative Lebenseinstellungen; man besinnt sich auf die<br />
ökonomische Funktion der Familie, die gemeinschaftsstiftende Rolle der Kirche oder wertebewusste<br />
Erziehung. Liberalität hingegen ist oft ein Ausfluß reicher, spätbürgerlicher und post-materieller<br />
Gesellschaften.<br />
216
Wenn eine liberale Gesellschaft ins wirtschaftliche Trudeln gerät, greift unter gesunden Umständen<br />
der Überlebensinstinkt. Es kommt zu soziokulturellen Kontraktionen, verkörpert in der „Gürtelenger-schnallen“-Rhetorik,<br />
und die Gesellschaft rückt nach rechts und wird konservativer. Wenn die<br />
Gesellschaft in Zeiten der Verarmung nicht nach rechts rücken kann oder darf, wenn also der<br />
gesunde Instinkt nicht greift und die Gesellschaft krankt, kommt es zu Zerfallserscheinungen. Wenn<br />
die Löhne sinken, die Kaufkraft schwindet und das Leben härter wird, es aber gleichzeitig kein Zurück<br />
zum Glaube, zur Gemeinschaft, zur Familie gibt, sondern die Menschen individualistisch-gleichgültig<br />
ihre Bahnen ziehen, dann ist eine Kultur reif für den Expat-Befall.<br />
Die Aura von Kafka zum Preis von Ciudad Juarez<br />
Die empirischen Fakten scheinen diese Lesart zu bestätigen. Keine Stadt Europas war in den frühen<br />
90ern besser geeignet, Tausende junger Amerikaner anzuziehen als Prag. Verwinkelte Gassen,<br />
verfallene Häuser, bröckelnde Fassaden. Die Aura von K.u.K. und Kafka zum Preis von Ciudad Juarez,<br />
und das alles kombiniert mit gesellschaftlichen laissez faire. Alkohol, Drogen, Prostitution – nach<br />
1990 ging im Ostblock alles. Ohne Zeigefinger. Nichts zog die Jugend von Amerikas Privatunis mehr<br />
an. Die „Prague Times“, eine amerikanische Zeitung nur für die Expat Community, entstand Anfang<br />
1992.<br />
Doch Prag rappelte sich schneller als erwartet. Keine osteuropäische Metropole kam schneller auf die<br />
Beine. Die Preise zogen an, die Mieten stiegen. Tschechische Kneipen führten das Zwei-Karten-<br />
System ein: eine Speisekarte auf Tschechisch für Tschechen, und eine auf Englisch, mit deutlich<br />
anderen Preisen. 1995 hieß es, „Prague is dead!“, und die Community zog weiter nach Osten, nach<br />
Rußland, das nach dem Zusammenbruch des Rubels im August 1998 zum Hauptziel junger<br />
Amerikaner wurde. Die Entstehung des Expat-Romans „Ein heißer Sommer in St. Petersburg“ (1996)<br />
von Duncan Fallowell, eine Mischung aus Abenteuergeschichte, Reiseführer und Pornographie, fällt<br />
in die Zeit, als der neue Name der neuen Stadt die ersten Expats anzuziehen begann. In diese Zeit<br />
fällt auch die Geburt der „St. Petersburg Times“.<br />
Doch seit dem Ölboom ist Rußland kein preiswertes Pflaster mehr, und auch mit laissez faire ist seit<br />
Putin Schluß. Warschau bietet wenig Charme, und für kulturelle Liberalität ist Polen wahrlich nicht<br />
bekannt. So sieht man des öfteren Amerikaner auf Berlins Strassen. Man erkennt sie sofort, am<br />
Habitus, Gestus, Kleidung – auf schmuddelige Weise elegant. Seit einem Jahr gibt es eine<br />
amerikanische Wochenzeitung in Berlin und am Mauerpark in Prenzlauer Berg ein amerikanisches<br />
Cafe, obligatorisch in morbid-alteuropäischer Aufmachung, aber mit amerikanischen Barhockern und<br />
free refills for Coke. Es werden noch viele Amerikaner nachkommen. In seiner Dekadenz hat<br />
Deutschland noch Wachstumspotentiale.<br />
217
Juden in der Wehrmacht<br />
Geschrieben von: Siegfried Jung<br />
Dienstag, den 10. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der amerikanische Historiker Bryan Rigg hat 2002 unter dem Titel “Hitler’s Jewish Soldiers.“ ein<br />
hervorragendes Buch veröffentlicht, welches nicht nur in Deutschland weitgehend verschwiegen<br />
wird. Im Jahr 2003 erschien Riggs Buch unter dem Titel „Hitlers Jüdische Soldaten” in deutscher<br />
Sprache im Schöningh-Verlag und erlebte im selben Jahr gleich drei Auflagen. Rigg ist einer der<br />
jüngsten amerikanischen Geschichtsprofessoren an der American Military University in Manassas,<br />
Virginia.<br />
Bryan Rigg wurde 1971 geboren und machte 1997 seinen MA. 2002 erfolgte seine Promotion zum<br />
Philosophiae Doctor (Ph.D.). Rigg ist verheirateter Familienvater und war nach der Entdeckung, daß<br />
seine Großmutter Edna Davidson Jüdin ist, Freiwilliger in der Israelischen Armee und Offizier im US-<br />
Marine-Corps. Im Militärarchiv in Freiburg im Breisgau hat er eine eigene Sammlung mit seinen<br />
Aufzeichnungen und über 300 Interviews angelegt, die bezeugen, daß es in der Deutschen<br />
Wehrmacht nach Riggs Erhebungen mindestens 1.671 Soldaten jüdischer Abstammung gab, von<br />
denen nach den „Nürnberger Rassegesetzen“ mindestens 7 als „Volljuden”, 80 als „Halbjuden” und<br />
76 als „Vierteljuden” im Kampf den Soldatentod gefunden haben.<br />
Oberst Walter Lehweß-Litzmann<br />
Es ist in Deutschland tabuisiert, den Beitrag der jüdischstämmigen Soldaten des Zweiten Weltkrieges<br />
auf deutscher Seite zu würdigen, weil es nicht in das Geschichtsbild paßt, das uns vermittelt wird.<br />
Trotzdem gab es Juden in Wehrmacht und Waffen-SS, und gar nicht so wenige. Rigg schätzt die<br />
Gesamtzahl der deutschen Soldaten mit jüdischer Herkunft auf etwa 150.000. Insgesamt gehörten<br />
der Großdeutschen Wehrmacht 18-20 Millionen Soldaten einschließlich der ausländischen<br />
Freiwilligen und der etwa 500.000 Frauen an.<br />
Selbst der Opfergang deutscher Juden im Ersten Weltkrieg wird in deutschen Schulen und<br />
Universitäten kaum vermittelt. Welcher Schüler oder Student wurde schon damit konfrontiert, daß<br />
von 100.000 deutschen Soldaten jüdischer Herkunft mehr als 12.000 getreu ihrer Pflichtauffassung<br />
für das Deutsche Reich gefallen sind? Wem ist der tapfere Leutnant Frankl ein Begriff, dem als einer<br />
der erfolgreichsten deutschen Jagdflieger der preußische Orden “Pour-le-Mérite” verliehen worden<br />
ist? Für die Zeit des Zweiten Weltkrieges ist vor allem Reichsmarschall Hermann Görings Ausspruch<br />
“Wer Jude ist, bestimme ich!” bekannt. So zählten in der Teilstreitkraft der Luftwaffe prozentual<br />
besonders viele deutsche Juden mit „Deutschblütigkeitserklärungen”, die von Hitler persönlich<br />
ausgehändigt wurden, zu den Soldaten der Wehrmacht.<br />
„Wer Jude ist, bestimme ich!“ (Göring)<br />
Selbst die Waffen-SS hatte deutsche Juden in ihren Reihen. Weder relativiert noch negiert man das<br />
Unrecht, was Nationalsozialisten deutschen und ausländischen Juden angetan haben, wenn man den<br />
Beitrag der patriotischen Juden erwähnt, die in den Reihen der Wehrmacht nicht für Hitler kämpften<br />
– wohl aber wie ihre Väter im Ersten Weltkrieg – in der Pflicht für ihr Vaterland Deutschland.<br />
Durchschnittlich verlor jeder Soldat von Riggs Studie 8 Verwandte im Holocaust; der mit dem EK I<br />
ausgezeichnete Unteroffizier Hans Günzel sogar 57.<br />
Zu den bekanntesten Ritterkreuzträgern jüdischer Herkunft zählen die beiden Brüder Milch [Erhard<br />
Milch (1892-1972) als Generalfeldmarschall und Staatssekretär, Werner Milch (+1984) als Major und<br />
218
Dr.jur.], Oberst Walter Hollaender (1903-74) und Major Robert Borchardt (1912-85), welcher sein<br />
Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes im Wüstensand Afrikas an der Seite von Generalfeldmarschall Erwin<br />
Rommel erhalten hat. Der jüdisch-deutsche Major hatte die chinesische Nationalarmee<br />
mitausgebildet und neben der höchsten deutschen Tapferkeits-Auszeichnung im Zweiten Weltkrieg<br />
auch das Deutsche Kreuz in Gold und die Ehrenblattspange des Heeres verliehen bekommen.<br />
Borchardt wurde im Nachkriegswestdeutschland Legationsrat 1. Klasse im Auswärtigen Amt und<br />
Abteilungschef im Bundesnachrichtendienst (BND).<br />
Sein Familienschicksal war nicht untypisch: sein Vater Philipp kam 1938 in das KL Dachau. Robert<br />
Borchardts Bruder Ernst erhielt von Hitler eine „Deutschblütigkeitserklärung”, mit der er vom<br />
Staatsoberhaupt „zum Ehren-Arier deklariert” wurde. Die Schwester und der Vater von Ernst und<br />
Robert Borchardt flohen während des Krieges nach Großbritannien.<br />
Als schwer verwundeter Leutnant beging Ernst Borchardt schließlich Selbstmord. Der Onkel der<br />
Borchardt-Brüder, Rudolf (1877-1945), war der Dichter und Freund Hugo von Hofmannsthals. Er<br />
hatte vier Jahre lang als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg gekämpft und war „mit Stolz Ostpreuße”.<br />
Zwei Brüder des Borchardt-Großvaters dienten im Krieg 1870-71 und zwei weitere Familienmitglieder<br />
kämpften in den Befreiungskriegen 1813-15; einer von ihnen fiel bei Leipzig.<br />
150.000 Juden waren Soldaten und in der Wehrmacht.<br />
Für Major Robert Borchardt war sein Fronteinsatz Liebe zu Deutschland: „Ich diente, weil ich<br />
beweisen wollte, daß Hitlers Rassen-Nonsens falsch war. Ich wollte beweisen, daß Menschen<br />
jüdischer Abstammung tatsächlich tapfere und mutige Soldaten waren”.<br />
Einer von mindestens 21 deutschen Generalen und Admiralen jüdischer Herkunft während des<br />
Zweiten Weltkrieges war Generalleutnant Hans-Heinrich Sixt von Armin (1890-1952), welcher als<br />
Stalingrader Kriegsgefangener und Ritterkreuzträger vehement gegen das kommunistisch beeinflußte<br />
“Nationalkomitee ‘Freies Deutschland’” in den sowjetischen Gefangenenlagern protestierte. Er war<br />
einer der schärfsten Gegner des “Verrätergenerals” von Seydlitz, der der Sowjetregierung vorschlug,<br />
aus deutschen Kriegsgefangenen eine Kampfeinheit gegen die Deutsche Wehrmacht aufzustellen.<br />
Generalleutnant Hans-Heinrich Sixt von Armin fand 1952 hinter Stacheldraht den gewaltsamen Tod.<br />
Von Seydlitz hingegen ließ sich nach einem Jahrzehnt Gefangenschaft im “Sowjetparadies” nicht<br />
etwa in die SBZ/DDR sondern nach Westdeutschland entlassen und starb verlassen in Bremen. Im<br />
übrigen war der Vater des standhaften Generalleutnants, Friedrich Sixt von Armin, General der<br />
Infanterie im Ersten Weltkrieg gewesen und Träger des preußischen Tapferkeitsordens Pour-lemérite.<br />
Generalleutnant Hans-Heinrich Sixt von Armin<br />
Die beiden Ritterkreuzträger Oberst Walter Lehweß-Litzmann, der Enkel des von Hitler sehr<br />
verehrten Generals Karl Lehweß-Litzmann, nach dem auch Lodz – Litzmannstadt – seinen neuen<br />
Stadtnamen bekam, und Vizeadmiral Bernhard Rogge (1899-1982; Inhaber des 45. Eichenlaubes zum<br />
RK des EK und des Samurai-Schwertes des Japanischen Kaisers) waren nur zwei von mindestens 25<br />
deutschen Juden, welchen die höchste deutsche Tapferkeitsauszeichnung des Zweiten Weltkrieges<br />
verliehen worden ist. Mindestens 12 weitere trugen das Deutsche Kreuz in Gold, mindestens einer<br />
das Deutsche Kreuz in Silber, mindestens ein weiterer das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit<br />
Schwertern.<br />
Lehweß-Litzmann baute als fachkundiger Luftwaffen-Offizier der Wehrmacht die Luftstreitkräfte der<br />
DDR auf, er wurde Oberst i.G. in der NVA. Rogge baute seinerseits die Marine der westdeutschen<br />
219
Bundeswehr entscheidend mit auf und schied 1962 als Konteradmiral aus. Bundespräsident Karl<br />
Carstens sagte dem Admiral am 4. November 1979 zu dessen 80. Geburtstag: „Ich kenne Sie als<br />
Seeoffizier, der in VIER deutschen Marinen gedient und sich in Krieg und Frieden bewährt hat!”.<br />
Beide Höchstausgezeichneten, Oberst i.G. der Nationalen Volksarmee Walter Lehweß-Litzmann und<br />
Konteradmiral der Bundeswehr Bernhard Rogge, galten nach den „Nürnberger Rassegesetzen“ als<br />
„Vierteljuden”!<br />
„Wissen ist besser als Ahnungslosigkeit. Geschichte besser als Mythen.“<br />
Bryan Mark Rigg bezieht sich nicht auf die Geschichtsauffassung Napoleon Bonapartes, der einmal<br />
sagte: „Geschichte ist die Summe aller Lügen, auf die man sich nach 30 Jahren geeinigt hat.”, sondern<br />
stellt seinem wichtigen Werk einen Ausspruch des ebenfalls politisch unkorrekten Historikers Ian<br />
Kershaws voran: „Knowledge is better than ignorance, History better than myth.“<br />
220
Oswald Spengler – Der optimistische Pessimist<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Mittwoch, den 11. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Auseinandersetzung mit Oswald Spengler (1880–1936), dem begeisterten und zugleich leidenden<br />
Philosophen des Schicksals und dem Vertreter der „Konservativen Revolution“, hat wieder<br />
Hochkonjunktur. Was vor über 80 Jahren eindrucksvoll im „Untergang des Abendlandes“ (1918)<br />
begann, in „Preußentum und Sozialismus“ (1919) die Abrechnung mit dem Marxismus praktizierte<br />
und ihm einen deutschen ethischen Sozialismus entgegensetzte, endete mit Spenglers letztem Werk<br />
„Jahre der Entscheidung“ (1933). Dieses prophezeite die heutigen politischen und ökologischen<br />
Krisen der globalisierten Welt und ihrer Wirtschaft.<br />
Spengler war mehr als der pessimistische Prophet des Untergangs: Er war Dichterphilosoph, Visionär,<br />
Tatsachenmensch und Außenseiter. Als dieser ergriff er Partei gegen die Nationalsozialisten, um nach<br />
Hitlers Vorgehen z.B. gegen Edgar J. Jung und gegen die konservative Opposition am 30. Juni 1934<br />
Ekel gegenüber der Geistlosigkeit des „braunen Haufens“ zu empfinden. Spenglers Werk ordnet sich<br />
charakteristisch in die deutsche Geistesgeschichte überhaupt ein. Man erkennt dies an den darin<br />
vorkommenden Dualitäten: Ambivalenz zwischen Politischem und Unpolitischem, Kultur und<br />
Zivilisation, Pessimismus und Aktivismus, dogmatischer Religiosität und tieferer Spiritualität.<br />
Spengler, geboren im anhaltinischen Blankenburg, verstand sich als Überwinder des eurozentrischen<br />
Weltbildes. Die abendländische Kultur habe ihren Höhepunkt erreicht. Als Zivilisation, der Ära des<br />
entgrenzten und mit mächtigen exekutiven Befugnissen ausgestatteten Cäsarismus, gerate ihr<br />
Demokratismus zur Farce bloßer Parolen, die vom Pfad freiheitlicher Ansprüchen abgekommen ist.<br />
Damit personifiziert Spengler eine geistige und politische Zeitenwende, wie wir sie heute nach dem<br />
11. September 2001 ähnlich erleben. Der Parteienstaat erhält sich durch trockene Parolen, die<br />
Staatsexekutive überwacht wesentliche Lebensbereiche. Ihre demokratistische Ideologie gerät zum<br />
zivilreligiösen Dogma und ruft zugleich die politische Fundamentalopposition auf den Plan.Spengler<br />
selbst ging es um einen oppositionellen Genius, der urteilsfähig und mit ganzheitlichem Bewußtsein<br />
ausgestattet den profanen Parteihader überwindet.<br />
Ob Spengler damit heute Parteigänger eines politischen „Extremismus“ wäre, muß dahingestellt<br />
bleiben. Allein formale Begriffe und diskriminierende Kategorien können das Wesen der Welt nicht<br />
umfassend erschließen. Spengler stand an der Wegegabelung von ideellem Überbau und kreativem<br />
Ekel an der Realität. Womöglich war es jener Zwiespalt, der seine reifen Urteile ermöglichte, die in<br />
seinem Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ artikuliert werden.<br />
Konservative Revolution und aktive Metapolitik<br />
Edgar Julius Jung (1894-1934), Verfasser der am 17. Juni 1934 von Franz von Papen gehaltenen<br />
Marburger Rede vor Studenten, welche für Jung zum tödlichen Verhängnis werden sollte, schrieb<br />
noch kurz vor seiner Ermordung über den zurückgezogenen Spengler: „Persönlich Stolzeres und<br />
menschlich doch Weheres, aber auch sachlich Gerechteres und geschichtlich Gültigeres dürfte in den<br />
letzten 15 Jahren kaum von einem zweiten Zeitgenossen deutscher Zunge geschrieben worden sein.“<br />
Der „Untergang des Abendlandes“ ist mehr als nur eine Kulturphilosophie, er ist in hohem Maße<br />
Träger einer politischen Botschaft, im Kern ein geschichtsspekulatives System, welches deutsche<br />
Denker nach Hegel wohl kaum wieder derartig in Angriff nahmen. Spengler war ein unpolitischer<br />
Intellektueller, der sich abseits der Politik hielt und sein Heil in höheren Sphären suchte.<br />
221
In intellektueller und sozialer Hinsicht kann man ihn vor 1918, vor Erscheinen dieses Buches, als<br />
einen „declassé“ betrachten, bis er schließlich nach Erscheinen desselben in ein verzweigtes<br />
Netzwerk industrieller, politischer und paramilitärischer Kreise aufgenommen wurde, das sich in drei<br />
Machtzentren des Deutschen Reiches konzentrierte: Berlin, Ruhrgebiet, München. In ihm weitete<br />
Spengler seine „konservativ-revolutionäre“ Geisteshaltung aus und praktizierte gleichsam aktive<br />
Metapolitik. Metapolitik möchte mit dem Schaffen eines geistig-kulturellen Überbaus auf das<br />
politische Geschehen einwirken, ohne sich in tagesaktuellen Debatten zu verlieren. So gilt die Einkehr<br />
ins eigene Innere als Notwendigkeit für ein Wirken in der Welt. Wissen und gar Weisheit ist nicht von<br />
denen zu erwarten, die nicht auch ernsthaft an sich selbst gearbeitet, eigene Motivationen und<br />
Leidenschaften erkannt und in ihren Konsequenzen reflektiert und optimiert haben. Metapolitik<br />
artikuliert neue politische Methoden und Inhalte. Sie reflektiert, was hinter der Politik steht.<br />
Wenn Metapolitik auf existentielle Erfahrungen und Beobachtungen, wie die Furcht vor einem<br />
neuerlichen Zusammenbruch einer haltgebenden Ordnung, zurückgreift, dann kann dies ganz neue,<br />
tiefgründige Zusammenhänge erschließen und kann das Krisenbewußtsein schärfen.<br />
Der Schlüssel zum Verständnis des „Untergangs des Abendlandes“<br />
Spengler war sensibel für soziale und kulturelle Entwicklungen in Deutschland. Sein<br />
Kulturpessimismus umschließt die Dekadenz und das Spätzeitbewußtsein, die gespannte Beziehung<br />
zwischen Geist, Macht und Modernitätskrise. Seine persönlichen Enttäuschungen und Ressentiments<br />
kehrten sich gegen die Kultur und deren offizielle Repräsentanten. Spenglers eigene Tragödie als<br />
Mensch trug alle Farben seiner Zeit: “...den Kult des einsamen, des Fremdlings (...), die Begierde zu<br />
leiden, den Narzismus der Schwarzen Romantik. (...) Er versteht: es gibt keine Erkenntnis, kein Glück<br />
(...), es gibt nur Werden und Wollen.” So schrieb Koktanek in seiner Biographie von 1968.<br />
Spengler entzog sich aber auch im „Untergang“ nicht den direkt politischen Inhalten. Er<br />
kompensierte seine innere Zerrissenheit und sein Unvermögen tatsächlicher Teilhabe am Leben<br />
durch seine Mystik, durch sein allumfassendes Lebensprinzip, schlichtweg durch seine<br />
Lebensphilosophie. Er bezweckte damit die Verschiebung deutscher Mentalitäten nach seinen<br />
Ambitionen, um der Gefährdung der tradierten Kultur durch Massenhaftigkeit, Mechanisierung und<br />
durch Ökonomismus entgegenzuwirken. Wissenschaft konnte Gesetze erweisen, aber nicht die<br />
ersehnte Gewißheit erzeugen. Der „Untergang“ ist ein Werk, welches diese Gewißheit zu schaffen in<br />
Angriff nahm.<br />
Die Zeitenwende<br />
Spengler spürte darin die Polaritäten des Lebens: Ich und Welt, Mikrokosmos und Makrokosmos, das<br />
Eigene und das Fremde, Geburt und Weltangst. So betrachtet er das Leben aus der Perspektive des<br />
Geworfenseins: „Ein Denker ist ein Mensch, dem es bestimmt war, durch das eigene Schauen und<br />
Verstehen die Zeit symbolisch darzustellen. Er hat keine Wahl. Er denkt, wie er denken muß, und<br />
wahr ist für ihn, was als Bild seiner Welt mit ihm geboren wurde.“ Seine konservative<br />
Weltanschauung trug die Konturen einer politischen Haltung, die weniger durch einen streng<br />
wissenschaftlichen sondern vielmehr durch einen poetisch-intuitiven Zugriff gegen die verhaßte<br />
Entseelung seiner Zeit ankämpfte. Die Konzentration auf mythische Phänomene, die Wahrnehmung<br />
des künftig Notwendigen und der Drang, all jenes politisch mitzuteilen, führten zu einer spezifischen<br />
Motivation und zu einer einmaligen Ausdrucksweise, wie sie sich nur bei Spengler findet.<br />
222
Konservative Weltanschauung durch einen poetisch-intuitiven Zugriff<br />
Die „Konservativen Revolutionäre“, darunter Spengler, können als die geistige Vorhut auf der Suche<br />
nach neuen Sicherheiten verstanden werden. Spengler entwickelte darunter eine antiintellektuelle<br />
und vitalistische Lebensphilosophie. Er wurde konfrontiert mit der Entstehung eines neuen<br />
Mittelstandes, der sich zusehends über Massenpolitik und Interessenverbände zu artikulieren wußte.<br />
Dadurch entstand der Druck auf die konservative Elite, die – zu recht – einstige Kulturideale wie<br />
Harmonie zwischen Innerlichkeit und Welt, Formkraft und Beseelung sowie Metaphysik verloren<br />
gehen sah oder, um mit Spengler zu reden, diese zur „Zivilisation“ erstarren sah. Daraus resultiert<br />
kompensatorisch eine überspannt subjektive Weltdeutung, die der eigenen Intuition mehr vertraut<br />
als wissenschaftlichen Methoden.<br />
Die Denker der „Konservativen Revolution“ hatten ein solches Bewußtsein, welches in Anlehnung an<br />
Kants transzendentale Wende und Fichtes Subjektphilosophie als jenes Bewußtsein gekennzeichnet<br />
werden kann, das mehr denn je das „Spezifisch Deutsche“ im Denken war und ist. Eine<br />
fortschreitende Entzweiung des Lebens wurde befürchtet. Dabei ging es den Deutschen, wie aus<br />
heutiger Sicht leichtfertig behauptet, nicht um eine konservative Verlängerung der linken<br />
Gesellschaftskritik, sondern vielmehr um die praktische Handhabung gesellschaftlicher und sozialer<br />
Umbrüche in Deutschland, welchen man eine deutsche Geistes- und Politikalternative<br />
entgegenstellte. In Deutschland eben leisteten sich damals wie heute die Gebildeten fern der<br />
politischen Praxis die Radikalität des reinen Gedankens. Das macht die deutsche Besonderheit aus.<br />
Georg Quabbe, auch „Konservativer Revolutionär“, hätte dazu gesagt: So sind wir! Und deshalb<br />
handeln wir danach!<br />
Wir können Spengler einen optimistischen Pessimisten nennen, der wenig von der „demokratischen“<br />
Litanei oberflächlicher Unverbindlichkeit hielt, sondern seine Hände unter emotionaler<br />
Wahrnehmung des existenziellen Fundamentalcharakters des Lebens strapazierte und beschmutzte,<br />
um eine demgemäße politische Ordnung zu schaffen. Es bleibt zu hoffen, daß innovative<br />
Menschengruppen zu dieser Kategorie Mensch aufsteigen.<br />
223
Edgar Julius Jung – Vordenker eines neuen Staates<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Mittwoch, den 11. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Jurist und politische Philosoph Edgar Julius Jung (1894-1934) ist heute entweder gar nicht mehr<br />
bekannt oder wird von den wenigen, die sich seines Namens erinnern und dies mit Abneigung tun,<br />
als Vordenker des Nationalsozialismus gewertet. Seine publizistische Tätigkeit in der Weimarer<br />
Republik hätte Hitler den Weg bereitet und sei nationalistisch, so schreibt selbst der CDU-Politiker<br />
Friedberg Pflüger in einem Buch von 1994. Daß Jung aber als Vordenker einer Theorie von<br />
Demokratie und Staat gesehen werden muß, die allein aus dem Phänomen seiner Zeit zu verstehen<br />
und mit heutigen Maßstäben von „Demokratie“ nicht zu messen ist und daß er deshalb eines der<br />
ersten Opfer des Nationalsozialismus wurde, dies zu benennen ist es höchste Zeit.<br />
Edgar Julius Jung empfand sich als nationalbewußt, nicht als nationalistisch. Er sah sich als<br />
übernationalen Kosmopoliten, der dem kulturellen Leben eines jedes Volkes eine Eigengesetzlichkeit<br />
zubilligte und auch dem „Reich“ eine sittlich verpflichtende übernationale Größe zukommen ließ.<br />
Dies wurde zuletzt einzig in Johann Gottlieb Fichtes (1762-1814) „Reden an die deutsche Nation“ zum<br />
Ausdruck gebracht, welche dann die Befreiungskriege gegen die napoleonische Herrschaft in Preußen<br />
1813 initiierten. Jung schrieb in seinem Hauptwerk „Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall<br />
und ihre Ablösung“ (1927): „Die kulturelle Vergewaltigung, die der (…) Nationalstaat im Gefolge hat,<br />
ist ihm [dem neuen Staate – Anm. d. V.] fremd, weil auch das kulturelle Leben des Volkes seiner<br />
Eigengesetzlichkeit untersteht.“ Gegen den Primat des Nationalstaates stellt er also die Pluralität der<br />
je spezifischen Völker und Kulturen, die zu überfallen und mit einem globalen Demokratie-Muster zu<br />
vergewaltigen eine pure lebensundienliche Anmaßung sei. Diese läßt sich vielmehr und merklicher<br />
heute im Verhalten der USA auf dem südasiatischen Kontinent feststellen. Doch zurück zum<br />
Hauptwerk Jungs.<br />
Neue Eliten statt Pseudo-Eliten<br />
Der Jurist und Theoretiker der Jungkonservativen, der auch als Mitglied des Freikorps Epp gegen die<br />
Münchner Räteherrschaft agierte und zudem den „Rheinisch-Pfälzischen Kampfbund“ gegen<br />
separatistische Bestrebungen im Reiche gründete, veröffentlichte sein Buch, um die Notwendigkeit<br />
einer Konservativen Revolution zu verdeutlichen. Damit meinte er die Erhaltung der<br />
überindividuellen Werte des Menschen, die Förderung der „Hochwerte“ gegen jene „Werte“, die der<br />
Zersplitterung der Gemeinschaft, des Volkes und des dialogischen Solidarprinzips zwischen Ich und<br />
Du entgegenwirkten. Sie nämlich propagierten den puren Individualismus, der als simulierte Freiheit<br />
über den lebensfremden Mechanismus des Stimmzettels sich unrechtmäßig legitimiere. Die Eiferer<br />
des Materialismus, des Profits und ausschließlich individueller Wohlfahrt gelte es zu beseitigen, was<br />
für Jung lediglich in der Diktion Nietzsches einer Beseitigung der „Unfähigen“ gleichkommt. Daß der<br />
Begriff der „Minderwertigkeit“ nach Jungs eigener Aussage womöglich unglücklich gewählt sei, sollte<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, daß es ihm nur um eine Ablösung der oligarchisch im Parlament<br />
abgeschotteten Pseudo-Eliten ging, die sich anmaßten, die Stimme vieler Hunderttausend<br />
repräsentieren zu können. Damit war Jung freilich aufgefordert, eine alternative politische Theorie<br />
anzubieten, welche wesentlich im Gefolge seines Lehrers Vilfredo Pareto (1848-1923) eine<br />
Zirkulation der Eliten erstrebte.<br />
224
Die Wiedergeburt neuen deutschen Denkens<br />
Jungs Kulturkritik trug dabei den Charakter einer Hochschätzung von Stand und Genossenschaft im<br />
Staate. Dieser Staat sollte sich im Rahmen einer ausdrücklichen Wiederverchristlichung realisieren. Er<br />
sah hierfür metaphysisch begründete überindividuelle Werte als Basis aller Gemeinschaft für<br />
notwendig an. Damit bietet Jung als einer der ersten noch vor Armin Mohler eine inhaltliche<br />
Definition des Prinzips der Konservativen Revolution an. In seinem Essay „Deutschland und die<br />
Konservative Revolution“ schreibt er dazu:<br />
„Konservative Revolution nennen wir die Wiederinachtsetzung all jener Gesetze und Werte, ohne<br />
welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre<br />
Ordnung aufbauen kann.“<br />
So verwundert es nicht, daß das Mittelalter als ideeller Fluchtpunkt für das Maß künftiger<br />
Neugestaltung galt, um mit ihm – so das Vorwort in „Die Herrschaft der Minderwertigen“ – die<br />
Schaffung „geistiger Vorbedingungen“ für die „deutsche Wiedergeburt“ voranzutreiben. Aus dem<br />
Gefühl der Bedrängnis ihres politisch-geistigen Erbes resultiert bei den Denkern der Konservativen<br />
Revolution ein Affekt gegen die als geistlos-partikularistisch bewertete Parteiendemokratie. Im<br />
Vorwort zum Hauptwerk Jungs steht: „Die Revolution des Geistes hat jetzt eingesetzt.“ Sie wendet<br />
sich gegen die „geistig seelische Verödung“. Jung stellt damit sein wesentliches Ziel heraus und gilt<br />
nicht ohne Grund als wichtiger Vertreter seiner geistigen Strömung: Er spürte in sich den „Drang<br />
nach Ewigkeit, begleitet von dem Bewußtsein der Begrenztheit irdischen Lebens“. Er steht damit<br />
zugleich in einer längeren geistigen Tradition, nämlich derjenigen des Deutschen Idealismus, dessen<br />
wichtigstes Prinzip die Begründung menschlicher Existenz in Freiheit, die sich nicht in abstrakten<br />
Gesinnungen erschöpfe, sondern die sich im Bewußtsein irdischer Endlichkeit praktisch in Recht,<br />
Staat und Nation zu realisieren habe. Der Politologe Bernhard Willms betonte für die jüngere<br />
Gegenwart diesen zeitlos gültigen Aspekt des deutschen Denkens als das „Streben nach jener Idee als<br />
der Einheit von allgemeiner Wirklichkeit und individuellem Bewusstsein.“<br />
Systemalternative jenseits des Nationalsozialismus<br />
Als gedankliches Ziel tritt eine realitätsbezogene Übereinstimmung von sittlich-subjektivem Wollen<br />
und wirklich-politischem Sein zutage, die mit parteipolitischer Gesinnung und oberflächlichem<br />
Parteihader als strukturelle Veränderung nicht erreichbar ist. Kurz: Würden Wahlen etwas bewirken,<br />
hätte man sie längst abgeschafft. Edgar Jung wollte aus diesem Grund die Dekadenz des<br />
parlamentarischen Systems ablösen, nicht aber aus an sich menschenverachtenden Motiven heraus,<br />
sondern aus dem tiefsten Willen zur Erhaltung „hochwertigerer“ und humanerer Alternativen, die<br />
sich in einem organischen Staat über den zeitweisen Weg einer kommissarischen Diktatur geführt<br />
von einer tatsächlichen Elite realisieren sollten. Kommissarische Diktatur meint hier im Gegensatz zu<br />
souveräner Diktatur die Rettung einer verfassungsmäßigen Ordnung und ein politisches Agieren<br />
innerhalb derselben. Kurz: Systemveränderung durch systemeigene Möglichkeiten – eben<br />
Metapolitik. Zwar erwog Jung schon lange ein Selbstmordkommando zur Ermordung Hitlers,<br />
gegenüber dem er eine tiefe Aversion hatte, entschied sich aber dennoch für den systemkonformen<br />
publizistischen Weg<br />
.„Wir müssen verhindern, daß Hitler auch nur einen Tag an die Macht<br />
gelangt.“<br />
So sprach er bei einer Harzburger Tagung im Jahre 1931. Er befürchtete im Nationalsozialismus den<br />
entfesselten Nihilismus und seine parteipolitische Demagogie seitens der ersten<br />
klassenübergreifenden „Volkspartei“ noch vor der CDU oder SPD, nämlich der NSDAP. Innerhalb der<br />
225
Weimarer Republik wirkte Jung nunmehr „systemkonform“ als Redenschreiber für den Politiker<br />
Franz von Papen, dessen Marburger Rede vor Studenten er schrieb. Sie wurde am 17. Juni 1934<br />
durch Franz von Papen gehalten und führte zu Jungs sofortiger Verhaftung am 25. Juni.<br />
Die Marburger Rede und das Ziel ewiger Werte<br />
In dieser Rede übte Jung über die Autorität von Papens gleichwohl massive Kritik an den Mißständen<br />
der nationalsozialistischen Herrschaft. Er reklamierte ein geordnetes Wachstum, sprach sich gegen<br />
Kollektivismus in Wirtschaft und Gesellschaft aus und erteilte dem Nationalsozialismus eine Absage.<br />
Papen forderte die ständische Neuordnung nach wilhelminischem Vorbild als ein Alternativmodell<br />
und verlangte die Abschaffung der NSDAP als Überbleibsel des Parteiensystems. Im Ganzen handelt<br />
es sich um eine Darstellung wichtiger Gedanken Edgar J. Jungs. Er verdeutlichte damit, daß der<br />
Nationalsozialismus nur ein temporäres Durchgangsstadium im Zuge eines gesamteuropäischen<br />
Umwandlungsprozesses sei. Am 1. Juli 1934 wurde Jung deshalb bei Oranienburg erschossen. Es<br />
ahnten zu dieser Zeit nur wenige, daß dieser Akt zugleich der fortschreitenden Vernichtung der<br />
eigentlichen konservativen Opposition gleichkam.<br />
Nationalbewußt – nicht nationalistisch<br />
Diese Opposition nämlich bot mit Jung eine Definition des konservativen Elements an, das zu leben<br />
und umzusetzen weiterhin lohnenswert ist. Dieses Element besagt, daß es nicht konservativ ist, ein<br />
notwendiges Geschehen aufhalten zu wollen. Konservativ ist nur die Erhaltung ewiger Werte und nie<br />
zeitlich dominierender Werte. Zu den zeitbedingten Werten zählen zum Beispiel die Vorhaben in<br />
Parteiprogrammen, die nur Produkt der sozialen Rivalitäten bestimmter Zeiten sind. Ein offenes,<br />
nicht-repressives, nicht-rassistisches, tiefgründiges, nicht nationalsozialistisches, nicht<br />
parteipolitisches und damit undogmatisches Denken mit durchaus internationaler Perspektive ging<br />
mit Jungs Tod zu Ende. Diese Tragödie wiederum stellte die Deutschen gerade in Anbetracht des<br />
entschiedenen Widerstandes beispielsweise Stauffenbergs gegen Hitler vor eine noch höhere<br />
Aufgabe, die Jung selbst im Vorwort zu seinem Hauptwerk artikulierte: „Man muß dem deutschen<br />
Volke zutrauen, daß es seine Kräfte umso mehr anstrengt, je tiefer ihm der Abgrund dargestellt wird,<br />
aus dem es sich emporzuarbeiten hat.“ Wenige Deutsche taten dies verzweifelt in ihrem Widerstand<br />
gegen Hitler weiterhin. Sie wurden nach dem 20. Juli 1944 gnadenlos ausgemerzt. Mit ihnen<br />
verschwanden – mit Jung zu sprechen – die wenigen Erlesenen, die wenigen zur humanen<br />
selbstlosen Elite geeigneten, welche Jung gewiß zu den „Hochwertigen“ gezählt hätte.<br />
226
Die Zwangsehe mit dem Islam PDF<br />
Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />
Mittwoch, den 11. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Ist die Vision eines modernen, moderaten und nicht zuletzt verfassungstreuen Islams tatsächlich real,<br />
oder aber ist der Diskurs um den „Euro-Islam“ nicht mehr als eine Fata Morgana, ein Hirngespinst<br />
verantwortungsloser Gutmenschen-Politik?Vor der zweiten Runde des Integrationsgipfels scheint<br />
sich für das Auge des interessierten Beobachters eher letztere Hypothese bewahrheitet zu haben,<br />
ließen doch türkische Verbände ob des verschärften Zuwanderungsgesetzes die Muskeln spielen.<br />
In vollkommener Dreistigkeit lamentierte der Dialogbeauftragte der türkisch-islamischen<br />
Moscheevereine (DITIB) Bekir Alboga, „in die Gesetzgebung nicht einbezogen worden zu sein“. Sogar<br />
eine „diskriminierend[e]“ und „hinterhältige Politik“ entdeckte er in der Reform, die türkischen<br />
respektive arabischen Einwanderern nun rudimentäre Deutschkenntnisse abverlangt. Wer den<br />
Rückzug von solch ungleichen Verhandlungen androht, handelt nur konsequent, denkt sich nun Max<br />
Mustermann.<br />
Jedoch, Moment mal, was spielt sich denn hier ab? Fordern die Migrantenverbände allen Ernstes,<br />
dass der Bundestag bzw. die Bundesregierung Gesetze vor In-Kraft-Treten den Migrantenverbänden<br />
zur Prüfung vorlegen soll? Dem DITIB vorlegen, einer Organisation, die anderen Kulturen näher steht<br />
als der deutschen? Einfach nur grotesk! Wenn diese Geisteshaltung die Frucht jahrelanger<br />
Integrationsbemühungen sein soll, dann aber wirklich gute Nacht. Eine Einigung wird auf diese Weise<br />
mitnichten erreicht werden.<br />
Gespannt darf man nun auf die Resonanz der deutschen Verhandlungsseite sein, die gut daran täte,<br />
solches Kasperletheater endlich zu stoppen. Es ist unmöglich mit jemandem zu verhandeln, der kein<br />
Stück weit zu Kompromissen bereit ist und ferner auch nicht ernsthaft an einer Lösung interessiert zu<br />
sein scheint.<br />
Selbst bei einer Fortführung der Gespräche mutet der Glaube an die Reformierbarkeit des Islams naiv<br />
an. Die nötige Säkularisierung ist nicht ernsthaft zu erwarten, alldieweil die anzustrebende Synthese<br />
von Religion und Staat zu einer Theokratie ein Primat der islamisch-theologischen Lehre ist. Dieses<br />
Dogma wird von keinem gläubigen Muslimen aufrichtig infrage gestellt! Bekenntnisse zu Demokratie<br />
und Rechtsstaatlichkeit geschehen lediglich halbherzig mit der Taqiyya.<br />
Ernüchternde Beispiele für ein islamisches „Paradies auf Erden“ sind der Iran, Saudi-Arabien oder<br />
wahlweise auch Syrien. Die Debatte über eine Assimilation des Islams in westeuropäischen Staaten<br />
muss abgebrochen werden, denn die Vorstellung eines Staatsmodells vom Schlage Saudi-Arabiens<br />
korreliert nicht mit der westlich-laizistischen Idee! Der Streit mit dem DITIB zeigt deutlich, wie weit<br />
sich Deutschland bereits von islamischen Lobbyisten zurückdrängen lassen hat und müsste auch<br />
selbsterklärten Weltverbesserern à la Claudia Roth plausibel machen, dass die politische Religion<br />
Islam in seiner Koran getreuen, nicht säkularisierten Form, niemals kompatibel zu einer westlichen<br />
Staatsform sein kann und wird.<br />
Welche Lehre sollte Deutschland daraus ziehen? Sapere aude!<br />
227
Klemens von Klemperer – ein konservativer Kritiker der<br />
Konservativen Revolution<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Donnerstag, den 12. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Kritiker innerhalb einer politischen Strömung sind oft die interessantesten. Zum einen verfügen sie<br />
über die nötige Kenntnis der Debatten, Personen und Einflüsse. Zum zweiten geht man meist recht in<br />
der Annahme, daß ihnen polemische Entstellungen und Verfremdungen, die sich der politische<br />
Gegner gern zu eigen macht, abhold sind. Klemens von Klemperer ist ein solcher Querkopf, der<br />
einerseits sagt, Weimar sei zerschlagen worden, weil es nicht konservativ genug war und<br />
andererseits die Denker der Konservativen Revolution scharf kritisierte.<br />
Klemens von Klemperer wurde 1916 in Berlin geboren und studierte in Wien und Harvard und lehrte<br />
später lange Jahre am renommierten amerikanischen Smith College. Die Konservative Revolution und<br />
deutsches konservatives Denken war immer sein bevorzugtes Thema. Als einer der ersten Historiker<br />
der Nachkriegszeit brachte Klemperer den Mut auf, die deutschen Konservativen zu rehabilitieren –<br />
ein nicht ungefährliches Unterfangen, war doch das Terrain politisch vermint, und dezidiert<br />
konservatives Denken verfemt.<br />
Sein Werk „Konservative Bewegungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus" ist deshalb eine<br />
besonders faszinierende Studie. Einige der Protagonisten kannte Klemperer persönlich und hatte mit<br />
den Vordenkern der Konservativen Revolution debattiert. Klemperer stand zu der Geschichte, die er<br />
„zum Teil selbst erlebt“ hatte. „Ich bin in zweifacher Weise an meine Aufgabe herangegangen: von<br />
innen und von außen, als innerlich beteiligter Mensch und als Wissenschaftler.“<br />
Klemperer macht den Ursprung des Auflebens neukonservativer Ideen im Scheitern der<br />
Fortschrittsutopien auf den Schlachtfeldern des 1.Weltkrieges aus. Die Schrecken, die der<br />
Grabenkrieg in die Heimat trug, brachen mit der optimistischen Atmosphäre des 19. Jahrhunderts.<br />
Dies, so Klemperer, traf auf alle Kriegsparteien zu. Nur in Deutschland, dem „ewig protestierenden<br />
Reich, in dem der Rationalismus eigentlich nie festen Fuß gefaßt hatte“, sei die Kritik des<br />
Rationalismus besonders fundiert ausgefallen. Hier überschnitt sich eine berechtigte Kritik am Prinzip<br />
der reinen Vernunft mit dem rapiden Verfall alter Institutionen. Kirche, Monarchie, Adel, Bürgertum<br />
– sie alle hatte die Revolution von 1919 schwer angeschlagen. Was blieb, waren verunsicherte,<br />
verproletarisierte Massen ohne Hoffnung, ohne Zuversicht und mit der Sehnsucht nach Bindung,<br />
Tradition und Autorität.<br />
Modernisierung der Tradition mißlungen<br />
Umso bemerkenswerter ist Klemperers Fazit: Weimar, so Klemperer, sei nicht gescheitert, weil es zu<br />
liberal gewesen sei, sondern weil Weimar nicht genügend konservativ war. Die Denker der<br />
Konservativen Revolution waren auf der Suche nach Visionen. Sie hatten erkannt, daß „die neue<br />
Republik nicht nur mehr Demokratie, sondern auch mehr Wurzeln, mehr Bindungen brauchte.“<br />
Klemperer ging jedoch mit der Konservativen Revolution kritisch ins Gericht. Angesichts der<br />
Probleme im Land und der unversöhnlichen, sturen Haltung der Siegermächte hätten sich viele<br />
Konservative radikalisiert und der Freiheit eine Absage erteilt. Tatsächlich machte Klemperer den<br />
Begriff „Freiheit“ zum zentralen Streitpunkt zwischen deutschen Konservativen und ihren westlichen<br />
Gefährten. Der Begriff „Freiheit“ habe in Deutschland eine wichtige, aber untergeordnete Rolle<br />
gespielt. Da die sozialen Härten in Deutschland viel stärker waren, beschäftigten sich auch<br />
228
Konservative mit der sozialen Frage. Indem Männer wie August Winnig [„Vom Proletariat zum<br />
Arbeitertum“] oder Ernst Niekisch auf bolschewistische oder kriegssozialistische Wirtschaftsmodelle<br />
zurückgriffen, hatte man mit der Tradition des europäischen Konservatismus gebrochen. Diese<br />
intellektuellen Konservativen „erkannten nicht, daß es sich nicht lohnte, den ‚Edelnazi’ zu spielen.“<br />
Ein Tory-Konservativismus westeuropäischen Zuschnittes hätte die Dilemmata der Zeit auflösen<br />
können. Das ist der Vorwurf, den der gescheiterte konservative Revolutionär seinen einstigen<br />
Mitstreitern aus dem amerikanischen Exil machte.<br />
Statt der sozialen Frage die Freiheit auf die Agenda setzen.<br />
Ein zweites Dilemma der Konservativen Revolution sei, daß es ihr kaum gelungen sei, den<br />
Konservatismus zu revolutionieren, zu verjüngen und der Moderne anzupassen. Der deutsche<br />
Konservativismus blieb noch zu lange auf den Rittergütern des deutschen Ostens verwurzelt, war<br />
agrarisch, aristokratisch und antimodernistisch. Versuche, den Konservatismus der Moderne<br />
anzupassen, wie der Juliklub oder der Herrenklub seien schnell daran gescheitert, daß die Klubs<br />
finanziell abhängig von den Junkern waren. Klemperer war der Meinung, es hätte Deutschland besser<br />
gedient, eine modernistisch-urbane Form des Konservatismus aus der Taufe zu heben, was in den<br />
angelsächsischen Ländern erfolgreicher funktioniert habe als in Deutschland. So habe das Wort von<br />
der Konservativen Revolution wenig Aussagekraft. Den konservativen Revolutionären sei es weder<br />
gelungen, ihre Glaubenssätze zu modernisieren, noch hätten sie ihre Traditionen der Moderne<br />
anpassen können.<br />
Deshalb, so Klemperer, entschieden sich manche radikalisierte konservative Revolutionäre wie<br />
Moeller van den Bruck oder August Winnig gegen die Tradition und für den radikalen Nihilismus. Die<br />
Radikalen lehnten eine Modernisierung der Tradition ab und glaubten, daß nur durch Zerschlagung<br />
der Moderne der Konservatismus wiederbelebt werden könne, daß aus den Ruinen der urbanen<br />
Masse die agrarisch-patriarchale Gemeinschaft wiedererstehen könne. Als Ergebnis dieses<br />
radikalisierten Nihilismus verschwand sowohl Tradition, Gemeinschaft und Konservatismus als<br />
ernstzunehmende Geistesströmung aus dem Deutschland nach 1945.<br />
Radikaler Nihilismus oder traditioneller Konservatismus?<br />
Und so bleibt Klemens von Klemperers Buch „Konservative Bewegungen“ eine bewegende, tragische<br />
Klageschrift eines gescheiterten Revolutionärs über verpasste Chancen und verlorene Träume.<br />
229
„Wir nennen es Arbeit“<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 12. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Holm Friebe und Sascha Lobo haben ein Buch geschrieben. „Wir nennen es Arbeit“ lautet der Titel<br />
und beschreibt die Arbeitsgewohnheiten der mit dem Web 2.0 entstandenen „digitalen Bohème“, zu<br />
der sich die Autoren selbst zählen. Das Thema ist ein ziemlich neues; brandaktuell und hypermodern;<br />
und so ist es nicht so schlimm, daß die Qualität des Geschriebenen – positiv gesagt – ausbaufähig ist.<br />
Sicher haben Lobo und Friebe dieses Buch ohnehin nebenbei geschrieben, so wie sie alles nebenbei<br />
frei und flexibel erledigen. Sie haben es geschafft, das erste Buch zum Phänomen der „digitalen<br />
Bohème“ zu verfassen und allein das zählt.<br />
Die „digitale Bohème“ pflegt einen fast bürgerlichen Lifestyle. Die Beschwörer der „Neuen<br />
Bürgerlichkeit“; Paul Nolte, Wolfgang Weimer und wie sie alle heißen; müssen bestimmt bald<br />
anerkennen, daß der einzige Nachwuchs der „Neuen Bürgerlichkeit“ die mit der Dekadenz spielenden<br />
digitalen Bohèmiens sind, denn diese freiberuflichen Blogger und Podcaster haben schon eine Menge<br />
der bürgerlichen Verhaltensweisen adaptiert. Sie sind bewegungsfaul und halten sich nur in einigen<br />
wenigen Internet-Cafés auf, um das, was sie Arbeit nennen, lässig abzuspulen. Genauso wie das<br />
Bürgertum halten sie sich ungefährlich im Bereich des „Mainstreams der Minderheiten“ auf. Die<br />
„digitale Bohème“ wünscht keine digitale Revolution, denn diese wäre viel zu anstrengend. Die<br />
neuen Bohèmiens wollen lediglich ein wenig über ihre Nichtsnutzigkeit plaudern.<br />
9to5: Von abends um 9 bis früh um 5<br />
Seltsamerweise interessiert die Menschen diese Nichtsnutzigkeit. Lobo, Friebe oder auch die<br />
Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin von <strong>2006</strong>, Kathrin Passig, die mit Friebe und Lobo in der „Zentralen<br />
Intelligenz Agentur“ zusammenarbeitet, leben davon, wahrgenommen zu werden. Sie versuchen aus<br />
der neuentstandenen Währung „Aufmerksamkeit“ ihr Kapital zu schlagen. Obwohl eine antikapitalistische<br />
Attitüde in der Pseudo-Intellektuellenwelt stylisch rüberkäme, suchen die „zentralen<br />
Intelligenzbestien“ keinen ernsthaften Weg aus dem Kapitalismus heraus. Sie wählen „aus<br />
ästhetischen Gründen nicht FDP“, finden aber ansonsten an der kapitalistischen Konsumkultur nichts<br />
auszusetzen. Schließlich profitieren sie davon.<br />
Ein bißchen Idealismus ist freilich bei den jungen Freiberuflern noch geblieben. Sie lieben ihre<br />
flexiblen Arbeitszeiten. Statt von früh um 8 bis abends um 6 zu arbeiten, mögen sie die 9to5-<br />
Arbeitszeiten, die nebenbei ein Abchillen in einer Bar in den Nachtstunden erlauben. „Abchillen und<br />
Live-Working“ könnte einer der nächsten Büchertitel von Lobo und Friebe heißen. Er würde das<br />
beschreiben, was die Autoren vorgeben den ganzen Tag zu tun. Sie schreiben davon, in Cafés<br />
gemütlich den ganzen Tag ihr Blog zu vernetzen, ein paar Blogeinträge zu kritzeln und an ein oder<br />
zwei Medienprojekten mitzuarbeiten.<br />
Im Strom des Mainstreams der Minderheiten<br />
Holm Lobo und Sascha Friebe haben „Wir nennen es Arbeit“ flott und locker geschrieben. Daß einige<br />
theoretische Bezüge, die sie anstandshalber eingebaut haben, nicht passen oder aus dem<br />
Zusammenhang gerissen worden, spielt eine untergeordnete Rolle. Mit Vorliebe zitieren sie beliebte,<br />
linke Autoren wie zum Beispiel Bertolt Brecht oder Pierre Bourdieu. Das zeigt, worum es ihnen geht:<br />
Immer schön vorne mitschwimmen, denn das Gegen-den-Strom-schwimmen wäre nicht nur der Tod<br />
ihrer halbherzigen Überzeugungen, sondern auch der Tod ihrer Arbeits- und Lebensweise.<br />
230
Ernst Niekisch und die dritte imperiale Figur<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Sonntag, den 15. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Nationalrevolutionär Ernst Niekisch (1889-1967) ist eine interessante Gestalt der Konservativen<br />
Revolution, welche die Grenzen zwischen dem, was „links und rechts“ ausdrücken soll, recht früh<br />
sprengte. Zeit seines Lebens zog es den Nationalrevolutionär zur Arbeiterklasse aber auch zur Nation<br />
hin. Begonnen hatte sein Weg in der Münchner Räterepublik, er führte über den Hofgeismarkreis der<br />
Jungsozialisten bis in die DDR. Nur einmal, im Widerstandskreis, einer Vereinigung, die sich dem<br />
„nationalen Befreiungskampf“ widmete, fand Niekisch eine politische Heimat jenseits der deutschen<br />
Arbeiterbewegung.<br />
Seine bedeutsame Schrift „Die dritte imperiale Figur“, die 1935 im Widerstands-Verlag erschien,<br />
konnte nicht mehr zur Entfaltung kommen, da sie kurz danach eingestampft und Niekisch selbst<br />
verhaftet wurde. Niekischs Entwurf ist seine letzte Veröffentlichung vor der Inhaftierung und vor<br />
dem Ende des noch legalen Widerstandskreises. Ihr kommt damit ein besonderer Rang zu. Die dritte<br />
imperiale Figur ist der Arbeiter, den er in einer Zeit sieht, die zugleich entortende Tendenzen, den<br />
Individualismus und die herrschsüchtige Ideologie des Demokratismus gegenüber den entmündigten<br />
Massen in sich birgt. „Wer die Welt beherrschen will, kann nicht in der Bindung einer ‚Scholle’ ruhen.<br />
(…) Das Imperium verbraucht Volkstum; es mischt alle mit allen – (…). Das Ende ist die<br />
unterschiedslose eingeebnete Masse.“ Die Entkopplung des Menschen von seinen gewachsenen und<br />
solidarischen Lebenszusammenhängen macht er als notwendige Folge dieses globalen<br />
Herrschaftsanspruches aus.<br />
Dabei ging es Niekisch stets darum, aus dem Geiste des konstruktiven Widerstandes die Nation mit<br />
der politischen Linken zu versöhnen. Der Historiker Sebastian Haffner forderte noch im November<br />
1989 angesichts der Wiedervereinigung, Niekisch wieder auf die Tagesordnung zu setzen: „So<br />
unwahrscheinlich es klingen mag: Der wahre Theoretiker der Weltrevolution ist nicht Marx und nicht<br />
einmal Lenin. Es ist Niekisch.“ Das universalistische Prinzip des Kapitalismus, des Profits und einer<br />
medial gelenkten Masse verursachte für Niekisch zugleich immer den Widerstand, der selbst<br />
wiederum durch jene Hegemonie der Zivilisation und ihre staatliche Exekutive und die<br />
Geheimdienste zermürbt wird. „Eigenwüchsige Völker wehren sich dagegen, sich unter den<br />
einheitlichen Nenner des allgemeinen imperialen Prinzips bringen zu lassen. Ihr Eigenwuchs muß<br />
zersetzt werden, damit sie dem Imperium nicht drückend ‚im Magen liegen’: sie werden ‚verdaut’.“<br />
Theoretiker der Weltrevolution: Nein, nicht Marx, nicht Lenin, es ist<br />
Niekisch.<br />
Sein Konzept der dritten imperialen Figur als Alternative jenseits der imperialen „Verdauung“ durch<br />
die Herrschaft des Geldes, das nicht mehr dient, sondern Selbstzweck wird, ist vor allem deshalb<br />
aktuell, weil Niekisch darin erkennt, daß das Instrument individualistischen Machtwillens zwar der<br />
global sich ausweitende Geldfluß ist, dieser aber solange Steine in den Weg gelegt bekommt, solange<br />
es noch Sachen, Werte und Menschen gibt, die nicht bedingungslos käuflich sind. Der Massenmensch<br />
hingegen sei nichts für sich; er sei nur soviel als er ‚hat’. Mit ihm ist es also ein leichtes, sich<br />
preiszugeben, wenn er Geld dafür bekommt. Genau jene korrumpierbare Masse ist für ihn das<br />
Gegenteil des deutschen Prinzips, dessen Träger ein solcher Genius ist, der in natürlicher Verbindung<br />
mit seinen Mitmenschen vorrangig sich selbst und dem Personalverband genug ist. Auch Anleihen<br />
bei Hegel sind erkennbar, wenn Niekisch meint, die Germanen seien zur Freiheit geschaffen, die sich<br />
231
spürbar und dauerhaft der Entwurzelung und der Vernichtung des Zuges zum Übersinnlichen<br />
widersetzen.<br />
Antisemitismus?<br />
Deshalb verrät sich für Niekisch in der Stärke des Antisemitismus, der als Reaktion aufkomme, kein<br />
menschenverachtendes und im heutigen naiven Sinne des Begriffes ideologisches oder<br />
„volksverhetzendes“ Konzept, sondern vielmehr die Enschlossenheit, wieder den Weg hin zum<br />
elementaren, ungebrochenen, in natürliche Ordnungen eingegliederten Menschen zu beschreiten,<br />
der sich nicht ökonomistisch zersetzen läßt. Es ist mehr denn je lohneswert, über diese Perspektive<br />
nachzudenken, denn akzeptierte man diese Haltung, könnte womöglich wirklicher Antisemitismus<br />
zurückgehen. Damit gemeint ist nicht jenes hysterisch Konstrukt, das die Bedenkenträger der<br />
etablierten Politik sich gern basteln, um sich komplexere Erkenntnisräume des Denkens vom Halse zu<br />
halten.<br />
Niekisch ist kein Antisemit, was ihm linke Kreise vorwerfen. Er schreibt selbst: „Die dritte imperiale<br />
Figur achtet auf ihre Souveränität; sie ist nicht „anti“ – weder antisemitisch, noch antirömisch.“<br />
Rechter Denker von links<br />
Niekischs Ansichten sind heute einer neuen Reflexion wert. Sein streitbarer, scharfsinniger und<br />
aufrechter Charakter führte schon immer dazu, daß er als 'rechter Denker von Links' in allen<br />
Regierungsformen, unter denen er lebte, zwischen den Stühlen saß. Seine „Widerstandstheorie“<br />
versuchte einen Brückenschlag zwischen Arbeiterbewegung und dem Denken rechtskonservativer<br />
Teile der Bevölkerung. Ihm schwebte wie vielen Denkern seiner Zeit ein Programm der „nationalen<br />
Wiedergeburt Deutschlands“ und ein Konzept eines Europa unter deutscher Führung mit starker<br />
Verbindung nach Osten bis nach China vor. Niekisch sprach oft von einem germanisch-slawischen<br />
Block, der durch seine geopolitische Stellung und sein wirtschaftliches Gewicht ein Machtfaktor<br />
ersten Ranges werden solle und sich der hegemonialen westlichen Dekadenz widersetze.<br />
Deutschlands Rolle liegt dabei darin, Stein des Anstoßes zu sein, der sich den gnadenlosen Schritten<br />
der imperialen Entortung in den Weg stellt. „Deutschland war vom Gesichtspunkt der beiden<br />
imperialen Figuren aus ein Stein im Wege; sie wollten ihn zertrümmern.“ Dabei bringt Niekisch die<br />
Strategie imperialer Figuren, unter denen wir heute Demokratismus, Globalisierung,<br />
Menschenrechtsideologie und Kapitalismus verstehen können, trefflich zum Ausdruck. Die imperiale<br />
Figur: „Sie packt die Völker von innen her: sie senkt in diese die Keime von Gesichtspunkten,<br />
Gesinnungen und Werthaltungen, die insgesamt, sobald sie erst zu breiter Entfaltung gelangt sind,<br />
die Völker gewissermaßen aus eigenem freiem Antrieb in die Bahnen steuern, die in das Reich der<br />
imperialen Figur münden.“ Wer sich dagegen wehrt, wehrt sich immer auch gegen die Entwertung<br />
der außerökonomischen Qualitäten und gegen die Ausmerzung geistiger Qualitäten, für die gerade<br />
die traditionell philosophiefreudigen Deutschen bekannt sind, mögen sie infolge ihres Widerstandes<br />
seitens der „Regierenden“ auch als „Extremisten“, „Verfassungsfeinde“ oder dergleichen<br />
gebranntmarkt werden.<br />
Ein neues Verhältnis von Regierenden und Regierten<br />
In seiner 1935 indizierten aber seit 2005 im Uwe-Berg-Verlag wieder publizierten Schrift „Die dritte<br />
imperiale Figur“ macht Niekisch anhand eines dualistischen Verhältnisses sogar auf neue Weise<br />
deutlich, wie Regierende und Regierte eines Staates in Relation zueinander stehen: „Die Tat des<br />
Untertanen ist immer so groß oder so klein, so folgenschwer oder so unerheblich, so weitreichend<br />
oder so kurzsichtig, wie es die Anordnung der Obrigkeit ist, durch die sie ausgelöst wurde. Die<br />
232
Obrigkeit hat jeweils die Untertanen, die sie verdient; für alle Sünden und Unzulänglichkeiten der<br />
Untertanen trägt die Obrigkeit die ausschließliche Verantwortung.“ Jegliches Mißverhalten, jegliches<br />
Vergehen und jegliche Straftat innerhalb eines Volkes und seinen Regierten ist stets nur ein Modus<br />
der Politik der Regierenden und eine analoge Spielart ihrer eigenen Vergehen an den Schaltstellen<br />
der Macht. Kurz: Ohne einen „Extremismus“ oder ohne Verbrechen und Korruption im Staate selber,<br />
der „Extremisten“ oder Verbrecher zu definieren sich anmaßt, wäre die Existenz von politischen<br />
„Extremisten“ und Übeltätern im Volke undenkbar. Man nimmt nur solche politischen Phänomene<br />
oder Unbehaglichkeiten wahr, deren negatives Potential man selbst besitzt und damit durch die<br />
Verortung dieser Phänomene außerhalb des Parlaments – außerhalb von sich selber – diese<br />
Eigenschaften bei sich feige abstreitet. Dieses enttäuschende Bild liefern die repräsentativen<br />
„Demokratien“ der Gegenwart.<br />
Es handelt sich bei Niekisch um eine wesentliche Neudefinition des Verhältnisses von Regierenden<br />
und Regierten, von etablierter Politik und neuen politischen Befindlichkeiten im Volke, die eine<br />
notwendige Neureflexion über das Selbstverständnis von repräsentativer Demokratie überhaupt mit<br />
sich führt. Nur die repräsentative Demokratie definiert sich über ein spezifisches Verhältnis von<br />
Regierenden und Regierten, von Volk und Staat. Sie zeichnet sich aber gegenwärtig durch eine<br />
selbstimmunisierende Tendenz aus: Vieles darf kritisiert werden – außer die „Demokratie“ oder<br />
zumindest das, was sich hegemonial und „herrschaftsfrei“ als solches ausgibt. Die Menschen werden<br />
damit zu Sandkörnern geistig entleerter Individuen. Dieser monologe Begriff von „Demokratie“<br />
knechtet alle, die noch Ethos haben und sich nicht auf diesen Status herunterdrücken lassen. So wird<br />
der „Demokrat“ zur Karikatur der Freiheit.<br />
Blind in die DDR<br />
In der DDR bekleidete Ernst Niekisch noch zahlreiche Funktionen. Dennoch entzog die deutsche<br />
Teilung ihm den Boden: „Zuletzt erkannte ich, daß man in Deutschland nur noch die Wahl habe,<br />
Amerikaner oder Russe zu sein.“ 1945 befreit die Rote Armee den langsam erblindenden Niekisch aus<br />
dem Zuchthaus Brandenburg. Er übersiedelt nach Berlin und tritt in die Kommunistische Partei<br />
Deutschlands (KPD) ein, später wird er Mitglied der SED. 1948 wird er Professor der Soziologie an der<br />
Humboldt-Universität zu Berlin/Ost, wo Werner Maser sein Assistent ist. Sein Schüler war der<br />
Publizist Wolfgang Venohr. Nach der Niederschlagung des Aufstandes vom 17. Juni 1953 legt er alle<br />
politischen Ämter nieder. Im Februar 1955 tritt er aus der SED aus. Er verstärkt seine Kritik am<br />
Regierungssystem der DDR und siedelt 1963 nach West-Berlin über, wo er in seiner Wohnung in<br />
Berlin-Wilmersdorf am 23. Mai 1967 stirbt. Seine Schriften bergen nach wie vor ein großes geistiges<br />
Potential.<br />
233
Die Tragik des deutschen Denkens – Friedrich Hölderlin<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Sonntag, den 15. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die traditionelle deutsche Philosophie versucht zu erahnen, „was die Welt im Innersten<br />
zusammenhält“, indem sie weniger den materiellen Charakter der Dinge betrachtet, sondern sich<br />
tiefgründig mit dem ideellen Gehalt der Dinge beschäftigt. Der Philosoph und Dichter Friedrich<br />
Hölderlin (1770-1843) als Vertreter dieser Denkart ist in Deutschland und der Welt mehr durch<br />
seinen „Wahnsinn“ als durch sein Werk berühmt. Nur so konnte der Erstherausgeber des<br />
hölderlinschen Gesamtwerkes, der noch 1916 während seiner Herausgebertätigkeit vor Verdun<br />
gefallene Norbert von Hellingrath, schreiben, daß es das „Fremdartige“ an der sich in der kurzen<br />
Epoche des deutschen Geistes hervorwagenden Dichtersprache und ihres lebensnahen<br />
Themenkreises war, das für „Spuren des Wahnsinns“ gehalten wurde. Wie nah Genie und Wahnsinn<br />
beieinander liegen, bündelt sich in diesem Friedrich Hölderlin.<br />
Hellingrath war es leid, daß die Deutschen sich am vermeintlichen „Irrsinn“ erregten und sich nicht<br />
an der politischen und geistigen Tiefendimension des eigentlichen Werkes und seinem<br />
außerordentlichen Standpunkt praktisch orientierten. Sein Zorn darüber gipfelt im ausdrücklichen<br />
Eintreten für den besonderen Weg Hölderlins als Dichter der Deutschen. Und so ist es heute an der<br />
Zeit, diesen Groll und vor allem Hölderlin ernst zu nehmen. Sein Roman „Hyperion“ bietet dafür<br />
zahlreiche Anknüpfungspunkte und eröffnet die Dimension deutschen Denkens neu: „Eines zu sein<br />
mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.“ Und so ist der „Hyperion“<br />
Träger einer aktuellen Botschaft: Die heutige politische und geistige Erneuerung muß basieren auf<br />
einer „Revolution der Gesinnungen und Vorstellungsarten“ (Hölderlin). Kurz: Nicht das Geld, sondern<br />
der Geist regiert die Welt.<br />
„Eines zu sein mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.“<br />
Hölderlin: „Gesang des Deutschen“<br />
O heilig Herz der Völker, o Vaterland!<br />
Allduldend, gleich der schweigenden Mutter Erd',<br />
Und allverkannt, wenn schon aus deiner<br />
Tiefe die Fremden ihr Bestes haben!<br />
Sie ernten den Gedanken, den Geist von dir,<br />
Sie pflücken gern die Traube, doch höhnen sie,<br />
Dich, ungestalte Rebe! daß du<br />
Schwankend den Boden und wild umirrest.<br />
Du Land des hohen ernsteren Genius!<br />
234
Du Land der Liebe! bin ich der deine schon,<br />
Oft zürnt' ich weinend, daß du immer<br />
Blöde die eigene Seele leugnest.<br />
Handeln und Erleben mit der Natur und gegenüber dem Menschen, Handeln als Liebe und<br />
Freundschaft sowie als politisches Handeln, als Sprache und Kunst einer Nation gehören zu den<br />
Mächten, welche diesen Roman Hölderlins prägen. Ihn neu zu lesen, kann heute wieder die wahre<br />
Bedeutung Hölderlins erschließbar machen. Hölderlin als zentrale Gestalt des 19. Jahrhunderts kann<br />
den realistischen Idealen eines eigentlichen Deutschland mit geistiger Substanz, Wahrheitssinn,<br />
Kreativität und Gerechtigkeitssinn eine nachhaltige Wirkung verleihen, war er doch selbst dem<br />
konservativen politischen Widerstand bis 1945 Leitfigur. Selbst Martin Heidegger griff angesichts der<br />
deutschen Erniedrigung, Schmach und Niederlage 1945 ausdrücklich zu Hölderlins Schriften, um den<br />
Weg zur Heilung der „Zerrissenheit Deutschlands“ neu zu beschreiten, sich des Eigentlichen an der<br />
deutschen Denkart neu gewahr zu werden und mit Blick auf das Ganze den 1945 am Boden<br />
liegenden Deutschen zuzureden, dennoch nicht ihr Wesen, ihre Herkunft zu verleugnen, der<br />
Übermacht des Fremden zu trotzen.<br />
Das Scheitern des Dichters der Deutschen in einer Welt der<br />
Mittelmäßigkeit<br />
Wer Hölderlin heute neu verstehen möchte, sollte dies deshalb tun, weil dieser Dichter eine<br />
Aktualität in sich birgt, die sich auf das diesjährige 200-Jahr-„Jubiläum“ seiner Einlieferung in den<br />
Tübinger Turm am 3. Mai 18<strong>07</strong>, worin er ganze 36 Jahre zugebracht hat, zurückführen läßt. Es ist<br />
mehr denn je geboten, Verständnis dafür aufzubringen, worum es ihm eigentlich ging und wieso ein<br />
tiefgründigeres Nachsinnen über Leben und Politik, über die je geistige Determiniertheit der<br />
Wirklichkeit in den verschiedenen Nationen von den Eiferern profaner Tagespolitik schon immer<br />
leichtfertig als „Verwirrtheit“ oder „Konstruktivismus“ abgetan wurde.<br />
Unverstanden, verstoßen und als „verwirrt“ etikettiert befand sich Hölderlin in seinem Refugium bis<br />
zu seinem Tode 1843. Er schrieb weiterhin Gedichte, empfing Gäste und nur wenige derselben<br />
erkannten den Genius der Deutschen, der ihnen dort gegenübersaß. „O, ein Gott ist der Mensch,<br />
wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt.“ Hölderlins eigenes Leben war ihm Programm.<br />
Deshalb auch zerbrach er an den staatlichen, restriktiven und kirchlich-dogmatischen Verhältnissen<br />
seiner Zeit, weigerte sich zeitlebens, den für ihn vorgesehenen Pfarrersberuf anzunehmen, um geistig<br />
unabhängig zu sein und viel größeres Schaffen zu können. Er ist ein tragisches Sinnbild der freien<br />
deutschen Denkart und ihres oft nicht nur mit der „Verwirrung“ Nietzsches wiederkehrenden<br />
Schicksals: Das Scheitern in einer Welt der Mittelmäßigkeit, des Profits und sekundärer,<br />
heraufbeschworener „Bedürfnisse“, die von der „Wiederkehr der Götter“ in Gestalt erleuchteter<br />
Denker, Politiker und Märtyrer nichts wissen möchte.<br />
Und zürnte der Hölderlin-Verteidiger Hellingrath hauptsächlich deshalb, weil dem Werk Hölderlins<br />
niemand gerecht werden konnte, so ist es an uns, diesen Zorn zu entkräften und Hölderlin auf<br />
gleicher Augenhöhe zu begegnen. Das bedeutet unverändert nichts weiter, als jenseits zeitlicher<br />
Vorteile und Vorurteile, jenseits allzu primitiver Etikettierungen und ausgrenzendem Vokabular der<br />
Gegenwart nach jenen ewigen Ordnungen zu streben, die zu allen Zeiten und bei allen Nationen in<br />
der Sehnsucht der Erlesenen lebte.<br />
235
Dekadenz und omnipräsente Gedankenlosigkeit<br />
Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />
Montag, den 16. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Kinder und Jugendliche sind der natürliche Spiegel jedweder Gesellschaft. Trends, Zeitgeiste und<br />
wechselnde, zuweilen unumstößliche, Erziehungsmaximen werden von ihnen am tiefsten<br />
verinnerlicht, da sie diese im frühen und damit lernfähigsten Alter „injiziert“ bekommen. Kinder und<br />
Jugendliche gelten als Erfolgsindikatoren für sozial-politische Experimente.Bei dieser Zielgruppe ist<br />
(Miss)Erfolg einer spezifischen, auf die Modifikation einer Gesellschaft ausgerichteten, Maßnahme<br />
nur schwerlich vorher abschätzbar, was das Vorhaben per se zu einem Glücksspiel mit eminent<br />
hohem Einsatz macht, da bei Misslingen fast irreversible Schäden bei den Kindern und Jugendlichen<br />
entstünden. Überzeugungen, die einen 100prozentigen Erfolg und Nutzen voraussagen, sind<br />
letztendlich nur ideologische Borniertheiten, die keinen Raum für Meinungspluralismus lassen.<br />
Der Diskurs um die „multikulturelle Gesellschaft“, der Utopie linker Soziologen und grüner<br />
Gutmenschen, ist ein Beispiel für ein solches Experiment mit irreversiblen Schäden. Symptome eines<br />
Scheiterns dieses Konzepts beginnen sich evidenter und evidenter zu manifestieren. Ein Blick in ein xbeliebiges<br />
Medium genügt vollkommen, um zu erkennen, dass Parallelgesellschaften sehr wohl<br />
existieren, die Jugendkriminalität von Migranten explodiert und die Stadtbilder einiger Orte wie z.B.<br />
Berlin-Kreuzberg, Hamburg-Wilhelmsburg oder Köln-Ehrenfeld, mehr als nur unangenehm sind. Hier<br />
ein türkischer Frisör, dort ein türkischer Schlachter und um die Ecke die türkische Metzgerei mit<br />
Halal-Produkten. Hier wurde wohl eindeutig das falsche integriert.<br />
Trotz alledem, eine offene und profunde Kritik der multikulturellen Gesellschaft wird zumeist mit der<br />
„Faschismuskeule“ im Keime erstickt. Zur Entkräftung dieser geistigen Verirrung ist ein Blick auf die<br />
Jugend im Hinblick auf den gesellschaftlichen Status Quo der Nation aufschlussreich und informativ.<br />
Quantität spielt hierbei eine ebenso wichtige Rolle wie die „Qualität“, zeigt erstere doch letztlich die<br />
Überlebensstärke der jeweiligen Gesellschaft. Der Überlebenswille eines Volkes manifestiert sich im<br />
„Reproduktionspotential“.<br />
Gebärfreudige Muslime<br />
Im Koran ist es vorgeschrieben, dass Frauen ihren Ehemännern möglichst viele Kinder gebären sollen.<br />
Ein Bummel durch eine jede Stadt bestätigt rein gefühlsmäßig diese Annahme, nämlich dass<br />
muslimische Frauen eine höhere Geburtenrate als ihre deutschen Pendants besitzen. Unter letzteren<br />
bleiben 30 Prozent ihr Leben lang kinderlos, vielen reicht bereits ein Kind, so dass das<br />
bestanderhaltende Niveau von 2,1 Kinder pro Frau nicht erreicht wird, sondern dieser Wert sich<br />
heute bei ca. 1,4 eingependelt hat. Quantitativ und damit überlebenstechnisch ist das islamische<br />
Milieu dem unseren deutlich überlegen. Die noch deutsche Mehrheitsgesellschaft droht graduell,<br />
jedoch unaufhaltsam, zu kippen. Anno 2050, um präzise zu sein, wie der renommierte Historiker und<br />
Volkswirt Prof. Dr. Manfred Pohl in seinem Werk „Das Ende des Weißen Mannes“ düster prophezeit,<br />
könnte es zum Kippen der Mehrheitsverhältnisse kommen.<br />
Um die „qualitative“ Komponente steht es wenig besser. Drogen- und Alkoholmissbrauch, Nihilismus,<br />
früh-kindliche Sexualisierung durch die Medien sowie ein Identitätsverlust durch fehlende Bezüge zu<br />
den positiven Errungenschaften des eigenen Landes bestimmen das Bild. Ferner imponiert die<br />
Leichtigkeit, mit welcher ein sozialer Aufstieg mittels krimineller Kariere zu bewerkstelligen ist, was<br />
ein Nachahmen mehr als stimuliert. Bildung und probate Tugenden wie Fleiß, Ordnung oder<br />
Aufrichtigkeit gleichermaßen sind nicht mehr angesagt. Ein leuchtendes Exempel dieser<br />
236
omnipräsenten Gedankenlosigkeit ist die Pisa-Studie, welche das geringe Maß an<br />
bildungsbürgerlichen Maximen und Normen in seiner Folge zeigt.<br />
Eklatantes Scheitern in der Bildungs- und Integrationspolitik<br />
Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund verhält es sich noch extremer. Teile dieser<br />
Bevölkerungsschicht sind im Sekundarbereich II eminent rar gesät, meist wird nur mit Ach und Krach<br />
ein Abschluss erreicht, so dass anschließende Arbeitslosigkeit quasi vorprogrammiert ist. Soziale<br />
Verrohung, kriminelle statt beruflicher Karriere, Abgrenzung von der Kultur des Gastlandes aufgrund<br />
völliger Unfähigkeit zur kritischen Selbstreflexion sind die Stürme, die durch den Wind antiautoritärer,<br />
„fakultativer“ Integrationspolitik à la „Laissez-Faire-Liberalismus“ geerntet werden.<br />
Um das eigene beschmutzte Gesicht zu erkennen, sollte unsere Gesellschaft vielleicht an einen<br />
Ausspruch von Friedrich Hebbel denken: „Es gibt auch Spiegel, in denen man erkennen kann, was<br />
einem fehlt.“<br />
237
Armin Mohler und sein Credo<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Montag, den 16. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Grundantrieb der politischen Rechten ist seit jeher das Aufbäumen gegen ein sich global<br />
ausweitendes Netz von Abstraktionen, Begriffen und Allgemeinheiten, welche die Welt und die<br />
Befindlichkeiten des Menschen grau zu machen drohen, fesseln, binden und zugleich eigentliche<br />
menschliche Schöpferkraft lähmen oder schubladisieren. Wohl kaum ein anderer betonte diese<br />
negative Tendenz in der Nachkriegszeit so sehr, wie Armin Mohler (1920-2003). Der schweizerische<br />
und recht früh in Deutschland wirkende Publizist, Schriftsteller und Journalist wurde bekannt durch<br />
seine Arbeit über die „Konservative Revolution“ (1950), die heute den Rang eines Standardwerkes<br />
innehat.<br />
Mohler ging in seinem Kampf gegen die Abstraktionen noch weiter. Er unterschied zwischen<br />
Naturalismus und Artificialismus, zwischen dem Wirklichen und seinem Doppel. Der Drang des<br />
Menschen nach der Bejahung des Wirklichen sei unausrottbar, während die vom globalen Geldstrom<br />
gelenkte und hysterische Masse nach allerlei Sekundärem und nach Ersatzbefriedigung im Käfig des<br />
Konsumismus strebt. Die Konservativen hingegen sind für Mohler stets auf die ausdrückliche und<br />
gelebte Bejahung des Wirklichen und Eigentlichen aus.<br />
Wirklichkeitskraft und Abstraktion<br />
Viele Politologen und selbsternannte Wissenschaftler, die niemals über den Tellerrand<br />
nutzbringenden Denkens im heutigen Staate hinauszuschauen sich wagten, halten die „Konservative<br />
Revolution“ trotzdem für einen abgeschlossenen Vorgang, der lediglich Unheil gebracht habe. Ihnen<br />
die Wirklichkeitskraft des konservativen Elements aufgewiesen zu haben, ist die bleibende Leistung<br />
Mohlers. Für ihn ist diese geistige Bewegung des deutschen Konservatismus ein Vorgang, in dessen<br />
Mitte wir uns immer noch befinden, der seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Darum war es für<br />
ihn wichtig zu sehen, welche Hände diesen Vorgang weiter lenken, damit er nicht esoterischen<br />
Zirkeln oder niederen Sekten anheim falle. Junge, im Leben stehende und selbst denkende Deutsche<br />
macht Mohler als moderne Träger des Erbes der „Konservativen Revolutionäre“ aus. Sie sind<br />
Vorreiter dabei, die Dekadenz des heutigen hedonistischen und unverbindlichen Menschen zu<br />
überwinden, die gleichschaltende demokratistische und in diesem Sinne totalitäre Gesellschaft mit<br />
ihrem vorsorglich auf Hitler + Auschwitz = Deutsch fixierten Irrsinn durch einen Menschen abzulösen,<br />
der Träger der klassischen antibürgerlichen Tugenden des Heroismus, der stets wachen Energie, des<br />
Sinnes für Pflicht und Opfer ist.<br />
Mohler stellte sich vor diesem Hintergrund oft selbst die Frage, ob wir noch in einer Demokratie<br />
leben oder schon in einem solchen Demokratismus, der sich an tausenderlei Sekundärem verliert<br />
und eine im Ernstfall kaum lebensfähige, auf indoktrinierte Allgemeinheiten fixierte,<br />
Durchschnittsfigur heranzieht, welche die liberale Vernünftigkeit als Alibi für das Ausweichen vor der<br />
Wirklichkeit und der Konkretion nimmt.<br />
Mohler und seine „Konservative Revolution“<br />
Bei Karl Jaspers promovierte Mohler 1949 mit der Dissertation: „Die konservative Revolution in<br />
Deutschland.“ Ernst Jünger wurde auf ihn aufmerksam, da er einen positiven Artikel über Jünger<br />
1946 in der „Weltwoche“ schrieb. Von 1949 bis 1953 war Mohler infolge dessen Privatsekretär von<br />
Jünger. Durch das Erschließen der fast in Vergessenheit geratenen „Konservativen Revolution“<br />
öffnete er den Deutschen die Tür zu einer neu zu durchdenkenden Ideenschmiede. Sein Begriff der<br />
238
„Konservativen Revolution“ meint dabei einen ganz Europa umfassenden politischen Vorgang,<br />
dessen Beginn er mit der Französischen Revolution setzt. Mit ihr komme die Welt zum Siege, die der<br />
„Konservativen Revolution“ als Gegner gilt. Es ist die Welt, die das Unveränderliche am Menschen<br />
nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern glaubt, das Wesen des Menschen zu ändern. Diese<br />
Gegenbewegung stellt sich als Versuch dar, eine neue Einheit zu stiften.<br />
Steht jemand zu dieser nationalen Einheit, macht es ihn viel unbefangener anderen gegenüber, weil<br />
das Eigene in Sicherheit ist und freies kooperatives Handeln darüber hinaus gegenüber dem Anderen<br />
gewährleistet wird. Und so war es für Mohler durchaus wichtig, als Schriftsteller zwar keine<br />
Kompromisse machen zu müssen, wie es in der praktischen Politik nötig ist, aber dennoch den<br />
anderen anzuerkennen. Diese Anerkennung forderte Mohler, für dessen perspektivistische Haltung<br />
die Welt eben nie vollends aufging, von seinen Mitmenschen ein – oft erfolglos.<br />
Seine gegen jeden Universalismus ausgerichteten politischen Überlegungen, amalgamiert mit einem<br />
offenen Bekenntnis zu den geistigen Grundlagen der „Konservativen Revolution“, ließen ihn in der<br />
Bundesrepublik, dem Lande des nahezu „geheiligten“ Grundgesetzes, anecken. Er selbst bezeichnete<br />
die Anfeindungen seiner Person als „Hexenjagden“. Dennoch: Für ihn war es nur relevant, was ein<br />
Mann macht und daß er damit unverwechselbares profiliertes Unikat bleibt, um nicht im Sumpf des<br />
allgemein Gemochten zu versinken. In dandyistischer Diktion ausgedrückt: Was die Allgemeinheit<br />
mag, ist damit schon wieder entehrt. „Das abenteuerliche Herz“ von Ernst Jünger mag dabei für<br />
Mohler die treibende Lektüre gewesen sein.<br />
Die nominalistische Wende<br />
Insgesamt faßte Mohler sein politisches Credo in den Begriff der „nominalistischen Wende“. Er<br />
unterschied zwischen Universalisten und Nominalisten. Während der Universalist glaubt, daß der<br />
Wirklichkeit eine geistige Ordnung zu Grunde liegt, in der ein Allgemeines dem Einzelnen vorausgeht,<br />
gibt es für den Nominalisten hingegen nur Einzelnes und Besonderes. Allgemeinbegriffe sind für ihn<br />
nur Namen, die der Universalist dem Einzelnen nachträglich verlieh.<br />
Der Universalist glaubt deshalb an eine Ordnung der Wirklichkeit, was der Nominalist als Möglichkeit<br />
akzeptiert, nicht aber voraussetzt. Für ihn, den Nominalismus, läßt sich menschlicher Geist mit der<br />
Wirklichkeit nicht kompatibilisieren, was ja Ziel des Universalisten ist. Er agiere im Auftrag der<br />
Bekehrung derer, die das „Falsche“ tun. In Wirklichkeit aber, so Mohler, hat es den Universalismus<br />
nie gegeben. Sein komplettes System sei gutmenschliche Schaufassade abstrakter Kategorien, die es<br />
sich anmaßen, Listen der zu Vernichtenden aufzustellen. Alles fruchtbare Denken hingegen ist der<br />
Versuch, den Engpass des Universalismus zu passieren, der aus dem Toten Meer der Abstraktion in<br />
das fruchtbare Land des Wirklichen, der primären Realitätswahrnehmung mit ihren Unebenheiten<br />
führt. Dieser Schritt macht die nominalistische Wende aus, die nur ein „anders“ und kein „besser<br />
oder schlechter“ – aktuell gesprochen beispielsweise „Demokraten“ und „Menschenrechtler“ vs.<br />
„Schurkenstaaten“ oder „Extremisten“ – kennt.<br />
Der mohlersche Faschismus-Begriff<br />
Die nominalistische Wende gibt der Welt ihre Gestaltungskraft zurück. Der Mensch ist sich seiner<br />
Endlichkeit und der temporären Erbärmlichkeit menschlichen Seins bewußt, spielt aber verwegen<br />
trotzdem seine Rolle. Es ist sein amor fati, das Gegenteil von Frustration, die tragische Haltung, die<br />
ihn treibt. Der nominalistische Mensch weiß, daß dem Kampf nicht immer ausgewichen werden<br />
kann. Er scheut ihn für Mohler auch nicht, denn er ist gewillt, seinen Gegenspieler zu vernichten,<br />
wenn sich die Frage des „Du oder Ich“ auftut. Er werde nie vernichten, weil der Gegner der falschen<br />
Religion anhängt. Mohler befürwortet bewußt die Besonderheit eines jeden Einzelnen, der so, wie er<br />
239
ist, anzunehmen ist, ohne sich einem hegemonialen Maßstab konformisieren zu müssen. Hier<br />
könnten sich in aller Welt agierende „Demokraten“ eine Scheibe gesunden Menschenverstandes bei<br />
denen abschneiden, die sie abstrakt als „Faschisten“ zu kategorisieren suchen. Doch was ist<br />
Faschismus schon?<br />
Das vollends mißbrauchte und seines motivationalen als auch historisch bedingten Kerns beraubte<br />
Wort „Faschismus“ bedeutet für Mohler in Kombination mit seinem Konservatismus-Begriff: "Wenn<br />
enttäuschte Liberale und enttäuschte Sozialisten sich zu etwas Neuem zusammenfinden – daraus<br />
entsteht, was man konservative Revolution nennt."<br />
„Der faschistische Stil“<br />
Mohlers Faschismus-Bild muß im Kontext seines Essays "Der faschistische Stil" gesehen werden. Hier<br />
lieferte er eine Definition des „Kautschukbegriffs" (Mohler) „Faschismus" aus ästhetischen Aspekten.<br />
Auch diese Definition steht auf dem Fundament des mohlerschen Nominalismus. Faschisten nämlich<br />
finden sich ausdrücklich mit Unstimmigkeiten, mit einer nicht aufgehenden Welt, ab. Ihre<br />
Verständigung erfolgt direkt – über den Stil, nicht abstrakt über begriffliche Anfeindungen. Der<br />
Faschismus hat deshalb nichts mit dem zu tun, was er als Propagandawort ab 1945 bedeutete.<br />
Vielmehr ist er das Grundgesetz der Kunst, der Schöpfung und des Stils, der Liebe zur Gefahr, zur<br />
Rebellion – nichts weiter.<br />
Gemeint ist bei Mohler dabei die Bereitschaft zum Kampf an sich, zur bereits betonten Fähigkeit, der<br />
Frage nach dem „Du oder Ich“ eine eigene Antwort entgegenzustellen. Gemeint ist nicht die<br />
nationalsozialistische Verherrlichung des Krieges als Selbstzweck zur Machtakkumulation, wie es auf<br />
den global sich universalisierende Demokratismus der USA vielmehr zutreffen würde. Faschismus<br />
versteht sich also als Aufstand gegen diese universalistischen Heilslehren, gegen ihre sich nicht<br />
bewährenden Märchen. Er ist für Mohler Ausdruck der nominalistischen Wende der Neuzeit in reiner<br />
und ästhetischer Form.<br />
Aufrecht leben und wirken<br />
Mohlers Definition des Faschismus sollten sich viele Wissenschaftler erneut zu Herzen nehmen. An<br />
Sachlichkeit, gesetzt in Korrelation zu vitalem Heroismus, ist sie wohl kaum zu überbieten. Sie ist<br />
Ausdruck einer Lebenshaltung, die ein geschmeidiges Verhältnis zur Wirklichkeit hat, mit dem<br />
heutige Entwicklungen der Weltpolitik unvoreingenommen analysierbar werden. Politische, sich als<br />
unhinterfragbar immunisierende Tendenzen werden durchschaubar. Es zählt zudem während dieses<br />
Erkenntnisprozesses immer der eine Mann, der sein eigenes Gesetz dagegenstellt und frei lebt.<br />
Dieser Eine schwitzt vermittelst seines autonomen und unabhängigen Reflexionsvermögens all jenes<br />
aus, was man den Deutschen heute aus strategischem Machtkalkül einimpft. Er gehört zu jenen im<br />
Leben stehenden Lenkern des auf den Höhepunkt zulaufenden konservativen Vorganges, die Mohler<br />
sich wünschte. Sie haben den Engpass des Toten Meeres begrifflicher Abstraktion aus eigener<br />
Erkenntnis heraus überwunden und streben ins Land des Wirklichen mit seinen Unebenheiten,<br />
denen es sich zu stellen gilt, durch die der Mensch erst zur wahren Reife gelangt.<br />
240
Die Lindenstraße<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Montag, den 16. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Sie hat die alte Bundesrepublik begleitet – die TV-Serie „Lindenstraße“. Jeden Sonntagabend<br />
versammelte sich die Bundesrepublik vor dem Fernseher und sah sich das neueste Drama der<br />
Hausgemeinschaft an. Die „Lindenstraße“ war über Jahrzehnte die Serie mit den höchsten<br />
Einschaltquoten. Sie symbolisierte die alte Bundesrepublik.<br />
So zumindest wollte es der Fernsehsender, die linkslastige ARD. Und tatsächlich, auf gewisse Weise<br />
tat das die Serie auch. In den 70er Jahren dominierten noch Familien die Serie, die im gemeinsamen<br />
Mietshaus auf der „Lindenstraße“ wohnten. Doch mit dem Triumphzug der Frauenbewegung auf den<br />
Straßen zog die erste, unverheiratete Frau in die virtuelle „Lindenstraße“ ein. Und in den frühen<br />
80ern, als die Punkwelle über Deutschland schwappte, hatte die „Lindenstraße“ ihren ersten Punk.<br />
Und Mitte der achtziger Jahre zog der erste Ali in die „Lindenstraße“, und noch ein wenig später ein<br />
Schwuler. Jede Figur der Serie sollte eine gesellschaftliche Gruppe repräsentieren, die miteinander<br />
Kompromisse im Zusammenleben aushandelten.<br />
Nichts blieb gleich in der „Lindenstraße“. Bis auf eines: die Konservativen, die es auch in der Serie<br />
gab, waren immer alt, hässlich und eh bald tot. Bloss gut, dachte sich der Zuschauer. Konservativ war<br />
Mutter Beimer, die alte Klatschbase aus dem Erdgeschoss, die jedem hinterherschnüffelte und<br />
immer das Haus kehrte, weil sie sonst nichts anzufangen wusste mit ihrem Leben.<br />
Emanzen, Muslime, Schwule und Punks<br />
Der Hausflur der „Lindenstraße“ war die Agora oder der Thingplatz der Bundesrepublik. Wie auf der<br />
Agora der griechischen Polis oder dem germanischen Thing wurde jeden Sonntagabend in der Glotze<br />
virtuell verhandelt, was richtig und gut, und was böse und falsch war, wer dazu gehörte und wer<br />
nicht, wer erfolgreich und wer nicht, und was in der Bundesrepublik politisch und kulturell erwünscht<br />
war.<br />
Jede Kultur verfügt über eine Agora oder einen Thing, sogar Diktaturen. Und in jeder Kultur gibt es<br />
Menschen, die bestimmen, wer wie lange auf der Agora sprechen darf und wer nicht. In der<br />
„Lindenstraße“ waren das die SPD-dominierten ARD-Intendanten, die der Idee der Volkspädagogik<br />
anhingen: Wenn man den Spiessern in Unterschleissheim und Siegburg zeige, wie harmonisch, lieb<br />
und nett die Welt doch mit Türken und Punks sei und wie hässlich und alt die Konservativen, so<br />
glaubten die Macher der Serie, lasse sich das deutsche Volk erziehen.<br />
Die „Lindenstraße“ als Agora der Bundesrepublik<br />
Das Haus der „Lindenstraße“ spiegelte diese Ideologie. Das Haus bestand aus den Polen „oben“ und<br />
„unten“. „Unten“ – das war das Kellergeschoss und das Parterre, wo die dunklen, alten, gestrigen<br />
Konservativen und Spiesser wohnten. „Unten“ war fast schon unter der Erde, fast schon tot. „Oben“<br />
dagegen war es hell, freundlich, jung, aufstrebend, sportlich. „Oben“ war die Zukunft, und wer jung<br />
und links und tolerant war, der strebte nach der „lichten Zukunft“ und gehörte zum<br />
gesellschaftlichen „Oben“, zur „Oberschicht“ der alten Bundesrepublik.<br />
Die „Lindenstraße“ sollte der Bundesrepublik die Zukunft zeigen: eine glückliche, tolerante<br />
Gemeinschaft von Emanzen, Türken, Schwulen und Punks. Eine schöne neue Welt. Nur hatte die<br />
neue Welt eine klitzekleinen Haken: es gab sie nicht. Zumindest nicht jenseits der Glotze.<br />
241
Wenn die „Lindenstraße“ das linke Synonym für die Utopie der alten Bundesrepublik war, was wäre<br />
dann das moderne Gegenstück dazu? Welche Straße könnte das neue Deutschland symbolisieren?<br />
Wo spielen sich die Konflikte heute ab, wo werden heute Identität, Inklusion, Exklusion und Teilhabe<br />
verhandelt? Wenn die Traumwelt der „Lindenstraße“ geplatzt ist, was ist dann die reale<br />
„Lindenstraße“?<br />
Eine Straße - eine durch und durch deutsche Straße - drängt sich auf: die Bornholmer Straße in<br />
Berlin/Prenzlauer Berg. Hier, auf der Bornholmer Straße, starb die alte Bundesrepublik. Hier starb die<br />
DDR. Hier starb der DDR-Traum vom Sozialismus, der BRD-Traum von der „postnationalen Identität“<br />
und der von Multi-Kulti. Keine Straße in Deutschland wäre besser geeignet, die Lindenstraße zu<br />
ersetzen als die „Bornholmer Straße“.<br />
242
„Bornholmer Straße“ statt „Lindenstraße“<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Montag, den 16. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Am 9. November 1989 war die Bornholmer Straße die erste, auf die Tausende Berliner drängten, um<br />
nach Westberlin zu gelangen. Hier brachen die Dämme, hier brach die Mauer, hier lagen sich<br />
Deutsche und Deutsche zuerst in den Armen. Alle Fernsehbilder von der Maueröffnung in Berlin<br />
zeigen die Bornholmer Straße. Vor 18 Jahren starb hier die DDR, „der erste sozialistische Staat auf<br />
deutschem Boden.“ Und hier starb auch die alte Bundesrepublik, „der erste postnationale Staat in<br />
Europa“ [Habermas]. Wie der Schriftsteller Heiner Müller sagte, „wenn der Osten stirbt, gibt es auch<br />
den Westen nicht mehr.“ Deshalb starb mit der DDR die Bonner Republik, hier auf der Bornholmer<br />
Straße.<br />
Im Gegensatz zu dem ‚Unten’ der Lindenstraße, den Konservativen, und dem ‚Oben’, den trendigen<br />
Linken, bewegt sich die Bornholmer Straße zwischen den Polen Ost und West. Westen, das ist hier<br />
Wedding, ein junges Viertel, fast mehrheitlich muslimisch, multikulturell und multikriminell,<br />
zerbombt im Krieg und aufgebaut in den Waschbeton-Utopien der 70er Jahre. Osten, das ist hier<br />
Pankow, eine Hochburg alter SED-Bonzen, fast schon tot und kinderlos. Zwischen Ost und West liegt<br />
Prenzlauer Berg, und dieser kleine Abschnitt der Bornholmer Straße zwischen Pankow-Ost und<br />
Wedding-West ist die Agora der Bundesrepublik. Zumindest könnte sie es sein. Warum?<br />
Der Westen: muslimisch, multikulturell und multikriminell<br />
Hier treffen Muslime auf Deutsche, Linke auf Rechte, Schwarzafrikaner auf Hippies, Yuppies auf Hartz<br />
IV-Bezügler, und deutsche DINKs (double income, no kids) auf albanische Grossfamilien. Hier könnte<br />
man miteinander sprechen und die Konflikte der Zukunft verhandeln und so etwas wie<br />
Zivilgesellschaft und Basisdemokratie, die Ideale der `89er Revolution, verwirklichen. Denn Pankow<br />
und Wedding sind Parallelgesellschaften in Reinform. In Wedding spricht kein Muslim mit einem<br />
Deutschen. Nicht, wenn es nicht sein muss. Und nach Pankow trauen sich junge Türken nur in<br />
Gruppen. Deshalb die Bornholmer Straße. Zeit für eine Ortsbegehung, im Jahr 18 nach der deutschen<br />
Revolution, nach `89, nach der Wende. Was ist seitdem aus der Bornholmer Straße geworden, was ist<br />
in den 18 Jahren aus Deutschland geworden?<br />
Der Stadtrundgang beginnt dort, wo die Mauer brach, an der Bornholmer Brücke, der Grenze zu<br />
Wedding. Wedding und Prenzlauer Berg werden hier getrennt durch einen tiefen Graben, durch den<br />
die S-Bahn fährt. Die Stahlbrücke über die S-Bahngleise – sie ist ein Symbol. Symbol der Teilung<br />
Deutschlands zwischen Deutschen und Deutschen. Symbol der Wiedervereinigung. Und ein Symbol<br />
der erneuten Teilung, diesmal zwischen Deutschen und Ausländern. Hier drängt sich ein<br />
schreckliches Bild auf: das von der Brücke von Mostar, die einst den muslimischen vom christlichkroatischen<br />
Teil trennte und zum Symbol für den Bürgerkrieg in Jugoslawien wurde.<br />
Was ist aus Deutschland geworden?<br />
Gleich hinter der Brücke in Prenzlauer Berg, hinter der ehemaligen Mauer wird der Besucher<br />
begrüsst mit einem großen Schriftzug „Nazis raus.“ Die Bornholmer Straße und Deutschland lassen<br />
sich an zwei Extremen ausmachen: den Nazis und den Multi-Kulti-Gutmenschen. Und mit „Nazis“<br />
spricht man nicht, die wirft man „raus“, die vertreibt man von der Agora.<br />
Auf der Bornholmer Straße wird jedoch nicht nur vertrieben, einige gehen auch freiwillig oder hätten<br />
allen Grund zu gehen. Am Ende der Bornholmer Straße wartet ein stolzer Klinkerbau aus besseren<br />
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Zeiten; einst eine Fabrik, als es in Deutschland noch Industriearbeit gab. Hier teilt der Staat jeden<br />
Monat die Sozialhilfe aus. So werden die Rebellen von `89 – die stolzen Bürger, die mit<br />
Deutschlandfahnen die kommunistischen Schergen überrannten – zu deprimierten Bettlern um<br />
Almosen. Stolz, Lebensfreude, Engagement – davon ist heute nichts mehr zu spüren.<br />
Der Osten: Nazis, deprimierte Bettler und Gutmenschen<br />
Die deutsche Straße im Jahr `18 nach der deutschen Revolution. Eine zerfallene Gesellschaft voller<br />
Misstrauen und unterdrückter Wut. Die Träume von `89 – die einer Gesellschaft, in der die Bürger<br />
wirklich mitsprechen dürfen, in der man füreinander einsteht, weil man etwas gemeinsam hat und<br />
nicht, weil es andere fordern – sie sind zersplittert, in kleine Parallelgesellschaften, die sich mit<br />
Misstrauen schweigsam gegenüberstehen.<br />
Nur eine Vereinigung hat gut funktioniert: die zwischen alten Stalinisten und neuen<br />
Multikulturalisten. Sie bestimmen heute die Agora – auf der Bornholmer Straße und in Deutschland.<br />
Zeit für einen neuen Aufstand! Zeit für eine konservative Revolution!<br />
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Gutmenschen in der Bornholmer Straße<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Montag, den 16. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Auf der Bornholmer Straße haben die Gutmenschen ein Gesicht: das von Matthias Z. und der Antifa<br />
Pankow. Matti hatte schon zahlreichen Anzeigen wegen Körperverletzungen. Vor vier Monaten<br />
wurde er aus dem Gefängnis entlassen, wo er einsaß wegen versuchtem Totschlag. Die Linkspartei<br />
mobilisierte ihre besten Anwälte und „befreite“ Matti aus der Haft. Einige „Antifaschisten“ wohnen<br />
genau dort, wo die Mauer brach, und kämpfen den alten Kampf, der hier zu Ende ging. „Kein Frieden<br />
mit Deutschland“, so heisst es auf Hunderten Aufklebern, die hier an Laternenpfählen und<br />
Bushaltestellen prangen.<br />
Der Ort, an dem die Mauer brach, hat heute einen Gedenkstein mit einer erklärenden Tafel.<br />
Zumindest den Gedenkstein gibt es noch, den konnten die Antideutschen nicht entfernen. Die<br />
gläserne Gedenktafel wurde immer wieder zerschlagen und wieder erneuert, überlebte meist aber<br />
nur eine Nacht, bevor sie wieder zerschlagen wurde. Jetzt ist sie weg. Die Stadtverwaltung hat<br />
aufgegeben. Punktsieg für die Linken.<br />
Matti und sein Trupp sind aktiv. Man sieht sie fast jeden Tag. Am Jahrestag der Maueröffnung kleben<br />
sie Plakate mit Fotos von jüdischen Ghettobewohnern und der Aufschrift „Es gibt nichts zu feiern.“.<br />
Zu den Kommunalwahlen in Berlin überlebte kein NPD-Plakat auf der Bornholmer Straße länger als<br />
eine Nacht. Auch die CDU-Plakate blieben nicht lange ohne Verzierung oder Aufkleber.<br />
Wird Matti Z. irgendwann einmal ein Intellektueller?<br />
Die gewaltbereite Antifa Pankow ist so aktiv, dass Christina Kaindl, eine linksextreme Journalistin,<br />
den „antifaschistischen Aktivisten“ Matti Steinitz auf eine Podiumsdiskussion der PDS-Stiftung Helle<br />
Panke, die neben der Bornholmer Straße ihr Büro hat, einlud. Dort wollte man seine Meinung hören.<br />
Dort, zwischen Professoren in Zwirn und JournalistInnen in Batik saß der „Antifaschist“ und war sich<br />
des Beifalls der Anwesenden bewusst. Dort applaudierten ihm die PDS-Politrentner und waren<br />
begeistert, dass Matti ihre Jugendträume, den Kampf gegen den Faschismus, weiterlebte.<br />
Außer linksextremen Schlägern hatte man die Genossen der VVN eingeladen. Die VVN BdA, der<br />
„Verein der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“, war einst eine stalinistische<br />
Kadertruppe sogenannter „Widerstandskämpfer“, eine Vorfeldorganisation der KPD. Die VVN war so<br />
offen pro-stalinistisch, dass sich sogar die SPD genötigt fühlte, ihre Mitglieder vor dieser Gruppe zu<br />
warnen und einen „Unvereinbarkeitsbeschluss“ verabschiedete. Doch vorerst hat man die Stalin-<br />
Bilder von der Wand genommen und sammelt Unterschriften gegen die NPD. Das macht die<br />
Stalinisten anschlussfähig an die westdeutsche Modelinken. Und deshalb diskutieren die Rentner der<br />
VVN mit der Westjournalistin Christina Kaindl und Matti Steinitz über den „antifaschistischen Kampf<br />
– damals und heute.“<br />
Die Grafen von und zu Buchenwald<br />
Wedding, der Stadtteil mit einer muslimischen Bevölkerungsdichte von mittlerweile 35%, Tendenz<br />
steigend, ist hier nur 500 Meter weit entfernt. Doch das interessiert in der „Hellen Panke“ keinen.<br />
Hier kämpft man gegen Nazis. Und das schon seit 1920. Man hat halt noch Traditionen. Die<br />
stalinistischen Rentner klagen: „Früher war alles besser.“ Für sie auf jeden Fall. Denn zu DDR-Zeiten<br />
zahlte der Staat jedem VVN-Mitglied lebenslang eine luxuriöse Rente, die teilweise das Doppelte<br />
eines Arztgehalts betrug. Ein paar Monate Buchenwald reichten aus, um in der DDR bis ans<br />
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Lebensende jeden Monat ordentlich zu kassieren. Deshalb kursierten damals böse Witze über die<br />
„KZ-Aristokraten“ oder die „Grafen von und zu Buchenwald.“ Die Harvard-Historikerin Catherine<br />
Epstein hat nachgewiesen, dass der Adelstitel „KZ-Opfer“ so lukrativ war, dass viele Buchenwald-<br />
Grafen der VVN ihre Leidensgeschichten einfach erfanden.<br />
Doch bald sind die KZ-Grafen tot. Darauf freut sich schon Sarris. Sarris und seine zypriotisch-türkische<br />
Großfamilie haben auf der Schönhauser Allee/Bornholmer Straße ein riesiges Fabrikgelände gemietet<br />
und betreiben dort den größten Trödelmarkt des Bezirks. Seine Söhne lösen Haushalte auf. Haushalte<br />
der alten Ostrentner, die langsam wegsterben. Und hier sterben viele. Viele Deutsche sind kinderlos<br />
und haben niemanden, dem sie ihren Besitz vermachen können. Also tragen die jungen Türken den<br />
Hausrat aus den deutschen Wohnungen und versilbern ihn. Das Geschäft brummt. Neben Töpfen<br />
und Geschirr verkaufen sich alte Möbel am besten. Sarris hat die Fabrikhalle vollgestellt mit<br />
Jugendstilmöbeln, imperialen Schreibtischen aus Eichenholz, Rokokko-Stühlen und Gemälden. Die<br />
Schränke quellen über mit Pelzmänteln. Hier lässt sich verdienen. Was sich in dem armen Bezirk nicht<br />
verkauft, geht an Edel-Antik-Händler in reicheren Gegenden.<br />
Sarris braucht auch keine Agora. Er hat, was er will: seinen Markt, seine Söhne, seine Welt. Und<br />
worüber sollte er mit den Deutschen reden? Es reicht doch, wenn sie kaufen. Und wegsterben.<br />
Sarris` großer Trödelmarkt fügt sich gut ein in die Gegend. Auf der Bornholmer Straße dominieren<br />
Trödler, Sonnenstudios, Dönerbuden und Second-Hand-Läden. Sie sehen alle gleich schmuddelig aus.<br />
Nur ein Geschäft sticht heraus. Der Laden „Harakiri“.<br />
„Schöner leben ohne Naziläden“<br />
Bereits von weitem leuchtet die Fassade des Mode-Ladens „Harakiri“ in grellem Orange. Sie wird<br />
immer frisch gestrichen. Wöchentlich. Denn der Laden „Harakiri“ ist kein normaler Laden, sondern<br />
ein „Naziladen“. Deshalb prangen an der Fassade jede Woche Grafitti-Sprüche wie „Schöner leben<br />
ohne Naziläden“ oder „Nazis verpisst Euch“. Jede Woche streicht der Besitzer die Fassade neu.<br />
Angeblich geht das Spielchen zwischen Antifa und dem Ladenbesitzer seit Jahren so. Was genau in<br />
dem Laden etwas mit Nationalsozialismus zu tun hat, erschliesst sich dem Besucher nicht auf den<br />
ersten Blick. Der sogenannte „Naziladen“ bietet allerlei amerikanisierten Modeplunder an, T-Shirts,<br />
Schuhe, Baseballmützen. An sich eher unspektakulär.<br />
Doch für Matti Steinitz und die Rentner der VVN ist der Laden ein Symbol: Symbol für eine noch nicht<br />
gewonnene Schlacht. Und so brummt das Internet mit linksextremen Flugschriften über den Laden<br />
und seinen Besitzer. In der „Hellen Panke“ tuscheln die VVN-Rentner, dass es so was früher nicht<br />
gegeben hätte. Und selbst wenn, so flüstert ein Grauhaariger, hätte man „kurzen Prozess“ gemacht.<br />
Kein Wunder, hier fühlt sich Matti Steinitz wohl. Man ist sich einig: „Nazistrukturen“ müssen<br />
zerschlagen werden, tönt es von Aufklebern rund um den Block.<br />
Noch einmal 100 Meter vom „Naziladen Harakiri“ entfernt sitzt die „Interkulturelle Initiative<br />
Prenzlauer Berg.“ Hier treffen sich jede Woche Deutsche, denen Deutschland zu deutsch ist. Meist<br />
Frauen, die mit afrikanischen Asylanten Kinder haben. Man tauscht sich aus über die aktuellen<br />
Diskriminierungen im Alltag, tauscht Babykleidung und ist unter sich. Die gut finanzierte Initiative hat<br />
eine Bibliothek, die fast nie jemand besucht und ein Cafe, das auch meist leer steht.<br />
Den meisten Deutschen ist die „Interkulturelle Initiative“, im Volksmund „Kohlenkeller“ genannt ob<br />
ihrer dunkelhäutigen Besucher, gleichgültig. Man hat die Afrikaner nicht gebeten, herzukommen,<br />
und man durfte nicht darüber entscheiden. Man ignoriert sie. Das weiß die Initiative. Deshalb<br />
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summen ihre Flyer mit Wörtern wie „unser Kiez“ und „wir hier im Stadtteil“, wie lautes Pfeifen im<br />
Wald.<br />
Interkulturelle Initiativen und einheimische Arbeitslose<br />
Wer hier vor der „Interkulturellen Initiative“ gut aufpasst, begegnet hin und wieder bieder<br />
gekleideten Damen und Herren, durchweg Deutsche, meist jenseits der 50, die mit zielsicherem<br />
Schritt auf Papierkörbe und Mülltonnen zu gehen und sie schnell geschickt durchwühlen. Dann gehen<br />
sie schnell beiseite. Sie wollen nicht, dass man sie sieht. Sie haben noch ihren Stolz. Und sind<br />
offensichtlich nicht so gut bei Kasse wie die „Interkulturelle Initiative.“<br />
Aber eines haben alle – Sarris’ Söhne, die Schwarzafrikaner, die Deutschen und die KZ-Grafen –<br />
gemeinsam: das Sozialamt.<br />
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„Im Kampf gegen den Untergang der deutschen Kultur<br />
kommt Mitteldeutschland eine Schlüsselrolle zu.“<br />
Geschrieben von: BN-Redaktion<br />
Dienstag, den 17. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der inzwischen fraktions- und parteilose Abgeordnete des 16. Deutschen Bundestages, Henry<br />
Nitzsche, gehörte bis <strong>2006</strong> der CDU an und löst regelmäßig politisch unkorrekte Debatten aus. Ende<br />
<strong>2006</strong> trat Nitzsche aus Partei und Fraktion aus, nachdem er in der CDU in Ungnade gefallen war, weil<br />
er den deutschen „Schuldkult“ kritisierte und verantwortungslos handelnde „Multikultischwuchteln“<br />
in der etablierten Politik ausmachte. An seiner Kritik gegenüber den etablierten Parteien hält er bis<br />
heute fest.Im Gespräch mit blauenarzisse.de nimmt er Stellung zur Verfassung der CDU, zum<br />
etwaigen Beitritt der Türkei zur EU und zur demographischen Entwicklung Deutschlands.<br />
Was heißt es heute, konservativ zu sein?<br />
Nitzsche: Was heißt denn überhaupt konservativ? Ich kann dieses Wort nicht mehr hören. All diese<br />
Leute, die sich als konservativ bezeichnen und ihren vermeidlichen Konservativismus ähnlich einem<br />
Familienerbstück in der Vitrine aufbewahren und dieses zur Gewissensberuhigung gelegentlich<br />
abstauben. Ich kenne momentan kaum ein Wort, das so nichtssagend und verbraucht ist, wie<br />
konservativ.<br />
Ist die CDU konservativ? Wenn nein, warum nicht?<br />
Die CDU setzt momentan alles daran, sich als Partei der Mitte zu etablieren. Da sich die politische<br />
Mitte in Deutschland allerdings so weit nach links verschoben hat, daß, benutzt man zur<br />
Verdeutlichung ein gewöhnliches Koordinatensystem, sich x-Achse und y-Achse irgendwo zwischen<br />
SPD und SED/PDS/Linkspartei kreuzen. Sprich, da ist dann die heutige politische Mitte. Und da wird<br />
dann langfristig auch die CDU zu finden sein.<br />
Wie stehen sie zu einem eventuellen Beitritt der Türkei zur EU?<br />
Die Türkei passt nicht in eine Gemeinschaft von Staaten, deren eigentliche Grundlage einmal die<br />
christlich-abendländische Kultur war. Sie wird trotz aller Bemühungen niemals in unserem Kulturkreis<br />
ankommen. Außerdem würde ein Beitritt der Türkei für die EU ein unkalkulierbares wirtschaftliches<br />
Risiko bedeuten. Von kulturellen und politischen Konsequenzen ganz zu schweigen. Ich sage nur EU-<br />
Außengrenze zum Irak und Kurdenproblematik. Ein EU-Beitritt der Türkei wäre vor allem für<br />
Deutschland eine Katastrophe. Hierzulande leben bereits weit über zwei Millionen Türken. Sobald<br />
jedwede Nachzugsbeschränkung fällt, wird Deutschland buchstäblich überrannt werden.<br />
Wie beurteilen Sie das derzeitige Verhältnis des Christentums zum Islam in Deutschland?<br />
Die christlichen Kirchen in Deutschland haben sich zu sehr der religiösen Toleranz verschrieben. Bei<br />
all dem interreligiösen Dialog vergessen sie aber, daß der Islam eben keine tolerante Religion ist.<br />
Sobald er in einem Land die Mehrheit bildet, wird er zum politischen Islam und dann hat sich das mit<br />
der freien Religionsausübung erledigt. Der Islam ist eine stark expansive Religion. In Deutschland ist<br />
man dagegen nicht mehr bereit, die eigene Religion konsequent zu verteidigen. Im Gegenteil: In<br />
Deutschland gibt es nach Aussage der Bundesregierung mindestens 2.600 muslimische Gebetsräume,<br />
davon 150 klassische Moscheen mit Kuppel und Minarett. Zusätzlich gibt es weitere 100<br />
Bauvorhaben. Christliche Kirchen werden dagegen entweder verkauft, für Werbezwecke genutzt, als<br />
248
Disco umfunktioniert oder man feiert erotische Gottesdienste. Diese Schwäche des Christentums<br />
wird sich bald bitter rächen.<br />
Wie bewerten Sie die demographische Entwicklung in Deutschland?<br />
Es ist schon fast pervers, daß in Deutschland <strong>2006</strong> rund 120.000 Kinder abgetrieben wurden. Das ist<br />
beinahe drei Mal die komplette Einwohnerzahl Hoyerswerdas, der größten Stadt in meinem<br />
Wahlkreis. Anstatt hier Abänderung zu schaffen, setzt die Politik auf mehr Zuwanderung, um die sich<br />
anbahnende demographische Katastrophe aufzuhalten. Ohne dabei aber zu bedenken, daß sie damit<br />
eine ethnische Katastrophe geradezu heraufbeschwört.<br />
Welche generellen Zukunftsaussichten gibt es für Mitteldeutschland?<br />
Die Menschen in Mitteldeutschland haben ein anderes Verständnis von Vaterland. Bei uns setzt man<br />
nicht Volk mit Bevölkerung gleich. Das ist sicherlich kein Verdienst der sozialistischen Diktatur,<br />
sondern liegt allein daran, daß Mitteldeutschland nicht einer jahrzehntelangen Zuwanderung<br />
ausgesetzt war und die damit einhergehende Überfremdung auch nicht als begrüßenswerter Zustand<br />
verklärt werden konnte. Im Kampf gegen den vollständigen Untergang der deutschen Kultur kommt<br />
Mitteldeutschland daher eine Schlüsselrolle zu.<br />
Was können heute konservative, junge Leute tun? Wo können sie sich sinnvoll engagieren?<br />
Junge Menschen die etwas verändern wollen, sollten ihre Meinung offen und bestimmt sagen. Und<br />
nicht nur in irgendwelchen konspirativen Debatierzirkeln, wie das im rechten Lager momentan Usus<br />
ist. Wenn man etwas verändern will, muß man nun mal aus der Anonymität heraus. Ein Engagement<br />
in einer der momentan bestehenden Parteien, erachte ich nicht für sinnvoll. Wichtiger ist es, über<br />
einen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung Druck auf das politische System auszuüben. So daß<br />
sich daraus eine außerparlamentarische Opposition und langfristig eine neue politische Kraft<br />
entwickelt.<br />
249
Revolutionen und ihre Vorwehen<br />
Geschrieben von: Marco Reese<br />
Donnerstag, den 19. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Politische Veränderungen bedürfen zuvor der geistigen. Die Richtigkeit dieser Binsenweisheit zieht<br />
sich wie ein roter Faden durch die europäische Geschichte. Eine Betrachtung der Vorwehen der<br />
Französischen Revolution zeigt, daß die Vertreter der Aufklärung einer abstrakten Vernunft, der<br />
reinen Güte des Menschen und einer Befreiung des Menschen vom Religiösen anhingen und so die<br />
Revolution geistig vorbereiteten. Bei der Oktoberrevolution in Rußland 1917 und der<br />
Studentenrevolte 1968 waren ebenfalls die geistigen Grundlagen, das Menschenbild und die Denker,<br />
an denen sich die Revolutionäre orientierten, weit vorher vorhanden.<br />
Meist waren es die höheren Stände, in welchen sich das entsprechende Gedankengut zuerst<br />
verbreitete und gleichsam „salonfähig“ wurde – so in den französischen Salons des 18. Jahrhunderts.<br />
Auch in Rußland war dies ähnlich, und die Hauptakteure von „68“ waren Sprößlinge aus gutem<br />
Hause. Nicht umsonst schrieb Friedrich von Schiller: „Vor dem Aristokraten in Lumpen bewahrt mich,<br />
ihr Götter.“, und der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler sprach vom „Priesterpöbel“ der<br />
Französischen Revolution.<br />
Die linken Utopien von 1789, 1917 und 1968<br />
Dekadenz und Gleichgültigkeit höherer Stände sind stets der Anfang unheilvoller Umwälzungen. So<br />
wurde die 1789 ausbrechende Revolution in Frankreich ein wahres Blutbad. Glaube, Sitte und<br />
Tradition waren, ausgehend von abtrünnigen Adligen und Klerikern, insgesamt geschädigt worden.<br />
Von Rußland ist dasselbe zu sagen. Die 68er hingegen widmeten sich weitreichenden, utopischen<br />
Projekten. Sie faselten von „Demokratisierung“, „antiautoritärer“ Erziehung und später von einer<br />
„multikulturellen Gesellschaft“ und haben damit zu der heutigen mißlichen Lage in Demographie,<br />
Bildung, Kultur und Geschichtsbewußtsein stark beigetragen.<br />
Es stellt sich die Frage, ob eine „Revolution“ von „rechts“ in Zukunft Erfolg haben könnte. Wer würde<br />
diese anführen? Und wer würde mithelfen? Wie würde es aussehen, was würde geschehen? Denn<br />
zweifelsohne ist die politische Substanz in weiten Teilen des deutschen Volkes heute aufgrund der<br />
vorherigen Entwicklung nicht mehr vorhanden, die nötig wäre, eine solche gelingen zu lassen und<br />
danach an den Aufbau einer neuen Ordnung zu gehen.<br />
Eine Revolution von rechts?<br />
Dies war nach dem Ersten Weltkrieg noch anders, als die Nationalsozialisten jedoch die überreife<br />
Frucht vom Baum der modernen Demokratie pflückten, wurden die Wünsche und Erwartungen der<br />
Denker der „Konservativen Revolution“ enttäuscht, die auf eine Neuordnung, auf einen<br />
geschichtlichen Rückgriff gehofft hatten. Nach 1945 war es infolge der Teilung Deutschlands und der<br />
Umerziehungen damit weniger gut bestellt und nach 1968 erst recht; die Hoffnung auf die „geistige<br />
Wende“ erfüllte sich weder in den 70er Jahren noch nach dem Regierungsantritt Helmut Kohls.<br />
Linke Utopien sind in der Praxis gescheitert. Weder das stalinistische Rußland noch die Deutsche<br />
Demokratische Republik konnten ihre utopischen Versprechen einigermaßen halten. Dennoch<br />
werden linke Utopien von fast allen etablierten Parteien weiter bedient und sie bieten gerade<br />
Jugendlichen eine gewisse Erfüllung. Jugendliche kann das Utopische linker Weltanschauungen, das<br />
scheinbare Brechen von politischen Tabus und der gutmenschliche Antifaschismus, mittels dessen<br />
250
die Linke ihr nicht Genehmes als „faschistoid“ abtut, leicht in den Bann ziehen. Noch 1989 stellte Erik<br />
von Kuehnelt-Leddihn ein Ideologiemonopol der Linken in Form der Marxismen fest.<br />
Eine nationale Revolution hingegen, wie sie von Teilen der NPD, die aber mehr an eine „braune“ PDS<br />
als an eine rechte Bewegung erinnern, erträumt wird, ist genauso unheilvoll wie linke<br />
Gesellschaftsexperimente, da das geistige Potential dieser Bewegung unzureichend ist. Einer solchen<br />
Revolution würden Korruption, Niedertracht und Zwietracht folgen. Gerade deshalb muß die<br />
deutsche und europäische Rechte eine breite und tiefe geistige Substanz aufbauen, um Lösungen<br />
anbieten zu können, die die politischen Verhältnisse in Europa verantwortungsvoll neu ordnen.<br />
Revitalisieren der bestehenden Institutionen<br />
Zu glauben, es müsse nur die große Umwälzung kommen und dann sei alles wieder im Lot, und sich<br />
einem „Marxismus von rechts“ hinzugeben, erinnert an die Naivität linker Denker. Was wirklich not<br />
tut, ist geistige Schulung einerseits und ein bestmögliches Handeln eines jeden an seinem Platze. Ein<br />
„Marsch durch die Institutionen“ von der anderen Seite, zum Zwecke ihrer Erhaltung, ihrer Reform<br />
und ihrer Wiederbelebung von innen heraus ist geboten, jedoch keine „revolutionären<br />
Sandkastenspiele“, wie sie Peter Gauweiler (CSU) 1969 als RCDS-Mann den revoltierenden Studenten<br />
vorwarf. Studienräte, Professoren, Juristen, Publizisten, Offiziere, Männer und Frauen mit<br />
Vorbildfunktion braucht die Rechte, keine Demagogen und keine Bastillestürmer.<br />
251
„Dem Burschi-Treffen entgegentreten!“<br />
Geschrieben von: APR-Vorstand<br />
Donnerstag, den 19. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die linke Szene in Göttingen versuchte mit einer Demonstration und jeder Menge Störaktionen den<br />
Pennälertag des Allgemeinen Pennälerrings (APR), welcher vom 08.-10. Juli 20<strong>07</strong> stattfand, zu stören.<br />
Nach Polizeiangaben demonstrierten am 8. Juli 20<strong>07</strong> 170 Antifaschisten vor dem<br />
Burschenschafterhaus gegen die Veranstaltung des größten pennalburschenschaftlichen Verbandes<br />
in Deutschland. Trotz mehrmaliger Versuche der Antifaschisten, auf das Veranstaltungsgelände zu<br />
gelangen, konnte die Tagungsfolge des Pennälertages ohne Einschränkungen durchgeführt werden.<br />
Hauptaugenmerk des Pennälertages lag auf der Wahl des neuen Vorstands. Sowohl der Sprecher,<br />
Felix Menzel, als auch der Kassenwart, Sebastian Schermaul (beide pennale Burschenschaft Theodor<br />
Körner zu Chemnitz) erklärten sich zu einer weiteren Amtszeit bereit. Für das Amt des Schriftwarts<br />
schlugen die Anwesenden schließlich einen Vertreter der pB! Chattia Friedberg zu Hamburg zur Wahl<br />
vor. Der vorgeschlagene Vorstand wurde schließlich einstimmig gewählt.<br />
Zudem war der Beschluß, einen weiteren Bund in den APR aufzunehmen, wegweisend. Ab sofort<br />
unterstützt die pennale Burschenschaft Germania zu Staßfurt die Verbandsarbeit. Die Pennalie aus<br />
Staßfurt wurde <strong>2006</strong> auf Initiative des APRs gegründet.<br />
Die Höhepunkte des Pennälertages stellten der Kommers am Abend des 9. Juli 20<strong>07</strong> sowie das APR-<br />
Forum dar. Der Festredner auf dem Kommers thematisierte die „Krise Europas“ und stellte die Vision<br />
einer „europäischen Wiedergeburt“ auf. Weniger theoretisch ging es bei der APR-<br />
Forumsveranstaltung zu. Dort präsentierten die einzelnen Pennalbünde ihre Bundesgeschichte.Felix<br />
Menzel, Sprecher des Allgemeinen Pennälerrings, äußerte sich sehr zufrieden über die<br />
Verbandsarbeit: „In den letzten Jahren hat sich der APR als Dachverband von engagierten<br />
Pennalbünden etabliert.“ Auch die Gäste der akademischen Burschenschaften bekräftigten mit ihren<br />
Grußworten die Unterstützung eines lebendigen Pennalwesens in Deutschland.<br />
Dem Allgemeinen Pennälerring (APR) gehören derzeit 14 Mitgliedsbünde an. Einige Pennalien davon<br />
bestehen schon seit einigen Jahrzehnten. Andere, wie die pB! Germania zu Staßfurt oder die pB!<br />
Theodor Körner zu Chemnitz, wurden erst vor wenigen Jahren in coleurstudentisch weniger<br />
bekannten Städten neu gegründet.<br />
Im Dezember findet die nächste APR-Arbeitstagung statt. Dann wird es die Verbandsbrüder des APRs<br />
zur Ersten Berliner Schülerverbindung Iuvenis Gothia nach Berlin verschlagen.<br />
252
„Brothers Keepers“: Die schwarzen Hassprediger<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Freitag, den 20. Juli 20<strong>07</strong> um 00:11 Uhr<br />
Sie sind mehr oder minder berühmt, reich und mit „Migrationshintergrund“ auch<br />
gesellschaftspolitisch voll im Trend. Die Rede ist vom „Künstler“-Kollektiv „Brothers Keepers“, einem<br />
linksextremistisch-antifaschistischen Zusammenschluss von hauptsächlich schwarzen Rapmusikern.<br />
Der bekannteste „Bruder“ dürfte dabei wohl Xavier Naidoo sein, Popstar und Weltverbesserer in<br />
politisch-korrekter Mission aus Mannheim.<br />
Das Projekt „Brothers Keepers“ sticht unter der Vielzahl kulturell wirkender Initiativen der (Neo-<br />
)Antifa besonders hervor. Dies jedoch nicht etwa ob der künstlerischen Originalität, sondern<br />
aufgrund der erschreckenden Offenheit, mit der die „Künstler“ ihre menschenfeindliche Gesinnung<br />
propagieren. Da wird ganz unverblühmt dazu aufgerufen, als „Nazis“ bezeichnete Menschen ins KZ zu<br />
stecken und sie „wie Poster“ aufhängen zu lassen.<br />
Gewalt ersetzt im ideologischen Paralleluniversum der „Brothers Keepers“ den offenen Dialog. Und<br />
statt mit Argumenten wollen die schwarzen Rapper ihren Gegnern mit „geballten Fäusten“<br />
entgegentreten.<br />
Erschreckend offenes Propagieren von Hass und Gewalt<br />
Wer nun meint, dass es in der Bundesrepublik einen staatlichen „Jugendschutz“ gäbe, welcher wegen<br />
solcher expliziten Gewaltäußerungen einschreiten müsste, der täuscht sich. Die Bundesprüfstelle für<br />
jugendgefährdende Medieninhalte (BPjM) sieht nicht den geringsten Anlass dazu, sich überhaupt mit<br />
den verbalen Gewaltexzessen der „Brothers Keepers“ zu befassen, während jeder noch so kryptische<br />
Aufruf zu Gewalt und Hass durch Neonazi-Bands selbstverständlich zu einer Indizierung führt.<br />
Und das hat seinen ganz einfachen Grund. Während mit der Standard-Antifa in der Regel nur der<br />
linke Rand des politischen und gesellschaftlichen Establishments offen zusammenarbeitet, werden<br />
die schwarzen Brüder hingegen von Vertretern des Staates und seiner Institutionen sowie<br />
einflussreicher gesellschaftlicher Gruppen hofiert und gefördert.<br />
Die schwarzen Brüder und der Staat<br />
So tourten die „Brothers Keepers“ etwa durch den Osten der Bundesrepublik und besuchten<br />
mehrere Schulen, um mit den Schülern zu diskutieren. Die Anwesenheit auf diesen<br />
argumentationsfreien Veranstaltungen war für die Minderjährigen natürlich Pflicht.<br />
Und übliche Verdächtige wie der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sowie<br />
selbsternannte Moralinstanzen wie der verstorbene Paul Spiegel, vormals Präsident des „Zentralrates<br />
der Juden“, ergingen sich in Lobpreisungen der Gruppe ob ihres „zivilgesellschaftlichen<br />
Engagements“.<br />
Feindbild „konservative Leitkultur“<br />
Die eigentliche Gefährlichkeit von Hassgruppen wie den „Brothers Keepers" besteht nicht unbedingt<br />
darin, dass sie zur Gewalt gegen tatsächliche oder angebliche „Nazis" aufrufen oder dass sie durch<br />
die Einbindung von Exponenten der Mainstream-Musikindustrie wie Xavier Naidoo eine an sich schon<br />
höhere Akzeptanz hierfür in der Gesellschaft erlangen würden. Vielmehr nehmen sie, wie es sich für<br />
eine Antifa-Organisation gehört, eine angeblich existierende „konservative Leitkultur" ins<br />
253
Fadenkreuz, die es „mit allen nötigen Mitteln" zu bekämpfen gelte. Denn dies ist der wahre Feind,<br />
sowohl der Antifa im allgemeinen, als auch der „Brothers Keepers" im Speziellen.<br />
Die extreme Linke - und mit ihr „Brothers Keepers“ - strebt eine gesellschaftliche Ordnung an, die<br />
von einer empfindlichen Einschränkung der Freiheitsrechte Andersdenkender und Anderslebender<br />
geprägt ist, von geistig-ideologischem und kulturellem Uniformismus.<br />
Sie wollen mitnichten eine Gesellschaft der Freiheit und Gleichwertigkeit aller Menschen. Und das<br />
geben zumindest die schwarzen Brüder von links auch ganz offen zu: „Wir fordern mehr als gleiche<br />
Rechte“.<br />
Nein, um gleiche Rechte geht es tatsächlich nicht. Sie wollen Macht über andere Menschen ausüben<br />
und sich damit (materielle) Privilegien sichern - wie profan.<br />
254
Eliteuniversitäten: Amerikanische Exzellenz im Wettbewerb<br />
mit deutscher Gleichheit<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Freitag, den 20. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die deutschen Hochschulen hinken den Spitzenuniversitäten in Großbritannien und den USA<br />
hinterher. Daran ändert die Exzellenzinitiative der Bundesregierung, die die besten deutschen<br />
Hochschulen mit bis zu 100 Millionen Euro fördern will und sie dann als Elite-Universitäten<br />
etikettiert, nichts. Elite-Bildungseinrichtungen fehlen in Deutschland und die parteinahen Stiftungen,<br />
die begabte Studenten fördern und auswählen, spielen ihre Rolle als „funktionale Äquivalente“ zu<br />
den Elite-Universitäten mehr schlecht als recht. Insbesondere sind sie dafür verantwortlich, daß in<br />
Deutschland eine angepaßte und wenig innovative Elite heranwächst. Die wenigen privaten Elite-<br />
Universitäten in Deutschland wie die Jacobs University Bremen fristen dagegen weiterhin ein<br />
Schattendasein – und zwar zu Recht.<br />
Die Jiao Tong University Shanghai erstellt jedes Jahr eine Rangliste der besten Universitäten der Welt.<br />
<strong>2006</strong> führt diese Liste die Harvard University an. Auf Platz zwei rangiert mit Cambridge die beste<br />
europäische Universität. Die Universität München als der beste deutsche Vertreter findet man<br />
abgeschlagen auf Rang 51.Cambridge University<br />
Die Eliteuniversitäten in den USA – Yale, Harvard, Princeton und Stanford zum Beispiel – wählen ihre<br />
Studenten gezielt selbst aus. Diese Auslese der Besten findet nicht überall statt. In Deutschland reicht<br />
als Zugangsberechtigung für die Universität das Abitur. Yale, Harvard oder Princeton hingegen sieben<br />
mit Aufnahmetests und vorherigen Gesprächen die potentiell schlechten Studenten aus und<br />
verschaffen den guten, die sie nehmen, exzellente Studienbedingungen.<br />
Stanford ist zehnmal so reich wie die finanzstärkste deutsche Uni<br />
Die Einheit von Forschung und Lehre zählt zu den Stärken der besten Universitäten der USA.<br />
Entgegen der landläufigen Meinung über die US-Universitäten spezialisieren sich diese nicht auf<br />
wirtschaftsnahe Studienfächer. Die Eliteuniversitäten erzielen ihre Spitzenergebnisse durch intensive<br />
Grundlagenforschung, Konzentration auf geisteswissenschaftliche Fächer und eine gute Betreuung<br />
der Post-Graduierten-Studiengänge.<br />
Daß dieses Studium eine ganze Menge kostet, ist klar. Mit den 40000 Dollar Studiengebühren pro<br />
Jahr, die ein Student an der Harvard University berappen muß, finanziert sich die Universität jedoch<br />
nur zu 20 bis 25 %. Ihre Finanzkraft generieren die US-Eliteuniversitäten durch ein professionelles<br />
Management. Wohlhabende Alumnis und Unternehmen finanzieren den Hochschulbetrieb<br />
maßgeblich mit. Stanford verfügt über ein Jahresbudget von 2,2 Mrd. Dollar. Die reichste deutsche<br />
Universität arbeitet mit einem Zehntel dieses Budgets.<br />
Die Bildungsexpansion der 70er Jahre hat Massenuniversitäten entstehen lassen, die chronisch<br />
unterfinanziert sind. An deutschen Universitäten muß ein Dozent im Durchschnitt 58 Studenten<br />
betreuen. Britische Eliteuniversitäten müssen sich mit 65 % weniger Studenten rumärgern.<br />
Die gescheiterte Bildungsexpansion in Deutschland<br />
Die Leitideen der deutschen Bildungspolitik, die auf mehr Quantität, Gleichheit und<br />
Staatsinterventionismus abzielen, sind gründlich gescheitert. Den deutschen Studenten wird weder<br />
„Gute Qualität für alle“ noch „Spitzenqualität für wenige“ angeboten. Vielmehr müssen sich die<br />
meisten mit katastrophalen Studienbedingungen anfreunden. Überfüllte Hörsäle, lange Wartezeiten<br />
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auf den anvisierten Studiengang oder gewünschte Seminare und eine schlechte individuelle<br />
Betreuung führen dazu, daß in manchen Studiengängen jeder zweite oder dritte sein Studium<br />
abbricht.<br />
In Deutschland funktioniert die staatliche Hochschulfinanzierung genauso wenig wie die private.<br />
Nach OECD-Angaben liegen die staatlichen Ausgaben für Bildung in den USA und Großbritannien<br />
über den deutschen Bemühungen, obwohl in den USA die Hochschullandschaft zu fast 80 % privat<br />
finanziert wird. Die deutschen Universitäten decken ihren Etat nur zu 8,2 % mit Geldern aus privater<br />
Hand. Weder aus staatlicher noch aus privater Hand kommen also genügend Mittel, um eine<br />
exzellente Hochschulausbildung in Deutschland zu etablieren.<br />
Ein Dozent kommt auf 58 Studenten – in Deutschland.<br />
Die Versuche, ein deutsches „Harvard“ oder ein deutsches „Cambridge“ aufzubauen, sind bisher<br />
kläglich gescheitert. Die sich selbst als private Eliteuniversität titulierende Jacobs University Bremen<br />
ist das beste Beispiel dafür. An der Jacobs University studieren für 15000 Euro pro Jahr 80 %<br />
Ausländer. Insbesondere für Osteuropäer ist diese Privatuniversität in Bremen interessant. Von der<br />
Ausbildung einer ‚nationalen Elite’ für Deutschland will man in Bremen nichts wissen. Der<br />
Lehrbetrieb wird in Englisch abgehalten und die Universität spricht von ‚global citizenship’, wenn sie<br />
auf ihre Ziele angesprochen wird. Ob die deutsche Wirtschaft die Jacobs University mehr fördern<br />
würde, wenn sie eine exzellente nationale Elite ausbilden würde, bleibt dahingestellt. Sicher ist nur,<br />
daß die deutschen Privatuniversitäten bisher kaum private Geldgeber gefunden haben. So hilft der<br />
Staat weiter fleißig mit, die deutschen Privatuniversitäten mit Subventionen auf den Beinen zu<br />
halten.<br />
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Russische Polizisten im Einsatz gegen Spätaussiedler?<br />
Geschrieben von: Florian Gerstenhauer<br />
Sonntag, den 22. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Spätaussiedler zwischen 16 und 30 Jahren sind häufiger kriminell und gewalttätig als Angehörige der<br />
deutschen Stammbevölkerung. Dies berichtet anläßlich einer Pressekonferenz die Hannoversche<br />
Allgemeine Zeitung am 19. Juli 20<strong>07</strong>, denn was jeder, der Augen im Kopfe hat, schon lange wissen<br />
konnte, hat nun auch der Hannoversche Polizeipräsident Hans-Dieter Klosa bestätigt. Eine<br />
Problemgruppe – was tun? Nach Ansicht des Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Christoph<br />
Bergner (CDU), sollte man das Problem am besten totschweigen: Klosa habe die Aussiedler pauschal<br />
verunglimpft, sie seien nicht stärker delinquent als andere Bevölkerungsgruppen.<br />
Das von Klosa nunmehr präsentierte statistische Material spricht eine andere Sprache: Der<br />
Gesamtanteil von Aussiedlern an der Kriminalität liegt in der Region Hannover bei 6,5 Prozent, der<br />
Bevölkerungsanteil (43000 Personen) aber nur bei 3,74 Prozent. Bei den Rohheitsdelikten wie Raub<br />
oder Körperverletzung liegt der Anteil der Aussiedler bei 8,74, bei schwerem Diebstahl bei 10,6, bei<br />
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sogar bei 15,9 Prozent. In 24 Prozent der Fälle waren die<br />
Täter alkoholisiert, andere Täter sind das nur in 14 Prozent der Fälle. Polizeipräsident Klosa hat dafür<br />
pragmatische Vorschläge parat: Russische Polizisten sollen die deutschen Ordnungshüter<br />
unterstützen, und zwar nicht nur als Dolmetscher, sondern mit roher Faust: „Freundlichkeit“ führe<br />
hier nicht weiter.<br />
Russische Polizisten sollen ihre deutschen Kollegen unterstützen.<br />
Wie bitte? Die deutsche Staatsgewalt bekommt ihre Probleme nicht mehr allein in den Griff? Was<br />
soll der friedliche Bürger nun denken, muß er seine Sicherheit selbst in die Hand nehmen? Statt zum<br />
Hörer künftig zu Mitteln greifen, die er jeweils für zielführend hält? Wer spricht ihn dann frei in<br />
einem Rechtssystem, dessen Richter und Staatsanwälte ihre Nahkampferkenntnisse hauptsächlich<br />
aus Spielfilmen beziehen? Denn man stelle sich vor, es ist zufällig gerade kein russischer Polizist<br />
erreichbar – kann unsere Polizei dann noch helfen? Und welch ein Signal hat der Polizeipräsident<br />
damit eigentlich an die Täter gesendet? Eine Bankrotterklärung! Seht her, die russischen Gewalttäter<br />
sind zu hart für unsere Polizei!<br />
Gut, auch das weiß eigentlich schon jeder. Bis auf CDU-Mann Bergner: „Diese Menschen haben in<br />
ihrem Land (sic!) negative Erfahrungen mit der Staatsmacht gemacht. Ich sehe nicht ein, wie sie zu<br />
unserer Vertrauen fassen sollen, wenn sie hier auf Vertreter ihrer Heimatpolizei treffen.“ Schuld an<br />
einer brutalen Enthemmung ist also mal wieder nicht der Täter, sondern irgendeine auf ihn<br />
einwirkende Macht, die allerdings jedermann unterwirft: Will Aussiedlerbeauftragter Bergner also<br />
andeuten, daß alle Aussiedler anfällig für Gewalt seien?<br />
Spätaussiedler sind gewalttätiger als Deutschen.<br />
Brisant ist, daß die betreffende Tätergruppe ja ausschließlich aus deutschen Staatsbürgern besteht.<br />
Wie kommt eigentlich ein russischer Polizist dazu, in Deutschland einen deutschen Bürger<br />
festzunehmen oder gar zu schlagen? Polizeidienst ist hoheitliche Aufgabe schlechthin! Probleme<br />
machen uns zudem nicht nur sogenannte Aussiedler, sondern auch Angehörige anderer Ethnien.<br />
Kommen also demnächst auch türkische, arabische, afrikanische oder albanische Polizisten zu uns –<br />
statt, wie bisher, wir zu ihnen?<br />
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Zwar sieht das Niedersächsische Gesetz für Sicherheit und Ordnung vor, daß „die Polizeibehörden“<br />
soweit erforderlich Hilfspolizeibeamte ernennen können (andere Landespolizeigesetze kennen<br />
ähnliche Regelungen). Deutscher Beamter – also erst recht Hilfspolizist – kann auch ein Ausländer<br />
werden, wenn hierfür ein „dringendes dienstliches Bedürfnis“ besteht. Auch ist der Einsatz<br />
ausländischer Polizisten unter Aufsicht deutscher Kollegen im Rahmen der Weltausstellung EXPO<br />
2000 in Hannover „friedenserprobt“. Die internationale Zusammenarbeit im grenzüberschreitenden<br />
Raum, etwa im Rahmen der 2. und 3. Säule der Europäischen Integration, scheint ausweislich<br />
einschlägiger Zoll-Verlautbarungen zu funktionieren. Vorliegend allerdings handelt es sich um ein<br />
rein innenpolitisches Problem. Daher sollte man – so es denn nun nötig sei – lieber die deutschen<br />
Polizeibeamten in Rußland ausbilden lassen und dann die hiesigen Probleme mit eigenen Mitteln<br />
lösen. Entscheidend ist weniger die hohe Gewaltbereitschaft der Täter, als der mangelnde Wille der<br />
Politik, ihr konsequent und mit unmißverständlicher Klarheit zu begegnen.<br />
Fehlende politische Konsequenz im Umgang mit Problemen<br />
Die politische Antriebslosigkeit, Probleme nicht zu benennen, tut den Menschen, die dadurch mit<br />
über einen Kamm geschert werden, unrecht. Durch die Arroganz im Wegschauen, nicht erst durch<br />
Warnung und Diagnose, wurde der Blick auf die beachtlichen Integrationserfolge etwa von Frauen,<br />
kundigen Handwerkern oder den vielen überdurchschnittlich begabten Schülern und<br />
Jungakademikern aus Aussiedler-Familien verstellt. Denn ein alltäglich ja längst fühlbarer<br />
kriminalstatistischer Befund verseucht das soziale Vertrauen in eine ganze Bevölkerungsgruppe; das<br />
„Gift“ heißt hier schlichte Todesangst.<br />
So ist auch mit Klosas Vorschlag niemandem geholfen: Die einen lachen auch weiterhin über die<br />
deutsche Polizei, die anderen verlieren den letzten Rest Vertrauens in den Staat: Wer aus eigener<br />
Kraft nicht mehr für Ordnung sorgen kann, ist in jeder Hinsicht fertig.<br />
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Über die Klimakatastrophe und andere Katastrophen<br />
Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />
Dienstag, den 24. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Klimadiskussion kann, obgleich wir uns erst im Juli befinden, wohl bereits zur „hitzigsten“ und<br />
intensivsten Meinungskonfrontation des Jahres 20<strong>07</strong> gekürt werden. Es ist schlicht unmöglich, nicht<br />
mit diesem Thema konfrontiert zu werden. Tag für Tag wird der Otto-Normalverbraucher mit<br />
Meldungen von dem nahenden Jüngsten Gericht konfrontiert; dem Schmelzen der Polkappen oder<br />
wahlweise auch der fortschreitenden Desertifikation, die Europas Länder in braches Ödland zu<br />
verwandeln droht. Selten existierte ein breiterer Konsens als beim Thema Klima: Der Verursacher des<br />
globalen Klimawandels ist der Mensch. Der Weltuntergang naht. Und alle, die diese Schlußfolgerung<br />
nicht mittragen, sind Lobbyisten der Ölindustrie!<br />
Die quasi-religiösen respektive dogmatischen Züge dieser „Neohippie-Bewegung“ manifestieren sich<br />
durch ihren apodiktischen Anspruch, eine globale Gefolgschaft, beauftragt mit dem Auftrag der<br />
Rettung der Schöpfung, in Gang zu setzen. Sie bieten Erlösung der Menschheit vermittels going<br />
green, oder zu Deutsch: der CO² neutralen Existenz. Infolge dessen wurde der Ablasshandel<br />
katholischer Façon in Form von Emissionsrechtsvergabe auf der staatlichen Ebene wiederbelebt, so<br />
dass niemand wegen Verstößen gegen Klimarichtlinien ewiges „Schmoren im Fegefeuer“ ernsthaft zu<br />
fürchten braucht.<br />
Der Ablasshandel mit dem Klima<br />
Hauptguru der orthodoxen „Kirche des menschgemachten Klimawandels“ ist ein gescheiterter US-<br />
Präsidentschaftskandidat namens Al Gore. Dieser predigt auf den ominösen grünen Messen der<br />
Sekte, den esoterischen „Live-Earth-Konzerten“. Dort singt man sich zuerst in eine Trance-artige<br />
Ekstase, um anschließend der Tiraden des profanen Oberhauptes zu lauschen, welche unter anderem<br />
eine Reihe von Abstinenzgelübden im Hinblick auf den individuellen CO²-Verbrauch implizieren. Dass<br />
durch Organisation und Technik dieser Veranstaltung selbst eine ungeheure Menge an CO²<br />
freigesetzt, stört da niemanden wirklich.Globale Erderwärmung - nur ein Gespenst?<br />
Vermittels einer subtilen Etablierung des Neusprechs „Ecological Correctness“, die wohl verwandt<br />
mit der berüchtigten „Political Correctness“ ist, ahnden die Klimagurus verbale Ausrutscher und<br />
Dementis der göttlichen Lehre effizient und vor allen Dingen CO² frei. Es wird auf die<br />
umweltschädliche Verbrennung des Delinquenten verzichtet, statt dessen verhängt man über ihn<br />
eine soziale Reichsacht! Genialer Coup.<br />
Statt PC jetzt EC: Der Siegeszug der Ecological Correctness<br />
In Deutschland bewies sich dieses Glaubensbekenntnis grüner Couleur als sehr erfolgreich und ist<br />
ferner in der Lage, sich als festen Bestandteil gesellschaftlichen und politischen Lebens zu etablieren.<br />
Die akzentuierte Vorreiterrolle Deutschlands im internationalen Kampf gegen die Erderwärmung<br />
geht nicht zuletzt auf Einflüsse dieser potenten Gruppierung zurück. So sorgte etwa Sigmar Gabriel<br />
für den Vertrieb des Al Gore-Pamphlets „Eine unbequeme Wahrheit“ an deutschen Schulen, worin Al<br />
Gore versucht seine Leser für seine Umweltreligion zu begeistern.<br />
Überdies scheint es für das deutsche Gewissen unabdingbar zu sein, sich mit der Schuld an<br />
irgendetwas identifizieren zu können. Erst Schuld an der Vernichtung der Juden, anschließend Schuld<br />
an der globalen Klimakatastrophe. Nur dieses Mal ist eine Sache anders: Deutschland kann seine<br />
Bürde durch frühere Generationen wettmachen, indem es die Erde im Alleingang rettet!<br />
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Lebensstile 2020: Die Dekadenz schreitet voran<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 24. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Trend- und Zukunftsforscher des von Matthias Horx geleiteten Zukunftsinstituts haben in einer<br />
aktuellen Studie zu „Lebensstilen 2020“ eine kühne Prognose für die Lebensideale und Trends der<br />
Deutschen in 15 Jahren abgegeben. Zentral in der Studie ist die These, daß sich die Lebensstile bis<br />
2020 extrem individualisieren und jeder eine biographische Freiheit genießen kann. Im Cyberspace-<br />
und Wellness-Zeitalter löst die Multigraphie die Biographie ab. Sollte sich dies wirklich so entwickeln,<br />
was gar nicht so unwahrscheinlich ist, dann hätte die Dekadenz endgültig gesiegt.<br />
Die Normalbiographie ist bis heute geprägt von drei Phasen. Der Jugend als Ausbildungs- und<br />
Ausprobierphase folgt das Berufs- und Familienleben und diesem schließt sich der Ruhestand an.<br />
„Lebensstile 2020“ wirft diese Einteilung gründlich über den Haufen und stellt eine Typologie der<br />
wichtigsten Lebensstile der Zukunft vor.<br />
Fünf, sechs oder auch sieben 180-Grad-Wendungen im Leben<br />
Die Autoren Oliver Dziemba, Benny Bock und Andreas Steinle meinen, daß sich eine festgefügte<br />
Planung des Lebens 2020 erübrigt. Die Menschen gestalten in Zukunft ihr Leben im Vergleich zu<br />
heute individueller. Sie lösen sich aus starren Familien- und Arbeitsstrukturen und nehmen sich die<br />
Freiheit, ihr Leben hin und wieder mit einer 180-Grad-Wendung komplett auf den Kopf zu stellen und<br />
die nächsten 5 Jahre mal etwas komplett anderes als bisher zu machen. In „Lebensstile 2020“<br />
werden diese flexiblen Lebenskonzepte mit dem Begriff der ‚Multigraphie’ zusammengefaßt.<br />
Gefangen im NetzwerkAn die Stelle der traditionellen Familien mit zwei, drei Kindern treten nach<br />
Auffassung der Zukunftsforscher bald „Latte-Macciato-Familien“ und „Netzwerk-Familien“. Diese<br />
pflegen nach Steinle, Bock und Dziemba einen äußerst offenen Lebensstil. Die Eltern achten auf ihr<br />
berufliches Vorankommen. Sie lassen sich von ihrem Kind, welches bestimmt nicht mehr als ein<br />
nettes Spielzeug ist, weder die Karriere noch das ein oder andere private Vergnügen verderben. Die<br />
Zukunftsforscher gehen davon aus, daß 2020 zwei oder mehr Eheschließungen im Leben gang und<br />
gebe sind.<br />
„Latte-Macciato-Familien“ und „Greyhopper“<br />
Das Zukunftsinstitut sieht den gesellschaftlichen Zuständen, die durch diese Lebensstile entfacht<br />
werden, optimistisch entgegen. Die Alten wie die Jungen würden von der maßlosen<br />
Individualisierung profitieren. Die Alten, die man 2020 aus Modegründen vielleicht schon<br />
„Greyhopper“ nennt, können in hohem Alter noch einmal ein völlig neues Leben beginnen und auch<br />
den Jungen steht nichts mehr im Wege. Durch intensives „Networking“ erschließen sie sich ihre<br />
Umwelt. Die Pfiffigen gründen mit 15 ihr erstes StartUp-Unternehmen und die weniger<br />
Entschlossenen suchen halt bis 30 nach dem richtigen Weg, finden ihn zwar nie und kommen<br />
dennoch immer irgendwie durch.<br />
Heute hier, morgen dort …<br />
Wie sieht wohl ihre Zukunft aus?Das Wegbrechen von klar umrissenen sozialen Milieus mag für den<br />
Marketingchef eines Modeunternehmens eine spannende Herausforderung sein. Für die<br />
Identitätsfindung einer Gesellschaft hingegen ist diese Entwicklung ein Jammer. Eine Gesellschaft, in<br />
der identitätsstiftende Größen wie Familie und Nation nichts mehr zählen und in der jedes<br />
Individuum nur mit sich selbst und blödsinnigen Trends beschäftigt ist, kann auf Dauer nicht<br />
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funktionieren. Flexibilität kann Identität nicht ersetzen. Jeder Mensch braucht Identität und Halt<br />
durch andauernde soziale Zugehörigkeiten. Wenn der Mensch seine Identität aufgibt, dann gewinnt<br />
er keine biographische Freiheit, sondern er verliert seinen Selbstbestimmungswillen und läßt sich von<br />
den Strömen seiner Zeit treiben. Aus dem selbstbewußten „Fels in der Brandung“ wird ein<br />
Individuum, das willenlos in einer lauwarmen Badewanne dahinvegetiert.<br />
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Die Gefahr des Bürgerkrieges<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Mittwoch, den 25. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
„Wenn man als Journalist über die Bürgerkriege im Nahen Osten und die ethnischen Konflikte dort<br />
berichtet, gilt man in Deutschland als Experte. Wenn man über die ethnischen Konflikte zwischen<br />
Deutschen und Ausländern in Deutschland berichtet, gilt man als Rechtsextremist.“<br />
Diese Worte von Dr. Udo Ulfkotte auf dem letzten Berliner Kolleg Anfang Juli 20<strong>07</strong> sind bezeichnend<br />
für die gegenwärtige Lage in Deutschland. Es gilt als inopportun, auf die ethnoreligiösen Bruchlinien<br />
und Konflikte hinzuweisen, die jedem aufmerksamen Betrachter einer deutschen Stadt in die Augen<br />
springen.<br />
In Berlin-Wedding sind ganze Straßenzüge von Anatoliern bewohnt, die in den Straßenschluchten<br />
einer westeuropäischen Stadt die archaischen Clanstrukturen aus ihren Heimatdörfern weiterleben.<br />
Am S-Bahnhof Baumschulenweg treffen sich jede Woche junge Albaner mit den Hemden der Kosovo-<br />
Bürgerkriegspartei UCK. Andere Albaner tragen stolz T-Shirts mit dem Aufdruck „Shkiptar“ – „Der<br />
Skipetar“, eine altertümliche Bezeichnung für den Kriegerstamm, der Albanien einst bewohnte. Wer<br />
heute nach Neukölln fährt, wird erstaunt sein über die Anzahl gläubiger, junger Männer, die sich ganz<br />
in Weiß kleiden und einen Bart kultivieren. Der neueste Schrei unter jungen Muslimen sind<br />
Krummdolch-Tattoos auf dem Oberarm. Die Yeziden, ein Turkvolk vom Balkan mit ca. 200.000<br />
Menschen und Anhänger eines naturreligiösen Islam, haben sich heute vollständig in Deutschland<br />
niedergelassen. Die Türsteher in Kölner Clubs rekrutieren sich vollständig aus Türken oder Arabern<br />
und liefern sich regelmäßig Gefechte um Drogenmarkt und Prostitution. In Berlin ist die Drogenmafia<br />
ethnisch organisiert. Libanesen, Araber, Schwarzafrikaner und Russen beherrschen eigene Stadtteile<br />
und verteidigen ihre Reviere. Der Handel mit geschmuggelten Zigaretten ist deutschlandweit in der<br />
Hand von Vietnamesen.<br />
Der Krieg in unseren Städten<br />
Heute steht es sichtbar vor uns: es gibt keine deutsche Gesellschaft mehr. Sogar die linksliberale ZEIT<br />
gab kürzlich zu: „Deutschland ist in Parallelgesellschaften zerfallen.“ Der Stadtrat von Duisburg-<br />
Marxloh sprach im ZDF-Magazin Panorama von Deutschland als Multiminoritäten-Gesellschaft, in der<br />
verschiedene Minderheiten mehr oder minder verfeindet nebeneinander leben.<br />
Das Potential für bürgerkriegsähnliche Zustände steigt damit dramatisch an. In der neueren<br />
Politikwissenschaft hat sich dafür das Wort „Staatszerfall“ herausgebildet. Wenn die Unterschiede<br />
zwischen den Minderheiten zu groß werden, lassen sie sich nicht mehr in das Korsett eines Staates<br />
zwängen. Sie erkennen die Autorität des Staates und seiner Organe nicht mehr an und verweigern<br />
ihm seine Legitimität. So rückt die Bürgerkriegsgefahr näher. Je heterogener, verschiedener, bunter<br />
eine Gesellschaft ist, desto höher ist das Konfliktpotential. Je homogener und gleicher eine<br />
Gesellschaft ist, desto besser ist das gesellschaftliche Klima.<br />
Deutschland als Multiminoritäten-Gesellschaft<br />
Im Zeitalter der Nationalstaaten hatte jedes Volk seinen eigenen Staat. Alle Streitigkeiten zwischen<br />
Staaten und Völkern wurden durch Diplomaten ausgehandelt. Diplomaten waren höfliche, gebildete<br />
und korrekte Leute, die sich gemeinsam an einen Tisch setzten und Konflikte beilegten. Hier am<br />
Konferenztisch wurde keiner erschlagen, keiner getötet, hier gab es keine Massaker.<br />
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Heute leben wir in einem grenzenlosen Europa, und in Deutschland leben Hunderte verschiedener<br />
Völker. Man begegnet ihnen täglich, und die Konflikte nehmen zu. Sie nehmen dann zu, wenn die<br />
Menschen in Stressituationen geraten, wenn es zu viele verschiedene Völker auf zu engem Raum<br />
gibt, wenn die Ressourcen oder das Geld knapp werden. Konflikte regeln heute keine freundlichen<br />
Diplomaten mehr. Jetzt regiert der, der sich durchsetzt.<br />
Zwei Arten Krieg: Zwischenstaatlicher Krieg und Bürgerkrieg<br />
Kriege gab es immer. Kriege wird es immer geben. Aber die Art des Krieges wandelt sich.<br />
Hauptsächlich unterscheiden Kriegsforscher wie Prof. Herfried Münkler von der Humboldt-<br />
Universität [„Die neuen Kriege“] zwei Arten Krieg: dem Bürgerkrieg und dem zwischenstaatlichen<br />
Krieg. Vereinfacht gesprochen, teilt sich die Geschichte Europas seit dem 16. Jahrhundert bisher in<br />
zwei Kriegsperioden: die erste Periode, beginnend mit Luthers Reformation, ist die Periode der<br />
Bürgerkriege. Hier kämpft jeder gegen jeden.<br />
Die zweite Periode, das Zeitalter seit dem Entstehen der Nationalstaaten, seit dem Westfälischen<br />
Frieden von 1648, war ein Zeitalter der zwischenstaatlichen Kriege. Hier führten Staaten<br />
gegeneinander Krieg. Zwischenstaatliche Kriege funktionieren immer nach dem gleichen Muster: Erst<br />
herrscht Frieden, dann folgt die Kriegserklärung, dann die Kampfhandlung, dann der Friedensvertrag<br />
und dann herrscht wieder Frieden.<br />
Seit 1648, als Fürsten und Könige um Macht und Ehre kämpften, aber ein Interesse daran hatten, die<br />
Bevölkerung des Gegners nicht auszurotten, werden zwischenstaatliche Kriege geregelt durch<br />
Abkommen oder das Kriegsrecht. So bleibt die Bevölkerung weitgehend verschont, werden<br />
Gefangene gemacht und nicht erschlagen; man erlaubt dem Gegner, seine Verwundeten vom<br />
Schlachtfeld zu bergen.<br />
Zwischenstaatliche Kriege werden nur zwischen Uniformierte geführt. Die Unterscheidung zwischen<br />
Soldat und Zivilist ist der Sinn der Uniform. Das Kriegsrecht legt genau fest, wer „Kombattant“ und<br />
wer „Zivilist“ ist. Das Kriegsrecht verbietet streng die Erschiessung von Zivilisten. Im Gegenzug<br />
erlaubt das Kriegsrecht die Erschiessung von bewaffneten Zivilisten, was juristisch kein<br />
Kriegsverbrechen ist. Als Kombattanten gelten alle, die eine vorher vereinbarte, gleiche Kleidung<br />
oder Form – eine Uni-Form – tragen. Das Kriegsrecht fordert, vor Beginn der Kampfhandlung dem<br />
Gegner die Uniform seiner Soldaten mitzuteilen. Nur Kombattanten dürfen bekriegt werden. Legt ein<br />
Kombattant die Waffe nieder, gilt er als Kriegsgefangener und darf nicht schlechter behandelt<br />
werden als die eigenen Soldaten.<br />
Bürgerkriege hingegen kennen kein Recht. Sie haben auch kein formelles Ende. Sie enden nur durch<br />
die Niederlage und Ausrottung der einen Seite, oder aber durch Schwächung beider Seiten. In einem<br />
Bürgerkrieg will die eine Seite die andere ausrotten oder von ihrem Land vertreiben. Historiker<br />
sprechen davon, dass Bürgerkriege „ausbrennen“ müssen, dass beide Seiten so erschöpft sind, dass<br />
ihnen der Frieden mehr wert ist als sie durch einen Sieg gewinnen könnten.<br />
Wie beginnen Bürgerkriege?<br />
Bürgerkriege dauern sehr lang. Die Durchschnittsdauer aller Bürgerkriege im 20. Jahrhundert lag bei<br />
über 10 Jahren. Im Vergleich dazu dauerten die Kriege zwischen Staaten im Durchschnitt nicht mehr<br />
als ein Jahr. Bürgerkriege haben keinen Anfang. Sie „brechen nicht aus.“ Es gibt keine formelle<br />
Kriegserklärung. Bürgerkriege funktionieren nach dem Schneeballprinzip: sie eskalieren. Wie ein<br />
Waldbrand toben sie über das Land und enden erst, wenn alles verbrannt ist.<br />
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Alle Bürgerkriege beginnen auf die gleiche Weise: verschiedene Menschen finden sich zusammen,<br />
verstehen sich als Gruppe, Volk, Religion oder Klasse und beginnen, die anderen Menschen mit<br />
Misstrauen als „anders“ zu sehen. Die Wahrnehmung des „anderen“ als potentielle Bedrohung ist bei<br />
allen Menschen und allen Kulturen gleich ausgeprägt. Sie lässt sich nicht aberziehen, sie ist in uns<br />
genetisch verwurzelt, sie findet sich im Tierreich und bei Kleinkindern und ist eine anthropologische<br />
Konstante. So stehen sich binnen kurzem beide Gruppen feindlich gegenüber. Von nun an geht es<br />
ganz schnell, ist alles nur noch Eskalation. Jetzt reicht ein Funke, dass die Gruppen aufeinander<br />
losgehen. Deshalb sind die Anlässe, die einen Bürgerkrieg verursachen, oft so nichtig. Der Bürgerkrieg<br />
in Nagorni-Karabach, der heute noch nicht befriedet ist, begann als Streit zwischen Hausfrauen auf<br />
einem Markt in Baku. Aus dem Streit wurde binnen 10 Minuten eine Schlägerei zwischen Armeniern<br />
und Aserbaidschanern, und eine weitere Stunde später tobten Tausende Aserbaidschaner durch<br />
Baku und erschlugen mehrere Hundert Armenier. Zwei Tage später lagen die beiden Länder im Krieg<br />
miteinander – für die nächsten 12 Jahre, mit mehreren 100.000 Toten. Bürgerkriege eskalieren so<br />
schnell, weil sie im Inneren keine Kapitalsicherheit garantieren und Kapitalflucht forcieren. Geld oder<br />
Kapital, so sagt man, ist wie ein scheues Reh: beim ersten Anzeichen von Gefahr flieht es. Wenn ein<br />
Nationalstaat gegen einen anderen in den Krieg zieht, so weiß jeder Ladenbesitzer oder Fabrikant,<br />
dass sein Laden oder die Fabrik vom Krieg kaum betroffen sein wird. Der Ladeninhaber wird sein<br />
Kapital im Land behalten, dort ist es relativ sicher. Die Fabriken werden weiter arbeiten und die<br />
Arbeiter weiter genug Geld für Brot haben.<br />
Das Geld fürchtet sich vor dem Bürgerkrieg<br />
Finden sich erste Anzeichen für ethnische Spannungen, beginnt das Kapital aus dem Land<br />
abzufliessen. In Folge verarmt die Gesellschaft, weshalb die Spannungen zunehmen, weshalb die<br />
Gesellschaft weiter verarmt. Dieser Kreislauf dreht sich immer schneller. Im Falle ethnischer<br />
Ausschreitungen fallen über Nacht die Grundstückspreise in den Keller, der Warenfluss stockt, die<br />
Preise explodieren und jeder versucht, sein Restgeld ins Ausland zu retten. Binnen Tagen stehen sich<br />
die verfeindeten Gruppen hungernd und ruiniert gegenüber. Jetzt diskutiert keiner mehr.<br />
Prof. Herfried Münkler hat untersucht, welche Akteure am Bürgerkrieg verdienen und ihm am Laufen<br />
halten. Münkler schloss, dass mit dem Ausbruch von ethnischen Konflikten neue Akteure auf die<br />
Bühne treten, die ein wirtschaftliches Interesse am Bürgerkrieg haben. Dies sind meist<br />
Kleinwaffenhändler, Waffenschmuggler und andere Kriegsgewinnler und erstreckt sich auf alle<br />
Bereiche der Halbwelt. Die Summen, die hier zu verdienen sind, sind immens, und wer die ethnischen<br />
Gruppen mit Waffen und Munition versorgt, kann schnell reich werden. Die Gewinne sind so hoch,<br />
dass sich binnen kurzer Zeit ein Klientelsystem aus Handlangern und Nutznießern der<br />
Kriegsgewinnler ausbreitet und alle Bereiche der Gesellschaft infiltriert. Korruption, Rechtsbeugung,<br />
Provokation, Geiselhandel usw. werden zu lukrativen Geschäftszweigen, die besonders die<br />
chancenlosen, ungebildeten jungen Männer reizen. Diese im Frieden marginalisierten Existenzen<br />
werden nun zu Herrschern über ganze Territorien und Armeen und können hier ungehemmt alle<br />
Triebe ausleben. Herfried Münkler erklärt die sexuellen Grausamkeiten wie Vergewaltigung,<br />
Schändung und Verstümmelung von Geschlechtsteilen durch die jungen Männer, die ein Bürgerkrieg<br />
nach oben schwemmt. Im Jugoslawienkrieg hatten sich junge Männer Lager mit Frauen, die für<br />
Vergewaltigungen bestimmt waren, angelegt. Hier gab es keine Polizei mehr; die jungen Männer<br />
waren die Herrscher.<br />
Noch ist die Lage in Deutschland erstaunlich ruhig. Bisher gelingt es der Regierung immer noch, die<br />
aggressiven, ausländischen Jungmänner mit Sozialhilfe ruhig zu stellen.<br />
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Der Integrations-„Rausch“ der Politik<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Mittwoch, den 25. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Rassenunruhen in Paris 2005 haben Europas Eliten aufgeschreckt. Bis dahin wiegte sich die<br />
politische Klasse in dem Glauben, die Fremden würden sich anpassen. Mit einem kollektiven<br />
Aufstand der dunkelhäutigen Fremden gegen die weißen Eingeborenen hatte keiner gerechnet.<br />
Doch der Schock hielt nicht lang an. Die Linken, die die Fremden ins Land geholt hatten, redeten sich<br />
und anderen ein, dass das Problem kein religiöses, ethnisches oder rassisches sei, sondern lediglich<br />
ein soziales. Und so flimmerten über den Fernsehbildschirm Bilder von tristen Hochhaussiedlungen<br />
im Pariser Umland, in denen pauperisierte Afrikaner und verbitterte Muslime hausten. Das ähnlich<br />
triste Hochhaussiedlungen in Berlin-Marzahn und Gropiusstadt stehen, aber dort noch kein<br />
Deutscher auf die Idee gekommen war, einen Aufstand auszurufen, entging den meisten Fernseh-<br />
Konsumenten.<br />
Im Fernsehen politisch-korrekte Propaganda, offene Worte hinter<br />
verschlossenen Türen<br />
Doch so naiv, wie die Fernsehkommentatoren taten, waren die Wissenschaftler in den politischen<br />
Stiftungen nicht. Plötzlich sprach man von Parallelgesellschaften. Auf Podiumsdiskussionen und in<br />
wissenschaftlichen Kreisen war man sich der Gefahren bewusst. Hinter verschlossenen Türen wollten<br />
sogar Altlinke kaum mehr an die sozialen Ursachen mehr glauben. Inzwischen haben sogar die 68er<br />
die Gefahr erkannt, die dem Zerfall einer Gesellschaft in Parallelgesellschaften innewohnt. Die<br />
politische Klasse hat erkannt, dass Multikulturalität bedeutet, dass viele Kulturen nebeneinander<br />
leben, und dass das selten friedlich bleibt.<br />
Deshalb ist die politische Elite seit den Rassenunruhen in Paris von Multikulti abgerückt und<br />
propagiert „Integration“. Unter Integration versteht man das, was heute mit dem Fremdwort<br />
„Panmixie“ bezeichnet wird. Die Panmixie beruht auf der Annahme, dass man die<br />
Parallelgesellschaften miteinander vermischen und so auflösen müsse, um drohende ethnische<br />
Unruhen zu vermeiden. Wenn erst Türken und Deutsche, Araber und Polen miteinander verheiratet<br />
und verschwägert seien, sänke die Gefahr des Bürgerkrieges. Das Interesse des Staates am inneren<br />
Frieden wird somit über das Recht der Deutschen oder der Türken gestellt, als Volk weiter zu<br />
existieren. Der linksliberale CDU-Politiker Friedbert Pflüger hat gefordert: „Es muss uns gelingen, in<br />
Deutschland amerikanische Verhältnisse einzuführen,“ also Verhältnisse, in denen keiner mehr nach<br />
der Herkunft oder der Abstammung fragt und alle Deutschen mehr oder minder Mischlinge. Diesen<br />
Prozess bezeichnet man auf der Rechten als Umvolkung oder Bevölkerungsaustausch.<br />
Multikulti ist tot, es lebe die Integration<br />
Mit milliarden-schwerem Aufwand versucht man neuerdings, die verschiedenen Völker, die sich auf<br />
deutschem Land niedergelassen haben, zu vermischen und zu einem neuen Volkskörper<br />
umzuschmelzen. Allein in den letzten Monaten des Jahres 20<strong>07</strong> werden dafür 750 Mio. Euro<br />
bereitgestellt. In den nächsten zehn Jahren rechnet die FAZ mit zweistelligen Milliardenbeträgen an<br />
Kosten für die Integration.<br />
Die neue „Integrations“-Politik setzt auf sechs Ebenen an: Erstens hat man eine wissenschaftliche<br />
„monitoring“ Institution, das Institut für Konflikt- und Gewaltforschung, geschaffen und mit einem<br />
Etat von 15 Mio. Euro ausgestattet. Unter dem 68er Professor Wilhelm Heitmeyer gibt das Institut<br />
alljährlich eine Studie „Deutsche Zustände“ heraus, die den Zerfallsprozess mit objektiven<br />
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Indikatoren messen will. Die Studie misst Überfremdungsraten, Kriminalitätsraten,<br />
Arbeitslosenzahlen und interethnische Gewalt, um so zu verlässlichen Aussagen über die Gefahr<br />
drohender ethnischer Unruhen zu kommen. Das Institut vergleicht ähnliche Projekte in den<br />
Niederlanden, Frankreich und England mit Integrationsprojekten in Deutschland.<br />
Lieber Leistungsverfall statt Bürgerkrieg<br />
Zweitens versucht der Staat aktiv, die Parallelgesellschaften aufzulösen, in dem er das Schulsystem<br />
umbaut und die Deutschpflicht in der Schule einführt. Da inzwischen die Hauptschule zur<br />
„Ausländerschule“ verkommen ist, sollen die Hauptschulen aufgelöst und alle Ausländerkinder auf<br />
die mehrheitlich deutschen Realschulen und Gymnasien verteilt werden. Man hofft, dass die Kinder<br />
einander kennenlernen und so ihre Abneigung gegenüber Fremden frühzeitig abtrainieren. Hier<br />
setzen alle sogenannten „Toleranz“-Projekte an: Schulkinder sollen von ihren Familien berichten, um<br />
den anderen Kindern die Distanz zu nehmen. Schulklassen werden in Moscheen geschickt, um die<br />
natürliche Angst vor den fremden Riten und Bräuchen zu überwinden. Hier wiederum stellt der Staat<br />
das Interesse am inneren Frieden und der Vermeidung ethnischer Unruhen über das<br />
Leistungsprinzip. Man ist sich wohl bewusst, dass die Integration türkischer Unterschichten in<br />
deutsche Gymnasialklassen zu einem Absinken des Leistungsniveaus führt, nimmt aber dieses Risiko<br />
bewusst in Kauf in der Hoffnung, größeren Risiken in der Zukunft zu entgehen. Inzwischen propagiert<br />
sogar die CDU.<br />
Da der gesellschaftliche Zerfall in Deutschland schon weit fortgeschritten ist und bereits die Stufe der<br />
ethno-territorialen Segregation, der Besiedlung verschiedener Stadtteile mit verschiedenen Ethnien,<br />
erreicht hat, diskutiert man inzwischen das „busing“ – allmorgendliche Schulbustransporte<br />
türkischer, arabischer und albanischer Kinder in deutsche Schulen und deutsche Kinder in<br />
ausländische Wohngebiete, um die Vermischung zu beschleunigen. In den USA sind übrigens die<br />
Versuche, mittels „busing“ eine Rassenvermischung in den Schulen herzustellen, gescheitert.<br />
Rassismus gegen Deutsche als Staatspolitik<br />
Drittens versucht der Staat, den ausländischen Unterschichten den Weg in gesellschaftliche und<br />
wirtschaftliche Schlüsselpositionen zu ebnen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG war ein<br />
erster Schritt in diese Richtung, was zukünftig Arbeitgebern die Beweislast für Nichtdiskriminierung<br />
zuschiebt. Besonders wichtig ist es der politischen Klasse, Ausländer in den Polizeidienst einzuführen,<br />
um so die Straßen Neuköllns und Ehrenfelds durch Türken in deutscher Polizeiuniform patroullieren<br />
zu lassen. Man hofft so, die Abneigung der Ausländer gegenüber der fremdstämmigen Staatsmacht<br />
einebnen zu können und Rassenunruhen wie denen in Frankreich vorzubeugen. Gleichzeitig haben<br />
die meisten staatlichen und öffentlichen Einrichtungen neben Frauen- und Behindertenbeauftragten<br />
MigrantInnen-Beauftragte eingerichtet, die auf eine quotengerechte Einstellung von Ausländern<br />
achten sollen. Die Hertie-Stiftung hat ein Programm aufgelegt, was gezielt Ausländer mit<br />
hochdotierten Stipendien ausstattet, um ihnen das Studium zu ermöglichen. In Fernsehsendungen<br />
sollen mehr ausländische Gesichter vertreten sein, und die Werbung wird angehalten, die „Differenz“<br />
zu propagieren. Damit hält implizit das Prinzip der ‚affirmative action’, der rassisch-ethnischen<br />
Bevorzugung von Fremden bei der Stipendien- und Arbeitsplatzvergabe, Einzug in die deutsche<br />
Gesellschaft.<br />
Schuldkult als Integrationsmassnahme<br />
Viertens nutzt der Staat seine Museen, Theater, Fernsehstationen und Universitäten, um den<br />
Widerstand der Deutschen gegen ihre Entmachtung als Staatsvolk Deutschlands in Schach zu halten.<br />
In einem kürzlichen Interview mit der ZEIT sagte Wilhelm Heitmeyer, dass die nächsten zwei<br />
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Jahrzehnte entscheidend seien, da sich die Deutschen noch nicht mit dem Minderheitenstatus<br />
abgefunden hätten. Momentan hätten noch Schlagwörter wie ‚Deutschland den Deutschen’ einen<br />
gewissen Resonanzboden, da sie noch nicht gänzlich utopisch seien. In wenigen Jahren fänden solche<br />
Schlagwörter keinen Addressaten mehr.<br />
Dies geschieht mit der erprobten Schuldkult-Rhetorik. Die Deutschen hätten kein Recht mehr auf<br />
eine Existenz als Volk, sondern nur noch als Bevölkerung. Ein guter Deutscher sei heute jemand, der<br />
möglichst wenig deutsch ist. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth drückte diese Politik mit den<br />
Worten aus, dass „die Deutschen nie wieder allein in Deutschland leben“ dürften.<br />
Fünftens benutzt man den mit 24 Mio. Euro Steuergeldern pro Jahr alimentierten ‚Kampf gegen<br />
Rechts’, um den politischen Widerstand der Eingeborenen gegen ihre Entmachtung als Staatsvolk zu<br />
brechen. Inzwischen haben zahlreiche „antifaschistische Initiativen“, die am Steuertropf hängen,<br />
ihren Einsatz um „Antirassismus-Arbeit“ ausgeweitet, um auch noch aus dem 750 Mio. Euro-Topf für<br />
Integration profitieren zu können. Mittlerweile hängen mehrere 10.000 Arbeitsplätze in meist<br />
strukturschwachen Regionen an den Fördermitteln ‚gegen rechts.’<br />
Und sechstens und letztens forciert der Staat die Entstehung einer neuen, europäischen Identität.<br />
Der Staat hofft, dass irgendwann ein Berliner Türke und ein Berliner Deutscher ihre europäischen<br />
Gemeinsamkeiten entdecken und die trennenden nationalen Eigenschaften vergessen. Ursprünglich<br />
hatte die politische Klasse Deutschlands gehofft, dass alle Menschen Europas bereitwillig die<br />
europäische Identität annähmen, als Türken, Deutsche oder Franzosen zu bleiben. Aber dieser Traum<br />
ist seit dem „Nein“ zur EU-Verfassung der Franzosen und Holländer geplatzt. Deshalb propagiert man<br />
jetzt umso aktiver das gemeinsame Europa, bisher ohne erkennbaren Erfolg.<br />
Scheitert die Integrationspolitik?<br />
So bleibt die Frage nach den Erfolgsaussichten der Integrationspolitik. Diese Frage, die momentan<br />
Wissenschaftler beschäftigt, eröffnet ein Kapitel in der deutschen Wissenslandschaft, dass man seit<br />
1945 für geschlossen hielt: das Studienfach Ethnologie oder Volkstumskunde. Die Ethnologie gilt seit<br />
1945 als verpöntes und diskreditiertes Fach. Früher reisten Ethnologen in ferne Länder und<br />
untersuchten fremde Völker und Kulturen auf deren Riten und Bräuche, um zu Erkenntnissen über<br />
menschliche Selbstorganisation zu gelangen. Seit 1945 wollte man nichts mehr von Unterschieden<br />
zwischen Völkern und Kulturen wissen und ging lieber von der naiven Annahme aus, dass alle<br />
Menschen und Kulturen gleich seien. Ethnologische Fachbereiche wurden geschlossen oder rückten<br />
arg nach links.<br />
Die Integrationspolitik der Bundesregierung und der Alltag auf deutschen Straßen werden zeigen,<br />
dass sich manche Völker besser als andere integrieren lassen. Studien über ethnologische oder gar<br />
‚völkische’ Unterschiede im Integrationsprozess stehen noch aus. Zukünftig werden Ethnologen nicht<br />
mehr in ferne Länder reisen, sondern die verschiedenen Parallelgesellschaften in Deutschland und<br />
deren Riten und Bräuche untersuchen. Der Ethnologie stehen glänzende Zeiten bevor.<br />
Bisher gibt es in der Geschichte kein Beispiel für ein längeres, friedliches Zusammenleben zwischen<br />
Christen und Muslimen. Seit der Entstehung des Islams haben Muslime in Hunderten verschiedenen<br />
Kulturen, Religionen, Staaten und Imperien gelebt, aber eine Verschmelzung mit der<br />
nichtmuslimischen Bevölkerung hat es nirgendwo gegeben. So geht man wahrscheinlich recht in der<br />
Annahme, dass sie auch in Deutschland scheitern wird. Die Konsequenzen des Scheiterns werden wir<br />
bald vor unserer Haustür studieren können.<br />
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10 Jahre Schicksalsjahr 1997: Die Wehrmachts-<br />
Ausstellung<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Mittwoch, den 25. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Dem toten Soldaten in die Kehle beißen ...Im Jahr 1997 gelang den Linken ein entscheidender Schlag<br />
gegen die Rechte. Von diesem Schlag hat sich die Rechte nicht erholt. Seitdem ist alles rechts von<br />
Angela Merkel so marginalisiert und diskriminiert, dass diese Situation einen „europäischen<br />
Sonderweg“ markiert. In allen europäischen Staaten sind Konservative entweder stark oder es gibt<br />
eine oder zwei kleine Rechtsparteien im Parlament. In Polen, Frankreich und England regieren heute<br />
bekennende Rechtskonservative. Noch dazu gibt es in all diesen Ländern einflussreiche rechte<br />
Parteien. Deutschland ist heute das einzige Land in Europa, was unter einem dauerhaften linken<br />
Übergewicht leidet. 1997 ging die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ auf Tournee und mit ihr<br />
gelang es den Linken, unsere gesamte Großvätergeneration, die Soldaten der deutschen Wehrmacht,<br />
als Verbrecher zu titulieren.<br />
Diese Ausstellung wurde zusammengestellt vom linken Hamburger „Institut für Sozialforschung“<br />
unter der wissenschaftlichen Leitung von Hannes Heer. Hannes Heer, so wurde später bekannt, war<br />
Mitglied der linksextremistischen und verfassungsfeindlichen DKP. Bald darauf wurden erste<br />
Vorwürfe laut: viele Bilder der Ausstellung seien Fälschungen oder falsch zugeordnet, hier benutze<br />
eine linke Ausstellung gefälschte Fotos, um die deutsche Frontgeneration zu diskreditieren. Und in<br />
der Tat, ein Jahr später wurde die Ausstellung zurückgezogen, und die meisten Bilder entweder als<br />
Fotomontagen, als Fälschungen oder als falsche Zuordnungen entlarvt. Hannes Heer wurde<br />
entlassen, und das Hamburger „Institut für Sozialforschung“ gilt als diskreditiert.<br />
Ein Sieg für die Linken, eine Niederlage für Deutschlands Zukunft<br />
Trotzdem: der Schaden war immens. Die linksextreme Lehrergewerkschaft GEW hatte<br />
Hundertausende Schüler durch die Ausstellung gepeitscht, Gewerkschaften und Kirchen hatten die<br />
Ausstellung in ihren Räumen gezeigt, und so war die Vorstellung des Wehrmachtssoldaten als eines<br />
Verbrechers langsam durch die Poren der Gesellschaft eingesickert und bewirkte einen Linksruck, der<br />
noch bis heute zu spüren ist. Galt bis 1997 es noch als üblich, dass deutsche Politiker fast aller<br />
Parteien sich in der Öffentlichkeit zu den Soldaten der Frontgeneration bekannten, so trauen sich das<br />
heute nur noch Rechte.<br />
So war es ein paar Linksextremisten ohne Aufwand und ohne Geld gelungen, mit gefälschten Fotos<br />
die deutsche Gesellschaft massiv nach links zu verschieben. Die Rechte mobilisierte massiv gegen die<br />
Ausstellung: in München demonstrierten 12.000 Veteranen der Wehrmacht gegen die Ausstellung,<br />
zahlreiche Bundestags-Abgeordnete sprachen sich gegen die Ausstellung aus, mancher Pfarrer<br />
verweigerte seine Räume, viele Schüler sprachen ihre Lehrer auf die Hetze an, viele Zeitungen<br />
brachten negative Berichte. Es gab sogar Brandanschläge entrüsteter Bürger.<br />
Aber aller Aufwand zahlte sich nicht aus. Heute gelten „Soldaten als Mörder“, und die<br />
Wehrmachtsgeneration als nicht traditionswürdig. Kein anderes Land ist bisher schlechter mit seinen<br />
Frontsoldaten umgegangen als die Bundesrepublik. 1997 haben die Konservativen auf ganzer Linie<br />
versagt.<br />
Deshalb bringt die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> aus Anlass des 10. Jahrestages der Wehrmachtsausstellung einen<br />
Artikel von Peter Hild, dem ehemaligen Mitarbeiter des konservativen Bundestagsabgeordneten<br />
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Martin Hohmann und heutigen wissenschaftlichen Leiter der GEDÄCHTNISSTÄTTE für die zivilen<br />
deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges in Borna. Peter Hild hat sich als junger Historiker<br />
couragiert zu Wort gemeldet, u.a. mit Stellungnahmen gegen die Wehrmachtsausstellung und die<br />
pauschale Diffamierung des deutschen Soldaten. Linksextreme mobilisieren bis heute für das<br />
Unrecht. Verleumdungen in linken Gazetten trachteten damals allerdings vergeblich danach, Hild das<br />
Bundesverdienstkreuz aberkennen zu lassen, welches ihm für den (Wieder-)Aufbau deutscher<br />
Soldaten- und Kriegsgefangenenfriedhöfe in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und für<br />
Versöhnungsarbeit zwischen ehemaligen Frontsoldaten und Jugendlichen einst verfeindeter Länder<br />
durch Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog persönlich als jungem Mann verliehen worden war.<br />
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Sch(r)äuble locker?<br />
Donnerstag, den 26. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Nachdem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit seinem Staatsmord-Vorschlag die gröbste<br />
Satire rechts überholt hat, haben wir vorgeschlagen, ihn in ein gepflegtes Behindertenheim<br />
einzuweisen. Da kann er keinen Schaden mehr anrichten; allerdings müßte auch eine Betreuung vom<br />
zuständigen Amtsgericht angeordnet werden, denn die bisherige Entmündigung gibt es ja leider nicht<br />
mehr. Das würde den Frieden wahren helfen und die durchschnittliche politische Kultur in diesem<br />
unserem Lande schlagartig wieder verbessern. Der Vorschlag hat indes eine Vielzahl von<br />
Leserzuschriften zur Folge gehabt. Während mir manche Leser Beifall zollten, mich andere selbst<br />
einen Terroristen schimpften, erhielt ich auch eine Vielzahl weiterer Vorschläge für die<br />
umweltfreundliche Verwahrung der anderen:<br />
Bundeskanzlerin Merkel erhält eine Verkäuferinnenstelle bei C&A. Bevor sie diese antritt muß sie<br />
lernen, wie man passende Jackets auswählt. Nach Ladenschluß kann sie Kommunalpolitik machen,<br />
darf aber nie mehr an einem G8-Treffen teilnehmen, so daß sie dort keine deutschen Interessen<br />
mehr verkaufen kann.<br />
Ulla Schmidt im Pflegeheim<br />
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt übernimmt die Leitung des Alten- und Pflegeheimes, in<br />
dem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble einsitzt. Sie hat allerdings nur und ausschließlich die<br />
Mittel aus der Zwangspflegeversicherung zur Verfügung und muß arabische Pflegekräfte<br />
beschäftigen, die kaum deutsch sprechen.<br />
Bundeskriegsminister Dr. Franz Josef Jung erhält einen Wohnsitz in Gaza, genau im Schußfeld der<br />
israelischen Armee. Wenn es ihm dort zu heiß wird, feiert er in Afghanistan mit der örtlichen<br />
Bevölkerung Hochzeiten, besonders die, die die Amerikaner aus der Luft beobachten.<br />
“Münte“ arbeitet zum Mindestlohn<br />
Vizekanzler und Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Müntefering arbeitet künftig zum<br />
Mindestlohn als Fensterputzer am Potsdamer Platz an einem bekannten Hochhaus.<br />
Außenminister Dr. Frank Walter Steinmeier tingelt auf Vortragsreise durch China und erklärt, warum<br />
Kernkraft bäh-bäh ist und 1,4 Mrd. Menschen von Wind- und Sonnenkraft leben sollen. Als Lohn<br />
erhält er nur CO2-Credits statt Geld, aber die sind ja wenigstens handelbar ...<br />
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen arbeitet als alleinerziehende Mutter als Teilzeitkraft<br />
in einem Kindergarten mit 80% Ausländerkindern. Sie hat ein Einkommen in der Gleitzone im Bereich<br />
von 400 bis 800 Euro und bezieht nebenbei Hartz IV. Sie muß allerdings auf alle ihre Domestiken zur<br />
Aufzucht der eigenen Kinder verzichten und in einer unsanierten Dreizimmer-Plattenbauwohnung<br />
aus DDR-Zeiten leben ... Falls diese Wohnung noch zu groß sein sollte, wird ihr vom örtlichen<br />
Sozialamt ein Zimmer zugesperrt und jede Woche kontrolliert, daß dort auch die Heizung ausgestellt<br />
bleibt.<br />
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, bekanntlich ein Maoist, richtet in sozialistischer<br />
Gemeinschaftsarbeit mit seinem ebenfalls maoistischen Parteikumpanen G. Schröder Gedenkstätten<br />
für die Opfer der Kulturrevolution in Kambodscha und in China ein.<br />
Der ehemalige Außenminister Josef "Joschka" Martin Fischer wird von der CIA in einem illegalen<br />
Gefangenentransport per Learjet nach Berlin zurückgebracht und dort als Streifenpolizist auf Nazi-<br />
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Demos zwischen NPD-Mitgliedern und Autonomen eingesetzt, aber natürlich unbewaffnet. Vorher<br />
nimmt er an einem Antigewalt-Training und einem Lehrgang über Deeskalation teil.<br />
Sigmar Gabriel sitzt bei Windstille im Dunkeln.<br />
Der gegenwärtige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erhält eine Aushilfsstelle bei der<br />
Bundesagentur für Arbeit. Dort übernimmt er die Beratung der Arbeitnehmer, die durch den<br />
Emissionshandel ihre Arbeitsplätze verloren haben. Seine Dienststelle ist unbewacht und Gabriel hat<br />
keine Alarmeinrichtung, die anderswo in den Arbeitsämtern freilich längst zur Standardausrüstung<br />
gehört. Zu Hause erhält er nur Strom aus einer umweltfreundlichen Windkraftanlage, sitzt also bei<br />
Windstille im Dunkeln.<br />
Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin erhält eine ehrenamtliche Stelle beim Weißen<br />
Ring und kümmert sich dort insbesondere um die Überlebenden und Nachkommen der Opfer des<br />
RAF-Terrors. Er hat sich selbst als Einwegflasche dazu verurteilt, Mehrweg- von Einwegflaschen mit<br />
und/oder/ohne Pfand zu sortieren und von Laden zu Laden umherzutingeln, um sein Gelumpe<br />
zurückgenommen zu bekommen. Die unnötigen Kommentare der Kassenkräfte an den diversen<br />
Supermärkten ("Die nehmen wir nicht an!" oder "Sie können das hier nicht zurückgeben, wenn sie<br />
das nicht hier gekauft haben!") werden ihm dabei vom aufgebrachten Mob auf die Stirn tätowiert.<br />
Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-<br />
Zeul erhält einen Kurzurlaub in der afrikanischen Ferienregion Darfur, darf sich dort aber nur mit<br />
landestypischen Verkehrsmitteln bewegen.<br />
Otto Schily verteidigt die Opfer von Terrorangriffen – und nicht wie<br />
früher die Terroristen.<br />
Der Abgeordnete und ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily darf weiter als Rechtsanwalt<br />
arbeiten, aber nur noch die Opfer von Terrorangriffen verteidigen, niemals dagegen mehr die<br />
Terroristen selbst.<br />
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Horst Seehofer erhält eine<br />
gutbezahlte Stelle in einem fleischverarbeitenden Betrieb.<br />
Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan leitet ab nächstem Monat<br />
Alphabetisierungsmaßnahmen für Erwachsene und Anpassungskurse für Jugendliche ohne Lehrstelle<br />
für acht Euro pro Stunde.<br />
Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele fühlt sich anhand des Schicksals des<br />
Bruders seiner Mutter, Ritterkreuzträger Harald Zimmermann ("Toor, Toor, Tooooooooor!"-Rufer bei<br />
der Fußball-WM 1954 in Bern), dazu berufen, gemeinsam mit Hannes Heer und Jan-Philipp<br />
Reemtsma Tingeltangel-Ausstellungen zu konzipieren unter dem Titel „Meine Verwandten waren<br />
keine verbrecherischen Soldaten“.<br />
Alle Bundespolitiker, die an der Tradierung des Enteignungs-Unrechtes der SED-Diktatur beteiligt<br />
waren, werden selbst enteignet und zwangseinquartiert in die noch stehenden Arbeiterwohnsilos<br />
der antinationalen Sozialisten in Schwedt an der Oder.<br />
Sämtliche Bundespolitiker, die die grundgesetz- wie völkerrechtswidrigen Entsendungen deutscher<br />
Soldaten in nichtdeutschem Interesse ins Ausland beschlossen und den jeweiligen Verlängerungen<br />
zugestimmt haben, werden mitsamt ihrer Familienangehörigen haftbar gemacht und als<br />
Dienstpflichtige nach Timbuktu, an den Hindukusch, in den Sudan und vor die Küste Palästinas<br />
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zwangseingezogen. Diejenigen Abgeordneten und deren Familienmitglieder ohne militärische<br />
Grundausbildung füllen Küchen- und Bütteltrupps der westlichen Imperialismusmächte auf.<br />
Die Welt ist trotzdem noch nicht gerettet.<br />
Man kann auf diese Art zwar die Welt nicht retten, aber das wollen wir bekanntlich ja auch gar nicht.<br />
Vielleicht würden einige der Parasiten aber auf diese Art wieder ein Gefühl für die Wirklichkeit in<br />
diesem Lande bekommen, und das würde diesem Lande gut bekommen ... Sie wissen schon, das<br />
Bundeskabinett macht einen Bootsausflug auf dem Müritz-See. Das Boot kentert und sinkt. Wer wird<br />
zuerst gerettet? Richtig, Deutschland.<br />
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Die natürliche Ordnung<br />
Dienstag, den 31. Juli 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Eine Erläuterung der Hauptthesen aus „Demokratie – Der Gott, der keiner<br />
ist“<br />
„Geordnete Anarchie“? Anarchokapitalismus? Vereinen diese beiden Begriffe nicht sich<br />
ausschließende Gegenteile? Eine Anarchie ist eine Herrschaft des Chaos und lehnt jegliche Ordnung<br />
ab. Und Anarchisten, daß sind die, die bei den großen Anti-Globalisierungsdemonstrationen<br />
randalierend in Erscheinung treten. Richtig?<br />
Nein! Dieser Gedankenkette liegen mehrere Irrtümer zugrunde. Wenn wir über „geordnete<br />
Anarchie“ oder Anarchokapitalismus sprechen, so beinhalten diese Ideen nicht das Zerstören<br />
jeglicher Werte und gesellschaftlicher Planung, sondern es handelt sich um eine Gesellschaftstheorie<br />
des in den USA lebenden, deutschen Nationalökonomen Prof. Dr. Hans-Hermann Hoppe, der damit<br />
die größtmögliche Freiheit des einzelnen sowie des Privateigentums verwirklichen will. In seinem<br />
Werk „Demokratie – Der Gott, der keiner ist“ legt Hoppe eine Gesellschaftskritik vor, die sowohl die<br />
geschichtliche Entwicklung der letzten 200 Jahre erfaßt als auch ein Konzept für die Zukunft anpreist.<br />
Hoppe beleuchtet drei Gesellschaftsformen. Zum einen ist dies die Monarchie, die beginnend mit der<br />
„Französischen Revolution“ peu a peu in der westlichen Welt abgelöst wurde. Die Demokratie trat an<br />
ihre Stelle. Dem entgegen stellt Hoppe sein eigenes Konzept, die „geordnete Anarchie“. Dieses<br />
System bezeichnet er als „natürliche Ordnung“.<br />
Mit der These, daß der Übergang von Monarchie zu Demokratie einen moralischen, politischen und<br />
wirtschaftlichen Verfall verursachte, überrascht Hoppe seine Leser. Ein demokratischer Staat besitze<br />
einen Machtapparat, der ständig versucht, seinen eigenen Einfluß zu mehren und somit immer<br />
totalitärer wird. Dieser Prozeß finde auf dem wirtschaftlichen Sektor seine Anwendung. So steigt der<br />
Staat zu dem größten Monopolisten auf und verschwendet Kapital. In einer Monarchie hingegen<br />
bleibe die Macht des Herrschers immer gleich. Da sich der Monarch gegenüber seinem Volk nicht<br />
ständig erklären muß, wie dies in Demokratien mittels Wahlen notwendig ist, kann er eine langfristig<br />
orientierte Politik verfolgen. Sein Interesse beschränkt sich darauf, seinem Volk bestmöglich zu<br />
dienen. Dies gilt sowohl für das Militär als auch für die Wirtschaft. Hoppe vergleicht die Monarchie<br />
häufig mit einem Unternehmen. Der Chef in ihm wünscht sich den höchstmöglichen Profit. Dieser ist<br />
nur dann möglich, wenn seine Angestellten zufrieden und motiviert sind. Deshalb wird der Monarch<br />
die Bürger seines Landes durch Eingriff in deren Privatsphäre auch nicht verärgern wollen.<br />
In einer Demokratie fehlt dem Politiker dieses Eigeninteresse, da er nur schauen muß, wie er die<br />
nächste, baldige Wahl gewinnt. Häufige Wahlen und kurze Legislaturperioden verhindern eine<br />
umsichtige Politik und fördern Schnellschüsse, die überregulierend auf Wirtschaft und Privatleben<br />
wirken. Da das Gros der Masse den unteren Bevölkerungsschichten angehört, bewirkt dies laut<br />
Hoppe eine Umverteilung der Macht und finanziellen Mittel von den intelligenten, erfolgreichen<br />
Bürgern hin zu den weniger schlauen und erfolglosen.<br />
Hoppe belegt, daß durch „Mehr Demokratie“ eine schleichende Verstaatlichung einsetzt. Dabei<br />
bleibt es jedoch nicht, da er noch einen Schritt weiter geht. Der demokratische Staat kontrolliere und<br />
reglementiere unser geistiges Eigentum zunehmend. Während in einer Monarchie ausgebildete,<br />
fähige Beamte mit einem Herrscher an der Spitze die Geschicke leiten, regiert heute indirekt die<br />
Masse. Aus diesen provokanten Thesen leitet Hoppe seine Antipathie der Demokratie gegenüber her.<br />
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In der Monarchie sieht er allerdings auch längst nicht das optimale Gesellschaftssystem. Die<br />
größtmögliche Freiheit des Einzelnen und dessen Eigentum können in der von ihm konzipierten<br />
„natürlichen Ordnung“ am besten gewährleistet werden.<br />
Diese „natürliche Ordnung“ basiert auf dem Privateigentum sämtlicher Güter und Dienstleistungen.<br />
Hoppe wünscht sich, das Justizwesen sowie die innere und äußere Verteidigung in Privateigentum zu<br />
überführen. Dies fördere die Konkurrenz auf allen Ebenen. Das Leistungsprinzip bewirkt einen<br />
Preisfall und ein gleichzeitiges Ansteigen der Qualität der entsprechenden Ware bzw. Dienstleistung.<br />
Um diese Veränderungen durchführen zu können, bedarf es laut Hoppe der Abschaffung des Staates<br />
in der Form, wie wir ihn heute kennen. An seine Stelle sollen kleine, private Gruppen treten, die<br />
freiwillig miteinander wirtschaften und kooperieren. Bei diesen Gruppen handelt es sich um<br />
freiwillige, in den meisten Fällen wohl eher zweckmäßig vereinte Zusammenschlüsse. Sie verwalten<br />
sich selbst, zahlen keine Steuern oder sonstige Abgaben an einen Staat und werden weder durch<br />
Repräsentanten noch durch einen Herrscher eines Landes dirigiert. Diese entstandenen kleinen<br />
Zellen der Gesellschaft wirken zusammen, da jede Zelle eine bestimmte Funktion erfüllt und<br />
gleichzeitig von einer anderen Zelle profitiert. Durch gegenseitigen Handel der privaten<br />
Zusammenschlüsse werden alle Schwerpunkte zur Organisation einer Gemeinschaft erledigt und dies<br />
wesentlich besser als heute, da für jeden ein wirtschaftlicher Anreiz besteht, bestmöglich zu<br />
arbeiten.<br />
Eine Organisation des Gemeinwesens in dieser Art fordert vom Menschen wesentlich mehr<br />
Eigeninitiative, aber bringt ihm auf der anderen Seite einen größeren Handlungsspielraum. Er muß<br />
nur noch für das bezahlen, was er möchte und arbeitet nur mit den Leuten zusammen, mit denen er<br />
es auch will. Halt soll dem Einzelnen weiterhin die Familie geben. Hoppe geht davon aus, daß sich<br />
mehr auf Familie oder auf die Dorfgemeinschaft besonnen wird, wenn soziale<br />
Entscheidungskompetenzen dem Staat entzogen und zu kleinen Gemeinschaften verlagert werden.<br />
Somit würde in einer „natürlichen Ordnung“ eine gesellschaftliche „Planung von unten“ stattfinden.<br />
Diese Idee mag ein wenig an die Kleinstaaterei im restaurativen Deutschland nach dem Wiener<br />
Kongreß 1815 erinnern. Und tatsächlich zielt Hoppe auf die Zersplitterung der Staaten ab. Diesen<br />
Prozeß der stetigen Auflösung des Staates nennt Hoppe Sezession. Umgesetzt durch einen autarken<br />
Lebensstil kleiner Gemeinschaften, die nur mit Gleichgesinnten kooperieren, könne so die Macht des<br />
Staates gebrochen werden.<br />
Angefangen von der Lösung politischer Probleme wie einer ausufernden Bürokratie bis hin zu einem<br />
Mentalitätswandel, der die Menschen wieder langfristiger denken läßt, erhofft sich Hoppe eine<br />
grundlegende Verbesserung gesamtgesellschaftlicher Zustände. Inwiefern dies tatsächlich erreicht<br />
werden kann, bleibt fraglich. Die gelungene Umsetzung der Sezession in Deutschland ist utopisch und<br />
ob eine Gesellschaft ohne einheitliche, staatliche Justiz und Verteidigung funktioniert, ist mehr als<br />
unklar. Dennoch besticht Hoppes Analyse der Monarchie und Demokratie. Sie weist auf bisher<br />
ungelöste Probleme in unserem Herrschaftssystem hin und bietet Ansätze zu deren Lösung. Wie man<br />
auch immer Hoppes Modell der „natürlichen Ordnung“ beurteilen mag, eines bleibt positiv<br />
festzuhalten. Den Weg aus jeglicher Krise bewältigt derjenige am besten, der sich nicht auf Politik,<br />
Staat oder andere unantastbare Institutionen verläßt, sondern selbst anpackt.<br />
274
Bunt statt braun<br />
Montag, den 06. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Bunt<br />
In den letzten Wochen war die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> Anschuldigungen von rechts und links ausgesetzt. Eine<br />
Leserin warf uns vor, uns zu sehr von rechts zu distanzieren. Eine grüne Jugendgruppe bezeichnete<br />
die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> als NPD-nahe „Nazis“, und eine Bürgerinitiative beschuldigte uns des Populismus.<br />
Deshalb bekennen wir Farbe:<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> ist bunt statt braun.<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> ist blau wie die Blume der Romantik. Sie ist schwarz wie die Fahne der deutschen<br />
Rebellion, des Bundschuh, und wie die Uniformen von Lützows Schwarzen Jägern. Sie ist weiss wie<br />
die Farbe des wehrhaften Bürgertums, des Adels und der Weissgardisten. Sie ist schwarz-weiss wie<br />
die Fahne Preussens. Sie ist feldgrau wie das deutsche Ehrenkleid. Sie ist weiss-rot wie die Farben des<br />
deutschen Kaisertums und Schwarz-Rot-Gold wie die Fahne der jungen Männer, die in Hambach<br />
feierten.<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> steht für Vielfalt statt Einfalt. Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> vertritt nicht eine Meinung,<br />
sondern ein Spektrum: Wir sind junge Konservative, Freiheitliche, Bündisch-Jugendbewegte,<br />
Nationalprotestanten, Katholiken, Nationalliberale, Bürgerliche. Die Autoren reflektieren in ihren<br />
Artikeln unterschiedliche Positionen. Netzverweise geben nicht die Sicht der Redaktion wieder Einig<br />
sind sich die Autoren in der Verantwortung vor unserem Volk, unserer Geschichte und unserem<br />
Land.<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> ist skeptisch gegenüber Parteigründungen und behält sich das Recht auf Kritik<br />
gegenüber jeder Partei vor. In Gegensatz zu Maulhelden vom linken und rechten Rand stellen wir<br />
nicht die ‚Systemfrage’. Wir glauben nicht, dass das ‚System’ Fehlentwicklungen unserer Gesellschaft<br />
zu verantworten hat. Wir sind uns bewusst, dass es der Mehrheit aller Deutschen nie besser ging als<br />
heute. Eine andere Regierungsform bringt nicht das Heil. Wir glauben nicht, die Verantwortung für<br />
unser Land und unser Volk aller vier Jahre per Wahlkreuz abgeben zu können. Wir glauben, dass<br />
allein der Deutsche selbst Verantwortung für sich, sein Land und sein Leben trägt.<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> „verherrlicht“ nicht die deutsche Geschichte, sondern ist aus einer patriotischkonservativen<br />
Sicht heraus kritisch gegenüber Fehlern und Brüchen im Weg, den unser Volk ging und<br />
geht. Wir sind stolz auf auf die Leistungen aller deutschen Staaten. Wir sind stolz auf die Leistungen<br />
aller deutschen Männer und Frauen in Krieg und Frieden. Wir sind uns bewusst der Verpflichtungen,<br />
die diese Leistungen an uns stellen. Wir achten die Toten anderer Völker, aber wir betrauern unsere<br />
Toten. Sie sind bei uns. Wir ehren ihr Andenken und schaffen ihnen Gehör.<br />
Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> lässt sich nicht von aussen ‚Distanzierungen’ aufzwängen. Unser Profil distanziert<br />
uns von selbst. Wir beugen uns keinen Denkverboten und Konventionen, weder denen der<br />
politischen Korrektheit noch denen politischer Ambitionen. Unsere Konventionen kommen aus<br />
unserem Erbe und uns selbst.<br />
Unser Anspruch ist hoch, vielleicht zu hoch für die Masse: wir bieten kein Heilsversprechen, keine<br />
Utopie, keinen Himmel auf Erden. Wir bieten keine kuschelige Seeligkeit. Wir glauben nicht, dass am<br />
deutschen Wesen die Welt genesen solle. Wir wollen nicht die Welt retten. Wir lösen nicht alle<br />
Widersprüche. Wir sind kritisch gegenüber Schwätzern von rechts und links. Unser Anspruch gilt nur<br />
wenigen, den Starken, den Zweiflern und Denkern.<br />
275
Wir wissen um den Anspruch, den uns unser Erbe stellt: Wir sind die Erben von 2000 Jahren<br />
Geschichte. Wir sind die letzten Überlebenden eines der ältesten Kulturvölker der Welt und wir<br />
wissen um die Last, die auf unseren Schultern liegt. Wir allein, nicht „der Staat“, „das System“ oder<br />
„die Parteien“ - nur wir allein tragen die Sorge für das Weiterleben deutscher Kultur und deutschen<br />
Seins. Wir sind nur ein Glied in der langen Reihe von Deutschen vor uns und nach uns, die sich um ihr<br />
Land sorgen. Und heute ist es an uns, das unsrige zu tun, unseren Kindern und Enkeln ein Land zu<br />
hinterlassen, dass beides ist: lebenswert und deutsch.<br />
276
Bismarcks Urenkel<br />
Montag, den 06. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Jagdgeschwader Udet<br />
Vor einem Monat starb Bismarcks Urenkel - der PDS-Bundestagsabgeordnete Heinrich Graf von<br />
Einsiedel. Einsiedel galt als Unikum: zum einen war er Jagdflieger der deutschen Luftwaffe während<br />
des Krieges. Bismarcks Urenkel galt lange als Vorzeige-Offizier der Wehrmacht, da er angeblich in<br />
sowjetischer Gefangenschaft erkannt habe, dass Deutschland einen ungerechten Krieg führte. Zum<br />
zweiten war Einsiedel eines der illusteren Mitglieder der PDS-Bank im Bundestag, und die Sozialisten<br />
wurden nicht müde, seinen Namen besonders gegenüber Konservativen zu betonen.<br />
Einsiedel<br />
Ein sowjetisches Propagandaflugblatt an deutsche Soldaten mit dem Aufruf von Einsiedel zum<br />
Überlaufen: "Ich bin schon zur Überzeugung gelangt, dass wir einen so grossen Staat wie Russland<br />
nicht mehr besiegen können. Drum macht bald Schluss mit dem Krieg...Mein Urgroßvater Bismarck<br />
hat schon Recht gehabt, als er sagte, wir sollen nicht gegen Russland Krieg führen..."<br />
Der Vorzeige-Adlige der Linken<br />
Die zahlreichen Nachrufe auf Graf Einsiedel in der deutschen Presse betonten sein „hitler-kritisches<br />
Elternhaus“. Doch bei Lichte besehen war das wohl eher die offizielle Sprachregelung der Linkspartei.<br />
Der spätere SPD-Parlamentarier im Abgeordnetenhaus vonBerlin, Gerhard Beier, mit dem Ritterkreuz<br />
des Eisernen Kreuzes hochdekoriert, berichtete, dass Graf Einsiedel als Pimpf gegenüber seinen<br />
jungen Gefährten im Fähnlein Berlin-Steglitz prahlte, daß sein Vater Standartenführer der SA sei.<br />
Beier schilderte seinen damaligen Fähnleinführer als egoistisch, feige und egozentrisch.<br />
Heinrich Graf von Einsiedel diente im Zweiten Weltkrieg als Jagdflieger, zuletzt an der Ostfront, wo er<br />
nach dem Abschuss seiner Maschine in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet. Dort stiess er bald<br />
auf deutsche Kommunisten, die systematisch die Kriegsgefangenenlager nach Intellektuellen<br />
durchsuchten und schloss über die Antifagruppen der Lager Bekanntschaft mit dem Führungszirkel<br />
des zukünftigen Nationalkomitee ‘Freies Deutschland’ (NKFD).<br />
Ein weiterer Mitbegründer des Nationalkomitee Freies Deutschland war Generalfeldmarschall<br />
Paulus, der die 6. Armee in Stalingrad befehligte und sich weigerte, Hitlers Befehl des ‚Kampfes bis<br />
zur letzten Patrone’ auszuführen und im Frühling 1943 mit den noch verbliebenen 90.000 deutschen<br />
Soldaten der 6. Armee kapitulierte.<br />
Mit Paulus hatten die Sowjets einen prominenten General in der Hand und konnten ihn im August<br />
1944 zum Eintritt in das NKFD bewegen. General Paulus wurde bald der Vorzeigegeneral des NKFD,<br />
daß sich bereits am 12. Juli 1943 in Krasnogorsk bei Moskau gründete. Der kommunistische<br />
Schriftsteller und Sowjetemigrant Erich Weinert wurde zum Präsidenten gewählt. Auch die gesamte<br />
Führungsriege der KPD im Exil - Anton Ackermann, Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht – waren im<br />
NKFD vertreten. Heinrich Graf von Einsiedel wurde letztlich sogar zum Vizepräsident des NKFD<br />
ernannt.<br />
Verrat oder Idealismus?<br />
Sinn, Zweck und Stossrichtung des Nationalkomitee Freies Deutschland gilt unter Historikern nach<br />
wie vor umstritten. Faktisch bestand das NKFD aus einer stetig wachsenden Gruppe deutscher<br />
Offiziere, die in einem Kriegsgefangenenlager ausserhalb Moskaus bei sehr guter Verpflegungslage<br />
und laxer Aufsicht miteinander diskutieren durften und alsbald eine eigene Zeitung und einen<br />
277
Rundfunksender besassen. Ab Ende 1943 begann das NKFD, Soldaten der Wehrmacht per Frontradio<br />
und Lautsprecherübertragungen zum Überlaufen zu bewegen, und das nicht gänzlich ohne Erfolg. So<br />
gab sich im Juli 1944 Generalleutnant Vincenz Müller freiwillig gefangen. Bis zum 22. Juli 1944 folgen<br />
ihm 17 Generäle der ehemaligen Heeresgruppe Mitte, die beim Zusammenbruch der deutschen<br />
Front in Gefangenschaft gerieten und ihren Beitritt zum NKFD erklärten.<br />
Das NKFD beschränkte sich keineswegs nur auf mündliche ‚Wehrkraftzersetzung’. In einer Reihe von<br />
Fällen setzten NKFD-Mitglieder gefälschte Funksprüche an deutsche Truppen ab, um sie in die Irre<br />
und Sowjettruppen vor die Kimme zu locken.<br />
Deutsche Offiziere in Stalins Händen<br />
Was Stalin mit dem NKFD bezweckte, ist unklar. Manche Historiker vertreten die Ansicht, dass Stalin<br />
die kriegsgefangenen Offiziere als Erpressungsmasse nutzen wollte, um Hitler zu beeinflussen.<br />
Andere Historiker sehen im NKFD den Versuch, eine halbwegs legitime Exilregierung des Deutschen<br />
Reiches jenseits der Grenzen aufzubauen. Dritte sehen es als Versuch deutscher und sowjetischer<br />
Kommunisten, durch das NKFD Einfluss auf das bürgerliche und konservative Deutschland zu<br />
gewinnen. Es war für deutsche Offizier schlechterdings unmöglich, gemeinsam mit deutschen<br />
Kommunisten und dem Feind hinter der Front Propaganda gegen die eigene Truppe zu verbreiten.<br />
Deshalb hofften die Exil-KPD und die Sowjetführung auf Männer wie General Paulus und Graf<br />
Einsiedel, die in der Truppe einen klangvollen Namen besaßen.<br />
Neben dem NKFD gab es auch den BDO, den "Bund Deutscher Offiziere", in dem die umgepolten<br />
Wehrmachts-Offiziere in sowjetischer Kriegsgefangenschaft organisiert waren. Von ihren<br />
eidgetreuen früheren Waffengefährten wurden die Opportunisten unter den Verrätern (die neben<br />
den wenigen Überzeugungstätern die Mehrheit ausmachte) "Kaschisten" genannt, denn für eine<br />
Portion russischen Hirsebrei (Kascha) verrieten sie ihre Kameraden und überließen so manchen von<br />
ihnen dem Tod hinter Stacheldraht. Die Todesumstände des früheren Olympiasiegers und<br />
Militärattachés Oberstleutnant i.G. Konrad Frhr. v. Wangenheim und des jüdischstämmigen<br />
Ritterkreuzträgers Generalleutnant Hans-Heinrich Sixt v. Armin 1952 bzw. 1954 in den Lagern von<br />
Stalingrad gälte es hier einmal genauer unter die Lupe zu nehmen durch um Wahrheit bemühte<br />
Historiker. Beide galten als charakterfest gegenüber den Intrigen des NKWD und NKFD, die zur<br />
Vergrößerung des Leidwesens deutscher Kriegsgefangener Hand in Hand gingen.<br />
Deutsche Offiziere empfanden die Mitarbeit im NKFD als ein faustisches Angebot: viele Offiziere<br />
hatten aus verschiedenen, meist militärischen Gründen Vorbehalte gegenüber Hitler. Besonders in<br />
den letzten beiden Jahren des Krieges, als viele die Niederlage für unausweichlich hielten, äußerten<br />
sich einige zunehmend kritisch gegenüber der Kriegsführung und hofften auf einen Waffenstillstand.<br />
Nur so, aus einer gefestigten Verteidigungsstellung und einer Position der Stärke liesse sich mit Stalin<br />
oder den Westalliierten um einen Frieden verhandeln. Allerdings war es von der Kritik an Hitlers<br />
Kriegsführung bis zur aktiven ‚Wehrkraftzersetzung’ der eigenen Truppe – und das noch in<br />
Zusammenarbeit mit deutschen Kommunisten – ein weiter Schritt. Nur wenige Offiziere waren dazu<br />
bereit. Diesen wenigen allerdings lockten privilegierte Bedingungen, ein satter Magen und eine gute<br />
Chance, wenigstens irgendwann wieder nach Deutschland, nach Hause zu kommen. Wohlgemerkt,<br />
von den 90.000 deutschen Männern, die sich in Stalingrad ergaben, kamen nur 6.000 je wieder nach<br />
Hause. Die anderen 84.000 wurden erschlagen, erschossen, zu Tode gearbeitet oder erfroren und<br />
verhungerten in sibirischen Bergwerken.<br />
Für einen Teller warmer Suppe<br />
278
Die Mitarbeit im NKFD oder in den vielen Antifagruppen der Kriegsgefangenenlager war also<br />
keineswegs freiwillig, und auch hier war klar, daß man mit Spitzelberichten über seine Kameraden<br />
sich eine warme Suppe extra verdienen konnte. Graf Einsiedel hielt in den Lagern in Pelzkleidung vor<br />
hungernden und dürftig bekleideten Gefangenen Politreden, die in der Drohung gipfelte, dafür zu<br />
sorgen, daß einige der Gefangenen nicht mehr lebend das sowjetische Lagersystem verlassen<br />
würden - wenn sie sich nicht wie er zur bolschewistischen Diktatur wenden würden.<br />
Unbestritten ist jedoch, dass das NKFD mit dem Sieg der sowjetischen Armee an Bedeutung für Stalin<br />
verlor und bald aufgelöst wurde. Die Überläufer hatten ihren Dienst getan, man brauchte sie nicht<br />
mehr. Viele NKFD-Offiziere bauten später die Nationale Volksarmee NVA der DDR auf. Auch Graf<br />
Einsiedel zog es 1945 in die sowjetische Besatzungszone, wo er erst als Journalist arbeitete, bevor er<br />
sich 1947 mit dem Beginn des Kalten Krieges in die Westzonen absetzte.<br />
Die Aktivisten des NKFD versammeln sich (als "DRAFD"-Verband) noch heute zu ihren<br />
Zusammenkünften in der 'Gedenkstätte Deutscher Widerstand' - dem früheren Gebäude des OKH in<br />
der Berliner Stauffenbergstraße. Entgegen mancher Verlautbarung aus diesen Kreisen gab es nicht<br />
nur Pläne, die umgedrehten deutschen Kriegsgefangenen und nützlichen Idioten der Bolschewiken<br />
mit schwarz-weiß-roten Armbinden in Kampfformationen an der Seite der Roten Armee gegen ihre<br />
früheren Kameraden der Deutschen Wehrmacht einzusetzen, was die erhaltenen schriftlichen<br />
Vorschläge des ehemals deutschen Generals der Artillerie Walther v. Seydlitz-Kurzbach an<br />
"Generalissimus" Josef Stalin beweisen. Es kämpften tatsächlich NKFD-Leute gegen deutsche<br />
Vaterlandsverteidiger, beispielsweise in Ungarn, in Hinterpommern, an der Oderfront und um<br />
Schlesiens Hauptstadt Breslau. Zahlreiche Wehrmachtssoldaten berichten von den Kämpfen<br />
Deutscher gegen Deutsche. In Breslau fiel der frühere Kampfgefährte des eidtreuen<br />
Ritterkreuzträgers Leutnant Georg Bose, Oberleutnant Heinz Vieth, im Kampf gegen eine ukrainische<br />
Freiwilligeneinheit der Waffen-SS. Auf dem dortigen sowjetischen Soldatenfriedhof hat diese<br />
fragwürdige Person seine Grablege gefunden. Überlebende Aktivisten des NKFD und BDO nahmen<br />
herausragende Stellungen in der SBZ und DDR ein. Zwei Inhaber des Deutschen Kreuzes in Gold<br />
erlebten sogar noch den Mauerfall und die Jahrtausendwende: Hauptmann Dr. Gerhard Dengler,<br />
Professor an der Diplomaten-Kaderschmiede DASR in Potsdam-Babelsberg und Präsident des<br />
Nationalrates der Nationalen Front der DDR und Hauptmann Bernhard Bechler, erster Innenminister<br />
von Brandenburg, Generalmajor der Kasernierten Volkspolizei (KVP) und NVA und Kommandeur der<br />
Offiziersschule in Dresden. Hauptmann Bechler war als Offizier im OKW Mitentwerfer des "Plans<br />
Barbarossa", des Angriffsplans auf die UdSSR. Bechler ließ seine erste Frau, die ihm und seinen<br />
früheren Idealen loyal geblieben war, in SBZ-Lager verschleppen, in DDR-Gefängnissen martern und<br />
im Zuchthaus Waldheim zum Tode verurteilen. Und nicht zu vergessen der desertierte Unteroffizier<br />
Heinz Kessler, als Generaloberst der NVA Minister für Nationale Verteidigung der DDR.<br />
279
Wenn der Staat ein Moloch ist<br />
Dienstag, den <strong>07</strong>. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Daniel Bigalke<br />
Erfolgt die Wertbestimmung des Menschen innerhalb einer Fassade seiner reinen<br />
Funktionsbestimmung, innerhalb seiner Reduzierung auf ein produktives Abstraktum, so wächst<br />
damit der Leerraum zwischen dem, was der Mensch gern tut, und dem, wovon er aber abhängt. Hob<br />
der Staat einst den freien und einzigen Menschen hervor, integriert in seine Gemeinschaft und<br />
wirkend an seiner ihm gemäßen Stelle innerhalb eines Ganzen, so wird der Einzelne heute zur<br />
strategisch steuerbaren Spielfigur, eingepaßt in ein politisches System, das mit begrifflichen<br />
Kategorien, Tarifen, Steuern und mit in sich parteilich rivalisierenden Gruppen operiert.<br />
Der Staat begegnet seinem Bürger in amtlichen Droh- und Forderungsbriefen. Der Einzelne als Bürger<br />
aber erkennt im Zeitalter verarmter kommunaler Finanzmittel kaum noch eine merkliche<br />
Gegenleistung, vielmehr zerstörte Straßen, beschmutzte Parks, beschmutzte Schulgebäude.<br />
Beschäftigung und sozialer Frieden – wenn auch nur konjunkturell, niemals strukturell gesichert –<br />
werden dabei über die finanzielle Abhängigmachung des Einzelnen vom Staate realisiert. Diese<br />
menschliche Reduktion durch den zugleich existenten Überhang an Lebensstandard bleibt zumeist<br />
trotzdem unbemerkt. Sie geht im Gewandt der Bereicherung einher, betäubt die innere Unruhe,<br />
wirkt als konsumgetränkter Tranquillizer gegen Depression und Angst. Der Einzelne gerät zur<br />
indifferenten Fabrikware des Staates.<br />
Stirner und sein Hauptwerk<br />
Max Stirner, ein Pseudonym für seinen echten Namen Johann Caspar Schmidt (1806-1856), machte<br />
sich recht früh Gedanken über diese Tendenzen, die heute recht aktuell anmuten. Sein nunmehr<br />
wieder im Area-Verlag vorliegendes Hauptwerk, zuerst erschienen 1844, ist Ausdruck seiner<br />
Reflexion über den Zustand des Einzelnen in diesen Zeiten der Standardisierung menschlicher<br />
Bedürfnisstrukturen. Das Buch wurde einst, wie alle Beiträge der junghegelianischen Diskussion,<br />
schnell vergessen. Es erfolgten aber zwei Wiederentdeckungen. Die beiden Stirner-Renaissancen<br />
(1893 und 1968) erfahren hiermit erfreulicherweise eine erneute und wiederum völlig angebrachte<br />
Fortsetzung, war Stirner doch ein Denker, der zu allen Zeiten Intellektuelle als Fürsprecher fand. Dies<br />
waren zumeist die wenigen Erlesenen. Stirner selbst immatrikulierte sich 1826 an der Berliner<br />
Universität, wo er bei Hegel und Schleiermacher hörte und trat schließlich 1839 seine erste feste<br />
Stellung als Lehrer in Berlin an. Ab 1841 war er Gast einer Gruppierung von oppositionellen<br />
„Intellektuellen" um den Ex-Hegelianer und Ex-Theologen Bruno Bauer, dem neben Ludwig<br />
Feuerbach führenden Kopf der Junghegelianer.<br />
Stirners Buch „Der Einzige und sein Eigentum“ erregte für kurze Zeit ein von Verboten und<br />
Verbotsaufhebungen begleitetes Aufsehen, was die Lektüre heute umso spannender gestaltet. Sie<br />
mag freilich auch heute Zuspruch oder Ablehnung finden – lesenswert ist sie gerade deshalb. Selbst<br />
zur Zeit ihrer Erscheinung existierten kleinere Gegenschriften, von denen Karl Marx mit seinem Anti-<br />
Stirner in der „Die Deutschen Ideologie“ bekannt wurde. Marx schrieb verächtlich zu Stirner: „Hätte<br />
Sankt Max sich die verschiedenen „Sachen“ und „Eigner“ dieser Sachen, z.B. Gott, Menschheit,<br />
Wahrheit etwas näher betrachtet, so wäre er zu dem entgegengesetzten Schluß gekommen, daß ein<br />
auf die egoistische Handlungsweise dieser Person basierter Egoismus ebenso eingebildet sein müsse<br />
wie diese Personen selbst.“ (Karl Marx, Friedrich Engels: Die Deutsche Ideologie. Kritik der neuesten<br />
deutschen Philosophie in ihren DenkerRepräsentanten, Bücherei des Marxismus-Leninismus, Bd. 29,<br />
280
„Sankt Max“, S. 109.) Womöglich aber ging es dem bewußten Solipsisten (Einzelgänger) Stirner mit<br />
seinen Begriffen „Eigner“, „Menschheit“ und „Wahrheit“ nicht nur darum, konventionelle<br />
Institutionen (Familie, Kirche, Staat) vor der zerschmetternden Macht des Einzigen ausschließlich als<br />
Konstrukte zu entlarven, als vielmehr darum, die Möglichkeit zu betonen, diese Institutionen<br />
nötigenfalls in Zeiten ihrer Degenereszenz aus innerer Unabhängigkeit des Geistes heraus<br />
transzendieren zu können. Stirner nämlich ließ im Zeitalter fortschreitender Dekadenz innerhalb der<br />
Institutionen diese vor der fruchtbringenden Würde des Einzelnen zur marginalen Nullität werden. Er<br />
selbst, wohl wissend, daß sein Staat ein Moloch war, lebte diese Haltung: Er verbrachte die restliche<br />
Zeit seines Lebens, literarisch kaum noch tätig, in zunehmender materieller Armut und verachtete<br />
den Staat.<br />
Egoismus?<br />
Stirner aber ist kein ausschließlicher Egoist, der behaupten würde, das einzige „Ich“ und Subjekt zu<br />
sein, das überhaupt existiert. Er sagt lediglich – so ergibt sich aus der Lektüre des vorliegenden<br />
Buches -, daß der Einzelne nur bezüglich seines Bewußtseins von den anderen Menschen völlig<br />
getrennt sei, daß zum Beispiel der Schmerz des anderen mich nicht betreffe. Damit setzt er aber<br />
zugleich die Existenz des Anderen voraus. Der Leser hat also die Möglichkeit, erneut zu erforschen,<br />
was Stirner meinte: „Ich setze mich nicht voraus, weil ich mich jeden Augenblick überhaupt erst setze<br />
oder schaffe und nur dadurch ich bin, daß ich nicht vorausgesetzt, sondern gesetzt bin, und<br />
wiederum nur in dem Moment gesetzt, wo ich mich setze, d.h. ich bin Schöpfer und Geschöpf in<br />
einem.“ (162) Das Mitgeschöpf ist bei Stirner durchaus vorhanden, aber ähnlich wie bei<br />
Schopenhauer zunächst von der eigenen Vorstellung abhängig, die mit derjenigen des Anderen<br />
niemals kongruent sei. Der Einzige wird zu seinem eigenen Schöpfer, zum Herrn über seine<br />
Gedanken, jenseits massenmedialer Verunglimpfung und hedonistischen Stumpfsinns. „Wie ich mich<br />
hinter den Dingen finde, und zwar als Geist, so muß ich mich später auch hinter den Gedanken<br />
finden, nämlich als ihr Schöpfer und Eigner.“ (13) Damit trennt Stirner den fremden Geist vom<br />
eigenen Geist. Im gesamten Buch werden dabei die Begriffe „Eigner", „Einziger", „Einzelner" und<br />
„Egoist" synonym gebraucht und immer groß geschrieben. Dazu kommt, daß Stirner auch<br />
„unfreiwillige" oder „unbewußte" Egoisten kennt. Er scheidet den bewußt lebenden Egoisten<br />
dezidiert von jenem, der blind und geschäftig zwar egoistisch seinen tagesaktuellen Vorteilen<br />
hinterherhetzt, aber nicht selbst reflektiert, warum er diesen karrieristischen Weg geht. Der<br />
reflektierte Egoismus hingegen bleibt sich selbst treu, lebt nötigenfalls in Armut, um den Tag zu<br />
genießen und er weiß, warum er dies tut. „Wem alles darauf ankommt, sich als freier Geist zu wissen<br />
und zu rühren, der fragt wenig danach, wie kümmerlich es ihm dabei ergehe (…)“ (19) Auch „freier<br />
Geist“ und „bewußter Egoismus“ verwendet Stirner synonym.<br />
„Jeder Staat ist eine Despotie“<br />
Das hier wieder vorliegende Buch Stirners „Der Einzige und sein Eigentum“ blieb<br />
philosophiegeschichtlich oft unterschätzt. Daß es aber eine im Kontrast dazu stehende subversive<br />
Wirkung niemals verlor, spricht gerade für dieses Buch, für seine Leser, zu denen auch Nietzsche<br />
gehörte, der aus ihm seine Übermensch-Theorie schöpfte. Die geneigten Leser Stirners wissen nach<br />
wie vor, daß naiv bejahende absolute Staatsgläubigkeit potentiell unbewußtes Leben bedeutet.<br />
Dieses nimmt dann zu, wenn die Masse nach mehr Wohlstand strebt und trotzdem zugleich ein Maß<br />
an Unzufriedenheit immer wieder neu reproduziert – die Ansprüche steigen unermeßliche. Stirner<br />
mahnt: „Je freier ich indes werde, desto mehr Zwang türmt sich vor meinen Augen auf, desto<br />
ohnmächtiger fühle ich mich.“ (164) Die Freiheit des bewußt lebenden Egoisten müsse also zugleich<br />
einhergehen mit einer Reduzierung ökonomisch konstruierten oder politisch verordneten Zwanges<br />
281
durch den Staat, der immer auch – selbst im Gewand proklamierter Freiheit - auf die gleichsam<br />
potentiell tyrannische Ausmerzung seiner selbst konstruktiv motivierten Gegner bedacht ist.<br />
„Solange der Staat sich behauptet, stellt er (…) seinen stets anfeindenden Gegner als unvernünftig,<br />
böse usw. dar, und jener läßt sich das einreden, ja er ist es wirklich schon deshalb, weil er sich’s<br />
einreden läßt: Er ist noch nicht zu sich selbst und zum Bewußtsein seiner Würde gekommen, mithin<br />
noch unvollkommen, noch beschwatzbar. Jeder Staat ist eine Despotie.“ (206/2<strong>07</strong>)<br />
Bewußter Egoismus als wahre Freiheit<br />
Die Logik des Staates bei Stirner tritt in der Mitte des Buches hervor: Solange der Staat das „Ich“ ist,<br />
muß das einzelne „Ich“ zum Teufel gemacht werden, ein Nicht-Ich sein – solange es dies mit sich<br />
machen läßt. Dies müsse man aber nicht mit sich machen lassen – meint Stirner und überträgt damit<br />
grandios den fichteschen transzendentalen Idealismus des freien „Ich“ auf die Theorie des<br />
possessiven Individualismus John Lockes, des „unabhängigen Eigners“ als Eigner über sich selbst, sein<br />
Eigentum und über seine Haltung zum Staat. Das „Ich“ Fichtes wird bei Stirner absolut. Sein absolutes<br />
„Ich“ ist weder gut noch böse. Sein bewußter Egoismus gilt Stirner hier als wahre Freiheit, während<br />
das unablässige vom Opportunismus geprägte Streben ins Nichts grenzenloser Genußansprüche als<br />
unbewußter Egoismus und damit als Knechtschaft gilt.<br />
Bewußter Egoismus im Sinne Stirners läßt sich also durch die diskriminierende Terminologie des<br />
Staates nicht beeindrucken, während die Knechtschaft des Opportunismus sich um vordergründiger<br />
Vorteile willen abduckt. (270) Die Bewußten aber wissen als „Waldgänger“ (Ernst Jünger), daß der<br />
Staat an den vielen bewußt lebenden und denkenden und damit zugleich würdevoll bleibenden<br />
Einzigen scheitern kann, selbst wenn er diese in Permanenz zu kategorisieren und zu bekämpfen<br />
trachtet, ihr Wesen damit aber niemals sinnvoll erfassen kann. Lassen wir abschließend Stirner aus<br />
seinem durchaus lesenswerten Hauptwerk selbst zu Wort kommen: „Kein Begriff drückt mich aus,<br />
nichts, was man als mein Wesen angibt, erschöpft mich; es sind nur Namen.“ (400).<br />
282
„Konservativ sein ist richtig chic geworden.“<br />
Dienstag, den <strong>07</strong>. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Preußische Allgemeine Zeitung (PAZ), die nach eigenen Angaben wöchentlich etwa 100.000 Leser<br />
erreicht, gehört zu den wichtigsten konservativen Publikationen in Deutschland. <strong>Blaue</strong>narzisse.de<br />
sprach mit dem Chefredakteur, Klaus D. Voss, über die politische Positionierung und die<br />
Zukunftsaussichten der Wochenzeitung.<br />
Wo würden Sie die Preußische Allgemeine Zeitung im politischen Spektrum verorten?<br />
Klaus D. Voss: Wer im Ausland danach fragt, was man an Deutschland bewundert, wird immer die<br />
gleichen Antworten hören: Zuverlässigkeit, Treue, Gründlichkeit, Ehrlichkeit, Pflichtbewußtsein – im<br />
Grunde alles, was man unter dem Begriff der „preußischen Tugenden“ versteht. An diese Werte zu<br />
appellieren, zusammen mit einer gesunden Portion Patriotismus, verstehen wir als programmatische<br />
Aufgabe für die „Preußische Allgemeine Zeitung“. Dies ist ein guter konservativer oder<br />
nationalkonservativer Standpunkt.<br />
Zur politischen Bekämpfung wird Konservativen häufig Sympathie mit Rechtsextremisten unterstellt.<br />
Wie kommt es, daß die Öffentlichkeit sich mit einer Unterscheidung zwischen Konservatismus und<br />
Rechtsextremismus so schwer tut?<br />
Wer nur etwas vom konservativen Denken und Handeln versteht, der weiß, daß konservatives Leben<br />
und Extremismus gleich welcher Art sich ausschließen. Was uns besonders freut ist, daß konservativ<br />
sein richtig „chic“ geworden ist. Immer mehr Menschen bekennen sich zu dieser Einstellung, ohne<br />
jeden Vorhalt. Ich kann nicht erkennen, daß die Öffentlichkeit sich hier mit einer Unterscheidung zu<br />
Formen des Rechtsextremismus schwer tut.<br />
Eines der Kernthemen der Konservativen ist die Demographie. Ist Ihre Leserschaft genauso überaltert<br />
wie die deutsche Gesellschaft?<br />
Die „Preußische Allgemeine Zeitung“ hat eine treue Leserschaft mit einer sehr hohen Leser-Blatt-<br />
Bindung. Unsere Leser halten uns sehr lange die Treue. Im übrigen ist es für keine Gesellschaft ein<br />
Drama, wenn sich für ein paar Jahrzehnte der Generationen-Mix verschiebt. Was wirklich Besorgnis<br />
erregen muß, ist die Familienferne und Kinderabstinenz der jungen Generation – unsere Bevölkerung<br />
geht wegen des Geburtendefizits dramatisch zurück.<br />
Wo glauben Sie steht Ihre Zeitung in 10 Jahren? Wie kommuniziert man konservative Positionen<br />
erfolgreich an junge Menschen?<br />
Die meisten Kommunikationsforscher sind sich in dem Punkt einig, daß sich das Einstiegsalter der<br />
Leserschaft nach oben verschiebt. Vernünftige Informationen aus einer guten Zeitung braucht man,<br />
wenn die Kinder anfangen, Fragen zu stellen- also so ab 35 Jahren; das ist unsere „junge“ Zielgruppe.<br />
Das ist auch die große Chance für Wochenzeitungen wie die „Preußische Allgemeine Zeitung“, ich bin<br />
wirklich guter Dinge.<br />
Warum versagen konservative Zeitungen wie Ihre, aber auch die Junge Freiheit im Internet so<br />
kläglich? Bewahren Sie mit der Vernachläßigung journalistischer Angebote im Netz und der<br />
einseitigen Fokussierung auf Ihre Printausgabe statt der lodernden Glut die Asche?<br />
Die Bedeutung des Internets für das Informationsangebot der Zeitungen wird allgemein überschätzt<br />
– etwas mehr als zehn Jahre nach dem Start der ersten Onlinezeitungen kenne ich weltweit kein<br />
einziges überzeugendes Angebot. Gut gemachte Internetdienste sind eher Spezialitäten für kleine<br />
283
Gruppe, die allerdings nicht sehr beständig sind. Zeitungen sind Massenmedien, die auch<br />
wirtschaftlich erfolgreich geführt werden müssen. Die Informationsdienste im Internet gleichen<br />
immer noch überdimensionierten Nachschlagewerken oder Diskussionsforen, die weder in der<br />
Reichweite noch in den wirtschaftlichen Kennzahlen mit Zeitungen konkurrieren können. Die<br />
„Preußische Allgemeine Zeitung“ verfolgt natürlich die Entwicklung sehr aufmerksam; wir versorgen<br />
in erster Linie unsere Auslandsabonnenten mit einem Premiumservice.<br />
Herr Voss, vielen Dank für das Gespräch!<br />
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Der Türkensturm<br />
Freitag, den 10. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Türken kommen! Der Türkeibeitritt zur EU ist ein grosses Streitthema der deutschen Politik.<br />
Während die übergrosse Mehrheit aller Deutschen den Beitritt der Türkei strikt ablehnt, befürwortet<br />
die CDU-SPD-Koalition den Türkeibeitritt und will das Thema möglichst niedrig hängen. So finden sich<br />
kaum neuere Ausserungen der gewählten Repräsentanten des Volkes zu dieser für Deutschland so<br />
wichtigen Frage.<br />
Die bewusste Stillhaltepolitik der Politik dient offensichtlich dem Ziel, das Thema in der Offentlichkeit<br />
nicht zu sehr zu positionieren. Man befürchtet negative, politische Schlenker. Während alle Parteien<br />
links der Mitte – also heute auch die CDU – den Beitritt befürworten, regt sich lediglich in der CSU<br />
und unter einzelnen CDU-Politikern wie dem Aussenpolitikexperten der CDU-Fraktion von<br />
Guttenberg verhaltener Protest. Doch selbst diese leisen, kritischen Wortmeldungen dringen nicht<br />
durch die Phalanx der beitrittsfreundlichen Massenmedien.<br />
Dabei liesse sich doch relativ einfach ein Für und Wider für den Beitritt finden. Das Thema ist von<br />
Bedeutung. Immerhin wäre nach einem Beitritt die Türkei das flächenmässig grösste und<br />
bevölkerungsreichste, aber gleichzeitig ärmste Land der Europäischen Union. Rationale Politik, die<br />
am Gemeinwohl interessiert ist, müsste eine Pro-und Contra-Liste aufstellen und dann vor der<br />
Bevölkerung anhand nachprüfbarer Fakten ihre Entscheidung begründen. Doch genau davor hat man<br />
Angst, denn die Balance fiele allzu eindeutig gegen einen Beitritt aus.<br />
Was wären die Folgen eines EU-Beitrittes der Türkei?<br />
Allein ein Blick auf die demographische Datenlage, die das türkische Familienministerium im Netz<br />
veröffentlicht, lässt einem die Gefahren des Beitrittes vor Augen treten. Das islamische Land wird<br />
zum vermutlichen Beitrittsdatum 2013/2014 nicht nur das größte, sondern bei dem Wachstum von<br />
rund 1 Mill. Einwohner pro Jahr in ca. 20 Jahren mit rund 87 Mill. prognostizierten Einwohnern auch<br />
das bevölkerungsreichste Land der EU sein. Die EU hätte dann mehr Muslime in ihrer Bevölkerung als<br />
protestantische Christen. Da man mit rund 2,5-3 Mill. Migranten aus der Türkei nach Deutschland<br />
rechnet, würden dann ca. 5 Mill. Türkischstämmige hier leben. Da die Geburtenhäufigkeit der<br />
Zuwanderer den in Deutschland üblichen Durchschnitt bei weitem übertrifft, wird ihr Anteil auch<br />
dann weiter wachsen, wenn der Strom der Einwanderungswilligen abnehmen sollte. Sie werden sich<br />
in den großen Städten und dort wiederum in Stadteilen bemerkbar machen, in denen sie schon jetzt<br />
stark vertreten sind. Dort ist bei anhaltendem Wachstum und dem spiegelbildlichen Schrumpfen der<br />
deutschen Bevölkerung ein Zeitpunkt absehbar, in dem sie selbst unter einer restriktiven<br />
Zuwanderungspolitik in einzelnen Gebieten die Mehrheit stellen. In der Altersgruppe der 20- bis<br />
40jährigen wird sich nach Berechnungen des Bevölkerungswissenschaftlers Birg der Ausländeranteil<br />
etwa in Nordrhein-Westfalen zwischen 1992 und 2010 knapp verdreifachen. In Städten wie Duisburg,<br />
Remscheid, Düsseldorf oder Köln wird die 40-Prozent-Marke klar überschritten sein, so vermeldete<br />
Die Welt am 2.12.2004.<br />
Droht Deutschland der Türkensturm?<br />
Es gibt keine verlässlichen Zahlen über die zu erwartende Einwanderung von Türken nach<br />
Deutschland. Die Zahlen schwanken zwischen 2 bis 5 Mio neu einwandernden Türken nach dem Jahr<br />
2013. Aber selbst die niedrigste, verlässliche Zahl von Beitrittsbefürwortern sieht eine Verdoppelung<br />
der bisherigen türkischen Gemeinden in Deutschland als wahrscheinlich an. Die häufigste Schätzung<br />
der Einwanderung in die EU nach dem Beitritt liegt nach Angaben der EU-Kommission bei 2,7 Mio<br />
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Menschen. Kurt Biedenkopf, Mitglied der „Unabhängigen Türkeikommission“, die die EU im Jahr<br />
2004 gebildet hat, kommt zu dem knappen Schluss: „Länder wie Deutschland, in denen sich bereits<br />
jetzt grosse türkische Gemeinden befinden, dürften den Hauptanteil der Einwanderungsströme<br />
erhalten.“ 2004 lebten 3,8 Mio. Türken in der EU, davon 2,6 Mio. in Deutschland, gefolgt von<br />
Frankreich, Osterreich, den Niederlanden und Belgien. Die Einwanderung von Türken nach<br />
Deutschland entsprach dem Netzwerk-Muster, was man auch Kettenmigration nennt. Türken zogen<br />
dorthin, wo es schon viele Türken gab, was den Integrationszwang verminderte. Deshalb wird mit<br />
dem Beitritt ein erhöhter Nachzug besonders nach Deutschland erwartet. Kurt Biedenkopf jedoch<br />
wollte keine genaue Aussage treffen: „Es ist schwierig, die Auswirkung des EU-Beitrittes auf die<br />
Migration verhoerzusagen. Diese wird von mehreren Faktoren abhängen: demographische<br />
Entwicklung in der Türkei und der EU, die wirtschaftliche Lage zu Hause einschliesslich des relativen<br />
Einkommensniveaus, Aussicht auf Anstellung und wirtschaftliche Chancen, die ausländische<br />
Nachfrage nach Arbeitskräften und die Entwicklung der Einwanderungspolitik europäischer Länder in<br />
den nächsten Jahren.“<br />
Verdreifachung der Türken in Deutschland<br />
Deutlicher wurde Wolfgang Quaisser, Türkei-Sachverständiger des Osteuropa-Institutes in München.<br />
Wegen des hohen Wohlstandsgefälles - die Einkommen in der Türkei liegen nach der Kaufkraft bei 23<br />
Prozent des EU-Durchschnitts – müsse man mit einer Migration von bis zu 4 Millionen Türken nach<br />
Deutschland rechnen, zumal die beachtliche türkische Bevölkerungszahl in Deutschland ein Netzwerk<br />
für die Zuwanderung darstelle, so der Türkeisachverständige. Auch höhere Zuzugsraten, besonders<br />
nach Deutschland, seien nicht auszuschliessen. Die Nachrichtenagentur DPA meldete im Dezempber<br />
2004: „Sollte ihr Land tatsächlich der EU beitreten, will mehr als ein Drittel aller Türken die<br />
Arbeitsfreiheit in der Union nutzen, wie eine Erhebung des türkischen TNS-Piar-Instituts für das<br />
dänische Schwesterunternehmen TNS Gallup ergab. 23 Prozent gaben demnach an, «sehr<br />
wahrscheinlich» zur Arbeit in ein anderes EU-Land zu ziehen. Weitere 21 Prozent erklärten, ein<br />
solcher Umzug sei «wahrscheinlich».<br />
Oberschichtenimport statt Unterschichtenmigration?<br />
Beitrittsbefürworter argumentieren, dass durch die deutsche Anwerbung von Türken in den 60er<br />
Jahren nur türkische Unterschichten importiert worden wären. Deshalb fehle heute der türkischen<br />
Gemeinde in Deutschland eine Mittel- und Oberschicht, und das Bild des „Türken“ in der deutschen<br />
Gesellschaft sei vom Unterschichten-Türken negativ belastet. Deshalb werde ein Türkeibeitritt<br />
türkische Mittel- und Oberschichten nach Deutschland locken, die Sozialstruktur der türkischen<br />
Diaspora in Deutschland gesunden lassen und zur Integration beitragen. Dieses Argument ist nicht<br />
stichhaltig, da die Mittel- und Oberschicht wahrscheinlich keinen Grund sieht, aus der Türkei<br />
wegzuziehen, im Gegenteil aber weitere türkische Bauern durch die EU-Konkurrenz im<br />
Landwirtschaftssektor zu Abwanderung gezwungen würden.<br />
Jedoch steht kaum zu erwarten, dass sich deutsche Politiker freiwillig um die Stimmen der<br />
„türkischstämmigen Mitbürger“ bringen wollen, die einen relativ homogenen Wählerblock darstellen<br />
und bisher regelmässig der SPD zu hohen Wahlerfolgen verhelfen. Nur in Stadtteilen, wo Türken<br />
bereits die Bevölkerungsmehrheit stellen, können die (islamisch)-Grünen mit Vorschlägen wie denen<br />
Ströbele’s punkten, den Geburtstag des Propheten Mohammed zum Staatsfeiertag auszurufen oder<br />
die deutsche Nationalhymne zukünftig auch auf Türkisch singen zu lassen.<br />
Kurz, kein Land Europas hätte an den demographischen und migrationspolitischen Folgen eines<br />
Türkeibeitrittes so schwer zu tragen wie Deutschland. Die selbst von Beitrittsbefürwortern für<br />
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wahrscheinlich erklärte Verdoppelung der türkischen Diaspora in Deutschland wäre der Integration<br />
wenig zuträglich, würde aber weitere ethno-religiöse Spannungen befördern. Es ist wahrscheinlich,<br />
daß die türkischen Neueinwanderer nicht nach Kulmbach oder Gummersdorf, sondern nach Berlin,<br />
Duisburg, Köln und Frankfurt ziehen werden. Auch hier werden sie sich in bestimmten Stadtvierteln<br />
niederlassen. Das Muster der bisher gescheiterten Einwanderungs- und Integrationspolitik der<br />
Bundesrepublik würden wir heute - 30 Jahre nach der ersten Welle und zwei Jahre nach dem<br />
öffentlichen Eingeständnis ihres Scheiterns - auf das neue erleben. Praktisch hieße das für Berlin die<br />
Entstehung drei weiterer Stadtteile wie Neukoelln, Kreuzberg und Wedding. Duisburg bekäme ein<br />
weiteres Marxloh und Köln und Ralph Giordano hätten für die nächsten 10 Jahre viele weitere<br />
Moschee-Streitigkeiten.<br />
Die politische Klasse ist sich zwar des diffusen Unmutes der Bevölkerung bewusst, und selbst in der<br />
SPD finden sich skeptische Stimmen. Das aber einer der Arrivierten den Mut zu einem öffentlichen<br />
und klaren "Nein!" zum Türkeibeitritt findet, steht nicht zu erwarten.<br />
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Antigermanismus - Der alltägliche Rassismus gegen<br />
Deutsche<br />
Freitag, den 10. August 20<strong>07</strong> um 12:<strong>07</strong> Uhr<br />
Wer kennt sie nicht, die phrasenhaften Schuldvorwürfe. Wir sind mit ihnen aufgewachsen. Da reden<br />
Lehrer und Schuldirektoren von „der deutschen Pflicht zur Toleranz angesichts unserer<br />
Vergangenheit“, und fordern damit, über Schulhofgewalt gegen Deutsche zu schweigen. Da sprechen<br />
Politiker von „der deutschen Verantwortung, die uns aus der deutschen Schuld erwächst“, und<br />
fordern mit diesen Worten noch mehr Geld von Deutschen für Ausländer. Da predigen Politiker die<br />
„Toleranz der deutschen Mehrheitsgesellschaft“ und schielen auf die demographische Balance, die in<br />
wenigen Jahren die Ausländer zur Mehrheit aller Wähler macht. Da fordern Kommentatoren<br />
„historisches Augenmass angesichts der deutschen Schuld“ und meinen das rassistische Beschweigen<br />
deutschen Leids. Da rufen Künstler auf, „Gesicht zu zeigen und dem Rassismus entgegenzutreten“<br />
und fordern damit, Gewalt gegen Deutsche zu verschweigen.<br />
Die Gewalt gegen Deutsche nimmt täglich zu. Ein Blick in Zeitungen oder Netzportale genügt, sich das<br />
Ausmass der Gewalt vor Augen zu führen. Allein das Netzportal No Go für Deutsche, dass rassistisch<br />
motivierte Ubergriffe gegen Deutsche registiert, vermeldet jeden Tag Dutzende Fälle. Sogar die<br />
offizielle Statistik des Justizministeriums kommt zu dem Schluss, daß Deutsche überproportional<br />
Opfer von Ausländerkriminalität sind. Die nachprüfbaren und für jeden einsehbaren Zahlen finden<br />
aber weder Entsprechung in der Politik noch in den Medien. Diese Diskrepanz zwischen der täglichen<br />
Gewalt gegen Deutsche und der öffentlichen Wahrnehmung ist erklärungsbedürftig.<br />
Die Zwillinge Antisemitismus und Antigermanismus<br />
Wer heute von Antisemitismus in Deutschland spricht, hat Jahrzehnte verschlafen oder verfolgt<br />
politische Ziele. Juden werden seit Jahrzehnten strukturell bevorzugt, bei der Geschichts- und<br />
Gedenkpolitik, der Einwanderung nach Deutschland und im Kulturleben. Jüdische Kulturvereine<br />
erhalten millionenschwere Förderungen. Jüdische Organisationen üben einen politischen und<br />
kulturellen Einfluss aus, der ihren prozentualen Bevölkerungsanteil signifikant übersteigt. Im<br />
Gegensatz zu ethnopartikularen Äußerungen jüdischer Identitätsverbände steht deutscher<br />
Ethnopartikularismus unter politischer Quarantäne. Der Schriftsteller Ernst Jünger sagte vor langer<br />
Zeit: "Der Antigermanismus scheint wie der Antisemitismus zu den Grundbestimmungen der Welt zu<br />
gehören; er bedarf keiner Begründungen. Wenn man heute eine Zeitung aufschlägt, sieht man, wie<br />
ihm gefrönt wird wie einer Orgie, auch von Deutschen.“ Ernst Jüngers traurige Worte haben heute<br />
noch ihre Relevanz, und sie werden sie wohl noch auf lange Zeit behalten. Ein Blick in eine beliebige<br />
Zeitung genügt, sich von der tagespolitischen Aktualität von Jüngers enttäuschten Worten<br />
überzeugen zu können. Der Antigermanismus durchtränkt heute alle Poren unseres Alltages und<br />
bestimmt die Selbstwahrnehmung etlicher Deutscher. Von den sogenannten ‚Antideutschen’ einmal<br />
abgesehen, ist eine deutliche Parteinahme zugunsten nicht-deutscher oder gar anti-deutscher, oder<br />
besser noch, antigermanistischer Verhaltensweisen und Politikmuster heute Regierungsalltag und<br />
Leitlinie in Medien und Erziehung.<br />
Antigermanismus bezeichnet den Hass auf alles Deutsche. Antigermanismus ist die Inversion des<br />
Antisemitismus und ist mit dem Antisemitismus aufs engste verwandt. Der Antigermanismus ist der<br />
Zwillingsbruder des Antisemitismus. Auf gewisse Weise ist der Antigermanismus der Kitt einer<br />
Gesellschaft, die an nichts mehr glaubt als ihre eigene Abschaffung. Zur Schärfung der analytischen<br />
Begrifflichkeit sollte man sich die feine Unterscheidung der Begriffe ‚antideutsch’ und<br />
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‚antigermanistisch’ vor Augen halten. Während der Begriff ‚antideutsch’ kulturell oder völkisch<br />
konnotiert ist, ist der des ‚Antigermanismus’ von erheblich grösserer Breitenwirkung, da er die relativ<br />
junge politische Strömung der ‚Antideutschen’ mit dem jahrhundertealten, rassisch-biologistischen<br />
Hass gegenüber Deutschen verbindet.<br />
Im Gegensatz zum Antisemitismus durchdringt der Antigermanismus die deutsche Gesellschaft. Kein<br />
Tag vergeht ohne Aufrufe zur Diskriminierung Deutscher. Hinter den wohlklingenden Worten<br />
‚Ausländerintegration in das Berufsleben’ steckt lediglich die harte Tatsache, dass einem Deutschen<br />
ein Arbeitsplatz aufgrund seiner Rasse verweigert wird. Das neue Amt des<br />
‚MigrantInnenbeauftragten’, der das Recht hat, bei allen Einstellungen im öffentlichen Dienst ein<br />
Wort mitzureden, ähnelt demjenigen, der an der Rampe aufgrund von rassisch-ethnischen<br />
Kategorien selektiert. Eines steht jedoch immer fest: je deutscher ein Kandidat, desto schlechter<br />
seine Chancen. Dieser Import des amerikanischen affirmative action macht Rassismus zur staatlichen<br />
Leitlinie und ist deshalb in diesem Jahr vom amerikanischen Supreme Court, dem Obersten Gericht,<br />
verboten worden. Die Urteilsbegründung des Supreme Court von 20<strong>07</strong> war klar und deutlich: Rasse,<br />
Hautfarbe und Ethnie dürfen prinzipiell keine Grundlage staatlicher Politik sein. Doch in Deutschland<br />
hat die Hochzeit der Rassendiskriminierung, des affirmative action, erst begonnen.<br />
Antigermanischer Rassismus ist Konsens unter linken und linksliberalen Medien. Dabei reicht das<br />
Spektrum von der normalen, herkömmlichen Form der Diskriminierung Deutscher, den sogenannten<br />
‚Antifaschisten’, bis hin zu überzeugten Rassisten, den ‚Antideutschen’. Die sogenannten<br />
‚Antideutschen’, einst eine kleine Politsekte, sind zu einem einflussreichen Netzwerk in Medien und<br />
Politik mutiert. Die Leitpostille der ‚Antideutschen’ ist die Wochenzeitung Jungle World, eine<br />
Abspaltung des einstigen FDJ-Blattes Junge Welt. Den jungen Linken um die Jungle World war nach<br />
eigenem Bekunden der reine Antifaschismus zu wenig. Neben der Jungle World gibt es eine ganze<br />
Phalanx kleinerer Publikationen und Netzportale, die dem antideutschen Rassismus frönen. Auch das<br />
Videoportal Youtube bietet stundenlange Videosequenzen antideutscher Agitation.<br />
Die Westwanderung des Antigermanismus<br />
MassakerDie Pogrome gegen Deutsche sind nach Westen gewandert. Der ‚Bromberger Blutsonntag’,<br />
ein besonders brutales Pogrom gegen die deutsche Bevölkerung der schlesischen Stadt Bromberg, ist<br />
heute nach Westen migriert. In der Stadt Bromberg im einst deutschen Schlesien erschlug der<br />
polnische Mob Hunderte Deutsche. Bis in die späten dreissiger Jahre wurden über 50.000 Deutsche<br />
in Osteuropa ermordet, weil sie Deutsche waren. Deutsche erschlug man auf Plätzen und Strassen.<br />
Nur wenige Jahre später, nach Kriegsende, erlebte der Antigermanismus neue Höhepunkte. Heute<br />
sind Verhältnisse wie die an Brombergs Schulen vor dem antigermanischen Pogrom Normalität für<br />
deutsche Kinder in Berlin, Hamburg, Frankfurt und Köln. Heute ist es für die restdeutschen Kinder in<br />
Berlin-Neukoelln und Duisburg-Marxlohs normal, wenn junge Türken von deutschen Kindern fordern,<br />
den Seiteneingang zu benutzen oder Erpressungsgelder fordern.<br />
Kein Tag vergeht ohne Gewalt gegen Deutsche. Deutsche Kinder werden in den Schulen geschlagen,<br />
weil sie Deutsche sind. Deutsche gelten als bevorzugte Angriffsopfer marodierender<br />
Ausländerbanden. Ausländer rufen in ihrer Musik zur Vergewaltigung deutscher Frauen auf. Gewalt<br />
gegen Deutsche wird von den Medien verschwiegen unberichtetund indirekt begünstigt. Bei der<br />
Verurteilung von Gewalt gegen Menschen gilt auch hier die rassistische Ungleichbehandlung von<br />
Deutschen. Gewalt gegen Deutsche wird von Richtern kaum geahndet; seltene Gewaltakte von<br />
Deutschen gegenüber Ausländern werden jedoch von Medien ausgeschlachtet. Indirekt fordert man<br />
so zu mehr Gewalt gegen Deutsche auf.<br />
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Die rassistische Diskriminierung von Deutschen ist seit Jahrzehnten Politik.<br />
Erst vor kurzem ergriffen Staat und Medien Partei im Fall von Ermyas Mulugeta, einem Äthiopier mit<br />
deutschem Pass, der in alkoholisiertem Zustand nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit<br />
seiner Frau und nach seinem Rauswurf aus einer Diskothek wegen Pöbeleien in Potsdams Innenstadt<br />
mehrere Deutsche anpöbelte und tätlich angriff. Nur einer der Deutschen wehrte sich – und zog den<br />
Hass der Medien auf sich. Die Bilder unschuldiger Deutscher, die a la Guantanamo Bay dem<br />
Generalbundesanwalt zugeführt wurden, hinterließen einen prägenden Eindruck. Hier wurde der<br />
alltägliche Rassismus in Deutschland greifbar.<br />
Doch die Diskriminierung von Deutschen ist inzwischen Programm geworden. Mit dem sogenannten<br />
‚nationalen Integrationsplan’ fördert der Staat Programme zur Verdrängung von Deutschen aus dem<br />
Arbeitsleben, aus ihren Berufen, aus Ämtern und Medien. Der Staat ergreift mit diesen Programmen<br />
Partei; er stellt sich mit diesen Programmen auf die Seite der zukünftigen Bevölkerungsmehrheit.<br />
Judenstern und Deutschenbinde<br />
Des Literatur-Nobelpreisträger Elias Canetti (1981) notierte Anfang 1945 angesichts der<br />
europaweiten Verfolgung und Ermordung von Deutschen in sein Tagebuch: „Hitler hat die Deutschen<br />
zu Juden gemacht, in wenigen Jahren, und ‚deutsch’ ist nun ein Wort geworden, genauso schmerzlich<br />
wie ‚jüdisch’.<br />
DeutschenbindeIn den Sudentengebieten Deutschlands mussten alle Deutschen die<br />
„Deutschenbinde“Stern tragen – das N um den Arm, was dem Judenstern nachempfunden war.<br />
Judenstern und Deutschenbinde waren die sichtbarsten Zeiten staatlich geförderten Rassismus. Nur<br />
hatte der Judenstern für seine Träger nie die Konsequenzen, die die Deutschenbinde hatte. Es gab<br />
kaum Ubergriffe gegen Träger des Judensterns. Im Gegensatz dazu wurden die Träger der<br />
Deutschenbinde zu Opfern von massiven, staatlich sanktionierten Übergriffen wie an der ‚Strasse des<br />
Todes’ – einer Strasse durch Niederschlesien, auf der Tausende Deutsche von Polen erschlagen,<br />
vergewaltigt und erstochen wurden.<br />
Deutsches Eigentum wurde zwangs-„slawisiert“ ähnlich wie das der Juden arisiert wurde. Auch heute<br />
wieder greift der Staat auf das Eigentum Deutscher zu. Hinter dem Schlagwort der „sozialen<br />
Umverteilung“ verbirgt sich die massive Besteuerung Deutscher zugunsten muslimischer<br />
Unterschichten. Während Deutsche sich in ihrer Freizeit fortbilden und Haus, Kinder und Familie<br />
hinten anstellen, um den Status der Mittelschicht im härter werdenden Existenzkampf der<br />
Globalisierung zu halten, lassen sich die fremden Unterschichten vom Staat alimentieren und<br />
benutzen ihre Importbräute als Gebärmaschinen, für deren Unterhalt wiederum der deutsche<br />
Steuerzahler aufkommen muss. Mittlerweile hat die Steuerlast in Deutschland ein Niveau erreicht,<br />
was in der westlichen Welt ihresgleichen sucht. Nach Auskunft des Bundes der Steuerzahler musste<br />
Otto Normalverbraucher bis zum 9. Juli diesen Jahres allein für die Steuer arbeiten.<br />
Schleichende Enteignung der Deutschen<br />
Diese leise, schleichende Form der Enteignung der Deutschen zugunsten fremder muslimischer<br />
Unterschichten, für die sich das Wort ‚Entgermanisierung’ analog zur sogenannten ‚Arisierung’ der<br />
30er Jahre prägen ließe, läßt schlimmes befürchten. Denn die Deutschen, die sich jetzt der<br />
globalisierten Tretmühle ausgeliefert fühlen und der Arbeit von Ort zu Ort hinterher ziehen, haben<br />
keine familiären Netzwerke mehr, keine Nachbarschaftshilfen, keine Freundeskreise, und sind im Fall<br />
der Krise den Wirren und der Zugriffsmacht von Markt und Staat besonders hart ausgeliefert. Im<br />
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Gegensatz zu den muslimischen Unterschichten bietet sich ihnen kein Rückzugsraum, keine<br />
ethnischen oder religiösen Netzwerke, die drohendes Unbill abfedern könnten.<br />
Und ein weiterer Gefahrenmoment droht am Horizont, der bisher kaum wahrgenommen wurde: seit<br />
Jahrzehnten reden die Medien Ausländern erfolgreich ein, daß einzig die Deutschen schuld an der<br />
mißlichen Lage in den Ghettos von Neukoelln und Marxloh seien. Dieses medial transportierte Bild<br />
vom bösen Deutschen hat sich inzwischen verfestigt und ist zu einer symbolisch verwertbaren Chiffre<br />
geworden. Daß sich das Bild des bösen Deutschen in der Krise verflüchtigt, steht kaum zu erwarten.<br />
Angesichts dieser Vision bemerkte der Schriftsteller Botho Strauss vor zwei Jahren besorgt und<br />
skeptisch: „Man wüßte nur gern, ob sich die anderen in ihrer Mehrheit dann ebenso empfindlich bei<br />
der Abwägung zwischen Toleranz und Dummheit verhielten.“<br />
Wir wissen die Antwort auf Botho Strauss' Frage.<br />
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Russland - Rückkehr einer Weltmacht<br />
Donnerstag, den 16. August 20<strong>07</strong> um 19:10 Uhr<br />
Im April 2005 irritierte Russlands Präsident Putin westliche Kommentatoren, als er in einer Rede im<br />
Parlament den Kollaps des sowjetischen Imperiums als "die größte geopolitische Katastrophe des<br />
Jahrhunderts" bezeichnete. Auf Druck von zahlreichen Kritikern zog er später diese Bemerkung<br />
zurück; Putin meinte, seine Rede müsse als Hinweis auf die Verwerfungen gesehen werden, die der<br />
Kollaps des Sowjetreiches verursacht habe. Trotzdem – Putins Bemerkung hat reale Hintergründe.<br />
Für viele Russen war der Zusammenbruch 1991 ein einschneidend negatives Erlebnis. Die einstige<br />
Supermacht sah sich auf den Status einer Regionalmacht absinken, ein “Obervolta mit Atomraketen”,<br />
wie Altkanzler Helmut Schmidt einmal bemerkte. Sogar die territoriale Integrität des eigentlichen<br />
Kernlandes war durch sezessionistische Bewegungen in Sibirien und der Kaukasusregion bedroht.<br />
So behauptete noch im Jahr 2001 die einflussreiche amerikanische Kulturzeitschrift Atlantic<br />
MonthlyAtlantic “Russia is finished”. Die Redakteure des Atlantic Monthly sahen den<br />
“unaufhaltbaren Niedergang und die geopolitische Marginalisierung Russlands” als unabweichlich.<br />
Weltmacht durch Öl<br />
Doch heute, bereits 16 Jahre nach dem Zusammenbruch, ist Russland wieder eine Weltmacht und<br />
verteidigt diesen Anspruch mit zunehmender Härte. Russland ist wieder da. Das neue Land pocht auf<br />
globale Mitsprache und verweigert sich zunehmend den Forderungen des Westens. Diese neue<br />
Stärke erregt Angst und Mißtrauen im Westen. Dabei speist sich Russlands neues Selbstbewusstsein<br />
bisher lediglich aus dem Verkauf von natürlichen Ressourcen – Öl, Gas, Holz, Eisen und Gold. Wirklich<br />
nachhaltige Investitionen in weltmarktfähige Industriegüter hat Russland bisher kaum getätigt,<br />
ausgenommen die Rüstungs- und Raumfahrtindustrie. Beruht der Aufschwung Russlands also<br />
lediglich auf der Abhängigkeit des Westens von fossilen Brennstoffen?<br />
Öl und Gas waren bereits zu Zeiten des Kalten Krieges die Haupteinkommensquelle der Sowjetunion.<br />
Mit riesigen Investitionen und auf dem Rücken von Millionen Zwangsarbeitern - darunter<br />
Hunderttausenden deutschen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen - wurden die Gold- und<br />
Silberminen und die Ölfelder Sibiriens erschlossen. Die Zahl der Menschen, die bei der Erschließung<br />
der unzugänglichen Regionen im hohen Norden ihr Leben ließen, wird auf mehrere Millionen<br />
beziffert.<br />
Die radikalkapitalistische Rosskur<br />
Erst mit dem Kollaps der Sowjetunion brach die Ausfuhr der lukrativen Ressourcen zusammen. Auf<br />
Anraten des IWF und der Weltbank begann Russland, in den frühen 90er Jahren die staatlichen Öl-<br />
und Gaskonzerne auf "Voucher"-Basis zu privatisieren. Zahlreiche amerikanische und europäische<br />
Berater im IWF und der Weltbank waren der Meinung, daß Russland nur durch eine<br />
radikalkapitalistische Rosskur – einen totalen Sichelschnitt – wieder auf die Beine kommen könne.<br />
Die Berater glaubten, daß eine gelenkte und langsame Privatisierung lediglich den<br />
altkommunistischen Seilschaften nutzen würde, die sich auf Kosten der einfachen Bürger am<br />
Staatseigentum bereichern würden. Es sei besser, wenn Russland über Nacht alle Märkte nach dem<br />
Prinzip “sink or swim” liberalisiere und so den Tüchtigen eine Chance jenseits von<br />
Parteimitgliedschaft und Beziehungen gäbe. Eine langsame, von oben gesteuerte, sozialverträgliche<br />
Privatisierung lehnten die internationalen Berater ab. Ihrer Meinung nach war Russland so<br />
bürokratisch verfilzt, daß jedes Zugeständnis an staatliche Institutionen den Abstieg nur<br />
verlangsamen würde. Praktisch bedeutete diese These die sofortige Privatisierung aller<br />
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Staatsbetriebe und die radikale Beschneidung der staatlichen Lenkungsinstrumente. Diese Theorie<br />
hatte etwas bestechendes, rechnete aber nicht mit der Mentalität des Sowjetmenschen, dem<br />
Selbstverantwortlichkeit und Initiative nach 70 Jahren Kommunismus fremd geworden waren.<br />
Die Oligarchen und der Antisemitismus<br />
Deshalb kam es letztlich doch wie befürchtet. Anteilsscheine, sogenannte ‘Voucher’, an staatlichen<br />
Großbetrieben wurden an die einfachen Arbeiter ausgeteilt. Etliche ehemalige Mitglieder der<br />
Kommunistischen Partei bereicherten sich Der Morgenauf Kosten der einfachen "Kleinanleger", die<br />
oft nicht den wahren Wert der Voucher - der Aktienanteile - kannten. So gelangten die gigantischen<br />
Kombinate in die Hände einiger weniger Spekulanten, der sogenannten Oligarchen. Die Privatisierung<br />
der Öl- und Gasförderung leitete die Einnahmen an den Kassen des Staates vorbei in private Taschen<br />
und wurde von dort ins Ausland transferiert. Russland wurde so zum Objekt von Kapitalinteressen,<br />
was den Hass der einfachen Russen auf den Westen und die Oligarchen, viele davon jüdischer<br />
Abstammung, anfachte. Tausende antisemitische Zeitschriften und Broschüren zirkulierten Mitte der<br />
90er Jahre, in denen die Oligarchen - Männer wie Gusinskii, Abramowitsch, Beresovskii, Lebedjew<br />
und Chodorkowsky, alles ehemalige KP-Mitglieder und binnen weniger Jahre Milliardäre - der<br />
Veruntreuung des ehemaligen Volkseigentums angeklagt wurden.<br />
Trotz allem schaffte es eine kleine Schicht von Russen, sich binnen weniger Jahre in die Mittelschicht<br />
vorzukämpfen. Allerdings waren und sind klein- und mittelständische Betriebe völlig unterentwickelt.<br />
Hier findet die These des Wirtschaftshistorikers Gershenkron ihre Bestätigung, daß die östlichsten<br />
Länder Europas oft eine zunehmende Staatsquote haben, was bürgerliches Engagement behindert<br />
und der Demokratisierung abträglich sei.<br />
Die Krise von 1998 und die Abkehr vom Westen<br />
Mit der August-Krise von 1998, die über Nacht alle Ersparnisse entwertete, brach jedoch auch diese<br />
kleine Mittelschicht zusammen. Diese Krise läutete den Niedergang von Jelzins Herrschaft ein. Jelzin<br />
war zu diesem Zeitpunkt schwerkrank und nurmehr eine Marionette, die ihm vorgelegte Beschlüsse<br />
ledig absegnete. Jetzt wandte sich Russland von der westlichen Position der Privatisierung ab und<br />
setzte auf traditionelle, staatsinterventionistische Politik. Mit dem Abtreten Jelzins und der<br />
Ernennung Putins 2000 setzte der Wendepunkt umso radikaler ein. Die russische Elite entschloss<br />
sich, zukünftig auf Ratschläge des IWF und der Weltbank zu verzichten und auf eigene Kräfte zu<br />
setzen.<br />
Der Staat greift durch<br />
Von nun an versuchte der Staat, die Öl- und Gasvorkommen wieder zu verstaatlichen und den<br />
Oligarchen zu entreissen - und dies teilweise mit Mitteln, die im Westen großes Stirnrunzeln<br />
verursachten. Spektakulärster Schritt war die Verhaftung des Öl-Milliardärs Michail Chodorkowski im<br />
Jahr 2003. Unter Putin übernahm der Staat wieder die Kontrolle über die fossilen Ressourcen des<br />
Landes. Heute fließen die Steuern aus dem Gas- und Öl-Export wieder in die Staatskasse. Das<br />
Staatsbudget ist so rasant gestiegen. Heute sucht russisches Kapital Anlagemöglichkeiten in Europa.<br />
Die Chodorkowski-Affäre brachte jedoch auch den Bruch mit dem Westen mit sich. Für viele<br />
westliche Liberale war die Verhaftung Chodorkowskis ein unzulässiger Eingriff in die<br />
unternehmerische Freiheit. Was jedoch von westlichen Kommentatoren oft verschwiegen wird, ist<br />
die Tatsache, daß Chodorkowskii plante, einen Großteil seines Besitzes an sibirischen Ölfeldern an<br />
den amerikanischen Ölkonzern Exxon zu verkaufen. Die Verhaftung Chodorkowskis kam dem Verkauf<br />
zuvor. Trotzdem hat sich seitdem die westliche Wahrnehmung Russlands deutlich verschlechtert. Es<br />
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vergeht fast keine Woche, in der westliche Zeitungen nicht vor einer Wiederkehr des russischen<br />
Imperialismus warnen.<br />
Droht ein russischer “Energiefaschismus”?<br />
Der US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski warnte bereits vor dem russischen<br />
"Energiefaschismus". Russland versuche, die westeuropäischen Staaten mit seiner staatlich gelenkten<br />
Energiepolitik zu erpressen. Für Panik sorgte Putin in Westeuropa vor zwei Jahren, als er einen Streit<br />
um Gaspreise mit der Ukraine vom Zaun brach. Im Westen mehrten sich besorgte Stimmen, die<br />
Russland beschuldigten, seine Energieressourcen als Druckmittel, ähnlich der Roten Armee, gegen<br />
mißliebige, prowestliche Staaten und Regierungen einzusetzen. Putin argumentierte, dass die Sperre<br />
von Gaszufuhr für die Ukraine lediglich eine Preisangleichung bedeute, und nicht als politisches<br />
Druckmittel verstanden werden könne. Doch es ist offensichtlich, dass Putin die Energienachfrage in<br />
den westlichen Industriestaaten ausnutzt, um den Weltmachtanspruch Russlands auszubauen. Diese<br />
Politik lässt sich in zahlreichen westlichen Kommentaren verfolgen, doch Putin setzt hier nur<br />
konsequent nationale Interessenpolitik durch, und das mit Erfolg für die russische Bevölkerung. So<br />
lehnte Putin im Oktober <strong>2006</strong> der EU gegenüber ab, die vom Westen gewünschte Energiecharta zu<br />
unterzeichnen, nach der Russland die Kontrolle über sein Pipelinesystem mit der EU teilen müsste.<br />
Seitdem setzt die EU auf "Diversifizierung" ihrer Energielieferanten und versucht, sich die<br />
"Energiesicherheit" durch bilaterale und multilaterale Verträge sichern zu lassen.<br />
Russlands Stärke läßt westliche Kritiker verstummen<br />
Doch der wirtschaftliche Aufschwung resultierend aus dem Ölboom und der gestiegenen<br />
Weltmarktnachfrage nach Rohstoffen hat Putins Macht weitgehend konsolidiert und westliche<br />
Kritiker verstummen lassen. Besonders in den Hauptstädten Westeuropas weiss man um die prekäre<br />
Rohstoffabhängigkeit, die sich in den nächsten Jahrzehnten noch verschärfen wird. Und obendrein ist<br />
vielen westlichen Staatenlenkern ein stabiles, verlässliches Russland lieber als ein Staat, der vor dem<br />
Staatszerfall und Staatsbankrott steht und von Nationalitätenkonflikten zerfressen wird.Moskau bei<br />
Nacht<br />
Moskau ist heute die wirtschaftlich prosperierendste Stadt Europas. Unabhängige, amerikanische<br />
Immobilienfonds deklarierten in den späten 90er Jahren den Moskauer Immobilienmarkt zum<br />
lukrativsten 'emerging market'. Mittlerweile spielt Moskau auch in der architektonischen Avantgarde<br />
eine Vorreiterrolle. So sollen demnächst Wolkenkratzer, deren über 60 Etagen sich um die eigene<br />
Achse drehen, in Moskau und St. Petersburg gebaut werden. Die oberen Etagen sind für Wohnungen<br />
reserviert, für die bereits jetzt ein stolzer Quadratmeterpreis von etwa 10.000 Euro angegeben wird.<br />
Der Bau soll 2008 beginnen und die Baukosten sollen knapp 300 Mio Euro betragen.<br />
Westeuropa als Maßstab<br />
Auch das Internationale Wirtschaftsforum, das wichtigste Wirtschaftstreffen der Welt, fand kürzlich<br />
in St. Petersburg statt. Mehrere Tausend Konzernlenker und Politiker aus den einflussreichsten<br />
Nationen der Welt trafen sich im Juni <strong>2006</strong>. Putin repräsentierte die wiedererwachte Grossmacht<br />
selbstbewusst. Sergei Iwanov, Putins Stellvertreter, kündigte an, dass Russland bis 2020 zu den fünf<br />
weltgrößten Volkswirtschaften gehören wolle. Die Kommentatoren von Financial Times Deutschland<br />
und der FAZ sahen diese Ankündigung kritisch: Russlands Aufschwung, so die einhellige Meinung,<br />
gründe sich bisher lediglich auf den Export von Halbprodukten; weltmarktfähige Güter habe Russland<br />
bisher nicht vorzuweisen, und es sei wohl unwahrscheinlich, daß das wirtschaftlich unterentwickelte<br />
Land den Wissensvorsprung der asiatischen und westlichen Industriestaaten binnen 15 Jahren<br />
294
aufholen könne. Doch Ivanow spielte eher auf Bereiche an, in denen Russland traditionell führend<br />
war, wie die Atom- und Rüstungsindustrie und die Raumfahrt.<br />
Doch Iwanow ging noch weiter. Er kündigte an, daß bis 2020 die Hälfte aller Russen zur neuen<br />
Mittelschicht gehören und damit vom Ölboom direkt profitieren sollen. Iwanow versprach den<br />
Russen, den Lebensstandard innerhalb der nächsten Dekade an den Westeuropas angleichen zu<br />
können. Auf Kritik hin gab er zu, dass Russland nach wie vor unter grossen<br />
Einkommensungleichheiten leide und die Schere zwischen der Moskauer Mittelschicht und den<br />
breiten Massen des Riesenreiches auseinander klaffe. Doch Iwanow versicherte den Russen, daß dies<br />
nur eine Frage der Zeit sei. Der volksdeutsche Wirtschaftsminister German Gref betonte, daß nicht<br />
nur Moskau, sondern auch die Regionen vom Ölboom profitieren werde. Bisher fließen knapp 80%<br />
aller Direktinvestitionen nach Moskau.<br />
Wie werden sich die deutsch-russischen Beziehungen gestalten?<br />
Es ist anzunehmen, daß sich die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von Russland noch<br />
dramatisch verschärfen wird. <strong>2006</strong> forderte Präsident Putin die Gründung einer Gasgemeinschaft,<br />
bestehend aus Russland, Iran und Turkmenistan, die zusammen mehr als die Hälfte aller weltweiten<br />
Gasressourcen beherrschen würden. Und wenig später setzte Putin noch eins drauf: Auf dem Gipfel<br />
der "Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit" - einer Art Wirtschaftsgemeinschaft mit<br />
antiwestlicher Stoßrichtung - schlug Putin die Koordinierung von Öl- und Gaspreisen vor, womit die<br />
Shanghai-Organisation die Hälfte der weltweiten Ölressourcen kontrollieren würde. Bisher hatten all<br />
diese Initiativen Putins wenig Erfolg, allerdings deuten sie an, daß die Zeit der westlichen Dominanz<br />
im asiatisch-russischen Raum zu Ende ist.<br />
Die Abhängigkeit Deutschlands von Russland ist jedoch nicht ganz einseitig. Russland hat kaum<br />
verwertbare Industrie, und besonders im Maschinen- und Anlagenbau sind deutsche Firmen nach<br />
wie vor interessant für russische Auftraggeber. So bleibt zu hoffen, dass wir Deutschen uns Rußlands<br />
Wohlwollen noch lange erhalten können. Eins ist jedoch klar: die Zeiten wohlmeinender, westlicher<br />
Ratschläge sind längst vorbei.<br />
295
Tschetschenien - Krieg ohne Ende<br />
Donnerstag, den 16. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
ZerstörungPopuläre Beschreibungen des Krieges in Tschetschenien setzen in den frühen 90er Jahren<br />
ein. Doch eine so kurzfristige Perspektive ist falsch. Denn genau genommen tobt der Krieg zwischen<br />
Russen und Tschetschenen bereits seit dem ersten Zusammentreffen der beiden Völker, seit 250<br />
Jahren. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Tschetschenen und Russen begannen<br />
bereits unter der deutschen Zarin Katharina der Großen Mitte des 18. Jahrhunderts, die die<br />
Südausdehnung des russischen Zarenreiches vorantrieb. Seitdem herrscht in Tschetschenien Krieg.<br />
Kosaken als imperiale Dampfwalze<br />
Im 16. und 17. Jahrhundert setzten die russischen Zaren auf eine schleichende Kolonialisierung der<br />
Randgebiete des Reiches. Russland als gigantischer Flächenstaat hatte keine festen Grenzen, und<br />
jederzeit konnten fremde Eroberer einfallen. Deshalb entschieden sich die Zaren, zwischen dem<br />
russischen Staatsgebiet und dem Land fremder Völker, besonders den volatilen Süd- und Ostgrenzen,<br />
einen menschlichen Puffer zu etablieren: die Kosaken. Die Zaren gewährten entlaufenen<br />
Leibeigenen, die sich zu Kosakeneinheiten formten, viele Freiheiten, verlangten aber im Gegenzug<br />
die Eroberung und Besiedelung der wilden Randregionen. Die Kosaken waren keine regulären<br />
Militärformationen, sondern wilde Horden brutalisierter Sträflinge, Leibeigener und verarmter<br />
Bauernsöhne, die sich in kleinen Siedlungen zusammenschlossen und von Raub, Plünderung,<br />
Pferdezucht und Pelztierhandel lebten. Mit großer Grausamkeit fielen die Kosakeneinheiten über die<br />
Völker Sibiriens und Zentralasiens her und bereiteten den zaristischen Bürokraten den Boden. Diese<br />
Form der Kolonialisierung und Eroberung durch entstaatlichte, brutalisierte Kleingrppen fand sich<br />
übrigens auch im Wilden Westen, wo Pelztierjäger und Siedler in immer neuen Strömen ins<br />
Indianerland eindrangen. In Sibirien begann die Ostwanderung der Kosaken bereits im 16.<br />
Jahrhundert, während sie im Kaukasus erst 200 Jahre später einsetzte. Die Zarin Katharina die Große<br />
versprach den Kosaken Siedlungsrecht in den Tälern des Kaukasus, und die Kosaken drangen in das<br />
von vielen verschiedenen Minoritäten besiedelte Land ein. Auf den Spuren der Kosaken, die als<br />
brutale Vorhut des russischen Imperiums sich den Weg durch tiefe Wälder und fremde Völker<br />
bahnten, folgten die russischen Beamten.<br />
Seit der Kosakenbesiedelung der Täler des Nordkaukasus um 1770 ist das Muster aller Kriege im<br />
Kaukasus das gleiche: in den Tälern herrschen bei Tag die Russen, in der Nacht die Tschetschenen,<br />
und auch die unzugänglichen Bergregionen werden von aufständischen Ethnien beherrscht, die in<br />
immer wechselnden Koalitionen mal mit und mal gegen die Russen kämpfen. Im Winter kommen die<br />
Auseinandersetzungen weitgehend zum Erliegen, um mit dem Beginn der Tauperiode erneut<br />
aufzuflammen. Diese Art der Kriegführung zieht sich seit über 200 Jahren hin und hinterließ in der<br />
russischen Literatur und im kulturellen Gewebe - in Mythen, Märchen und Sagen der Kaukasusvölker<br />
- eine tiefe Spur.<br />
Die Tschetschenen - ewige Rebellen<br />
Der erste große Aufstand der Tschetschenen begann 1785 und dauerte bis 1791. Unter dem<br />
tschetschenischen Scheich Mansur führte eine Koalition von kaukasischen Völkern einen<br />
Partisanenkrieg gegen die russischen Kosaken. Russland hatte im Kaukasus Grenzbefestigungen - die<br />
"Kaukasuslinie" vom Kaspischen bis zum Schwar-zen Meer - errichtet und versuchte, diese weiter<br />
nach Süden auszudehnen. Die Kaukasuslinie war gedacht als befestigte Grenzlinie, um das Reich<br />
296
gegen Einfälle aus dem Süden wirksam zu schützen. 1791 brach der Aufstand zusammen, und<br />
Scheich Mansur wurde hinter den Polarkreis in ein Kloster verbannt, wo er auch starb.<br />
Bürgerkriege in Europa?<br />
Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus 1989 stehen sich zwar weltpolitisch keine zwei großen<br />
Blöcke mehr gegenüber, dennoch treten in den modernen westlichen Staaten innen- und<br />
außenpolitisch weiterhin heikle Konflikte auf, die weder einzelne Staaten noch eine Weltpolizei<br />
schlichten können. Die Vielzahl der Konfliktlinien, die durch die westlichen Staaten verlaufen, könnte<br />
diesen irgendwann einmal zum Verhängnis werden. Selbstbewußte ethnische, religiöse und<br />
politische Milieus spalten sich zum Teil jetzt schon von der Gesellschaft ab. Wenn dies so weitergeht,<br />
tobt in Deutschland und den westlichen Staaten in zwanzig Jahren an jeder Ecke ein Kleinkrieg. >>><br />
mehr<br />
Bereits 1813 hatte das Zarenreich sich fest im Kaukasus etabliert, und forcierte unter dem<br />
zaristischen Gouverneur General Alexej Jermolow die Kolonialisierung des Kaukasus. Es kam immer<br />
wieder zu Aufständen und Anschlägen, so daß Jermolow auf eine grausame Politik der Geiselnahme<br />
zurückgriff. Jede Anschlag der Tschetschenen wurde durch brutale Straf-aktionen geahndet.<br />
Tausende flohen in die Berge und kamen bei Einbruch der Dunkelheit in ihre Dörfer zurück, nicht<br />
ohne blutige Vergeltung zu üben. Bereits damals waren russische Aristokraten als Offiziere in den<br />
Kaukaususkrieg zeitweise dienstverpflichtet worden, wie die späteren Schriftsteller Michail<br />
Lermontows und Lew Tolstois.<br />
Kommunisten und Muslime gegen die Ordnung<br />
Als in Petersburg die bolschewistische Revolution ausbrach, stellten sich die Tschetschenen<br />
mehrheitlich auf die Seite der Kommunisten, im Glauben, den gleichen Feind zu haben. Im russischen<br />
Bürgerkrieg kämpften tschetschische Einheiten auf Seiten der roten Garden. Doch mit der<br />
Etablierung der Sowjetmacht versuchten die gestärkten Moskauer Kommunisten, ihre Ideologie<br />
unter den muslimischen Bergvölkern zu verbreiten - und scheiterten fatal. Von nun an waren die<br />
Beziehungen zwischen Moskau und Tschetschenien auf das neue von Gewalt geprägt, denn kaum<br />
eine Anweisung aus Moskau wurde von den Kaukasusvölkern befolgt. Während des Zweiten<br />
Weltkrieges kämpften Kaukasier sowohl auf russischer als auch auf deutscher Seite. Stalin glaubte,<br />
die Kaukasusprovinz durch ethnische Säuberungen befrieden zu können und siedelte die<br />
Tschetschenen 1944 zwangsweise aus - ähnlich wie er drei Jahre zuvor die wolgadeutschen<br />
Siedlungen ausgerottet hatte. Historiker schätzen, daß bei der Aussiedlung von über 400.000<br />
Tschetschenen knapp 200.000 ihre Bestimmungsorte in Sibirien nicht erreichten. Sie erfroren,<br />
verhungerten und wurden als transportunfähig erschossen.<br />
Kommunistische Tünche auf uralten Strukturen<br />
Doch im Gegensatz zu den Wolgadeutschen machten sich nach Stalins Tod Tausende Tschetschenen<br />
illegal und entgegen der Weisungen der Sowjetmacht auf den Heimmarsch. Auf langen Fußmärschen<br />
und durch verbotene Zugfahrten besiedelten Tausende Tschetschenen wieder ihre alte Heimstatt in<br />
den Tälern des Kaukasus. Berichten zufolge kam es bei der illegalen Rücksiedelung zu nächtlichen<br />
Mordaktionen an Russen, die inzwischen in den Häusern der Tschetschenen siedelten. Zwar drängte<br />
Moskau nach wie vor auf ideologische Treue im Geist des Kommunismus, aber da man die<br />
rebellischen Kaukasus-Völker kaum kontrollieren konnte, beschränkten sich die russischen<br />
Kommunisten auf formelle Mitgliedschaft tschetschenischer Familienpatriarchen in der<br />
Kommunistischen Partei. Manche Familienclans ließen ihre Weide- und Viehbestände als<br />
297
sozialistische Kolchosen registrieren und wirtschafteten wie schon Jahrhunderte zuvor. Moskau war<br />
hier weit weg.<br />
Der Krieg – ein Schock für das zerfallende Reich<br />
Nach dem Kollaps der Sowjetunion waren die Tschetschenen unter den ersten Völkern, die ihre<br />
Forderung nach staatlicher Souveränität auch mit Gewalt unterstrichen. Doch im Gegensatz zu den<br />
erst 1940 eroberten baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland wollte Russland Tschetschenien<br />
nicht in die Unabhängigkeit entlassen. Tschetschenien war bereits über 200 Jahre lang Teil des<br />
russischen Reiches. Die Unabhängigkeit, so fürchtete man im Kreml, würde weitere separatistischnationale<br />
Bewegungen, etwa die in Tuwa, zur Sezession ermutigen. Die Ereignisse in Tschetschenien<br />
gaben den Befürchtungen des Kreml recht: Tausende Russen wurden Opfer von brutalen<br />
Grausamkeiten von tschetschenischen Untergrundkämpfern und kriminellen Banden. Knapp 300.000<br />
Russen flohen vor der Gewalt nach Russland. Deshalb befahl Präsident Jelzin 1994, eine<br />
"Polizeioperation" gegen die Rebellen, aus der jedoch der zwei Jahre währende erste<br />
Tschetschenienkrieg werden sollte.<br />
Der Krieg war ein grausamer Schock für Russland. Tschetschenische Freischärler schlugen die einst<br />
ruhmreiche Rote Armee so schnell und brutal aus dem Feld, daß die offiziellen Kommentare in<br />
russischen Medien bald ausblieben. Besonders in der Millionenstadt Grosny zwangen die Freischärler<br />
die russischen Panzereinheiten in einen zermürbenden Häuserkampf. Die völlig demoralisierten<br />
Truppen der Roten Armee wurden in wochenlangen Häuserkämpfen von tschetschenischen Rebellen<br />
aufgerieben und teilweise brutal ermordet. Schon nach wenigen Wochen hatten die<br />
tschetschenischen Freischärler die russische Armee aus der Hauptstadt Grosny vertrieben. Deshalb<br />
zog die russische Armee einen Artillerie- und Minengürtel um die Stadt und zerstörte die einstige<br />
Millionenstadt bis auf die Grundmauern. wurde über Monate beschossen und faktisch dem<br />
Erdboden gleichgemacht. 1996 zog sich Russland geschlagen aus Tschetschenien zurück und die<br />
winzige Kaukasusrepublik wurde faktisch unabhängig, auch wenn ihr die internationale Anerkennung<br />
verweigert wurde.<br />
Unfähig zur Staatenbildung<br />
Doch die Familienclans des Kaukasus waren unfähig zu einer stabilen Staatsführung. Das nun<br />
unabhängige Land erreichte nie formelle Staatlichkeit; die Tschetschenen waren unfähig und unwillig<br />
zur Gründung fester staatlicher Strukturen und Institutionen. So ähnelten die Jahre zwischen 1997<br />
und 2000 denen vor der Einverleibung Tschetscheniens in das russische Reich: ein Land, regiert von<br />
zerstrittenen Familienclans ohne einheitliche Rechtsordnung und staatliche Strukturen.<br />
Radikal-islamistische Gruppierungen, die von arabischen Kriegsherren ideologisch indoktriniert und<br />
finanziert wurden, gewannen zunehmend die Oberhand. 1999 versuchte eine Gruppe, den Krieg in<br />
die benachbarte russischen Republik Dagestan zu tragen, um die Utopie eines islamischen Kalifats im<br />
gesamten Kaukasusgebietes zu verwirklichen, doch die russische Armee konnte den Einmarsch der<br />
Islamisten zurückschlagen.<br />
Der zweite Tschetschenienkrieg<br />
Für die russische Führungsspitze zeigte der Überfall auf Dagestan, dass Russland keine Ruhe habe, bis<br />
Tschetschenien unter russischer Kontrolle sei. Die russische Politikergeneration war besorgt, dass die<br />
Unabhängigkeit Tschetscheniens die staatliche Einheit ganz Russlands gefährden könne, denn viele<br />
andere Minderheiten im russischen Vielvölkerreich drängten ebenso zur nationalen Souveränität.<br />
Des weiteren schien die Islamisierung Tschetscheniens einen Unruheherd an der Südgrenze des<br />
298
öckelnden Riesenreiches zu schaffen. Deshalb ließ Putin nach seinem Amtsantritt die russische<br />
Armee in Tschetschenien einmarschieren und begann den sogenannten zweiten<br />
Tschetschenienkrieg. Putins erste Reise als amtierender Präsident führte ihn in der Silvesternacht<br />
1999 zu den in Tschetschenien stationierten Truppen. Der Einmarsch erregte viel Kritik im Westen,<br />
die jedoch bereits ein Jahr später, nach dem 11. September 2001, völlig versiegte.<br />
Der zweite Tschetschenienkrieg war um ein vielfaches brutaler als der erste. Jetzt zielte Putin auf die<br />
völlige Vernichtung des Gegners ab. Massaker, Folterungen und Vergewaltigungen waren keine<br />
Ausnahme, sondern die grausame Regel. Gefangene wurden kaum gemacht, und Tausende Zivilisten<br />
verloren das Leben. Die Brutalität der Tschetschenen stand der der Russen kaum nach. Allerdings<br />
drängten Putins Truppen die Islamisten zurück und die sogenannte „Antiterror-Aktion“ wurde 2002<br />
für beendet erklärt.<br />
Terror – die Waffe der Schwachen<br />
Viele tschetschenische Kämpfer flohen in die Berge oder in das benachbarte Georgien und<br />
versuchten, von hier aus den Krieg in Russlands Städte zu tragen. Im Oktober 2002 nahmen<br />
tschetschenische Kämpfer 800 Besucher eines MoskauerTheater Musicals als Geiseln. Die Terroristen<br />
platzierten Bomben im Theaterraum und verlangten den sofortigen Abzug der russischen Armee aus<br />
Tschetschenien. Putin war von Anfang an entschlossen, dieser Erpressung nicht nachzugeben. Vier<br />
Tage später wurde ein Betäubungsgas in das Gebäude geleitet und das Theater gestürmt. 129<br />
Geiseln kamen bei der Aktion ums Leben. Alle Terroristen wurden von russischen Einheiten getötet.<br />
Präsident Putin kündigte Vergeltung an. 2004 sprengten tschetschenische Terroristen zwei<br />
Passagiermaschinen und töteten 90 Menschen. Am 1. September 2004 nahmen tschetschenische<br />
Terroristen in Beslan 1.200 Geiseln, um den Abzug Russlands aus Tschetschenien zu erwirken.<br />
Ein Krieg ohne Ende<br />
Alle Bemühungen, den Konflikt mit Gewalt oder in Verhandlungen zu lösen, scheiterten bisher. Der<br />
Tschetschenienkrieg hat nach wie vor den offiziellen Status eines "frozen conflict", eines ungelösten<br />
Konfliktes, der sogenannte 'spill-over'-Effekte wie Anschläge und Selbstmordattentate auch in<br />
anderen russische Teilrepubliken wie Dagestan und Inguschetien erzeugt. Mittlerweile gilt für die<br />
meisten Russen der Tschetschenienkonflikt als befriedet. Putin hatte 2003 nach massiven<br />
Militäroperationen den Warlord und Anführer eines einflussreichen Familienclans, Achmed Kadyrow,<br />
auf seine Seite ziehen und sich so die Loyalität einer starken Familiendynastie sichern können.<br />
Achmad Kadyrow wurde im Mai 2004 bei einem Bombenanschlag getötet. Seitdem wird<br />
Tschetschenien von dessen Sohn Ramsan Kadyrow regiert. Doch nach wie vor ist Russlands Einfluss in<br />
der Region prekär, und die Loyalität des Kadyrow-Clans fragwürdig.<br />
Wahrscheinlich wird man Recht gehen in der pessimistischen Annahme, daß der Krieg noch<br />
Jahrzehnte andauern wird. Der 250 Jahre alte Konflikt zwischen Tschetschenen und Russen macht<br />
auch deutlich, daß Konflikte oft nicht aufhebbar sind, sondern der Hegung bedürfen. Beide<br />
russischen Großversuche, die "tschetschenische Frage" zu lösen, sind fehlgeschlagen: Stalins Versuch<br />
der Ausrottung und Auflösung des tschetschenischen Volkes scheiterte am Zusammenhalt der<br />
Tschetschenen. Russlands Versuch, sich 1997 gänzlich zurückzuziehen, ließ Tschetschenien zu einem<br />
'failed state' werden, dessen Implosionen weit über die Grenzen des Landes spürbar waren. Seitdem<br />
lebt Russland mit der unsicheren Politik wechselnder Koalitionen mit illoyalen Partnern, ständigen<br />
Anschlägen und brutalen Militäraktionen jenseits des Kriegsrechts. Eine bessere Lösung ist nicht in<br />
Sicht.<br />
299
„Wehrhafte Demokraten“ als Sektenjäger<br />
Geschrieben von: Daniel Leon Schikora<br />
Sonntag, den 19. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Nicht nur im „Kampf gegen Rechts“ sinken oftmals die Hemmschwellen auch konservativer Politiker,<br />
den Schulterschluß mit Kräften zu üben, denen in anderen Zusammenhängen gern ein<br />
problematisches Verhältnis zu der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland bescheinigt<br />
wird. So muß es sich Bayerns Innenminister Günther Beckstein gefallen lassen, wenn die Hamburger<br />
„Scientology-Expertin“ Ursula Caberta, die als frühere Sozialdemokratin zu den Bundestagswahlen<br />
2005 auf der Hamburger Landesliste von Lafontaines WASG auf Platz 2 kandidierte, ihm fast<br />
kameradschaftlich bescheinigte: „… auf Herrn Beckstein kann man sich verlassen“. Beckstein selbst<br />
ist daran nicht ganz unschuldig, immerhin steuerte er zu Cabertas „Schwarzbuch Scientology“ –<br />
welch ein Titel! – ein Vorwort bei.<br />
Im Zentrum der Rechtfertigung diskriminierender staatlicher ‚Intervention’ zuungunsten kleiner<br />
religiöser oder weltanschaulicher Gemeinschaften, welche sich ökonomisch – anders als die<br />
deutschen Amtskirchen – ausschließlich auf die Opferbereitschaft ihrer Mitglieder stützen, steht im<br />
Falle von Scientology bei Beckstein der Vorwurf, keine Religionsgemeinschaft, sondern ein<br />
Wirtschaftsunternehmen zu sein. Unter Becksteins Verantwortung ritt der jüngste bayerische<br />
Verfassungsschutzbericht sogar eine Attacke gegen die vermeintlich verharmlosende<br />
Medienberichterstattung über Scientology. Diese Gemeinschaft werde „entgegen der<br />
Rechtsprechung als eine Religionsgemeinschaft bezeichnet, was sie nicht ist“ (Bayernkurier, 11.<br />
August 20<strong>07</strong>). Eine mangelnde Mobilisierung „unabhängiger Medien“ gegen „Verfassungsfeinde“<br />
gefährdet demnach die freiheitliche demokratische Grundordnung Deutschlands. Zum Unterschied<br />
von dem Modell einer „westlichen Demokratie“ wird die deutsche „gelebte Verfassung“ in Bayern –<br />
wie in Hamburg, wo Caberta nach wie vor eine aus öffentlichen Geldern finanzierte „Beratungsstelle“<br />
betreibt – dergestalt interpretiert, daß der mündige Bürger gut daran tut, sich eingehend über die<br />
offiziellen Unwert-Urteile staatlicher Behörden kundig zu machen, ehe er seine bürgerlichen Rechte<br />
in Sachen Vereinigungsfreiheit wahrnimmt.<br />
Ist Scientology eine Sekte, eine Religionsgemeinschaft oder ein<br />
Wirtschaftsunternehmen?<br />
Was die im CSU-Organ Bayernkurier angeführte Rechtsprechung anbelangt, so ergibt sich mit Blick<br />
auf die deutsche Rechtsprechung keineswegs ein nicht-religiöser Charakter von Scientology. Die<br />
Rechtsprechung auf europäischer Ebene (genauer: der Ebene des Europarates) ist hingegen eindeutig<br />
– zum Ärgernis Cabertas und Becksteins: Die Weigerung der russischen Behörden, die Scientology-<br />
Kirche als eine religiöse Vereinigung einzutragen, stelle einen Verstoß gegen die Europäische<br />
Menschenrechtskonvention dar, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in<br />
Strasbourg. Das Urteil verweist in diesem Zusammenhang auf die Neutralitätspflicht des Staates,<br />
welchem es nicht anstehe, über die Rechtmäßigkeit religiöser Überzeugungen zu befinden: „Die<br />
Pflicht des Staates zur Neutralität und Unparteilichkeit … ist mit jeglicher staatlichen Befugnis<br />
unvereinbar, die Rechtmäßigkeit von religiösen Überzeugungen zu bewerten.“ Die Russische<br />
Föderation wurde nicht nur zu einer (Wieder-)Eintragung der Scientology-Kirche als einer religiösen<br />
Vereinigung verpflichtet. Vielmehr steht Scientology nach dem Urteil des<br />
Menschenrechtsgerichtshofes ein immaterieller Schadensersatz in Höhe von 10.000 EURO plus<br />
Auslagenersatz von 15.000 EURO zu.<br />
300
Sektenjäger in Regierungsverantwortung<br />
Die von „wehrhaften Demokraten“ wie Caberta, Blüm oder Beckstein propagierte „Wachsamkeit“<br />
gegenüber „unbotmäßigen“ religiösen Minderheiten kommt (abgesehen von der Mißachtung<br />
freiheitlich-rechtsstaatlicher Normen) auf die Dauer teuer. Und weder in Rußland, noch in<br />
Deutschland oder Frankreich dürften sich in Regierungsverantwortung passionierte Sektenjäger<br />
bereit finden, für die von ihnen verursachten Kosten privat aufzukommen.<br />
301
Wenn Kinder fehlen, ist eine Welt krank.<br />
Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />
Montag, den 20. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Fast überall in Europa ist es traurige Realität: Die Bevölkerung vergreist. Im Deutschland des Jahres<br />
<strong>2006</strong> wurden im Schnitt 8,25 Kinder pro 1000 Einwohner geboren, was einer Natalität von 1,39<br />
entspricht. Um das momentane Bevölkerungsniveau zu halten, wäre indes eine Quote von 2,1 nötig.<br />
Das geburtenstärkste Land der EU, Irland, weist 14,14 Geburten pro 1000 Einwohner auf und kommt<br />
auf 1,86 Kinder pro Frau. Jedoch sollte man nicht der Augenwischerei verfallen und annehmen, daß<br />
der Bevölkerungsschwund selbst das Problem ist. Vielmehr ist er ein Symptom einer virulenten<br />
Krankheit, die mit Sicherheit für betroffene Ethnien langfristig tödlich enden wird.<br />
In früherer Zeit bekamen Menschen Kinder, um sich ökonomisch abzusichern und ihr Leben<br />
bestreiten zu können. Aus eben diesem Grunde wurde männlicher Nachwuchs generell bevorzugt,<br />
konnten ihm einerseits schwerere Arbeiten zu gemutet werden, andererseits waren die lukrativen<br />
Berufe der damaligen Zeit meist Männern vorbehalten. Kinder sicherten das zukünftige und<br />
gegenwärtige Überleben einer Familie, gehörten infolgedessen nicht wie heute marginalisiert zu<br />
einem Lifestyle, sondern waren eine natürliche Konstante des Lebens.<br />
Kinder als Lebensversicherung<br />
Gleiches Prinzip ist auch heutzutage in vielen Ländern der Dritten Welt durchaus noch gang und<br />
gebe. Aufgrund der geringen Industrialisierung jener Nationen und der Bedeutsamkeit der<br />
Landwirtschaft ergibt sich die Notwenigkeit von Kindern gewissermaßen automatisch. Verschärft<br />
wird die Notwenigkeit des Nachwuchses durch die medizinische Versorgung in einigen Dritte-Welt-<br />
Ländern. In Gabun leben die Menschen im Schnitt 54,49 Jahre, in Deutschland hingegen 78,8 Jahre.<br />
Kinder stellen ein intrafamiliäres Sozialnetz dar, welches die Funktionen heutiger staatlicher<br />
Sicherungen (Renten-, Arbeitslosen-, Krankenversicherung etc.) übernimmt. Weshalb in ärmeren<br />
Ländern beziehungsweise in solchen mit wenig Anspruch auf sozialstaatliche Leistungen der<br />
Kinderreichtum die Norm ist, erklärt sich aus dieser Funktion der Kinder. Anders als etwa in der EU<br />
können sich US-Amerikaner nicht fundamental auf Hilfe von „Vater Staat“ verlassen. Sie sind fast auf<br />
sich allein gestellt, staatliche Krankenkassen gibt es keine, die Bewilligungskriterien für<br />
Arbeitslosengeld sind strikter geregelt, so daß nur circa ein Drittel aller gemeldeten Arbeitslosen sie<br />
auch wirklich in Anspruch nehmen kann. Fernerhin wird das Arbeitslosengeld in den USA nur<br />
maximal 26 Wochen gezahlt (in Deutschland bis zu 52 Wochen) und errechnet sich aus der Hälfte des<br />
letzten Nettoeinkommens (Deutschland: 60 bis 67%). Es wundert wenig, daß die USA die höchste<br />
Natalität der westlichen Welt (2,09) bei gleichzeitig am stärksten eingeschränktem Sozialstaatsgefüge<br />
ausweisen.<br />
Gerade in dieser Hinsicht sind die jüngsten Pläne der CDU, den staatlichen Anspruch auf die<br />
Kinderbetreuung mit einer Verdreifachung des Kinderkrippenangebots zu unterstreichen, bedenklich.<br />
An eine Besserstellung nicht-arbeitender Mütter wird selbstverständlich nicht gedacht.<br />
Säkularisierung: Grund für Kinderlosigkeit?<br />
Ein weiter Punkt ist der Grad der Modernität eines Landes. Inwiefern bestimmen klassische<br />
Familienmodelle, in denen z.B. die Mutter sich der Erziehung der Kinder hingibt und dafür ihre<br />
berufliche Karriere aufgibt, das Denken der Bevölkerung? Wie hoch ist die Frauenerwerbsquote?<br />
302
In Westeuropa befindet sich das Christentum kontinuierlich auf dem Rückzug vor einem<br />
erstarkenden Islam samt seines dynamischem „Youth Bulge“ (Gary Fuller). Mit ihm verschwindet<br />
jedoch nicht nur eine Religion, sondern auch das christliche Familienbild. Kinder werden lange schon<br />
nicht mehr als Lebenserfüllung angesehen. Vielmehr sind sie ein Hindernis auf der beruflichen<br />
Karriereleiter. Im Zeitalter maßloser Individualisierung und Selbstverwirklichung ist kein Platz für ein<br />
„erfolgreiches Familienunternehmen“. Man lebt im Jetzt; nicht für Morgen.<br />
Auch hier ist es nützlich, Parallelen zu den USA zu ziehen. Dortige Gesellschaft ist für westliche<br />
Verhältnisse relativ stark christlich geprägt, besonders in den Südstaaten erleben christlichfundamentalistische<br />
Werte eine Renaissance. Dies spiegelt sich z.B. in einer strengen<br />
Abtreibungspraxis wider, welche einen Schwangerschaftsabbruch, wenn überhaupt, lediglich im Falle<br />
der Gefahr für das Leben der Mutter oder bei Vergewaltigungsopfern erlaubt. Ebenso verhält es sich<br />
mit der Republik Irland, welche „orthodox“ katholisch geprägt ist und 96% Christen zählt.<br />
Die demographischen Spätfolgen der Industrialisierung<br />
Dem Wandel einer Agrar- zu einer modernen Industriegesellschaft folgt immer auch eine<br />
fundamentale Veränderung der Bevölkerungsstruktur. So lautet die These des deutschen Soziologen<br />
Gerhard Mackenroth, daß sich analog zur Industrialisierung eine Wandelung der „vorindustriellen<br />
Bevölkerungsweise“, geprägt durch hohe Sterbe- und Geburtenraten, zu einer „industriellen<br />
Bevölkerungsweise“ mit niedrigen Sterbe- und Geburtenraten vollziehe. Fernerhin nimmt er an, daß<br />
nach dem Wechsel ein stabiles, obgleich geringes, Bevölkerungswachstum einsetze.<br />
Mackenroth folgend müßte der unaufhaltsame Aufstieg von Schwellenländern wie Indien, China oder<br />
Brasilien das Bevölkerungswachstum irgendwann einmal stoppen. Wo dann nötiges Gegengewicht<br />
zur bevölkerungsstarken islamischen Welt lokalisiert sein wird, steht noch in den Sternen.<br />
303
„Denn der Mensch ist ein Raubtier …“<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Montag, den 20. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Kann der Mensch seine Technik noch beherrschen?Aus Anlaß des 70. Jahrestages des Todes Oswald<br />
Spenglers am 8. Mai 1936 hat der Karolinger-Verlag zwei Schriften des Kulturphilosophen aus den<br />
Jahren 1921 und 1931 neu aufgelegt. Eine davon ist Spenglers „Der Mensch und die Technik.<br />
Pessimismus?“. Damit liegt wieder eine oft vergessene Schrift Spenglers vor, die auf einen Vortrag<br />
des Frühjahrs 1931 zurückgeht und zu seinen späten Büchern zählt. Der Leser dieser kleinen Schrift<br />
zeigt vor sich selber, daß er nicht den brennenden Fragen seiner Zeit entweicht. Diese Fragen, sich in<br />
Spenglers Zeit andeutend, haben heute erst ihre von ihm prophezeiten Konturen angenommen.<br />
Seelenlosigkeit oder Heroismus<br />
Das ruhelose Streben des westlichen Menschen nach dem Höheren, nach der Überwindung von<br />
Entfernungen gipfelt im westlichen Expansionsdrang der Technik, in der Raumfahrt und der<br />
Computerwelt, dem Arbeiten in eng gesetzten Prozeßzeiten. Das „Ich“ fiel mit dem Willen Gottes<br />
zusammen, entfiel zugleich der geborgenen Gotteskindschaft und rückte die faustische – Spenglers<br />
Synonym für abendländische – Willenskultur und ihre Zivilisation in den Mittelpunkt.<br />
Spengler spricht im „Untergang des Abendlandes“ erstmals vom „Problem der Zivilisation“.<br />
Zivilisation kann hier als niedere Phase der Dekadenz charakterisiert werden. Die Assoziationen der<br />
modernen Industriegesellschaft (Technik, Urbanisierung, Metropolitismus, Materialismus,<br />
Utilitarismus) sind aber auch Eigenschaften der Zivilisation, einem Zustand des äußeren, seelenlosen,<br />
intellektualistischen und zweckrationalen Daseins, welcher im Gegensatz zu Kreativität, Moral,<br />
Disziplin, Demut, Heroismus und zur Religion steht.<br />
Spengler bezeichnet die Technik als „Taktik des Lebens“, in deren Zusammenhang an die Stelle der<br />
echten Religion früherer Zeiten nun die platte Schwärmerei für die „Errungenschaften der<br />
Menschheit“ tritt, womit eigentlich nur die „Fortschritte der arbeitersparenden und amüsierenden<br />
Technik“ gemeint sind. Anschließend untersucht Spengler die Entwicklung der Technik in<br />
Kombination mit derjenigen des Menschen. „Was ist der Mensch? Wodurch ist er zum Menschen<br />
geworden?“ Spenglers Antwort: „Durch die Entstehung der Hand. Das ist eine Waffe ohnegleichen<br />
(…). Zum Raubtierauge, das die Welt theoretisch beherrscht, tritt die Menschenhand als praktische<br />
Beherrscherin. (…) Kein anders Raubtier wählt die Waffe. Der Mensch aber wählt sie nicht nur,<br />
sondern er stellt sie her nach eigener persönlicher Erwägung. Das ist die Befreiung vom Zwang der<br />
Gattung, etwas einzigartiges in der Geschichte des gesamten Lebens auf diesem Planeten.“ Der<br />
Mensch ist damit Natur und Widernatur, mit der Natur verbunden und ihr zugleich entbunden –<br />
Spengler spitzt zu: „Der Mensch ist ein Raubtier“, was für ihn ein Maximum an Freiheit und<br />
Schaffenskraft bedeutet. Der Mensch fühlt durch die Bildung einer gegenständlichen Welt mit seinen<br />
Sinnen zugleich die eigenständige Welt in sich – die Seele. Diese Einsamkeit der Seele macht das<br />
Raubtier unabhängig von der Natur. Der Mensch ist Schöpfer seiner eigenen Lebenstaktik geworden.<br />
Sein Ich kann sich vom Wir befreien, sich gegen andere richten. Der Haß als das „eigentliche<br />
Rassegefühl der Raubtiere“ setzt aber voraus, daß man den Gegner achtet. Interessant ist hier die<br />
Unterscheidung Spenglers zwischen „Gegner“, den man anerkennt, und „Feind“, dessen Vernichtung<br />
man erstrebt.<br />
304
Aufstand gegen das verwaltende Denken<br />
Zum Ausgang seiner kleinen Schrift sieht Spengler nach dem Aufstieg nun das Ende der<br />
Maschinenkultur: „Die steinerne Stadt wird erfunden als das Gehäuse des ganz künstlichen, von der<br />
mütterlichen Erde getrennten, vollkommenen, gegennatürlich gewordenen Lebens, die Stadt des<br />
wurzellosen Denkens, welche die Ströme des Lebens vom Lande an sich zieht und verbraucht.“<br />
Zugleich ziehen wirtschaftliche Verarmung ein, geistige und künstlerische Degeneration. So<br />
verwundert es nicht, daß Spengler die faustische, westeuropäische Kultur als die vielleicht nicht<br />
letzte, sicherlich aber als die gewaltigste, leidenschaftlichste darstellt, welche durch ihren „inneren<br />
Gegensatz zwischen umfassender Durchgeistigung und tiefster seelischer Zerrissenheit“ die<br />
tragischste von allen Kultur sei. Es ließe sich hier an die Zerrissenheit des seismographischen Gespürs<br />
eines Hölderlins denken, der als deutsches Beispiel genau daran zerbrach. (Vgl. Johannes Heinrichs:<br />
„Revolution aus Geist und Liebe“)<br />
Nirgends habe also der Gegensatz unversöhnlichere Formen angenommen als in der faustischen<br />
Kultur, in der das stolze Blut der Raubtiere sich zum letzten Male gegen die Tyrannei des reinen und<br />
verwaltenden Denkens auflehne. Die faustische Kultur besitzt dabei den Willen zur Macht, der alle<br />
Grenzen von Raum und Zeit überwindet, die Erdteile unterwirft, sein Verkehrs- und<br />
Nachrichtensystem global ausweitet. Diese Kultur der Zivilisation neige sich nun dem Ende zu. Sie<br />
wird zum Gefängnis für die Seele des Menschen. Sie wird Opfer der eigenen Erfindungen. Sie schlägt<br />
in ihr Gegenteil um. Zwei Gefahren drohen nach Spengler: Die „Meuterei der Hände“, also der<br />
Ausbruch des Klassenkampfes, und der „Verrat der Technik“, d.h. der Export fortschrittlicher Technik<br />
in andere Länder. Durch Gewinnmaximierung wurde die Technik globalisiert. Die ausgebeuteten<br />
Konsumenten nehmen diese auf, werden aber zu selbstbewußten eigenen Produzenten. Mit dem<br />
Luxusleben des Westens bleibt die Industrie nicht mehr konkurrenzfähig – der Ausverkauf des<br />
Abendlandes beginnt. Wir brauchen heute nur einen Blick nach China und Indien werfen.<br />
Farbige Weltrevolution<br />
Ein letztes Mal läßt Spengler seine prophetische Gabe spielen und ermahnt eindringlich: „Das<br />
Schwergewicht der Produktion verlagert sich unaufhaltsam, nachdem der Weltkrieg auch der<br />
Achtung der Farbigen vor den Weißen ein Ende gemacht hat. Das ist der letzte Grund der<br />
Arbeitslosigkeit in den weißen Ländern, die keine Krise ist, sondern der Beginn einer Katastrophe.“<br />
Befinden wir uns heute in einer vergleichbaren Katastrophe? Die empirischen,<br />
arbeitsmarktpolitischen und demographischen Daten deuten in diese Richtung. Spengler sieht nur<br />
eine Lösung: „Auf dem verlorenen Posten ausharren ohne Hoffnung, ohne Rettung, ist Pflicht.<br />
Ausharren wie jener römische Soldat, dessen Gebeine man vor einem Tor in Pompeji gefunden hat,<br />
der starb, weil man beim Ausbruch des Vesuv vergessen hatte, ihn abzulösen. Das ist Größe, das<br />
heißt Rasse haben. Dieses ehrliche Ende ist das einzige, das man dem Menschen nicht nehmen<br />
kann.“ Es geht ihm also um ein ethisches Verständnis von Rasse, kein biologisches. Die synoptische<br />
Betrachtungsweise, seine vergleichend morphologische Methode, die unterschiedlichen<br />
Erscheinungen der Weltgeschichte parallel darzustellen, zeugen von Spenglers Credo, daß das<br />
Schicksal des Menschen nur verständlich ist, wenn man alle Zweige seines Wirkens zugleich<br />
betrachtet. Und dennoch: Spengler bleibt pragmatisch: „Ich bin kein Pessimist – Nein. Pessimismus<br />
heißt: keine Aufgaben mehr sehen. Ich sehe so viele noch ungelöst, daß ich fürchte, es wird uns an<br />
Zeit und Männern für sie fehlen.“<br />
305
„Lieber ein kurzes Leben voll Taten und Ruhm als ein langes ohne Inhalt.“<br />
Die Erkenntnisse des negativen Dialektikers Oswald Spengler entbehren nicht einer gewissen<br />
Relevanz in der heutigen Zeit. Dieses Denken ist klarsichtig und erkennt den Drang der definitiven<br />
Anwendung von Technik, die Ideologie der Massendemokratie, der Gewalt und des als „Demokratie“<br />
auftretenden ideologischen Rigorismus. Daß der Materialismus das Denken beeinflußte und die<br />
Faszination vor den Leistungen der Technik prägte, kann heute, im „Handy“-, „Shopping“- und<br />
Informationszeitalter, nicht mehr angezweifelt werden. Aber in dieser Art von Aufklärung und in<br />
diesem technischen Fortschritt dröhnender Großstädte und lärmender Hysterie war schon immer die<br />
Gegenaufklärung im Sinne Spenglers, die destruktive Gegentendenz, enthalten. Sie zerstört das, was<br />
den freien erdverbundenen Menschen zerstört. Das Potential dieses dialektischen Umschlages war<br />
stets präsent – daher „Negative Dialektik“. Sie wehrt sich dagegen, daß pure Effizienz zum Kriterium<br />
des Lebenserfolges gemacht wird. Sie benennt bei Spengler zum ersten Mal die Entwicklung der<br />
Globalisierung und der Masseneinwanderung – der „Farbigen Weltrevolution“ –, welche die<br />
nationale Politik und den souveränen Volkswillen degradiert. Spenglers Buch ist Ausdruck dieses<br />
dialektischen Umschlages, der auch heute wieder, in Zeiten der Entkolonialisierung, der überhöhten<br />
Lohnforderungen und der Vernichtung des „Standort Deutschland“, vonstatten geht. Der Autor sah<br />
nur einen Weg: Ausharren! Und wir?<br />
306
Alternativloser Schulzwang<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 21. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Heimunterricht ist in Deutschland verboten. Hier herrscht Schulzwang. In anderen europäischen<br />
Ländern wie etwa Dänemark, Österreich oder den Niederlanden hingegen ist statt einer Schul- eine<br />
Bildungspflicht im Gesetz verankert, was dazu führt, daß Eltern ihre Kinder zu Hause selbst<br />
unterrichten dürfen. Während andernorts Eltern aktiv den Bildungswerdegang ihrer Kinder<br />
mitgestalten können, müssen deutsche Eltern ihre Kinder trotz häufig überfüllter Klassen und<br />
schlecht ausgebildeter Lehrer auf staatliche oder halbstaatliche Schulen in freier Trägerschaft<br />
schicken.<br />
Weltweit werden 3 Millionen Kinder zu Hause unterrichtet. Die Dunkelziffer dürfte gerade in Dritte-<br />
Welt-Ländern noch wesentlich höher liegen und die Verfechter der Methode des sogenannten<br />
„homeschooling“ nennen jährliche Wachstumsraten von 10%. Allein in den USA gehen 2 Millionen<br />
Kinder nicht mehr auf eine Schule, sondern bleiben zu Hause und werden dort privat von Eltern, den<br />
Nachbarn oder guten Freunden je nach individuellen Bedürfnissen unterrichtet.<br />
Daheim lernt´s sich besser.<br />
Eltern, die ihre Kinder nicht in die Hände von Pädagogen staatlicher oder privater Schulen geben<br />
wollen, haben dafür hauptsächlich politische oder religiöse Gründe und möchten ihren Nachwuchs<br />
der politischen und religiösen Indoktrination von Lehrern fern halten. Daneben gibt es Kinder, bei<br />
denen nach jahrelangem frustrierendem Schulbesuch festgestellt wurde, daß sie in einer Schule<br />
weniger gut lernen als zu Hause.<br />
Tendenziell setzen eher gebildete Eltern, die viel Wert auf Erziehung und eine individuelle und<br />
unabhängige Bildung legen, auf Heimunterricht. Der Erziehungswissenschaftler Volker Ladenthin, der<br />
<strong>2006</strong> ein Buch über „homeschooling“ herausgegeben hat, kritisiert das Schulpflichtsgebot in<br />
Deutschland scharf und sieht im Heimunterricht insbesondere einen Ausweg aus der Bildungsmisere<br />
für bildungsambitionierte Familien, „die nach Alternativen zu den vermaßten Schulen suchen, zu<br />
Klassen mit 35 Kindern, bei denen kein Lehrer mehr vernünftig unterrichten kann.“<br />
Heimunterricht verlangt viel Engagement von Schülern und Eltern. Was<br />
ist eigentlich so schlimm daran?<br />
Die Methode des Heimunterrichts ist bisher sehr erfolgreich. Die Kinder, die zu Hause unterrichtet<br />
werden, müssen jährlich Prüfungen ablegen und ihre Ergebnisse sind im Schnitt besser als die von<br />
Schulbesuchern. Dennoch ist Heimunterricht nichts für jedermann. Seine Anwender sind vielseitig<br />
gefordert. Neben dem inhaltlichen Wissen aller Fächer müssen die Heimlehrer sich selbständig um<br />
Lehrmaterialen und alle weiteren organisatorischen Belange kümmern.<br />
Übrigens, bis vor 200 Jahren war Heimunterricht der Normalfall. Die großen deutschen Dichter und<br />
Denker wurden alle zu Hause von Lehrmeistern einzeln unterrichtet. Goethe und Johann Gottlieb<br />
Fichte zum Beispiel genossen Privatunterricht und anscheinend hat ihnen die Abstinenz einer<br />
Schulpflicht und eines interventionistischen Staates nicht geschadet.<br />
3<strong>07</strong>
Mügeln: Ein neuerliches Sebnitz<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 23. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Von wem ging die Schlägerei in Mügeln aus?Auf dem Altstadtfest der Stadt Mügeln ist es in der<br />
Nacht vom 18. auf den 19. August 20<strong>07</strong> zu einer folgenschweren Auseinandersetzung zwischen<br />
Deutschen und Indern gekommen. Gegen 0:30 Uhr entwickelte sich bei einer Tanzveranstaltung eine<br />
Prügelei, bei der 8 Inder, 4 Deutsche und 2 Polizisten verletzt wurden.<br />
Diese Prügelei beschäftigt seit einigen Tagen die gesamte Republik, weil tief betroffene Politiker und<br />
Journalisten ein fremdenfeindliches Motiv bei den beteiligten Deutschen vermuten. In Windeseile<br />
kamen Gerüchte auf, in Mügeln hätten 50 Rechtsextremisten „Ausländer raus“ grölend Inder durch<br />
die Stadt gejagt. Der für Mitteldeutschland zuständige Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) kritisierte<br />
auch den Bürgermeister Mügelns Gotthard Deuse (FDP), da dieser im Nachhinein die Taten der<br />
Nazischläger relativiert habe.<br />
Daß bei der „Hetzjagd von Mügeln“ vielleicht gar nicht so viel gehetzt und gejagt wurde, wie manche<br />
Politiker und Medienvertreter in der ersten Aufregung mutmaßten, kommt nach und nach ans<br />
Tageslicht. So steht zweifelsfrei fest, daß sich das Festzelt, wo die Schlägerei anfing, nur 30 Meter von<br />
der Picobello Pizzeria, in der sich die flüchtenden Inder „verbarrikadierten“, entfernt befand. Den<br />
Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft zufolge handelte es sich auch nicht um eine 50-köpfige<br />
Nazischlägerbande, die sich willkürlich 8 Inder als Opfer ausgesucht hatte, sondern um 50<br />
Schaulustige vor der Pizzeria. Von Einzelpersonen dieser Gruppe sollen Sprüche wie „Ausländer raus“<br />
gefallen sein.<br />
Wer die Schlägerei im dem Festzelt ausgelöst hat, konnte noch nicht ermittelt werden. Dieter Soika,<br />
Chefredakteur der Chemnitzer Tageszeitung „Freie Presse“, weist in seinem heutigen Leitartikel über<br />
„Mügeln, Medien und Politik“ darauf hin, daß auch ein 23-jähriger Deutscher eine Flasche auf den<br />
Kopf geschlagen bekam. „Wer das war, ist nicht bekannt.“<br />
Soika fühlt sich aufgrund der bisherigen Faktenlage „fatal an Sebnitz“ erinnert. Im Jahr 2000 ruinierte<br />
die Öffentlichkeit das Ansehen von Sebnitz, indem wochenlang die Behauptung aufrechterhalten<br />
wurde, Nazis hätten im Sebnitzer Freibad ein ausländisches Kleinkind ertränkt und die Badegäste<br />
hätten tatenlos zugesehen. Wenig später stellte sich heraus, daß sich die traumatisierte Mutter des<br />
Kindes die rechtsextreme Tat ausgedacht hatte. Genauso wie Sebnitz seither mit Rechtsextremismus<br />
in Verbindung gebracht wird, so trifft dies ab jetzt ebenfalls auf Mügeln zu.<br />
Das Ansehen Mügelns wird jahrelang darunter leiden, von einigen Politikern für ihren „Kampf gegen<br />
rechts“ instrumentalisiert worden zu sein. Während sich diese Politiker rund um die<br />
Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), nun im netten Kaffeeklatsch<br />
über Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit auslassen und aufgrund des Falles Mügeln neue<br />
Anti-Rechts-Programme initiieren können, muß Mügeln wirklich gravierende Probleme lösen.<br />
308
Schuldkult: „Nicht ein positives Wort über das Vaterland.“<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Donnerstag, den 23. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das Holocaustdenkmal manifestiert die deutsche Schuld.Schuldkomplexe und Selbsthass auf alles<br />
Deutsche ziehen sich wie ein roter Faden durch das Leben der Bundesrepublik. Der deutsche<br />
Selbsthass ist inzwischen weltweit bekannt und geachtet – in Polen, weil man von der Vertreibung<br />
ablenken kann. In Brüssel, weil man hofft, die Deutschen als besten Nettozahler der EU-Bürokratie zu<br />
halten. In Israel, weil Deutschland weiter zahlen lassen möchte. So bemerkte der Grünenpolitiker<br />
Volker Beck in bezug auf deutsche Zahlungen an Israel: „Wer nicht zahlt, muss öffentlich als<br />
geschichtsloser Lump an den Pranger gestellt werden.“<br />
Allerdings mehren sich auch im Ausland Stimmen, die den deutschen Selbsthass für pathologisch und<br />
krank halten. So bemerkte die berühmte Historikerin und Holocaust-Überlebende Hannah Arendt:<br />
„Moralisch gesehen ist es ebenso falsch, sich schuldig zu fühlen, ohne etwas bestimmtes angerichtet<br />
zu haben, wie sich schuldlos zu fühlen, wenn man tatsächlich etwas begangen hat. Ich habe es immer<br />
für den Inbegriff moralischer Verwirrung gehalten, dass sich im Deutschland der Nachkriegszeit<br />
diejenigen, die völlig frei von Schuld waren, gegenseitig und aller Welt versicherten, wie schuldig sie<br />
sich fühlten.“<br />
Der Schuldkult als Holocaust-Religion<br />
Der Schuldkult als Holocaust-Religion ist heute die Staatsreligion der Bundesrepublik. Wie das<br />
Christentum kennt der Schuldkult religiöse oder zivilreligiöse Riten: es gibt Priester, einen Dom,<br />
Tempel, Feiertage, Weihestätten, Gedenkorte, Pilgerreisen, Konversionserlebnisse und<br />
Initiationsriten. Ein kulturhistorischer Vergleich des Schuldkultes, der Staatsreligion der<br />
Bundesrepublik, mit dem Christentum, der Staatsreligion des deutschen Reiches im Mittelalter zeigt<br />
überraschende Paralellen.<br />
Jede Religion beansprucht die absolute Wahrheit. Zweifler werden nicht geduldet und Ketzer<br />
verfolgt. Wer im Mittelalter die biblische Geschichte der Erschaffung der Welt in sieben Tagen und<br />
das Dogma der Welt als Scheibe bezweifelte, wurde als Ketzer öffentlich auf dem Scheiterhaufen<br />
verbrannt. Wer heute Elemente der Holocaustreligion anzweifelt, gilt auch als Ketzer und muss mit<br />
dem Gefängnis rechnen. Man sollte meinen, dass die Ermordung der Juden ein geschichtliches<br />
Ereignis sei, dass wie jedes andere Ereignis der Geschichte rational und kontrovers anhand von<br />
Quellen diskutiert werden dürfe, doch gerade dieses geschichtliche Ereignis ist per Gesetz über jeden<br />
Zweifel gestellt und zwingt zu ‚Glauben’ anstatt zu ‚Wissen’.<br />
Die Priester der Holocaustreligion<br />
Jede Religion braucht Priester. Hatten im christlichen Mittelalter die katholischen Priester die<br />
Aufgabe, jeden Sonntag in den Kirchen die Christen an ihre durch Geburt erworbene „Erbsünde“ zu<br />
erinnern, so tun dies heute Politiker und Intellektuelle in ihren Sonntagsreden. Die ewig gleichen<br />
Phrasen von deutscher Schuld und der „schlimmen deutschen Vergangenheit“ zielen darauf ab, jeder<br />
neuen Generation noch 70 Jahre nach Kriegsende ein Schuldgefühl einzuimpfen für Dinge, mit denen<br />
selbst ihre Eltern nichts zu tun hatten.<br />
Die Feiertage der Holocaustreligion<br />
Jede Religion braucht Feiertage. Im Mittelalter war das Jahr durch christliche Feiertage geordnet, die<br />
die biblische Geschichte von Jesu Geburt an Weihnachten über Jesu Tod zu Ostern und Christi<br />
309
Himmelfahrt erzählten. Heute beginnt das Trauerjahr mit dem Auschwitz-Gedenktag am 27. Januar<br />
über den „Tag der Befreiung“ am 8. Mai bis zum Tag des Kriegsbeginns und dem der<br />
Reichskristallnacht. An jedem dieser Tage sind Zeitungen und Fernsehen voller Schuldkult-Predigten.<br />
Die Tempel der Holocaustreligion<br />
Jede Religion braucht einen zentralen Tempel oder Dom. Im christlichen Mittelalter war es ‚die ewige<br />
Stadt Rom, der Sitz des Papstes im Vatikans als Oberhaupt der weltweiten Christenheit. Der<br />
Petersdom war der zentrale Tempel des Christentums. Im Petersdom zu Rom wurden die<br />
katholischen Dogmen verkündet, bevor sie von hier unter der gesamten Christenheit verbreitet<br />
wurden. Diese Funktion erfüllt heute das Holocaust-Mahnmal in Berlin als zentrale Trauerstätte des<br />
Schuldkultes und der Holocaust-Religion.<br />
Pilgerreise nach Auschwitz<br />
Jede Religion kennt Pilgerreisen. Das Pilgern in die Fremde soll zu Einsicht führen und Buse zeigen. In<br />
der mittelalterlichen, christlichen Gesellschaft wurden Pilgerer besonders respektiert. Sie galten als<br />
besonders gläubig und religiös und erfuhren in ihrer Heimat viel Achtung. Heute noch findet sich<br />
diese Praxis im Islam. Muslime sollen wenigstens einmal im Leben nach Mekka gepilgert sein und<br />
dürfen bei ihrer Rückkehr eine Kopfbedeckung tragen, die andere Muslime auf die Pilgerreise<br />
aufmerksam machen und Respekt heischen soll. Der zeitgenössische Schuldkult kennt die<br />
Pilgerreisen als Bustouren nach Auschwitz oder zu anderen Orten der sogenannten „deutschen<br />
Schuld“. Ein Schuldkultpilgerer darf in Deutschland im Freundeskreis mit Wohlwollen rechnen, wenn<br />
er von seiner Reise nach Auschwitz berichtet.<br />
Selbsthass und Schuldkult<br />
Jede Religion kennt die Buse. Die Buse – das öffentliche Eingestehen von Schuld – ist ein typisches<br />
Element des Christentums. Das öffentliche Eingestehen von Schuld findet sich im Mittelalter überall:<br />
jeden Sonntag betete jedes Dorf gemeinsam in der Kirche „...und vergib uns unsere Schuld“, und<br />
jeder Christ musste die Beichte beim Priester ablegen, selbst wenn man sich keiner Sünden bewusst<br />
war. Eine weitere Form des Schuldgeständnisses konnte man öffentlich zeigen, in dem man sich<br />
selbst auspeitschte. Über Jahrhunderte zogen in den katholischen Ländern Spanien und Portugal die<br />
sogenannten Flagellanten durch die Städte und peitschen sich selbst bis auf das Blut aus. Auch der<br />
Schuldkult erwartet die Buse. Jeder Bundeskanzler und jeder Bundespräsident muss bei Amtsantritt<br />
eine Reise zur jüdischen Trauerstätte Yad Vashem vornehmen und dort stellvertretend für alle<br />
Deutschen seine Schuld eingestehen. Die Bilder des schuldbewussten Vertreter des deutschen Volkes<br />
werden dann im Fernsehen ausgestrahlt.<br />
Jede Religion kennt sogenannte Konversionserlebnisse. Das sind Momente, in denen der bisher nur<br />
wenig Gläubige plötzlich seinen falschen Weg erkennt und sich bekehrt. Im Christentum waren das<br />
plötzliche Erscheinungen, die die Menschen von der Gegenwart des Herrn überzeugten und sie zu<br />
besonders gläubigen Christen werden ließ. In der Holocaust-Religion sind Konversionserlebnisse<br />
meist die sogenannter ‚Rechtsextremisten’, die sich nach einem Besuch in Auschwitz plötzlich dem<br />
Schuldkult unterwerfen und fortan besonders wenig deutsch sein wollen.<br />
Opfer erster und zweiter Klasse<br />
Jede Religion ist eifersüchtig. Da Religion auf dem alleinigen Wahrheitsanspruch beruht, wird die<br />
Existenz eines anderen Glaubens oft als Bedrohung empfunden. Die Kreuzzüge zur Verbreitung des<br />
wahren Glaubens und zur Ausrottung der Ungläubigen geben beredet Kenntnis vom<br />
Absolutheitsanspruch. Auch die Holocaustreligion kennt diese religiöse Eifersucht. Die ständige<br />
310
Phrase von der „Einzigartigkeit des Holocaustes“ zeugt von der Eifersucht des Opferstatus. Ähnlich<br />
wie in Deutschland wird auch in Israel der Völkermord an den Armeniern in Schulbüchern kaum<br />
erwähnt; man fürchtet, die Erwähnung anderer Völkermorde könnte von der „Einzigartigkeit des<br />
Holocaustes“ ablenken.<br />
Der Schuldkult im Reichstag<br />
Der angesehene Historiker Heinz Nawratil hat die Studie „Der Kult mit der Schuld“ im Jahr 2002<br />
vorgelegt. Damals tobte der sogenannte ‚Aufstand der Anständigen’, der Streit um die<br />
‚Wehrmachtsausstellung’ lag erst einige Monate zurück und die Republik diskutierte das ‚Holocaust’-<br />
Denkmal. Heinz Nawratil hat in seiner Studie verschiedene Stimmen zur deutschen, kollektiven<br />
Schuldpsychose zusammengetragen und beleuchtet sie aus religions-wissenschaftlicher und<br />
psychoanalytischer Sicht.<br />
Hier wurde der Schriftzug „Dem Deutschen Volk“ durch die Installation „Der Bevölkerung“ des linken<br />
Künstlers Haake ersetzt. Doch damit nicht genug: im Andachtsraum für die Abgeordneten gibt es eine<br />
Gebetsmarkierung gen Mekka für Muslime und eine Klagemauer für Juden, doch kein Kreuz für<br />
Christen. Im Ruheraum für Abgeordnete stehen Pulte mit aufgeschlagenen Büchern, die die Namen<br />
verfolgter Reichstagsabgeordneten enthalten. An der Wand des Raumes hängt ein Gemälde, dass<br />
einen Blick in ein Krematorium darstellen soll. Den ständigen Schuldvorwurf vor Augen, haben<br />
manche Politiker ihre Auftritte entsprechend angepasst. Der Grünenpolitiker und ehemalige<br />
Umweltminister Jürgen Trittin verwendet vor lauter Schuldbewusstsein auf seinen Briefen nicht mehr<br />
die offizielle Bezeichnung „Mitglied des Deutschen Bundestages“, sondern nur „Mitglied des<br />
Bundestages“. Trittin ist der Meinung, dass Nationalstolz und Heimatliebe rassistisch seien. Das<br />
Deutschlandlied singt er grundsätzlich nicht.<br />
Der Schuldkult hat den Selbsthass der Deutschen auf alles Deutsche in alle Poren unserer<br />
Gesellschaft einsickern lassen. Hass auf die deutsche Geschichte und ihre Kultur sowie gegenüber<br />
jeder selbstbewussten und gesunden Haltung zu unserer Heimat sind politisch legitim und werden<br />
von Politik und Medien aktiv gefördert.<br />
Der Schulkult – ein psychotisches Krankheitsbild<br />
Der Schuldkult, den jedes deutsche Schulkind jahrelang eingetrichtert bekommt und der sich jeden<br />
Tag in allen Zeitungen wiederfindet, behindert die Normalisierung und Gesundung Deutschlands.<br />
Sogar der englische Schriftsteller Frederick Forsyth beklagte in einem Interview im Focus (16/2002):<br />
„Von der Geburt bis zur Universität hört kein Deutscher ein positives Wort über sein Vaterland. Er<br />
hört nur von den Sünden, von den schrecklichen zwölf Jahren des Hitlerismus. Die übrige Geschichte<br />
fällt unter den Tisch. Ich sehe keine Wiedergeburt des Faschismus. Ich fürchte die deutsche politische<br />
Korrektheit mehr als einen neuen Hitler.“<br />
311
Politische Beeinflussung von Schülern an Gymnasien<br />
Geschrieben von: Tim Ballschuh<br />
Freitag, den 24. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
"Hitler ist böse", sagt der Lehrer.Es ist ja allgemein bekannt, dass in den Medien, ob Presse, Hörfunk<br />
oder Fernsehen, immer wieder gegen „rechts" propagiert wird, sei es wenn es um (angebliche)<br />
Straftaten geht, wenn ein Datum ansteht, an dem an ein bestimmtes historisches Ereignis erinnert<br />
werden muss, oder was auch immer. Die Liste der Gründe und Möglichkeiten ist lang. Doch leider<br />
muss man, gerade als Schüler, immer wieder feststellen, dass an den Gymnasien Deutschlands<br />
immer wieder aktiv politische Beeinflussung betrieben wird. Sei es im Unterricht, in der Gestaltung<br />
der Flure mit Wandzeitungen oder gar durch Programme gegen "rechts", an denen man mehr oder<br />
weniger freiwillig Teilnehmen "darf".<br />
Gegen von Schülern inszenierte Aktionen ist nichts einzuwenden und auch gegen Programme der<br />
Schule wäre nichts einzuwenden, wenn sie nicht immer so einseitig wären. So hört man andauernd<br />
von Aktionen wie "Kampf gegen rechte Gewalt und Ausländerfeindlichkeit" und Programmen wie<br />
"Schule ohne Rassismus". Holocaust-Opfern sind ebenfalls gern gesehene Gäste im Unterricht.<br />
All diese Sachen würden Annerkennung verdienen, wenn eben nicht nur so einseitig agitiert werden<br />
würde! Wann wurde das letzte Mal über linke Gewalt geredet? Wann wurde mal eine Stunde einem<br />
deutschen Vertriebenen gewidmet, so dass er auch seine Geschichte hätte erzählen können? Und<br />
wann wurde das letzte Mal über die mehr als 20 Millionen Opfer der Sowjetdiktatur gesprochen? All<br />
dies fällt unter den Tisch, da man sich ja seiner eigenen Vergangenheit zuwenden muss und jegliches<br />
neue Nationalbewusstsein schon im Keim erstickt.<br />
Belehrungen über das Dritte Reich haben selbst schon den<br />
Matheunterricht erreicht.<br />
Doch damit ist es ja noch nicht getan. Nicht nur die Alltäglichkeiten sind an deutschen Oberschulen<br />
mittlerweile gang und gebe, nein, auch direkt im Unterricht und im allgemeinen Miteinander kommt<br />
diese gezielt antideutsche Einstellung zutage. In fast jedem Fach, bei weitem nicht mehr nur in<br />
Geschichte, Ethik oder Religion kommt man mittlerweile immer wieder auf die Zeit des Dritten<br />
Reiches zurück. Selbst den Matheunterricht hat es manchmal schon erreicht, von Fächern wie<br />
Sozialkunde und Deutsch ganz zu schweigen!<br />
Und wenn gerade dieses Thema, die Zeit 1933-1945, an der Reihe ist, ist auch hier nur einseitige<br />
Berichterstattung zu erwarten. Von Friedensangeboten im 2. Weltkrieg, die von den Alliierten, z.B.<br />
England, abgelehnt worden sind, ist nicht die Rede. Auch spricht man nicht, oder wenn dann nur mit<br />
Hinweis auf die eigene Schuld, über die Vertreibung und die Zerstörung der deutschen Großstädte<br />
durch die unmenschlichen Angriffe der alliierten Luftstreitkräfte auf die deutsche Zivilbevölkerung.<br />
Auch der heutige Nationalismus und Patriotismus wird stark angegriffen und versucht in jeglicher<br />
Form zu unterdrücken! Das äußert sich zum einen in den oben genannten Programmen, zum<br />
anderen darin, dass von Lehrkräften eine Kriminalisierung und Diffamierung rechtsgerichteter<br />
Parteien stattfindet, auch ohne Zusammenhang zu einem speziellen Thema, einfach nur so, weil es<br />
sich gerade irgendwie anbietet.<br />
312
Mobbing gegen nationalgesinnte Schüler von linken Schülern, Lehrern<br />
und der Schulleitung<br />
Gezielte Anspielungen auf Schüler, die sich national engagieren oder einfach nur so denken, kommen<br />
täglich hinzu. Die Palette reicht von Meinungsunterdrückung, dem Verbot des Aussprechens der<br />
eigenen Meinung bis hin zu ständigen Einschränkungen, welche sich zum Beispiel im Verbot des<br />
Tragens bestimmter Marken, die teilweise völlig neutral sind, äußert. Die Aktionen gegen nationale<br />
Schüler gehen teilweise sogar bis zum Mobbing und dem Androhen von Schulverweisen. Nicht nur<br />
"normale" Lehrer sondern auch die Schulleitung betreibt zum Teil offen Mobbing gegen<br />
nationalgesinnte Schüler.<br />
Den meist unpolitisch eingestellten Schülern wird hingegen ein linksliberales Weltbild eingetrichtert,<br />
verbunden mit dem "Schuldkult", was zusammen eine vorbeugende Maßnahme gegen patriotische<br />
Gedanken darstellt. Und das wirklich Schlimme daran ist, das beginnt nicht erst in den höheren<br />
Klassenstufen ab Klasse 10, nein, schon ab der 5. Klasse werden die Schüler täglich indoktriniert und<br />
das ist ja nun wirklich noch ein Alter, indem sich Kinder leicht beeinflussen lassen. Von freier<br />
Meinungsbildung kann also nicht die Rede sein! Und von freier Meinungsäußerung und Entfaltung<br />
der Persönlichkeit auch nicht.<br />
Erschreckenderweise trifft das alles nicht nur auf ein oder zwei Gymnasien zu sondern auf Schulen im<br />
gesamten Bundesgebiet; natürlich mit unterschiedlichen Ausprägungen an jeder Schule. Deshalb<br />
bleibt nur zu hoffen, dass diese Einseitigkeit irgendwann durch eine objektive und neutrale Lehrweise<br />
abgelöst wird und dass die Zwänge und Einschüchterungen durch eine freie und angenehme<br />
Schulzeit ersetzt werden, denn nur wenn freie Eliten mit einem gesunden Maß Vaterlandsliebe die<br />
Zügel in die Hand nehmen werden, dann wird es in Deutschland wieder aufwärts gehen! Für<br />
Meinungsfreiheit und freie Meinungsbildung – Gegen Meinungsdiktatur und politische Beeinflussung<br />
von Schülern!<br />
313
Ein Wort zu den sozialistischen Populisten von der NPD<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 28. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
In einer Demokratie, die von Parteien dominiert ist, hat der politisch interessierte und<br />
veränderungswillige Bürger normalerweise das Bestreben, eine Partei zu finden, die seinen<br />
Vorstellungen entspricht. Da das für fast niemand möglich ist, sucht der unzufriedene Bürger nach<br />
Parteien des kleineren Übels. Manch ein frustrierter Konservativer wählt deshalb bei jeder<br />
Bundestagswahl CDU, um sich dann einen Monat später über diese falsche Entscheidung für die<br />
Partei der Konturenlosigkeit und der absoluten Mitte in den eigenen Hintern zu beißen. Und einige<br />
ehemalige SPD- und PDS-Stammwähler setzen auf einmal das Kreuz bei der NPD, da diese ja<br />
irgendwie auch Hartz IV weg haben will. Ebenso wie NPD-Politiker und andere frustrierte Bürger<br />
habe ich auch die Schnauze voll vom Politikbetrieb der Bundesrepublik Deutschland und wähle<br />
dennoch keine kleineren Übel.<br />
Wenn es eine haargenau geführte Liste über die meistgestellten Fragen an Rechte und von Rechten<br />
untereinander gäbe, dann würde die Frage „Wie hältst du´s mit der NPD?“ garantiert in den Top 10<br />
auftauchen. In diesem Anstoß und in einer Reihe folgender Anstöße in den nächsten Wochen soll es<br />
deshalb um großflächig kursierende Fragen an Rechte und von Rechten gehen, die ich aus einer<br />
persönlichen Sichtweise beantworten möchte.<br />
Heute etwas zur NPD: Die NPD vertritt eine zutiefst populistische Politik. Statt den Steuermittelfressenden<br />
Sozialstaat abbauen zu wollen, plappert die NPD den unteren Schichten des Volkes nach<br />
dem Maul und fordert mehr Geld für diejenigen, die nicht arbeiten, und größere Belastungen für die,<br />
die Arbeitsplätze schaffen. Daß sich solche Forderungen im Wahlergebnis positiv bemerkbar machen,<br />
ist klar. Nur leider gehen diese politischen Ziele in die falsche Richtung.<br />
Der Sozialismus ist bereits oft genug gescheitert.<br />
Nicht nur aus ökonomischer Sicht ist eine sozialistische Politik untragbar. Das Menschenbild, was<br />
hinter sozialistischen Ideologien steht, kann ein Konservativer nicht mittragen. Die NPD würde mit<br />
ihrer Politik Faulheit und Trägheit fördern. Für unsere Nation kann dies nicht das beste sein. Den<br />
Nationaldemokraten geht es auch gar nicht um die Nation, sondern um das Volk und dem paßt es<br />
sich bereits ganz gut an.<br />
Nationale Politik steht heute vor dem Problem, daß sie die Interessen des Volkes nicht vertreten<br />
kann, denn das Volk ist zu großen Teilen von der allgegenwärtigen Dekadenz befallen. Eine<br />
schlagkräftige, vitale und selbstbewußte Nation läßt sich mit sozialistischem Habitus nicht formieren.<br />
Die NPD betreibt keine nationale Politik, sondern eine Politik für das<br />
primitive Volk.<br />
Wenn man einem dekadenten Volk noch mehr Almosen hinterher wirft, dann konsumieren die<br />
Menschen nur noch mehr und noch sinnloser. Ein Ausbau des ohnehin schon viel zu voluminösen<br />
Sozialstaates, den die NPD wünscht, schafft weder mehr Arbeitsplätze noch mehr Kinder. Er bewirkt<br />
lediglich, daß die Menschen weiter in der Abhängigkeit des Staates bleiben, anstatt sich in frei<br />
gewählten Gemeinschaften zu organisieren. Sollte Politik einem dekadenten Volk überhaupt helfen<br />
können, dann nur indem sie von ihm konsequent Leistung und Eigenverantwortung abverlangt und<br />
das Volk zurück in alte Gemeinschaften zwingt.<br />
314
Die Gründung der Jenaer Urburschenschaft<br />
Geschrieben von: Robert Adam<br />
Donnerstag, den 30. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das Burschenschafterdenkmal in Jena vor der Friedrich-Schiller-UniversitätAn der Wende vom 18.<br />
zum 19. Jahrhundert bot das Verbindungswesen an den deutschen Hochschulen ein hoffnungslos<br />
zersplittertes Bild: Landsmannschaften, Corps und studentische Orden waren entweder regional<br />
nach Stämmen oder weltanschaulich zergliedert. Diese Situation war ein getreues Abbild des in<br />
unzählige größere, mittlere, kleinere und winzige Staatsgebilde zerfallenen Deutschland, während<br />
das Heilige Römische Reich Deutscher Nation nur noch eine schwache Klammer des nationalen<br />
Zusammenhalts bildete.<br />
Verschiedene Faktoren bewirkten eine Änderung dieses unhaltbaren Zustands: in geistiger Hinsicht<br />
der Einfluss von Aufklärung und Romantik, im politischen Bereich die Folgen der Französischen<br />
Revolution und der Napoleonischen Kriege.<br />
Das Gedankengut der Aufklärung führte insofern zu einem Wandel des philosophischen Denkens, als<br />
nunmehr die politische Einheit nicht mehr durch die Person des Fürsten, sondern durch den Willen<br />
des Volkes legitimiert wurde. In Deutschland brachte die Besetzung durch Napoleon ab 1806<br />
verstärkt den Wunsch zur Abgrenzung von Frankreich und von dessen rein politischen<br />
Volksverständnis mit sich. Der mythisch-irrationale Geist der Romantik trug ebenfalls dazu bei, dass<br />
sich von 1805 bis 1815 liberalistische und konservative Tendenzen in der politischen Literatur und in<br />
den programmatischen Schriften Deutschlands kreuzten.<br />
Das Erwachen der deutschen Nation<br />
Die gebildete akademische Schicht, teilweise aus jungen Jenaer Professoren wie Schiller, Hegel,<br />
Fichte und anderen bestehend, veränderte ihre vorher revolutionsbejahende Sichtweise in dieser<br />
Zeit zu einer mehr volksbezogenen Anschauung. Fichtes „Reden an die deutsche Nation“ in Berlin<br />
wiesen das Prinzip eines rationalen Verfassungsstaates als Idee der Französischen Revolution und als<br />
dem „deutschen Wesen fremd“ zurück. Speziell in Jena wurde dieses zunehmende patriotische<br />
Empfinden seit 1806 durch die Vorlesungen des Historikers Heinrich Luden gefördert, welcher damit<br />
das Interesse an der Geschichte des deutschen Volkes wecken wollte. Luden und andere Professoren<br />
trugen dazu bei, dass sich viele Jenaer Studenten dem Freiheitskampf gegen Napoleon innerhalb des<br />
Lützowschen Freikorps anschlossen.<br />
Weitere Gründe begünstigten die Gründung der Urburschenschaft gerade in Jena: der hervorragende<br />
Ruf der „Alma Mater Jenensis“ als ein Zentrum der literarischen Klassik und Frühromantik, der<br />
natürlich viele bedeutende Köpfe anzog, sowie die vergleichsweise liberale Regierung des<br />
Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. Als einer der ersten Staaten des Deutschen Bundes<br />
gewährte man dort am 5. Mai 1816 eine Verfassung und Pressefreiheit. In Jena wirkten somit auf die<br />
Studenten um 1815 alte protestantische Traditionen, der Geist von Aufklärung, Französischer<br />
Revolution und Frühromantik, repräsentiert durch hervorragende Professoren, das einigende<br />
Erlebnis der Befreiungskriege gegen Frankreich sowie die freiheitlichen politischen Tendenzen<br />
innerhalb des thüringischen Kleinstaats, auf dessen Boden sich die Universität befand, ein.<br />
Friedrich Ludwig Jahn, Karl Friedrich Friesen und das Lützowsche<br />
Freikorps<br />
1810 gründeten Friedrich Ludwig Jahn und Karl Friedrich Friesen in Berlin einen „Deutschen Bund“.<br />
Innerhalb dieses Zirkels entwickelte sich der Plan zur „Ordnung und Errichtung der<br />
315
Burschenschaften“, wobei Jahn an eine Verschmelzung von Burschenschaften und Turnwesen in<br />
Form der „Burschenturner“ dachte. 1814 vereinigten sich die aus dem Krieg heimkehrenden Jenaer<br />
Studenten, welche im Lützowschen Freikorps gedient hatten, in einer Wehrschaft. Diese war<br />
verbindungsübergreifend und sollte das unpolitische Nebeneinander von Landsmannschaften und<br />
Orden überwinden. Dieses Ereignis macht ein weiteres Mal deutlich, dass der Krieg gegen Napoleon<br />
einen wesentlichen Einigungsimpuls zumindest für einen Teil der deutschen Studenten darstellte.<br />
Die Burschenschaft als studentische Jugendbewegung<br />
Der endgültige Anstoß zur Gründung der Urburschenschaft ging schließlich von der Landsmannschaft<br />
Vandalia Jena aus. Am 12. Juni 1815 nahmen im Gasthaus „Zur Tanne“ 113 Studenten an einem<br />
feierlichen Akt teil, in dessen Verlauf sich die Jenaer Landsmannschaften auflösten und gemeinsam<br />
die Burschenschaft gründeten. Bemerkenswert ist die Auflösung der Landsmannschaften deshalb,<br />
weil man deren Ende als eine symbolische Aufgabe der jeweiligen regionalen Identität zugunsten<br />
eines größeren, nationalen Zugehörigkeitsgefühls bewerten kann. Später sollte sich diese<br />
studentische Jugendbewegung auf das ganze Vaterland ausdehnen und, beginnend mit dem Ersten<br />
Wartburgfest, einen Anlauf zur Einigung der gesamten deutschen Studentenschaft unternehmen.<br />
Dieses heroische Aufbäumen der akademischen Jugend und ihr letztendliches Scheitern muss jedoch<br />
an anderer Stelle betrachtet werden.<br />
316
Mügeln und das neu geforderte NPD-Verbotsverfahren<br />
Geschrieben von: M. Kliese<br />
Donnerstag, den 30. August 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Kurt Beck und andere Volksvertreter streben ein neues NPD-Verbotsverfahren an. Der Hintergrund<br />
ist die angebliche Hetzjagd auf acht Inder durch den sächsischen Ort Mügeln. Dabei konnte bisher<br />
noch nicht vollständig geklärt werden, wie es zu dieser Auseinandersetzung kam. In den Medien<br />
wurde bisher folgender Eindruck erweckt: acht friedliche Inder gingen in ein Festzelt in Mügeln,<br />
wollten tanzen und Spaß haben. Plötzlich wurden sie von deutschen Jugendlichen – höchst<br />
wahrscheinlich Rechtsextreme – umzingelt und letztlich angegriffen. Warum? Weil sie nicht arische<br />
Inder waren!<br />
Dann wurden sie verprügelt und rannten um ihr Leben. Die "Nazis" und dutzende andere rechte<br />
Stadtbewohner jagten die Inder mit Heugabeln und Fackeln von einem Ende der Stadt zum anderen –<br />
bis die Inder in einer 30 Meter entfernten Pizzeria Zuflucht fanden. Die Sprecherin der<br />
Polizeidirektion Westsachsen, Ilka Peter, sagte zur BILD-Zeitung: „Vor diesem Ereignis wurde in der<br />
Nähe des Marktes ein schwer verletzter Deutscher gefunden. Aufgrund dessen laufen die<br />
Ermittlungen weiter in alle Richtungen.“<br />
"No Go Area?"<br />
Letzten Sonntag, 26. August 20<strong>07</strong>, fand eine öffentliche Podiumsdiskussion des Radiosenders MDR<br />
JUMP in Mügeln auf Schloß Ruhethal statt. Der Titel: „NO GO AREA?“<br />
Das Forum ist zustande gekommen, weil sich Bürger aus Mügeln mit dem Aufruf „Mügeln ist kein<br />
Nazi-Nest oder Mittelpunkt rechtsradikaler Treffen.“ an MDR JUMP gewandt haben.<br />
Alle Beteiligten der Diskussion, unter denen z.B. der Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckhard Jesse<br />
war, bekräftigten, daß eine Vorverurteilung Mügelns fehl am Platz ist. Eckhard Jesse sprach vom<br />
„Sebnitz-Syndrom“.<br />
Gotthard Deuse, auch auf dem Forum vertreten und Bürgermeister von Mügeln, wurde von seinen<br />
Bürgern mit Beifall in seinem Ankämpfen gegen die Diskriminierung seiner Stadt unterstützt und<br />
sagte letztendlich nichts anderes, als das, was er jetzt in einem JF-Interview zum 100. Mal<br />
wiederholte. Was es bedeutet, wenn Medien „Urteilen, ohne die Fakten zu kennen.“ (Zitat G. Deuse)<br />
wird Deuse aufgrund des JF-Interviews jetzt erst recht zu spüren bekommen.<br />
In der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ schildert Ronny K. (23) aus dem Nachbarort Wermsdorf<br />
die Vorfälle. Ein indischer Gast habe im vollen Festzelt einen älteren Festbesucher geschubst. Unruhe<br />
kam auf. Mehrere Inder hätten sich mit Glasflaschen bewaffnet, die sie zertrümmert haben, um<br />
Angreifer abzuwehren. Dann seien vier bis fünf Leute auf sie losgegangen, Flaschen flogen. Eine traf<br />
K., der Schnitte am Kopf davontrug.<br />
"Eher eine Rangelei, die eskalierte."<br />
Daraufhin erstellte er Anzeige wegen Körperverletzung. Friederike Friede aus Oschatz habe<br />
beobachtet, wie drei Inder einen Deutschen traktierten. Was diesen Auseinandersetzungen folgte,<br />
sei nichts Geplantes gewesen, sagt sie. Die rettende Pizzeria, in die die Inder flüchteten, liegt gleich<br />
neben dem Festzelt, daher sollte man sich fragen, ob man wirklich von einer „Hetzjagd“ sprechen<br />
kann. In den ARD-Tagesthemen sagte der Nachrichtensprecher, als er auf das Thema Mügeln zu<br />
sprechen kam, die Polizei hätte den Verdacht eines fremdenfeindlichen Motivs bestätigt. Als der<br />
Polizeisprecher zu Wort kam, sagte er: „Wir können eine rechtsextreme Tat ausschließen. Es war<br />
317
eher eine Rangelei, die eskalierte.“ Die Antwort auf den Verdacht blieb der Nachrichtensprecher<br />
schuldig.<br />
Die Medienlawine und automatisierte Sprache hat das Erstrebte erreicht. Wie immer bei einer<br />
vermeintlichen Konstellation "ausländisches Opfer – deutscher Täter", aber nie bei einer<br />
Konstellation "ausländisches Opfer – ausländischer Täter", und schon gar nicht bei einer<br />
Konstellation "ausländischer Täter – deutsches Opfer". Anti-Rechts-Programme werden erneut mit 5<br />
Millionen Euro Steuergeld subventioniert. Man möchte die linken Stammwähler bei Laune halten,<br />
und das tut man am besten, wenn man dafür sorgt, daß sie nicht ihren Arbeitsplatz bei fragwürdigen<br />
Vereinen, Organisationen und Stiftungen verlieren.<br />
Was hat die NPD mit Mügeln zu tun?<br />
Darüber hinaus wollen manche Vorzeigedemokraten die vermeintliche Gunst der Stunde nutzen und<br />
aufgrund der Vorfälle in Mügeln ein neues Verbotsverfahren gegenüber der NPD anstreben, um<br />
einen politischen Gegner aus dem Weg zu räumen. Auf die Frage, was die NPD mit der Schlägerei in<br />
Mügeln zu tun hatte, antwortet niemand. Wenn man in solch einer Situation ein Verbot einer<br />
legitimen Partei anstreben kann, sollte man sich da nicht auch überlegen, ein Verbotsverfahren<br />
gegen DIE GRÜNEN anzustreben, wenn wieder einmal ein Deutscher Opfer ausländischer Gewalttäter<br />
wurde?<br />
318
Regierungskrise in Belgien<br />
Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />
Montag, den 03. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Vielvölkerstaat Belgien befindet sich in einer existentiellen Regierungskrise. Nach den Wahlen<br />
am 10. Juni 20<strong>07</strong> ist bis heute aufgrund eines politischen „Rechtsruckes“ in Flandern, dem nördlichen<br />
Teil Belgiens, noch keine Regierung gebildet. Die linksliberale Partei des nun noch kommissarischen<br />
Premierministers Guy Verhofstadt büßte fast fünf Prozentpunkte ein und fiel auf 20.1%. Die<br />
Sozialisten verloren ein Drittel ihrer Stimmen und erreichten insgesamt 16.2%. Auf der anderen Seite<br />
konnte sich die Allianz „CD&V“ aus Christdemokraten und flämischen Nationalisten von 25.3 auf<br />
31.4% steigern. Dem „Vlaams Belaang“ gelang ein Ergebnis von 19.2%, was eine Verbesserung um<br />
genau 1% im Vergleich zur letzten Wahl 2003 entspricht.<br />
Im frankophonen Wallonien wechselte die linke Majorität lediglich die Couleur. Die traditionell<br />
starken Sozialisten büßten 7.2% ein und erreichten 26.8%, wohingegen sich „Ecolo“, die<br />
französischsprachige belgische Grüne, von 6.8% auf 15.2% verbessern konnte. Der politische<br />
Unterschied zwischen genannten Parteien sollte näherungsweise dem der deutschen Pendants SPD<br />
und DIE GRÜNEN gleichkommen. Mithin fand lediglich eine Machtverschiebung innerhalb des<br />
„progressiven“ Spektrums statt.<br />
Links-Rechts-Patt bei Regierungsbildung<br />
Eine belgische Regierung muß seit jeher durch Flandern wie Wallonien legitimiert werden, da<br />
wesentliche Beschlüsse auf Mehrheiten in beiden Landesteilen angewiesen sind. Das verdeutlicht,<br />
wie prekär die momentane Lage wirklich ist. Es gilt, den politischen Gegensatz von konservativmarktliberal<br />
(Flandern) und sozialistisch (Wallonien) in einer Regierung harmonisch zu vereinen.<br />
Verschärfend wirkt, daß dezidiert flämische Parteien um VB und CD&V ein Ende der<br />
Transferleistungen an den wirtschaftlich schwächeren Süden Belgiens fordern. Flanderns 60% der<br />
belgischen Gesamtbevölkerung erwirtschaften ein Bruttosozialprodukt von 124% des EU-<br />
Durchschnitts. Wallonen schafft nur 90%. Fernerhin wird eine umfangreichere Souveränität<br />
Flanderns in Anbetracht des belgischen Abstimmungsrechtes verfochten, welches besagt, daß die<br />
Hälfte des Volkes eines Landesteiles wichtige Entscheidungen mit einem Veto blockieren kann. Dies<br />
benachteiligt Flandern, denn auf diese Weise sind 20% der Belgier (50% der Wallonen) in der Lage,<br />
quasi alle Gesetze zu verhindern.<br />
Die Zukunft Belgiens – Wallonien zu Frankreich, Flandern zu den<br />
Niederlanden?<br />
Wie wird Belgien im Falle der Regierungsunfähigkeit aussehen? Dies scheint eine Chance für<br />
flämische Sezessionisten zu sein, um die Abhängigkeit Flanderns und damit de facto die Auflösung<br />
des Königreiches Belgien zu erreichen. In einer jüngsten Umfrage in den Niederlanden zeigen sich<br />
überdies 77% der Holländer einer Wiedervereinigung des 1831 abgetrennten Flandern zugeneigt.<br />
Auch in Frankreich werden Stimmen laut, die eine Annexion des frankophonen Walloniens fordern.<br />
So drängte der Kolumnist Alexandre Adler den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in der<br />
renommierten Zeitung „Le Figaro“, „nicht die historische Gelegenheit ein erweitertes Frankreich zu<br />
regieren, zu verpassen“ (freie Übersetzung des Verfassers). Wie sich die Lage in Belgien<br />
weiterentwickelt, bleibt genauso spannend wie die Frage, ob die EU auf die Zerfallserscheinungen in<br />
Belgien reagiert und, wenn ja, wie sie reagiert.<br />
319
Wolfgang Sofsky: Verteidigung des Privaten. Eine<br />
Streitschrift<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 04. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das neueste Buch des Soziologen und Schriftstellers Wolfgang Sofsky hat es in sich. In der<br />
„Verteidigung des Privaten“ geht Sofsky mit den bundesdeutschen Gutmenschen, die glauben durch<br />
staatliche Einschränkungen, Gesetze und Verbote bringe man dem Menschen seinem Glück und der<br />
Freiheit näher, hart ins Gericht. Besserwisser und Moralapostel maßen es sich an, immer dominanter<br />
in die Privatsphäre einzugreifen. Wer sich gegen die Eingriffe in sein Leben wehren möchte, dem rät<br />
Sofsky, seine Privatsphäre wie eine Festung zu verteidigen.<br />
Freiheit ist kein bis in alle Ewigkeit gegebenes Recht, sondern muß ständig erkämpft werden. Nur wer<br />
sich zuerst abgrenzt, Grenzen und Schranken setzt, kann zu einem eigenen Freiheitsverständnis<br />
kommen. Sich seiner Freiheit dann zu bedienen bedeutet, sich für einen Lebensweg zu entscheiden<br />
und ständig Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Die Toleranz von allem und jedem hingegen<br />
schafft Beliebigkeit, keine Freiheit. Und daß sich unter den Toleranten auch noch Toleranzwächter<br />
finden lassen, die Verboten und Eingriffen in die Privatsphäre zum Schutze von Toleranz, Demokratie,<br />
Menschenrechten oder sonst etwas doch nicht so abgeneigt sind, ist vielfach gemachte Erfahrung<br />
der letzten Jahre.<br />
Lassen Sie sich von Politikern Ihre Eß-, Trink- und Rauchgewohnheiten<br />
diktieren?<br />
Ob jemand raucht oder nicht, kann man doch auch ihm selbst überlassen. Wolfgang Sofsky folgend<br />
müssen die Mauern der „Festung Privatheit“ von jedem aus drei entscheidenden Gründen höher<br />
gebaut werden: Erstens aufgrund der Ausdehnung staatlicher Maßnahmen, zweitens aufgrund der<br />
öffentlichen Gängelei des Alltags, die sich zum Beispiel in staatlich verordneten Rauchverboten in<br />
Gaststätten ausdrückt, und drittens aufgrund des Verlorengehens des Sinns für Diskretion.<br />
Gesellschaftlich sichtbar wird dieser fehlende Sinn für Diskretion zum Beispiel, wenn jemand<br />
öffentlich lautstark Telefonate führt und damit seine Mitmenschen zum Mithören zwingt. Sofsky<br />
nennt dies sozial-akustische Umweltverschmutzung und führt weiterhin aus, daß Geheimnisse im 21.<br />
Jahrhundert kaum noch gewahrt werden. Das Innenleben der eigenen Person verliert an Bedeutung<br />
und eine seltsame Inszenierungswut befällt immer mehr Menschen. Der Verlust des Sinns an<br />
Diskretion ist selbstverschuldet, kann aber auch von jedem selbst zurückerobert werden.<br />
Der Staat erobert die „Festung Privatheit“.<br />
Die Angriffe des Staates auf die Privatheit sind da schon schwerer abzuwehren. Der Staat ist<br />
Eindringling Nummer 1 in die privaten Festungen. Der gute Wille der machthabenden Gutmenschen<br />
wirkt sich fatal aus, denn sie glauben fälschlicherweise für jeden Menschen das richtige Lebensrezept<br />
erfunden zu haben. Wie sich die modernen Demokratien unter Verwaltung von Gutmenschen<br />
entwickelt haben, bringt Sofsky auf den Punkt: „Fern jedes moralischen Fortschritts kennt die<br />
Entwicklung des Staates nur eine Richtung: „Vorwärts in der Entmündigung und Enteignung der<br />
Bürger!"<br />
Literaturempfehlung: Wolfgang Sofksy 20<strong>07</strong>. Verteidigung des Privaten. Eine Streitschrift. Verlag C.H.<br />
Beck. 158 Seiten, 14.90 Euro.<br />
320
Der Wandervogel in Japan<br />
Geschrieben von: Martin Rudolf<br />
Dienstag, den 04. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Anata wa wandaa vogeru desu ka? – Sind sie ein Wandervogel? Stellt man einem Japaner diese<br />
Frage, so besteht zumindest eine geringe Chance ein bestätigendes „Hai“ zu erhalten. Denn<br />
möglicherweise gehört er einer der kleinen Wandervogel-Gruppen an, die man an zahlreichen<br />
japanischen Universitäten und Oberschulen findet. In jedem Fall wird er das Wort Wandervogel<br />
(wandaa vogeru) sofort wiedererkennen. Den Wandervogel, dieses für den im weiteren Sinne<br />
deutschen Kulturraum (nämlich die deutschsprachigen Staaten, die deutschen Siedlungsgebiete in<br />
Osteuropa, ferner Flandern) spezifische Phänomen, ausgerechnet im fernöstlichen Japan<br />
wiederzufinden überrascht – und überrascht doch wieder nicht.<br />
Die japanische Kultur hat sich, auch bedingt durch die isolierte Insellage, seit jeher in Abgrenzung zu<br />
seinen asiatischen Nachbarn befunden und so ein ganz spezifisches Sonderbewußtsein entwickelt,<br />
das im 18. Jahrhundert mit der Kokugaku-Schule seine erste theoretische Ausarbeitung fand. Dieses<br />
Sonderbewußtsein nimmt auch über die Kriegsniederlage von 1945 hinaus einen festen Platz in der<br />
japanischen Gesellschaft ein, was vor allem auf die einflußreiche, als nihonjinron (etwa: Diskurse<br />
über Japaner) bezeichnete Literaturbewegung der Nachkriegszeit zurückzuführen ist. Diese<br />
Literaturbewegung griff das Erbe der älteren Kokugaku-Schule auf und stellte die Einzigartigkeit der<br />
japanischen Sprache und Kultur sowie die Homogenität des japanischen Volkes heraus.<br />
Sonderbewußtsein und Interesse an europäischer Kultur<br />
Erst mit der von britischer Seite erzwungenen Öffnung für das Ausland, Mitte des 19. Jahrhunderts,<br />
begann allmählich eine Phase der Orientierung an Europa. Insbesondere während der Meiji-Zeit von<br />
1868 bis 1912 suchte das Land sich nach europäischem Vorbild zu modernisieren, wobei man rascher<br />
und entschiedener als in anderen asiatischen Staaten Elemente europäischer Kultur übernahm, um<br />
sie in die eigene einzuschmelzen. Von besonderem Interesse war und ist dabei auch immer die<br />
deutsche Kultur gewesen, mit der seit 1861 (Abschluß eines Freundschafts- und Handelsvertrages<br />
zwischen Japan und Preußen) ein reger kultureller und wissenschaftlicher Austausch stattfand. Das<br />
Deutschland des 19. Jahrhunderts, in seinem eigenen Sonderbewußtsein und Geistesleben vom<br />
restlichen Europa verschieden, erschien der japanischen Führung als Modell für die eigene<br />
Modernisierung am geeignetsten. Doch auch außerhalb der Staatsführung gelangten deutsche<br />
Musik, Literatur und Philosophie zu hohem Ansehen, so daß bald ein fruchtbarer kultureller<br />
Austausch stattfand.<br />
Mit diesem Hintergrundwissen überrascht die Übernahme der Wandervogel-Tradition in die<br />
japanische Kultur also keineswegs. Aber anders als in Deutschland, wo der Wandervogel als Ausdruck<br />
eines neuen Selbstbewußtseins der jungen Generation seine Blütezeit vor dem 1. Weltkrieg erlebte,<br />
beginnt das Zeitalter des Wandervogels in Japan erst Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts –<br />
im Zuge der freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Japan. Der<br />
Wandervogel wurde von Anfang an von staatlicher Seite propagiert und entstand also nicht aus<br />
einem Bedürfnis der Jugend heraus. Vielmehr wurde das Erbe des Wandervogels als interessante<br />
erzieherische Maßnahme verstanden, die man einsetzen wollte, um Jugendliche zu einer aktiven und<br />
gesunden Lebensführung zu animieren. Aus diesem Grund hatte das Ministerium für Bildung, Kultur,<br />
Sport und Wissenschaft 1933 die „Takeshi Wandervogel Gesellschaft“ aus der Taufe gehoben und mit<br />
einer aufwendigen nationalen Kampagne den neuen Wandersport gefördert. In enger<br />
321
Zusammenarbeit mit Japans Hochschulen versuchte das Bildungsministerium landesweit<br />
Wandervogel-Hochschulgruppen einzurichten.<br />
Der Erfolg blieb indes bescheiden. Zwar entstand 1935 an der prestigereichen Rikkyo-Universität in<br />
Tokio die erste japanische Wandervogel-Hochschulgruppe und noch im selben Jahr erfolgte an der<br />
nicht minder angesehenen Keio-Universität mit der „Keio Wander-Vogel“-Gruppe (KWV) eine der<br />
bedeutendsten Gründungen. Ansonsten blieb der Wandervogel aber während der Kriegsjahre eine<br />
größtenteils unbekannte Erscheinung, die zudem unter der Kontrolle staatlicher Einrichtungen stand.<br />
Als gegen Ende des Krieges viele Wandervögel in die Armee einberufen wurden, drohte den wenigen<br />
vorhandenen Gruppen das Ende.<br />
Blüte des japanischen Wandervogels nach dem 2. Weltkrieg<br />
Erstaunlicherweise aber lebte der japanische Wandervogel nach dem 2. Weltkrieg auf und fand dann<br />
zu seiner Blüte. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs in den 60er und 70er Jahren wurden<br />
Freizeitaktivitäten außerhalb der großen Städte zunehmend attraktiv. In der Folge kam es zu<br />
zahlreichen Neu- und Wiedergründungen von Clubs an Universitäten und Schulen, die den Namen<br />
Wandervogel für sich in Anspruch nahmen.<br />
Was heute in Japan als Wandervogel verstanden wird, hat nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem<br />
deutschen Wandervogel. Neben dem eigentlichen Wandern werden Freizeitaktivitäten wie<br />
Fahrradfahren (im Gelände), Klettern, Bergsteigen, Kanutouren und ähnliches unterschiedslos mit<br />
dem Germanismus „wandaa vogeru“ verbunden. In diesem Sinne gelangte das Wort in das<br />
Bewußtsein der japanischen Gesellschaft.<br />
Über den Schul- und Universitätsbetrieb hinaus vermochten die Wandervogel-Clubs hingegen nicht<br />
zu wirken. Private Vereine oder Gruppen sind selten. Auch fehlt es an überregionalen und nationalen<br />
Verbänden. Insofern weist der heutige japanische Wandervogel – vornehmlich eine im schulischen<br />
Rahmen angebotene Beschäftigung – nur sehr wenige Gemeinsamkeiten mit seinem historischen<br />
deutschen Vorbild auf.<br />
322
Richard Wagner: Das reiche Mädchen<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Freitag, den <strong>07</strong>. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Geschichte, die Richard Wagner in seinem neuen Roman „Das reiche Mädchen“ zu berichten hat,<br />
ist schnell erzählt. Die Ethnologin Bille Sundermann, eine engagierte Menschenrechtlerin, verliebt<br />
sich in Dejan, einen Zigeuner und Flüchtling aus Serbien. Die Liebe währt jedoch nicht lange, denn<br />
Bille degradiert Dejan schnell zu einem Objekt ihres Engagements für Völkerverständigung und<br />
„Multikulti“. Sie präsentiert ihn auf Tagungen und versucht für alle ein Bild des friedlichen<br />
Miteinanders der Kulturen zu inszenieren. So will sie die Schuld ihrer Familie, die sich im NS-Staat<br />
bereichert hat, abarbeiten. Derweil distanziert sich Dejan aufgrund von kulturellen Differenzen und<br />
dem blinden Eifer seiner Lebensgefährtin von Bille und zieht lieber mit seinen Zigeunerfreunden<br />
umher. Die Liebe schlägt letztendlich in Haß um und Dejan ermordet die naive Bille.<br />
Der im Banat geborene Richard Wagner hat sich die Geschichte des „reichen Mädchens“ nicht<br />
ausgedacht. 1997 wurde die 38jährige Ethnologin Katrin Reemtsma von ihrem Freund erstochen.<br />
Dieser war ein serbischer Kriegsflüchtling und Zigeuner, der in Berlin Asyl beantragt hatte und durch<br />
Katrin Reemtsma und die zwei Kinder, die sie bald haben sollten, bleiben konnte.<br />
Katrin Reemtsma sowie die Romanfigur Bille haben sich mit ihrer Mission, ihrer 68er-Ideologie,<br />
überidentifiziert und sind Opfer ihres eigenen Gutmenschentums geworden. In einem Interview vom<br />
4. September 20<strong>07</strong> mit Deutschlandradio Kultur sagt Richard Wagner, warum er die Umstände des<br />
Mordes von Katrin Reemtsma literarisch in „Das reiche Mädchen“ verarbeitet hat. Zum einen kannte<br />
er wohl Katrin Reemtsma persönlich und zum anderen interessiert ihn, wie die erste Generation nach<br />
´68 die Gutmenschen-Ideologie ihrer Eltern ins eigene Privatleben hineinträgt.<br />
Wie der Fall Reemtsma zeigt, sind die Folgen der ´68er-Ideologie im Alltag fatal. Die naive Ethnologin<br />
sieht nicht die kulturelle Differenz zwischen sich und ihrem Lebenspartner. Blind vor Liebe und<br />
Ideologie setzt sie an, die Greueltaten der Nazis und die Bereicherung ihrer Familie daran wieder gut<br />
zu machen, indem sie sich für Minderheiten wie die Zigeuner einsetzt. Daß sie nichts wieder gut<br />
machen kann, sondern dabei ist, ihr Leben zu zerstören, bemerkt sie nicht. Sie ist vollends von der<br />
68er-Ideologie verblendet.<br />
Mit „Das reiche Mädchen“ schreibt Richard Wagner gegen diese Ideologie an. Er will „an diese<br />
Ideologie ran und sie abbauen.“ Hoffentlich gelingt ihm und anderen das, bevor die nächsten reichen<br />
Mädchen von skrupellosen Balkanmännern erstochen werden.<br />
Literaturempfehlung: Wagner, Richard 20<strong>07</strong>. Das reiche Mädchen. Aufbau-Verlag. 255 Seiten. Berlin<br />
323
Eine wichtige Übung: Distanzieren<br />
Geschrieben von: Judith von der Osten<br />
Montag, den 10. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Jede Abweichung vom Wege wird gerichtlich geahndet.Sie lieben Ihr Vaterland? Sie halten sich und<br />
Ihre Nation für ebenso wertvoll wie andere Nationen? Ihre Religion für ebenso bewahrenswert? Sie<br />
finden es ulkig, dass das vehement-mahnende „Kein Generalverdacht! Keine Verallgemeinerungen!<br />
Keine Vorverurteilungen!“ für alles und jeden gilt – außer für Deutsche und deutsche Dörfer? Sie<br />
finden es merkwürdig, dass Ihr oder Ihrer Kinder Stolz auf die eigene Kultur als Deutschtümelei<br />
abgebürstet wird? Zweifelsfrei: Sie sind ein Rechter.<br />
Da sind Sie überrascht. Sie sahen sich bis dato gar nicht als Rechter? Das macht nichts – die<br />
Meinungsmacher dieser Republik werden Sie dort einordnen. Also ist das Erste, was Sie nun lernen<br />
müssen: Distanzieren.<br />
Ein kleiner Exkurs zwecks Wortdefinition: distanzieren, das (lat.). Räumliche und zeitliche Abstände.<br />
Soziologisch: Innerer Abstand.<br />
Praktisch umgesetzt bedeutet das für Sie:<br />
1. Seien Sie todesmutig und zeigen Sie „Gesicht gegen Rechts“. Demonstrieren sie mit Hunderten<br />
anderen Todesmutigen und skandieren Sie laut „Nationalsozialisten raus“. Noch besser “Nazis raus“.<br />
Achten Sie darauf, dass Sie Zeugen für diesen Todesmut benennen können.<br />
2. Erklären Sie mit Nachdruck, dass Sie diese gewalttätigen Rechten zutiefst verabscheuen und<br />
untermauern Sie das durch gezielte Stein- und Flaschenwürfe.<br />
3. Beobachten Sie Ihren Haarwuchs. Sollten Sie Eines jener Individuen sein, das von Alopezie<br />
(Haarausfall) bedroht ist – kaufen Sie sich eine Perücke.<br />
Alle sind mutig gegen rechts.Sie haben Punkt 1 bis 3 beherzigt und werden trotzdem als Rechter<br />
betitelt. Schlimmer noch, die – oben schon erwähnten – Meinungsherrscher machen gar keinen<br />
Unterschied zwischen Rechts und RechtsExtrem? Gut, Sie müssen wissen: Dieser Nicht-Unterschied<br />
wird mit vielen Millionen Euro Steuergeldern subventioniert und darum natürlich beherzt verteidigt.<br />
Deshalb müssen Sie Ihr Distanzieren intensivieren.<br />
4. Verweigern Sie die Teilnahme an jeder Demonstration, die zwar das gleiche Anliegen hat wie Sie,<br />
aber schon qua Medien und anderen Berufsguten als verurteilenswert diffamiert wurde. Sie müssen<br />
das gar nicht logisch erklären. Beugen Sie sich tief herab – und distanzieren Sie sich.<br />
5. Beharren Sie darauf, dass die Titulierung „Du Schweinefleischfresser“ nur eine kulinarische<br />
Verortung deutscher Essgewohnheiten ist, „Du Dönerfresser“ aber Ausdruck tiefsten und<br />
abscheulichsten Rassismus. Distanzieren Sie sich laut und vernehmlich von jeder Person, die das<br />
anders gewichtet.<br />
6. Durchforsten Sie Ihre Kindergartenerinnerungen nach verdächtigen Personen. Mit wem spielten<br />
Sie im Sandkasten, mit wem teilten Sie Ihre Wurstbrote, mit wem die Legosteine? Distanzieren Sie<br />
sich, falls Sie die Entwicklung von potentiellen Rechtsextremisten durch gemeinsames Spielen im<br />
Sandkasten gefördert haben. Achtung: Besser-Menschen haben ein außerordentlich fest etabliertes<br />
Gut-Schlecht-Weltbild Dieses fest gefügte Weltbild resultiert bei den einen aus einer gewissen<br />
geistigen Beschränktheit, bei anderen aus oben schon genannten Steuersubventionen, und wieder<br />
anderen aus einer Kombination von beidem.<br />
324
Zweites Achtung: Versuchen Sie nicht, Gut und Bessermenschen auf deren Widersprüchlichkeit<br />
(wahlweise auch: Heuchelei) hinzuweisen, denn dann sind Sie ein … na? Genau: Ein böser Rechter.<br />
Wenn Sie sich lange und nachdrücklich genug distanziert haben und Punkt 1 bis 6 immer wieder<br />
durchexerzieren, wird es um Sie herum still und einsam werden. Jetzt sind Sie auf dem richtigen<br />
Weg: Distanzieren Sie sich einfach so lange weiter, bis sie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung<br />
erhalten.<br />
325
Moscheebau in Berlin: Eine demokratische Farce<br />
Geschrieben von: Manuel Kliese<br />
Montag, den 10. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Es lohnt sich, die automatischen Mechanismen genau zu betrachten, die eintreten, wenn in<br />
Deutschland jemand eine Moschee bauen möchte. Immer wieder rennen machtlose Bürgerbegehren<br />
gegen einen geplanten Moscheebau an, werden zur Bekämpfung von einem Kartell aus etablierten<br />
Politikern und Linksextremisten als „rechtsextrem“ eingestuft und somit kalt gestellt. In Berlin-<br />
Pankow sind diese Mechanismen eingetreten, als im Jahr <strong>2006</strong> die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde<br />
eine Moschee bauen wollte. Mittlerweile wird die Moschee gebaut, die Proteste dagegen haben<br />
nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Wie sich der Wunsch der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde nach<br />
einer eigenen Moschee entwickelt hat und wer dem etwas entgegensetzte, darüber berichtet<br />
Manuel Kliese.<br />
Erstmals wurde am 7. März <strong>2006</strong> in der Berliner Tageszeitung auf BILD-Zeitungs-Niveau „B.Z.“ mit<br />
einer briefmarkengroßen Randnotiz über einen geplanten Moscheebau in Berlin-Pankow berichtet,<br />
über den bereits am 9. März ein öffentlicher Bauausschuß tagen sollte. Zu diesem Bauausschuß war<br />
das Bürgerinteresse derart groß, daß man aus Platzgründen kurzfristig den Versammlungsraum in ein<br />
anderes Gebäude verlegen mußte. Dies ist umso erstaunlicher, da der Termin in dem oben<br />
genannten Artikel verschwiegen wurde. Wer etwas über den Zeitpunkt und Ort in Erfahrung bringen<br />
wollte, mußte sich persönlich mit dem Bezirksamt in Verbindung setzen. Nachdem die 200 Mitglieder<br />
starke Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde sich und ihr Projekt vorstellten, erklärten sie, daß die Kosten<br />
des Baus auf eine Million Euro geschätzt werden und rein aus Spenden finanziert wurden.<br />
Interessanterweise gehen von den 200 Gemeindemitgliedern gerade einmal acht einer geregelten<br />
Arbeit nach.<br />
Später sollten nur Fragen bezüglich der Architektur der Moschee erörtert werden; daher wurden die<br />
Anwohner von dem Vorsitzenden belehrt, daß auch nur baurechtliche Fragen zulässig seien. Dennoch<br />
haben die Bürger ihren Unmut frei geäußert, und durch den massiven Druck seitens der Anwohner<br />
sahen sich die Abgeordneten gezwungen, einer Bürgerversammlung zuzustimmen, die in den<br />
nächsten Wochen stattfinden sollte. Diese fand dann am 30. März <strong>2006</strong> in der Sporthalle am<br />
Wasserturm in der Berliner Straße 66 statt. Auch hier war wieder der Besucherandrang wesentlich<br />
höher als erwartet. Die eigens für diese Veranstaltung hergerichtete Sporthalle war mit über 700<br />
Bürgern bei weitem überfüllt und draußen vor der Halle versammelten sich nochmals genauso viele<br />
junge und ältere Anwohner aus Pankow und Heinersdorf. Die vor dem Ein- und Notausgang<br />
stehenden Polizisten hatten allerhand zu tun, um die vor der Halle Wartenden zu beruhigen.<br />
Sicherheitshalber riefen sie Verstärkung, so daß deren Präsenz auf 15 Einsatzfahrzeuge anstieg, zum<br />
großen Teil Mannschaftswagen. Als sich einer der Verantwortlichen der BVV am Notausgang zeigte,<br />
schlug ihm die gesamte aufgestaute Unzufriedenheit der Wartenden entgegen, wo es auch schon<br />
mal hieß: "Wenn sie nicht rauskommen, kommen wir rein!"<br />
„Nein zur Ahmadiyya-Moschee“<br />
Einige der Anwesenden hatten sich auch schon im Vorfeld über die Ahmadiyya-Muslim-Jamaat<br />
Deutschland informiert, die sich zum Ziel gesetzt hat, bis zum Jahre 2010 100 Moscheen in<br />
Deutschland zu errichten. Diese haben zum Teil Informationsmaterial auf Grundlagen des Buches von<br />
Dr. Hiltrud Schröter über die genannte Gemeinde verteilt, die nach deren Aussage das genaue<br />
Gegenteil ihrer Parolen sei. Sie ist antichristlich, antijüdisch und antidemokratisch, ihr erklärtes Ziel<br />
326
ist ein Gottesstaat wie der Iran. Eine Klage der Gemeinde gegen Frau Schröter wurde vom Gericht<br />
eingestellt, da ihre Arbeiten keine der von der Gemeinde angeführten Gründe bestätigten.<br />
Ein Vertreter der Linkspartei.PDS meinte bei der Veranstaltung: "Die Moschee wird gebaut werden,<br />
und das ist unumgänglich!" Interessant hierbei ist, daß bis dato noch nicht einmal ein Bauantrag<br />
gestellt wurde. Nach einiger Zeit bat der Sprecher der Veranstalter die außerhalb der Halle<br />
Wartenden Pankower Bewohner, das Gelände der Bürgerversammlung aus Sicherheitsgründen zu<br />
verlassen. Daraufhin war ein lautstarkes „Buh“ und ein Pfeifkonzert zu vernehmen. Auch die<br />
Polizisten vermochten es nicht, der Aufforderung Nachdruck zu verleihen. Keiner der Anwesenden<br />
verließ das Gelände. Die Stimmung schien sich weiterhin aufzuheizen und eine in der Luft liegende<br />
Spannung wurde spürbar. Es bildeten sich laute Sprechchöre mit den Worten „Wir sind das Volk“, an<br />
denen sich die in der Sporthalle befindlichen Anwohner beteiligten.<br />
Zivilpolizisten kamen zu dem Schluß, daß sie nicht mehr für die Sicherheit aller Anwesenden<br />
garantieren könnten. Daraufhin beschlossen die Verantwortlichen, die Veranstaltung abzusagen. Als<br />
dann die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde, umringt von einer Polizeikette, in das Schulgebäude<br />
eskortiert wurden und auf diesem Wege direkt durch die Menschenmasse mußten, war eines der<br />
Stärksten Pfeifkonzerte des Abends zu hören.<br />
Moscheegegner sind „Fremdenhasser und Rechtsreadikale“.<br />
Linkspartei.PDS und GRÜNE versuchten in den folgenden Tagen die friedlich demonstrierenden<br />
Pankower Bewohner mit den Stereotypen vom „Fremdenhasser und Rechtsradikalen“ zu<br />
verleumden. Genau wie in Köln mit der Bürgerbewegung „Pro Köln“, bildete sich auch in Pankow<br />
eine Bürgerinitiative mit dem Namen IPAHB (Interessensgemeinschaft Pankower und Heinersdorfer<br />
Bürger e.V.), deren Mitglieder mehrfach von Linksextremisten mit Brand- und Morddrohungen<br />
überhäuft wurden. Seit Beginn ihrer Gründung versuchen die regionalen sowie überregionalen<br />
Medien sie zu diskreditieren.<br />
Da 90% der Pankower und Heinersdorfer Bürger mit Unterschriftenlisten ihre Ablehnung gegen den<br />
Moscheebau zum Ausdruck gebracht hatten, überbrachte die IPAHB am 21. April <strong>2006</strong> einen Antrag<br />
zur Durchführung eines Bürgerbegehens im Büro des Linkspartei.PDS-Bezirksbürgermeisters Kleinert.<br />
Mit der fragwürdigen Begründung „verfassungswidrig“ wurde das Bürgerbegehren jedoch abgelehnt.<br />
Am Mittwoch, den 7. Juni <strong>2006</strong>, fand dann die erste Demonstration gegen das Moscheebauvorhaben<br />
statt. Spontan beteiligten sich annähernd 3.000 Bürger (laut rbb 500), die von der Tiniusstraße bis<br />
zum Pankower Rathaus liefen. Einige Dutzend Linksextremisten, die sich entlang der<br />
Demonstrationsroute postierten, beschimpften und beleidigten die Demonstranten auf das Gröbste.<br />
An einer erneuten Demonstration am 29. Juni <strong>2006</strong> fanden sich wieder vor dem Rathaus Pankow<br />
2.500 Menschen ein.<br />
Der Anschlag auf René Stadtkewitz (CDU)<br />
Der CDU-Bezirksvorsitzende René Stadtkewitz hatte sich seit Bekanntwerden des Vorhabens gegen<br />
den Moscheebau positioniert. In der Nacht zum 9. August <strong>2006</strong> verübten Linksextremisten einen<br />
feigen Mordanschlag auf Stadtkewitz und seine Familie. Durch ein offenes Kellerfenster wurde ein<br />
Brandsatz in sein Haus geworfen. Nur dem Umstand, dass der CDU-Bezirksvorsitzende und seine Frau<br />
noch nicht schliefen, ist es zu verdanken, daß sie ihre Kleinkinder retten konnten. Hätten sie<br />
geschlafen, wäre wohl aufgrund der schnellen Rauchentwicklung niemand mehr lebend aus dem<br />
Haus gekommen. Die Täter wurden bis heute nicht gefasst.<br />
327
Mit einem Plakat, das einen erhängten Gartenzwerg darstellte, riefen Linksextremisten zu einer<br />
Demonstration auf, die am Sonntag, den 27. August <strong>2006</strong> stattfinden sollte und bei der man<br />
versuchte, die Mitglieder der Bürgerinitiative einzuschüchtern. Die Demonstrationsroute lief entlang<br />
ihrer Wohnhäuser, vor denen man wie bei einer Stadtführung stehen blieb und über einen<br />
mitgeführten Lautsprecher ihre Namen, Meldedaten und Tätigkeiten innerhalb der IPAHB<br />
verkündete. Die Demonstrationsteilnehmer beschimpften nicht nur die IPAHB Mitglieder, sie<br />
bedrohten sie auch noch mit Sprechchören wie: „Wir wissen jetzt, wer Ihr seid und wo wir Euch<br />
finden – wir kriegen Euch alle!“ Des weiteren wurde gerufen: „Kommunismus statt Heinersdorf“,<br />
„Deutschland abschaffen – nie wieder Deutschland“. Wohlgemerkt: die Polizei begleitete den<br />
Demonstrationszug!<br />
Die dritte und letzte Demonstration des Jahres <strong>2006</strong>, die gegen die geplante Moschee in Berlin-<br />
Pankow gerichtet war, fand am 14. September <strong>2006</strong> statt. Wie auch in den vorherigen, so erreichte<br />
auch diese Demonstration erneut weit über 2.000 Anhänger. Linksextremistische<br />
Gegendemonstranten gab es auch wieder. Diese hielten sogar ein Plakatschild hoch, auf dem ein<br />
arabischer Krummsäbel sowie arabische Schriftzüge abgebildet waren. Nach Informationen einer<br />
Muslimin stand dort: „Wir werden Euch ertränken, in Eurem eigenen Blut.“<br />
Die Ahmadiyya-Gemeinde darf bauen.<br />
Zwei Tage vor dem Weihnachtsfest bekam die Ahmadiyya-Gemeinde Grünes Licht von der<br />
Bezirksverwaltung, die ihnen bestätigte, daß ihr Bauantrag genehmigt sei. Daraufhin organisierte die<br />
IPAHB spontan einen stillen Protest, bei der eine Lichterkette gebildet wurde. Die Grundsteinlegung<br />
der Ahmadiyya-Moschee erfolgte dann am 2. Januar 20<strong>07</strong> in der Tiniusstraße 5 und gleichzeitig<br />
erfolgte eine Anti-Moschee-Demonstration der IPAHB vor dem Gelände. An der Grundsteinlegung<br />
beteiligten sich auch Berliner und Pankower Politiker. Darunter auch der damalige<br />
Bezirksbürgermeister Burkhard Kleinert (Linksparte.PDS), der selbst einen Grundstein legte. Bilder<br />
von der Veranstaltung zeigen, wie diese gegen den § 34 des Landesbeamtengesetzes und gegen den<br />
Beschluß V-277/200 des Bezirksamtes Pankow verstießen, in dem sie verpackte Geschenke vom<br />
Kalifen entgegennahmen. Da der Inhalt nicht zu erkennen war, entsteht Anlaß zu der Spekulation, ob<br />
sie etwa im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Amtes überreicht wurden.<br />
Zu einer Bürgersprechstunde in den Schönhauser-Allee-Arcaden nutzte am 27. Februar 20<strong>07</strong> die<br />
IPAHB die Gunst der Stunde, um den neu gewählten Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD)<br />
6000 Protestpostkarten zu überreichen, die Berliner Bürger unterschrieben hatten, um damit ihren<br />
Widerwillen gegen die geplante Moschee klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen. Gleichzeitig<br />
ließen etwa 30 Heinersdorfer Bürger vier Meter lange Postkartenbanner von dem oberen Stockwerk<br />
aus herabhängen, so daß der Bezirksbürgermeister von ihnen umringt war. Insgesamt beteiligten sich<br />
etwa 80 Bürger an der Aktion, die Herrn Köhne umringten und Protestrufe wie „Nein zur Moschee“<br />
äußerten, während ihm IPAHB-Vertreter die Postkarten päckchenweise übergaben. Abgehoben und<br />
respektlos antwortete er: „Was soll ich damit?“ „Lesen und nachdenken“ antwortete einer der<br />
Anwesenden.<br />
Der 20. März 20<strong>07</strong> bot neues Wasser für die gebetsmühlenartige Diffamierungskampagne gegen die<br />
IPAHB. Eine bis heute nicht aufgeklärte Brandstiftung auf dem Gelände der neu entstehenden<br />
Moschee nutzten der Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD), die SPD-Abgeordnete Christa<br />
Müller sowie Linkspartei-Senatorin Heidi Knake-Werner, um die Pankower Bürger und die IPAHB der<br />
„geistigen Brandstiftung“ zu bezichtigen. Aufgrund dessen erstatteten elf IPAHB-Mitglieder eine<br />
Verleumdungsanzeige gegen die drei genannten Politiker.<br />
328
Ultraorthodoxes Koranverständnis der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft<br />
Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen<br />
bescheinigte der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft ein „ultraorthodoxes bis fundamentalistisches<br />
Koranverständnis“. Von den Medien hingegen wird sie ständig als liberal, offen und ungefährlich<br />
dargestellt. Das Fazit der evangelischen Expertise: „sie ist religiös fundamentalistisch und ihre<br />
Positionen lassen Zweifel an ihrer Rechtstreue aufkommen“. Am Mittwoch, den 11. Juli 20<strong>07</strong> kamen<br />
erneut annähernd 1000 Pankower und Heinersdorfer Bürger in die Tiniusstraße 5 um ein viertes Mal<br />
gegen den geplanten Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde zu demonstrieren. Linksextremisten<br />
versuchten die Veranstaltung zu stören, indem sie sich unter die Demonstrierenden mischten. Ihre<br />
Absichten haben sie wenig später wie folgt preisgegeben: „Der Plan unserer Gruppe für diesen Tag<br />
sah vor, uns mit vollkommen abstrusen Forderungen (inspiriert z.B. durch die erfolgreichen<br />
Verarschungsaktionen des Satiremagazins 'Titanic') an diesem häßlichen Aufmarsch von bürgerlichen<br />
Rassisten und Nazis zu beteiligen, und diese durch Plakate mit komplett sinnfreien Forderungen der<br />
Lächerlichkeit preiszugeben.“ Die Journalistin Freia Peters der "WELT" fiel jedenfalls voll und ganz auf<br />
diese „Verarschungsaktion“ herein und kritisierte anhand der Plakate die rechte Gesinnung der<br />
friedlichen Demonstranten.<br />
329
Der Fall „Eva Herman“: Ein ereignisloses Spektakel<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 11. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Fall „Eva Herman“ dürfte eigentlich gar kein Fall sein. In diesem Fall muß kein Kommissar einen<br />
Mord aufklären und auch keine Gewalttat, Vergewaltigung oder ähnliches. Der Fall „Eva Herman“ ist<br />
ereignislos, nichts ist passiert und doch sprechen alle darüber, weil sie keine Themen haben, über die<br />
sie sonst sprechen könnten. Was ist im Fall „Eva Herman“ geschehen? Eva Herman hat ein neues<br />
Buch geschrieben, in dem nichts Neues steht. Bei ihrer Buchvorstellung hat sie in einem Nebensatz<br />
den Eindruck erweckt, sie fände die NS-Familienpolitik gut, wofür sie sich wenig später entschuldigt<br />
hat. Der NDR reagierte auf diesen Nebensatz mit der Entlassung der ehemaligen „Tagesschau“-<br />
Sprecherin, die beim NDR ohnehin schon seit längerem in Ungnade gefallen war. Ein qualitativer<br />
Verlust für das Fernsehprogramm des NDR ist Eva Herman sowieso nicht. Die Verantwortlichen des<br />
NDR können genauso gut wie die Zuschauer getrost auf Eva Herman verzichten.<br />
In der Boulevardpresse kursieren seit einigen Tagen zwei Topthemen. Zum einen bewegt der Auftritt<br />
von Britney Spears in einem knappen Bikini bei den MTV Video Music Awards in Las Vegas die<br />
Gemüter. Ihre vermasselte Performance und ihr anschließendes „Unten Ohne“-Einsteigen in eine<br />
Luxuslimousine auf dem Weg ins Hotel sind für die Kenner der High Society wichtiger als die<br />
Preisträger der Veranstaltung.<br />
Das andere Topthema ist der Nebensatz von Eva Herman. Sie hat Onkel Adi nicht bedingungslos<br />
kritisiert. Sie hat seine Familienpolitik beinahe als nicht ganz abscheulich bezeichnet. Da hilft ihr<br />
wenig, daß sie sich postwendend für ihre Äußerungen entschuldigt hat und sich von<br />
rechtsgerichtetem Gedankengut vehement distanziert hat. Hört, hört, ruft sie den BILD-Reportern<br />
entgegen, ich habe sogar schon mal Texte für eine Anti-Rechts-CD („Laut gegen Nazis“)<br />
eingesprochen.<br />
„Nichts drauf und nichts drunter.“<br />
Daß sich die Welt mit Nebensächlichkeiten wie dem peinlichen Auftritt von Britney Spears und der<br />
Entlassung einer unwichtigen TV-Moderatorin länger als 5 Sekunden beschäftigt, zeigt, daß jedes<br />
stimmige Maß zur Einschätzung von relevanten und nicht-relevanten Dingen verloren gegangen ist.<br />
Die Relevanz von Dingen errechnet sich heute, indem man das Skandalpotential mit der Berühmtheit<br />
der Person, die den Skandal ausgelöst hat, multipliziert. Ein Ereignischarakter muß für relevante<br />
gesellschaftliche Themen nicht mehr vorliegen. Den Kommentatoren von Nebensächlichkeiten reicht<br />
es, wenn sie sich auf Kosten anderer profilieren können und für ihre Interessen einen<br />
massenwirksamen Aufhänger finden. Dann ist ein Thema gut genug, um zu einem Spektakel<br />
aufgebauscht zu werden.<br />
330
Das dichterische und mythopoetische Kunstwerk von<br />
Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Mittwoch, den 12. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Edgar Julius Jung (1894-1934), Verfasser der 1934 von Franz von Papen gehaltenen Marburger Rede,<br />
welche für Jung zum tödlichen Verhängnis werden sollte, schrieb noch kurz vor seiner Ermordung<br />
folgende Sätze über die Bücher Oswald Spenglers: „Diese Schriften, von denen keine veraltet ist,<br />
schon weil alle darauf warten, erst noch verstanden zu werden, mutet an wie der Atemzug einer<br />
mächtigen Rede, in der Spengler seinem Volk und seiner Zeit kühn die Wahrheit zu sagen auf sich<br />
nimmt, im Namen des ewigen deutschen Geistes, für den zu sprechen er Recht und Beruf hat.“ Ohne<br />
Zweifel ist das Buch „Der Untergang des Abendlandes“ hier von besonderer Bedeutung. Sie muß für<br />
die Gegenwart jenseits der Verunglimpfung des Buchtitels seitens vieler Gelehrter, die das Buch<br />
niemals lasen und nicht wissen, was sie reden, noch benannt werden.<br />
Spenglers Geschichtsdenken in diesem Hauptwerk ist futuristisch. Als Konservativer ging es ihm nicht<br />
um eine ausschließlich in die Zukunft reichende Zielsetzung von Politik und Kultur, sondern er war<br />
der Überzeugung, daß die zukünftigen historischen Erbschaften des Menschen, seine<br />
Gemeinschaften, die Völker und Sprachen auf die industrielle Gesellschaft zurückwirken, im Rahmen<br />
von Widerstand, von pragmatischen Inseln an Menschlichkeit samt ihrem Anspruch an Innerlichkeit<br />
und Freiheit. Diese Inseln sind der Sporn im Fleische des „sekundären Systems“ (Hans Freyer), im<br />
Fleische eines auf Profit bedachten Lebens und Denkens, welches Spengler in seinem Buch kurz als<br />
den Zustand der Zivilisation bezeichnet. Wo liegen seine Wurzeln?<br />
Erosion der kulturellen Substanz und eine rettende Perspektive<br />
Die zyklische Theorie Oswald Spenglers (1880-1936), wonach Kulturen ihrem Ende entgegenarbeiten,<br />
gehört zum Strang der Kulturpessimisten u.a. im Gefolge des als Vermittler zwischen Schopenhauer<br />
und Nietzsche geltenden Philosophen Philipp Mainländer, dessen Szenario der innerweltlichen<br />
„Autodestruktion“ (Ulrich Horstmann) sowie der menschlichen und kulturellen Erosion nur noch<br />
wenigen bekannt ist. Ob Spengler Mainländer kannte, ist nicht erwiesen; als Verehrer Nietzsches<br />
proklamierte sich Spengler hingegen selbst. Er erklärt die Krise der westlichen Zivilisation in „Der<br />
Untergang des Abendlandes“ (1919) über den Topos der Antithese von Kultur und Zivilisation im<br />
Rahmen der Periodik eines unvermeidlichen organischen Ablaufes von Kulturen, die infolge eines<br />
zunächst vitalen Lebens in der Zivilisation gipfeln. Wohl wissend um die Brillianz des wissenschaftlichrationalen<br />
Denkens und die Kraft der Ästhetik technischer Errungenschaften, die er für legitime<br />
Ausdrücke der zivilisatorischen Periode hält, wagt es Spengler, einen intuitiven und gleichsam<br />
poetischen Zugriff auf das Geschichtsdenken zu absolvieren. Der herkömmliche Schulintellektuelle<br />
verkörperte für Spengler nämlich die sozial auflösende Kraft des Rationalismus und der<br />
Intellektualisierung, die mit dem Niedergang von Religion, Innerlichkeit, Kreativität und Weisheit<br />
zusammenhing. Im „Untergang des Abendlandes“ steht diese Art von Intelligenz deshalb für ein<br />
bedrohliches, anonymes und entwurzeltes Kollektiv. Spengler plädiert für nicht weniger als die<br />
Entwicklung einer eigentlich westlichen, oder besser faustischen bzw. deutschen Denkweise. Sein<br />
elitärer Individualismus und seine unpolitische Stellungnahme, die aber immer politisch zu wirken<br />
gedachte, steht unter dem Eindruck der deutschen idealistischen Tradition von Kultur und Bildung im<br />
19. Jahrhundert. Er wollte Deutschland anhand seiner skeptischen „unphilosophischen Philosophie<br />
der Zukunft“ eine neue Perspektive bieten.<br />
331
Krisenbewußtsein und die Suche nach einer haltgebenden Ordnung<br />
Der „Untergang des Abendlandes“ ist mehr als nur eine Zukunftsphilosophie. Das Buch trägt eine<br />
dichterisch umsäumte und sprachlich ergreifende politische Botschaft. Metaphysik,<br />
Kulturphilosophie und Politik sind in ihm eng verbunden und versammeln sich zur Artikulation eines<br />
subjektiven Anliegens bei Spengler. Im Rahmen der Konservativen Revolution in Deutschland sollte<br />
die individuelle denkende Innerlichkeit ihrer Autoren die politische Umsetzung durch Geisteswandel<br />
in der Masse erbringen. Der Philosoph Alain de Benoists schrieb deshalb: „Innerhalb der<br />
menschlichen Gesellschaft (...) ist nichts neutral. (...) Die Kultur formt (...) den Geist nach der<br />
herrschenden Ideologie. Es gilt, daß man auf die Struktur der politischen (...) Macht Einfluss ausüben<br />
kann, indem man auf den Überbau der Kultur und der Ideen einwirkt.” Daraus ergibt sich, daß ein<br />
Einwirken nicht im politischen Bereich, sondern vielmehr im vorpolitischen Bereich gemeint ist, und<br />
zwar unter Bezugnahme auf Suggestibilität und Beeinflussung der Massen im Zuge einer verstärkten<br />
Selbstwahrnehmung unter den Schriftstellern.<br />
Spengler stellt im „Untergang des Abendlandes“ ganz individuell die Veränderung des sozialen und<br />
politischen Raumes bis in die Zukunft hinein fest. Das Aussprechen existentieller individueller<br />
Erfahrungen, wie die Furcht vor dem Zusammenbruch einer haltgebenden Ordnung schärfte sein<br />
Krisenbewußtsein, womit der Titel seines Hauptwerkes verständlich wird. In seinem Buch spricht er<br />
kulturphilosophisch vom „Urgefühl der Sehnsucht“, von „Weltangst“ und der „Gewißheit eines<br />
Schicksals“. Doch was fasziniert bis heute an diesen Ausdrücken?<br />
Apokalypse der Geschichte und messerscharfes Denken<br />
Die Feindschaft gegen das liberale und ausschließlich individualistische Prinzip des Westens oder<br />
jenes Konstrukt, das sich als „liberal“ in aller Welt proklamiert, tut sich schon bei Spengler kund. Ihm<br />
setzt er ein ordnungsstiftendes transindividuelles Gemeinschaftsprinzip entgegen, verbindet es mit<br />
einer apokalyptischen Aufladung der deutschen Geschichte und kreiert so eine Chiffre für die Vision<br />
einer haltgebenden Institution, der Institution des Staates. Spengler entzieht sich im „Untergang“<br />
nicht den direkt politischen Inhalten. Er kompensiert seine innere Zerrissenheit durch seine Mystik,<br />
durch sein allumfassendes Lebensprinzip, schlichtweg durch seine Lebensphilosophie als säkulare<br />
Ersatzreligion. Sein Buch ist diesbezüglich das ausdrucksstärkste Werk. Der Leser möge Abstand<br />
nehmen von einer solchen Beurteilung desselben, deren Maßstab nicht dem zu beurteilenden Werk<br />
als Denkobjekt innewohnt. Spengler wußte nämlich, daß das Denkvermögen des Menschen nicht<br />
reicht, um die Wirklichkeit vollständig zu ergründen, und so richtet sich sein Lebensbegriff gegen<br />
diese Form wissenschaftlicher Erkenntnis, welche die zu erwägende Unzulänglichkeit des Denkens<br />
negiert. Er betrachtet das Denken vielmehr als einen immer wieder auf das Individuum und seine<br />
Psyche zurückgehenden Prozeß. „Das Denken herrscht, trotz allem, nur im ‚Reich der Gedanken’.“<br />
Massenpsychosen und -hysterien sind heute nahezu täglich vernehmbar. Eine Selbstreflexion auf das<br />
Ich, auf das eigene Denken und seine mehr oder weniger rechtschaffenen Motive ist nicht möglich,<br />
ohne daß der Mensch sich als Teil seiner Umgebung betrachtet und ihre Motive ergründet. Daher ist<br />
der Absurdität der gegenwärtigen Wissenschaft im Sinne Spenglers immer noch zu widersprechen,<br />
wenn diese annimmt, es gäbe eine objektive Welt, die ohne das Rückbesinnen auf den gesunden<br />
Standpunkt des Menschen selbst erfaßt werden könne und Glaubenswahrheiten, insbesondere<br />
Politische, vorzugeben meint. Die Denker der „Konservativen Revolution“ hatten ein solches<br />
kritisches Bewußtsein, welches in Anlehnung an Kants transzendentale Wende und Fichtes<br />
Subjektphilosophie als jenes Bewußtsein gekennzeichnet werden kann, das mehr denn je das<br />
„spezifisch Deutsche“ im Denken ist. Eine zunehmende Atomisierung und Entzweiung des Lebens, die<br />
332
Leichtgläubigkeit des Menschen angesichts winkender Vorteile sind daher das zu recht befürchtete<br />
Schrecknis dieses Denkens, welches Angst, Neurose, allgemeine Primitivierung und Realitätsverlust<br />
der Massengesellschaft als Feindbild hat.<br />
Strategische Ambivalenz von Aktivismus und Resignation<br />
So manche als Selbstverständlichkeit auftretende Meinung gegenwärtiger Politik gegenüber dem,<br />
was als „konservativ“ zu gelten habe, ist vor diesem Hintergrund getrost in Frage zu stellen. Der<br />
letzte Wert dessen, was konservativ ist, liegt darüber hinaus nur zweitrangig im Politischen. Er ist im<br />
Menschen zu suchen, der unweigerlich allein motiviert auf seine Weise handelt, sich in die Welt<br />
eingliedert und demgemäß trotz des Wissens vom konsequenten emotionellen Alleinsein gegenüber<br />
der Außenwelt auch seine Umwelt aktiv nach eigenen Bedürfnissen angleicht, integriert und zu<br />
formen versucht. Spengler hat seinen Weg entsprechend gefunden. Es ist seine Botschaft im<br />
„Untergang des Abendlandes“, daß man in Übereinstimmung mit dem Stand der Zivilisation die<br />
moderne Zeit akzeptieren sollte, aber zugleich zum politischen Aktivismus und zum Widerstand<br />
übergehen kann. Das vage Profil eines Führertypus und sein Plädoyer für eine pragmatische<br />
Machtelite jenseits des Parteihaders bildeten deshalb Spenglers politischen Hauptideenkomplex. So<br />
läßt sich resümierend auch eine wichtige und oft verkannte „Realdialektik“ (Bahnsen) bei Spengler<br />
feststellen: Spengler vergötterte das Schicksal, das zum Untergang des Abendlandes führen müsse,<br />
aber zugleich werde es einen neuen vitalen Cäsarismus, neue politische Leistungsbereitschaft<br />
ausgehend von zunächst wenigen mit sich bringen und entfalten. „Ich sehe schärfer als andere, weil<br />
ich unabhängig denke, von Parteien, Richtungen und Interessen frei ... Ich sehe noch mehr voraus,<br />
aber ich fühle mich einsamer als je, nicht etwa wie unter Blinden, sondern wie unter Leuten, die ihre<br />
Augen verbunden haben, um den Einsturz des Hauses nicht zu sehen. Will man mich endlich hören<br />
und nicht nur lesen?“<br />
333
Das Hambacher Fest 1832: „Wir pflanzen die Freiheit, das<br />
Vaterland auf!“<br />
Geschrieben von: Harald Lönnecker (Gastbeitrag)<br />
Sonntag, den 16. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das Hambacher Fest hat sich 20<strong>07</strong> zum 175. Mal gejährt. <strong>Blaue</strong>narzisse.de präsentiert deshalb in<br />
seiner Reihe zur burschenschaftlichen Geschichte einen Artikel vom Archivar der Deutschen<br />
Burschenschaft (DB), Harald Lönnecker, zu dem großen Aufstand von 1832 für Freiheit und<br />
Vaterland. Das Fest, welches auf dem Hambacher Schloß nahe Neustadt an der Weinstraße vom 27.<br />
bis 30. Mai 1832 stattfand, war der Höhepunkt im Kampf gegen Restauration und Zensur, welcher im<br />
Vormärz von einer politisierten bürgerlichen Oppositionsbewegung getragen wurde.<br />
Die Julirevolution 1830 in Paris gab allen Unzufriedenen Auftrieb, was „die Gärung bis zum<br />
kochenden Sud steigerte“, wie der ehemalige Bonner und Göttinger Burschenschafter Heinrich Heine<br />
schrieb. Zugleich erhoben sich die Polen erfolglos gegen die russische Herrschaft, was eine Welle der<br />
Polenbegeisterung auslöste und als Erbe die studentische Pekesche hinterließ. Dabei wurde<br />
übersehen, daß nur die Oberschicht den Kampf aufnahm und polnische Freiheit vor allem im Sinne<br />
der alten Adelsrepublik interpretierte. Um die sechstausend Polen gingen nach dem gescheiterten<br />
Aufstand ins Exil, in Deutschland vielfach durch eigens gegründete Polenvereine unterstützt, in<br />
denen zahlreiche Burschenschafter mitwirkten. Die Regierungen reagierten repressiv und suchten die<br />
freiheitlichen Bestrebungen zu unterbinden. Dazu gehörte in Bayern und der Pfalz in erster Linie die<br />
Beschneidung der Pressefreiheit, die Durchsetzung von Zensur und Druckverboten. Liberale Bürger<br />
gründeten deshalb 1832 den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein“, der nicht nur als<br />
Unterstützung einer freien Presse konzipiert war, „sondern als Kristallisationskern für eine politische<br />
Umgestaltung Deutschlands“. Er war der erste Vorläufer politischer Parteien, zählte in kürzester Zeit<br />
über fünftausend Mitglieder bis nach Mitteldeutschland und wurde maßgeblich von<br />
Burschenschaftern beeinflußt, so etwa Rudolf Lohbauer (1802-1873), Herausgeber des<br />
„Hochwächters“, des „Organs der württembergischen Freiheitsmänner“, Gustav Eduard Kolb (1798-<br />
1865) von der „Speyerer Zeitung“, der später die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ zur<br />
bedeutendsten in Deutschland machte, Johann Gottfried Eisenmann (1795-1867), Herausgeber des<br />
„Bayerischen Volksblattes“ in Würzburg und bereits Teilnehmer am Wartburgfest, Karl August<br />
Mebold (1798-1854) von der „Deutschen Zeitung“ in Stuttgart, Karl Mathy (18<strong>07</strong>-1868) und sein<br />
Schwager und Bundesbruder Franz Joseph Stromeyer (1805-1848) vom „Wächter am Rhein“ in<br />
Karlsruhe bzw. vom „Freisinnigen“ in Freiburg, und Johann Adam Förster (1796-1890), der in Fulda<br />
das „Teutsche Volksblatt. Eine konstitutionelle Zeitschrift für Volks- und Staatsleben“ herausgab.<br />
Geführt wurde der Preßverein von zwei bekannten Liberalen, vom Journalisten, Publizisten und<br />
ehemaligen Verwaltungsjuristen Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845) und von Johann Georg<br />
August Wirth (1798-1848), der während seines Studiums in Erlangen zunächst der Landsmannschaft<br />
Franconia angehörte und 1817 Mitgründer der Burschenschaft war, insgeheim aber auf die<br />
Gründung der Landsmannschaft der Franken – das spätere Corps Franconia – hinarbeitete, deren<br />
erster Senior er wurde. Wirth entwickelte sich zu einem scharfen Gegner der Burschenschaft,<br />
arbeitete als Anwalt, Journalist und Redakteur. Bekannt wurde er durch seine liberale Zeitung, die an<br />
wechselnden Orten in der Pfalz erscheinende „Deutsche Tribüne“, die er gemeinsam mit dem Jenaer,<br />
Göttinger und Heidelberger Burschenschafter Karl Georg Heinrich Fein (1803-1869) herausgab.<br />
334
Vorbereitungen<br />
Im Frühjahr 1832 wurde in Weinheim nicht nur ein „Fest der freien Presse“ gefeiert, das<br />
Siebenpfeiffer und Wirth ausrichteten und an dem auch zahlreiche Heidelberger Burschenschafter<br />
teilnahmen, sondern auch ein Fest zur Feier der regierungsseitig vielfach gebrochenen bayerischen<br />
Verfassung auf der Feste Hambach geplant, deren Jahrestag der 26. Mai war. Es wurde vor allem<br />
durch Siebenpfeiffer zu einem Fest gegen die Regierung umfunktioniert. Unter dem Titel „Der<br />
Deutschen Mai“, angelehnt „an die Maiversammlungen der Franken [Franzosen, H. L.] und an die<br />
Maiverfassung der Polen“, richtete er einen Aufruf an „alle deutschen Stämme“: „Auf, ihr deutschen<br />
Männer und Jünglinge jedes Standes, welchen der heilige Funke des Vaterlandes und der Freiheit die<br />
Brust durchglüht, strömet herbei! Deutsche Frauen und Jungfrauen, deren politische Mißachtung in<br />
der europäischen Ordnung ein Fehler und ein Flecken ist, schmücket und belebet die Versammlung<br />
durch eure Gegenwart! Kommet Alle herbei zu friedlicher Besprechung, inniger Erkennung,<br />
entschlossener Verbrüderung für die großen Interessen, denen ihr eure Liebe, denen ihr eure Kraft<br />
geweiht.“ Mit diesen Worten traf Siebenpfeiffer genau den Geist der Zeit. Das Echo auf den Aufruf<br />
war enorm und überraschte die Initiatoren. Der Jenaer Burschenschafter Hermann von der Hude<br />
(1811-1858) schrieb am 18. Juni an seinen Bundesbruder Maximilian Heinrich Rüder (1808-1880) in<br />
Eutin: „Wie wir nach Hambach zogen, trugen die meisten von uns den festen Glauben in sich, jetzt ihr<br />
Leben für die heilige Sache des Vaterlandes aufopfern zu müssen.“ Aber auch die Regierung wurde<br />
aufmerksam und verbot am 6. Mai 1832 das Fest, was allgemeine Empörung auslöste. Sie wurde so<br />
stark, daß das Verbot am 17. Mai wieder aufgehoben werden mußte.<br />
Überall bereitete man sich auf das Fest vor. Es diente der Herstellung politischer Öffentlichkeit und<br />
wurde als wichtige Kommunikationsmöglichkeit begriffen. Hier konnten nationale Reden gehalten<br />
und Lieder gesungen werden, hier war die Verbreitung liberaler Ideen möglich, hier konnte die<br />
nationale Einheit propagiert und damit verbundene politische Aufbruchshoffnungen geweckt und<br />
geschürt werden. Soziale und regionale Grenzen wurden im Zeichen der Nation aufgebrochen, im<br />
Fest wurde die Nationsbildung zu einem Massenerlebnis. Und das nicht nur in Hambach. Die<br />
Daheimgebliebenen setzten eigene Freiheitsbäume mit schwarz-rot-goldenen Bändern und Fahnen.<br />
In Homburg wurden Regierung und Bürgermeister bedroht, als sie den Baum entfernen wollten. Im<br />
Landkommissariat Pirmasens wurden 26 Bäume gesetzt, über 230 werden der Regierung von ihren<br />
Beamten innerhalb weniger Tage gemeldet.<br />
Aus allen Himmelsrichtungen strömten die Festbesucher zusammen, aus Baden und Hessen kommen<br />
sie, Polen und Franzosen nehmen teil. „Man bemerkte insbesondere Bürger aus Straßburg, Colmar,<br />
Paris, Metz, Weißenburg, Manchester, Konstanz, Heidelberg, Karlsruhe, Freiburg, Mannheim,<br />
Marburg, Tübingen, Würzburg, Jena, Göttingen, Stralsund, Coburg, München, Frankfurt, Nürnberg<br />
...“ Dreißigtausend Menschen finden sich im nur sechstausend Einwohner zählenden Neustadt a. d.<br />
Haardt ein: „Von Viertelstunde zu Viertelstunde langten neue Züge von Patrioten an, die meisten auf<br />
offenen mit Eichenlaub bekränzten Wagen, auf denen die deutsche Fahne wehte“. In Hambach<br />
setzte sich Schwarz-Rot-Gold als die deutsche Trikolore durch, schwarz-rot-goldene Kokarden,<br />
Schärpen, Fahnen und Bänder waren künftig das Zeichen nationaler Freiheit und Einheit. Einige<br />
Fahnen haben sich erhalten, eine hängt heute etwa im Plenarsaal des rheinland-pfälzischen Landtags<br />
in Mainz, eine andere im Großen Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.<br />
Das Hambacher Fest<br />
Über den Ablauf des Festes sind wir gut unterrichtet, vor allem durch die zahlreichen Berichte der<br />
Polizeispitzel. Einer aus Mainz wurde sogar erkannt, verprügelt und eingesperrt. Junge Leute<br />
335
stimmten ein Lied an, das „zum Refrain hatte: ‚Nun kommt der Völker Schmaus, Fürsten zum Land<br />
hinaus ...‘“ Advokaten und Prediger wurden als die eifrigsten Teilnehmer gemeldet, es „bedürfe nur<br />
eines Winks der Anführer und Alles sei zum gewaffneten Widerstande bereit, man sei völlig gefaßt<br />
darauf ... Der berüchtigte Boerne und Harro Harring“ – 1818/19 wahrscheinlich Kieler und sicher<br />
Dresdner Burschenschafter – „waren auch anwesend“.<br />
In Gasthäusern und Tanzsälen „ist der Teufel los“. Devotionalien von eigens komponierten<br />
Musikstücken bis hin zum schwarz-rot-goldenen Bonbonpapier werden angeboten und finden<br />
reißenden Absatz. Im Schießhaus, einer Wirtschaft vor der Stadt, sammelt sich ein großer Teil der<br />
bekannteren Gäste. Wirth bemerkt in der von ihm herausgegebenen Festbeschreibung „Das<br />
Nationalfest der Deutschen zu Hambach“, man habe Vertreter aller deutschen Stämme dort<br />
gesehen, „und unter Ihnen die in Deutschland am höchsten stehenden Namen. Es war ein großer,<br />
schöner Moment, wo alte Freunde einander wiedersahen, wo neue Freundschaften geschlossen<br />
wurden, und wo vor allem die Brüderstämme der Deutschen ... mit Begeisterung sich umschlangen<br />
und die großen Interessen des gemeinsamen Vaterlandes ... lebhaft verhandelten“: aus der Pariser<br />
Emigration war der Schriftsteller Ludwig Börne gekommen, der nordfriesische Revolutionsdichter<br />
Harro Harring und der Advokat und Publizist Jacob Venedey (1805-1871) – alte Bonner und<br />
Heidelberger Burschenschaft sowie Germania Jena – waren erschienen. Besonders stürmisch gefeiert<br />
wurden Karl Heinrich Brüggemann (1810-1887), Mitglied der Bonner Burschenschaft Germania,<br />
Heidelberger Fäßlianer und Mitglied der dortigen alten Burschenschaft Franconia, und der Jenaer,<br />
Münchner und Heidelberger Burschenschafter Gustav Peter Körner (1809-1896), im nächsten<br />
Frühjahr ein Führer der Wachenstürmer, später Vizegouverneur von Illinois und US-Gesandter in<br />
Madrid. Beide sprachen für die anwesenden Studenten. Allein über dreihundert Heidelberger<br />
Burschenschafter waren am 25. Mai „im langen Zug gekommen, vor sich eine große Schwarz-Roth-<br />
Goldene Fahne hertragend“.<br />
Sie stellten nur eine, wenn auch sehr aktive und auf Grund ihrer Bänder und Mützen besonders<br />
auffallende Minderheit, als das Fest am Abend des 26. Mai begann. Glocken läuteten, Böller<br />
erdröhnten und auf den höchsten Gipfeln des Haardtgebirges erleuchteten Freudenfeuer die Nacht<br />
bis zum nächsten Morgen. Es wurden Reden gehalten, gezecht und gesungen. Am 27., früh um 8.00<br />
Uhr, versammelten sich die Teilnehmer auf dem Neustädter Marktplatz zum Zug auf die Hambacher<br />
Ruine, voran eine Abteilung der Bürgergarde, gefolgt von „Frauen und Jungfrauen mit der poln.<br />
Fahne“, wiederum Bürgergarde, dann „eine Abtheilung der Festordner, von welchen jeder eine<br />
Schärpe aus schwarz, roth und gold trug, in der Mitte die deutsche Fahne, mit der Inschrift<br />
‚Deutschlands Wiedergeburt‘“. Der Zug sang Ernst Moritz Arndts „Was ist des Deutschen<br />
Vaterland?“, das bis 1870 als heimliche deutsche Nationalhymne galt, dazu die beliebten Polenlieder<br />
„Noch ist Polen nicht verloren“ – später polnische Nationalhymne – und „In Warschau schwuren<br />
Tausend auf den Knien“ sowie immer wieder Siebenpfeiffers Festhymne „Hinauf, Patrioten, zum<br />
Schloß“ nach der Melodie von Schillers Reiterlied:<br />
Hinauf, Patrioten, zum Schloß, zum Schloß!<br />
Hoch flattern die deutschen Farben:<br />
Es keimet die Saat und die Hoffnung ist groß,<br />
Schon binden im Geiste wir Garben:<br />
Es reifet die Ähre mit goldenem Rand,<br />
Und die goldne Ernt’ ist das – Vaterland.<br />
336
Wir sahen die Polen, sie zogen aus,<br />
Als des Schicksals Würfel gefallen;<br />
Sie ließen die Heimat, das Vaterhaus,<br />
In der Barbaren Räuberkrallen:<br />
Vor des Zaren finsterem Angesicht<br />
Beugt der Freiheit liebende Pole sich nicht.<br />
Auch wir, Patrioten, wir ziehen aus<br />
In festgeschlossenen Reihen;<br />
Wir wollen uns gründen ein Vaterhaus,<br />
Und wollen der Freiheit es weihen:<br />
Denn vor der Tyrannen Angesicht<br />
Beugt länger der freie Deutsche sich nicht.<br />
Was tändelt der Badner mit Gelb und Rot,<br />
Mit Weiß, Blau, Rot Bayer und Hesse?<br />
Die vielen Farben sind Deutschlands Not,<br />
Vereinigt’ Kraft nur zeugt Größe:<br />
D’rum weg mit der Farben buntem Tand!<br />
Nur eine Farb’ und ein Vaterland!<br />
D’rum auf, Patrioten, der Welt sei kund,<br />
Daß eng, wie wir stehen gegliedert,<br />
Und dauernd wie Fels der ewige Bund,<br />
Wozu wir uns heute verbrüdert.<br />
Frisch auf, Patrioten, den Berg hinauf!<br />
Wir pflanzen die Freiheit, das Vaterland auf!<br />
Die Reden<br />
Oben wurde „auf einem erhöhten Punkte die polnische, und oben auf den höchsten Zinnen der Ruine<br />
die deutsche Fahne aufgepflanzt. Weithin über die gesegneten Auen wehte nun das stolze Banner<br />
unseres Vaterlandes. ... Oben ganz nahe an den Burgmauern war ein schöner ebener Platz mit<br />
Verzierungen von grünem eichenen Laub und einer Ehrenpforte, dann eine Tribüne, wo die<br />
337
Volksredner Reden gehalten haben.“ Siebenpfeiffer pries den Tag, „an welchem die Fürsten die<br />
bunten Hermeline feudalistischer Gottstatthalterschaft mit der männlichen Toga deutscher<br />
Nationalwürde vertauschen müßten! Hoch lebe jedes Volk, das seine Ketten bricht und mit uns den<br />
Bund der Freiheit schwört: Vaterland, Volkshoheit, Völkerbund hoch!“<br />
Dann sprach Wirth über Österreichs und Preußens partikulare und volksfeindliche Politik, über die<br />
geknechteten Völker Ungarns, Polens, Italiens und Deutschlands. Er entwickelt seine Vision von<br />
einem republikanischen Europa der Nationen, vom freien Handel und einer Gesellschaft mit Bildung<br />
und Wohlstand für alle, gefolgt von einem dreimaligen Fluch auf die Könige und Fürsten als<br />
Volksverräter. An dieser Stelle habe Wirths Wut, so ein Burschenschafter, ihren Gipfel erreicht: „Der<br />
Schweiß rann ihm vom Gesicht, sein Mund schäumte ...“ Anschließend schlug Wirth ohne Erfolg eine<br />
politische Organisation vor, wozu zwanzig Patrioten als Wahlmänner gewählt werden sollten, die die<br />
Reform in und für ganz Deutschland vorbereiteten. Er schloß: „Hoch! dreimal hoch leben die<br />
vereinigten Freistaaten Deutschlands! Hoch! dreimal hoch das conföderirte republikanische Europa!“<br />
Geantwortet wird ihm erst mit Staunen, gefolgt von unbeschreiblichem Jubel.<br />
Wirths Rede wird von den Regierungen als direkte Aufforderung zu Revolution und Umsturz<br />
gewertet. Zumindest viele der anwesenden Burschenschafter sehen es so, einer der Samen des elf<br />
Monate später stattfindenden Frankfurter Wachensturms ist hier gelegt worden. Die Studenten<br />
jubelten, als Wirth nach seiner Rede wegen seines Kampfes für die Pressefreiheit ein eigens<br />
angefertigtes Schwert überreicht wird, in dessen Klinge „Dem Wirth/Deutsche in Frankfurt“ und der<br />
leicht veränderte burschenschaftliche Wahlspruch „Vaterland – Ehre – Freiheit“ eingraviert ist.<br />
Ausklang<br />
Mit den Reden und Feierlichkeiten auf dem Hambacher Schloß war das Fest nicht zu Ende. An den<br />
nächsten Tagen hielten sich noch Tausende in und um Neustadt auf, die Fahnen wurden erst am 1.<br />
Juni eingeholt. Am Montagvormittag, am 28. Mai, trafen sich im Schießhaus fünfhundert führende<br />
Demokraten, darunter zahlreiche ehemalige Burschenschafter. Das Treffen ist weder in der<br />
Festbeschreibung erwähnt noch melden es alle Agenten. „Der spezielle Gegenstand, welcher hier im<br />
Schießhause verhandelt wurde, bestand aber darin, daß die Redner darauf drangen, es sollten die<br />
einzelnen deutschen Stämme jeder einen Mann aus seiner Mitte wählen, welcher das Vertrauen<br />
seiner Mitbürger genieße.“ Die Gewählten sollten einen „National-Konvent“ bilden, die Radikalen<br />
verlangten die Bestimmung eines Tages, an dem „losgeschlagen“ werden sollte. Schließlich<br />
verständigte man sich auf den Ausbau des Preßvereins, der zu einem Nationalkomitee werden sollte,<br />
einer „National-Repräsentation“, die dem Bundestag der Fürsten als Volksvertretung bei- oder<br />
übergeordnet wird. Brüggemann äußerte Bedenken, Venedey erschien die Debatte absurd: man solle<br />
jeden Gedanken an Legalität abtun, solle das Gesetz der Fürsten brechen und sich das Recht zum<br />
gewaltsamen Umsturz auf ungesetzlichem Wege nehmen. Ein Ergebnis zeichnete sich nicht ab, die<br />
Versammlung endete chaotisch, eine revolutionäre Aktion wird nicht gestartet. Schließlich setzte<br />
man sich im kleinen Kreis nochmals zusammen. Der Preß- und Vaterlandsverein wird in „Deutscher<br />
Reformverein“ umbenannt, soll die politischen Ergebnisse der Hambacher Volksversammlung<br />
auswerten und die liberalen Ideen weiterentwickeln und verbreiten. Dazu kam es nicht, denn die<br />
Polizei entdeckte bei Siebenpfeiffer ein Programm mit Forderungen wie Volksbewaffnung,<br />
Volkssouveränität und Völkerbund. Er und Wirth wurden verhaftet, angeklagt und im Aufsehen<br />
erregenden Landauer „Assisenprozeß“ verurteilt, beiden gelingt die Flucht in die Schweiz.<br />
338
Fazit<br />
Hambach war die Fortsetzung des Wartburgfestes – so bereits Brüggemann in seiner Festrede –, was<br />
auf der Wartburg die Studenten, das habe in Hambach das ganze Volk geschworen. Alles sei „deutsch<br />
und Schwarz-Roth-Gold“ gewesen. Hambach war die größte und bedeutendste demokratische<br />
Volksversammlung des Vormärz, die erste politische Massenveranstaltung in Deutschland, der<br />
Höhepunkt einer breiten Bewegung in den deutschen Staaten, die erstmalige massenhafte<br />
Vertretung nationaler, radikaler republikanischer Forderungen und mit dem Preßverein der erste<br />
Versuch des Aufbaus einer organisierten Partei sowie die „erste Formulierung und Proklamation der<br />
Grundrechte des deutschen Volkes. Das Einzigartige und bis dahin noch nie Dagewesene hat Wirkung<br />
und Sprengkraft über das Jahrhundert hinaus.“<br />
Die Redaktion bedankt sich bei der Zeitschrift "Burschenschaftliche Blätter" für die Erlaubnis zum<br />
Abdruck dieses gekürzten Artikels. Ungekürzte Fassung in: Burschenschaftliche Blätter 122/1 (20<strong>07</strong>),<br />
S. 23-28.<br />
339
Nazis gegen rechts<br />
Geschrieben von: Marco Reese<br />
Montag, den 17. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der ‚Kampf gegen rechts’ ist in aller Munde, doch die Verdienste des Nationalsozialismus um diesen<br />
werden so gut wie nicht erwähnt. Dabei gehörten die im November 1923 in München<br />
demonstrierenden Nazis zu den ersten Opfern rechter Gewalt, als die repressive bayrische<br />
Landespolizei auf Befehl des Antidemokraten und Reaktionären Gustav Ritter von Kahr auf sie schoß<br />
und mehrere Demonstranten dabei getötet wurden. Um die Jahreswende 1932/33 versuchte<br />
General Kurt von Schleicher, ebenfalls ein Adeliger und dazu ein preußischer Junker und Militarist,<br />
die demokratische Wahl der nationalsozialistischen Partei mit verfassungsfeindlichen Mitteln zu<br />
verhindern; die Demokratie war jedoch zum Glück stärker.<br />
Die rechte Gefahr allerdings war nicht gebannt, denn noch immer saßen ewiggestrige Konservative in<br />
Regierung und Verwaltung und im Sommer 1934 erschien eine Hetzschrift des ultrarechten<br />
Publizisten Edgar Julius Jung, durch die ein Klima der Angst verbreitet wurde. Nach und nach wurden<br />
jedoch Erfolge im Kampf gegen die radikale Rechte erzielt. So gelang es, den Anteil der<br />
Oberschichten im Offizierskorps, nicht zuletzt durch die Einführung der Wehrpflicht, welche für mehr<br />
Gleichberechtigung sorgte, zu reduzieren.<br />
Ein großes come-together-happening in Nürnberg<br />
Die Macht der Pfaffen und des rückwärtsgewandten Klerus wurde ebenfalls zurückgedrängt, auch die<br />
des Kapitals. Veraltete Überreste des Feudalismus wurden ebenso beseitigt wie diskriminierende<br />
Standesunterschiede. Jährlich fand im Spätsommer ein großes come-together-happening in<br />
Nürnberg statt. Der Sozialstaat wurde ausgebaut. Auch halfen Organisationen wie der Lebensborn<br />
der Frauenemanzipation und dem Abbau der Phallokratie.<br />
Man bewegte sich auf die One World zu, wenigstens im kleinen. 1938 schließlich gelang es, den<br />
unterdrückerischen faschistischen Ständestaat in Österreich zu demokratisieren. Im Sommer 1939<br />
fiel mit Polen eine weitere Bastion der Reaktion durch eine gemeinsame Aktion der<br />
nationalsozialistisch-bolschewistischen Einheitsfront. Hitler, ein modern denkender Mensch, hielt<br />
den Nationalstaat für überholt und begann, die Einheit Europas zu verwirklichen.<br />
Multikulturalistische Nazis gegen reaktionäre Brandstifter<br />
Den rückständigen Konservativen, die immer noch behaupten, Multikulti funktioniere nicht, sollte<br />
man das Beispiel der Waffen-SS entgegenhalten, in der viele Nationalitäten miteinander auskamen.<br />
In der ersten Hälfte der 40er-Jahre schien die neue Gesellschaft gesichert, doch angeregt durch<br />
geistige Brandstifter versuchten am 20. Juli 1944 rechtsradikale Gewalttäter die Macht an sich zu<br />
reißen, was aber glücklicherweise scheiterte. Auch wenn es den Nationalsozialisten aufgrund rechter<br />
Störmanöver, die den Bruderkrieg zwischen den verbündeten Gruppierungen des Fortschritts<br />
verursachten, nicht gelang, soziale Ungleichheiten und Diskriminierungen sowie feudale Überreste<br />
völlig zu überwinden, so leisteten sie doch Vorarbeit für die fortschrittlichen Maßnahmen der USA<br />
und der Sowjetunion, denen es endgültig glückte, die Reste reaktionären Denkens zu tilgen.<br />
Der nationalsozialistische Beitrag zum ‚Kampf gegen rechts’ ist nicht zu unterschätzen und sollte<br />
endlich einmal gewürdigt werden. Ohne die Nationalsozialisten würden wir heute vermutlich immer<br />
noch oder wieder von Elbjunkern mit Monokel und Reitpeitsche, von ausbeuterischen<br />
340
Großunternehmern, Schwarzröcken und Militaristen beherrscht und unterdrückt werden, anstatt<br />
soziale Sicherheit und Modernität zu genießen.<br />
341
Ein Wort zum Libertarismus<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 18. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Libertäre und Konservative streiten heftig darüber, ob sie miteinander können oder nicht. Diese<br />
Diskussion kreist hauptsächlich um die Frage, worin sich die Vorstellungen über die perfekte<br />
Gesellschaft bzw. den perfekten Staat unterscheiden. Grotesk an diesem Diskussionsschwerpunkt ist,<br />
daß beide Milieus meilenweit von einer Machtausübung entfernt sind und beide mit ihren<br />
unpopulären Forderungen die Gunst der Massen nicht gewinnen können. Das Schmieden von<br />
strategischen Allianzen wurde dennoch mehrmals in Angriff genommen. Bis heute blieben diese<br />
Versuche jedoch ohne nennenswerte Erfolge bzw. inhaltliche Resultate. Dabei täte es beiden<br />
Denkrichtungen gut, einen kritischen Dialog miteinander zu führen und bestimmte Inhalte des<br />
anderen zu adaptieren.<br />
Zunächst einmal: Was ist Libertarismus, was will ein Libertärer? Der Libertarismus wünscht sich eine<br />
Gesellschaft, in der weder staatliche Interventionen noch andersartige Eingriffe in das<br />
Privateigentum das Handeln der Menschen beeinflussen. In einer libertären Gesellschaft soll jeder<br />
seines Glückes eigener Schmied sein. Am modernen Staat mißfällt den Libertären die ausufernde<br />
Bürokratie, die politische Korrektheit, der Gesinnungsterror von Feministen, Antifanten und anderen<br />
Interventionisten, die glauben, das Privatleben der Bürger mit Verboten und Sanktionen lenken zu<br />
müssen.<br />
Freiheit oder Sozialismus?<br />
Wie diese Probleme beseitigt werden können, darüber gehen die Meinungen bei den klassischen<br />
Liberalen, den Anarchisten und den Turbo-Kapitalisten, die alle zu den Libertären gezählt werden<br />
können, auseinander. Die Anarchisten sehen die Lösung in der Abschaffung des Staates. Im<br />
Gegensatz dazu präferieren die klassischen Liberalen einen Minimalstaat, der den Frieden<br />
aufrechterhält und die Rechtssprechung übernimmt, sich aber ansonsten aus dem Leben der<br />
Menschen heraushält.<br />
Die Skepsis gegenüber dem Parteienstaat und der Massengesellschaft, die ihn ermächtigt, verbindet<br />
den Libertarismus und den Konservatismus. Im Libertarismus artet diese Skepsis jedoch schnell zu<br />
einer Ablehnung gegenüber jeder identitätsstiftenden Größe aus. Große identitätsstiftende<br />
Organisationen wie Kirchen und Nationalstaaten wird es aber auf absehbare Zeit weiterhin geben,<br />
weil die Menschen danach verlangen. Menschen reifen zu Kulturwesen, indem sie sich fragen, was<br />
sie für die Menschheit, ihr eigenes Volk oder ihren eigenen Stamm tun können, ohne einen direkten<br />
Nutzen daraus zu ziehen.<br />
Der Mensch ist nicht nur von Geburt an frei. Er muß zur Mündigkeit und<br />
Freiheit erzogen werden.<br />
Die Beteuerungen der Libertären, daß sie sich nicht gegen Traditionen und althergebrachte Werte<br />
stellen, kann ein Konservativer nicht ernst nehmen, da Tradition und (Volks-)Identität immer<br />
zusammengehören und nur dann bestehen können, wenn sie institutionell gefestigt werden.<br />
Traditionen und Volksidentität durch private Verbände absichern zu wollen, ist ein gewagtes<br />
Gesellschaftsexperiment, welches – konsequent durchdacht – eigentlich nur scheitern kann.<br />
Dennoch können Libertäre und Konservative im vorpolitischen Raum zusammenarbeiten. Diese<br />
Arbeit kann auf der grundlegenden Ablehnung der Massengesellschaft und dem Alternativkonzept<br />
dazu, der Sezession, aufbauen. Libertarismus und Konservatismus müssen Lebensalternativen<br />
342
durchdenken, die nachhaltig sind und den Menschen zur freiwilligen Mitgliedschaft in<br />
Gemeinschaften führen. Leider haben Libertäre bisher noch viel weniger als Konservative<br />
Lebensalternativen jenseits des bloßen Konsums und des individuellen Glücks verwirklicht. Der Weg<br />
zu einer „herrschaftsfreien Form des Zusammenlebens“, auf dem sich die Libertären im „Hier und<br />
Jetzt“ befinden müßten, ist für den außenstehenden Betrachter von dichtem Nebel verhüllt.<br />
343
Carl Schmitt – Inquisitor gegen Moralismus und<br />
Entwurzelung<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Mittwoch, den 19. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die heute mehr denn je verteidigte aber auch angegriffene abendländische Kultur des so genannten<br />
„Westens“ ist von Beginn an im Zeichen einer neuen Auffassung von Raum, Zeit und Geist geprägt<br />
gewesen. Niemand anders als der Jurist, Staatsrechtler und Philosoph Carl Schmitt (1888-1985) hat<br />
dies so eindringlich betont. Ein Grund mehr, sich unvoreingenommen die Gedankenwelt dieses<br />
Denkers, der sowohl globale politische Entwicklungen, den deutschen Parlamentarismus als auch<br />
grundlegende philosophische Fragen unter die Lupe nahm, zu betrachten.<br />
In seinem Spätwerk „Land und Meer“ (1954) operiert Schmitt mit dem Begriff der „Raumrevolution“.<br />
Das Ursymbol dieser Revolution ist das Unendliche, das „Faustische“ (Spengler), das Streben nach<br />
dem Höheren, dem Unendlichen um jeden Preis. Und so ist auch die Entdeckung des Nihil in der<br />
Mathematik eine weitere Geburtsstunde der Entwicklung hin zur Raumrevolution, deren Ende<br />
Nietzsche als Nihilismus, als permanente Frage nach dem „Wozu?“ menschlichen Lebens<br />
prophezeite. Und wahrlich, wenn der Mensch von räumlicher und zeitlicher Unendlichkeit umgeben<br />
ist, hat er nichts mehr zu bedeuten, als irgendeine gebrochene Menge, deren Nenner das Unendliche<br />
ist, Nihil, Null. Der entwurzelte Mensch bei Schmitt, aber auch bei Spengler, ist aus seiner Achse<br />
geworfen. Er findet keine Orientierung mehr, sieht den sekundären Zustand des Broterwerbs, der<br />
Betriebsamkeit, der Massendemokratie und des medialen Genusses als den normalen an. Er spürt,<br />
daß ihm dennoch etwas fehlt, daß Leben mehr ist als eine Starre, die sich durch Moralismus,<br />
Ökonomismus und Konsum aufrechterhält.<br />
Erstarrte Geschichtslava und Nichtigkeit des Menschen?<br />
Mozart und Goethe z.B. waren auf der Sonnenhöhe der Kultur geboren, lebten in Übereinstimmung<br />
mit dem Geist der Zeit und sahen in ihrem für die Weimarer Klassik typischen antidualistischen<br />
Denken die Natur als Sitz des großen Lebensstromes. Der entwurzelte Mensch der Moderne<br />
hingegen erstarrt durch die Passivität des Alltags und die daraus resultierende Auflösung der<br />
politischen und künstlerischen Stilformen. Der Soziologe Arnold Gehlen beschreibt das mit der<br />
geoevolutionären Metapher der Kristallisationen, wonach es der Kultur am Ende ihrer Epoche<br />
gelungen sei, sich moralisch und politisch verbindlich zu machen und große Schlüsselattitüden<br />
lediglich komisch wirken, große Offenbarungen, Entscheidungen und Kämpfe nicht mehr zu erwarten<br />
seien. Die Geschichtslava ist also amorph geworden, getränkt von einschränkenden Werten, welche<br />
die Entscheidungsfreudigkeit des Menschen und der Politik überhaupt lähmen. Schmitt spricht<br />
immer wieder vom „Normativismus“ des Zeitalters – von der alles in Regeln fassen wollenden Norm.<br />
Vernichtung des scharfen Arguments durch die Massendemokratie<br />
In diesem von Schmitt beklagten positivistischen Zeitalter, beruhend auf moralischen Setzungen<br />
selbst in der Rechtswissenschaft, macht man seinem wissenschaftlichen Gegner gern den Vorwurf,<br />
daß er Theologie, Metaphysik, Irrationalismus, Extremismus betreibe. Selbst Schmitt mußte diesen<br />
Vorwurf über sich ergehen lassen. Wenn aber dieser Vorwurf mehr als eine bloße Beschimpfung sein<br />
soll, hätte wenigstens die Frage nahe liegen können, woher die Neigung zu solchen theologischen<br />
und metaphysischen Haltungen eigentlich stammt; man hätte untersuchen müssen, ob sie historisch<br />
zu erklären sind, vielleicht als Nachwirkungen einer Staatslehre, einer spezifischen Denkart oder<br />
344
einer systematischen oder methodischen Notwendigkeit. Damit sind wir bei Schmitts politischen<br />
Einschätzungen angelangt, welche den Verfall und den Machterhalt von Staaten analysieren.<br />
Er schreibt selbst: „Solche Unterdrückungen des Parteigegners gehören zu den (…) politischen<br />
Prämien auf den legalen Machtbesitz. Sie gehören aber auch zu den teils vermeidlichen, teils<br />
unvermeidlichen Ursachen des Zusammenbruchs dieses gesamten Legalitätssystems selbst.“ Dabei<br />
versteht Schmitt unter Legalität all jene Haltungen, die sich konform zur gesetzten Norm verhalten<br />
und damit einer strategischen Unterdrückung seitens der Machthaber „nicht bedürfen“. Zugleich<br />
weist er darauf hin, daß der Machtbesitzer entgegen dem Gesetz den Parteigegner unter<br />
demokratischem Vorzeichen auslöschen kann. Keine Frage: Die Lage des Parlamentarismus ist für<br />
Schmitt kritisch, weil die moderne Massendemokratie die argumentierende öffentliche Diskussion zu<br />
einer leeren Formalität gemacht hat, zur überflüssigen Dekoration, die wirkliche Entscheidungen<br />
scheut. Parteien sind nicht Ausdruck diskutierender Meinungen, sondern wirtschaftlicher<br />
Machtgruppen, die Kompromisse schließen und je nach finanzieller Ausstattung den Parteigegner<br />
ausmerzen können. Dabei geht es um Geld und nicht um den Wahrheitsgehalt einer Meinung. Die<br />
Massen werden durch einen staatlich durch Steuergelder alimentierten Propagandaapparat<br />
gewonnen, dessen Appell an nächstliegende Interessen und Leidenschaften anknüpft.<br />
Staatsalimentierte Linksextremisten betreiben „Rechtsextremismusforschung“, bereits festgesetzte<br />
(präformierte) Kompromisse werden medienwirksam lediglich bestätigt. Das ergebnisoffene<br />
Argument in seiner Schärfe verschwindet. An die Stelle tritt die zielbewußte Berechnung der<br />
Machtchancen, die eindringliche Suggestion und keine originäre Ausfechtung mehr.<br />
Allein, Schmitt kann Recht gegeben werden. Blicken wir z. B. in gegenwärtigen<br />
Regierungspublikationen auf die willkürliche Kategorisierung von solchen Denkern der Konservativen<br />
Revolution, die vermeintlich „verfassungsfeindlich“ seien, so müsste im konsequenten Weiterdenken<br />
dieser Praxis auch die Theorie hochgeschätzter Philosophen wie Aristoteles oder Montesquieu so<br />
behandelt werden. Es müßte erkannt werden, daß auch die vor hunderten von Jahren lebenden<br />
Philosophen im Verfassungsschutzbericht aufgeführt werden müßten, weil sie als Geopolitiker oder<br />
Völkerpsychologen kaum der heute praktizierten Gewaltenteilung zustimmen würden. Aristoteles<br />
und der Erfinder der Gewaltenteilung Montesquieu würden die politische Praxis der Bundesrepublik<br />
wohl ablehnen, weil kein Dreieck der Gewaltenteilung mehr vorliegt, wenn Minister<br />
(Staatsexekutive) zugleich Mandatsträger (Legislative) sind. Schmitt erkannte recht früh, daß die<br />
Freiheit der Wissenschaften bedroht ist durch die parteipolitische Einflußnahme, durch die<br />
angewandte – eben „normative“ – Ideologie des Demokratismus als antipluralistisches Machtstreben<br />
und durch den Abstieg selbst der Wissenschaft zur regierungstreuen, korrumpierten<br />
Profitmaximierungsmethode. Schmitt hätte gewiß gegen die heute staatlich in Millionenhöhe<br />
geförderten Maßnahmen in Bereichen des „Antifaschismus“ gestimmt, da diese vielmehr für eine<br />
kontraproduktive Ablehnung aller von der eigenen Position abweichenden Orientierungssysteme<br />
sorgen, als daß sie den Parlamentarismus produktiv in Richtung auf seine Funktionsfähigkeit hin<br />
überdenken.<br />
Der Parlamentarismus ist keine Form der Demokratie<br />
Schmitt selbst war in seiner Wirklichkeitsanalyse Realist. Er erkannte, daß in einem modernen Staat<br />
an einem bestimmten Punkt politische Entscheidungen getroffen werden müssen und spricht<br />
deshalb von „Dezision“. Heute nämlich gehe es nicht mehr um Richtigkeit und Wahrheit, sondern um<br />
Mehrheit und damit um die Herrschaft. Schmitt hoffte deshalb in seinen Schriften darzustellen, daß,<br />
wenn das Parlament als Institution zum derartigen praktisch-technischen Mittel verkommt, man nur<br />
zeigen müsse, daß es auch anders geht. Damit haben wir eine wesentliche und immer wieder<br />
345
efehdete These Schmitts herausgearbeitet: Der Parlamentarismus wie wir ihn heute haben ist ein<br />
Ausdruck der liberalen Gedankenwelt und ihrer Kampfvokabel des parteipolitischen „Pluralismus“; er<br />
gehört deshalb und in seinen Auswirkungen spürbar nicht zur Demokratie. Liberalismus und<br />
Demokratie müssen getrennt werden. Die gegen Parteien gerichtete Pluralismuskritik der politischen<br />
„Rechten“ ist darin freilich enthalten, weil der Staat wie bei Schmitt als von Gruppenkonflikten<br />
befreit und als souveräne – eben entscheidende sowie nicht wertende und Entscheidungen<br />
simulierende – Instanz verstanden wird.<br />
Jede wirkliche Demokratie behandelt für Schmitt nicht nur Gleiches gleich, sondern unvermeidlich<br />
das Nichtgleiche nichtgleich, was der Parlamentarismus versäumt. Zur Demokratie gehöre die<br />
Homogenität und die Vernichtung des Heterogenen, um die Substanz der Gleichheit bereitzustellen.<br />
Betrachten wir die Türkisierung der Türkei, die Zuzugsverhinderung von Ausländern in Australien, die<br />
Vernichtung der Indianer in Amerika oder die entrechteten Sklaven in der vorchristlichen Athener<br />
Demokratie, so scheint es immer der Weg stabiler Demokratien gewesen zu sein, das Ungleiche als<br />
Fremdes zu verdrängen und die Homogenität sowie die Substanz demokratischer Gleichheit<br />
triumphieren zu lassen im Sinne einer nationalen Homogenität der Gleichbehandlung, die zunächst<br />
aus der Ungleichbehandlung des Fremden hervorgeht. Der gegenwärtige Parlamentarismus mit<br />
seiner Gleichbehandlung aller negiert diese Notwendigkeit. Protektorate, Mandate und<br />
Interventionsverträge als Formen der Abhängigkeit ermöglichen hingegen Demokratie über eine<br />
heterogene Bevölkerung, ohne sie zu Staatsbürgern zu machen. Sie sind politisch-wirtschaftlich<br />
abhängig und gleichzeitig weit entfernt. Damit sind wir angesichts US-amerikanischer Interventionen<br />
im 20. Jahrhundert in Europa und heute in aller Welt beim letzten aktuellen Aspekt Schmitts<br />
angelangt.Vom notwendigen Scheitern raumfremder Interventionen<br />
Carl Schmitt macht die verfassungsrechtliche Ordnung des Staatsgebietes von der Trennung von Land<br />
und Meer – von Land- und Seemächten – abhängig. Daraus speist sich die Möglichkeit einer<br />
expansiven Wendung eines Staates zum Meer und zur Übersee im Falle des parlamentarischen<br />
Systems der USA. Schmitt spricht hingegen von der Verfassung eines Landes als von seiner<br />
Grundordnung, seinem Nomos, der nicht übertragbar ist. „Nomos ist das den Grund und Boden der<br />
Erde in einer bestimmten Ordnung einteilende und verortete Maß und die damit gegebene Gestalt<br />
der politischen, sozialen und religiösen Ordnung. Maß, Ordnung und Gestalt bilden hier eine<br />
raumhaft konkrete Einheit.“<br />
Damit ist der nachhaltige Erfolg überseeischer Interventionen zur Installierung „demokratischer“<br />
Systeme im Irak, in Afghanistan etc. potentiell unmöglich, solange nicht das traditionelle und<br />
verortete Maß des politischen Denkens der jeweiligen Völker zur Richtschnur eines politischen<br />
Neubeginns gemacht wird. Diese Grundzüge der von Schmitt analysierten Geopolitik als Respekt vor<br />
dem „Nomos“ eines Volkes als raumhaft konkrete Einheit ist aktueller denn je, weil sich globale<br />
demokratietheoretische Fragen vor dem Hintergrund kulturell gewachsener Staatsbilder nicht mehr<br />
alt-ideologisch im Sinne des bisherigen Verständnisses von liberaler Demokratie als „Wert“ oder<br />
„Norm“ wie Schmitt sie beschrieb klären lassen, sondern nur noch sachlich im Sinne des je eigenen<br />
‚Nomos’. Die Orientierung an geistig-seelischen Kraftzentren im Kontext jeweils eigenständiger<br />
Demokratieformen wird gegenwärtig so bedeutsam werden, wie der Vatikan als bedeutsames<br />
Kraftzentrum der Weltkirche Orientierung bietet. Die metaphysische Komponente von Demokratie<br />
als verortetes Maß ist damit nicht antidemokratisch. Vielmehr hat Schmitt Recht behalten, wenn er<br />
sich gegen diese Vorwürfe wehrt – jedem seine eigene Staatsform, keine Verordnungen und<br />
Besatzungsstatue.<br />
346
Für autonomes Leben, Selbstbewußtsein und Entscheidungsfähigkeit<br />
Es ergibt sich nunmehr ein Gesamtbild, wonach bei Carl Schmitt die Welt geprägt ist vom Ringen um<br />
autonomes Leben, das einer bewussten – sei es auch einer erst noch befreienden - Entscheidung<br />
bedarf. Welt setzt sich gegen Welt. In Arbeit und Kampf gibt der Mensch seinem Leben einen<br />
Wahrheitsgehalt je nach nicht übertragbarem „Nomos“ zu entfalten sei. Es steht und fällt aber dieses<br />
Leben mit der Überzeugung, daß unsere Welt eine Stätte des Werdens ist, in der eine höhere Stufe<br />
der Wirklichkeit gegen eine niedere aufsteigt, dabei in härtesten Kampf mit dieser gerät, im Kampf<br />
aber neues erringt und in der Gewißheit eines Sieges unbeirrt weiter vordringt. Schmitt hebt damit<br />
einen Ewigkeitsgehalt hervor, der aller dogmatischen Formulierungen überlegen ist und ein geistiges,<br />
geopolitisches, der Entscheidung fähiges und freies, Selbst, Volk oder eine Nation anerkennt und vom<br />
Fremden absetzt. Die Unzulänglichkeit des parlamentarischen Systems der Gegenwart ist nicht durch<br />
„Hypermoralismus“ (Gehlen) und Ausrichtung an vermeintlich unhinterfragbaren Normen der<br />
„Gleichheit“ zu kompensieren oder zu retten, sondern durch rationales Gesetz und Ordnung, welches<br />
durch Entscheidung gesetzt wird und jeglicher Ideologiestaatlichkeit widerspricht. Der Konservative<br />
Schmitt hofft, damit Dinge zu schaffen, „die zu erhalten sich lohnt“ (Moeller van den Bruck).<br />
347
Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn: Demokratie – Eine<br />
Analyse<br />
Geschrieben von: Marco Reese<br />
Mittwoch, den 19. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Bereits 1996 erschien im Stocker-Verlag eine kleine Schrift des 1999 im Alter von 89 Jahren<br />
verstorbenen katholischen Philosophen Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn, die seine Gedanken zur<br />
Demokratie zusammenfaßte. In 26 Kapiteln werden unter anderem die geschichtlichen Hintergründe<br />
der Demokratie, ihre Wiedergeburt im Zuge der Französischen Revolution, ihre – für Kuehnelt-<br />
Leddihn nicht überzeugend begründbaren – Grundannahmen, ihr Verhältnis zum Rechtsstaat,<br />
welches nicht so ideal ist, wie man es sich gemeinhin vorstellt, und die sogenannte Demokratisierung<br />
abgehandelt.<br />
Der Nexus zwischen Demokratie einerseits und Sozialismus, aber auch Nationalismus und Rassismus<br />
andererseits – Kuehnelt präferierte den „vertikalen“ Reichsgedanken anstelle des „horizontalen“<br />
Nationalstaats – wird dargestellt, das Verhältnis der Demokratie zur Religion und zur Bildung ebenso<br />
wie zu Landesverteidigung und Außenpolitik. Gut platonisch wird die Demokratie als Nährboden für<br />
die Tyrannis beschrieben.<br />
Der Grundtenor des Büchleins ist dezidiert demokratiekritisch, wenn nicht antidemokratisch, und das<br />
Klischee, die Demokratie sei die Krönung der Staatsformen, wird hier berichtigt. Der Tiroler<br />
Edelmann war überzeugt, die Liberaldemokratie müsse an ihrem inneren Widerspruch von Gleichheit<br />
und Freiheit scheitern und entweder im Chaos oder in einer totalitären Diktatur enden, und diese<br />
Befürchtungen sind auch im letzten Kapitel mit dem Titel „Die Zukunft der Demokratie“ zu finden, die<br />
seines Erachtens langfristig schlicht nicht bestehen könne.<br />
Wie in den meisten seiner Bücher wirbt er auch hier für eine sachgerechte freiheitlichrechtsstaatliche<br />
Alternative, ohne „Nasenzählerei“ und Gleichheits- und Mehrheitswahn. Kuehnelt-<br />
Leddihn machte nie einen Hehl daraus, daß eine solche Staatsform monarchisch gekrönt sein müsse.<br />
Im Nachwort konstatiert er schließlich, daß man in Deutschland nach 1945 „den fremden<br />
Quacksalbern [d. h. den Alliierten] stramm [habe] gehorchen“ müssen, und es werden statt dessen<br />
die Männer des 20. Juli 1944 um Stauffenberg beschworen, die für Kuehnelt-Leddihn den wahren<br />
Ausweg gesucht und ihr Leben für das Reich gegeben haben.<br />
Bibliographische Angaben:<br />
Erik von Kuehnelt-Leddihn 1996: Demokratie – eine Analyse. Graz. Stocker Verlag. 119 Seiten. 11,80<br />
Euro<br />
348
Multikulturelle Gesellschaft: Die Geburt eines<br />
Vielvölkerstaates<br />
Geschrieben von: Judith von der Osten<br />
Donnerstag, den 20. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Eine multikulturelle Gesellschaft besteht aus Menschen verschiedener Kulturen, sprich<br />
Nationalitäten, Sprachen, Religionen, Ethnien. Verdeutlicht man sich die Definition für einen<br />
Vielvölkerstaat – Staat, den mehrere Völker bewohnen – wird erkennbar, dass der Begriff<br />
‚Multikulturelle Gesellschaft’ die moderne Sprachvariante dessen ist, was als „Geburt eines<br />
Vielvölkerstaates“ begriffen werden muss. Historische Beispiele für Vielvölkerstaaten sind u.a. das<br />
Osmanische Reich, das Zarenreich, die Sowjetunion (UdSSR) und Jugoslawien, denen bei aller<br />
Unterschiedlichkeit zwei Merkmale gemeinsam waren: Ein repressiver Staatsapparat, der die<br />
verschiedenen Völker mit „eiserner Faust“ zusammenhielt und der Ausbruch blutiger Bürgerkriege,<br />
als dieser Staatsapparat auseinanderbrach. So zuletzt geschehen im ehemaligen Jugoslawien.<br />
Durch die zunehmende Einwanderung, bei gleichzeitigem Geburtenrückgang und Auswanderung des<br />
autochthonen Volkes wird sich Deutschland in nicht zu ferner Zukunft als ein neuer Vielvölkerstaat<br />
konstituieren. Zur Verdeutlichung seien hier einige Zahlen genannt, die nicht der politischen<br />
Korrektheit, aber der Realität entsprechen:<br />
Abwanderung und Einwanderung sind gleichermaßen Problemzonen<br />
Im Jahre <strong>2006</strong> wanderten 155.000 Deutsche aus, eine Steigerung von 7% gegenüber 2005. Der<br />
überwiegende Anteil ist beruflich gut bis sehr gut qualifiziert. Die britische Tageszeitung ‚The<br />
Independent’ schrieb in ihrer Ausgabe vom 1.Juni 20<strong>07</strong>, daß der deutsche ‚brain drain’ so groß ist wie<br />
nie seit den ersten Jahren nach 1945.<br />
Die Negativ-Spirale der Geburten setzt sich weiter fort und liegt nur noch bei durchschnittlich 1,33<br />
Kindern pro Frau. Demographen gehen davon aus, daß die Zahl der in Deutschland geborenen Kinder<br />
bis 2050 weiter drastisch abnehmen wird. Demgegenüber steht die Zahl der offiziell gemeldeten<br />
Abtreibungen: 119.710 im Mutterleib getötete Babys im Jahr <strong>2006</strong> stehen zu Buche.<br />
Babyboom bei den Familien mit Migrationshintergrund<br />
Auf der „Habenseite“ weist Deutschland 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus –<br />
96% davon im früheren Bundesgebiet und Berlin, 10% ohne allgemeinen Schulabschluß, 51% ohne<br />
beruflichen Abschluß, und 25% die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. In mehreren<br />
deutschen Großstädten (z.B. Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und Nürnberg) liegt der Anteil der unter<br />
Fünfjährigen mit Migrationshintergrund bei über 60 %<br />
<strong>2006</strong> sind erneut 558.000 Ausländer nach Deutschland gezogen, 484.000 sind weggezogen. Das<br />
entspricht einem Plus von 74.000 Migranten und einer neuen »erste Generation« von knapp über<br />
einer halben Millionen. Dabei stellt die Türkei – vom statistischen Bundesamt schon als europäisches<br />
Land gelistet – erneut die größte Gruppe der Zuwanderer.Massenexodus, Geburtendefizit und<br />
Bevölkerungsaustausch – das sind die existentiellen Fragen unseres Landes. Doch in Berlin diskutiert<br />
man lieber über Gammelfleisch, Windräder und die Pendlerpauschale.<br />
349
Islampolitische Bruchlinien zwischen Libertären, Rechten<br />
und Liberalen<br />
Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />
Freitag, den 21. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die diesjährige September-Ausgabe des von André Lichtschlag herausgegebenen libertären Magazins<br />
eigentümlich frei (ef) enthält ein Interview mit dem Blogger Stefan Herre, der von sich behauptet,<br />
durch sein Organ Politically Incorrect („PI“) eine breite Leserschaft kontinuierlich über<br />
freiheitsfeindliche Bestrebungen muslimischer Einwanderer zu informieren. Daß „ef“ dem<br />
„Islamophoben“ Herre, den es als „Kreuzritter“ vorstellt, die Möglichkeit gab, seine politischen<br />
Vorstellungen einem libertären Publikum gegenüber darzulegen, stieß im Umfeld von Lichtschlags<br />
Magazin nicht ungeteilt auf Gegenliebe.<br />
So nahm sich der libertäre Feminismus-Kritiker Arne Hoffmann, der erklärtermaßen in Claudia Roth<br />
und der taz Verbündete im Kampf gegen die Anfeindung von Muslimen sieht, bereits am 6.<br />
September 20<strong>07</strong> die Freiheit, in Lichtschlags Blog ef-online „Gegenposition“ zu beziehen –<br />
wenngleich er nicht glaube, „dass man zu Morddrohungen eine sinnvolle ‚Gegenposition’ beziehen<br />
kann“. Die Betreiber des Blogs „PI“ ließen es zu, daß auf ihren Seiten Kommentatoren<br />
Andersdenkende in wüstester Weise attackieren und ihnen Gewalt androhen, so Hoffmann unter<br />
Berufung auf Presseberichte.<br />
Auf Hoffmanns „Replik“ auf das ef-Interview mit Herre reagierte der Angegriffene mit einer „Duplik“.<br />
Daß mehrfach strafrechtlich relevante Äußerungen in seinem Blog unzensiert geblieben seien,<br />
konnte er nicht widerlegen. Herre nutzte aber die Steilvorlage, die Hoffmann ihm bot, als er „PI“<br />
ausgerechnet mit einem Vorwurf konfrontierte, der völlig zu Recht gegen jene erhoben wird, in<br />
denen Hoffmann Opfer einer „Islamophobie“ zu erkennen vermeint. Selbstverständlich könne man<br />
zu Mordaufrufen etwa „gegen die dänischen Karikaturisten, Salman Rushdie, Robert Redeker und<br />
Ralph Giordano“ Gegenposition beziehen.<br />
Was sowohl Hoffmann, als auch Herre praktisch gänzlich ausblenden: Das vermeintliche<br />
„Kreuzritter“-Organ „PI“ ist weder eine publizistische Speerspitze jener zivilcouragierten liberalen<br />
Islamismus-Kritiker – eines Salman Rushdie, eines Robert Redeker, eines Louis Chagnon, einer Oriana<br />
Fallaci –, noch richten sich seine Veröffentlichungen blindwütig gegen alles „Muslimische“. Gerade<br />
Tendenzen „völkischer“ Polemik, wie sie sich etwa in den Beschimpfungen des liberalen Islamismus-<br />
Experten und Multikulturalismus-Kritikers Bassam Tibi durch „PI“ zeigen, bringen Herre vielmehr in<br />
einen diametralen Gegensatz zu menschenrechtlich motivierten Gegnern der politischen<br />
Herrschaftsansprüche des Islam. Und dennoch geht Hoffmann fehl in der Annahme, jede radikale<br />
Islam-Kritik besitze einen rassistischen Kern. „PI“ gilt bei vielen Islamkritikern als Störenfried insofern,<br />
als seine Existenz „Anti-Antiislamisten“ wie Hoffmann Munition liefert. An gemeinsamen Auftritten<br />
mit Herre, der (zumindest zeitweilig) für die rechte Lokalpartei „Pro Köln“ warb, sind etwa die exiliranische<br />
Frauenrechtlerin Nasrin Amirsedghi oder Ralph Giordano nicht interessiert.<br />
Der oftmals gegen „PI“ gerichtete Vorwurf, alle Muslime als Gewalttäter und Terroristen an den<br />
Pranger zu stellen, trifft jedoch ebenso wenig ins Schwarze: Anders als die – meist aus der politischen<br />
Linken stammenden – liberal-demokratischen Islam(ismus)-Kritiker haben „rechte“ Moscheebau-<br />
Gegner wie Herre oder der „Pro Köln“-Begründer Manfred Rouhs mit einer Ächtung islamistischer<br />
Gewaltregime auf der Grundlage des universalen Geltungsanspruchs der Menschen- und<br />
Bürgerrechte nichts zu schaffen. So begrüßte Rouhs 1999 den barbarischen Bombenkrieg gegen<br />
350
Jugoslawien, da durch diesen die politischen Ziele der islamischen albanischen Sezessionisten<br />
begünstigt würden. Und noch Ende 2005 schloß sich Herres „PI“ der anti-russischen Agitation der<br />
bekennenden Islam-Freunde Norbert Blüm, Rupert Neudeck und Bernd Posselt an, die in der<br />
Bekämpfung tschetschenischer und dagestanischer Islamisten einen Völkermord sehen.<br />
351
Familienpolitische Provokationen: Eva Herman und<br />
Gabriele Pauli<br />
Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />
Montag, den 24. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Worum geht es Pauli und Herman? Geld, Macht oder Familie?Der aktuelle Fokus der deutschen<br />
Innenpolitik ist nicht recht nachvollziehbar. Anstatt sich mit den wirklich überlebenswichtigen<br />
Fragen, dem Demographie-Problem sowie der Bedrohung durch den Islam zu beschäftigen,<br />
debattiert die Bundesrepublik lieber über wahnwitzige Vorschläge einer bayrischen Emanze. Ihr<br />
pseudo-konservatives Gegenstück, Eva Herman, die aus absehbarem Anlass ein ähnliches mediales<br />
Sich-In-Den-Mittelpunkt -Rücken veranstaltete, provozierte unlängst ebenfalls eine hitzige Debatte.<br />
Wie trefflich, daß jüngst jene Bayerin, Gabriele Pauli, zugab, nur Leihmutter der tatsächlich vom<br />
fränkischen Kabarettisten Frank-Markus Barwasser stammenden Gedanken über die Ehe auf Zeit zu<br />
sein.<br />
Gabriele Pauli hat sich mit diesem Vorschlag und ihrer Kandidatur für den CSU-Vorsitz wieder einmal<br />
in den Medienrummel eingemischt. „Der Vorstoß der Kandidatin für den CSU-Vorsitz sei ‚pure<br />
Provokation’ gewesen, um wieder wahrgenommen zu werden“, äußerte sich der Vorsitzende der<br />
Jungen Union Bayern, Manfred Weber (MdEP), der Nachrichtenagentur ddp gegenüber. Der<br />
scheidende Ministerpräsident Edmund Stoiber ging in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur<br />
sogar noch einen verbalen Schritt weiter und taufte Paulis Äußerungen „eine abstruse<br />
Hippiemeinung von irgendeiner Persönlichkeit, die sich wohl nicht mehr unter Kontrolle hat“.<br />
Moderne Politik – Eine reine PR-Maßnahme<br />
Gleiches gilt für Eva Herman. Ihre Thesen sind, obschon sie den Kern sehr wohl treffen, bereits zum xten<br />
Mal wiedergekaute Antiquitäten. Überdies haben sie es verdient von einer würdigeren Person als<br />
der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin okkupiert zu werden. Eine Streiterin wie sie wirkt ob ihres<br />
familiären Hintergrundes (zum vierten Mal verheiratet, ein Sohn) in der Rolle einer Verfechterin<br />
konservativer Werte wenig glaubhaft. Dieser Hintergrund läßt einen unverbesserlichen Moralapostel<br />
vermuten, der davon besessen ist, anderen Tugenden abzuverlangen, jedoch selbst im Weinglas des<br />
Hedonismus zu ertrinkt. Hier nun stellt sich die Gretchenfrage: Soll Eva Herman Solidarität oder<br />
Distanzierung von konservativer Seite her erfahren? Wer nachdrücklich für erstere Option streitet,<br />
hat für sich selbst die Frage zu beantworten, inwiefern politisches Kalkül von Eva Herman vorliegt.<br />
War es nicht von vornherein absehbar, was jene delikaten Aussagen für Konsequenzen mit sich<br />
zögen?<br />
Provokationen, um im Mittelpunkt zu stehen.<br />
Eintreten für Meinungsfreiheit und gegen Geschichtsverfälschung ist konsequent und richtig,<br />
dennoch ist es unklug, auf Teufel komm raus den Provokateur zu mimen. Durchaus denkbar scheint<br />
die Variante, daß Eva Herman bewußt diesen Skandal inszenieren wollte, insbesondere da sie ihre<br />
getätigten „Meinungsfreiheiten“ zufällig bei der Pressekonferenz ihres neuen Buches geäußerte.<br />
Nun, eine gänzliche Distanzierung erscheint indes auch nicht adäquat. Es steht völlig außer Frage, der<br />
aus tiefster Kehle entsprungene Aufschrei der Öffentlichkeit zeigt die fehlende Meinungsfreiheit in<br />
Deutschland. Jedoch sollte sich jeder gut überlegen, für wen er seine Hand ins Feuer legt. Eine Eva<br />
Herman ist mitnichten der Messias einer gesunden Familienpolitik. Gabriele Pauli ist es erst recht<br />
nicht.<br />
352
Das Standardwerk des volklichen Denkens<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Dienstag, den 25. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das von Richard Ungewitter in seinem Stuttgarter Verlag 1917 erstmals herausgegebene völkische<br />
Überblickswerk „Deutschlands Wiedergeburt durch Blut und Eisen“ wurde <strong>2006</strong> vom Uwe-Berg-<br />
Verlag als Nachdruck der Ausgabe von 1919 den am völkischen Denken Interessierten wieder<br />
zugängig gemacht. In „Deutschlands Wiedergeburt“ entfaltet sich mit Beiträgen von Silvio Gesell,<br />
Ludwig Fahrenkrog, Friedrich Lienhard, Theodor Fritsch und Anderen das gesamte Spektrum des<br />
völkischen Denkens. Allgemein gilt die völkische Bewegung als direkter Vorläufer des „Hitlerismus“;<br />
ein Blick in die publizistischen Erzeugnisse der Völkischen zeigt jedoch, daß dieser Sichtweise das<br />
nötige Feingespür für Differenzierungen fehlt.<br />
Methodische Annäherungen<br />
Der Geschichtswissenschaftler Ernst Nolte sprach oft vom Nutzen der phänomenologischen<br />
Geschichtsbetrachtung. Was meinte er damit? Schlichtweg, daß Erkenntnisse und Beurteilungen nur<br />
insoweit einen nachvollziehbaren Wert haben, wenn der Weg zu ihnen konkret selber Maßstab der<br />
Beurteilungen und zugleich Maßstab des zu bewertenden Forschungsobjektes ist. In den<br />
Anwendungsgebieten der Politikwissenschaft gibt es damit den Gegensatz zwischen normativer und<br />
empirischer Politikwissenschaft, also den Gegensatz zwischen gewohnten „Verpflichtungen“<br />
(Stichwort „politische Korrektheit“) folgenden Denkweisen und der tatsächlichen Analyse von<br />
Phänomenen aus sich selbst heraus, die damit faktisch das erfaßt, wozu eine bloße Wertung nicht<br />
fähig ist. Wir können vom Streit zwischen freier Analyse und wertgebundener Vorgabe sprechen, der<br />
gerade in der deutschen Nachkriegs-Politologie prägend war.<br />
So versteht es sich, daß wir uns bei der Betrachtung des zutiefst verpönten „völkischen Denkens“ auf<br />
die analytische Denkweise zurückzuziehen haben, die das Phänomen des „Völkischen“ aus sich selbst<br />
heraus, aus der Zeit und der einstigen Motivation ihrer Zeitgenossen versteht. In der Toeppenstedter<br />
Reihe ist nunmehr das Standardwerk des völkischen Denkens als Quellentext wieder erschienen. Es<br />
handelt sich um das frühe Sammelwerk unter Mitarbeit von R. Ungewitter, R. Burger-Villingen, H.<br />
Driesmans, Ludwig Fahrenkrog, Theodor Fritsch, Silvio Gesell, Otger Gräff, Ernst Hunkel und J. Lanz-<br />
Liebenfels. Es breitet vor dem Leser das weite Spektrum damaliger völkischer Themen aus.<br />
Das „völkische“ Denken als volkliches Denken<br />
Die Völkischen: Sie betonen nach Armin Mohler unmittelbar die Ursprünge. In den Lehren des Volkes<br />
und Staates wird dem Staat die Eigenschaft des pflanzenhaft Wachsenden zugeschrieben. Der Begriff<br />
der „Rasse“ gilt im Sinne der Bestrebung des Menschen nach Einheit von Körperlichem und<br />
Geistigem. Der Erzvater des Völkischen ist der Turnvater Friedrich Ludwig Jahn. Seine<br />
Turnerbewegung war die völkische Hochburg, die mit der Entdeckung des gesamtdeutschen<br />
Nationalgefühls korrespondiert. Die Marxisten hingegen erklärten die völkische Haltung lapidar als<br />
romantische Flucht des zwischen Proletariat und kapitalistischen Großbürgertums zerriebenen<br />
Mittelstandes. Die Völkischen gehen davon aus, daß der Mensch wesentlich durch seine Herkunft<br />
bestimmt ist. Es gibt eine bestimmte Landschaftsseele, die in Kombination mit der Muttersprache ein<br />
Lebensgefühl, eine Zugehörigkeit ausdrückt. Die „Kulturseele“ (Spengler) ist erwacht. Wer kennt<br />
nicht das Gefühl „Heimat“, das Gefühlt, sich nicht mehr rechtfertigen zu müssen?<br />
Das umfassende Spektrum völkischen Denkens, welches niemals aus purem Unverständnis und aus<br />
Feindseligkeit – den Irrtümern der modernen „Wissenschaft“ – auf die Totschlagvokabel des<br />
353
„völkischen Nationalismus“ reduziert werden kann, findet sich in diesem Buch. Dazu gehören viele<br />
Ideen zur Reform von Staat, Verwaltung, Boden, Recht, Lebenshaltung, Mutterschutz, Ehe,<br />
Gesundheit, Sprache, Schrift, Kultur und Bildung. Es sei deshalb auch dafür plädiert, den Begriff<br />
„völkisch“ zu ersetzen durch „volklich“, um den leichtredenden Vorwurf des „völkischen<br />
Nationalismus“, der das Phänomen des damaligen Denkens nicht zu hinterfragen gewillt ist, zu<br />
vermeiden. Vielmehr können wir das „Volkliche“ im Sinne des Volkssoziologen Max Hildebert Boehm<br />
verstehen. Ihm geht es um eine Geisteswissenschaft, „die das Volkliche weder übersteigert noch<br />
verleugnet.“ Dieses aufgeklärte Maßhalten solle aus dem Wissen heraus, daß ein Volk als in die<br />
Politik und Geschichte hineinwirkende Wesenheit gilt, entstehen. Volkliche Ansätze, wie er sie selbst<br />
bezeichnet, sind demnach auch kulturelles Erbe der Moderne. Fruchtbare Anerkennung ersetzt hier<br />
die hysterische Negation.<br />
Aktualität volklicher Themenkreise<br />
Das von Ungewitter (1869-1958), dem deutschen Vorkämpfer und ersten Organisator der FKK-<br />
Bewegung, herausgegebene Buch enthält spannende Texte zum Thema „sittliche Volkswirtschaft“,<br />
„organische Volkswirtschaft“ und „Rolle des Mittelstandes“. Man sollte sie zunächst lesen, um sich<br />
ein reifes Urteil über das Für und Wider des volklichen Denkens zu machen. Zudem muten Titel wie:<br />
„Eigenwirtschaft, Nationalwirtschaft und Weltwirtschaft“, „Geburtenrückgang und die Mittel zur<br />
Abhilfe“ oder „Heeresdienst und weibliches Dienstjahr“ recht aktuell an. So diente bereits damals die<br />
Idee der Forderung eines Mädchen-Dienstjahres der Gleichberechtigung von Mann und Frau im<br />
Rahmen eines Pflichtdienstjahres. Auch lesen wir von der Erkenntnis, daß „an den Stätten der<br />
Erwerbs- und Genußsucht die Kindererzeugung“ zurückgehe, weswegen die Beschränkung des<br />
Alkoholkonsums sowie die Achtung vor der Ehe und der schwangeren Frau gefordert wird. Selbst für<br />
die Achtung und Sorge gegenüber den unehelichen Kindern plädiert das 1916 herausgegebene Buch.<br />
Würden wir zudem einem Sozialdemokraten der Gegenwart – gleichgültig ob schwul oder nicht –<br />
sagen, daß sein Einsatz für die Anteilnahme des Arbeitnehmers am Arbeitserfolg „völkischen“ – um<br />
seine Totschlagvokabel zu nutzen – Ursprungs ist, fiele dieser aus allen Wolken. Dennoch, wir lesen in<br />
Ungewitters Buch, „daß die Arbeiterfrage so zu regeln ist, daß die Arbeiter am Mehrwert des<br />
Arbeitsertrages Anteil haben.“<br />
Sehr interessant ist der Beitrag des bekannten Geldreformers Silvio Gesell „Die Überwindung des<br />
Goldwahns und die Zertrümmerung der britischen Weltmacht“. Er meint: „Englands Weltmacht ist<br />
nichts mehr als Geldmacht.“ Damit fordert er zugleich die Aufhebung des arbeitslosen Einkommens –<br />
des Zankapfels aller heutigen Geldreformer und Humanwirtschaftler, nämlich die Aufhebung der<br />
Zinswirtschaft. In den Jahren 1887-1924 war Silvio Gesell Kaufmann in Argentinien. Die heftigen<br />
Wirtschaftskrisen des Landes regten ihn zum Nachdenken über die strukturelle Problematik des<br />
Geldwesens an. 1891 veröffentlichte Gesell in Buenos Aires seine erste währungstheoretische Schrift:<br />
"Die Reformation des Münzwesens als Brücke zum sozialen Staat“. Zum Kriegsende 1918 reiste<br />
Gesell nach Berlin, wo gerade das vorliegende “Deutschlands Wiedergeburt durch Blut und Eisen”<br />
erschien. Sein hier abgedruckter Beitrag wurde der von Gesell mitgeprägten Schrift “Neues Leben.<br />
Monatsschrift für deutsche Wiedergeburt” entnommen. Er stellt darin die These auf, daß durch die<br />
Einführung seiner Geldwährung die kriegswichtigen englischen Goldreserven entwertet werden<br />
können.<br />
Deutsches Volk und Grundgesetz<br />
Wir können ohne Zweifel festhalten, daß eine Gesellschaft oder eine Nation eine philosophischspirituelle<br />
Dimension im Lauf ihrer Geschichte, ein Bewußtsein ihrer selbst ausbildet. Die Betonung<br />
354
der kulturell eigenen Dimension gehört dazu und wertschätzt das Andere. Nationalstaaten geben<br />
dieser Idee nach ihre Souveränität nicht ab, sondern organisieren sie international. Hier ist der<br />
zentrale Begriff von Demokratie das kulturell geprägte Volk in seiner toleranten aber selbstgewissen<br />
Beziehung zu den Nachbarvölkern. Der Verfasser der ersten Volkssoziologie Boehm schrieb: „Denn<br />
ein Volk, das sich zu keiner Selbsteinschätzung aufrafft, unterliegt dem verallgemeinernden Urteil<br />
seiner Umwelt.“ Womöglich ging es den Volklichen ursprünglich und abgesehen von radikalen<br />
Tendenzen, vor denen niemand gefeit ist – auch nicht sogenannte „Demokraten“ –, lediglich um die<br />
gelebte Praxis einer solchen Haltung.<br />
Vor allem in Anbetracht dessen, daß das Grundgesetz unter dem Eindruck der deutschen<br />
Katastrophe von 1945 explizit von der Gesamtheit des deutschen Volkes ausging und in seiner<br />
Präambel ausdrücklich vom „Deutschen Volk“ spricht, sind volkliche und kulturelle<br />
Gemeinschaftswerte einer modernen Gesellschaft Bestandteil moderner Politik. Eine unrechtmäßig<br />
zum Zwecke der Ausgrenzung solchen Denkens als “völkisch“ geschaffene „Wertegemeinschaft“ zur<br />
Definition von „Verfassungsfeinden“ ist nach Artikel 79 Absatz 1 des Grundgesetzes selbst als<br />
verfassungsfeindlich einzustufen. Denn hier heißt es, daß das Grundgesetz nur durch ein Gesetz<br />
geändert werden kann, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert. Und in diesem<br />
Wortlaut steht nun einmal „Volk“. Wer gegen das Volk handelt, handelt im eigentlichen Sinne<br />
„verfassungswidrig“, weil er das Grundgesetz ohne die Veränderung des Wortlautes oder ohne die<br />
Streichung von „Volk“ aus persönlichen Motiven umdefiniert. Der freizulegende Kern des<br />
Grundgesetzes trägt also der unvoreingenommenen Auseinandersetzung mit volklichen Themen<br />
Rechnung. Also: Erst lesen und denken, dann urteilen!<br />
355
Nicht radikal genug<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 27. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Vor 30 Jahren im „Deutschen Herbst“ hielt die RAF Deutschland auf Trab. Die Rote Armee Fraktion<br />
(RAF) war eine politische Terrorgruppe, die in den 70er Jahren die sozialistischen Postulate der ´68er<br />
überernst interpretierten und den bewaffneten Kampf gegen das Großkapital und die BRD antraten.<br />
Mit der Entführung der „Landshut“ und dem Mord an dem damaligen Arbeitgeberpräsidenten<br />
Hanns-Martin Schleyer erreichte der linke Terror seinen Höhepunkt. Heute geht von Deutschen keine<br />
terroristische Gefahr mehr aus. Die deutsche Jugend ist nicht mehr bereit, ihre politischen Ziele,<br />
wenn sie denn überhaupt welche hat, mit aller Gewalt durchzusetzen. Deutschland hat kein Problem<br />
mit Rechtsextremismus und kein Problem mit Linksextremismus. Das Problem ist, daß die Jugend<br />
nicht mehr mit dem Kopf durch die Wand will.<br />
Es gibt zu wenig Rechtsextremismus und zu wenig Linksextremismus. Die Auswüchse einer vitalen<br />
Jugend sind immer extrem. In Deutschland fehlt die Vitalität, die dafür sorgt, daß langfristig<br />
tiefgreifende Reformen angekurbelt werden und die Gesellschaft durch die extremen Auswüchse<br />
politischer Jugendbewegungen auf ihre Festigkeit hin geprüft wird.<br />
Mangel an Vitalität<br />
Botho Strauß schreibt im „Anschwellenden Bocksgesang“: „Sicher ist, dieses Gebilde braucht immer<br />
wieder, wie ein physischer Organismus, den inneren und äußeren Druck von Gefahren, Risiken, sogar<br />
eine Periode von ernsthafter Schwächung, um seine Kräfte neu zu sammeln.“ Es ist etwas faul im<br />
Staate Deutschland, wenn die Jugend nicht mehr willens ist, diesen gefahrenvollen Druck<br />
aufzubauen, die Alten aus ihren Sesseln zu rütteln und mit oder ohne Gewalt der Gesellschaft ins<br />
Bewußtsein zu hämmern, daß morgen ein anderes – ein besseres, vitaleres und jüngeres –<br />
Deutschland der Welt seinen Stempel aufdrücken wird.<br />
Neben quantitativer Masse fehlen der heutigen jungen Generation ein Erweckungserlebnis, eine<br />
Initiation, ein erschossener Benno Ohnesorg und eine fanatische Ulrike Meinhof. Zudem ist für die<br />
Jugend von heute nirgends ein klar umrissener Feind sichtbar. Der Vater taugt nicht als Feind, das<br />
Großkapital nicht und die zahlenmäßig in manchen Großstädten schon überlegenen Ausländer, die<br />
den Deutschen ihr Revier streitig machen, werden nicht als Feinde wahrgenommen.<br />
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht länger geschieht. (Ulrike<br />
Meinhof, 1968)<br />
Die Jugend, die ihre rechtmäßige Narrenfreiheit politisch nutzt und dabei gelegentlich über das Ziel<br />
hinausschießt, ist verschwunden. Statt dessen terrorisiert eine omnipräsente Jugendlichkeit die Welt.<br />
356
Der Umgang mit der RAF<br />
Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />
Sonntag, den 30. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Nach der öffentlichen Diskussion über die Entlassung von Brigitte Mohnhaupt und das Gnadengesuch<br />
von Christian Klar – dem letzten inhaftierten RAF-Gefangenen – hat sich nun, pünktlich zum 30.<br />
Jahrestag des „Deutschen Herbstes“, der Journalist Stefan Aust mit einer Serie im „Spiegel“ und einer<br />
Fernsehdokumentation zu Wort gemeldet. Aber wer beschäftigt sich mit der RAF eigentlich im<br />
Detail? Der Flut von Zeitungsartikeln, Berichten der damals Beteiligten und Darstellungen von<br />
Journalisten wie etwa Aust steht eine erstaunlich geringe Zahl an wissenschaftlichen<br />
Veröffentlichungen gegenüber. Zwar gibt es in fast jedem Überblickswerk über die Geschichte der<br />
Bundesrepublik ein RAF-Kapitel, doch im Hinblick auf Einzeluntersuchungen steht Tobias Wunschiks<br />
Analyse der sogenannten zweiten Generation der RAF noch relativ alleine da.<br />
Besonders aufschlußreich ist das Fehlen von Arbeiten über Ursachen und Hintergründe: der sozialen<br />
Herkunft der RAF-Mitglieder auf der einen, der politischen Kultur, in der die RAF auf Sympathie<br />
stoßen konnte, auf der anderen Seite. In den Darstellungen beschränkt man sich statt dessen auf<br />
Psychogramme der Anführer, auf den Vorwurf von der Überreaktion des Staates oder auf Legenden<br />
wie die von der „Isolationsfolter“ und dem „staatlich angeordneten Mord“ an den inhaftierten<br />
Terroristen.<br />
„RAF – Das war noch Terrorismus gegen Leute, die Schuld hatten.“<br />
Der Schlüssel zur Erklärung für diesen Umgang mit der Geschichte der RAF liegt möglicherweise in<br />
dem Satz eines deutschen Kabarettisten: „RAF – Das war noch Terrorismus gegen Leute, die Schuld<br />
hatten.“ Wenn die RAF auch nur eine relativ kleine Zahl von direkten Unterstützern hatte (man<br />
nimmt an, daß es etwa 2.000 gewesen sind), so stand ihr der Großteil der radikalen Linken zumindest<br />
mit einer gewissen Sympathie gegenüber. Dafür spricht unter anderem die Verstrickung der RAF mit<br />
der `68er-Bewegung. Die war weniger personell – Baader, Meinhof und Mahler waren selbst keine<br />
typischen `68er – aber es gab doch eine gewisse inhaltliche Affinität, die sich vor allem in der<br />
gemeinsamen Klassenkampf-Ideologie und dem permanenten Faschismusvorwurf an die<br />
Bundesrepublik äußerte. Die RAF machte im Gegensatz zur APO eben Ernst mit deren Anliegen und<br />
setzte die revolutionäre Tat an die Stelle des ewigen Geredes von der Revolution.<br />
Terroristen oder fehlgeleitete Idealisten<br />
Bei den Linksradikalen überwog die klammheimliche Freude über die Mordanschläge der RAF, wie es<br />
in einem anonymen „Nachruf“ auf den im April 1977 ermordeten Generalbundesanwalt Buback hieß.<br />
Immerhin dokumentierten 44 Hochschullehrer und vier Rechtsanwälte dieses Pamphlet im Namen<br />
der Meinungsfreiheit. Bei den `68ern schließlich wurde den Gewalttätern ein diffus-seifiges<br />
Verständnis entgegengebracht, was auch für Jean-Paul Sartre gilt, der Baader im Gefängnis besuchte<br />
und sich beeindruckt zeigte. Heinrich Böll wiederum hielt die Terroristen im Grunde für fehlgeleitete<br />
Idealisten.<br />
Die RAF war also wohl so etwas wie das schlechte Gewissen der APO. Deshalb verschwindet sie trotz<br />
der vielfachen Forderung nach einem Schlußstrich nicht aus der öffentlichen Debatte, und deshalb<br />
vermißt man häufig eine klare Verurteilung der RAF. Dennoch hatte Helmut Schmidt vollkommen<br />
recht, als er während der Schleyer-Entführung in einer öffentlichen Ansprache die Terroristen darauf<br />
hinwies, daß die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung gegen sie stehe. Und das gilt mit<br />
Sicherheit auch heute noch.<br />
357
Ein Schock: Grüne Nazis?<br />
Geschrieben von: Albert von Königsloew<br />
Sonntag, den 30. September 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Historikerzunft ist entsetzt. Frank Uekötter, Historiker am Forschungsinstitut des Deutschen<br />
Museums München, hat nach jahrelangen Recherchen in Archiven und Repositorien zweifelsfrei ein<br />
besonders dunkles Kapitel unserer Nazivergangenheit aufgedeckt. Der Forschungsbefund könnte<br />
eindeutiger nicht sein: Die Nazis haben die Umwelt geschützt! Kein deutscher Staat seit dem Dritten<br />
Reich und keine deutsche Regierung seit Adolf Hitler haben soviel für Naturschutz und Umweltschutz<br />
getan.<br />
Die schockierenden Erkenntnisse, die sicher nicht ohne Rückwirkungen auf den politischen Diskurs<br />
unseres Landes bleiben werden, sind nachzulesen in der Fachzeitschrift German Studies Review<br />
30/2/Mai20<strong>07</strong>. Nicht nur der Staat hat sich für die Anliegen der damaligen Naturschützer stark<br />
gemacht. Es war sogar die SS und Reichsführer SS Heinrich Himmler persönlich, der den Anliegen der<br />
Umweltschützer höchste Priorität beimaß und ihre Interessen gegenüber der Industrie gnadenlos<br />
und äußerst brutal vertrat. So hatte damals der Leiter der Reichsstelle für Naturschutz, Hans Klose,<br />
geäußert: „Wenn es einen Weg zum Erfolg gibt, dann nur durch die SS.“<br />
Waren die geistigen Großväter der GRÜNEN Nationalsozialisten?<br />
Die Akten beweisen, daß Umweltschutz nicht nur das Steckenpferd einiger, verbohrter Nazis war,<br />
sondern daß breite Schichten der Bevölkerung das Nazi-Regime in dieser Politik unterstützten. Es<br />
darf auch nicht verschwiegen werden, daß sich sogar Intellektuelle und Christen in diesen dunklen<br />
Jahren aktiv daran beteiligten. Doch nach dem Krieg bevorzugten die Tausenden Mittäter, über ihre<br />
Taten zu schweigen und hüllten dieses schreckliche Kapitel für Jahrzehnte in tiefes Schweigen.<br />
Wie konnte es geschehen, daß in einem kulturell so hochstehenden Land wie Deutschland der<br />
Umweltschutz so eklatant und gnadenlos betrieben wurde? Noch bis kurz vor Kriegsende ließen die<br />
SS-Schergen nicht locker, sich für Naturschutzgebiete einzusetzen, und daß, obwohl jedem<br />
vernünftigen Menschen doch längst offensichtlich war, daß der Krieg verloren war.<br />
Aufgedeckt: Breite Schichten der NS-Bevölkerung betrieben<br />
Umweltschutz.<br />
Es wäre zu bequem, sich aus der Verantwortung zu stehlen, denn die historischen Fakten, die jetzt<br />
erst zu Tage gekommen sind, sprechen eine eindeutige Sprache. Nicht nur einzelne, brutalisierte<br />
Nazi-Fanatiker, sondern Hunderttausende Deutsche waren direkt in den Umweltschutz involviert.<br />
Wer es sehen wollte, konnte es sehen: bei abendlichen Spaziergängen durch Naturparks, beim<br />
Spielen in Gartenanlagen, in den neuen Stadtparks – fast jede Gemeinde verfügte nun über<br />
Naturanlagen. An Sonntagen gingen die Deutschen in diesen Nazi-Parks spazieren, und anschließend<br />
gab es für die Täter Kaffee und Kuchen im Familienkreis. Der Zynismus der Täter war nicht mehr zu<br />
überbieten.<br />
Die Öffentlichkeit reagiert entsetzt. Über Jahrzehnte hinweg wurde dieses dunkle Kapitel der<br />
deutschen Geschichte beschwiegen, aus Scham über die eigene Mitschuld am Umweltschutz. Die<br />
Deutschen haben die moralische Pflicht gegenüber den Opfern des Umweltschutzes, dieses Kapitel<br />
unserer Geschichte vorbehaltlos und konsequent aufzuarbeiten. Die Deutschen haben die Pflicht zur<br />
Wiedergutmachung, nicht nur gegenüber den zahllosen Opfern, sondern auch um der selbst willen.<br />
Denn wer die Geschichte nicht kennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen.<br />
358
Die Bildungslüge: Eine Anklage staatlicher<br />
Phantasielosigkeit<br />
Geschrieben von: Michael Schulz<br />
Dienstag, den 02. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Wenn man internationalen Untersuchungen glaubt, bekommt man ein niederschmetterndes Bild des<br />
deutschen Bildungssystems. Es ist unterfinanziert, benachteiligt „Schüler mit Migrationshintergrund“,<br />
hat unmotivierte Lehrer und es fällt zuviel Unterricht aus. Das Ergebnis der Pisa-Studie hat die Politik<br />
zu inkompetenten Schnellschüssen verleitet. Die Ganztagsschuloffensive, Diskussionen über<br />
Vorschulen, Vergleichsarbeiten und das Zentralabitur sind die berühmtesten Beispiele. Gebracht hat<br />
es nichts. Die Politiker, die zum großen Teil schon seit Jahrzehnten aus der Schule raus sind haben<br />
keine Ahnung von dem heutigen Schulleben und den Problemen dort.<br />
Die auffälligste Neuerung ist, dass jetzt landauf landab Ganztagsschulen aus dem Boden gestampft<br />
werden oder normale Schulen in solche umgewandelt werden. Auch der Vorschlag, Vorschulen<br />
einzurichten oder das Bildungssystem dem französischem anzugleichen, zeugt davon, dass die<br />
Verantwortlichen denken: mehr Unterricht führt zu besseren PISA-Ergebnissen. Dabei übersehen sie<br />
allerdings einen sehr fundamentalen Punkt. Ein Schüler ist ein Mensch, keine Maschine. Die<br />
Konzentrationsfähigkeit eines Schülers nimmt nach einiger Zeit ab. Und zudem würde eine<br />
Ganztagsschule sämtliche Nachmittagsunternehmungen wie z.B. Sportverein oder Musikverein einen<br />
Riegel vorschieben. Die Auswirkungen davon kann sich jeder vorstellen. Zudem wird übersehen, dass<br />
Ganztagsunterricht bereits gang und gebe ist. Der Nachmittagsunterricht an Gymnasien ist so<br />
umfangreich, dass sich ein Schüler sehr veräppelt vorkommt, wenn gefordert wird, doch endlich eine<br />
Ganztagsschule einzuführen.<br />
Ein Leben in der Schule und für die Schule?<br />
Ein Gymnasiast, der 10 Stunden an einem Tag hat, kann unter Umständen erst gegen 18.00 nach<br />
Hause kommen. Wenn er Pech hat, muss er noch Hausaufgaben machen und eventuell kann sich das<br />
hinziehen. So ist er am Abend fertig, kann ein paar Brote essen und muss sich dann wieder in sein<br />
Zimmer verkrümeln, um für eine Arbeit, die bald ansteht, etwas zu lernen. So kann ein 14-jähriger<br />
Schüler auf einen 13 Stunden Arbeitstag kommen. Dass er nach 15 Uhr nachmittags Kopfschmerzen<br />
bekommt und beim besten Willen nicht mehr den Unterrichtsstoff verarbeiten und verstehen kann,<br />
wird ausgeklammert. Dass dabei keine Zeit für soziale Betätigung bleibt, für den Sportverein und den<br />
Musikverein, liegt auf der Hand.<br />
Das deutsche Schulsystem ist schlecht?<br />
Ein überforderter Schüler? Vor allem linke Politiker verteufeln das deutsche Bildungssystem. Sie<br />
wollen eine einheitliche Schule für alle und versprechen sich davon bessere Schulabschlüsse. Über<br />
alle Kulturgrenzen hinweg helfen die guten Schüler aufopferungsvoll den schwachen und den armen<br />
benachteiligten Migranten. Diese Vorstellung ist völlig weltfremd, es gibt nun einmal lernstärkere<br />
und lernschwächere Schüler. Wenn diese zusammen in einer Klasse sitzen, kann der Unterricht nur<br />
so schnell, wie das langsamste Glied ist, sein und folglich würde das Niveau extrem stark absinken<br />
und genau das Gegenteil des erhofften Effekts wäre der Fall. Das heutige System trennt gute,<br />
mittlere und schlechte Schüler, sodass jeder genau das Lerntempo wählen kann, was ihm am meisten<br />
zusagt. Ein Nebeneffekt ist, dass sich die Migranten hauptsächlich auf der Hauptschule wieder finden<br />
und sich dort gegen die bösen deutschen Streber vom Gymnasium verbünden. Der naive Politiker<br />
359
denkt sich, man könne jetzt die hauptsächlich deutschen Gymnasiasten dazu bringen, dass sie in<br />
einer Gemeinschaftsschule den schlechten Migranten aufopferungs- und liebevoll helfen.<br />
Jedoch hat ein guter Schüler erstens keine Zeit sich ständig um Mitschüler zu kümmern und zweitens<br />
sind die Migranten, die an Hauptschulen lernen, selten willig in der Schule weiterzukommen bzw.<br />
sich zu integrieren. Drittens kann auch die beste Hilfe aus einem schwachen keinen starken Schüler<br />
machen. Und viertens haben die meisten Gymnasiasten einen nicht wirklich großen Antrieb in einem<br />
solchen System sich so missbrauchen zu lassen.<br />
Das Mentalitätsproblem<br />
Wenn die Zustände an einer Schule schlimm sind, hängt das größtenteils mit den Schülern<br />
zusammen. Sind die Schüler motiviert und macht es ihnen Spaß, ist alles prima, wenn nicht, dann<br />
nicht. Dass der Ausländeranteil an Hauptschulen so hoch ist, hat viele Ursachen. Ein Punkt sind die<br />
häufig mangelnden Sprachkenntnisse, das ist aber kein Versäumnis des Staates, sondern der<br />
Ausländer selbst. Häufig wollen die Migranten gar nicht gut in der Schule sein, lieber hängen sie<br />
abends mit den Kumpels am Bahnhof rum und belästigt berufstätige Pendler.<br />
Dort muss der Staat die Daumenschrauben anlegen. Wer nicht lernwillig ist, muss richtig Ärger<br />
bekommen, egal ob es sich um deutsche oder ausländische Schüler handelt. Wer im Unterricht<br />
andauernd stört und sich völlig verweigert, muss gezwungen werden etwas zu machen. Wer sich<br />
nicht in die Gesellschaft einordnen will und als Berufswunsch Hartz 4 angibt, der schadet allen.<br />
Die Lösung<br />
Das deutsche Schulsystem lässt sich mit einfachen Methoden, die auch schon zum Teil erprobt<br />
worden sind, grundlegend verbessern:<br />
Viele Eltern sind heutzutage mit der Erziehung ihrer Kinder zu nachgiebig, erfüllen jeden Wunsch und<br />
lassen sie z.B. den ganzen Tag fern schauen. Dadurch gehen den Kindern viele wichtige Kompetenzen<br />
verloren, vom einfachen Erzählen bis hin zu Schuhe binden, sind viele Kinder überfordert. Eine<br />
Kindergartenpflicht würde dort helfen, sie würde die sozialen Kompetenzen der Kinder fördern.<br />
Zudem könnten Erzieherinnen (oder auch Erzieher) schon früh Defizite erkennen und die Eltern<br />
darauf ansprechen. Leider ist das Defizit bei manchen Kindern im Bereich Sprache/Verständnis oder<br />
auch in der Disziplin so groß, dass eine Vorklasse, sozusagen eine 0. Klasse diejenigen auf die Schule<br />
vorbereitet, die noch nicht schulreif sind.<br />
Im Grundschulalter werden häufig die Weichen für das spätere Leben gestellt, ob man Akademiker<br />
wird, ob man übergewichtig wird, ob man später kriminell wird. Hier ist es wichtig den Schülern die<br />
grundlegenden Werte der Gesellschaft zu vermitteln und sie auch durch mehr bzw. intensiveren<br />
Sportunterricht bei körperlicher Gesundheit zu halten. Zwei, drei Unterrichtsstunden pro Woche<br />
zusätzlich für solche Dinge hätten einen durchschlagenden Erfolg.<br />
Nach der Wahl der Sekundarschule fängt der spezialisierte Lernprozess an. Viele Schüler werden<br />
durch, in ihren Augen unnötigen, weltfremden Unterrichtstoff demotiviert, sie denken „Wozu muss<br />
ich das wissen?“ Hier sollte der Lehrplan auf den Inhalt überprüft werden und entsprechend<br />
überarbeitet werden. In diesem Zusammenhang sollte auch Kritik von Schülerseite an Lehrkräften<br />
ernst genommen werden.<br />
Wenn diese Punkte umgesetzt werden würden, hätte das deutsche Bildungssystem im<br />
internationalen Vergleich deutlich mehr zu lachen.<br />
360
Demokratie und Privatheit<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Dienstag, den 02. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Ansicht, daß Freiheit und Demokratie immer einher gehen und sich gegenseitig bedingen,<br />
zerbröckelt langsam. Am Beispiel des Eingriffs in die Privatsphäre zeigt Wolfgang Sofsky in<br />
„Verteidigung des Privaten“, wie demokratische Staaten die Freiheit der eigenen Bürger verletzen. In<br />
westeuropäischen Staaten und den USA wird insbesondere der Sicherheitssektor darauf<br />
ausgerichtet, alle Bürger überwachen zu können. Die Bestrebungen der Staaten gehen dahin, auch<br />
den virtuellen Raum, das Internet, sicher zu machen. Warum Demokratie und Schutz der Privatheit<br />
langfristig nicht zusammenpassen, analysiert Felix Menzel.<br />
„Dem entspricht, daß das Private unter ideologischem Verdacht steht. Unpolitische Bekenntnisse,<br />
Wahlabstinenz, Gleichgültigkeit gegenüber dem Machttheater, Verweigerung des Applaus – dies<br />
zählt als Verrat an der Demokratie.“<br />
Indem die Bürger den Staat durch Wahl legitimieren, entstehen auf beiden Seiten; auf der des<br />
Staates und auf der der Bürger; Erwartungen. Die Bürger erwarten vom Staat Sicherheit und<br />
Wohlstand und gehen stillschweigend davon aus, daß der Staat dies erfüllen kann, ohne ihnen<br />
individuelle Freiheitsrechte einzuschränken. Der Staat erwartet im Gegenzug die Anerkennung seines<br />
Gewaltmonopols und die Erfüllung der Steuerpflichten. Der Staat treibt Steuern ein, ohne eine<br />
direkte Gegenleistung zu erbringen.<br />
„Für die Elite ist die Beschränkung des Privaten ein Gebot des Überlebens.“<br />
Um die Erwartungen der Bürger erfüllen zu können, muß der Staat auf alles gefaßt sein. Es entwickelt<br />
sich eine gefährliche Aufladung in Form einer gegenseitigen Beobachtung. Der Staat beobachtet<br />
seine Bürger, damit diese in Sicherheit leben können, niemand aus der Gesellschaft heraus einen<br />
Umsturzversuch wagt und somit die Kompetenzen des Staates nie in Frage gestellt wird.<br />
„Auch Demokratien sind zu Hetzjagden und Schnüffelkampagnen imstande. Doch steht die politische<br />
Klasse selbst unter ständiger Beobachtung.“<br />
Im Falle eines aufmerksamkeitswirksamen, wenn auch nicht erfolgreichen, Schlages gegen den Staat<br />
besteht für die demokratisch gewählte Regierung die Gefahr einer Machtablösung aufgrund des<br />
Vorkommnisses und der kurzen Legislaturperioden. Die Bürger beäugen die Regierung kritisch, um zu<br />
prüfen, ob sie es wert ist, noch einmal das Vertrauen zu bekommen. Die gegenseitige Beobachtung<br />
führt zu Mißtrauen und Mißtrauen ist der Grund für härtere Sicherheitsmaßnahmen. In den letzten<br />
Jahren wurden diese immer subtiler und für viele, die überwacht werden, gar nicht mehr<br />
wahrnehmbar.<br />
„Demokratie heißt: Herrschaft einer politischen Elite im Namen des Volkes, manchmal für, manchmal<br />
gegen, aber immer über das Volk. Und jede Herrschaft hat die natürliche Neigung, die Observation<br />
der Untertanen auszudehnen. Das wird zeitweise durch den Rechtsstaat gezügelt, aber das Recht ist<br />
selbst nur ein Mittel der Macht.“<br />
Freiheit und Demokratie haben sich entzweit. Die demokratisch legitimierten Regierungen leiden<br />
unter der Abhängigkeit von der Masse. Zwangsläufig müssen sie eine Politik mit hoher Zeitpräferenz<br />
einer kontinuierlichen und nachhaltigen vorziehen. Herrscher und Beherrschte sind gleichermaßen<br />
einem System, der Struktur „Demokratie“ unterworfen. Deshalb kann der Einzelne kaum zur<br />
361
vollkommenen Entfaltung kommen. In Deutschland muß der Einzelne die Hälfte seiner Arbeitszeit für<br />
den Staat schuften, wenn er denn brav seine Steuern bezahlt.<br />
„Unter dem Vorwand, es sei doch nur zu ihrem Besten, mischt sich der moderne Staat in alles ein,<br />
und zwar auch gegen den ausdrücklichen Willen der Untertanen.“<br />
Die Lösung des Dilemmas der Demokratie liegt nicht in einer Neuauflage einer Despotie und auch<br />
nicht in einer anders gearteten Demokratie, etwa einem plebiszitären System. Die Frage nach einer<br />
Gesellschaftsordnung nach dem Zeitalter der Demokratie ist ungelöst. Was tritt nach dem nächsten<br />
großen politischen Erdbeben, welches die Welt in ihren Grundfesten erschüttert, an die Stelle der<br />
Demokratie? Die Stunde der Wahrheit wird es zeigen, vorbereitet auf diesen Augenblick ist allerdings<br />
niemand.<br />
362
Gentechnisch manipuliertes Essen? Nein Danke!<br />
Geschrieben von: Yasmin Lüttke<br />
Montag, den 08. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Dreiviertel aller Deutschen lehnen „Grüne Gentechnik“ ab, gar 90 % haben arge Bedenken<br />
gentechnisch veränderte Pflanzen zu verzehren. Der Widerstreit, der in der etablierten Politik<br />
entfacht ist, wird der eigentlichen Gefahr jedoch kaum gerecht. Viel zu oft ist die Positionierung<br />
gegen Gentechnik auf deutschen Feldern reiner Populismus, viel zu oft verfliegen gute Ansätze im<br />
Bürokratiewahnsinn.<br />
Alle Sicherheitsmaßnahmen, alle Kennzeichnungen der Produkte aus gentechnisch veränderten<br />
Pflanzen nutzen wenig, wenn der Einsatz von Gentechnik auf unseren Feldern nicht gänzlich<br />
verboten wird. Man muss sich der Gefahr bewusst werden: Jede gepanschte Pflanze, die ausgesetzt<br />
wird, ist nicht isoliert. Alleine durch Pollenflug und Insekten wird man mit der Gefahr konfrontiert,<br />
dass sich Erbmaterial weiter verbreitet. Somit gibt es keine dauerhafte Koexistenz zwischen<br />
manipulierten und nicht-manipulierten Pflanzen. Auch die Entscheidungsfreiheit beim Einkaufen wird<br />
uns als Verbrauchern genommen. Und das ist eigentlich der Hauptpunkt, den man in Politik und<br />
Medien gern heranzieht. Der Verbraucher könne doch weiterhin selbst entscheiden. Paradox an den<br />
ganzen Machenschaften ist die Tatsache, dass niemand für die möglichen Schäden der gentechnisch<br />
veränderten Pflanzen aufkommen will – nicht die Versicherung, nicht der Bauer und schon gar nicht<br />
der internationale Großkonzern.<br />
Schon gehört? BIO-Produkte halten nicht das, was sie versprechen. Die Stiftung Warentest hat<br />
herausgefunden, daß viele BIO-Produkte sogar noch schlechter sind als normale.<br />
Wer denkt, dass durch Gentechnik die Ernährungsprobleme der Erde gelöst werden, der irrt gewaltig.<br />
Veränderte Pflanzen können patentiert werden. Und genau da liegt der Knackpunkt. Ein<br />
internationaler Großkonzern erwirbt das Patent auf eine Sorte und die Bauern wiederum sind<br />
gezwungen Saatgut bei diesem einen Konzern zu kaufen. Dem Patentinhaber öffnen sich riesige<br />
Möglichkeiten der Marktbeherrschung. Der Auf deutschen Feldern geht es längst nicht mehr idyllisch<br />
zu.Bauernstand gerät in eine Abhängigkeit vom Lieferanten seines Saatgutes, denn die Pflanzen sind<br />
steril, produzieren also selbst keine nutzbaren Samen mehr. Die Patente können sich nur große<br />
Konzerne leisten, mittelständische Unternehmen haben auf kurz oder lang keine Existenzmöglichkeit<br />
mehr. Was auf deutschen Feldern angebaut wird, bestimmen dann nur noch Großkonzerne – was auf<br />
der ganzen Welt angebaut wird, bestimmen nur noch Großkonzerne. Und dass sie sich nicht nach<br />
den Bedürfnissen der Armen und Hungernden richten, sondern ausschließlich nach dem erzielbaren<br />
Gewinn, liegt auf der Hand.<br />
Bei der Gentechnik wird über Artgrenzen hinweg Erbgut ausgetauscht und verändert. Im Endeffekt<br />
bedeutet dies, dass der Tomatensalat bald mit Ratten-Genen „aufgepeppt“ sein kann. Da wünschen<br />
wir: Guten Appetit! Und wie „isoliert“ diese Pflanzensorte wäre, wurde eben geschildert. Wem das<br />
alles egal ist, der ist Wegbegleiter der großkapitalistischen Marktbeherrschung, der verrät die Heimat<br />
und die unzähligen Bauern, die seit Jahrtausenden die Lebensgrundlage unseres Volkes darstellen.<br />
Und erst dann, wenn die Preise ins Unermessliche steigen und die Qualität ins Bodenlose sinkt, wird<br />
der Dumme von heute aufwachen, machtlos in seiner Dekadenz versinken<br />
363
Pazifismus der Gedanken ODER die Schwäche des Geistes<br />
der heutigen Jugend<br />
Geschrieben von: Tim Erhardt<br />
Mittwoch, den 10. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Jugend eines Landes war seit jeher Ausgangspunkt innovativer Ideen, manchmal sogar solcher,<br />
die zu einem sozialen oder politischen Umbruch führten. Doch um solche Gedanken reifen zu lassen,<br />
waren schon immer Werte und Ideale von Nöten, die die Jugend beflügeln und antreiben konnten. Es<br />
waren Dinge wie Stolz, Ehre und Selbstbewusstsein, die sie dazu trieben, die Anstrengungen auf sich<br />
zu nehmen, den Versuch zu wagen und ihre Ziele zu erreichen. Doch leider muss man sagen, dass<br />
vieles davon der Geschichte angehört, in der man diese Bestrebungen finden kann.<br />
Die Moderne hat diese Art Engagement fast völlig ausgelöscht. Die heutige Zeit hat mit ihrer<br />
Rundumversorgung mit Konsumgütern, die keine Wünsche offen lassen, sowie Dumm- und Faulheit<br />
propagierenden Medien, die eine Illusion totaler Befriedigung und idealer Lebensumstände schaffen,<br />
der Jugend jeglichen Anlass und alle Motivation zum selbständigen Denken genommen. Wozu auch?<br />
Man lebt gut, es ist eine heile Welt!<br />
Was soll man denn verändern? Und selbst wenn Missstände auffallen, warum sollte man versuchen<br />
dagegen vorzugehen. Eine Gleichgültigkeit schlimmster Form hat sich in vielen Köpfen verbreitet.<br />
Und diese Gleichgültigkeit ist es, die den Pazifismus der Gedanken heraufbeschwört. Wer für nichts<br />
eintritt, kann auch nicht dafür kämpfen, und will es auch nicht. Und dieser nicht vorhandene Wille ist<br />
es, der zu der Annahme führt, das auch das höchste zu verteidigende Gut des menschlichen Geistes,<br />
die eigenen Gedanken und Ideen, der schwächlichen Überzeugung des Pazifismus anheim gefallen<br />
sind. Denn ist es nicht wichtig, für die eigenen Ideale einzutreten? Die eigene Anschauung zu<br />
entwickeln und zu fördern? Andere von seinen Vorstellungen zu überzeugen? Doch um dies zu<br />
erreichen ist Kampf notwendig.<br />
Wer will heute noch die Welt verändern - und zwar richtig?<br />
Kein offener Straßenkampf, mit Fäusten oder Waffen, nein, gemeint ist der Kampf des Geistes, eben<br />
jener Kampf, der um die Köpfe der Menschen geführt wird. Der Kampf um Ideale, Werte und Ideen,<br />
nicht um die bloße Zustimmung zu stumpfer Politik. Es ist mehr als Politik. Doch gerade dieser Kampf<br />
wird heute zu selten gefochten – bedingt durch den Nichtwillen dazu, den geistigen Pazifismus.<br />
Und auch sollte sich mal ein Wille zeigen, wie beständig ist er? Ist es nicht meist so, das Ideen und<br />
Bestrebungen heute meist schon im Keim erstickt werden? Das ist es, was mit Schwäche des Geistes<br />
gemeint ist: die Unfähigkeit, seine eigenen Vorstellungen gegenüber anderen zu bewahren und zu<br />
erhalten, sich seine Gedanken nicht verbieten zu lassen und die eigene Meinung frei und ohne Scham<br />
nach außen zu tragen, auch wenn es mögliche Konsequenzen zur Folge haben könnte. Denn wären<br />
die Denker früherer Zeiten unter dem Druck anderer und deren Propaganda zusammengeknickt,<br />
dann wäre vieles, was erreicht wurde, wohl nie Realität geworden. Diese Überlegungen über Druck<br />
und Zwang als auch der Nichtwille führen uns nun wieder zum Ausgang zurück. Wir können all dies<br />
bei den Jugendlichen von heute nachweisen.<br />
Konsum, Konsum und noch einmal Konsum. Die Einstellung hat eine Null-<br />
Bock-Mentalität hervorgebracht.<br />
Der Nichtwille wird geschürt durch die „Scheiß-Egal-Stimmung“, die durch Konsumgesellschaft und<br />
abstumpfenden, nicht produktivitätsfördernden, ja gerade zu verdummenden und<br />
364
kulturschädigenden Unterhaltungsangebote der modernen Zeit hervorgerufen wird. Die Schwäche<br />
äußert sich in Ängsten und Befürchtungen, sich bei manchen Menschen unbeliebt zu machen durch<br />
seine Äußerungen und deshalb an Popularität zu verlieren. Wenn es nicht gerade dazu dient, ihr<br />
Ansehen in der Allgemeinheit zu steigern, ergeben sich Jugendliche in Wohlgefallen und suchen<br />
keine Herausforderungen mehr.<br />
Die Dekadenz hat ihre Kämpfernatur begraben, die Angst ihren Willen zersetzt. Es gibt nur noch eine<br />
Minderheit, die noch daran glaubt, etwas bewegen zu müssen und zu können. Damit bleibt ein Rest<br />
Hoffnung, das diese Minderheit überzeugen kann, und den Schneid hat, die Augen auf zu machen<br />
und den Geist aus der weinerlichen Schwäche zu heben und ihn zu entwickeln, damit wieder Großes<br />
von der jungen Generation ausgehen kann.<br />
365
Zum 90. Todestag von Walter Flex<br />
Geschrieben von: Simon Meyer<br />
Mittwoch, den 10. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Am 16. Oktober 20<strong>07</strong> jährt sich nun der Todestag des Schriftstellers zum neunzigsten Male. Grund<br />
genug, Rückschau zu halten auf das Leben und Wirken eines Mannes, der eine der bedeutendsten<br />
literarischen Schöpfungen über den Ersten Weltkrieg hinterlassen hat. In keinem anderen Werk von<br />
Rang spiegelt sich die Geisteshaltung der kriegsfreiwilligen jungen Intellektuellen von 1914 in<br />
gleichem Maße wieder wie in den Gedichten und Erzählungen von Walter Flex.<br />
Flex erblickt am 6. Juli 1887 im thüringischen Eisenach – im Schatten der Wartburg – das Licht der<br />
Welt. Der Schatten der Wartburg wird ihn und sein Werk prägen. Neben einem glühenden<br />
Patriotismus ist die Gewißheit des sinnhaften Eingebundenseins in die göttliche Schöpfungs- und<br />
Heilsordnung zentral für die Werke des Autors.<br />
Bereits als Schüler waren die Anlagen zum Dichter, zum jugendlichen<br />
Kampfgeist und patriotischen Idealismus bei Flex ausgebildet.<br />
Schon während seiner Schulzeit am Eisenacher Karl-Friedrich Gymnasium verfaßt Flex eine Reihe von<br />
Gedichten und versucht sich auch an einigen Dramen, die teilweise an seinem Gymnasium aufgeführt<br />
werden. Unmittelbar nach bestandenem Abitur immatrikuliert er sich für das Sommersemester 1906<br />
an der Universität Erlangen, um dort und später auch in Straßburg Germanistik und Geschichte zu<br />
studieren. Die während der Studienzeit verfaßten Werke werden erstmals veröffentlicht. Das Drama<br />
„Demetrius“ wird 1909 im Eisenacher Stadttheater aufgeführt.<br />
Nach seiner Promotion in Erlangen mit dem Titel „Die Entwicklung des tragischen Problems in den<br />
deutschen Demetriusdramen von Schiller bis auf die Gegenwart“ ist Flex zunächst als Hauslehrer bei<br />
der Familie Bismarck tätig. Hier beginnt er unter dem Titel „Zwölf Bismarcks“ eine Sammlung von<br />
Novellen, die historische Ereignisse zum Anknüpfungspunkt für Erzählungen über verschiedene<br />
Mitglieder der Familie Bismarck wählt, welche 1913 erstmals publiziert wird.<br />
Seine Tätigkeit als Hauslehrer, zuletzt bei der Familie des Freiherrn von Leesen, wird jäh<br />
unterbrochen durch die Schüsse von Sarajevo, die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien<br />
und den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Flex, bislang ungedient, meldet sich freiwillig und tritt in<br />
das 3. Niederschlesische Infanterie-Regiment Nr. 50 ein. Das Regiment liegt in Lothringen, wo Flex bis<br />
zum Frühjahr 1915 zunächst als Musketier, sodann als Gefreiter, die Stellungskämpfe durchlebt.<br />
Persönlicher Drang nach dichterischer Selbstverwirklichung und Einsatz<br />
für die Gemeinschaft<br />
Flex macht sich rasch einen Namen durch zahlreiche Gedichte, vor allem durch Kriegsgedichte. Die<br />
publizierte Lyrik, anfangs einzeln in Zeitschriften, sodann zuerst unter dem Titel „Volk in Eisen“ kurze<br />
Zeit später als erweiterte Sammlung „Sonne und Schild“ veröffentlich, erweckt auch Wohlwollen an<br />
höherer Stelle. Flex erhält noch als Gefreiter in Lothringen als Auszeichnung seiner Lyrik den Roten<br />
Adlerorden mit der Krone verliehen.<br />
Seinen eigentlichen Ruhm als Schriftsteller begründet aber seine Erzählung „Der Wanderer zwischen<br />
beiden Welten“. Neben Jüngers „Stahlgewittern“ und Remarques „Im Westen nichts Neues“ stellt<br />
diese Erzählung die bekannteste literarische Verarbeitung der eigenen Fronterlebnisse des Ersten<br />
Weltkrieges dar. Anders als die vorgenannten wird die Erzählung noch während des Krieges<br />
veröffentlicht wird und macht Flex in weiten Kreisen einen Namen als Schriftsteller. Die Erzählung<br />
366
erschien in zwei Jahren in neununddreißig Auflagen. Bis zum Erscheinen einer Werkausgabe waren<br />
über 250.000 Exemplare verkauft.<br />
Flex steht, im Anschluß an die im Wanderer geschilderte Zeit bis zum Sommer 1917 im Stellungskrieg<br />
an der Ostfront. Er findet Gelegenheit, ein weiteres Drama zu verfassen, bevor er im Juli 1917 nach<br />
Berlin kommandiert wird, um dort an der Abfassung eines kriegsgeschichtlichen Werkes beim<br />
Großen Generalstab mitzuwirken. Ende August 1917, ist er wieder bei seinem Regiment und nimmt<br />
an der Offensive in Kurland teil.<br />
Flex ist einer der 23.000 Männer, die am 11. Oktober 1917 als Soldaten der 42. Reservedivision und<br />
einer Radfahrerbrigade unter General von Kathen vom Libauer Hafen aus unter dem Schutz der<br />
Kaiserlichen Hochseeflotte mit Kurs auf die Baltischen Inseln in See stechen. Einen Tag später landet<br />
er mit einem Großteil der Truppen auf der Insel Ösel. Die Kämpfe zu Lande und zu Wasser sind<br />
nochmals hart, der russische Widerstand ist aber innerhalb von weniger als zwei Wochen gebrochen.<br />
Die Niederlage kennzeichnet auch das Ende des organisierten Kampfes der russischen Armee. Diese<br />
zerfällt im Chaos der Revolution.<br />
Die Ereignisse um den Tod von Walter Flex sind in einer Reihe von brieflichen Mitteilungen detailliert<br />
erhalten. Auf dem Gutshof Peudehof hatte sich eine größere Anzahl Russen samt Bagagewagen<br />
gestaut. Bei dem Versuch der von Leutnant Flex geführten Kompanie, diese Truppen gefangen<br />
zunehmen, fallen vereinzelte Schüsse. Eine Kugel trifft Leutnant Flex, die ihm den Zeigefinger der<br />
rechten Hand abreißt und in den Unterleib eindringt. Unmittelbar nach der Verwundung, strecken<br />
die russischen Soldaten die Waffen.<br />
In dem ebenfalls in deutsche Hände gefallenen Feldlazarett befanden deutsche und russische<br />
Militärärzte eine Operation aufgrund des starken Blutverlustes für ausgeschlossen. Flex diktiert<br />
seinem Burschen noch folgende Zeilen an seine Eltern „Liebe Eltern! Diese Karte diktiere ich, weil ich<br />
am Zeigefinger der rechten Hand leicht verwundet bin. Sonst geht es mir sehr gut. Habt keinerlei<br />
Sorge. Viele herzliche Grüße! Euer Walter.“<br />
Danach verlassen ihn zunehmend die Kräfte. Den letzten Besuch erhält Flex am Vormittag des Tages<br />
nach seiner Verwundung durch den Divisionspfarrer von Lutzki. Am frühen Nachmittag des 16.<br />
Oktober 1917 stirbt Walter Flex. Die Beisetzung findet auf dem Dorffriedhof von Peude statt. Da das<br />
Regiment am Abend vorher einen neuen Marschbefehl erhielt, konnte nicht wie ursprünglich<br />
beabsichtigt, das gesamte Regiment an der Bestattung teilnehmen. Nur neun Soldaten seiner<br />
Kompanie nebst einigen Militärärzten waren zugegen.<br />
367
Im Gespräch: Henryk M. Broder<br />
Geschrieben von: BN-Redaktion<br />
Mittwoch, den 10. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der jüngst mit dem Ludwig-Börne-Preis 20<strong>07</strong> ausgezeichnete Journalist und Buchautor, Henryk M.<br />
Broder, übt immer wieder heftige Kritik am Islam und dem Umgang der westlichen Welt mit ihm.<br />
Broder schreibt hauptsächlich für den Spiegel und beteiligt sich an dem bekannten Weblog „Die<br />
Achse des Guten“. Im Gespräch mit blauenarzisse.de nimmt er Stellung zu den Wesenszügen des<br />
Islams, zu Konvertiten, die im Islam eine neue Heimat suchen, und zur Gefahr der Islamisierung<br />
Europas.<br />
<strong>Blaue</strong>narzisse.de: Was macht den Islam so attraktiv für Konvertiten?<br />
Broder: Ich glaube, dass nach dem Zusammenbruch des Sozialismus eine Art von Vakuum entstanden<br />
ist. Die einen haben keine Mündel mehr, die sie beschützen können. Die Linke braucht also neue<br />
Objekte, um die sie sich kümmern kann. Andere, leicht ich-schwache und verunsicherte Menschen<br />
haben einen festen Boden gefunden. Die Idee des Sozialismus, der Gleichheit, der gerechten<br />
Gesellschaft, das ist ja alles weitgehend dahin. Nun kommt eine neue Ideologie daher, diesmal eine<br />
Religion, und bietet den Menschen einen festen Halt. Man muss wenig dafür tun, praktisch nur 5<br />
Gebote erfüllen, und schon ist man aufgehoben. Das eigene Leben ist geregelt, und man ist Teil einer<br />
großen Gemeinschaft. Ich glaube, dass kommt vielen sehr attraktiv vor.<br />
Aber nun sind viele der Konvertiten Westdeutsche, nicht Ostdeutsche, die direkt vom Zusammenbruch<br />
des Sozialismus betroffen sind.<br />
Das bestätigt ja nur, was ich sage. Ich glaube, dass die Westdeutschen immer ein Bedürfnis hatten<br />
nach irgendeiner Art von leitender Hand, die ihnen vom Staat oder von der Gesellschaft nicht<br />
geboten wurde, während die Ostdeutsche ein Übermaß davon immer genossen hatten und<br />
vermutlich glücklich waren, als diese Art von Bevormundung vorbei war. Gucken Sie sich mal die<br />
Zusammensetzung der PDS-Fraktion im Bundestag an: da gibt es inzwischen mehr Westdeutsche als<br />
Ostdeutsche, und vor allem die Wortführer der Fraktion, von Gysi einmal abgesehen, sind alles<br />
Westdeutsche. Das ist eine ganze Rentnertruppe: die ehemalige Chefredakteurin des Hessischen<br />
Rundfunks ist dabei, ein pensionierter Völkerrechtler aus Hamburg und noch einige andere Leute, die<br />
endlich die Bestimmung ihres Lebens gefunden haben, die ihnen in der Bundesrepublik nicht geboten<br />
wurde. Also, ich glaube in der Tat, dass dieses Vakuum, dass durch den Zusammenbruch des<br />
Sozialismus entstanden ist, für die Westdeutschen eine viel größere Katastrophe bedeutet hat als für<br />
die Ostdeutschen, die eher von der Entwicklung geheilt wurden sind, bis auf einen gewissen<br />
Prozentsatz von Leuten, die sich heute in Ostalgie träumen.<br />
Was meinen Sie, warum junge, entfremdete Türken in unseren Städten eher zu Islamisten als zu<br />
türkischen Nationalisten werden?<br />
Ja, das ist eine gute Frage, auf die habe ich keine gute Antwort. Auf die hat keiner eine gute Antwort.<br />
Wir stehen vor einem absolut rätselhaften Phänomen, warum die Kinder und Enkel der Einwanderer<br />
sich schwerer tun mit der Gesellschaft als ihre Eltern und Großeltern. Das ist ein absolut neues<br />
Phänomen in der Geschichte der Migration, und ich glaube, dass alle Erklärungen, die wir versuchen,<br />
nur Annäherungen sind und nicht das Problem selbst treffen. Ich kann darüber auch nur spekulieren,<br />
ich habe keine wirkliche Ahnung. Ich glaube nur, dass es vermutlich mit den Familien<br />
zusammenhängt, und dass irgendwann die Kinder in diesen Familien merken, dass sie nicht mithalten<br />
368
können aufgrund der familiären Bedingungen und aufgrund der Umstände, in denen sie<br />
aufgewachsen sind. Für diese Art der Benachteiligung, die objektiv existiert, wollen sie dann die<br />
Gesellschaft schuldig machen, weil es völlig unmöglich ist in diesem Milieu, die Eltern dafür<br />
verantwortlich zu erklären, schuldig zu machen. Der Respekt gegenüber den Eltern hält sich die<br />
Waage mit dem Bedürfnis zu rebellieren. Die Rebellion müsste eigentlich wie bei uns alten Männern,<br />
die 1968 stattgefunden hat, die Rebellion gegen das eigene Elternhaus sein. Das ist vollkommen<br />
unmöglich. Also wird diese rebellische Wut auf die Gesellschaft umgeleitet. Ich gebe zu, dass ist eine<br />
Spekulation, aber sie erscheint mir nachvollziehbar.<br />
In einem Interview hat die amerikanische Konservative Marcia Pally die europäischen mit den<br />
amerikanischen Einwanderergesellschaften verglichen und kam zu dem Schluss, das es diese<br />
Entfremdung, diese Rebellion in Amerika in der dritten Generation nicht gibt. Das sei ein typisches<br />
europäisches Phänomen, so Marcia Pally.<br />
Ja, also zum einen ist Marcia Pally keine Konservative. Sie ist eigentlich eine ziemliche Linke, aber das<br />
macht nichts, in diesem Fall könnte sie trotzdem Recht haben. Das scheint in der Tat ein<br />
europäisches Phänomen zu sein. In Amerika ist es weitgehend unbekannt. Das kann damit<br />
zusammenhängen, dass die Amerikaner sich schon immer als eine Einwanderungsgesellschaft<br />
verstanden haben, während wir das erst vor ein paar Jahren zugegeben und eingesehen haben. Aber<br />
es gibt noch einen anderen Grund, und der ist vielleicht wichtiger: Die Leute, die nach Amerika<br />
kamen, kamen aus anderen Motiven. Sie kamen, weil sie ein besseres Leben suchten, und weil sie<br />
wussten, dass sie in eine bessere Gesellschaft kommen. Die Einwanderer, die zu uns kommen,<br />
suchen zwar auch ein besseres Leben, aber ich glaube nicht, dass sie davon überzeugt sind, dass sie<br />
in eine bessere Gesellschaft kommen. Wir haben es auch zum ersten Mal in der Geschichte der<br />
Migration mit dem Phänomen zu tun, dass die Einwanderer die Gesellschaften, in die sie kommen,<br />
verachten – als sittenlos, als unmoralisch, als schwach und nachgiebig. Und sich in solche<br />
Gesellschaften zu integrieren macht von deren Standpunkt aus in der Tat wenig Sinn.<br />
Es gibt unter Islamwissenschaftler Debatten über Islam und Demokratie, Islam und Menschenrechte.<br />
Das gängige Argument von meist konservativen Islamkritikern lautet, dass im Islam Gesetz und<br />
Glaube, Autorität und Religion miteinander verschmolzen werden, was den Islam per se demokratieuntauglich<br />
mache. Halten Sie das für ein logisches Argument?<br />
Das ist ein absolut logisches und nachvollziehbares Argument, das schon deswegen sehr plausibel ist,<br />
weil es praktisch kein einziges islamisches Land gibt, das demokratisch wäre. Es gibt nur Abstufungen<br />
autoritärer oder totalitärer Herrschaft, und natürlich sind die Verhältnisse in Marokko oder in<br />
Tunesien besser als in Libyen oder im Sudan, aber im Prinzip gibt es kein einziges islamisches Land,<br />
was man vom Westen aus betrachtet als eine funktionsfähige Demokratie bezeichnen könnte. Und<br />
was einfach für den Islam gilt - das ist unbestreitbar – es hat keine Säkularisierung stattgefunden. Es<br />
hat nie eine Trennung von Glaube und Politik, Glaube und Privatleben stattgefunden. Ich halte das<br />
für eine völlig richtige Feststellung. Es gibt demokratische Moslems, ich habe bei verschiedenen<br />
Anlässen Muslime kennen gelernt, deren demokratische Grundhaltung unbestreitbar ist und die sich<br />
auch eher in demokratische Verhältnisse integrieren können als, sagen wir, aufmüpfige<br />
westdeutsche Linksrevolutionäre, aber es gibt keinen demokratischen Islam, das ist schon richtig,<br />
und es wird keinen demokratischen Islam geben, solange im Islam keine Säkularisierung, keine<br />
Trennung von Glaube und Politik stattgefunden hat.<br />
Vielleicht kurz zum Moscheebau in Pankow-Heinersdorf: diese Moschee wird die erste sein in<br />
Ostberlin. Nach Umfragen sind über 90% der Bevölkerung gegen den Moscheebau. Trotz heftiger<br />
369
Widerstände und Proteste zieht die Stadtverwaltung das Moschee-Projekt durch. Nun beschweren<br />
sich viele, und gerade ältere Ostdeutsche, “Das ist ja wie zu DDR-Zeiten! Das ist ja wie im<br />
Kommunismus. Hier gibt es keine Meinungsfreiheit, wir dürfen unseren eigenen Willen nicht mehr<br />
durchsetzen. Der Staat zwingt uns Dinge auf, die wir nicht wollen.” Was würden Sie diesen Leuten<br />
antworten?<br />
Dass sie mit ihren Beschwerden 20 Jahre zu spät kommen, dass ich all das gerne von Ihnen gehört<br />
hätte, solange die DDR noch existierte.<br />
Zum Thema Political Correctness. Die Political Correctness ist ja ein vielen Leuten verhasstes Dogma,<br />
das im Privaten gern belächelt wird. Aber nun wird es ja trotzdem durchgesetzt. Wie wird das<br />
durchgesetzt? Wer setzt das Prinzip durch, oder wie funktioniert dieser Mechanismus, wenn nur sehr<br />
wenige Leute dieses Prinzip eigentlich mögen?<br />
Das halte ich für eine weitverbreitete, höchstbeliebte, öffentliche Täuschung. Es gibt keine Political<br />
Correctness in der Bundesrepublik. Es gibt nur Leute, die mit ihren Ansichten nicht durchkommen<br />
und dann erklären, aufgrund der herrschenden Political Correctness kämen sie nicht zum Zuge. Das<br />
ist eigentlich das Alibi der Loser und der Leute, die sich nicht durchsetzen können. Es gibt so etwas<br />
überhaupt nicht in der Bundesrepublik. Ich weiß auch gar nicht, auf welches Phänomen es sich<br />
bezieht, außer dass man vielleicht nicht “Saujude” oder “Scheißaraber” sagen kann, was ich<br />
vollkommen richtig finde, dass es Grenzen gibt im Umgang miteinander, aber es gibt keine Political<br />
Correctness, die es den Menschen verbieten würde, ihre politischen Ansichten frei zu äußern. Diese<br />
Haltung ist Selbstbetrug.<br />
Was meinen Sie dann zum Demonstrationsverbot in Brüssel?<br />
Das war die Aktion eines sozialdemokratischen Bürgermeisters, der sich bei seiner Klientel<br />
ranschmeißen wollte, was er auch erfolgreich geschafft hat. Dieser Bürgermeister hat zum Beispiel<br />
auch seine Polizisten angewiesen, zum Ramadan auf der Straße nicht trinken, nicht zu essen, nicht zu<br />
rauchen, um die Gefühle der Moslems nicht zu verletzen. Nun könnte man das als Political<br />
Correctness ansehen, das ist es aber nicht. Es ist der schlichte Opportunismus eines regierenden<br />
Sozialdemokraten.<br />
Nun gibt es Leute, die meinen, das wäre die zukünftige europäische Politik. Nun, da die mehrheitlich<br />
muslimischen Einwanderer sich nicht zu Deutschen oder zu Franzosen machen lassen, werden viele<br />
Einwanderer lieber zu Europäern, weil sie von der EU mehr zu erwarten haben als von den<br />
Nationalstaaten, und deshalb werde Brüssel zukünftig zu einem Instrument der Islamisierung. Was<br />
halten Sie von diesem Argument?<br />
Das halte ich für ein hysterisches Argument. Es ist überhaupt noch nicht entschieden, wohin die<br />
Entwicklung geht. Es gibt seltsame, seltsame Geschichten, die in Europa passieren, aber die Frage ist<br />
noch längst nicht entschieden, ob es ein islamisiertes Europa geben wird. Das kann passieren, ich<br />
halte das durchaus für eine Möglichkeit. Aber das ist nicht die einzige Option, die wir haben. Und was<br />
von Brüssel ausgeht, ist eigentlich die Despotie des Bürokratismus, und was die alten europäischen<br />
Länder bisher gelernt haben, ist, dass immer, wenn sie etwas nicht entscheiden wollen, sie sich<br />
hinter Brüssel verstecken können. Egal was es ist, ob es nun Klimaregelungen sind oder politische<br />
Regelungen oder was auch immer: Ich halte inzwischen diesen Europagedanken für eine reine<br />
Ausredestrategie für Leute, die keine Entscheidungen treffen wollen. Aber im Prinzip wird die Frage,<br />
ob es eine Islamisierung gibt oder nicht, vor Ort entschieden, also in den Kommunen und<br />
Gemeinden. Ich habe gestern irgendwo einen rührenden Beitrag gesehen über einen interreligiösen<br />
370
Dialog, wo sich brave christliche Frauen mit muslimischen Frauen trafen. Der Anlass war nicht etwa,<br />
den Moslems Weihnachten beizubringen, sondern die Christen wollten mehr über den Ramadan<br />
lernen. So lange so etwas passiert, sehe ich die Gefahr einer Islamisierung, aber nicht durch die<br />
Entscheidungen einiger Bürokraten in Brüssel oder sonst wo in Europa.<br />
Was ist Ihre Meinung zu dem Netzforum “Politically Incorrect”. Kennen Sie das?<br />
Na sicher kenne ich das.<br />
Lesen Sie das manchmal, oder wie stehen Sie dazu?<br />
Ich lese es manchmal. Ich bin gelegentlich damit einverstanden, gelegentlich bin ich völlig auf der<br />
anderen Seite. Es ist mir völlig egal, was die machen. Es ist ein Angebot unter vielen.<br />
Diesen Leuten wird des öfteren Hysterie vorgeworfen.<br />
Das wird hier jedem vorgeworfen, der sich dazu äußert.<br />
Noch eine Frage zum Thema Dialog. Zum Beispiel “Politically Incorrect” kritisiert oft, dass in<br />
Deutschland viel zu viel Dialog betrieben wird. Unsere eigenen Meinungen und Vorstellungen<br />
kommen bei den Muslimen oft nicht an. Wir setzen nur auf Verständnis und Entgegenkommen.<br />
Meinen Sie, da ist etwas dran?<br />
Sicher. Es wird kein Dialog betrieben, es wird eine Form der Unterwerfung betrieben. Schauen Sie,<br />
wenn bei RTL II ein Film läuft über eine junge deutsche Frau, die im Ramadan in eine islamische<br />
Familie geht, in eine sehr sympathische islamische Familie, und wenn das als Integration ausgegeben<br />
wird, dann liegt ein Missverständnis vor. Es müsste eigentlich ein Film laufen über eine muslimische<br />
Frau, die Weihnachten in eine christliche Familie geht. Aber das würde keiner machen.<br />
Aber die meisten Menschen haben eigentlich gar keinen Kontakt zu Muslimen.<br />
Das stimmt nicht. Die meisten Menschen gehen bei ihrem Türken Gemüse einkaufen.<br />
Aber ist denn das wirklich Auseinandersetzung?<br />
Warum braucht man denn eine Auseinandersetzung? Ich habe auch keine Auseinandersetzung mit<br />
den Ossis. Ich lese über die auch nur in der Zeitung. Das reicht doch.<br />
Meinen Sie, das reicht als Grundlage für eine gemeinsame Gesellschaft?<br />
Ja. Dass man friedlich und ruhig nebeneinander lebt. Man muss sich nicht mit jedem verbrüdern und<br />
mit jedem auseinander setzen.<br />
Herr Broder, vielen Dank für das Interview.<br />
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Der Wanderer zwischen beiden Welten<br />
Geschrieben von: Simon Meyer<br />
Samstag, den 13. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
In seiner bekanntesten Erzählung „Der Wanderer zwischen beiden Welten“ beschreibt Flex seine<br />
Erlebnisse vom Frühjahr 1915 bis ins Jahr 1916 hinein. Vor dem Hintergrund der kriegerischen<br />
Ereignisse schildert Flex seine Freundschaft mit dem Wandervogel und Theologiestudent Ernst<br />
Wurche. Dessen Persönlichkeit steht stellvertretend für „den Geist jener Jugend (…), die Christentum<br />
und deutsche Kultur in den Schützengraben mit hinausnahm…“, wie der ältere Bruder des Autors,<br />
Konrad Flex, später feststellen wird. „Der Wanderer zwischen beiden Welten“ zählt zu den<br />
erfolgreichsten und meist verkauften deutschen Büchern des 20. Jahrhunderts.<br />
Die Erzählung setzt ein mit der Versetzung des Gefreiten Flex von der Westfront in das Warthelager<br />
bei Posen, wo er mit anderen Kameraden zum Offizier ausgebildet werden soll. Flex freundet sich<br />
schon auf der Zugfahrt mit dem Theologiestudenten Ernst Wurche an. Nach absolviertem<br />
Offizierslehrgang werden Flex und Wurche als Zugführer zu derselben Kompanie im 3.<br />
Unterelsässischen Infanterie-Regiment Nr. 138 an einen ruhigen Frontabschnitt der Ostfront in die<br />
Frühlingslandschaft nahe der ostpreußisch-polnischen Grenze versetzt. Sie erleben dort – im völligen<br />
Kontrast zu den überlieferten Schilderungen der Materialschlachten in Frankreich und Flandern –<br />
einen geradezu idyllischen Frühsommer, der mit Gedankenaustausch bei gemeinsamen<br />
Wanderungen gefüllt ist. Folgende Landschaftsbeschreibung mag davon einen Eindruck geben:<br />
„Dann lag der weite See, von sonnigen Morgendunst überschäumt, vor uns. Pirole schmetterten,<br />
Schwalben schossen mit den Schwingen durchs Wasser, Taucher verschwanden vor uns, wie wir am<br />
Ufer entlang schlenderten.“ Ernste Kämpfe mit den Russen erfolgen nicht, die kriegerische Energie<br />
entlädt sich in Leutnantsstreichen, und die Myriaden von Schnaken werden als lästiger beschrieben,<br />
als Iwan der Schreckliche hinter seinem Draht.<br />
Wildgänse rauschen durch die Nacht mit schrillem Schrei nach Norden.<br />
Unstete Fahrt, habt acht, habt acht! Die Welt ist voller Morden.<br />
In den Schilderungen der Gespräche mit Wurche entwickelt Flex, selbst eher zuhörend, dessen<br />
Charakterzüge. „Willfährigkeit gegen das Göttliche und Wehrfähigkeit gegen das Menschliche, das<br />
gab seinem Wesen Reife und Anmut“, so beschreibt Flex den Freund. Wurche verkörpert den<br />
Idealtypus des kriegsfreiwilligen, idealistischen Studenten, der die Gedichte Goethes, Nietzsches<br />
Zarathustra und das Neue Testament im Tornister führt. „Im Schützengraben sind allerlei fremde<br />
Geister zur Kameradschaft gezwungen worden. Es ist mit Büchern nicht anders als mit Menschen. Sie<br />
mögen so verschieden sein, wie sie wollen – nur stark und ehrlich müssen sie sein und sich<br />
behaupten können, das gibt die beste Kameradschaft“, antwortet Wurche auf die Frage, inwieweit<br />
diese Literaturmischung zusammenstimme.<br />
„Frei und leicht, ohne Anflug von Selbstspiegelung oder Schulmeisterlichkeit“ wird Wurche<br />
beschrieben, wenn er von „wesentlichen und innerlichen Dingen“ redet, und damit auch die Soldaten<br />
seines Zuges prägt. „Leutnantsdienst ist seinen Leuten Vorleben, das Vorsterben, ist dann wohl<br />
einmal ein Teil davon.“, erwidert Wurche auf den Einwurf eines Kameraden, Leutnantsdienst meine<br />
vor allem seinen Leuten vorzusterben. Dieses Vorleben schildert er anschaulich, wie es ihm etwa<br />
durch schlichtes Nichtmittun gelungen war, als einfacher Soldat seine Gruppe zu prägen, wenn er<br />
seine „großen Kerls“, die doch „wie die Kinder sind“, davon abbrachte im Unterstand Zoten zu<br />
372
dreschen. Flex schreibt: „Ich verstand seine großen Kerls, die ihn gern hatten und denen das Lachen<br />
ohne ihn schal war.“<br />
Fahrt durch die nachtdurchwogte Welt, graureisige Geschwader!<br />
Fahlhelle zuckt, und Schlachtruf gellt, weilt wallt und wogt der Hader!<br />
Auch seinen christlichen Glauben offenbart Wurche in gleicher Weise. „Sein Christentum war ganz<br />
Kraft und Leben. Keine Spur des finsteren Eiferers lag in seinem offenen Blick und seiner frohen<br />
Gebärde. Seine Seele war weit und voll Sonne.“ Wurche stammt aus der Wandervogelbewegung, wie<br />
auch Flex jüngerer Bruder, Otto, der bereits im September 1914 als Leutnant in Frankreich gefallen<br />
war. „Aller Glanz und alles Heil deutscher Zukunft schien ihm aus dem Geist des Wandervogels zu<br />
kommen, und wenn ich an ihn denke, der diesen Geist rein und hell verkörperte, so gebe ich ihm<br />
recht…“, schreibt Flex. Mit dem Sommer geht auch die Ruhe des Regiments zu Ende. Neue Kämpfe<br />
werfen ihren Schatten voraus und das Regiment verlegt im August 1915 an einen Frontabschnitt<br />
nach Norden. Wurche ersehnt ruhig und ohne Fieberhaftigkeit die Kämpfe herbei. „Einen echten<br />
Sturmangriff zu erleben, das muß schön sein. Man erlebt vielleicht nur einen.“ meint er im Vorfeld<br />
der erwarteten Kämpfe. Flex beschreibt an dieser Stelle Wurche als das lebendig gewordene Bild des<br />
jungen Knappen, der in der Nacht vor der Schwertleite ritterliche Wacht vor seinen Waffen hält.<br />
Rausch zu, fahr zu, du graues Heer! Rauscht zu, fahrt zu nach Norden!<br />
Fahrt ihr nach Süden übers Meer, was ist aus uns geworden?<br />
Am Abend nach den ersten schweren Kämpfen sehen sich die Freunde, mittlerweile Zugführer in<br />
verschiedenen Kompanien des Regiments, zum letzten Mal. Sie sprechen über den Tod<br />
verschiedener Kameraden während der Kämpfe des vergangenen Tages. Wurche widerspricht dem<br />
Einwand Flex`, der die Sinnlosigkeit eines Todes während des ersten Sturmangriffes nach langer<br />
entbehrungsreicher Vorbereitung dieses Momentes beklagt – gleichsam in Vorwegnahme eines<br />
Trostes des Freundes nach dem eigenen Tod. Alle Zuwendung der Führer sei auch in diesem ersten<br />
gefallenen Soldaten nicht umsonst, da dieser den einen Sprung in Feindesrichtung „mit hellen und<br />
beherzten Augen, mit Menschenaugen“ tat. Wurche fällt kurz nach dieser letzten kurzen<br />
Unterredung auf Patrouille in der Nacht nach seinem ersten Sturmangriff. Flex kommt für ein<br />
Abschiedswort zu spät. Mit den Blumen aus den umliegenden Gärten wird Wurche bestattet.<br />
Der Ton der Erzählung wechselt. Totenklage. Die frohen Stunden sind vergangen und düstere Bilder<br />
im Herbst und Winter der Kämpfe in Polen und Litauen verdrängen die farbigen Schilderungen des<br />
Sommers der Freundschaft. „Alle Nächte sind tief und dunkel wie Abgründe und voll unfaßbaren<br />
Lebens. Die Tage sind kahl und kurz und sind nichts als bleierner Schlaf und verworrener Traum.“ Die<br />
Wahrnehmung der Umgebung spiegelt den Seelenzustand des Autors wieder. Brennende Dörfer.<br />
Zerschossene Wohnstätten. Zertretene Gärten.<br />
Wir sind wie ihr ein graues Heer und fahrn in Kaisers Namen,<br />
und fahrn wir ohne Wiederkehr, rauscht uns im Herbst ein Amen!<br />
Erst zum Ende der Erzählung, als Wurche wie im Traum erscheint und Flex bittet, die Toten nicht zu<br />
Gespenstern zu machen, sondern ihnen Heimrecht zu gewähren, löst sich die Trauer um den Tod des<br />
Freundes. Der zweite Kriegsfrühling bricht an, auch wenn er dem ersten Kriegsfrühling nicht gleichen<br />
wird. Noch sind die Ideale von 1914 lebendig, auch wenn das die Erzählung abschließende Lied<br />
schwermütiger klingt, als noch die Lyrik des ersten Kriegsfrühlings.<br />
Vielleicht zog ein Schwarm verspäteter Graugänse über das Grab, und rauschte dem Angehörigen des<br />
grauen Heeres, ein letztes Amen, als die Worte der Menschen bereits verklungen waren. „Wildgänse<br />
373
auschen durch die Nacht“, sein bekanntestes weil bis heute tausendfach gesungenes Gedicht<br />
schreibt Flex am Abend vor seiner Kommandierung zum Offizierslehrgang in Lothringen. Er kommt<br />
mit den letzten beiden Strophen im Wanderer wieder, einige Zeit nach Wurches Tod, als erneut ein<br />
wanderndes Gänseheer die Frontlinien, diesmal auf dem Weg nach Süden überfliegt. „Rauscht uns<br />
im Herbst ein Amen“, so der Ruf an die Graungänse, der im Herbst 1915 für Wurche in Litauen und<br />
im Herbst 1917 für Flex auf Ösel seine Erfüllung gefunden haben mag.<br />
374
Die Linke und der Islam<br />
Geschrieben von: Johann Schacht<br />
Samstag, den 13. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Was haben die politische Linke und der ebenso politische Islam gemein? Inwiefern existieren<br />
Konvergenzen bezüglich der Zielvorstellungen und Utopien beider Ideologien? Zunächst einmal<br />
scheint der Islam in seinen Auffassungen diametral zu linken Vorstellungen der Moderne zu stehen:<br />
Individualität und Selbstverwirklichung, oftmals Irreligiosität und Gleichheit aller Menschen. Dem<br />
hält der Koran, Quelle der muslimischen Ethik und Moral, Bigotterie, Weltherrschaftsphantasien und<br />
Kollektivismus entgegen. So lautet es in Sure 9, 29 symptomatisch: „Kämpft mit Waffen gegen<br />
diejenigen, die nicht an Allah glauben, noch an den jüngsten Tag glauben, und die nicht für verboten<br />
erklären, was Allah und sein Gesandter Mohammed für verboten erklärt haben, und die sich nicht<br />
nach der rechten Religion (dem Islam) richten – von denen, die die Schrift erhalten haben (d. h. Juden<br />
und Christen, Anm. d. V.) - kämpft mit der Waffe gegen diese, bis sie die Minderheitensteuer<br />
abgeben als Erniedrigte!”.<br />
Muslime in aller Regel links der Mitte<br />
Trotz dieser fundamentalen Differenzen kommt es jedoch in der Regel zu einer Verbrüderung mit<br />
dem linken Lager respektive dem Eintritt in linke Parteien. Im Brüsseler Regionalparlament<br />
entstammt die Hälfte der sozialistischen PS-Abgeordneten dem islamischen Kulturkreis, während<br />
lediglich drei der elf Parlamentarier der konservativen cdH jenem zuzuordnen sind. Wie in Belgien<br />
verhält es sich auch in anderen europäischen Ländern, Muslime sind meist auf den Wahllisten von<br />
sozialistischen respektive alternativ-grünen Parteien zu finden. Eine gewisse Affinität existiert de<br />
facto. Nun, betrachtet man die ökonomischen Vorstellungen beider Seiten, wird der Zusammenhang<br />
schon deutlicher. Sozialismus steht für protektionistische Planwirtschaft und Staatsmonopol auf<br />
bedeutende Wirtschaftsbereiche. In dieser Vorstellung sind Globalisierung und Industrialisierung<br />
Gift, weil sie konsequent zur Unterdrückung und Ausbeutung der besitzlosen Schichten, dem<br />
Proletariat führen. Hier stechen frappierende Analogien zu islamischen Zielen ins Auge. Linke und<br />
Islamisten lehnen die Industrialisierung und die Globalisierung ab, weil Schwellenländer und Länder<br />
der Dritten Welt dann amerikanisiert werden würden. Linke ebenso wie Islamisten lehnen die USA in<br />
fundamentaler Art und Weise ab. Wie unter Europas Linken dominiert in islamischen Staaten ein<br />
glühender Anti-Amerikanismus wie Anti-Zionismus. Die USA, „der große Satan“, und sein<br />
zionistischer Schoßhund Israel beuten angeblich die Welt durch ihre Finanzmacht aus.<br />
Schnittmengen zwischen politischem Islam und linker Träumerei<br />
Die wohl wichtigsten Parallelen existieren in Bezug auf Immigration und Zuwanderung. In aller Regel<br />
berufen sich Linke auf „humanistische“ Werte und verfechten infolgedessen eine möglichst generöse<br />
Einwanderungspolitik. Die freie Wahl des Domizils, sprich die Auflösung des Nationalstaates, soll zu<br />
einem Menschenanrecht erhoben werden, ganz egal, aus welchen Beweggründen Migration<br />
stattfindet. Muslime teilen diese Einschätzung apodiktisch, obgleich auch aus anderen Motiven<br />
heraus. Islamisten wollen dafür sorgen, dass das eigene ethnische Bevölkerungselement rasch<br />
anwächst, um infolgedessen eine Konsolidierung und Ausweitung politischen Einflusses zu erreichen.<br />
Aus eben diesem Kalkül werden „offene“ Grenzen, der Familiennachzug und „Brautimport“<br />
gefordert. Dies hat nichts mit den gutmenschlich-naiven Forderungen, derer man sich auf der Linken<br />
bedient, zu tun. Pures Machtinteresse ist der ausschlaggebende Beweggrund.<br />
375
Islam und Linke – mehr Gemeinsamkeiten, als man glaubt.<br />
In letzter Zeit wurden insbesondere linkerseits die Rufe nach einer Etablierung des Islams als dritte<br />
bedeutende Religion in Deutschland neben dem Christen- und Judentum laut. Wieder sind es<br />
Gutmenschen, die versuchen, ihr neues Adoptivkind Islam rechtlich zu stärken. Aber was man sich<br />
diesmal für ein Kind ins Haus geholt hat, wird sich noch früh genug zeigen. Denn Islam als rein<br />
spirituelle Religion, die jedermann per Säkularisierung zähmen könne, zu verstehen, ist ein<br />
gefährlicher Trugschluss. Eine islamische Spiritualität existiert natürlich, jedoch hat diese auch eine<br />
äußerst virulente politische Seite. „Und tötet sie (d.h. die heidnischen Gegner), wo (immer) ihr sie zu<br />
fassen bekommt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben! Der Versuch (Gläubige zum<br />
Abfall vom Islam) zu verführen ist schlimmer als Töten. Jedoch kämpft nicht bei der heiligen<br />
Kultstätte (von Mekka) gegen sie, solange sie nicht (ihrerseits) dort gegen euch kämpfen! Aber wenn<br />
sie (dort) gegen euch kämpfen, dann tötet sie! Derart ist der Lohn der Ungläubigen.“ (Sure 2, Vers<br />
191). Ob solcher Textstellen sollte sich jeder ernsthaft fragen, inwiefern man hier noch von einer<br />
friedlichen Religion sprechen kann. Es handelt sich bei zitiertem Vers um islamische<br />
Weltherrschaftsansprüche, die mit dem absoluten Willen verbunden sind, alle Menschen, die andere<br />
Vorstellungen pflegen, zu töten. Der niederländische Politiker Geert Wilders zog jüngst die Parallele<br />
zu Mein Kampf und forderte ein Verbot des Korans. Eine genauere Beschäftigung mit beiden<br />
„Werken“ gibt dieser, zugegebenermaßen waghalsigen, These eine solide Wahrheit an die Hand. Wie<br />
ironisch mutet da Schützenhilfe für den Islam ausgerechnet von linker Seite an.<br />
Der Islam – die dritte Form des Sozialismus<br />
Nach grausamen Arten des linken und rechten Sozialismus des 20. Jahrhunderts erwacht eine neue<br />
Bedrohung für die Welt. Ebenso wie der „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ porträtiert sich der<br />
Islam als Sprachrohr der Armen und Unterdrückten, als ein Opfer des westlichen Imperialismus und<br />
neoliberaler Globalisierung. Aber es handelt sich mitnichten um einen zahnlosen Tiger, denn der<br />
Islam ist Europa und der westlichen Welt demographisch deutlich überlegen. Der Islam verfügt über<br />
vitale youth bulges, Europa hingegen muss zusehen, dass sich für seine Idee überhaupt irgendwo<br />
Krieger finden. Wenn der Westen seine eigene Freiheit langfristig erfolgreich behaupten will, muss er<br />
sofort damit anfangen, sich von politisch-korrekter Selbstgeißelung loszusagen und die akute Gefahr<br />
als solche zu erkennen.<br />
376
Die Wippermann-Krankheit: Linksblind<br />
Geschrieben von: Judith von der Osten<br />
Montag, den 15. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die mediale Exekution der Eva Herrman vom 9. Oktober 20<strong>07</strong> in der Talksendung „Johannes B.<br />
Kerner“ wird als neuer Tiefpunkt in die Geschichte der deutschen Schwatzrunden eingehen.<br />
Während Kerner, Schreinemakers und Berger zumindest dem älteren Publikum bekannt sein dürften,<br />
gilt der Faschismus-Experte Wolfgang Wippermann der breiten Öffentlichkeit als unbeschriebenes<br />
Blatt. Ein Umstand, den Prof. Wippermann eindeutig nicht zu verantworten hat, denn es gibt kein<br />
mediales Ereignis, zu dem Wippermann sich nicht äußerte: Hohmann, Kardinal Meisner, Eva Herman<br />
– sie alle stehen in der Tradition Wippermann’scher Kritik, der stets im Gleichtakt mit den Medien<br />
Antisemitismus-Hitler-Holocaust-Drittes Reich-Relativierungen erkennt und heftig bekämpft.<br />
Deutschen Historikern ist er bekannter. Hans Mommsen beschrieb ihn als den „einzigen, deutschen<br />
Fachhistoriker, der sich auf Daniel Goldhagens (Hitlers willige Vollstrecker, 1996) Seite schlug“.<br />
Wolfgang Wippermann, heute Professor am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin,<br />
studierte Geschichte, Germanistik und Politische Wissenschaften in Göttingen und Marburg. 1975<br />
promovierte er mit der Arbeit „Der Ordensstaat als Ideologie“ bei Ernst Nolte – seit den 90er Jahren<br />
gehört der ehemalige Schüler Noltes zu den schärfsten Kritikern seines Doktorvaters. Die<br />
Wippermann’sche Publikationsliste liest sich so:<br />
Das Leben in Frankfurt zur NS-Zeit (I bis IV)<br />
Konzentrationslager; Europäischer Faschismus im Vergleich<br />
Auserwählte Opfer? Shoah und Porrajmos im Vergleich<br />
Die Deutschen und ihre Hunde: ein Sonderweg der deutschen Mentalitätsgeschichte.<br />
Dies sind einige Beispiele aus einer langen Liste, dessen Themenspektrum von deutschen<br />
Greueltaten über deutsche Greueltaten bis hin zu deutschen Greueltaten reicht.<br />
Allerdings gelten Wippermann und seine Thesen selbst als umstritten. Dem Mann, der auf dem<br />
rechten Auge so überaus scharf blickt, wird eine Blindheit auf dem linken diagnostiziert. Wikipedia,<br />
des Liebäugelns mit Rechts unverdächtig, vermerkt u. a.: „So vertritt der Wissenschaftler die These,<br />
unter Lenins Herrschaft seien in der Sowjetunion die Opfer ‚nach streng wissenschaftlichen Kriterien’<br />
ausgewählt worden, was ihm den Vorwurf der angeblich mangelnden Empathie gegenüber den<br />
Opfern des Sowjetkommunismus einbrachte.“<br />
Dem vorausgegangen war Wippermanns heftige Kritik an Stephane Courtois „Schwarzbuch des<br />
Kommunismus“, das Wippermann als Beleg der widerlichen Aufrechnerei und als Relativierung des<br />
Holocaust sieht. Reinhard Mohr schreibt 1998 in seinem Spiegel-Artikel „Die Wirklichkeit<br />
ausgepfiffen“:<br />
„Schon auf der tumultösen Berliner Veranstaltung warnte Wolfgang Wippermann, Historiker an der<br />
Freien Universität, vor den Folgen dieser Lektüre, die ‚eine ermüdende Reihung von<br />
Mordgeschichten’ biete. Im ‚Neuen Deutschland’ konzedierte er, dass die Bilanz der Regime in der<br />
Sowjetunion, China, Kambodscha etc. zweifellos grausig sei, doch müsse gefragt werden, ‚ob es sich<br />
hier wirklich um kommunistische bzw. sozialistische Systeme gehandelt hat’. Nach einer kleinen, aber<br />
feinen Zitatfälschung, mit der er Courtois drei Buchstaben unterjubelt – als habe dieser von ‚nur’ 25<br />
Millionen Opfern der Nazis gesprochen – , kommt Wippermann zum eigentlichen Thema: Das<br />
377
Schwarzbuch betreibe die ‚Dämonisierung des Kommunismus’ und erscheine zur ‚rechten Zeit’, in der<br />
die ‚direkte und indirekte Relativierung des Holocaust durch Leugnung und vergleichende<br />
Verharmlosung schon weit verbreitet ist.’“<br />
Während er das Verhungern ukrainischer Kulaken-Kinder, als „nicht gezielt der Hungersnot<br />
überliefert“ beschreibt, polemisiert er in der Jungle World, einer deutlich im linken Spektrum<br />
angesiedelten Zeitung, unter dem Titel „Diktatur des Verdachts“ gegen den Forschungsverbund SED-<br />
Staat und zeiht ihn der „Kommunistenjagd“. Die Methoden der neuen DDR-Forscher, die ihr<br />
Forschungsobjekt vor 1989 allenfalls aus dem Zugfenster gesehen haben, seien mehr als dubios und<br />
stänken nach McCarthy. Wippermann weiter: „Antikommunismus nach dem Ende des Kommunismus<br />
ist wie politische Peep-Show – man kommt irgendwie nicht ran an das Objekt der Begierde“.<br />
Ach, und so jemand ist nun ein ganz objektiver Historiker, der den Fall Eva Herman sachkundig<br />
einschätzen kann. Herr Kerner, sehr gute Gästeauswahl.<br />
378
Flex und die Ideen von 1914<br />
Geschrieben von: Simon Meyer<br />
Dienstag, den 16. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Schlendert man aufmerksam durch die Altstadt der fränkischen Universitätsstadt Erlangen, so<br />
erkennt man an einem Gebäude eine Tafel, auf der vermerkt steht, daß hier der Schriftsteller Walter<br />
Flex während seiner Studienzeit wohnte. Anders als vor der Mensa am Erlanger Langemarckplatz, an<br />
dem linke Hochschulgruppen für die Aufstellung eines Hinweisschildes gesorgt haben, das den<br />
Langemarckmythos durch den politisch korrekten Fleischwolf dreht, steht die an Flex erinnernde<br />
Tafel ohne jeden Zusatz. Dies mag erstaunen, weht doch durch das literarische Erbe von Walter Flex<br />
der Geist der Ideen von 1914 und die Erinnerung an die kriegsfreiwillige Generation von Abiturienten<br />
und Studenten, die den Mythos von Langemarck begründete.<br />
Flex trug die Ideale von 1914 in sich und hinterließ mit seinen Werken eindrucksvolle Zeugnisse<br />
dieses enthusiastischen Nationalgefühls. In einem Brief vom 28. April 1917 schreibt Flex an eine<br />
Freundin, die wie Wurche aus der Jugendbewegung stammt: „ Mein Glaube ist, daß der deutsche<br />
Geist im August 1914 und darüber hinaus eine Höhe erreicht hat, wie sie kein Volk vorher gesehen<br />
hat. Glücklich ist jeder, der auf diesem Gipfel gestanden hat und nicht wieder herabzusteigen<br />
braucht.“<br />
Gefallen für die Ideen von 1914<br />
Auch wenn der letzte Satz wohl auf Wurche gemünzt sein mag, läßt sich auch eine auf sich selbst<br />
gerichtete Todesahnung herauslesen. Flex schreibt diesen Brief in Erwartung einer Versetzung an die<br />
Westfront, die er aus dem Stellungskrieg im Osten im Frühjahr 1917 vergeblich beantragt hatte. Das<br />
Todesmotiv in seinem Werk entspringt aber keiner düsteren Todessehnsucht. „Was deinen Sinnen<br />
entrückt ist, ist darum nicht tot. Es gibt keinen Tod, Gott schuf nur das Leben.“, läßt Flex einen Engel<br />
in der kleinen Erzählung „Ein Traum vom Tode“ sprechen. Ein nihilistischer Zug ist dem Gedanken an<br />
den Tod völlig fremd. Der Tod behält stets seine religiöse Dimension.<br />
Flex schrieb bereits in einem Feldpostbrief von 1914: „Der Opfertod unseres Volkes ist nur eine<br />
gottgewollte Wiederholung des tiefsten Lebenswunders, von dem die Erde weiß, vom<br />
stellvertretenden Leiden Jesu Christi.“ Damit wird der Tod als individuelles Schicksal auf die Ebene<br />
des Volkes gehoben. Der Sieg selbst als irdische Zufälligkeit tritt mit zunehmender Kriegsdauer hinter<br />
das Ideal der sittlichen Selbstvollendung der deutschen Jugend zurück.<br />
Kriegsfreiwillig aus sittlichem Fanatismus<br />
Bereits im Wanderer zwischen beiden Welten erscheint der Gedanke, daß sich auch im Tod eines<br />
Volkes ein sittliches Ideal verwirklichen kann. Und ebenfalls dem Brief an die Freundin, Fine Hüls,<br />
entnommen sind folgende Zeilen: „Ich bin heute so kriegsfreiwillig wie am ersten Tage. Ich bin´s und<br />
war es nicht, wie viele meinen, aus nationalem, sondern aus sittlichem Fanatismus. Nicht nationale,<br />
sondern sittliche Forderungen sind´s, die ich aufstelle und vertrete. Was ich von der „Ewigkeit des<br />
deutschen Volkes“ und von der Sendung des Deutschtums geschrieben habe, hat nichts mit<br />
nationalem Egoismus zu tun, sondern ist ein sittlicher Glaube, der sich selbst in der Niederlage oder,<br />
wie Ernst Wurche gesagt haben würde, im Heldentode eines Volkes verwirklichen kann.“<br />
Wurche selbst beschreibt den Gedanken im Wanderer, während er mit Flex über Gottfried Kellers<br />
Novelle „Fähnlein der sieben Aufrechten“ sinniert: “Wie es dem Manne geziemt, in kräftiger<br />
Lebensmitte zuweilen an den Tod zu denken, so mag er auch in beschaulicher Stunde das sichere<br />
379
Ende seines Vaterlandes ins Auge fassen, damit er die Gegenwart desselben um so inbrünstiger liebe;<br />
denn alles ist vergänglich und dem Wechsel unterworfen auf dieser Erde. Oder sind nicht viel größere<br />
Nationen untergegangen, als wir sind?“<br />
Die toten Soldaten sind Gottes Soldaten.<br />
Der Abstieg vom Gipfel des Geistes von 1914 bleibt Flex erspart. Im November 1918 ist Flex bereits<br />
über ein Jahr bei den „toten Soldaten, Soldaten des Kaisers, die nunmehr Gottes Soldaten geworden<br />
sind“, wie er es in seiner Erzählung „Das Weihnachtsmärchen des fünfzigsten Regiments“, der<br />
fünften Kompanie seines Regiments am Heiligen Abend 1914 in einer Dorfkirche Lothringens<br />
vorgetragen hatte.<br />
380
Verfassungsschutz und Bürgerfreiheit in NRW<br />
Geschrieben von: Lukas Meyer<br />
Donnerstag, den 18. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Am Mittwoch, den 10. Oktober 20<strong>07</strong>, fand in Karlsruhe eine vielbeachtete Anhörung vor dem<br />
Bundesverfassungsgericht statt: Eine Gruppe, bestehnd aus einer Journalistin, eines Mitglieds des<br />
Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der Linkspartei.PDS und drei Rechtsanwälten, hat gegen das<br />
Land Nordrhein-Westfalen Verfassungsbeschwerde erhoben. Der NRW-Verfassungsschutz geht auch<br />
nach dem Regierungswechsel und Junge-Freiheit-Urteil besonders schneidig gegen tatsächliche oder<br />
vermeintliche Feinde der Freiheit vor.<br />
Die Beschwerdeführer greifen u. a. § 5 Abs. 2 Nr. 11 des nordrhein-westfälischen<br />
Verfassungsschutzgesetzes an, welcher – bundesweit einzigartig – die Befugnis zur<br />
Informationsbeschaffung durch „heimliches Beobachten und sonstiges Aufklären des Internets, wie<br />
insbesondere die verdeckte Teilnahme an seinen Kommunikationseinrichtungen bzw. die Suche nach<br />
ihnen, sowie der heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme auch mit Einsatz technischer<br />
Mittel“ vorsieht. Das bedeutet eine Befugnis zur Onlinedurchsuchung, also zur Einsichtnahme auch in<br />
nicht online gestellte Datenträger via Internet. Dementsprechend wird das Verfahren als Testlauf für<br />
ähnliche Pläne der Bundesregierung zur Terrorbekämpfung gesehen. Einzelheiten lassen sich unter<br />
www.Bundesverfassungsgericht.de der Pressemitteilung Nr. 82/20<strong>07</strong> vom 27. Juli 20<strong>07</strong> entnehmen;<br />
das Verfahren läuft unter Az.: 1 BvR 370/<strong>07</strong> und 1 BvR 595/<strong>07</strong>.<br />
Der NRW-Verfassungsschutz sieht überall Gespenster.<br />
Es handelt sich hierbei wohlgemerkt nicht um Ermittlungen gegen Personen oder Organisationen, die<br />
der konkreten Vorbereitung von staatsgefährdenden Gedanken oder sonstigen Straftaten<br />
verdächtigt werden. Sondern jeder, der nach Ansicht eines VS-Beamten „Bestrebungen unterstützt“,<br />
die sich „gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten“, kann via Internet ausspioniert<br />
werden. „Bestrebungen“ sind dabei definiert als „ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in<br />
einem oder für einen Personenzusammenschluß“; „Für“ einen Personenzusammenschluß handelt,<br />
wer ihn „in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt“ – was auch immer das im Einzelfall<br />
heißen soll. Ob und inwieweit der einzelne dabei einen verfassungsfeindlichen Gruppenkonsens teilt<br />
oder nicht teilt, ist kaum von Interesse. De facto verhängt der NRW-Verfassungsschutz ein<br />
Kontaktverbot zu tatsächlichen oder potentiellen Verfassungsfeinden.<br />
Für konventionelle Techniken der Informationsbeschaffung ist all dies auch in allen anderen<br />
Verfassungsschutzgesetzen geregelt. In NRW allerdings soll der Verfassungsschutz mehr als die<br />
Polizei dürfen, der die heimliche Online-Durchsuchung laut Beschluß des BGH vom 5.2.20<strong>07</strong> verboten<br />
ist: Das Gericht stellte fest, die heimliche Durchsuchung sei dem deutschen Recht wesensfremd;<br />
Merkmal der in der Strafprozeßordnung geregelten Hausdurchsuchung sei gerade, daß sie durch<br />
einen Richter angeordnet und in der Regel im Beisein des Betroffenen oder anderer Zeugen, also<br />
offen, vollzogen werde. Hierbei könnten dann auch Datenträger oder ganze Festplatten<br />
beschlagnahmt werden. Hierauf angesprochen, machte der Prozeßvertreter des Landes, Dirk<br />
Heckmann, nach Presseberichten einen kläglichen Eindruck. Seine Ausflüchte veranlaßten den<br />
Gerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier zu polemischen Bemerkungen.<br />
Das Ziel der Sicherheitsbehörde: Erzeugung kommunikativer Unsicherheit<br />
Nun kennt das Verwaltungsrecht selbstverständlich in allen seiner unzähligen Teilgebiete<br />
unbestimmte, ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe. Ohne diese läßt sich keine einzelfallgerechte<br />
381
Entscheidung treffen. Die Art und Weise aber, wie in den Verfassungsschutzgesetzen Ungreifbares<br />
ineinander verzahnt wird, läßt nur einen Schluß zu: Diese Formulierungen sollen nicht nur den<br />
Behörden möglichst weite Spielräume eröffnen, sondern auch unter der möglichen „Kundschaft“ –<br />
also unter denen, die sich erfrechen, die Spielräume kommunikativer Grundrechte auszunutzen –<br />
Verunsicherung erzeugen.<br />
Immerhin beschränken sich die Befugnisse des Verfassungsschutzes nicht auf handfeste Straftäter,<br />
die etwa Anschläge planen oder zu konkreten Gewalttaten aufrufen. Sondern auch eine Zeitung oder<br />
ein Internetforum kann ins Fadenkreuz der Fahnder geraten, wenn es beispielsweise negative<br />
Erfahrungen mit Ausländern thematisiert. Diese offensichtliche Überstrapazierung des<br />
Gefährdungspotentials vermeintlicher oder tatsächlicher Vor- oder Umfelder hat bekanntlich<br />
Methode. Sie schützt die Freiheit wenig. Vielmehr diskreditiert sie partielle Unzufriedenheit<br />
harmloser Normalbürger und verhindert die Analyse und gezielte Bekämpfung unleugbarer<br />
Probleme. Mit demselben Totschlagargument unterdrückt übrigens der Deutsche Presserat seit über<br />
zehn Jahren die wahrheitsgemäße Berichterstattung über Kriminalität.<br />
In das Konzept, durch unbestimmte Rechtsbegriffe bei den potentiellen Adressaten Angst zu schüren,<br />
paßt auch das auf den ersten Blick rechtsstaatlich-faire „Nachverfahren“: Wurde jemand<br />
ausspioniert, so ist ihm dies nach Abschluß der Maßnahme mitzuteilen. Dies gilt nicht, wenn durch<br />
die Benachrichtigung „eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung … zu besorgen ist“ oder „Quellen<br />
gefährdet sein können oder die Offenlegung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der<br />
Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist“ – also praktisch immer, denn auch die Frage, wer<br />
weswegen und unter Umgehung welcher Schutzvorkehrungen beobachtet wird, betrifft die<br />
Arbeitsweise des Verfassungsschutzes. Wer unter dem Druck der Ungewißheit allzu sehr leidet, kann<br />
zwar von sich aus ein Auskunftsersuchen an den Verfassungsschutz richten. Ihm würde dann<br />
mitgeteilt, ob und was über hin gespeichert wurde. Allerdings muß das Auskunftsersuchen durch<br />
Mitteilung eines Sachverhaltes substantiiert werden, aufgrund dessen der Antragsteller eine<br />
Beobachtung befürchtet. Dies kommt einer Selbstbezichtigung gleich.<br />
Bereits ein entfernter Kontakt zu Verfassungsfeinden kann zum<br />
Verhängnis werden.<br />
Pikant ist die Datensammlung des Verfassungschutzes nicht nur, weil persönliche Verbindungen und<br />
Betätigungen unkontrollierbar in die Hände Dritter geraten können: Es sei in diesem Zusammenhang<br />
nur daran erinnert, in welcher Weise bereits die SPD als Regierungspartei in NRW den<br />
Verfassungsschutz als politisch-ideologisches Herrschaftsinstrument genutzt hat. Halsgefährlich<br />
werden die Daten des Verfassungsschutzes auch, wenn ein ehemaliger politischer oder<br />
publizistischer Aktivist in den öffentlichen Dienst strebt. Bewerber – ob Angestellte oder Beamte –<br />
müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen.<br />
Wer irgendwann in seinem Leben bereits einmal auffällig geworden ist, wird entlassen oder erst gar<br />
nicht erst eingestellt. Ob der Vorwurf letztlich trägt, ist nur im Wege eines jahrelangen<br />
Gerichtsverfahrens zu treffen. Die Schwierigkeit liegt darin, daß es sich um eine Feststellung innerer<br />
Tatsachen handelt, die immer prognostisch bleiben muß. Daraus erklärt sich auch, daß bereits an<br />
„Zweifeln“ über das jederzeitige Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung<br />
angeknüpft wird, die bereits durch bloßen Kontakt zu „extremistischen Bestrebungen“ als<br />
aufgeworfen gelten.<br />
Selbstverständlich benötigt der Staat geeignete Mittel im Kampf gegen diejenigen, die zur<br />
Durchsetzung ihrer Ideen vor den Grundrechten anderer nicht haltmachen. Jedoch müssen<br />
382
Eingriffsbefugnisse um so klarer definiert werden, je schwerer der Eingriff wiegt. Und je unklarer sie<br />
der Natur der Sache nach formuliert sind, desto restriktiver müssen sie ausgelegt werden. Gerade<br />
daß der Betroffene, der von seiner Beobachtung nichts weiß, ergo keine Möglichkeit hat,<br />
Rechtsschutz zu erstreben, müßte hier besonders ins Gewicht fallen.<br />
440.000 Verfassungsfeinde in Deutschland?<br />
Die geltenden Verfassungsschutzgesetze hingegen belegen, daß die Bundesrepublik Deutschland<br />
geistesgeschichtlich nicht in der freiheitlichen Tradition der Westmächte steht. Vielmehr zeigt die<br />
Beobachtungs-Leidenschaft bezüglich strafloser Meinungsäußerungen, daß der Geist des Mißtrauens<br />
gegen bürgerliche Freiheitsbetätigung erheblich nachwirkt. Schon die schiere Menge der ermittelten<br />
Daten wirft grundsätzliche Fragen auf: Nach Angaben des Nachrichtenmagazins Focus sind insgesamt<br />
über 1 Million Personen in der bundesweiten Datei „NADIS“ registriert; ca. 440.000 davon, weil sie<br />
angeblich an verfassungsfeindlichen Bestrebungen teilnehmen (zum Vergleich: ca. 39.000 Personen<br />
werden der rechts-, ca. 30.000 Personen der linksextremen Szene zugerechnet, ca. 32.000 Personen<br />
sind islamistische Extremisten). Eigentlich gibt es überhaupt keinen Anlaß zu einem derart<br />
umfassenden, grundsätzlichen Mißtrauen gegen die Bürger.<br />
Ein Staat, der jedem Menschen derart große individuelle Entfaltungsmöglichkeiten gibt wie der<br />
unsere, muß sich eigentlich auch vor kollektivistischer Propaganda gleich welcher Coleur nicht<br />
verstecken, denn seine Vorzüge sind ja evident. Daß vorstehende Praxis parlamentarisch kontrolliert<br />
wird, vermag wenig zu trösten, wenn man parlamentarisch nicht repräsentiert ist. Trost vermittelt<br />
nur der Gedanke, daß es immerhin noch nicht verboten ist, die bestehenden Verhältnisse zu<br />
kritisieren. Aber wahrscheinlich ändert der Verfassungsschutz auch das bald.<br />
383
Der Streit um die deutsche Nachkriegsdemokratie<br />
Geschrieben von: BN-Redaktion<br />
Dienstag, den 23. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die deutsche Nachkriegsdemokratie war ein Erfolgsmodell. In den letzten Jahren und insbesondere<br />
im Hinblick auf die gesamtdeutsche Situation seit 1990 haben sich die Funktionalität derselben sowie<br />
das Integrationspotential der Parteien merklich verschlechtert. Der Diplom-Politologe Daniel Bigalke,<br />
bei blauenarzisse.de bisher mit seinen Essays über „Demokratie am Scheideweg“, „Demokratismus<br />
als Ideologie“ und Rezensionen zur „Konservativen Revolution“ in Erscheinung getreten, betrachtet<br />
in seinem nun vorliegenden Buch „Der Streit um die deutsche Nachkriegsdemokratie. Zweihundert<br />
Jahre deutsches Staatsdenken und bundesdeutscher Parlamentarismus im Fokus einer neuen<br />
Wissenschaft von Politik und Reflexion.“ die Demokratie als dynamischen Gestaltungsauftrag.<br />
In nahezu 300 Schriften, Quellen und Manuskripten studierte Bigalke die Entwicklung der deutschen<br />
Demokratietheorie sowie die politologischen Denkmuster ihrer Initiatoren vor und nach dem<br />
Schicksalsjahr 1945. Über die gewonnenen Erkenntnisse entwickelt er für die Deutschen ein neues<br />
historisch begründetes politisches Profil. Grundlagen der Untersuchung sind dabei die älteren<br />
Traditionsbestände der deutschen Geistesgeschichte, die erstmalig zum Gegenstand einer<br />
ideologisch unvoreingenommenen Erörterung gemacht werden.<br />
Zu Wort kommen Kritiker und Befürworter der bundesdeutschen Demokratie, Vertreter und<br />
Verneiner des traditionellen deutschen Staatsdenkens, um zu zeigen, daß Deutschland mehr war, ist<br />
und wieder sein kann, als es in der politischen und philosophischen Wissenschaft der Nachkriegszeit<br />
und im Rahmen der „Umerziehung“ nach 1945 darzustellen versucht wurde. Das im VDM Verlag Dr.<br />
Müller erschienene Buch richtet sich an Wissenschaftler und an politisch Interessierte jeglicher<br />
Coleur, die über den bisher üblichen Horizont politischen Denkens hinausblicken wollen.<br />
Daniel Bigalke, 27 und verheiratet, ist freier Schriftsteller in Berlin und befaßt sich vorrangig mit<br />
Fragen der Entwicklung einer zukunftsfähigen Demokratietheorie aus dem Geiste philosophischer<br />
Staatstheorie und deutscher Staatsphilosophie. Neben Tätigkeiten als Referent im Deutschen<br />
Bundestag und bei Politikberatungsunternehmen, bei politischen Stiftungen und Akademien<br />
veröffentlichte er Kurzessays, Rezensionen und Kurzbeiträge in philosophischen und politischen<br />
Fachzeitschriften. Dabei geht es ihm um die Verknüpfung von altem und neuem Staatsdenken, um<br />
aus dieser ganzheitlichen Betrachtungsweise einen umfassenden und damit zukunftsfähigeren<br />
Politikbegriff in Deutschland zu entwerfen.<br />
384
Nachkriegsdemokratie II<br />
Geschrieben von: Josef Schüßlburner<br />
Mittwoch, den 24. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Jurist Josef Schüßlburner hat das Nachwort zum neuen Buch von Daniel Bigalke „Der Streit um<br />
die deutsche Nachkriegsdemokratie“ verfaßt. Exklusiv auf blauenarzisse.de können Sie dieses<br />
nachlesen. Schüßlburner geht in seinem Nachwort auf den von einem Politologen konstatierten<br />
stillschweigenden Verfassungskonflikt ein und zweifelt am freiheitlichen Charakter des dem<br />
Grundgesetz unterstellten Konzepts der "wehrhaften Demokratie". Er hebt hervor, daß die Freiheit<br />
der Bürger in der Bundesrepublik durch Instrumente wie z.B. den Verfassungsschutz und politisches<br />
Meinungsstrafrecht beschnitten wird. In verschiedenen politischen Magazinen (eigentümlich frei,<br />
Aula, …) äußerte sich Schüßlburner bereits zur „Gesinnungsdemokratie“ in Deutschland und stellte<br />
unlängst gemeinsam mit Hans-Helmuth Knütter einen Alternativen Verfassungsschutzbericht vor, der<br />
verfassungswidrige Bestrebungen dort aufdecken will, wo bundesdeutsche Behörden nicht suchen.<br />
Die Arbeit von Daniel Bigalke beruht auf der Prämisse, daß die Demokratiefrage in Deutschland noch<br />
nicht entschieden sei. In normativer Hinsicht wird diese Position mit dem Schlußartikel 146 des<br />
Grundgesetzes (GG) für die Bundesrepublik Deutschland bestätigt. Dieser geht noch immer davon<br />
aus, es werde einmal eine vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossene Verfassung<br />
geben. Dieser bemerkenswerte GG-Artikel erklärt sich daraus, daß bei den Mitgliedern des<br />
Parlamentarisches Rates ein Unbehagen beim Erlaß eines Grundgesetzes bestanden hat, welches<br />
man vertretbarer Weise billigen konnte, weil es gegenüber der ausschließlichen Geltung eines<br />
Besatzungsstatuts eine akzeptable Lösung darstellte. Eher unbewußt trat dieses Unbehagen zum<br />
Zeitpunkt der Wiedervereinigung bei der politischen Klasse wieder hervor, als es diese in der Hand<br />
gehabt hätte, Artikel 146 GG durch Aufhebung formal zu erledigen. Statt dessen wurde dieser Artikel<br />
normativ bekräftigt und der etablierten Grundgesetzlehre – darauf hat sich die Staatswissenschaft in<br />
Konkurrenz zur politisch maßgeblicheren Politikwissenschaft mittlerweile reduziert – bereitet es<br />
erhebliches Kopfzerbrechen, wie man über eine Bestimmung hinwegkommen kann, die davon<br />
ausgeht, daß die Deutschen entscheiden dürfen, es könnte mit dem Grundgesetz einmal vorbei sein!<br />
Nachwort von Josef Schüßlburner aus: Bigalke, Daniel 20<strong>07</strong>: Der Streit um die deutsche<br />
Nachkriegsdemokratie. Zweihundert Jahre deutsches Staatsdenken und bundesdeutscher<br />
Parlamentarismus im Fokus einer neuen Wissenschaft von Politik und Reflexion, VDM Verlag Dr.<br />
Müller e.K., Saarbrücken, ISBN: 978-3-8364-3126-2.<br />
Vorstellung dieses Buches:<br />
Der Streit um die deutsche Nachkriegsdemokratie<br />
Dabei gemahnt Artikel 146 GG vor allem daran: Wäre es den Bestatzungsmächten um Demokratie<br />
gegangen, hätte es genügt, wie vergleichbar in Österreich geschehen, die demokratische Verfassung<br />
Deutschlands von 1919 wieder zur Wirksamkeit zu verhelfen. Statt dessen gibt es mit dem<br />
Grundgesetz ein Werk, das Zweifel aufwirft, ob die mit ihm begründete Bundesrepublik wirklich als<br />
liberale oder westliche Demokratie angesprochen werden kann, auch wenn es dem Selbstverständnis<br />
der politischen Klasse entspricht, daß mit diesem Werk die zum Idealfall verklärte Verwestlichung<br />
gelungen sei. Dem steht aber neben extremen Vorschriften zur internationalen Einbindung vor allem<br />
die illiberale Vereins- und Parteiverbotskonzeption als Demokratie-Sonderweg entgegen, der sich in<br />
einem umfassenden System von Verbotssurrogaten (politisches Meinungsstrafrecht,<br />
Verfassungsschutzberichtseintragung, weltanschauliche Beschäftigungspolitik) und Annexinstituten<br />
385
(sozialisiertes Rundfunkwesen, wahlrechtliche Aussperrklausel) als veralltäglichter ideologischer<br />
Notstand manifestiert. Dieser ideologie-politische Notstand, der die politischen und<br />
weltanschaulichen Optionen der Deutschen erheblich beschränkt, stellt sich deshalb ein, weil ein<br />
latenter Verfassungskonflikt konstatiert werden kann: So beurteilen die Deutschen etwa ihre<br />
Parlamentarier nicht nach den Kriterien eines parlamentarischen Regimes, sondern nach den<br />
Verfassungsgrundsätzen des Konstitutionalismus.<br />
Diese Beobachtung, die der Politikwissenschaftlicher Patzelt machen musste, verleiht dem Ansatz des<br />
Politologen Bigalke auch eine inhaltliche Berechtigung: Es gilt, eine spezifisch deutsche Sichtweise<br />
des Demokratiegedankens zu gewinnen, was sich aus der überlieferten Geistestradition der<br />
Deutschen durchaus ableiten läßt. Diesem durch die „Demokratiewissenschaft“ (Politologie) politisch<br />
vorsätzlich verdrängten Fundus ist es sogar zu verdanken, daß die Bundesrepublik Deutschland<br />
durchaus „funktioniert“ (hat). Die Politikwissenschaft kann nämlich nicht überzeugend erklären,<br />
warum das amerikanische Militärregime zwar in Deutschland eine Demokratie installieren konnte,<br />
dies aber etwa im Irak merklich fehlschlägt. Daran ist erkennbar, daß das von den Ideologiegehalten<br />
der Besatzungsherrschaft geprägte politische Selbstverständnis der politischen Klasse der BRD die<br />
Voraussetzungen des Funktionierens der Bundesrepublik nicht wirklich begreift. Die<br />
Erfolgsvoraussetzungen der Bundesrepublik bestehen wohl doch vor allem im Nachwirken von<br />
Traditionsbeständen, die jedoch dem Verdacht der Politikwissenschaft und damit der BRD-<br />
Inlandsgeheimdienste ausgesetzt sind, eigentlich verbotenes „anti-demokratisches Denken“<br />
darzustellen, das angeblich zu „1933“ geführt habe. Wenn dieser Glaubenssatz aus dem<br />
Geheimwissen der Ämter für „Verfassungsschutz“ zutreffend wäre, hätte allerdings der<br />
„Obrigkeitsstaat“ schon in etwa so funktionieren müssen wie die mit Demokratiebekenntnissen<br />
durchaus nicht sparsamen sozialistischen Diktaturen des sogenannten Dritten Reichs und der DDR.<br />
Einer derartigen Unterstellung steht aber die neueste Erkenntnis aus den USA, nämlich von Margaret<br />
Lavinia Anderson entgegen, wonach im Deutschen Kaiserreich demokratische Verfahren durchaus<br />
genuiner praktiziert worden sind als in dem als vorbildlich zu haltenden Westen. Schon aus diesem<br />
Grunde ist der Ansatz von Bigalke zu begrüßen, daß man doch offen und reflektiert an Traditionen,<br />
Mentalitäten, Problembewußtsein und Weltverständnis anknüpfen soll, was ohnehin zum Vorteil der<br />
Bundesrepublik weitergewirkt hat. Statt die wirklichen Erfolgsvoraussetzungen der Bundesrepublik<br />
gedanklich zu verdrängen oder einem permanenten Verdacht auszusetzen, sollten die<br />
Traditionsbestände der politischen Geistesgeschichte Deutschlands zum Gegenstand der offenen<br />
Erörterung gemacht werden. Dazu gehören etwa die Verfassungsvorstellungen des deutschen<br />
Widerstandes gegen das Hitler-Regime. Diese Widerstandskämpfer werden zwar von der politischen<br />
Klasse der BRD formal geehrt, aber nicht wirklich verstanden, vor allem werden deren Anliegen<br />
gänzlich verdrängt. Würde man sich mit diesen Anliegen und Vorstellungen auseinandersetzen,<br />
könnte man sich kaum der Erkenntnis verschließen, daß die Widerstandskämpfer gegen das Dritte<br />
Reich in der BRD in „Verfassungsschutzberichten“ aufgeführt werden müßten. Dies würde nicht nur<br />
die als „demokratisch“ verstandene Enge des bundesdeutschen Pluralismus belegen, sondern auch<br />
den latenten Verfassungskonflikt deutlich machen. Dieser besteht vielleicht darin, daß die Deutschen<br />
sich durch die „Verfassung“ gehalten sehen, die Gründe ihres Erfolgs zu verleugnen und diesen<br />
einem imaginären Westen zuschreiben müssen, der das Grundgesetz „für die Bundesrepublik“<br />
gegeben hat.<br />
Dem Anliegen von Bigalke wäre sicherlich entsprochen, wenn es statt eines Grundgesetzes für die<br />
Bundesrepublik wenigstens ein Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gäbe. Letzteres müßte<br />
sich vom ersteren möglicherweise formal gar nicht wirklich unterscheiden. Ein Grundgesetz der<br />
386
Bundesrepublik Deutschland (und nicht nur eines für diese) wäre jedoch das Ergebnis einer<br />
ergebnisoffenen Reflektion auf der Grundlage einer spezifisch deutschen Interessenlage und des<br />
Aufgreifens der Argumente und Gesichtspunkte der verdrängten deutschen Geistesgeschichte<br />
jenseits von links und rechts und den damit verbundenen diffamierenden Ausgrenzungen eines<br />
latenten, aber permanenten Verfassungskonflikts.<br />
Diese, die Integration der Deutschen dienende Sichtweise hat allerdings das Verständnis zur<br />
Voraussetzung, daß Demokratie auf einer mehr ideologischen Ebene sicherlich als universelles<br />
Konzept verstanden werden kann, in dem Sinne, daß es nicht ausgeschlossen ist, daß sich überall die<br />
demokratische Regierungsweise durchsetzt. Die Verwirklichung dieses Konzepts ist jedoch nur<br />
partikulär möglich, so wie in der Tat etwa im Falle von Indien zu beobachten ist, daß die Inder durch<br />
die Demokratie, wenngleich in der spezifischen Weise dieser Verfassungsform, gewissermaßen<br />
indischer geworden sind, als sie es während der westlichen Kolonialzeit waren. In diesem Sinne meint<br />
gelungene Demokratie in Deutschland, die nur in der Überwindung des latenten Verfassungskonflikts<br />
bestehen kann, daß – sicherlich in einer spezifischen Weise – die Deutschen so deutsch werden wie<br />
etwa die Amerikaner amerikanisch sind. In Übereinstimmung mit dem deutschen Weltbürgertum<br />
macht dies auch deutlich, daß Nationalstaatskonzept und Universalismus keine Gegensätze sind,<br />
sondern sich auf der Grundlage des Demokratiekonzepts bedingen. Dagegen wird ein Universalismus,<br />
der das Nationalstaatsprinzip negiert, die Demokratie ablehnen müssen, mag diese<br />
Demokratieablehnung, die bei den etablierten politischen Kräften latent vorhanden ist, mit Formeln<br />
wie „demokratische Werteordnung“ oder „Europa“ verschleiert werden.<br />
Die Arbeit von Bigalke trägt in diesem Sinne wirksamer zum Verständnis des demokratischen<br />
Gedankens bei als etwa der sogenannte Verfassungspatriotismus, der dem Volk die Verfassung<br />
entwindet (insbesondere den Sinngehalt von Artikel 146 GG entwertet) und deshalb ebenfalls eine<br />
Formel zur Demokratieabschaffung darstellt. Möge sich demgegenüber das Konzept von Daniel<br />
Bigalke zur Schaffung einer genuin deutschen Politikwissenschaft als gleichsam überfälliger<br />
Paradigmenwechsel durchsetzen!<br />
387
Diekmann und die 68er<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Mittwoch, den 24. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Kai Diekmann, BILD-Chefredakteur, wittert „den großen Selbstbetrug“, obwohl er sich in seiner<br />
Position ständig fragen müßte, ob er nicht selbst einer der größten Betrüger in Deutschland ist. Vor<br />
wenigen Tagen brachte Diekmann seine Streitschrift „Der große Selbstbetrug“ an die Öffentlichkeit<br />
und rechnet darin mit den 68ern ab, die Deutschland mit Mittelmäßigkeit, übertriebener<br />
Ichbezogenheit, Kuschelpädagogik und Faulheit verdorben hätten. Daß solche Worte, die<br />
mittlerweile diskursfähig geworden sind, aus dem Munde Diekmanns kommen, ist wenig<br />
verwunderlich und doch wünscht man sich, daß diese berechtigte Kritik an den 68ern von einer<br />
sympathischeren und glaubwürdigeren Instanz kommen würde.<br />
Diekmanns Buchvorstellung muß groteske Züge angenommen haben. Da steht einer vorne, dem<br />
keiner glaubt, und schwafelt von „fehlenden Maßstäben“ und zuviel „Verständnis für jeden<br />
Sexualstraftäter, jeden Asylbewerber, jeden afrikanischen Drogenhändler“. Das Ganze inszeniert<br />
dieser Schwätzer im Hause des Feindes bei der tageszeitung (taz) und lädt sich als Laudator auch<br />
noch mit dem ehemaligen Kulturstaatsminister Michael Naumann jemanden ein, der das vorgestellte<br />
Buch sofort zerreißt. Bereits vor der Veröffentlichung des Buches warf Alan Posener im Weblog von<br />
welt.de Diekmann Scheinheiligkeit vor. Ironisch merkte er an: „Die 68er zwingen ihn noch heute,<br />
täglich auf der Seite 1 eine Wichsvorlage abzudrucken, und überhaupt auf fast allen Seiten die<br />
niedrigsten Instinkte der BILD-Leser zu bedienen, gleichzeitig aber scheinheilig auf der Papst-Welle<br />
mitzuschwimmen.“<br />
Unter den `68ern haben sich die Dummen durchgesetzt und die<br />
Intellektuellen sind auf der Strecke geblieben.<br />
Tatsächlich gehört Kai Diekmann als BILD-Chefredakteur nicht zu denen, die glaubwürdig die fatalen<br />
Folgen der Kulturrevolution von 1968 anprangern können. Noch dazu ist Diekmann höchst<br />
unsympathisch. Das unterscheidet ihn auch vom Erscheinungsbild der „richtigen“ 68er. Was ist an<br />
Diekmann unsympathisch und an den `68ern sympathisch? Die ehrliche, antiautoritäre Einstellung<br />
der 68er der ersten Stunde, ihr vom Mainstream abweichender Habitus und Lebensstil und ihr naiver<br />
Idealismus machen sie sympathisch. Unsympathisch hingegen waren und sind die machtgierigen,<br />
opportunistischen 68er – die Fischers, Trittins und Schröders. Nach dem Erleben der linken<br />
Jugendbewegung von 1968 suchten sie später immer nur den Weg des geringsten Widerstandes,<br />
traten den „Marsch durch die Institutionen“ an und tauschten dabei die eigenen Überzeugungen<br />
bereitwillig gegen Posten ein.<br />
Der Augenblick, in dem Nüchternheit in die Debatte über die 68er einkehrt,<br />
ist lange noch nicht in Sicht.<br />
Kai Diekmann ist ebenfalls ein angepaßter Idiot, der sein Fähnlein immer schön in den Wind hängt<br />
und auf dessen Meinung man nichts geben kann. Eine Bewegung wie der Jugendprotest von 1968 hat<br />
immer etwas Mitreißendes, die dämliche Kritik eines Diekmann dagegen hat nur etwas Abstoßendes.<br />
388
"Invasion": Angriff der Gleichmacher<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Mittwoch, den 31. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Mit „Invasion“, der vierten Verfilmung des Romans "Die Körperfresser kommen" von Jack Finney, gab<br />
der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel sein Hollywood-Debüt. Zuvor hatte Hirschbiegel mit<br />
deutschen Produktionen wie "Das Experiment", vor allem aber dem Historien-Drama "Der<br />
Untergang" internationale Beachtung erlangt. „Invasion“ jedoch sei ein missglückter Hollywood-<br />
Einstand, meinen zumindest die meisten Filmkritiker. Der Misserfolg zeichnete sich bereits während<br />
der Produktion des Filmes ab, da Hirschbiegel noch vor Drehschluss abgelöst wurde. Für die Nach-<br />
und Überarbeitung des Filmes wurden die Wachowski-Brüder sowie James McTeigue verpflichtet. In<br />
der Tat gelingt es „Invasion“ nicht, über ein filmisches Einwegerlebnis hinaus zu kommen und doch<br />
transportiert dieser Film eine interessante Botschaft.<br />
Kein Automatismus zwischen Geld und Qualität<br />
Auch wenn es sich bei der 65-Millionen-Dollar-Produktion für Hollywood-Verhältnisse fast um einen<br />
"Low-Budget"-Streifen handelt (was Hirschbiegel ausdrücklich so wollte), zeigt dieser Film, dass viel<br />
Geld nicht automatisch einen guten Film garantiert. Zum Vergleich: Hirschbiegels Welterfolg "Der<br />
Untergang", die bisher teuerste deutsche Produktion, kostete gerade einmal 15 Millionen Euro.<br />
Das Skript von „Invasion“ ist eher dürftig, die Charaktere bleiben trotz Starbesetzung blass.<br />
Insbesondere die Beziehung der Psychiaterin Bennell zu ihrem Sohn wirkt unglaubwürdig, zu<br />
distanziert. Auch wenn nicht wenige alleinerziehende Mütter in der modernen US-Großstadt eine<br />
distanzierte, manchmal auch kühle Beziehung zu ihrem Kind pflegen dürften, für die Dramaturgie des<br />
Filmes wäre es trotzdem von Vorteil gewesen, hier eine emotionalere Nähe zu erzeugen, die dem<br />
Zuschauer die Identifikation mit den Charakteren und der Geschichte als Ganzes erleichtert hätte.<br />
Ansehen und wieder vergessen dürfte deshalb wohl die Devise der meisten Kinobesucher lauten.<br />
Sicherlich handelt es sich bei „Invasion“ nicht um ein cineastisches Meisterwerk. Handwerklich ist es<br />
wohl im besten Falle unterer Hollywood-Durchschnitt. Was jedoch viele Kritiker scheinbar nicht<br />
erkannt und gewürdigt haben, das ist die versteckte Botschaft des Filmes.<br />
Nun aber erst einmal zur eigentlichen Geschichte des Films: Eine Raumfähre kracht auf die Erde,<br />
genauer auf jenen Flecken, der sich USA nennt, schleudert dabei Einzelteile durch die gesamte<br />
Gegend. Und wie böse Kapitalisten-Menschen nun mal sind, machen sich einige auch gleich daran die<br />
Trümmerteile des ehemaligen Sternengefährts zu stibitzen und über eBay meistbietend zu<br />
verkaufen. Dadurch werden diese über den gesamten Globus verteilt, samt einem außerirdischen<br />
Souvenir, einer Art Virus.<br />
Nachdem die mit diesem Virus Infizierten in das Land der Träume entschwunden sind, breitet es sich<br />
in den Körpern aus und übernimmt die Kontrolle. Jegliche Emotionen werden ausgeschaltet. Die<br />
Infizierten mutieren zu gleichgeschalteten, gefühllosen Zombies, die nur noch eines im Sinn haben:<br />
das Virus zu verbreiten und alle ins Jenseits zu befördern, die sich nicht infizieren lassen wollen oder<br />
können.<br />
Der Gleichheits-Virus<br />
Neben denen, die unverständlicherweise nicht zu gefühlskalten Einheitskreaturen gemacht werden<br />
wollen, gibt es nämlich auch Menschen, die immun gegen eine Infektion mit dem außerirdischen<br />
Gleichheitsvirus sind, weil sie in der Vergangenheit einmal an Scharlach erkrankt waren.<br />
389
Die Psychiaterin Carol Bennell (Nicole Kidman), deren Sohn einer der Immunisierten ist, sowie der<br />
Wissenschaftler Ben Driscoll (Daniel Craig) untersuchen die Vorkommnisse und stellen sich im<br />
Verlauf des Filmes heldenhaft gegen die Armee der Infizierten und deren globale Pandemiepläne. Am<br />
Ende wird der Kampf natürlich belohnt und ein Heilmittel gefunden. Alles ist wieder in Butter und<br />
kann weitergehen wie bisher – Hollywood halt.<br />
Die Botschaft<br />
Natürlich geht es im Grunde nicht um ein außerirdisches Virus, sondern die Aussage des Filmes kann<br />
vielmehr als politische interpretiert werden. Das Virus ist eine Metapher für eine totalitäre, egalitäre<br />
Ideologie. Die Infektion stellt die Ausbreitung dieser Ideologie dar, die stark durch den Einsatz von<br />
Zwang geschieht. Wer immun gegen das Virus ist, sich also der Ideologie nicht unterwirft, wird<br />
„entfernt", wie dies in totalitären Systemen üblich ist.<br />
Dass der Film eine metaphorische Warnung vor einer solchen Ideologie darstellt, wird deutlich, als<br />
die wortführenden Infizierten gegenüber Bennell mehrmals von einer Welt ohne Schmerz sprechen –<br />
einer Welt von gleichen und friedlichen Menschen. Doch diese Welt ist nur um den Preis der<br />
Entmenschlichung des Menschen zu erkaufen. Und das ist ein ziemlich hoher Preis.<br />
390
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ Art. 3 Abs. 2<br />
GG<br />
Geschrieben von: Michael Schulz<br />
Mittwoch, den 31. Oktober 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Niemand würde diesen völlig selbstverständlichen Satz anzweifeln, wenn nicht die Politik den<br />
zweiten Teil des Art. 3 Abs. 2 GG „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung von Frauen und<br />
Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ überinterpretieren würde. Die<br />
staatlich verordnete Gleichberechtigung äußert sich bis jetzt vor allem in lächerlichen<br />
Formulierungen wie „unsere Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan“ (Jung) oder „Genossinnen<br />
und Genossen“ (Beck), dem Bundesministerium für Frauen, gelegentlichen bösen Blicken zu<br />
Unternehmen, die in ihrer Führungsetage keine Frauen haben und der Krippenplatzoffensive. Etwas<br />
Wirkungsvolles gibt es nicht. Warum nicht, ist ganz einfach: Frauen sind gleichberechtigt. Es gibt<br />
nichts zu tun!<br />
Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass selbst diese Punkte unlogisch und widersprüchlich<br />
sind. Beispiel Beck: Der SPD Vorsitzender spricht neuerdings von seinen „Genossinnen und<br />
Genossen.“ Gerade die Linken setzen sich doch für die totale Gleichberechtigung aller Menschen,<br />
aller Genossen ein, deswegen ja auch dieser Begriff der für alle steht. Deswegen ist es eigentlich ein<br />
Bruch mit der Wortbedeutung, wenn plötzlich von „Genossinnen“ geredet wird, denn so gäbe es<br />
doch zwei Arten von Menschen, „Genossen“ und „Genossinnen“.<br />
MenschInnen und Menschen<br />
Das Bundesministerium für Frauen fordert immer und überall, dass Frauen der Gang in alle Berufe<br />
freistehen müsste und sämtliche Diskriminierungen streng zu ahnden seien. Das ist sicherlich richtig,<br />
aber wie ist es, wenn man die Sache aus der anderen Richtung betrachtet? Wie viele männliche<br />
Arzthelfer gibt es? Wie viele männliche Krankenschwestern? Es gibt inzwischen Unternehmen, die<br />
damit werben nur Frauen zu beschäftigen. Nur darüber regt sich niemand auf.<br />
Die Krippenplatzoffensive ist das Paradebeispiel der Politik um die Wahlfreiheit zwischen Familie und<br />
Beruf sicherzustellen. Die Politiker, die diese Offensive vorantreiben, begehen einen Denkfehler. Es<br />
scheint nämlich so, dass die Parteien das Ziel haben, die traditionelle Familie zu zerstören. Die<br />
Wahlfreiheit besteht bereits. Eine gutqualifizierte Frau mit Kindern kann ganz einfach ohne<br />
Krippenplätze auskommen, indem der Mann die Erziehung übernimmt. Und so haben wir doch<br />
eigentlich genau das, was die Frauenrechtler wollen, die Frau an der Stelle des Mannes, die völlige<br />
Gleichberechtigung. Herrlich!<br />
Verfehlte Familien- und Frauenpolitik<br />
Warum die Frau laut den linken Parteien nur gleichberechtigt ist, wenn sie arbeitet und die Kinder in<br />
eine Krippe gibt, ist absolut unverständlich. Mit Wahlfreiheit hat das gar nichts zu tun.<br />
391
Ein Wort zum Thema Gesundheit<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 01. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das Thema Gesundheit ist eigentlich etwas für alte Leute, die sich damit beschäftigen, ob sie mit 85<br />
noch eine künstliche Hüfte auf Staatskosten bekommen oder nicht. Da aber die Lust am Sport bei<br />
Jugendlichen in den letzten Jahren drastisch gesunken ist und die jungen Leute ihre Zeit lieber sitzend<br />
vor dem Fernsehen, dem Computer oder in einem Fast-Food-Restaurant verbringen, sind auch sie zu<br />
einem Patienten und Konsumenten der Gesundheitsindustrie geworden. Bei Erwachsenen, die<br />
mitten im Leben stehen, sieht es nicht besser aus. In ihrem täglichen Streß fühlen sie sich nicht in der<br />
Lage, nebenbei regelmäßig Sport zu treiben und sich gesund zu ernähren.<br />
Die repräsentative Befragung der Techniker Krankenkasse (TK) „Kundenkompass Bewegung und<br />
Gesundheit“ zeigt es: Jugendliche verbringen am Tag mehrere Stunden vor dem Fernsehen oder<br />
Computer und bewegen sich nur noch halb so viel wie vor einigen Jahren. Bei den Erwachsenen<br />
ergibt sich ein ähnliches Bild. Nur jeder Fünfte treibt noch regelmäßig Sport.<br />
Meist bleibt diese bewegungsarme Lebensweise nicht folgenlos. „Unsere Studie zeigt, wie krank der<br />
Bewegungsmangel die Menschen macht. Während zum Beispiel jeder zweite Antisportler unter<br />
Rückenschmerzen leidet, sind nur halb so viele Aktive betroffen. Auch Herzinfarkt, Diabetes,<br />
Übergewicht und Depressionen sind für die Inaktiven eine deutlich größere Gefahr“, sagt Karin Gangl,<br />
die die im Oktober 20<strong>07</strong> veröffentlichte Studie der TK mitbetreut hat.<br />
Auf die Gründe ihres Bewegungsmangels angesprochen, sagten die Befragten der Studie, die<br />
Ökonomisierung ihres Lebens habe zu dieser ungesunden Lebensweise geführt. Und tatsächlich ist<br />
dies ein entscheidender Punkt. Die Trennschärfe zwischen Berufszeit und Freizeit schwindet ebenso<br />
wie die Trennung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit. Ein vermehrtes Streßgefühl bei den<br />
Menschen ist die Folge dieser gesellschaftlichen Umstrukturierung.<br />
Für ein bewußtes Leben glauben die Menschen, keine Zeit mehr zu haben. Sie lassen sich von der<br />
täglichen Zwangsvorstellung leiten, im Konkurrenzkampf der Ellenbogen-Gesellschaft nur durch<br />
erhöhte Mobilität und stetig ansteigenden Zeitaufwand bestehen zu können. Der schnelle berufliche<br />
Aufstieg gelingt dennoch nur den Allerwenigsten. Für die meisten hingegen bedeutet die<br />
Beschleunigung ihres Lebens eine ständige Unzufriedenheit.<br />
Durch Entschleunigung und ein gesundes, bewußtes Leben könnte jeder dieser Unzufriedenheit<br />
vorbeugen und durch die neu erlangte Tiefe des eigenen Lebens eine höhere Lebensqualität<br />
verwirklichen.<br />
392
Carl Schmitt, die Neocons und der Kampf gegen den<br />
Terror<br />
Geschrieben von: Simon Meyer<br />
Donnerstag, den 08. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Fukuyamas Ankündigung des „Endes der Geschichte“ hat sich bekanntlich als verfehlt erwiesen. Mit<br />
dem Fortbestehen zwischenstaatlicher Konflikte und Freund-Feind Mustern bleibt das politische<br />
Denken Carl Schmitts unverändert aktuell. Der französische Philosoph Alain de Benoist – unlängst<br />
durch die Herausgabe einer umfassenden Bibliographie der Werke Carl Schmitts hervorgetreten –<br />
leitet nunmehr in dem im Verlag der Jungen Freiheit erschienenen Essay „Carl Schmitt und der Krieg“<br />
Parallelen von Schmitts politischem Denken und der Ideologie des Kampfes gegen des Terror her.<br />
Der Titel des Werkes mag etwas irreführen. Es geht Benoist in dem Essay nicht um eine isolierte<br />
Auseinandersetzung mit dem Begriff des Krieges bei Schmitt, sondern um die Frage nach Parallelen<br />
von Schmitts politischem Denken und der Ideologie des Kampfes der USA und ihrer Verbündeten<br />
gegen den Terror. Benoist gibt, immer wieder auf Schmitt rekurrierend, eine persönliche<br />
Einschätzung der amerikanische Interventionspolitik wider und unterzieht diese einer teilweise<br />
scharfen Kritik. Gleichzeitig zeigt er auf, wie Schmitt bestimmte Entwicklungen in der heutigen<br />
weltpolitischen Lage vorhergesehen hat.<br />
Bush handelt nicht schmittianisch.<br />
Benoist nimmt die in den USA von verschiedenen – vornehmlich linken – Autoren propagierte These<br />
als Ausgangspunkt, die Neokonservativen um George W. Bush wären schmittianisch geprägt und<br />
untersucht diese These auf ihre Stichhaltigkeit. Das Ergebnis sei vorweggenommen, nach Benoist ist<br />
die These nicht haltbar. Vielmehr bestehen tiefgreifende Unterschiede zwischen Schmitt und seiner<br />
politischen Philosophie und den Protagonisten des Kampfes gegen den Terror. Die Gründe für den<br />
Irrtum der Verfechter der aufgegriffenen These liegen – so Benoist im Eingang des Essays – neben<br />
dem Umstand, daß Schmitt von diesen nicht oder nur oberflächlich gelesen wird, in einer<br />
Verkennung des unterschiedlichen Gebrauchs der Begriffe des Konservativen und des Liberalen in<br />
den USA und Europa. Nach dem Maßstabe des europäischen Gebrauchs dieser Begriffe sind die<br />
amerikanischen Neokonservativen gerade keine Konservativen sondern Liberale, so Benoist.<br />
Kampf gegen den Terror vergleichbar mit den beiden Weltkriegen<br />
In vier Kapiteln, jedes einem Einzelaspekt aus dem politischen Denken Schmitts gewidmet, präzisiert<br />
Benoist sodann seine Überlegungen. Benoist führt aus, daß der Kampf gegen den Terror von seinen<br />
Protagonisten als „gerechter Krieg“ als „theologischer Krieg“ verstanden wird, in dem sich Feinde<br />
nicht auf Augenhöhe als prinzipiell ebenbürtige Gegner gegenüberstehen. Ein Friedensschluß mit<br />
dem Gegner ist im gerechten Krieg nicht denkbar, denn der Gegner ist nicht Rivale um den Besitz<br />
einer Provinz oder um wirtschaftliche Vorteile, sondern er wird zum Feind von Begriffen wie der<br />
Menschheit oder der Freiheit erklärt. Nur in der totalen Vernichtung des Feindes kann das Kriegsziel<br />
erreicht werden. Insofern sei der Kampf gegen den Terror vergleichbar mit dem Zweiten Weltkrieg<br />
und – jedenfalls vom Standpunkt der westlichen Alliierten – auch mit dem Ersten Weltkrieg.<br />
Über Gedanken betreffend der Herkunft des Begriffs des Terrors aus der französischen Revolution<br />
leitet Benoist über zur Figur des Partisanen sowie des Revolutionskämpfers bei Schmitt und<br />
vergleicht diese mit den heutigen Terroristen. Der Partisan weise „tellurischen Charakter“ auf, er ist<br />
also regelmäßig an seine Scholle gebunden. Darin unterscheide er sich vom Revolutionskämpfer, der<br />
etwa in Lenin zu finden ist, der seine Ideologie allumfassend ähnlich dem „gerechten Krieg“<br />
393
verwirklicht sehen will. Anders als in der heute geläufigen Kriegsrhetorik bezeichnet Schmitt den<br />
Partisanen nicht als Verbrecher sondern als politischen Kombattanten. Die Richtigkeit dieser<br />
Klassifizierung zeigt sich nach Benoist schon darin, daß je nach politischem Ziel die gleiche Handlung<br />
einmal als Verbrechen und ein andermal als Heldentat eines Widerstandskämpfers bezeichnet wird.<br />
Permanenter Ausnahmezustand<br />
Innenpolitisch gehe der Kampf gegen den Terror mit einer zunehmenden Einschränkung der<br />
bürgerlichen Freiheiten einher. Nach Benoist ist im Kampf gegen den Terror anders als bei Schmitt<br />
diese Form des Ausnahmezustandes aber nicht ultima ratio zur Bekämpfung einer Notsituation, die<br />
der Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung dient. Angesichts der voraussichtlichen Endlosigkeit<br />
des in der heutigen Form geführten Krieges gegen den Terror drohe der permanente<br />
Ausnahmezustand wie er in seiner erbarmungslosesten Form in Guantánamo zu Tage tritt.<br />
In seinem letzten Kapitel verläßt Benoist schließlich den Kampf gegen den Terror und entwirft ein<br />
Bild einer unipolaren Welt unter Führung der USA. Dies sei dann das Ende des Politischen, wie es<br />
auch Schmitt als eine mögliche Entwicklung vorgezeichnet hat.<br />
Welchen Gewinn zieht man aus dem Essay und wem kann das Buch zur Anschaffung empfohlen<br />
werden? Stört man sich nicht an dem teilweise perfiden Antiamerikanismus des Autors, so stellt der<br />
Essay eine intelligente und aktuelle Interpretation der politischen Philosophie Schmitts dar. Als zum<br />
Nachdenken über die schwierige Frage der anzustrebenden Stellung Europas zur USA anregende<br />
Lektüre, die leicht an einem Abend zu bewältigen ist und die auch dem Einstieg in die Gedankenwelt<br />
Carl Schmitts dienen kann, erfüllt der Essay seinen Zweck in vollem Umfang.<br />
Alain de Benoist 20<strong>07</strong>. Carl Schmitt und der Krieg. Berlin. Junge Freiheit Verlag. 19,80 EUR<br />
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Aus der eigenen Geschichte gelernt<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Donnerstag, den 08. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
In den nächsten Wochen werden wir eine neue Printausgabe der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> herausgeben. Darin<br />
finden sich ausgewählte Texte aus dem Onlinemagazin. Insbesondere möchten wir mit der neuen<br />
Ausgabe junge Autoren fördern und weitere Schüler und Studenten für unser Projekt begeistern. Die<br />
neue Printausgabe werden wir deshalb an einigen Schulen kostenlos verteilen.<br />
Im folgenden können Sie das Vorwort der neuen <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> lesen. Es handelt von den<br />
Verhältnissen in Deutschland, unserer eigenen Zeitungsgeschichte und dem, was für uns daraus<br />
folgte. Eins ist sicher: Der Gegenwind, den wir jahrelang zu spüren bekamen, konnte in Aufwind<br />
umgewandelt werden.<br />
Daß es in Deutschland nicht vorwärts geht, hat viele Gründe. Einer davon ist die fehlende<br />
Meinungsfreiheit. In Deutschland darf man nur theoretisch das sagen, was man will. Nur theoretisch,<br />
nicht praktisch. Eine praktische Meinungsfreiheit würde bedeuten, daß jeder, der neue, einzigartige,<br />
innovative oder zumindest interessante Ansichten vertritt, auch angehört und diskutiert wird. In der<br />
bundesdeutschen Öffentlichkeit findet ein solcher offener Diskurs nicht statt. An Schulen und<br />
Universitäten verhindern ideologisch eingleisig fahrende Lehrer und Dozenten das Aufkommen<br />
kritischer Ideen und für die Entstehung veröffentlichter Meinungen haben sich<br />
Auswahlmechanismen etabliert, die dafür sorgen, daß nur bestimmte Ansichten einem großen<br />
Publikum vorgestellt werden.<br />
Von den Anfängen als Schülerzeitung zum wachsenden Onlinemagazin<br />
Da mir für dieses Vorwort der neuen <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> zwar allerhand Ideen durch den Kopf gingen,<br />
aber keine guten, habe ich noch einmal das Vorwort unserer ersten Ausgabe aus dem September<br />
2004 gelesen. Darin steht:<br />
Der Name <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> „ist eine Kombination aus dem literarischen Symbol der „<strong>Blaue</strong>n Blume“,<br />
welches für unverfälschte Natur steht und der <strong>Narzisse</strong> als Kennzeichen der Individualität und der<br />
Schönheit. Zusammengesetzt bedeutet dies, daß diese Zeitung sich als ein Projekt versteht, das<br />
Schülern (und Studenten) erlaubt, ihre eigene Meinung ohne fremde Außeneinflüsse zu<br />
veröffentlichen. Insbesondere eure kulturellen Fähigkeiten (literarisch, zeichnerisch,...) möchten wir<br />
ans Tageslicht bringen, um einerseits eine dauerhaft qualitativ gute Zeitung herausgeben zu können<br />
und andererseits euch die Möglichkeit zu geben, eure Begabungen weiter auszubauen.“<br />
Aufwind statt Gegenwind<br />
Wir starteten 2004 in Chemnitz als kulturelle Schülerzeitung, die eigentlich nichts weiter wollte, als<br />
ihren Lesern intellektuelle Impulse zu geben. Auf politische Inhalte verzichteten wir bewußt. Leider<br />
war dies damals für die Schulen und die Öffentlichkeit bereits zuviel. Weil wir eine andere – eine<br />
anspruchsvollere, kritischere und unabhängigere – Zeitung machten, sahen wir uns ständigen<br />
Verleumdungen ausgesetzt. Dieser Gegenwind hat unserer Zeitschrift jedoch nur noch mehr Aufwind<br />
gegeben. Die Autoren und Redakteure der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong> trauen sich etwas: Sie lassen sich keine<br />
Meinungen aufdiktieren, sondern entwickeln mutig neue. Und weil es in einer so unfreien Zeit wie<br />
der unseren nicht ausreicht nur über Kultur zu philosophieren, schreiben wir inzwischen auch über<br />
Politik. Wir haben die politischen Konsequenzen aus unserem eigenen Werdegang und aufgrund<br />
eigener Erfahrungen gezogen. Die Dekadenz unserer Tage und die fehlende Freiheit in unserem<br />
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Lande läßt uns keine Wahl. Ja, wir sind rechts, denn eine rechte Sicht auf die Dinge fehlt nun einmal<br />
und deshalb liefern wir sie. Viel Spaß und Erkenntnis beim Lesen.<br />
Über das Kontaktformular kann die neue Ausgabe auch gerne schon jetzt bestellt werden. Die neue<br />
<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> wird 4 Euro inklusive Porto und Versand kosten.<br />
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Joschka Fischer – Friedensnobelpreisträger in spe?<br />
Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />
Montag, den 12. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Mit „unserem Joschka“ verfügen die Deutschen über einen Friedensnobelpreisträger in spe – dieser<br />
Eindruck mußte sich angesichts der deutschen Medienberichterstattung in den vergangenen Wochen<br />
demjenigen aufdrängen, der das vergangene Jahrzehnt politisch im Tiefschlaf überstanden hat oder<br />
es altersbedingt noch nicht bewusst miterlebte. Im Fokus der medialen Neuentdeckung des<br />
Außenministers der rot-grünen Koalitionsregierungen (1998-2005) stand eine neue<br />
Buchveröffentlichung Fischers: Die rot-grünen Jahre (Köln 20<strong>07</strong>).<br />
An der Verherrlichung des einstigen Spontis als eines Bannerträgers weltinnenpolitischer Vernunft<br />
wirkten dabei an prominenter Stelle nicht nur Deutsche mit. So gab sich im Oktober diesen Jahres<br />
der US-Regisseur Robert Redford dafür her, im Rahmen der Vorstellung seines Films Von Löwen und<br />
Lämmern, der Irrwege des „Krieges gegen den Terror“ zum Gegenstand hat, zusammen mit Fischer in<br />
Berlin aufzutreten. So trafen sich also ein amerikanischer und ein deutscher Bush-Kritiker.<br />
Fischer bekannte sich zu „uramerikanischen Werten“, von deren Fortleben der Bush-kritische Film<br />
Zeugnis ablege. Redfords Werk „zeige die Fokussierung der US-Regierung auf die militärische Lösung,<br />
die USA hätten den Sinn für das Politische verloren“ (jetzt.de, 25.10.20<strong>07</strong>). Redford schien es nicht zu<br />
stören, daß Fischer in einer Periode an der Spitze der deutschen Diplomatie stand, in der<br />
Deutschland mehrere militärische Auseinandersetzungen geführt hat. Dabei steht der „Kosovo-<br />
Krieg“, die 78tägige Bombardierung Jugoslawiens, unter deutscher Beteiligung im Mittelpunkt der<br />
genannten Fischer´schen Veröffentlichung.<br />
Joschka Fischers 'Friedenspolitik' schliesst militärische Interventionen<br />
nicht aus.<br />
Ausgerechnet der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Eckart von Klaeden<br />
legt – in Gestalt einer von ihm in der FAZ vom 11.10.20<strong>07</strong> veröffentlichten Rezension Fischers – den<br />
Finger in die Wunde rot-grüner Selbstdarstellung im Sinne einer „Friedensmacht“ Deutschland:<br />
„Trotz der umfangreichen Darstellung“ im Interesse einer Rechtfertigung der deutschen Beteiligung<br />
am Jugoslawien-Krieg „fallen die systematische Einordnung des Kosovokonflikts und die Analyse<br />
seiner Bedeutung sowohl für Russland als auch für die Entwicklung des Völkerrechts zu spärlich aus.“<br />
Worauf von Klaeden anspielt, ist zum einen der Umstand, daß Rußland den Luftkrieg der Nato als<br />
einen offenen Bruch nicht nur der UN-Charta, sondern auch des Zwei-Plus-Vier-Vertrages von 1990<br />
wertete, in dem Deutschland sich ausdrücklich zu einem Verzicht auf jedwede Aggressionshandlung<br />
verpflichtet hatte.<br />
Das russische Mißtrauen wurde noch verstärkt durch die Arroganz, die der deutsche Bundeskanzler<br />
Schröder dem Angebot des damaligen russischen Ministerpräsidenten Primakow entgegenbrachte,<br />
zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln. Doch nicht Schröder, sondern sein Außenminister galt in<br />
Rußland bald als der „Totengräber der deutsch-russischen Beziehungen“, wie er im Januar 2000 von<br />
offiziöser russischer Seite tituliert wurde. Von Fischers Auswärtigem Amt gehe im Zusammenhang<br />
mit dem russischen Vorgehen gegen die tschetschenischen Islamisten ein „Informationskrieg“ gegen<br />
Rußland aus.<br />
Die diffuse Europapolitik des Joschka Fischer<br />
Daß sein Vorgesetzter Schröder in den darauffolgenden Jahren darum bemüht war, rußlandpolitisch<br />
im Zeichen einer „Männerfreundschaft“ mit dem russischen Präsidenten Putin das Ruder<br />
397
herumzudrehen, bewertet Fischer in seinem neuen Buch als strategischen Fehler – ebenso wie die<br />
primär wahlkampfbedingte Anti-Bush-Polemik Schröders im Vorfeld des Irakkrieges. Zudem bedauert<br />
Fischer, der SPD-Kanzler habe seine „emotionale Distanziertheit gegenüber Europa“ niemals<br />
abgelegt. Gemeint ist ein „Europa“, wie Fischer es in seiner Humboldt-Rede im Mai 2000 postulierte:<br />
eine „Föderation“ anstelle eines „Staatenbundes“, also im Kern die Herabwürdigung der<br />
demokratisch organisierten Nationalstaaten Europas in den Status deutscher Länder. Diesem<br />
Konzept hatte der französische Linksrepublikaner Chevènement bereits im Juni 2000 eine Absage<br />
erteilt: „Weil Deutschland noch immer die Nation diabolisiert, neigt es zur Flucht ins Postnationale.<br />
Da findet es sich im wehmütigen Traum einer Art von Föderation, die unterschiedliche Teile<br />
möglichst regional so zusammenhält, wie das im Heiligen Römischen Reich der Fall war.“<br />
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Spengler: Jahre der Entscheidung<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Montag, den 12. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Über dem von Spengler verfaßten Vorwort zu „Jahre der Entscheidung“ liegt jene dunkle Resignation,<br />
die potentiell in einem Schriftsteller aufkommt, der die Jahre der Entscheidung verspürt, für die<br />
Probleme der Zeit aber sachpolitische Blindheit registriert: „Ich sehe schärfer als andere, weil ich<br />
unabhängig denke, von Parteien, Richtungen und Interessen frei. Ich fühle mich einsamer als je, wie<br />
unter Leuten, die ihre Augen verbunden haben, um den Einsturz des Hauses nicht zu sehen.“ Mit<br />
„Jahre der Entscheidung“ hat Frank Lisson die letzte Schrift Spenglers neu herausgebracht und mit<br />
einem interessanten Vorwort versehen. Der Leser wird dieses Werk gewiss als das stimmungsmäßig<br />
resignierendste und verzweifeltste Buch sehen, welches in Deutschland je unter der Rubrik<br />
„Politische Schrift“ erschienen ist.<br />
Politische Krise der Gegenwart und notwendiger Realismus<br />
„Jahre der Entscheidung“ – das ist die hellsichtige Vorwegnahme heutiger politischer und<br />
ökologischer Krisen in einer schon vor nahezu 80 Jahren erahnten Möglichkeit einer globalisierten<br />
Welt. Das Buch fügt sich abschließend in die bisher wieder neu erschienenen Schriften Spenglers ein<br />
und setzt damit einen Schlußpunkt, der auf eine rege Folgeauseinandersetzung hofft. Der Ares-Verlag<br />
hat dies nun ermöglicht. Die Drucklegung der Originalausgabe von 1933, welche an Spenglers<br />
Hauptwerke „Der Untergang des Abendlandes“ (1918/1922) und „Der Mensch und die Technik“<br />
(1931) anknüpft, war weit vorangeschritten, als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 die Macht<br />
im Deutschen Reich übernahmen. Spengler änderte daraufhin den aus einem in Hamburg gehaltenen<br />
Vortrag herrührenden ursprünglichen Titel des Buches („Deutschland in Gefahr“), um Irritationen zu<br />
vermeiden. Dennoch verstanden die Nationalsozialisten diese Spengler-Schrift als „ersten ganz<br />
großen ideologischen Angriff auf die nationalsozialistische Weltanschauung“. Und der Leser wird<br />
schnell erkennen warum.<br />
Spengler schreibt gleich zu Beginn – anspielend auf die Fackelumzüge und Festakte von 1933: „Ich<br />
sehe mit Bedenken, daß täglich mit so viel Lärm gefeiert wird. Es wäre richtiger, wir sparten das für<br />
einen Tag richtiger und endgültiger Erfolge auf, das heißt außenpolitischer.“ Das Buch stellt den<br />
letzten Akt seines Autors dar, der inzwischen im damaligen Deutschland nicht einmal mehr Statist,<br />
sondern nur verzweifelter und von den Nationalsozialisten totgeschwiegener Zuschauer war.<br />
Spengler verwirft den Hang, die nüchterne Wirklichkeit nicht meistern zu wollen, sondern sie durch<br />
Romantik, Parteitheater, Fahnen, Umzüge oder Uniformen zu verschleiern. Von dieser Warte des<br />
politischen Realismus aus sieht er den Niedergang Europas voraus, nicht zuletzt ausgelöst durch das<br />
„Zeitalter der Weltkriege“. Europa werde seine zentrale Position zugunsten anderer aufstrebender<br />
Staaten und Regionen in der Welt (zum Beispiel Rußland oder Asien) verlieren. Den Niedergang<br />
Europas macht Spengler – und hier zeigt sich seine eminente Aktualität – am demographischen<br />
Faktor fest.<br />
„Zeitalter der Weltkriege“ und demographischer Niedergang Europas<br />
Die Fruchtbarkeit der Einwanderer übertreffe den Geburtenstand Europas in bedrohlichem Maße.<br />
Durch die demographische Katastrophe verspiele Europa seine Zukunft. Diesem pessimistischen<br />
Szenario setzt Spengler die Hoffnung entgegen, daß der physische Untergang Europas verzögert<br />
werden könne. Von der Politik fordert er deshalb Weitsicht und einen Tatsachensinn, der sowohl vor<br />
Weltmachtsträumereien als auch vor utopischer Sozialromantik bewahrt. Dieser Tatsachensinn<br />
399
estätigt sich einmalig in folgender Aussage: „Wir stehen vielleicht schon dicht vor dem zweiten<br />
Weltkrieg, mit unbekannter Verteilung der Mächte und nicht vorauszusehenden - militärischen,<br />
wirtschaftlichen, revolutionären - Mitteln und Zielen.“ Er sollte Recht behalten, was auch vielen<br />
anderen Analysen im vorliegenden Buch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Gegenwart<br />
zukommen läßt. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund trotzdem die Geschwindigkeit, mit der sich<br />
Spengler aus der aktuellen Politik des Tages zurückzog. Man traf ihn später bei der Lektüre Henri<br />
Bergsons und anderer Lebensphilosophen. Er zog sich, sicherlich auch in Anbetracht der „Nacht der<br />
langen Messer“ („Röhm-Putsch“) 1934 in die Theorie zurück.<br />
Proletarisierung der Massen und Abwanderung der Industrie<br />
Die Kapitel des Buches sind sinnvoll gegliedert und spitzen sich analytisch zu. In „Der politische<br />
Horizont“ betont der Autor, daß Menschengeschichte Kriegsgeschichte sei, was auch jede<br />
schönfärberische Ideologie nicht ändern könne. Das Kapitel „Die Weltkriege und Weltmächte“ ist<br />
jenes berühmte die politische Globalisierung erwägende Kapitel, worin Spengler auch das „Zeitalter<br />
der Weltkriege“ prophezeit. Es beginne im 19. Jahrhundert und werde den Übergang von der<br />
Staatenwelt zum imperium mundi – zum Weltimperium – herbeiführen, was angesichts zahlreicher<br />
militärischer Interventionen in Fernost Realität geworden ist. „Wir nennen das Demokratie,<br />
Parlamentarismus, Selbstregierung des Volkes, aber es ist tatsächlich das bloße Nichtvorhandensein<br />
einer ihrer Verantwortung bewußten Regierung und damit eines wirklichen Staates.“ Was wir heute<br />
wohl leichtfertig als „Populismus“ kennzeichnen würden, ist hier für Spengler in seiner Zeit das<br />
nüchterne Erwägen eines „Würfelspiels um die Weltherrschaft“, wobei er wußte, daß eine<br />
Demokratie, die nur blinde Zustimmung einfordert und sich dem Volke entfremdet, ihrem eigenen<br />
Anspruch widerspricht.<br />
Interessant sind die beiden letzten Kapitel des Buches, worin er herleitet, daß die Demokratie auch<br />
dann zu Ende gehe, wenn die Gewalt und das Recht der Fäuste an ihre Stelle treten. Dies geschehe<br />
zugleich in einer Zeit, in der selbst der Kinderreichtum als lästig und lächerlich gilt, einer Zeit des<br />
Egoismus, in der Versammlungen, lärmende Kneipen, Umzüge und Krawalle an der Tagesordnung<br />
stehen. Symptomatisch für solche Zeiten sind Streiks, Sabotage, Wahlbetrug, Regierungskrisen und<br />
die Sucht des „Versichertseinwollens – gegen Alter, Unfall, Krankheit“.<br />
Spenglers traurige Vorhersagen<br />
Ohne Zweifel sind dies Entwicklungen, welche auch das Bild der deutschen Nachkriegsdemokratie<br />
prägen und über die sich heutige Demographen, Ökonomen und Politologen den Kopf zerbrechen.<br />
Das Bild deutscher Großstädte der Gegenwart ist jenes, das Spengler beschrieb. Doch er erahnt noch<br />
mehr: „Zugleich flüchtet die Industrie ins Ausland.“ Für bedrohlich hielt Spengler deshalb eine<br />
weitere Entwicklung, welche die Stellung Europas zusätzlich schwäche: die „tiefe Schlauheit<br />
asiatischer Menschen“, die den Europäern überlegen seien, werde als wirtschaftliche Konkurrenz<br />
auftreten. Europa indes löst sich – scheinbar irreversibel – in eine Summe privater Atome auf, deren<br />
jedes aus seinem Leben die größtmögliche Menge von Vergnügen ziehen will. Im vorliegenden Buch<br />
bezeichnet Spengler diese Entwicklung neben der Proletarisierung der Massen („weiße<br />
Weltrevolution“) als „farbige Weltrevolution“.<br />
Das eigentliche Wesen politischer Courage in der Gegenwart<br />
Man mag nun meinen, daß Spengler, der immer in erstaunlichen Zusammenhängen und Assoziation<br />
denkt, stärker im Behaupten als im Beweisen, im Intuitiven, als im Diskursiven war. Er unterwirft aber<br />
– und dafür steht die vorliegende Schrift - bewußt die Deutung des Vergangenen dem Formwillen der<br />
Zukunft. Spengler, der Konservative, der zum Nationalsozialismus bestenfalls ein Verhältnis hatte wie<br />
400
Kurt Schumacher zum Stalinismus, suchte Männer, geprägte Persönlichkeiten, die realpolitische<br />
Konsequenzen aus seinen Erkenntnissen zogen. Die Nationalsozialisten gehörten nicht dazu.<br />
In der gut lesbaren Einleitung von Lisson steht dazu ein Zitat aus den Notizen von Spenglers<br />
Schwester Hildegard Kornhardt, welche in den letzten Lebensjahren den Haushalt des Bruders<br />
besorgte. Spengler sagt darin: „Wer Menschenkenner ist, der ist Menschenverächter. Wenn sie mir<br />
auf mein Buch hin das immer vorhalten, daß ich die Menschen verachte, während Hitler alle<br />
Menschen liebt, dann spricht das eher für mich.“ Auch hier verkündet sich die tiefe Abneigung gegen<br />
Hitler und sein als „Menschenliebe“ verbrämtes Machtstreben. „Wir wollten die Parteien los sein.<br />
Die schlimmste blieb.“ – so resümierte der „Philosoph des Schicksals“ angesichts der NS-<br />
Machtübernahme.<br />
Es ist zu empfehlen, die vorliegende Schrift nicht nur aus der Perspektive von 1933 zu lesen, sondern<br />
gerade aus der Perspektive der Gegenwart. Dann scheinen der Sinn dieser Schrift und ihre Bedeutung<br />
vollends auf. Der Leser erkennt, daß unverändert ein jeder die Freiheit zur politischen Autonomie,<br />
zur eigenen Meinung und zu wahrer Zivilcourage im eigentlichen Sinne hat. Es ist dies unverändert<br />
eine Courage, die sich des naiven Jasagens zu allem, was medienwirksam auftritt, aus eigener<br />
politischer Reflexion bewußt enthält. Spengler ließ sich seinen Mut trotz geringer Aussicht auf Erfolg<br />
nicht nehmen und warf sich entschlossen den politischen Kartellen seiner Zeit entgegen. Darin bleibt<br />
er Vorbild. Seine hier vorliegende Schrift legt dafür ein einmaliges Zeugnis ab – gerade für die<br />
Gegenwart.<br />
Spengler, Oswald 20<strong>07</strong>. Jahre der Entscheidung. Deutschland und die weltgeschichtliche Entwicklung.<br />
Neu herausgegeben von Frank Lisson, Ares-Verlag, ISBN 978-3-902475-43-5 [Titel anhand dieser ISBN<br />
in Citavi-Projekt übernehmen] , 184 Seiten<br />
401
Neonazis<br />
Geschrieben von: Michael Schulz<br />
Donnerstag, den 15. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Wenn man bei Google <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> sucht, findet man unzählige Seiten, wo der <strong>Blaue</strong>n <strong>Narzisse</strong><br />
vorgeworfen wird, rechtsradikal zu sein. Es heißt, die BN würde niemals etwas gegen Nazis sagen,<br />
solches Gedankengut zwar nicht explizit verbreiten, aber tolerieren und in einer „light“-Version<br />
verkappt unter die Leute bringen. Dieser Artikel möchte die Unterschiede herausstellen, die zwischen<br />
Neonazis und den Idealen des Konservatismus liegen. Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong> kämpft für Niveau in der<br />
Gesellschaft, sie verabscheut Dekadenz, Faulheit und Phantasielosigkeit. Schauen wir uns jetzt die<br />
Rechtsradikalen an:<br />
Der Neonazi:<br />
Nehmen wir einen typischen Neonazi, wie man ihn auf Demonstrationen sieht. Glatzköpfig, Piercings,<br />
speckige Jacke, Springerstiefel. Dazu raucht er noch und greift gerne Polizisten an. Er schmiert seine<br />
Hakenkreuze in Unterführungen und trifft sich in kleinen Kneipen oder in Kellern um dort mit<br />
Reibeisenstimme sein „Heil Hitler“ zu brüllen.<br />
<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>:<br />
Oh Gott, wie schaudert es einem vor diesen Leuten. Der Neonazi verbindet fast alles, was wir<br />
bekämpfen wollen. Schon allein das Aussehen, schon dadurch stört er die öffentliche Ordnung.<br />
Niemand traut sich so jemanden den Weg zu kreuzen und wechselt lieber die Straßenseite. Und<br />
zugleich beschädigt er noch das deutsche Ansehen. Wie kommt es einem Besucher aus dem Ausland<br />
vor, wenn er durch mit Hakenkreuzen verschmierte Gänge geht? Was denkt er von Deutschland?<br />
Grauenvoll! Genau entgegen der Einstellung „Wir lieben Deutschland“. Ein Konservativer hingegen<br />
würde nie etwas tun, was ihm schadet und vor allem nicht seinem Ruf. Er gibt sich Mühe in der<br />
Schule, weil er etwas aus sich machen will. Wobei wir beim nächsten Punkt wären, der den<br />
Konservativen von Rechtsradikalen unterscheidet.<br />
Der Neonazi:<br />
Der Neonazi ist ein gefrusteter Mensch, er ist schlecht in der Schule, kommt deswegen nicht weit.<br />
Die Ausländer an seiner Schule regen ihn auf; weil er nicht darüber stehen kann, bildet sich sein<br />
Ausländerhaß. Er hat kaum Freunde und so findet er in den rechtsradikalen Organisationen<br />
gleichgesinnte Leute, die seine Meinung teilen. Wenn er aus der Schule raus ist, egal ob mit oder<br />
ohne Abschluß, versucht er eine Ausbildung zu bekommen – mit mäßigem Erfolg, so bleibt ihm der<br />
berufliche Durchbruch verwehrt. Statt sich dafür an die eigene Nase zu fassen, schiebt er es auf die<br />
Ausländer, die ihm die Stellen wegnehmen und auf die angeblich jüdisch vereinnahmte Führung der<br />
Wirtschaft.<br />
<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>:<br />
Oje! Der Nazi schafft aber auch gar nichts, wird zum Sozialfall, liegt dem Staat auf der Tasche. Statt<br />
sich anzustrengen, aus sich etwas zu machen, schiebt er alles auf die Juden und Ausländer und<br />
betrinkt sich lieber mit seinen Krankheitsgenossen abends in einer rechtsradikalen Kneipe. Ein<br />
Konservativer möchte etwas schaffen, strengt sich an und ist im Durchschnitt gut gebildet. Er säuft<br />
sich nicht abends in der Kneipe zu, sondern trifft sich bei Freunden auf ein Bierchen. Dabei redet er<br />
über die Wirtschaft und das System und überlegt sich, wie er selbst helfen kann. Es ist nicht so, daß<br />
einer in der Masse untergeht, jeder kann allein viel erreichen. Apropos:<br />
402
Der Neonazi:<br />
In seiner Gemeinschaft trifft sich der Neonazi, um seinen Führer Adolf Hitler anzubeten, der in der<br />
gleichen Situation war wie sie; mittellos, ohne Ausbildung, ein Sozialfall und es dann geschafft hat<br />
groß rauszukommen. So wollen sie es ihm nachtun. Also gehen sie auf die Straße und terrorisieren<br />
unschuldige. Für sie ist Rechtsradikalismus eine Droge um zu überleben, da sie sonst in der<br />
Gesellschaft noch verlorener wären, als sie es eh schon sind. Ein solcher Neonazi braucht die Rasse,<br />
damit er überhaupt auf etwas stolz sein kann, er hat ja sonst nichts.<br />
<strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong>:<br />
Es reicht! Wie können die bloß jemanden toll finden, der unser Deutschland so dermaßen an die<br />
Wand gefahren hat! Der 2. Weltkrieg hat für Deutschland nur negative Auswirkungen gehabt:<br />
Millionen Tote, der Verlust der Ostgebiete, unbezahlbare Kulturgüter sind verloren gegangen,<br />
zerstörte Städte, die Entschädigungszahlungen und der Schuldkult. Dieser Mann hat dies alles zu<br />
verantworten! Und sie sind auf ihn stolz! Wie können sie nur!<br />
In Deutschland ist sowohl eine nationalsozialistische als auch eine kommunistische Diktatur kläglich<br />
gescheitert und hat viel Leid angerichtet. Dennoch hofft der Konservative, daß das deutsche Volk mit<br />
Einigkeit, Recht und Freiheit eine gute Zukunft erleben wird und die traurige Vergangenheit hinter<br />
sich läßt.<br />
PS der Redaktion: Zu diesem Artikel wurde ein Blogeintrag verfaßt. Darin wird die Frage aufgeworfen,<br />
ob der "Kampf gegen Rechts" nicht besser versuchen sollte, Neonazis in die Gesellschaft zu<br />
integrieren, anstatt sie systematisch auszugrenzen.<br />
403
Der Fall Eva Herman<br />
Geschrieben von: Marco Kanne<br />
Dienstag, den 20. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Medienwissenschaftler und Männerrechtler Arne Hoffmann, der schon regelrechte<br />
Vernichtungsfeldzüge der Mediokratie gegen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens kritisch<br />
aufarbeitete, legt mit seinem neuesten Buch Der Fall Eva Herman. Hexenjagd in den Medien eine<br />
präzise Analyse der Medienkampagne gegen das ehemalige Gesicht der Tagesschau vor.<br />
Eva Herman mag das jüngste, mitunter prominenteste Opfer feministischer Diffamierung und Intrige<br />
in der Bundesrepublik sein. Wie Hoffmann den Leser zu Beginn seiner Studie wissen läßt, ist sie aber<br />
bei weitem nicht das einzige. Zahlreiche Beispiele aus dem In- und Ausland vermitteln einen<br />
ungefähren Eindruck davon, wie wirkmächtig der Feminismus seit den späten 1960ern ist. Sie<br />
belegen darüber hinaus, daß die HüterInnen feministischer Diskurshegemonie keinerlei moralische<br />
oder ethische Skrupel verspüren, jene Hegemonie mit allen Mitteln zu verteidigen: angefangen von<br />
wüsten Beschimpfungen über Unterstellungen und Drohungen bis zur Initiierung staatlicher<br />
Diskriminierung.<br />
Der Fall Eva Herman, der in diesem Buch chronologisch dokumentiert wird, dient Hoffmann dabei als<br />
Beispiel, wie gegen Abweichler scheinbarer oder tatsächlicher Gesellschaftskonventionen<br />
vorgegangen wird. Von diesem Fall ausgehend wird ein Muster medialer Kampagnen<br />
herausgearbeitet, werden Mechanismen offengelegt, die bei nahezu jeder medialen Skandalisierung<br />
zum Tragen kommen. Ein Gebräu aus Ideologie, gruppendynamischen Prozessen und Quoten- bzw.<br />
Auflagendruck sorgen dafür, daß der Andere, der Abweichende und jeder, der es wagen sollte, sich<br />
mit diesem zu solidarisieren, vom Subjekt, dem Menschenwürde und Respekt zusteht, zum Objekt<br />
einer Kampagne degradiert wird, das vogelfrei den Angriffen der Meinungsmacher ausgeliefert ist.<br />
Arne Hoffman, der eine Vielzahl von Internetquellen berücksichtigt hat, die dem Leser eine<br />
weitergehende Recherche erleichtern, skizziert mit dieser Studie nicht nur die Befindlichkeiten der<br />
politischen Kultur in Deutschland, sondern appelliert zugleich an das öffentliche Establishment, sich<br />
mit abweichenden Meinungen offen und fair auseinander zu setzen. Möge Arne Hoffmann damit<br />
nicht der vielbeschworene Rufer in der Wüste sein.<br />
Literaturempfehlung: Hoffmann, Arne 20<strong>07</strong>. Der Fall Eva Herman. Hexenjagd in den Medien. 192<br />
Seiten. Broschiert. 18,90 EUR. ISBN: 3-939562-05-X. Grevenbroich<br />
404
Aus Amoklauf wird Selbstmord<br />
Geschrieben von: BN-Redaktion<br />
Mittwoch, den 21. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Nach dem Alarm wegen eines möglicherweise bevorstehenden Massakers zweier Schüler an einem<br />
Kölner Gymnasium und dem Selbstmord des jüngeren, 17jährigen, am Freitag, ist der andere<br />
Tatverdächtige nun freigelassen worden. Die Polizei geht, während noch am Wochenende von der<br />
Ernsthaftigkeit der Pläne ausgegangen worden war, nach seiner Vernehmung davon aus, daß beide<br />
bereits vor Wochen ihren Amoklaufverworfen hatten.<br />
Am 20. November 20<strong>07</strong> wollten sie am Georg-Büchner-Gymnasium ein Massaker anrichten. Indes<br />
stellte sich die Kölner Staatsanwaltschaft hinter die Polizei, der von Medien und Psychologen eine<br />
Mitschuld am Selbstmord des 17jährigen Schülers unterstellt wird. Dieser war am Freitag im<br />
Schulgebäude nach Hinweisen seitens der Schule von der Polizei zu Bildern auf seiner Heimseite, die<br />
ein acht Jahre zurückliegendes Schulmassaker in Amerika zeigten, befragt worden. Vom erbetenen<br />
Toilettengang kehrte er nicht zurück, sondern warf sich vor eine Straßenbahn und verstarb. Der<br />
Vorwurf lautet unter anderem, die Polizei habe den Schüler entwischen lassen. Polizei und<br />
Staatsanwaltschaft halten entgegen, daß keine Selbstmordgefahr erkennbar gewesen sei. Der andere<br />
Schüler befindet sich auf eigenen Wunsch in einer Psychiatrie. Am Sonntag soll eine Pressekonferenz<br />
zu dem Fall stattfinden.<br />
Marco W. weiterhin in Untersuchungshaft<br />
Der in der Türkei des sexuellen Mißbrauchs an einer 13jährigen Engländerin angeklagte 17jährige<br />
Schüler Marco W. aus Uelzen bleibt vorerst in Untersuchungshaft. Das entschied das dreiköpfige<br />
Schwurgericht von Antalya am Montag, den 19. November 20<strong>07</strong>. Damit wurde die von Marcos<br />
Anwalt Michael Nagel gehegte Hoffnung auf Freilassung vorerst enttäuscht. Nagel zeigte sich<br />
gegenüber der Entscheidung des Gerichts verständnislos. Die Argumente für eine Haftentlassung<br />
seien ausreichend gewesen. Des weiteren kündigte er an, alles zu tun, um die schriftliche Aussage<br />
des vor einigen Wochen vernommenen 13jährigen Mädchens einzuholen, die am Montag noch<br />
immer nicht in türkischer Übersetzung vorgelegen hatte und somit nicht hatte genutzt werden<br />
können. Marcos Anwalt Michael Nagel denkt nun an eine Beschwerde vor dem Europäischen<br />
Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Mitte Dezember wird das Gericht in der Türkei den Fall<br />
erneut verhandeln. Bis dahin muß Marco W. in Haft bleiben.<br />
405
Anmerkungen zu Dutschke<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Freitag, den 23. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Revolutionär verläßt die wiederkehrende Litanei von Frage und Antwort unserer Medien und<br />
einer alten politischen Wissenschaft, die Kritik nur simuliert, weil sie innerakademisch verharrt und<br />
ohne praktische Konsequenzen bleibt. Rabehl nun macht dies im vorliegenden Buch anhand der<br />
Perspektive Rudi Dutschkes (1940-1979) deutlich. Die befehdete Studie bricht deshalb selbst aus dem<br />
gewohnten Intelligenzbetrieb der Selbstgenügsamkeit aus und beschreibt das Aufbegehren der<br />
Studenten von 1968. Zu Beginn macht der Autor, bis 2003 Professor für Politikwissenschaft an der FU<br />
Berlin, deutlich, daß es ihm nicht um eine Biographie geht, sondern darum, Dutschkes Denken im<br />
Sinne umfassender Neureflexion (Kapitel 5: „Neubesinnen“) aus den „historischen Zusammenhängen<br />
heraus zu entschlüsseln.“<br />
Rückblende: Neugründung deutscher Staatlichkeit?<br />
Die deutsche Nachkriegsdemokratie geriet 1968 durch Anklage in die Grundlagenkrise. Gemäß dem<br />
idealistischen Anspruch einer Übereinkunft von Sollen und Sein verkündete Herbert Marcuse das<br />
Ende der Trennung des Ästhetischen vom Wirklichen, des Idealen vom Seienden. Die Aufklärung sei<br />
nur halb vollendet, und es klaffe eine irrationalistische Lücke zwischen freiheitlichen Proklamationen<br />
und den durch die Prärogativen des Besatzungstatuts vorgegebenen ökonomischen Grundprinzipien<br />
der Bundesrepublik und ihren unaufgeklärten Partei- und Denkverboten. So reicht selbst bei Marcuse<br />
der Affekt gegen diesen verkürzten Rationalismus einer negativ bleibenden Aufklärung bis zur<br />
hegelschen Ästhetik und zum Vernunftidealismus Immanuel Kants zurück. Kritik an der Einseitigkeit<br />
des Politischen und ihrer potentiellen Zensur in Deutschland steht in langer Tradition. Im Zuge dieser<br />
Tendenzen macht Rabehl deutlich, daß die Studenten an ihrer Radikalisierung dennoch scheitern<br />
mußten und sich gerade zu den Sachwaltern der halben Rationalität hin konformisierten. Und in der<br />
Tat: Sie wurden zu vorteilhaft integrierten Profiteuren an Universitäten, in Politik und Verwaltung.<br />
In Kapiteln wie „Besetzung und Befreiung“ oder „Revolte“ wird deutlich, daß sogar für Dutschke nach<br />
1945 die Deutschen zu den geschichtslosen Völkern gehörten, womit die Deutsche Ideologie nach<br />
der Wiedervereinigung – für Politologen wie Bernard Willms oder Hans-Joachim Arndt war das keine<br />
Überraschung – primär den nordamerikanischen Prinzipien des Politischen folgte:<br />
Konkurrenzparteien, formelle Mehrheitsentscheidungen, Quantität anstelle qualitativer Tiefe.<br />
Theoretische Abweichungen, alternatives Denken konnten vor diesem Maßstab leichtfertig im<br />
Rahmen herrschaftssichernder und staatlich alimentierter Politologie, auftretend im Gewand<br />
praktizierter Denunziation, als „Extremismus“ kategorisiert werden. Rabehls Ausführungen sind<br />
deshalb zutreffend. Es wurde tatsächlich kein Versuch unternommen, das Phänomen des<br />
traditionellen deutschen Politikbegriffes aus sich selbst heraus zu verstehen: den politischen<br />
Idealismus, der Fokus auf den Begriff der „Vernunft“ und der „Pflicht“, das Primat des Ganzen<br />
anstelle einzelner Gesinnungen oder auch die Verortung eines Volkes und seiner Sprache in Raum<br />
und Zeit. Die Neugründung deutscher Staatlichkeit blieb nachhaltig um das Element der Jeweiligkeit,<br />
der eigenen deutschen Teilwahrheit, beschnitten.<br />
Die Stärke von Rabehls Buch liegt darin, daß es diesbezüglich die reformierte Idee einer Dialektik der<br />
Freiheit, eines geradezu permanenten Gestaltungsauftrags bis in die Gegenwart am Glühen erhält. Es<br />
vermag deshalb konservative Aspekte im Sinne einer staatsphilosophischen Kontinuität erstmals bei<br />
Dutschke zu erkennen. Und so ließen das Agieren der Parteien über inszenierte Werbefeldzüge und<br />
406
die politische Tendenz zur faktischen Reproduktion des ewig Gleichen im Meinen und Denken Rudi<br />
Dutschke patriotische Konsequenzen ziehen. Seine revolutionären Motive speisten sich aus der<br />
Ablehnung verordneter Besatzungspolitik. Rabehl läßt angesichts solcher Äußerungen – wie einst<br />
selbst 1968 – immer noch Funken sprühen.<br />
Generationswechsel des Denkens<br />
Ansatzweise hätte der Autor aber diesen „Mittelklassenradikalismus“ (Bude) der Studenten von 1968<br />
und dessen grenzenloses spielerisches Element eindrücklicher beschreiben können, denn 1968<br />
wurde ebenso wie in der offiziellen Politik vieles inszeniert. Mao und Che Guevara, Marx und<br />
Marcuse – man bildete sich selbst als Kriegskinder eine Zäsur zur deutschen Tradition. Dadurch<br />
wurden die Westdeutschen – wenngleich an Dutschkes Motiven gemessen unbeabsichtigt –<br />
amerikanisiert, während bei den Ostdeutschen eine traditionelle Bodenständigkeit vorhanden bleibt,<br />
die sich heute noch bemerkbar macht.<br />
Die Generation der deutschen Befindlichkeiten von 1968 haben dem Fanatismus der deutschen Seele<br />
im Westen ein Ende bereitet. Westberlin war der Nährboden dafür: Er wird aus politischen Gründen<br />
gehalten, wird gefüllt und bekommt neuen Inhalt. Es sprießen politische Formen, freies Leben, das<br />
Ideal der freien Wohnung, die Idee des studentischen Generalstreiks, eines Lebens des kultivierten<br />
Protestes. Die Jugend wird zur Avantgarde der Veränderung. Durch die Eltern sind jene Jugendlichen<br />
identifikatorisch gefangen genommen worden: Sie lernten keine Führung durch einen Vater kennen.<br />
Aus diesen Verhältnissen rührt die Aggression, weil die Söhne die Rolle des Ehemanns übernehmen<br />
und der Krieg als frühes Kindheitserlebnis verdrängt wurde. Mit Aggression werden 1968 die<br />
Schlachten der Väter von 1945 nachgespielt. Mehrfach gebrochene Konflikte sorgen für eine<br />
mehrfach gebrochene Generation – deren Zeit heute abgelaufen ist. Daraus erwächst ein neues<br />
politisches Denken, welches entgegen der gescheiterten Revolte von 1968 nunmehr vor der Aufgabe<br />
steht, den deutschen Geist der Rebellion (Luther, Münzer, Fichte, Stauffenberg) und die Besinnung<br />
auf den originär deutschen Politikbegriff zu synthetisieren und damit den zweihundertjährigen Faden<br />
politischer Tradition in Deutschland wieder aufzunehmen.<br />
Gemeinwohl als politischer Gestaltungsauftrag<br />
Der Leser mag selbst entscheiden, ob er im Gesamtkontext des Buches die autobiographischen<br />
Exkurse Rabehls über seine in München gehaltene Dutschke-Rede von 1998 oder die Abrechnung mit<br />
dem „Kartell der Lügen“ für hinderlich hält. Sein Plädoyer für den erneuten Versuch einer<br />
Staatspartei jenseits der in die Dominanzstrukturen des hegemonialen Pseudodiskurses<br />
eingebetteten Volksparteien wird nur vor folgendem Hintergrund deutlich: Nation war für Dutschke<br />
eine Instanz des Freiheitskampfes. Rabehl gibt zu: „Plötzlich wurde ich von außen in das Denken von<br />
Dutschke gestoßen, und erst jetzt begriff ich seinen revolutionären Ansatz.“ Das Buch verdeutlicht<br />
also, daß der Sinn einer politischen Ordnung nicht die Tautologie ihrer alleinigen Existenz ist, sondern<br />
das dynamisch immer wieder neu zu erkämpfende Gemeinwohl in seiner Ganzheit. Rabehls Schrift,<br />
die sich vor diesem Hintergrund von der üblichen vertrockneten Begriffsbildung einseitiger<br />
Wahrheitsansprüche abhebt – dazu zählen gerade die im Einseitigen verharrenden Begriffe „links“<br />
und „rechts“ – entwickelt Maßstäbe, von denen nicht zuletzt die heutige politische Wissenschaft<br />
profitieren könnte.<br />
Bernd Rabehl: Rudi Dutschke. Revolutionär im geteilten Deutschland, 132 Seiten, broschiert, Edition<br />
Antaios, 2002, ISBN: 3-935063-06-7 [Titel anhand dieser ISBN in Citavi-Projekt übernehmen] .<br />
4<strong>07</strong>
Michael Vogt: „Die Mechanismen der medialen Hinrichtung<br />
funktionieren ausgezeichnet.“<br />
Geschrieben von: BN-Redaktion<br />
Montag, den 26. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Universität Leipzig hat letzte Woche ihren Honorarprofessor für Medien- und<br />
Kommunikationswissenschaften, Prof. Dr. Michael Vogt, abbestellt. Hintergrund der Abbestellung<br />
sind Mutmaßungen über Voigts politische Einstellung. Vogt wird verdächtigt, rechtsextrem zu sein,<br />
weil er Filme über Rudolf Heß, den Nürnberger Prozeß und alliierte Kriegsverbrechen gedreht hat.<br />
Mit dem Rauswurf von Prof. Vogt verfestigt die Universität Leipzig die „Herrschaft des Verdachts“. Im<br />
Gespräch mit <strong>Blaue</strong><strong>Narzisse</strong>.de spricht Prof. Vogt über seinen Fall, seine Filme und das politische<br />
Klima an deutschen Universitäten.<br />
Herr Prof. Vogt, Sie wurden vor wenigen Tagen als Honorarprofessor für Medien- und<br />
Kommunikationswissenschaften an der Universität Leipzig abbestellt. Wie kam es dazu?<br />
Der Hauptgrund sind – auch wenn man daran fachlich nicht das geringste finden konnte und es die<br />
Studentenvertreter daher bei diffamierenden Pauschalverurteilungen „geschichtsrevisionistisch und<br />
verschwörungstheoretisch“ beließen – meine zeitgeschichtlichen Filme: „Geheimakte Heß“ (n-tv,<br />
2003 und 2004), „Death by hanging“ über den Nürnberger Prozeß (DVD, <strong>2006</strong>) und sogar die mit<br />
Wolfgang Venohr 1983 für die ARD gedrehten zwei Filme über die Kriegsverbrechen der Alliierten<br />
sowie die Herausgabe von Filmen über den 11. September 2001 (deutsche Fassung von „Loose<br />
Change“, DVD, 20<strong>07</strong>).<br />
Die Kampagne gegen meine auf historischen Forschungen fußenden Filme ist schon mehrere<br />
Jahrzehnte alt: Die damals von Ostberlin bezahlte VVN startete sie schon 1983, als ich zwei große<br />
ARD-Dokumentationen über die Kriegsverbrechen der Alliierten im 2. Weltkrieg machte und dabei<br />
erstmals und bislang einmalig die Verbrechen der Roten Armee dokumentierte. Die jüngere<br />
Kampagne seitens der „Antifa“ geht seit 2004 und der Ausstrahlung des Heßfilmes auf n-tv und hat<br />
jetzt ihren vorläufigen Höhepunkt und das Ziel, mich aus meiner Uni zu entfernen, erreicht.<br />
Ganz konkret wird Ihnen vorgeworfen, an einem Treffen der ITS (rechte Fraktion im Europäischen<br />
Parlament: „Identität, Tradition, Souveränität“) in Straßburg am 25. September 20<strong>07</strong> teilgenommen<br />
zu haben. Selbst die konservative Wochenzeitung Junge Freiheit hat sich von diesem Treffen<br />
distanziert. Rolf Schlierer, Vorsitzender der REP, will sie dort gesehen haben. Waren Sie dort und wenn<br />
ja, warum?<br />
Die Tagung in Straßburg war lediglich der Auslöser, wobei weder in der Presse, von der ich mit zwei<br />
Ausnahmen ebenso wenig kontaktiert und um meine Position gebeten wurde wie seitens der<br />
Studentenvertreter, nicht zur Kenntnis genommen wurde und wird, daß ich, als ich von der<br />
Pressemitteilung mit meinem Namen erfuhr, sofort aktiv wurde und dafür gesorgt habe, daß mein<br />
Name wieder verschwindet. Die Namensnennung erfolgte versehentlich, da ich die Presseerklärung<br />
weder unterschrieben, noch an ihr in irgendeiner Form an ihrem Entstehen mitgewirkt oder je mein<br />
Einverständnis dazu gegeben habe, dort genannt zu werden. Sämtliche diesbezüglichen Meldungen<br />
über mein Mitwirken an dieser Erklärung, wie inzwischen auch die in der Presse falsch zitierten<br />
Teilnehmer bestätigen, sind so nie gemacht worden. Hier ging es lediglich darum, ein vorab<br />
feststehendes Bild nicht durch Fakten erschüttern zu lassen.<br />
408
Mal ehrlich: War Ihnen nicht von vornherein klar, daß Sie sich mit ihrem zeitgeschichtlichen Film<br />
„Geheimakte Heß“ früher oder später die Finger verbrennen? Warum packen Sie solche heißen Eisen<br />
an?<br />
Als Historiker ist man den Fakten oder, um einen komplett aus der Mode gekommenen Begriff zu<br />
verwenden, der Wahrheit verpflichtet. Im Fall Heß, dessen Akten im britischen Staatsarchiv z. T. bis<br />
2021 (also noch 80 Jahre nach seinem Flug 1941) gesperrt sind, gab es neue Erkenntnisse. Mein Film<br />
paßt nicht ins politische Weltbild, weil er neueste und (entgegen allen anderen Behauptungen und<br />
Darstellungen) echte und unwiderlegte Dokumente zeigt, die belegen, daß 1940/41 seitens der<br />
Churchillregierung jegliche Friedensinitiativen (selbst die vom Deutschen Widerstand) abgelehnt und<br />
eine unbedingte Politik der Kriegsausweitung betrieben wurde. Daß Heß sehr wahrscheinlich mit<br />
einem konkreten Friedensvorschlag nach England flog, sollte nicht bekannt werden. Daher durfte im<br />
Nürnberger Prozeß Prof. Haushofer, der die Pläne Heß’ kannte und in seinem Auftrag den Flug<br />
plante, auf keinen Fall aussagen. Und so erhielten Haushofer und seine Frau vor seiner geplanten<br />
Zeugenaussage Besuch von zwei britischen Geheimdienstagenten. Die Herren müssen so<br />
überzeugend gewesen sein, daß Haushofer sich selbigen Tages zusammen mit seiner Frau im Wald<br />
erhängte. Die beiden Geheimagenten konnten erleichtert nach England melden, daß „das Problem<br />
diesen Mann betreffend beseitigt“ wurde.<br />
Auch Heß verübte 1987 angeblich spontan Selbstmord, als Gorbatschow laut Radio Moskau<br />
verkünden ließ, Heß noch vor Weihnachten nach Hause zu entlassen. Keine der seitens der Engländer<br />
am Todestag veröffentlichten Todesursachen (Selbstmord durch Erschießen, durch Erdrosseln oder<br />
schließlich durch Erhängen) stimmen, und vieles spricht hier für Mord und nur wenig für Selbstmord.<br />
Da die Faktenlage eindeutig und unwiderlegbar ist, bleibt den politischen Inquisitoren nur der<br />
Vorwurf, ein solcher Film provoziere Beifall von der falschen Seite und sei von daher – auch bei<br />
eindeutiger Beweislage – nicht zulässig. Volkspädagogisch unerwünschte Wahrheiten darf man nicht<br />
verbreiten. Soviel zur Freiheit der Wissenschaft unter Kuratel deutscher, bewährter<br />
Blockwartmentalität.<br />
Die in der Frage implizierte Verhaltenskonsequenz, solche Themen wegen des zu erwartenden<br />
Gegenwinds erst gar nicht aufzugreifen, halte ich angesichts gewonnener Erkenntnis für eine feige<br />
und duckmäuserische Einstellung. In diesem Sinne bin ich dem schönen Wort Martin Luthers<br />
verpflichtet: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“ Oder, um es mit Rosa Luxemburg, einem<br />
moderneren Freigeist zu sagen: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“<br />
Zurück zu Ihrer Abbestellung an der Uni Leipzig: Welche Schlüsse kann man aus Ihrem Fall ziehen?<br />
Wie steht es um die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland?<br />
Da mir in keinem Fall bei meinen historischen Filmen ein Fehler nachgewiesen werden konnte, wobei<br />
selbst das im Wissenschaftsbetrieb völlig normal wäre, da Erkenntnisse von gestern morgen überholt<br />
sein können, muß es möglich sein, Forschungsergebnisse in einem freiheitlichen Rechtsstaat unter<br />
dem Schutz der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit zu publizieren. Forschungsergebnisse an das<br />
politische Postulat einer volkspädagogischen Erwünschtheit zu koppeln oder ihre Veröffentlichung<br />
davon abhängig zu machen, wen man auf die Zehen tritt und wen man politisch nützen könnte,<br />
bedeutet ein Rückfall in Zeiten totalitärer Systeme und das Ende von Wissenschaftsfreiheit.<br />
Wissenschaft muß den Dissens, den Disput und den Diskurs ertragen, ja, sie kann ohne all das nicht<br />
leben und sich weiterentwickeln. Ein Ausschließen von Wissenschaftlern aus dem<br />
409
Wissenschaftsbetrieb, weil sie irgendeiner politischen Richtung nicht passen, käme einer<br />
Gleichschaltung gleich – also dem Ende von Wissenschaft.<br />
Das, was jetzt in den Medien abgeht, erinnert in seinen Auswirkungen sehr an eine Beobachtung, die<br />
in solchen Fällen Alexandre de Tocqueville 1835, also vor über 170 Jahren machte und schrieb: „In<br />
den demokratischen Republiken geht die Tyrannei anders zu Werk; sie geht unmittelbar auf den<br />
Geist los. Der Machthaber sagt hier nicht: ‚Du denkst wie ich, oder Du stirbst’; er sagt: ‚Du hast die<br />
Freiheit, nicht zu denken wie ich, aber von dem Tag an bist Du ein Fremder unter uns. Du wirst Deine<br />
Bürgerrechte behalten, aber es wird Dir nichts mehr nützen. Du wirst unter Menschen wohnen, aber<br />
Deine Rechte auf menschlichen Umgang verlieren. Wenn Du Dich einem unter Deinesgleichen<br />
nähern willst, so wird er Dich fliehen wie einen Aussätzigen; sogar wer an Deine Unschuld glaubt,<br />
wird Dich verlassen, sonst meidet man auch ihn. Gehe hin in Frieden, ich lasse Dir das Leben, aber es<br />
ist schlimmer als der Tod.’“<br />
Wie schätzen Sie das politische Klima an den deutschen Universitäten ein? Konkret: Herrschen die<br />
Linken? Welche Auswirkungen hat dieses Klima auf die Lehre und auf die Erkenntnisgenerierung<br />
(Forschung)?<br />
Die Mechanismen der medialen Hinrichtung funktionieren ausgezeichnet. Es reichen ganz wenige<br />
von der „Antifa“ instrumentalisierte oder selbst dort tätige Studenten in Kombination mit der Presse,<br />
um eine unliebsame Person abzuschießen. Liegt erst einmal das diffamierende Gesamtgemälde eines<br />
„Rechtextremisten“ vor, wagt sich auch die bürgerliche oder liberale Presse nicht mehr nach vorn.<br />
Vor dem Abzuschießenden und aus der Gemeinschaft der ehrbaren Bürger Auszusondernden ziehen<br />
sich alle zurück.<br />
Die Auswirkungen auf die Wissenschaft sind fatal: Ganze Themenfelder aus unterschiedlichsten<br />
Forschungsgebieten liegen brach und dürfen nicht mehr behandelt werden. Dabei geht es bei<br />
weitem nicht nur um die Zeitgeschichte, bei der z. B. das Thema Heß aber auch eine differenzierte<br />
Betrachtung der juristischen Besonderheit des Nürnberger Prozesses oder die hierzulande z. B. kaum<br />
diskutierte Frage der Bewertung und der Berechtigung des alliierten Bombenterrors Gegenstände<br />
der Forschung sein können müßten. Auch in zahlreichen anderen Forschungsgebieten<br />
(Intelligenzforschung, Hirnforschung mit der Determinationsproblematik, Demoskopie etc.,<br />
Kriminalitätsforschung) ist zunehmend sichergestellt, daß nur die politisch richtigen, also politisch<br />
korrekten Ergebnisse publiziert und bearbeitet werden und solche Themen, bei denen das nun beim<br />
besten Willen nicht funktioniert, erst gar nicht angegangen werden.<br />
Das Ergebnis ist dann allerdings keine „linke Wissenschaft“, sondern keine Wissenschaft: Die Erde ist<br />
nun einmal keine Scheibe, auch wenn dieses Ergebnis auch schon einmal politisch unkorrekt war.<br />
Die Konsequenzen für Deutschland und seine Stellung im internationalen Wissenschaftsbetrieb sind<br />
langfristig fatal, denn dieser ist letztlich nicht an politisch korrekten Forschungsergebnissen<br />
interessiert, sondern an wirklichen Erkenntnissen. Hier sollte, um den Anschluß nicht immer mehr<br />
bzw. nicht die besten Köpfe ans Ausland zu verlieren, dringend eine Kurskorrektur erfolgen.<br />
410
Wie ein radikaler Verlierer zum Amokläufer wird<br />
Geschrieben von: Helge Hasselmann<br />
Montag, den 26. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Was treibt einen Menschen dazu, so voller Hass zu sein, um einen Amoklauf zu beginnen? Woher<br />
stammen diese Misanthropie und der fanatische Wunsch, unschuldiges Blut zu vergießen? Hans<br />
Magnus Enzensberger nennt ihn den „radikalen Verlierer“, jenen sozialen Typus von Mensch, „der<br />
nämlich schlägt, solange er allein ist, und er ist sehr allein, nicht um sich; er wirkt unauffällig, stumm:<br />
ein Schläfer.“ Aus diesem Grund sind Öffentlichkeit wie nahe Bekannte und Freunde des Täters ob<br />
seines Blutbades oft so schockiert und überrascht: Introvertierung erscheint ihnen vielmehr in die<br />
entgegengesetzte Richtung zu weisen.<br />
Ein symptomatischer Charakterzug des „radikalen Verlierers“ ist der ständig negativ ausfallende<br />
Vergleich zu anderen und die völlige Blindheit eigenen Vorzügen gegenüber. Daraus resultieren tiefe<br />
Abneigung und Selbstablehnung, da in einer permanenten und allgegenwärtigen Konkurrenzsituation<br />
in keinerlei Hinsicht ein Sieg errungen werden kann. Minderwertigkeitsgefühle verbunden mit Hass<br />
auf alles und jeden sind die psychologischen Folgen. Der Alltag wird als persönliche Demütigung, das<br />
Leben als Strafe und wertlos empfunden. Von sich selbst wird Disziplin und Allwissenheit gefordert<br />
und unvermeidbare, weil menschliche, „Schwäche“ als Symptom der persönlichen Minderwertigkeit<br />
und Impertinenz verstanden. „Identifikation mit dem Aggressor“ ist der psychologische Fachterminus<br />
für dieses Verhaltensbeispiel, womit gemeint ist, daß die Überzeugung sich einstellt, an allem selber<br />
schuld zu sein. Hier nun ergründet sich der Hauptantrieb für Amokläufer: Wenn das eigene Leben<br />
und die persönliche Existenz schon nichts mehr wert sind, wie könnte dann schon das Leben anderer<br />
Menschen von Bedeutung sein?<br />
Die Bombe tickt<br />
Von nun an ist der Zünder präpariert, die Bombe tickt. Jede Art Funke kann als Auslöser fungieren:<br />
ein Nachbarschaftsstreit, Ärger oder eine spöttische Bemerkung. Es kommt zur Explosion der<br />
angestauten Emotionen, „nicht obwohl, sondern weil das Massaker sein eigenes Ende beschleunigen<br />
wird.“ Dabei ist irrelevant, ob der Amokläufer ein Jugendlicher, Familienvater oder Junggeselle ist,<br />
die latente destruktive Energie ist in jedem Falle dieselbe. Aber es existiert auch ein alternativer<br />
Ausgang des sozialen Dramas: die Projizierung auf Feindbilder, wie sie die Geschichte schon viele<br />
sehen mußte. Juden, Ungläubige, Faschisten oder „Bonzen“ dienen als Schuldige, um die eigene<br />
Verantwortung für die individuelle Lage zu negieren. Ideologien sind für labile Persönlichkeiten<br />
potente Aggressionsabsorbenten, deren Führer zu Recht an den folkloristischen Rattenfänger von<br />
Hameln erinnern.<br />
Gedemütigte Kinder<br />
Wenn Kinder oder Jugendliche durch Ausgrenzung zu einem Rattenfänger geführt werden, so neigen<br />
sie zu unvorhersehbaren Aktionen. Die alltägliche Demütigung frisst sich tief in die Persönlichkeit des<br />
Kindes ein, es schwankt zwischen trauriger Resignation und wutschäumender Misanthropie. Wer auf<br />
diese Weise groß wird, sich immer als Geächteter und abseits aller Kollektive fühlt, ist es, ein<br />
„radikaler Verlierer“.<br />
411
Konsequenter Liberalismus: Ludwig von Mises<br />
Geschrieben von: Gastautor: Jörg Guido Hülsmann<br />
Dienstag, den 27. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Auf der Suche nach politischen Konzepten zur Bewältigung der immensen Probleme der Gegenwart<br />
sollte man gelegentlich über den eigenen Tellerrand hinausschauen und die Ansätze öffentlich wenig<br />
beachteter Denkrichtungen reflektieren. Derjenige, der ernsthaft gesellschaftliche Probleme lösen<br />
möchte und dazu Ideen entwirft, kommt nicht umhin die theoretischen Grundlagen verschiedener<br />
Denkrichtungen in Grundzügen zu erfassen. Der Libertarismus gehört zu den Gedankengebäuden, bei<br />
denen es sich lohnt, einzutreten, um bei einem gründlichen Rundgang herauszufinden, welches<br />
Potential die Ideen der Libertären haben. Deshalb werden auf <strong>Blaue</strong><strong>Narzisse</strong>.de in nächster Zeit<br />
einige Artikel zur Theorie des Libertarismus erscheinen. Den Anfang macht ein Artikel von Jörg Guido<br />
Hülsmann über Ludwig von Mises, der bereits 2001 in der eigentümlich frei erstmals veröffentlicht<br />
wurde.<br />
Was ist das Programm des Liberalismus? Was ist „liberal“ in Wirtschafts, Außen-, Innen-, Bildungs-<br />
und Finanzpolitik? Um solche Fragen zu beantworten, genügt es nicht, die Programme politischer<br />
Parteien zu studieren, die die Sache der Freiheit auf ihre Banner geschrieben haben. Man muss sich<br />
vielmehr mit der unverwässerten Theorie, mit der „Ideologie“ des Liberalismus befassen. Wer den<br />
Kommunismus kennenlernen will, liest schließlich auch nicht das Programm der PDS, sondern Marx,<br />
Lenin, Kautsky, Gramsci, Althusser oder W.F. Haug. Und wer etwas über das Wesen der<br />
Sozialdemokratie erfahren will, verliert keine Zeit mit den Hochglanzbroschüren der SPD, sondern<br />
befasst sich lieber gleich mit den Darlegungen der sozialistischen (z.B. Schmoller, Sombart, Galbraith)<br />
und individualistischen (z.B. J.S. Mill, Ralf Dahrendorf) Theoretiker der Sozialdemokratie.<br />
Was kann oder soll also derjenige lesen, der sich für den Liberalismus interessiert? Unter der großen<br />
Zahl mehr oder minder wichtiger Männer ragen hier einige wenige Klassiker heraus, die sich durch<br />
die Klarheit, systematische Geschlossenheit, Originalität und den thematischen Umfang ihres<br />
Denkens auszeichnen. Zu diesen Klassikern des liberalen Denkens zählt Ludwig von Mises.<br />
1920 Erklärung für Sowjetbankrott<br />
In den 1920er Jahren, auf dem Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn, war Mises Sekretär der<br />
niederösterreichischen Handelskammer in Wien und außerordentlicher Professor an der dortigen<br />
Universität. In Fachkreisen hatte er bereits durch seine geldtheoretische Abhandlung Theorie des<br />
Geldes und der Umlaufsmittel (München: Duncker & Humblot, 1912, 1924) und durch eine<br />
vernichtende Kritik des Sozialismus in Gemeinwirtschaft (Jena: Fischer, 1922) internationale<br />
Anerkennung erlangt. Das letztere Werk hatte ihn auch zum bekanntesten kontinentaleuropäischen<br />
liberalen Theoretiker gemacht. Kernstück der Gemeinwirtschaft ist die These von der Unmöglichkeit<br />
einer Wirtschaftsrechnung in Gesellschaften, die auf der Grundlage gemeinsamen (z.B. staatlichen)<br />
Besitzes aller Produktionsfaktoren organisiert sind. Die These hatte Mises zuerst im Winter 1919/20<br />
in einem Vortrag vor der Crème der Wiener Ökonomen und Austro-Marxisten verteidigt und gleich<br />
anschließend in einem Artikel für das Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik dargelegt. Max<br />
Adler und Helene Bauer wussten auf das Mises’sche Argument nichts anderes einzuwenden, als dass<br />
wohl in der Zukunft die momentan noch unbekannten sozialistischen Rechenmethoden entwickelt<br />
würden. Doch genau wie die Ökonomen Amonn und Schumpeter an jenem Winterabend in der<br />
Aussprache vor der Wiener Nationalökonomischen Gesellschaft keine Lösung für das von Mises<br />
aufgeworfene Problem fanden, ist eine solche Lösung bis zum heutigen Tag nicht gefunden worden.<br />
412
Das Wirtschaftsrechnungsargument liefert daher zurzeit die wichtigste Erklärung für den<br />
ökonomischen Bankrott und schließlichen Untergang des Sowjetreiches.<br />
Da die besten sozialistischen Köpfe jener Tage am Problem der Wirtschaftsrechnung verzweifelten<br />
und da zudem das praktische Scheitern der zahlreichen „Vergesellschaftungen“ in Österreich und in<br />
der Weimarer Republik immer offensichtlicher wurde, wuchs Mises’ Ruhm und zugleich die<br />
Verwirrung unter dem sozialdemokratischen Fußvolk. Immer größere Teile des gebildeten Publikums<br />
in Österreich und Deutschland fanden ihren Weg zu seinen Werken, in denen er es immer wieder in<br />
kristallklarer Sprache unternimmt, ein liberales Programm auf wissenschaftlicher Grundlage<br />
systematisch abzuleiten. In Mises’ Augen ist der Liberalismus in der Tat nichts anderes als die<br />
praktische Anwendung der Erkenntnisse der Nationalökonomie.<br />
Arbeitsteilung und Gewinnstreben<br />
Zwei Tatsachen sind es, von denen sein Denken den Ausgang nimmt. Zum einen ist gesellschaftliche<br />
Produktion (Arbeitsteilung) ergiebiger als isoliertes Wirtschaften. Zum anderen ziehen – bis auf<br />
einige wenige Asketen – alle Menschen eine bessere materielle Versorgung einer schlechteren vor.<br />
Daraus ergibt sich das Grundproblem der gesellschaftlichen Organisation, das sich in folgender Frage<br />
fassen lässt: Wie muss die Gesellschaft beschaffen sein, um die gemeinsame Produktion möglichst<br />
ergiebig zu machen? In Beantwortung dieser Frage kommt nun das Wirtschaftsrechnungsargument<br />
ins Spiel. Ziel der Wirtschaft ist es, die verfügbaren knappen Ressourcen (die sog. wirtschaftlichen<br />
Güter) zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse bestmöglich einzusetzen. Wie lässt sich aber<br />
entscheiden, zur Befriedigung welcher Bedürfnisse hier und jetzt produziert werden soll und welche<br />
Bedürfnisse außer acht zu lassen sind? Wie kann man entscheiden, welches das bestmögliche<br />
Produktionsverfahren ist und welche Techniken und Technologien hier und jetzt nicht eingesetzt<br />
werden sollten?<br />
Schuhe oder Milch?<br />
Der Unternehmer in der Marktwirtschaft kann diese Frage beantworten, indem er die Rentabilitäten<br />
der verschiedenen Produktionsalternativen vergleicht. Angenommen etwa, sein Kapital reiche zur<br />
Produktion von 10.000 Paar Schuhen oder zur Produktion von 1.000.000 Liter Milch. Indem er nun<br />
jeweils die erwarteten Gelderlöse durch die erwarteten Geldkosten teilt, erhält er für beide –<br />
physisch heterogenen – Alternativen einen einheitlichen Ausdruck in der Rentabilität. Doch die<br />
Rentabilitätsrechnung macht die physisch heterogenen Alternativen nicht nur vergleichbar, sondern<br />
gibt auch ein rationales Kriterium zur Wahl zwischen ihnen an die Hand. Wenn z.B. die<br />
Milchproduktion 15% Rendite abwirft und die Schuhproduktion 11%, so liegt es sowohl im<br />
persönlichen Interesse unseres Unternehmers, als auch im Interesse seiner Mitmenschen, die<br />
Milchproduktion zu beginnen und das Schuhprojekt aufzugeben. Denn was bedeutet es, dass die<br />
Milchproduktion rentabler ist als die Schuhproduktion? Es bedeutet, dass die Konsumenten bereit<br />
sind, für Milch Preise zu zahlen, die im Verhältnis zum Kapitalaufwand höher sind als die Preise, die<br />
sie für Schuhe zu zahlen bereit wären. Mit anderen Worten ist es gemessen am Votum der<br />
Verbraucher in diesem Fall wichtiger, mehr Milch als mehr Schuhe zu haben.<br />
Natürlich können sich die Verhältnisse in der Zukunft ändern. Wenn die Verbraucher demnächst<br />
mehr Geld als zuvor für Schuhe als für Milch ausgeben, so wird dies unmittelbare Rückwirkungen auf<br />
den Produktionsapparat haben, da ihr verändertes Verhalten die Erfolgsbedingungen für die<br />
Unternehmer ändert. Angenommen etwa, der Unternehmer erwarte nun für die Milchproduktion<br />
einen Ertrag von 12% und für die Schuhproduktion von 14%, so wird er Grund haben – ganz im<br />
Interesse der Verbraucher – auf Schuhproduktion umzustellen.<br />
413
Preisvergleich notwendig<br />
Das entscheidende Problem einer Gemeinwirtschaft besteht nun darin, dass ein Rentabilitäts- oder<br />
Produktivitätsvergleich nicht möglich ist, da in einer solchen Gesellschaft keine Preise für<br />
Produktionsfaktoren entstehen können. Marktpreise entstehen nur im Tausch, d.h. im<br />
Zusammenwirken von zwei Eigentümern. Wenn aber alle Produktionsfaktoren verstaatlicht oder<br />
„vergesellschaftet“ sind, dann gibt es eben nur einen Eigentümer. Es kann dann kein Tausch zustande<br />
kommen, und Marktpreise für Kapitalgüter können nicht entstehen. Alle Produktionsmöglichkeiten<br />
stehen folglich zusammenhanglos nebeneinander, ohne dass ein Kriterium vorhanden wäre, das eine<br />
rationale Auswahl unter ihnen ermöglichte. Wie ohne weiteres ersichtlich ist, wäre unter solchen<br />
Bedingungen wahrhaft göttliche Eingebung nötig, um die Produktion in volkswirtschaftlich sinnvolle<br />
Bahnen zu lenken und dort auch zu erhalten. Weit davon entfernt, die „Anarchie des Marktes“ zu<br />
überwinden, ist die Gemeinwirtschaft produktionswirtschaftlich völlig orientierungslos. Sie ist, wie<br />
Mises später sagen würde, „geplantes Chaos“. Vom Standpunkt der Ergiebigkeit der Produktion ist<br />
sie dem Wirtschaftssystem des Liberalismus, dem Kapitalismus, grenzenlos unterlegen. Natürlich<br />
erscheint das dem heutigen Betrachter beinahe als eine Selbstverständlichkeit. Man vergisst eben<br />
nur zu leicht, dass der keynesianische Nobelpreisträger Paul Samuelson bis zur 1989er Ausgabe<br />
seines weitverbreiteten Lehrbuchs eine wirtschaftliche Überflügelung des Westens durch den infolge<br />
seiner Planwirtschaft effizienteren Ostblock für durchaus wahrscheinlich hielt.<br />
Seiner vernichtenden Kritik des Sozialismus fügte Mises dann im Verlauf der 1920er Jahre eine<br />
eingehende Untersuchung der Frage an, ob es denn einen „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und<br />
Sozialismus, d.h. einen durch staatliche Eingriffe regulierten Kapitalismus auf Dauer geben könne. Die<br />
Politik des Westens hat diese Frage in der Nachkriegszeit durchgehend bejaht, zuletzt in Form des<br />
Blairismus. Aber in Mises’ Augen ist diese Auffassung gänzlich unbegründet. Allen Formen des dritten<br />
Weges – die er unter dem Ausdruck „Interventionismus“ zusammenfasst – wohnt eine eigentümliche<br />
Dynamik inne, derzufolge sie die Gesellschaft immer stärker in den Sog des vollkommenen<br />
Sozialismus ziehen. Diese Dynamik entspringt daraus, dass die staatlichen Interventionen in das<br />
Preisgefüge des Marktes durchweg die mit ihnen angestrebten Ziele verfehlen, so dass ständig durch<br />
neue Interventionen „nachgebessert“ werden muss. Da auch diese Interventionen im Ergebnis<br />
zweckwidrig sind, besteht immer neuer Anlass nachzubessern, bis die gesamte Volkswirtschaft durch<br />
staatliche Regelungen gegängelt wird.<br />
Sozialismus oder Kapitalismus<br />
Letztlich läuft es also stets auf eine Wahl zwischen Kapitalismus und Sozialismus hinaus. Und da der<br />
Sozialismus undurchführbar ist, „kann man sich der Erkenntnis, dass der Kapitalismus die einzige<br />
durchführbare Gestaltung der gesellschaftlichen Beziehungen ist, nicht entziehen.“ (Liberalismus, S.<br />
75) Diese Schlussfolgerung ist Mises zufolge völlig unabhängig davon, ob man in seiner emotionalen<br />
und ästhetischen Lebensauffassung eher dem Individualismus oder einer der zahlreichen Spielarten<br />
des Kollektivismus zuneigt. Man mag sich für den Einzigen halten oder dem ethnischen<br />
Nationalismus, dem sozialistischen Nationalismus, dem sozialistischen Europäertum, dem<br />
rassistischen Internationalismus usw. usw. anhängen – es ist und bleibt jedenfalls eine Tatsache, dass<br />
von gesellschaftlicher Arbeitsteilung nur im Kapitalismus die Rede sein kann.<br />
Mises lehnt daher die „übliche Gegenüberstellung von Individuum und Gesamtheit, von<br />
individualistischen und kollektivistischen Ideen und Zielen oder gar von individualistischer und<br />
universalistischer Wissenschaft [als] ein leeres Schlagwort“ ab (Liberalismus, S. 60). Diese im Bereich<br />
des Sollens angesiedelten Ideen und Ziele ändern nichts an den von der Wissenschaft festgestellten<br />
414
Tatsachen. Nur der Kapitalismus bietet eine wirtschaftliche Grundlage zur Entwicklung<br />
gesellschaftlicher Beziehungen – alle anderen Wirtschaftsformen sind dagegen Abarten eines<br />
etatistischen Destruktionismus, wie Mises es im Schlussteil seiner Gemeinwirtschaft dargelegt hatte.<br />
Aus diesen Feststellungen leitet Mises jene Forderung ab, die das Wesen des Liberalismus ausmacht:<br />
„Das Programm des Liberalen hätte also, in ein einziges Wort zusammengefasst, zu lauten: Eigentum,<br />
das heißt: Sondereigentum an den Produktionsmitteln [...]. Alle anderen Forderungen des<br />
Liberalismus ergeben sich aus dieser Grundforderung.“ (Liberalismus, S. 17)<br />
Produktiver Frieden<br />
Die höhere gesellschaftliche Produktivität, die sich infolge des Privateigentums einstellt, ist in Mises’<br />
Augen somit der Kern und die Grundlage aller anderen Elemente des Liberalismus. Beispielsweise<br />
ergibt sich die Forderung nach Freiheit aller Gesellschaftsmitglieder bzw. die Ablehnung der Sklaverei<br />
nicht aus ethischen Rücksichten, sondern weil freie Arbeit weitaus produktiver ist als Sklavenarbeit.<br />
Der ewige Frieden wird nicht aus philanthropischen Gründen angestrebt, sondern weil es produktive<br />
Zusammenarbeit allein im Frieden gibt; Krieg schadet den materiellen Interessen aller Kriegsparteien,<br />
unabhängig vom Ausgang der Kämpfe. Und auch die rechtliche Gleichstellung aller<br />
Gesellschaftsmitglieder sieht Mises nicht in einer natürlichen Gleichheit der Menschen begründet<br />
(diese verneint er), sondern in der Erfordernis, den produktiven Frieden zu wahren.<br />
Folgerichtig verwirft Mises auch in seiner Rechtfertigung der Demokratie das Ideal derjenigen, die die<br />
persönliche Beteiligung an Regierungsgeschäften (z.B. durch ständige Plebiszite und imperative<br />
Mandate) zu einem Selbstzweck machen. Diese „pseudo-demokratische Theorie von der<br />
Staatsverwaltung“ sei auf der aus aristokratischen und monarchischen Zeiten tradierten „Vorstellung<br />
von der besonderen Vornehmheit und Würde der Regierungstätigkeit“ aufgebaut. „Diese Lehre hält<br />
es für unwürdig, sich von anderen regieren zu lassen. Ihr Ideal ist daher eine Verfassung, in der das<br />
ganze Volk regiert und verwaltet. Das hat es freilich nie gegeben, kann es nie geben und wird es nie<br />
geben, auch nicht in Verhältnissen eines Kleinstaates. [...] Es ist durchaus nicht eines Mannes<br />
unwürdig, sich von anderen regieren zu lassen. Auch die Regierung und Verwaltung, die Handhabung<br />
der Polizeivorschriften und ähnlicher Verfügungen erfordern Spezialisten: Berufsbeamte und<br />
Berufspolitiker. Das Prinzip der Arbeitsteilung macht auch vor den Aufgaben der Regierung nicht<br />
Halt.“ (ebd., S. 35f) Wie begründet Mises dann die Notwendigkeit der Demokratie? Wiederum ist in<br />
seinen Augen der Zusammenhang mit dem Frieden in der Gesellschaft ausschlaggebend:<br />
„Demokratie ist jene Verfassungsform des Staates, die die Anpassung der Regierung an die Wünsche<br />
der Regierten ohne gewaltsame Kämpfe ermöglicht.“ (ebd., S. 17)<br />
Und ebenso verteidigt er das Selbstbestimmungsrecht, das er ähnlich wie Ernest Renan nicht als ein<br />
Recht der „Völker“ oder der „Nationen“ auffasst, sondern das den Bewohnern eines bliebig kleinen<br />
Territoriums zukommt: „Wenn die Bewohner eines Gebietes, sei es eines einzelnen Dorfes, eines<br />
Landstriches oder einer Reihe von zusammenhängenden Landstrichen, durch unbeeinflusst<br />
vorgenommene Abstimmungen zu erkennen gegeben haben, dass sie nicht in dem Verband jenes<br />
Staates zu bleiben wünschen, dem sie augenblicklich angehören, sondern einen selbständigen Staat<br />
bilden wollen oder einem anderen Staate zugehören wollen, so ist diesem Wunsche Rechnung zu<br />
tragen. Nur dies allein kann Bürgerkriege, Revolutionen und Kriege zwischen den Staaten wirksam<br />
verhindern.“ (ebd., S. 96)<br />
Keine Konzessionen!<br />
Wie stellt sich Mises aber nun die Durchsetzung des liberalen Programmes vor? Für Parteien, Gewalt<br />
und Druckmittel welcher Art auch immer (Parteiverbote usw.) ist in seinem Plan kein Platz.<br />
415
Entscheidend ist der Sieg der liberalen Ideen, und dieser Sieg kann allein in geistiger<br />
Auseinandersetzung errungen werden. Eindringlich warnt er, die Regeln des geistigen Kampfes nicht<br />
mit denen der Tagespolitik zu verwechseln. Im Bereich des Geistigen kann es keine Kompromisse,<br />
sondern nur unnachgiebiges Festhalten an den Tatsachen geben, auf die sich die Sache des<br />
Liberalismus stützt: „Dabei ist für Konzessionen an irgendwelche liebgewordenen und eingelebte<br />
Vorurteile und Irrlehren kein Raum. In Fragen, die über Sein und Nichtsein der Gesellschaft, über<br />
Aufstieg oder Untergang von Millionen Menschen entscheiden, gibt es keine Konzessionen aus<br />
Schwachheit oder übelangebrachter Höflichkeit.“ (ebd., S. 137)<br />
Ähnlich schrieb er in einem Brief an den Berliner Publizisten Erkelenz: „[…] seit Königgrätz hatte das,<br />
was in Deutschland Liberalismus genannt wird, das liberale Programm verlassen. Bedenkenlos haben<br />
die Liberalen seither immer das Programm der jeweils herrschenden Ideologie übernommen und in<br />
‚gemäßigter’ Fassung zu ihren eigenen gemacht. Das war die Haltung der Nationalliberalen<br />
gegenüber Bismarck, Naumann‘s gegenüber dem wilhelminischen Imperialismus (Demokratie und<br />
Kaisertum!) und gegenüber der Kriegspolitik (Mitteleuropa!), der Demokratie von 1918 gegenüber<br />
den Sozialisierungsbestrebungen u.s.f. ‚Mäßigung’ an sich ist aber kein Programm, weder für die<br />
praktische Politik des Tages (das beweist die Entwicklung der Wählerzahlen), noch für die<br />
grundsätzliche Politik des Schrifttums (das beweist das Fehlen einer demokratischen Literatur).“<br />
Inspiration<br />
Diese Auffassungen werden sicherlich auch die heutige Debatte unter den Freunden der Freiheit<br />
bereichern. Es bleibt zu hoffen, dass eine neue Generation sich von Mises’ Werk inspirieren lässt, um<br />
seinem großen geistigen Vermächtnis zu gebührendem Einfluss auf die Praxis zu verhelfen.<br />
Aus: eigentümlich frei, Heft 15, Juni 2001, www.ef-magazin.de<br />
Wir danken der Redaktion der eifrei für die Genehmigung, diesen Artikel hier veröffentlichen zu<br />
dürfen.<br />
416
Die Wahrheit der Religion<br />
Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />
Mittwoch, den 28. November 20<strong>07</strong> um 14:14 Uhr<br />
Die Rede von der Wiederkehr der Religion ist inzwischen nicht mehr ständig in aller Munde, und die<br />
Papstbegeisterung wie der Feuilleton-Katholizismus sind inzwischen wieder etwas abgeflaut. Was<br />
aber unverkennbar geblieben ist, ist ein im Vergleich zur jüngsten Vergangenheit enorm gesteigertes<br />
Interesse an religiösen Fragen. Die Kirchen scheinen jedoch dieses Interesse nicht so recht für sich<br />
nutzen zu können: Keine der beiden deutschen Großkirchen verzeichnet wirklich nennenswerte<br />
Steigerungen der Kircheneintritte oder des Gottesdienstbesuches.<br />
Das gilt allerdings nur mit einer Ausnahme: Die Heiligabendgottesdienste sind im letzten Jahr<br />
überfüllt gewesen wie schon lange nicht mehr, und alles spricht dafür, daß das in diesem Jahr wieder<br />
so sein wird. Es gibt Gemeinden in Deutschland, die damit rechnen, zum ersten Mal seit langer Zeit<br />
nicht alle Menschen in den Kirchenraum hineinlassen zu können, die dort zum Gottesdienst<br />
hineinwollen.<br />
Übervolle Kirchen an Heiligabend<br />
Eine Ursache für das Phänomen der vollen Kirche an Heiligabend ist sicherlich darin zu suchen, daß<br />
der Gottesdienstbesuch zu Weihnachten für den Großteil der Kirchenmitglieder eine, wenn nicht die<br />
einzige verbliebene, institutionelle Bindung an die Kirche geblieben ist. Wenn man auch sonst nie in<br />
die Kirche geht, so doch an Heiligabend, sei es der Stimmung wegen, sei es, weil man es schon immer<br />
so gemacht hat. Bei der Erläuterung dieses Sachverhaltes ist oft von „U-Boot-Christen“ die Rede, die<br />
sich das ganze Jahr über unter Wasser halten und nur an Weihnachten einmal auftauchen.<br />
Merkwürdig ist aber, daß das vermehrte Interesse an religiösen Massenveranstaltungen, an Stille und<br />
Kontemplation in Klöstern sowie an stimmungsvollen Gottesdiensten bei Kerzenschein nicht zu<br />
einem vermehrten Interesse an der Lehre des Christentums geführt hat. Nach dem großen Erfolg des<br />
Jesus-Buches von Papst Benedikt XVI. steht das vielleicht noch bevor, aber deutlich sichtbar<br />
geworden ist es bislang nicht. Und das liegt wohl nur zum Teil daran, daß die Kirchen in der<br />
Vergangenheit zuweilen sehr ungeschickt mit den Möglichkeiten umgegangen sind, die sich zu einer<br />
öffentlichen Diskussion über den christlichen Glauben ergeben haben. Eine solche in Gang zu<br />
bringen, ist in den letzten Jahren weder anhand der Verfilmung der Passion Christi durch Mel Gibson<br />
noch anhand des Bestsellers „The Da Vinci Code“ von Dan Brown gelungen.<br />
Wichtiger als die mangelnde Geschicklichkeit der Kirchenführer ist aber wohl eine bestimmte<br />
gesellschaftliche Generaltendenz, die in der Ausklammerung der Frage nach der Wahrheit besteht.<br />
Nachdem die Plausibilität der Säkularisierungstheorie grundlegend infragegestellt worden ist, hat<br />
sogar Jürgen Habermas eingestanden, daß die Religion nicht zugunsten allgemeiner Rationalisierung<br />
der Lebensvollzüge verschwinden werde und daß ein solches Verschwinden auch gar nicht<br />
wünschenswert wäre, weil – und das ist nun das Entscheidende – die Religion nützlich sei.<br />
Nutzen der Religion und Wahrheit des Christentums<br />
Worin der spezifische Nutzen der Religion besteht – ob in der Wertevermittlung, dem Beitrag zu<br />
Kranken- und Altenpflege und sozialer Gerechtigkeit, in der Entschleunigung des Alltags, der<br />
Streßbewältigung und dem Spenden von Trost – immer wird Religion als Mittel zu einem Zweck<br />
verstanden. (Das gilt übrigens genauso für spezifisch „rechte“ Versuche, den Nutzen der Religion zu<br />
bestimmen: etwa als institutioneller Zusammenhalt der Nation.) Ein solcher Umgang mit dem<br />
417
Phänomen der Religion mag angebracht sein, wenn man auf eine fest im Volk verankerte und intakte<br />
Religion zurückgreifen kann, die man für seine Zwecke einspannen will. Eine solche Religion haben<br />
wir in Deutschland aber nicht, und eine am Nutzen orientierte Haltung zur Religion wird selbst<br />
niemals eine solche hervorbringen.<br />
Man mag sich vielleicht zum Verbleib in der tradierten Religion entschließen, weil man ihren Nutzen<br />
eingesehen hat. Der Glaube kann auf diese Weise aber nicht hervorgebracht oder erneuert werden.<br />
Dazu ist allein die Frage nach der Wahrheit der Religion ausschlaggebend. Dabei ist die Wahrheit des<br />
Christentums selbstverständlich nicht „beweisbar“ im Sinne eines zwingenden Vernunftschlusses –<br />
schließlich heißt es ja „Glaube“, und nicht „Wissen“. Aber die Wahrheit des Christentums kann<br />
durchaus plausibel und einsichtig gemacht werden. Dazu ist es aber nötig, über den Inhalt der<br />
christlichen Lehre aufzuklären.<br />
418
Frankreichs Vorstadt-Intifada<br />
Geschrieben von: Daniel L. Schikora<br />
Donnerstag, den 29. November 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Seit dem vergangenen Wochenende sieht sich Frankreich erneut mit schweren Ausschreitungen<br />
konfrontiert, die von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen aus muslimischen Einwandererfamilien<br />
ausgehen. Anlaß der jüngsten Gewalttätigkeiten in dem Pariser Vorort Villiers-le-Bel ist der Tod<br />
zweier jugendlicher Motorradfahrer infolge eines Verkehrsunfalls zwischen zwei Jungen<br />
schwarzafrikanischer Herkunft und einem Polizeiwagen. Als signifikant für die politische<br />
Wirkungsmächtigkeit einer antirassistischen „Political Correctness“ auch in der Französischen<br />
Republik kann die Eile betrachtet werden, mit der herausgestellt wurde, eine Verfolgungsjagd der<br />
Polizisten auf die Jugendlichen liege nicht vor, und ein Alkoholtest der beiden an dem Vorfall<br />
beteiligten Polizisten sei negativ ausgefallen. In Anbetracht dessen, daß Schaulustige gegen die<br />
Polizisten die Beschuldigung erhoben hatten, den Unfall verursacht zu haben, leitete die<br />
Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung und unterlassene<br />
Hilfeleistung ein.<br />
Die Ereignisse der vergangenen Tage rufen unwillkürlich Erinnerungen an die Gewalteskalationen in<br />
den banlieues französischer Städte im November 2005 wach. Von einem „zweiten Clichy-sous-Bois“<br />
spricht der sozialistische Lokalpolitiker Francois Pupponi, Bürgermeister von der Villiers-le-Bel<br />
benachbarten Gemeinde Sarcelles. „Clichy-sous-Bois“ steht für die Vorstadt-Intifada vom Herbst<br />
2005, deren Anlaß ebenfalls der Tod zweier Jungen war. Diese waren Ende Oktober 2005, auf der<br />
Flucht vor der Polizei, in einem Transformatorenhäuschen ums Leben gekommen. Von Clichy<br />
ausgehend, wurde nahezu überall in den Vorstädten Frankreichs die öffentliche Ordnung durch die<br />
planmäßige Zerstörung privaten und öffentlichen Eigentums sowie durch gewalttätige Übergriffe auf<br />
Leben und körperliche Unversehrtheit von Polizisten in Frage gestellt. Freilich: Die gegenwärtige<br />
Situation wird im Vergleich zu jener von vor zwei Jahren als schlimmer eingestuft.<br />
Ein „anti-republikanischer Pogrom“<br />
Mit der – auch in Deutschland – vielfach euphemistisch als „Jugendunruhen“ oder „Sozialproteste“<br />
titulierten Welle kollektiver Gewaltanwendungen durch junge Muslime verbindet die jüngsten<br />
Ausschreitungen der Umstand, daß auch sie sich regionenübergreifend manifestieren. So setzten<br />
Jugendliche in Toulouse eine Bibliothek in Brand. Solche Akte der Kriegserklärung an die öffentliche<br />
Ordnung, die sich keineswegs nur gegen deren „repressive“ Momente richtet, waren es, die den<br />
französisch-jüdischen Philosophen Alain Finkielkraut vor zwei Jahren dazu veranlaßten, die<br />
jugendlichen Unruhestifter als Beteiligte an einem „anti-republikanischen Pogrom“ zu verorten. Der<br />
aus der republikanischen Linken stammende Intellektuelle scheute sich bereits damals nicht, die<br />
ethno-religiösen Bruchlinien innerhalb der gegenwärtigen französischen Gesellschaft<br />
herauszustellen: Die Ausschreitungen seien „gegen Frankreich als frühere Kolonialmacht gerichtet,<br />
gegen Frankreich als europäisches Land, gegen Frankreich und seine christliche oder judäochristliche<br />
Tradition.“<br />
„Mit all der Kraft kämpfen, die die Nation aufbieten kann.“<br />
Der „gaullistische“ französische Regierungschef François Fillon gab sich in Anbetracht der aktuellen<br />
Herausforderungen heroisch: „Wir werden mit all der Kraft kämpfen, die die Nation aufbieten kann“,<br />
erklärte er. Tatsächlich läßt sich das französisch-republikanische Modell einer supra-ethnischen, aber<br />
politisch-kulturell homogenen Staatsnation nur dann in glaubwürdiger Weise als Alternative zu<br />
419
einem Rückfall in tribalistische Strukturen propagieren, wenn die Institutionen der Republik in der<br />
Lage sind, jedem Bürger, unabhängig von seiner Herkunft und seinem Wohnort, elementare<br />
Menschenrechte und insbesondere das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum<br />
zu garantieren.<br />
420
Das deutsche Schulsystem – ein Erfolg!<br />
Geschrieben von: Michael Schulz<br />
Dienstag, den 04. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die IGLU-Studie hat mit ihrem Ergebnis, dass deutsche Grundschulen recht gut sind, für Aufsehen<br />
gesorgt. Dies hat mich dazu veranlaßt, nach meiner „Bildungslüge“, in der ich die Defizite angeklagt<br />
habe, mich zu den positiven Seiten des deutschen Schulsystems zu äußern und zwar zu solchen, die<br />
niemals von der Politik oder öffentlichen Stellen so dargestellt werden.<br />
„Renditeorientiertes Lernen“<br />
Bei PISA wurden Schüler aller Schularten getestet – mit unterdurchschnittlichem Ergebnis für die<br />
Deutschen. Dies lässt sich aber einfach erklären. Die Haupt- und Realschulen sind für einen<br />
praktischen oder bürokratischen Beruf ausgelegt. Man lernt also nur wie etwas funktioniert, aber<br />
nicht warum. Und genau das, das Verstehen der Hintergründe der Materie, die komplexen<br />
Zusammenhänge, wurden bei PISA abgefragt, denn PISA ist auf Gymnasialniveau ausgelegt, da die<br />
meisten Länder eine Einheitsschule haben, die zwischen Gymnasium und Realschule angesiedelt<br />
werden kann.<br />
Hier haben die Kritiker des hiesigen Schulsystems Recht, die schlechten PISA-Ergebnisse liegen am<br />
System. Allerdings heißt das nicht, dass das Schulsystem schlecht ist, sondern dass die Methodik der<br />
PISA-Studie für das deutsche System ungünstig ist.<br />
Viele Migranten ziehen den Schnitt herunter<br />
Ein weiterer Grund für die schlechten Ergebnisse ist, dass aufgrund der Einwanderung in Deutschland<br />
unverhältnismäßig viele Migrantenkinder deutsche Schulen besuchen, die meistens schlechtere<br />
Resultate erzielen. Und da PISA einen Mittelwert bildet und auf solche Punkte keine Rücksicht<br />
nimmt, wird das Ergebnis verwaschen. Das Ergebnis eines guten deutschen Gymnasiasten wird durch<br />
das eines schlechten Ausländers nivelliert. Der deutsche Gymnasiast kann aber trotzdem locker mit<br />
dem finnischen Schüler mithalten. Nur steht der deutsche Gymnasiast nicht allein auf der deutschen<br />
Seite, so wie der finnische Schüler auf der finnischen Seite.<br />
„Mangelhaft“ für Chancengleichheit<br />
Am schlimmsten soll das deutsche Schulsystem in Sachen Chancengleichheit sein. Nun ja, in der Tat<br />
ist es so, dass es Ausländer schwerer haben als Deutsche. Dies ist aber nicht weiter verwunderlich,<br />
wir sind ja schließlich in Deutschland; logisch, dass es für Deutsche einfacher ist. In anderen Ländern<br />
tritt dieses Problem nicht so deutlich zu Tage, da es dort höhere Anforderungen für Einwanderer gibt.<br />
Hier tritt der große Fehler der deutschen Nachkriegspolitik zutage – die Anwerbung ausländischer<br />
Arbeiter in den 50er und 60er Jahren. Die Arbeiter sind damals mit geringen Auflagen nach<br />
Deutschland gekommen und dachten sich, dass man sich in Deutschland nicht angleichen muss. Die<br />
Folgen sind bekannt: keine deutschen Sprachkenntnisse führen zu schlechten Sprachkenntnissen der<br />
Kinder, was nahezu zwangsläufig zu einem geringen Erfolg in der Schule führt.<br />
Und so sammeln sich diese Leute in der Haupt- oder Realschule – zumindest in weiten Teilen von<br />
Westdeutschland. Auch wenn die Politik es nicht wahr haben möchte, die deutschen Gymnasiasten<br />
sind froh darüber, dass es nicht so viele Ausländer bei ihnen gibt. Dass allerdings auf den Schulhöfen<br />
der meist kombinierten Haupt- und Realschulen die Ausländer, im wahrsten Sinne des Wortes, das<br />
Gewaltmonopol innehaben, hat zur Folge, dass sich die guten deutschen Realschüler in ihrem<br />
eigenen Land nicht mehr wohl fühlen. Bleibt nur so hoffen, daß sich dieses ungute Klima in positive<br />
421
Energie ummünzen lässt und die deutschen Realschüler alles tun, um so gut wie möglich<br />
durchzukommen oder so schnell wie möglich aufs Gymnasium zu gelangen.<br />
422
Reihe zum Libertarismus: Manchester heute<br />
Geschrieben von: Gastautor: Gerd Habermann<br />
Dienstag, den 04. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Immer schriller werden die Stimmen der Globalisierungsgegner und Staatsgläubigen, die vor einem<br />
neuen „Manchester-Kapitalismus“ und einer Schwächung des Nationalstaates warnen. Zunächst<br />
sollte man sich fragen, was denn schlecht am Manchester-Kapitalismus sein soll. Zu diesem Thema<br />
hat Detmar Doering Entscheidendes geschrieben: Der „Manchester-Kapitalismus“ war die Epoche, in<br />
der sich stürmisches Bevölkerungswachstum mit zunehmendem Massenwohlstand und Freihandel<br />
verband. Wo er hinkam, hat er im vergangenen Jahrhundert Armut beseitigt, Arbeitsplätze<br />
geschaffen, das Leben auch des einfachen Menschen länger und angenehmer gemacht.<br />
Historisch richtete sich die Manchester-Bewegung gegen die Verteuerung des Brotes des kleinen<br />
Mannes durch Getreidezölle, die nur Englands Großgrundbesitzern zugute kamen. Es war eine erste<br />
politische Massenbewegung, der es gelang, den Freihandel vorübergehend zumindest für England<br />
durchzusetzen. Sieht man sich nur die Gegenwart an, so nimmt in der Tat die internationale<br />
Handelsfreiheit im Zeichen der so genannten Globalisierung wieder zu. Es ist schon überraschend,<br />
wenn die internationale Linke sich dieser Globalisierung widersetzt, um die Privilegien der Arbeiter in<br />
den reichen Ländern gegen die Arbeiter in den armen Ländern zu verteidigen.<br />
Aber wie sieht das Manchestertum nun in der BRD und Europa gegenwärtig aus? Die BRD hat das<br />
rigideste Arbeitsrecht aller modernen Industriestaaten – sie steht in dieser Hinsicht auf dem 58. Platz<br />
im internationalen Freiheitsindex. Durch Kartelle vereinbarte Zwangstarife sind gleichbedeutend mit<br />
Arbeitsverboten für die, die unter Tarif arbeiten wollen. Gerade wird die unternehmerische<br />
Handlungsfreiheit wieder durch die Novellierung des schon im Ansatz verfehlten<br />
Betriebsverfassungsgesetzes – ein Rückstand von 1918 – eingeschnürt. Ein wahrer Irrläufer der<br />
Evolution ist unser Kündigungsschutzgesetz: Eine Art Verbrüderungszwang des Unternehmers mit<br />
dem Arbeitnehmer, der nur durch hohe Zahlungen (Abfindungen) abzukaufen ist. Dann muss der<br />
deutsche Arbeitnehmer gegenwärtig über 40% seines Einkommens an staatliche<br />
Versorgungsmonopole abführen, die ihn wie einen unwissenden, unmündigen Proletarier des 19.<br />
Jahrhunderts behandeln und keine sicheren Versorgungszusagen mehr geben können. Sie schränken<br />
die Vertragsfreiheit im Privatleben in dramatischer Art ein (Sozialversicherungszwang). Die<br />
Abgabenlast (direkt und indirekt) insgesamt und einschließlich z.B. der skandalösen Rundfunksteuer<br />
für häufig nicht gewünschte öffentlich-rechtliche Dienste liegt zurzeit bei weit über 60%. Nur den<br />
Rest hat der Bürger zu seiner freien Verfügung; eine Sozialisierung der Einkommensverwendung, die<br />
das Sozialisieren von Produktionsmitteln erspart. Das Bildungswesen verharrt in einem Zustand<br />
betrüblicher staatswirtschaftlicher Stagnation.<br />
Nie war also die BRD so weit ab vom Manchester-Kapitalismus wie gerade gegenwärtig. Einen<br />
Lichtblick bieten einzig die Privatisierungen und Deregulierungen im Bereich bisheriger Netz- und<br />
Versorgungsmonopole. Bei Bahn, Post, Telekommunikation usw. hat die Staatswirtschaft Konkurrenz<br />
bekommen oder löst sich ganz auf, jüngst sogar bei der Energieversorgung. Die Verbilligung des<br />
Telefonierens unter dem Druck der Konkurrenz lässt erkennen, wie hoch der Ausbeutungsgrad durch<br />
staatsmonopolistische Unternehmen gewesen ist – dies damals mit dem besten Gewissen und<br />
angeblich im Interesse des kleinen Mannes! Die neue europäische Währung ist ebenfalls kein<br />
Fortschritt in liberal-marktwirtschaftlicher Hinsicht. Im Gegenteil! Als europäische Kartellwährung auf<br />
Papierbasis steht sie weit hinter der Qualität des Goldstandards im 19. Jahrhundert zurück. Erfreulich<br />
423
dagegen ist die zum Teil technisch bedingte zunehmende internationale Freiheit des Austausches von<br />
Gütern und Dienstleistungen. Von hier kommt auch am ehesten die Hoffnung, dass der kontinentale<br />
Versorgungsstaat durch Wettbewerb und interne Fehlentwicklungen langsam aufgebrochen wird.<br />
Vor „Manchester-Kapitalismus“ zu warnen, besteht also keinerlei Grund; erstens, weil wir ihn als<br />
soziale Fürsorgestaaten in Europa nicht haben und zweitens, weil es segensreich wäre, wenn wir ihn<br />
hätten.<br />
Aus: eigentümlich frei, Heft 16, Juli/August 2001, www.ef-magazin.de<br />
Wir danken der Redaktion der eifrei für die Genehmigung, diesen Artikel hier veröffentlichen zu<br />
dürfen.<br />
424
Die Wahrheit der Religion II<br />
Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />
Mittwoch, den 05. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Bevor über den Inhalt der christlichen Lehre aufgeklärt werden kann, ist es nötig, eine Schwierigkeit<br />
auszuräumen, die oftmals eine ernsthafte Beschäftigung mit religiösen Fragen von vornherein<br />
verhindert: Wenn man traditionelle Themen der Religion und der Philosophie anspricht, halten<br />
einem heutzutage schon Kinder entgegen, sie glaubten nur, was sie sehen. Gemeint ist damit aber<br />
bestimmt nicht, daß sie tatsächlich glaubten, was sie sehen. Es gibt Menschen, die Geister sehen, und<br />
die trotzdem nicht an Geister glauben, sondern diese für eine Halluzination halten. Im Traum sehen<br />
wir ständig Dinge, die wir später – wenn wir wach sind – für nicht real erklären. Gemeint ist also<br />
nicht: ich glaube nur, was ich sehe. Gemeint ist: ich glaube nur, was ich messen, zählen oder wiegen<br />
und dann durch Rückführung oder Analyse erfassen kann.<br />
Man hat es in solchen Fällen im Grunde mit einem Relikt dessen zu tun, was in der Philosophie am<br />
Anfang des Weges in die Neuzeit gestanden hat und in das Programm der Aufklärung gemündet ist.<br />
Deren Wirklichkeitsverständnis, das sich ausschließlich auf Vernunft und Empirie gründete, hat in<br />
Europa einen solchen Siegeszug angetreten, daß nicht nur die Philosophie, sondern auch die Religion<br />
vor ihm kapituliert hat. Hierbei handelte es sich aber nicht um einen Siegeszug der Erkenntnis,<br />
sondern um einen der Macht: Man war fasziniert von der Verheißung, daß die gesamte Wirklichkeit<br />
in ihre Einzelteile zerlegt und anschließend wieder künstlich neu zusammengesetzt werden könnte.<br />
Weder der Hinweis darauf, daß auf diese Weise das Wesen der Wirklichkeit gar nicht erfaßt werden<br />
kann, noch die Tatsache, daß dieses Programm bei der gesamten Organisation des menschlichen<br />
Zusammenlebens nicht funktioniert, konnten den Zug aufhalten.<br />
Der Mensch kann nicht Herr über die Natur werden.<br />
Das einzige, was man im Laufe des 20. Jahrhunderts losgeworden ist, ist der Optimismus, daß der<br />
Mensch tatsächlich Herr über die Natur werden würde. Man hat erkannt, daß das Konzept nicht<br />
funktioniert, aber man ist nicht in der Lage oder nicht willens, Alternativen anzubieten. Es ist aber<br />
nicht so, daß es keine Alternativen gäbe. Die beiden wichtigsten sind die Phänomenologie und die<br />
Metaphysik.<br />
Die Phänomenologie geht davon aus, daß die Wirklichkeit ein Gesamt aus nicht reduzierbaren<br />
Erscheinungen ist, die nicht durch Zergliederung erfaßt werden können. Wollte man die Phänomene<br />
zergliedern, so würde man sie zerstören: Dem Geheimnis einer Blume kommt man nicht durch<br />
Zerlegung der Blume in ihre Einzelteile auf die Spur, sondern nur durch Betrachtung der Blume als<br />
Ganzes. Damit kann man zwar keine Macht über die Natur erlangen, aber man kommt ihrem Wesen<br />
auf die Spur. Außerdem – und hier kommt die Religion ins Spiel – ist man nicht gezwungen, alle nicht<br />
rational erklärbaren Phänomene für unwirklich zu halten. So hielten Rudolf Otto, Mircea Eliade und<br />
andere Religionswissenschaftler die Erfahrung des Heiligen für ein nicht reduzierbares Phänomen.<br />
Diese Erfahrung des Ganz-Anderen, das in die Alltagswelt eintritt, aber ihr nicht angehört, kann<br />
phänomenologisch als der Ursprung der Religion gedeutet werden.<br />
Metaphysik und Phänomenologie<br />
Mit Metaphysik schließlich ist hier der Gebrauch der ganzen Vernunft gemeint. Das reduktionistische<br />
Wirklichkeitsverständnis der neuzeitlichen Philosophie hat die Vernunft immer in den Fängen der<br />
Empirie gehalten und gemeint, über die Dinge, die nicht sinnlich wahrnehmbar seien, lasse sich<br />
nichts Vernünftiges sagen. Der Gipfel dieser Auffassung ist die Behauptung, daß die<br />
425
Naturwissenschaften mit dem Erweis der Naturgesetze gezeigt hätten, daß es nichts Über-<br />
Natürliches – Meta-Physisches gebe. Doch eine Wissenschaft, die sich qua definitionem der<br />
Erforschung der Natur widmet, ist überhaupt nicht in der Lage, irgend etwas über das auszusagen,<br />
was außerhalb der Natur steht. Wenn sie das doch tut, dann verstrickt sie sich in Widersprüche, die<br />
so weit gehen, daß schließlich die Grundlagen jeder Wissenschaft und jedes Denkens bestritten<br />
werden müßten. Wer zum Beispiel die menschliche Vernunft als Produkt eines evolutionären<br />
Prozesses beschreibt und meint, daß die Prozesse des menschlichen Verstandes vollständig von den<br />
neuronalen Prozessen im Gehirn abhängig sind, der hat damit die Annahme verabschiedet, daß die<br />
Prozesse des menschlichen Verstandes richtig sein können. Diese Annahme ist aber die<br />
Voraussetzung unseres Denkens. Wer sie angreift, hat seinen eigenen Gedankengang damit sinnlos<br />
und zunichte gemacht.<br />
Vernunft etwas Metapysisches<br />
In diesem Sinne ist die Vernunft selbst etwas Metaphysisches. Sie ist Grundlage und Voraussetzung<br />
für die Erkenntnis der Natur und kann als solche nicht selbst der Natur angehören. Wer aber erkennt,<br />
daß es etwas außerhalb der Natur gibt und daß dieses phänomenologisch und mit Hilfe der Vernunft<br />
erfaßt werden kann, der glaubt vielleicht nicht mehr nur das, was er sieht.<br />
426
Der Trost des Christentums<br />
Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />
Freitag, den <strong>07</strong>. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Wer sonntags in den Gottesdienst geht, kann angesichts der Predigt oftmals den Eindruck nicht<br />
loswerden, daß diejenigen Recht haben, die mit Nietzsche das Christentum für die Religion der<br />
Schlechtweggekommenen halten, und daß außerdem diejenigen im Recht sind, die mit Karl Marx und<br />
neuerdings Richard Dawkins die Sehnsucht nach Trost und ein Leben nach dem Tod angesichts der<br />
Trostlosigkeit und Sinnlosigkeit der Welt für den Ursprung der Religion halten. Ein solcher Eindruck<br />
ist leicht zu gewinnen, wenn man in der Kirche ständig hört, Gott liebe jeden Menschen so, wie er<br />
sei, ohne Bedingungen, und wenn alle Menschen ein wenig netter zueinander seien, dann werde<br />
schon alles wieder in Ordnung kommen.<br />
Schon Kinder erkennen, daß da etwas nicht stimmen kann, und Jugendliche können schon gar nichts<br />
mit einer solchermaßen verwässerten Religion anfangen. Die bis zum Überdruß wiederholte Rede<br />
vom „lieben Gott“ nährt wohl weniger die Vorstellung von einem Vater, sondern von einem<br />
Großvater im Himmel.<br />
Sündenbewußtsein<br />
Der Grund dafür, daß uns Gottes Zuspruch nichts mehr sagt, ist wohl der, daß wir meinen, gar nicht<br />
auf ihn angewiesen zu sein. Uns ist etwas abhanden gekommen, was der Großteil der Menschheit<br />
besessen hat, und was die christliche Predigt von der Vergebung und der Erlösung immer<br />
voraussetzt: das Sündenbewußtsein.<br />
Man tut häufig so, als sei das Wissen um die eigene Sündhaftigkeit etwas spezifisch Christliches, und<br />
als hätten gerade die „natürlichen“, heidnischen Religionen so etwas nicht gekannt. Das stimmt aber<br />
nicht. Die längste Zeit der Menschheitsgeschichte über waren die Menschen davon überzeugt, daß es<br />
ein Naturrecht gebe, und daß sie selbst ständig dagegen verstießen. Die Einwände, die gegen die<br />
Vorstellung eines Naturrechts erhoben wurden, waren zahlreich, konnten aber alle nicht überzeugen.<br />
Weder der Hinweis darauf, daß es sich beim Sittengesetz um einen Trieb oder etwas Anerzogenes<br />
handele, noch die Behauptung, die Befolgung moralischer Prinzipien habe für den Menschen im<br />
evolutionären Prozeß einen Selektionsvorteil bedeutet, treffen zu.<br />
Sittengesetz<br />
Welchem Trieb folgen wir denn beispielsweise, wenn wir einem Ertrinkenden zu Hilfe eilen, wo doch<br />
in Wirklichkeit alle unsere Triebe sich dagegen sperren, unser Leben für die Rettung eines anderen in<br />
Gefahr zu bringen? Welchen Selektionsvorteil sollte es bedeuten? Und wie sollten wir schließlich<br />
verschiedene ethische Systeme miteinander vergleichen können, wenn wir keinen<br />
Vergleichsmaßstab hätten? Die Antwort lautet, daß wir sehr wohl um richtig und falsch, gut und böse<br />
wissen, daß wir wissen, wie wir eigentlich handeln sollten, daß wir also das Sittengesetz kennen.<br />
Wenn wir allerdings immer so handeln würden, wie wir sollten, dann wäre das Sittengesetz nichts<br />
weiter als ein Naturgesetz, das beschreiben würde, wie Menschen sich verhalten. Daß dies nicht der<br />
Fall ist, ist offensichtlich: Wir spüren das Sittengesetz gerade dann, wenn wir uns anders verhalten,<br />
als es von uns verlangt. Hier wird deutlich, weshalb die materialistische Weltanschauung nicht richtig<br />
sein kann, weil sie keinen Platz läßt für etwas, das außerhalb der Materie steht. Das tut aber nicht<br />
nur die Vernunft (die ja, wenn sie nichts als eine zufällige Bewegung der Materie im Gehirn wäre,<br />
427
keinerlei Beweiskraft hätte, womit überhaupt kein menschliches Denken überzeugend sein könnte),<br />
sondern auch das Sittengesetz.<br />
Eine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem Woher von Vernunft und Sittengesetz bietet nur<br />
die religiöse Weltanschauung, die von einem geistbegabten Wesen ausgeht, das die Welt erschaffen<br />
hat. Das mag etwas voreilig erscheinen, gerade angesichts der Tatsache, daß sehr viele Menschen<br />
heutzutage weder Materialisten noch religiös im eigentlichen Sinne sind, sondern statt dessen an<br />
eine unpersönliche „Kraft“ glauben, die hinter dem Universum steht. Dieser Glaube entspringt nun<br />
aber tatsächlich menschlichem Wunschdenken, weil er die unangenehmen Seiten sowohl der<br />
materialistischen als auch der religiösen Weltanschauung umgeht: Weder muß er sich damit<br />
abfinden, daß das ganze Weltall eine sinnlose Bewegung von Atomen ist, noch muß er sich an<br />
sittliche Grundsätze halten – denn wie sollte diese blinde und zahme Lebenskraft sittliche<br />
Forderungen stellen?<br />
Gott ist „gut“.<br />
Es bleibt die Religion, die sagt, daß Gott es ist, der die Welt geschaffen und das sittliche Gesetz in<br />
unseren Geist gelegt hat. In diesem Sinne ist Gott „gut“, aber nicht nachsichtig, milde oder „lieb“. Die<br />
Wahrheit ist: Ohne Gott können wir nicht leben, denn ohne ihn müßten wir unsere Vernunft und die<br />
Vorstellung vom Guten aufgeben. Aber mit Gott können wir ebensowenig leben, weil wir uns an das<br />
Gute, das er unerbittlich von uns fordert, nicht halten.<br />
Dieses ständige Verstoßen gegen die Forderung des Gesetzes ist es, was die Tradition als Erbsünde<br />
bzw. als Sündhaftigkeit bezeichnet hat. Erst an diesem Punkt setzt die Botschaft des Christentums<br />
ein. Ohne Zweifel spendet das Christentum dann Trost, aber es beginnt nicht damit.<br />
428
Was für ein Theater mit „Faust“<br />
Geschrieben von: Felix Menzel<br />
Montag, den 10. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Im Gegensatz zu Kino und Fernsehen hat das Theater in den letzten Jahrzehnten an Einfluß verloren.<br />
Das Theater ist zu langsam, zu unspektakulär und zu exklusiv. Um diesen Nachteil wettzumachen,<br />
setzt der junge Regisseur Sebastian Baumgarten in seiner „Faust“-Neuinterpretation, die derzeit am<br />
„jungen schauspielhannover“ aufgeführt wird, multimediale Elemente ein. Das Schauspiel wird im<br />
Hintergrund durch eine Videokomposition von Stefan Bischoff, durch Musikstrecken sowie weitere<br />
innovative Bausteine begleitet. Trotz dieser interessanten Ansätze überzeugt das Stück nicht. Schuld<br />
daran ist die groteske ideologische Aufladung des „Faust“-Stoffes.<br />
In der Szene, in der sich das Gretchen als Prostituierte dem Faust nähert und dabei, in einem Käfig<br />
sitzend, von NS-Schergen sanft mit Peitschen gestreichelt wird, kann jeder Zuschauer klar erkennen,<br />
daß es sich bei dem Stück nur um eine mit Theorie aufgeblähte Antifa-Sitzung handelt.<br />
Das Theater als Medium in der Krise<br />
"Akkumulation von Bildern" über assoziative EindrückeSchade, denn der theoretische Ansatz von<br />
Sebastian Baumgarten ist gar nicht mal so schlecht, nur gelingt es ihm nicht, die „immense<br />
Akkumulation von Bildern“ (Giorgio Agamben), Assoziationen und Fragmenten mit einer<br />
nachvollziehbaren, inhaltlichen Interpretation des „Faust“ zu verbinden. Der postdramatische<br />
Theaterentwurf von Baumgarten scheitert an seiner eigenen Komplexität und an der unsinnigen<br />
ideologischen Aufladung. Faust als ein „frühes Dokument des Kommunismus“ zu interpretieren, wie<br />
es Carl Hegemann, wissenschaftlicher Berater dieser Inszenierung, getan hat, ist einfach nur gröbster<br />
Unfug.<br />
Faust als „der erste Vertreter eines humanen Kommunismus“<br />
Einige Kritiker schrieben trotz dieses Unfugs von „Jubel in Hannover“. Der Autor dieses Artikels<br />
hingegen hat kurz nach der Halbzeit des Stückes unter Protest mit 30 weiteren Zuschauern die<br />
Vorstellung verlassen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Lücken auf den Rängen bereits unübersehbar.<br />
429
Jenseits von Gut und Böse?<br />
Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />
Montag, den 10. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der Deutsche, so heißt es immer wieder, findet Gott nicht in der Kirche, sondern in der Natur. Vor<br />
allem beim Waldspaziergang sei das Heilige viel spürbarer als im Gottesdienst. Die gewaltige Eiche,<br />
der Wasserfall, der plötzliche Schritt aus dem Dickicht heraus auf eine Lichtung: das alles bringe<br />
einem Gott viel näher als jede Predigt. Einer solchen Vorstellung stimmen wir oft gerne zu, denn sie<br />
ist schön, gefühlsmäßig plausibel, und außerdem so folgenlos. Der Pantheismus wurde lange Zeit für<br />
die einzig intellektuell befriedigende Form des religiösen Denkens gehalten, aber das ist sie nicht.<br />
Die Vorstellung, daß Gott sich in der Natur offenbare, daß die Natur in Wirklichkeit Gott sei, mag<br />
gefühlsmäßig überzeugen, aber intellektuell tut sie das nicht. Jedenfalls ist sie mit einer erheblichen<br />
Schwierigkeit verbunden: Wenn die ganze Natur ein Teil von Gott ist, dann gibt keinen Unterschied<br />
mehr zwischen Schöpfer und Geschöpf, und dann gibt es auch keinen Unterschied mehr zwischen<br />
Gut und Böse. Nun haben wir uns zwar angewöhnt, diejenigen Menschen, die die Welt klar und<br />
eindeutig in Gut und Böse aufteilen, für naiv zu halten, und statt dessen zu betonen, daß es zwischen<br />
beidem noch erheblichen Spielraum gibt. Aber gerade diesen Spielraum, die verschiedenen<br />
Graustufen zwischen Schwarz und Weiß, gibt es ja nur, weil es Schwarz und Weiß gibt. Ohne beides<br />
wäre die Welt so einfarbig, wie die Pantheisten meinen.<br />
Das Böse wegdenken<br />
Der Pantheismus ist dabei nur einer, wenn auch der intelligenteste, der vielen neuzeitlichen Heile<br />
Welt?Versuche, das Böse wegzuerklären. Darwin meinte, das Böse sei nur ein sogenanntes Böses,<br />
weil Aggression der Arterhaltung diene; Marx hielt das Böse für einen (behebbaren)<br />
gesellschaftlichen Defekt, Freud für einen psychischen. Nietzsche schließlich näherte sich der<br />
pantheistischen Auffassung sehr stark an, wenn er das Böse für einen bloßen Begriff hielt, den man<br />
beliebig durch andere Begriffe wie „unnütz“ oder „unvernünftig“ ersetzen könne. Krieg, Krankheit,<br />
Tod, alldem mag man vielleicht noch etwas Positives abgewinnen, aber was ist gut an Grausamkeit<br />
und Haß an sich? Nein, das Böse existiert, und seine Existenz ist ein entscheidender Hinweis auf die<br />
Richtigkeit der christlichen Lehre.<br />
Interessanterweise wurde aber gerade die Existenz des Bösen immer wieder gegen die christliche<br />
Auffassung ins Feld geführt: Wie kann es Böses in der Welt geben, wenn ein guter Gott die Welt<br />
geschaffen hat? Dies ist in der Tat die Frage. Die naheliegende Antwort – daß es dann eben doch kein<br />
guter Gott war, der die Welt geschaffen hat, daß Gott gar nicht existiert – ist aber zu einfach: Denn<br />
böse und ungerecht kann ich die Welt nur nennen, wenn ich eine Vorstellung von gut und gerecht<br />
habe: Wäre die ganze Welt sinnlos, dann könnten wir gar nicht um ihre Sinnlosigkeit wissen.<br />
Der Krieg des Guten und Bösen<br />
Es gibt nur zwei Auffassungen, die beides berücksichtigen: daß vieles in der Welt schlecht und<br />
anscheinend sinnlos ist, und daß es zugleich Wesen in der Welt gibt, die darum wissen. Auf der einen<br />
Seite ist dies die christliche Lehre, die besagt, daß ein guter Gott die Welt geschaffen hat, diese aber<br />
auf Abwege geraten ist. Auf der anderen Seite ist es der Dualismus. Dieser hält die Welt für ein<br />
Schlachtfeld, auf dem die Mächte des Guten und die Bösen einen ewigen Krieg führen. Beide<br />
Mächte, das Gute wie das Böse, sind ewig, gleich mächtig, und unabhängig voneinander. Das<br />
Problem, das das Christentum am Dualismus hat, ist ausdrücklich nicht die Unterteilung in Gut und<br />
Böse. Das Problem des Dualismus ist die nicht zu Ende gedachte Metaphysik: Wenn beide Mächte<br />
430
wirklich unabhängig und gleich mächtig sind, mit welchem Recht darf man dann die eine gut und die<br />
andere böse nennen? Wenn wir das tun, dann muß es zusätzlich zu den beiden Mächten noch etwas<br />
Drittes geben, einen Maßstab des Guten – das wäre dann der wahre Gott.<br />
Wir erkennen hieran, daß das Böse zwar existiert, aber nicht als etwas Selbständiges. Niemand will<br />
das Böse um seiner selbst willen. Böse kann nur sein, wer das Gute kennt, und es dann auf<br />
verkehrtem Weg erreichen will. Das Böse ist immer darauf angewiesen, das Gute zu gebrauchen,<br />
schon allein, weil es ohne Verstand und Willen – beides an sich gut – nicht existieren kann. Deshalb<br />
hat das Christentum auch immer behauptet, der Teufel sei ein gefallener Engel. Und deshalb ist der<br />
Dualismus auch nicht konsequent, sondern bleibt auf der Hälfte des Gedankengangs stehen.<br />
Es reicht nicht, Gott nur in der Natur zu suchen.<br />
Praktisch sind sich Christentum und Dualismus aber wesentlich ähnlicher als heute vielfach<br />
angenommen wird. Der Kampf zwischen Gut und Böse findet wirklich statt, unsere Welt ist wirklich<br />
ein Schlachtfeld – nur das es sich nicht um einen Krieg zwischen zwei gleichstarken Parteien handelt,<br />
sondern um einen Bürgerkrieg, eine Rebellion der Geschöpfe gegen den Schöpfer. Oder um es mit C.<br />
S. Lewis zu sagen: „Vom Feind besetztes Gebiet – das ist unsere Welt. Das Christentum läßt uns<br />
wissen, wie der rechtmäßige König gekommen, gleichsam verborgen gelandet ist und uns alle<br />
aufruft, am weltweiten Feldzug der Partisanen teilzunehmen. Wenn wir zum Gottesdienst gehen,<br />
hören wir den Geheimsender unserer Verbündeten ab; deshalb ist auch dem Feind so sehr daran<br />
gelegen, uns vom Gottesdienst fernzuhalten. Er bedient sich dabei unserer Eitelkeit, Feigheit,<br />
Faulheit und unseres intellektuellen Snobismus.“ Deshalb, so könnte man ergänzen, reicht es auch<br />
nicht, Gott nur in der Natur zu suchen.<br />
431
Liberalismus und Anarchismus in eine Front!<br />
Geschrieben von: Gastautor: Stefan Blankertz<br />
Dienstag, den 11. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Beziehung zwischen Anarchismus und Liberalismus ist über weite Strecken die von „feindlichen<br />
Brüdern“. Anarchisten grenzen sich scharf ab vom Liberalismus, der durch Kompromisse mit<br />
Etatismus, Nationalismus und Militarismus zum Teil des herrschenden Systems geworden ist. Liberale<br />
beeilen sich, sich vom Anarchismus zu distanzieren, dessen Liebäugeln mit Terrorismus und<br />
autoritären sozialistischen Richtungen ihnen suspekt ist.<br />
Auf der Ebene der Theoriebildung haben Anarchisten jedoch stets die ursprünglichen liberalen Ideen<br />
für sich reklamiert: Für Peter Kropotkin hatten Herbert Spencers Theorien eine große Bedeutung;<br />
Rudolf Rocker hebt in seinem Hauptwerk „Nationalismus und Kultur“ die anti-etatistische Grundlage<br />
des Liberalismus hervor; Lysander Spooner, Benjamin R. Tucker, Voltairine de Cleyre und Paul<br />
Goodman sahen sich als die rechtmäßigen politischen Erben von Thomas Jefferson; Murray Rothbard<br />
entwickelt die Ökonomie von Ludwig von Mises weiter.<br />
Andererseits gibt es auch Liberale ohne Berührungsangst mit dem Anarchismus wie Albert Jay Nock,<br />
John Dewey und Felix Morley. Thomas Jefferson hielt, sich auf indianische Traditionen berufend (!),<br />
„no government at all“ für den erstrebenswerten politischen Zustand. Zwei historische Chancen einer<br />
antietatistischen Koalition zwischen Liberalismus und Anarchismus sind verpaßt worden. Die<br />
Anarchisten haben es in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht geschafft, sich mit den antiimperialistischen<br />
und anti-viktorianischen Kräften des Manchester-Liberalismus zu verbünden. Dies<br />
ist um so tragischer, weil es in der Folge die marxistisch dominierte Historiographie von Anarchisten<br />
weitgehend unbehelligt vermocht hat, aus den Manchester-Liberalen, deren Zielgruppe aus<br />
Arbeitern und Lumpenproletariern bestand, im öffentlichen Bewußtsein zu Handlangern der<br />
Ausbeuter zu machen.<br />
Die zweite Chance ist vom Liberalismus vertan worden, als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
Anarchisten in Rußland (Ukraine 1918-1922) und Spanien (1936-1939) sowohl gegen die konservative<br />
Staatsgewalt als auch gegen die „revolutionäre“ Staatsgewalt der Marxisten kämpften und auf<br />
wirksame internationale Unterstützung angewiesen wären. Die falsche Entscheidung der damaligen<br />
Liberalen, die Partei der Konservativen zu ergreifen, hat nicht nur den Anarchismus in der<br />
Katastrophe des Faschismus und Kommunismus für Jahrzehnte untergehen lassen, sondern auch das<br />
Schicksal des konsequenten Liberalismus selbst besiegelt. Danach ist der Liberalismus vollends zur<br />
staatstragenden Macht degradiert.<br />
Die Hoffnung für das kommende Jahrtausend besteht darin, daß der von Paul Goodman und Murray<br />
Rothbard eingeleitete Versuch, im „libertarianism“ eine Koalition zwischen Anarchisten und Liberalen<br />
zu stiften, Erfolg hat.<br />
Die anarchistische Basis des liberalen Freiheitsbegriffs<br />
These: Der konsequente Liberalismus kritisiert am Sozialismus nicht den Sozialismus, sondern den<br />
Interventionismus. In einer politologisch präzisen Definition von Sozialismus kommt der Staat nicht<br />
vor: Sozialismus ist ein politisches System, in welchem gemeinsames Eigentum sozioökonomische<br />
Differenzierung in der Bevölkerung vermeiden solle. Wenn wir die Variante des Ost-Sozialismus, in<br />
der der Staat Träger des gemeinsamen Eigentums war, zur definitiven Gestalt des Sozialismus<br />
erklären, fallen viele, die sich als Sozialisten bezeichnet haben, heraus.<br />
432
Im Kontext der Zensur gegen angeblich bolschewistische Intellektuelle in der McCarthy-Zeit schrieb<br />
Ludwig von Mises 1956 beispielsweise unmißverständlich: „Jedoch ist Freiheit unteilbar. Jeder<br />
Versuch, die Freiheit der dekadenten und lästigen Literaten und Schein-Künstler zu beschränken,<br />
würde den Autoritäten die Macht verleihen, zu bestimmen, was gut und was schlecht ist. Freiheit<br />
muß allen zugestanden werden, selbst den verächtlichen Menschen, damit nicht die wenigen, die<br />
von ihr zum Wohle der Menschheit Gebrauch machen können, behindert werden.“<br />
Fast hundert Jahre vorher hatte der Anarchist Bakunin, der sich auch als Kollektivist und Sozialist<br />
bezeichnete, das so ausgedrückt: „Absolute Freiheit für Vereinigungen, ohne solche auszunehmen,<br />
die nach ihrem Ziel unmoralisch sind oder zu sein scheinen, und selbst solche, deren Ziel die<br />
Korruption und die Zerstörung der individuellen und öffentlichen Freiheit ist. Die Freiheit kann und<br />
soll sich nur durch die Freiheit verteidigen, und es ist ein gefährlicher Widersinn, sie zu<br />
beeinträchtigen unter dem Vorwand, sie zu beschützen, und da die Moral keine andere Quelle,<br />
keinen anderen Ansporn, keine andere Ursache und kein anderes Ziel hat, als die Freiheit, und da sie<br />
selbst nichts ist als die Freiheit, so wendeten sich alle der Freiheit zum Schutz der Moral auferlegten<br />
Einschränkungen immer zum Schaden der Moral.“<br />
Der hier von Bakunin und Mises formulierte Freiheits-Begriff, der in gleicher Weise von der<br />
Sozialdemokratin Rosa Luxemburg und dem Konservativen Milton Friedman zugrunde gelegt wird,<br />
kennt nur ein Kriterium für die Zulässigkeit von Handlungen: Freiwilligkeit. Bakunin versteht unter<br />
„absoluter“ und „vollständiger“ Freiheit:<br />
„Freiheit zu gehen und zu kommen, laut jede Meinung auszusprechen, faul oder fleißig, unmoralisch<br />
oder moralisch zu sein, mit einem Wort: über die eigene Person und den eigenen Besitz nach<br />
Belieben zu verfügen, ohne jemand Rechenschaft abzulegen: Freiheit, ehrlich zu leben durch eigene<br />
Arbeit oder durch schimpfliche Ausbeutung der Wohltätigkeit oder des privaten Vertrauens, sobald<br />
beide freiwillig sind.“<br />
Im Freiheits-Begriff des Liberalismus ist zwingend die Toleranz enthalten, Lebensformen<br />
hinzunehmen, die auf freiwillig gebildetem gemeinsamen Eigentum beruhen, selbst wenn dies nicht<br />
dem persönlichen Ideal entspricht, das ein Liberaler vertritt, oder wenn Liberale gemeinsame<br />
Eigentumsnutzung als ökonomisch ineffektiv bewerten. Der liberale Freiheit-Begriff widerspricht<br />
nicht notwendigerweise sozialistischen oder sogar kommunistischen Theoretikern. Nehmen wir<br />
beispielsweise den kommunistischen Anarchisten Peter Kropotkin, der den kommunistischen<br />
Grundsatz, gut sei, was der Gesellschaft, der das Individuum angehört, nütze und schlecht, was ihr<br />
schade, so auslegt:<br />
„Für uns bedeutet ‚Kommune’ nicht mehr eine territorial abgegrenzte Anhäufung menschlicher<br />
Wohnungen, sondern eine Interessenkommune, deren Mitglieder über Tausende von Städten und<br />
Dörfern zerstreut sind.“<br />
Alle, auch die wirtschaftlichen Angelegenheiten zwischen diesen strikt freiwillig gebildeten<br />
Interessenkommunen sollten laut Kropotkin durch „freie Vereinbarung“ geregelt werden. Der<br />
Unterschied zwischen Kropotkin und Mises ist kaum mehr als terminologischer Art.<br />
Die liberale Basis der Ökonomie des Anarchismus<br />
Die Form, in der die materiellen Lebensgrundlagen gesichert werden, die Ökonomie, bestimmt in<br />
entscheidendem Maße die gesellschaftliche Wirklichkeit. Der Anarchismus enthält, unabhängig von<br />
seiner inneren Differenzierung, zwei aus seiner Begriffslogik abgeleitete Thesen zur Ökonomie:<br />
433
1. Die effektivste und gerechteste Sicherung der Lebensgrundlagen geschieht durch das<br />
selbstbestimmte, verantwortliche Handeln der einzelnen Menschen und freiwilligen Gruppen.<br />
2. Die ökonomischen Probleme wie unzureichende Versorgung oder ungerechte Verteilung sind<br />
Folgen von politischherrschaftlicher Überformung des selbstverantwortlichen Wirtschaftens.<br />
Mit der ersten These knüpft der Anarchismus an die Theorie des klassischen Liberalismus an, mit der<br />
zweiten These nimmt er die sozialistische Kritik an unsozialen Zuständen auf. Beide Traditionslinien –<br />
Liberalismus und Sozialismus – werden zusammengebracht, indem nachgewiesen wird, daß die<br />
unsozialen Zustände nicht Folgen des freien Wirtschaftens seien, wie dies in autoritären<br />
sozialistischen Konzeptionen behauptet wird, sondern auf die unzureichende Durchführung des<br />
liberalen Programms und auf Inkonsequenzen in diesem Programm selbst zurückzuführen sind.<br />
Die Bedeutung der Ökonomie für den Anarchismus läßt sich daran erkennen, daß sich die innere<br />
Differenzierung hauptsächlich in der ökonomischen Zielperspektive festmacht. Die Namen der<br />
anarchistischen Fraktionen bezeichnen jeweils die angestrebte Form des Wirtschaftens: Mutualismus<br />
(Pierre Joseph Proudhon), Kollektivismus (Michael Bakunin), Individualismus (Max Stirner, Benjamin<br />
R. Tucker, John Henry Mackay), Kommunismus (Peter Kropotkin, Emma Goldman),<br />
Genossenschaftlichkeit (Gustav Landauer, Martin Buber), Syndikalismus (Errico Malatesta, Rudolf<br />
Rocker).<br />
Die Fixierung auf die Zielperspektive hat leider allzuoft verdeckt, daß die Kritik an der staatlich<br />
strukturierten Wirtschaft die gemeinsame Basis aller Strömungen bildet. Die kommunistischen<br />
Anarchisten machen nicht wie die autoritären Kommunisten das freie Wirtschaften als Hindernis für<br />
kommunitäre Lösungen aus, sondern staatliche Eingriffe. Und für individualistische Anarchisten<br />
verstößt die staatliche Unterdrückung freiwilliger kommunistischer Experimente ebenso gegen ihr<br />
Prinzip wie erzwungener Kommunismus.<br />
Als Hindernis auf dem Weg, die gemeinsame ökonomische Basis zu erkennen und zu einem<br />
„Anarchismus ohne Adjektive“ zu finden, wird vielfach die Eigentumsfrage angesehen. Dies jedoch<br />
entspringt eher einem Selbstmißverständnis als objektiver Differenz. Denn einerseits können<br />
individualistische Anarchisten gegen die kollektive Nutzung von Eigentum auf freiwilliger Basis auch<br />
dann nichts einwenden, wenn sie sie persönlich für nicht erstrebenswert oder für ökonomisch nicht<br />
rational halten. Andererseits fordern kommunistische Anarchisten keineswegs die generelle<br />
Aufhebung des Eigentumsrechts.<br />
For a free humanity!Da der Anarchismus ebenso wie der Liberalismus und anders als der Marxismus<br />
eine Reihe sehr unterschiedlicher geistiger Wurzeln subsumiert, ist es nicht möglich, die verbindliche<br />
Analyse und Kritik der staatlichen Ökonomie namhaft zu machen. Gleichwohl läßt sich aus den<br />
vorliegenden Ansätzen so etwas wie eine Typologie herausarbeiten, wobei der einzelne<br />
anarchistische Ökonom die Aspekte betont, die der jeweiligen Situation und Theorie angemessen<br />
sind:<br />
1. Der Staat reklamiert Ressourcen für sich und erzwingt die kollektive, von ihm autoritär geleitete<br />
Nutzung. Die anarchistische Kritik zeigt, daß diese Art der Nutzung Ressourcen verschwendet (z.B.<br />
Militär), nicht bedürfnisgerecht einsetzt (z.B. forcierter Straßenbau mit Steuergeldern und auf<br />
enteignetem Boden), zur ökonomischen Privilegierung dient (z.B. Luft; der Staat überläßt deren<br />
„Nutzung“ – Verschmutzung – kostenlos oder extrem billig dem favorisierten Personenkreis der<br />
Unternehmer).<br />
434
2. Der Staat schützt ungerechtfertigte Eigentumsansprüche; das sind Eigentumsansprüche, die nicht<br />
durch Arbeit und freie Vereinbarung entstanden sind, sondern durch Deklamation (dies ist z.B. beim<br />
Staat selbst und bei Kirchen der Fall), Raub (dies ist z.B. bei Großgrundbesitz der Fall) und staatliche<br />
Privilegierung (dies ist z.B. bei Monopol- und Oligopollizenzen in der Energiewirtschaft und im<br />
Bankenwesen der Fall). Die anarchistische Kritik zeigt, daß dieser Schutz wesentlich zur<br />
sozioökonomischen Ungleichheit beiträgt.<br />
3. Der Staat verbietet soziale Experimente, z.B. verbietet das Geldmonopol das Experiment mit<br />
alternativen Zirkulationsmitteln; das Energiemonopol verbietet den individuellen Ausstieg aus der<br />
Großtechnologie; die Subventionen lassen ökologischen Landbau konkurrenzunfähig werden; extrem<br />
hohe Steuerbelastung bindet alle über die Sicherung des Lebensstandards hinausgehenden<br />
Einkommensteile an den Staatshaushalt und macht alternative Investitionsentscheidungen<br />
unmöglich. Die anarchistische Kritik zeigt, daß diese Behinderungen der sozialen Kreativität die<br />
Lösung gesellschaftlicher Probleme erschwert oder unmöglich macht.<br />
Perspektive<br />
Die libertäre Synthese von Liberalismus und Anarchismus gewinnt nach dem wirtschaftlichen<br />
Zusammenbruch des „östlichen“ Staatssozialismus und mitten in der sozialen und ökologischen Krise<br />
des „westlichen“ Staatskapitalismus zunehmend an objektiver Bedeutung. Dieser objektiven<br />
Bedeutung kann der „Libertarianism“ gerecht werden, wenn anstelle von Nostalgie und Fortführung<br />
der Fraktionskämpfe des 19. Jahrhunderts energisch die ökonomischen Probleme des 21.<br />
Jahrhunderts aufgegriffen und einer freiheitlichen, lebenserhaltenden und lebensbejahenden<br />
Perspektive zugeführt werden.<br />
Aus: eigentümlich frei, Heft 1, 1998, www.ef-magazin.de<br />
Wir danken der Redaktion der eifrei für die Genehmigung, diesen Artikel hier veröffentlichen zu<br />
dürfen.<br />
435
War Jesus ein Irrer?<br />
Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />
Mittwoch, den 12. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Stellen Sie sich vor, jemand stiehlt Ihnen Geld, macht Sie öffentlich lächerlich oder tut Ihnen sonst<br />
irgendein Unrecht an. Und nun kommt ein anderer, geht zu diesem Jemand – und vergibt ihm. Das<br />
fänden Sie wahrscheinlich albern, doch dann stellt sich heraus, daß dieser Andere es wirklich ernst<br />
meint: er vergibt jemandem ein Unrecht, daß Ihnen angetan worden ist – und er tut das, ohne Sie<br />
vorher zu fragen. Dieser Mann, sagen Sie, muß geisteskrank sein, oder noch Schlimmeres. Aber für<br />
einen weisen Lehrer und einen sanftmütigen Friedensprediger würden Sie ihn wohl kaum halten.<br />
Es gibt eine weitere Möglichkeit: Wenn sich dieser ominöse Mann, der Sünden vergibt, die offenbar<br />
gar nicht ihm angetan wurden, doch anscheinend so verhält, als ob er der Hauptbetroffene sei, also<br />
derjenige, dem mit der Sünde am meisten Unrecht getan wurde – dann könnte es sein, daß dies<br />
tatsächlich stimmt. Wenn es sich bei dem Mann um denjenigen handelte, der das Sittengesetz<br />
gemacht und den Menschen geschaffen hat, wenn er derjenige wäre, dessen Liebe durch jede Sünde<br />
verletzt wird, wenn es sich also bei diesem Mann um Gott selbst handelte – dann hätte er Recht<br />
damit, Sünden zu vergeben.<br />
Irrer oder dämonischer Verführer<br />
Der Jesus des Neuen Testaments war kein gutmütiger Lehrer, kein liberaler Revoluzzer und kein<br />
netter Typ, mit dem man prima eine WG hätte gründen können. Der Jesus des Neuen Testaments<br />
war entweder ein Irrer oder ein dämonischer Verführer – oder er war Gottes Sohn. Jesu Zeitgenossen<br />
war das bewußt, und deshalb haben ihn die einen als Retter verehrt und die anderen gnadenlos<br />
verfolgt und schließlich ans Kreuz geschlagen.<br />
Aber kann das alles überhaupt sein? Ist es überhaupt möglich, daß Gott selbst Mensch wird und den<br />
Menschen die Sünden vergibt? Die Antwort kann nur lauten: Wieso nicht? Wenn wir auf unser<br />
Gewissen hören und uns unserer Sündhaftigkeit bewußt werden, dann erkennen wir jedenfalls, daß<br />
wir uns nicht selbst aus der Sünde befreien können. Es gibt nur einen, der das kann, und das ist Gott<br />
selbst. Der Großteil der Menschheit wußte das schon immer. In nahezu allen heidnischen Religionen<br />
gibt es Geschichten, die von einem Gott erzählen, der stirbt und wieder lebendig wird, und der<br />
dadurch den Menschen neues Leben bringt.<br />
Gott ist auf die Erde gekommen.<br />
Das Christentum aber stellt sich nicht bloß in diese Reihe, und es variiert den heidnischen Mythos<br />
auch nicht nur. Das Neue, das für heidnische Vorstellungen fast unbegreifliche Neue am Christentum,<br />
ist, daß hier der heidnische Mythos historische Wirklichkeit geworden ist: Gott ist tatsächlich, zu<br />
einem bestimmten historischen Zeitpunkt an einem bestimmten geographischen Ort, als Mensch auf<br />
die Erde gekommen.<br />
Der Gedanke, daß etwas gleichzeitig Mythos und historische Realität ist, ist so unvorstellbar, daß<br />
immer wieder Versuche unternommen worden sind, beides voneinander zu trennen. Die Evangelien<br />
des Neuen Testaments, so haben viele Theologen gemeint, hätten die wahre Geschichte des<br />
jüdischen Zimmermanns Jesus umgeschrieben und aus ihr erst einen Mythos gemacht. In<br />
Wirklichkeit, so meinten die einen, habe Jesus lediglich die alles verzeihende Liebe Gottes gepredigt<br />
und sei für Frieden und Gewaltlosigkeit eingetreten. Die anderen behaupteten, Jesus sei ein<br />
politischer Aufrührer gewesen, der die Fremdherrschaft der Römer gewaltsam beenden und eine Art<br />
436
protokommunistischer Weltrevolution anstoßen wollte, weshalb er von den Römern ans Kreuz<br />
geschlagen worden sei. Wieder andere hielten ihn für einen der vielen Charismatiker seiner Zeit, die<br />
die jüdische Religion verinnerlichen und vertiefen wollten.<br />
Doch man muß den Evangelien schon sehr viel Gewalt antun, um sie in eine dieser oder ähnlicher<br />
Theorien zu pressen. Das wurde auch getan. Man hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die<br />
historische Glaubwürdigkeit der Evangelien immer stärker infragegestellt und hat sie als Zeugnisse<br />
christlicher Gemeinden bezeichnet, die aus großem zeitlichen Abstand zu den tatsächlichen<br />
Ereignissen heraus und ohne echtes historisches Interesse ihren Glauben niedergeschrieben hätten.<br />
Mythos oder historische Wirklichkeit<br />
Es hat aber auch immer Stimmen gegeben, die gegen diese Sicht die historische Zuverlässigkeit der<br />
Evangelien betont haben: Die Evangelisten bezeichnen sich selbst als Augenzeugen der Geschehnisse<br />
bzw. als Historiker, die die Geschichte Jesu wahrheitsgemäß schildern wollen; ihr Erzählstoff ist zwar<br />
mythisch, aber sie erzählen ihn nicht so, wie Mythen eigentlich erzählt werden: weder schreiben sie<br />
besonders kunstvoll noch siedeln sie ihre Geschichte in ille tempore, in einer Zeit vor der Zeit, an. Die<br />
Evangelien sind in Wirklichkeit weder nur Mythen noch sind sie nur historische Berichte. In ihnen<br />
wird von der Vermählung von beidem, dem Hieros Gamos von Mythos und Wirklichkeit, erzählt.<br />
Demgegenüber sind die meisten der Unternehmungen, den „historischen Jesus“ von dem der<br />
Evangelien zu trennen, relativ einfach als Versuche erkennbar, sich einen Jesus nach den eigenen<br />
persönlichen Vorlieben zu konstruieren. In Wirklichkeit geht es dabei aber nicht um historische<br />
Plausibilitäten. In Wirklichkeit will man der unerbittlichen Alternative ausweichen, vor die uns die<br />
Evangelien stellen: Jesus war entweder ein Irrer oder Gottes Sohn.<br />
437
Ab ins alternative Altersheim: Die GRÜNEN werden alt.<br />
Geschrieben von: Simon Meyer<br />
Donnerstag, den 13. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Die Grünen haben es nicht leicht. Altmarxistische Phrasen werden jetzt auch bei der Linkspartei<br />
gedroschen, Angela Merkel hat die Umweltthemen für sich besetzt und langsam aber sicher wird es<br />
bei den alten Kämpfern der Putzgruppen Zeit für das künstliche Hüftgelenk. Die mürbe gewordenen<br />
Bandscheiben haben zunehmend Schwierigkeiten, den in der Zeit der Teilhabe an der Macht<br />
angefressenen Wohlstandsbauch zu tragen.<br />
Tatsächlich, die ehemalige Avantgarde der 68er-Jugend ist in die Jahre gekommen. Selbst Joschka<br />
Fischer, der ehemalige Sympathieträger Nr. 1, hat sich auf eine bequeme Ruhestelle zurückgezogen.<br />
Das einzige, was nicht zu altern scheint, sind dessen immer neue Ehefrauen.<br />
Um so skurriler erscheint es, daß sich die Grünen zwanghaft ein jugendliches Image geben wollen.<br />
Geistig verharren viele Grüne trotz Glatze und Gehhilfe in einem künstlichen dauerpubertierenden<br />
Stadium. Dies liegt an der Kinderlosigkeit vieler grüner Politiker, die nie lernen mußten, wie es ist, als<br />
Elternteil für Kinder Verantwortung zu übernehmen. Und wer selbst Kinder hat, legt kein zwanghaft<br />
infantiles Gehabe an den Tag.<br />
Springen die Grünen noch einmal vom Rollstuhl auf?<br />
Den Grünen fehlt völlig die Einsicht, wie wenig authentisch dieses Auftreten mittlerweile wirkt.<br />
Besonders anschaulich ist das Fehlen jeder realistischen Selbsteinschätzung, wenn etwa eine Claudia<br />
Roth meint, mit ihren Phrasen noch Teil einer Jugendbewegung zu sein. Tatsächlich wirkt sie für<br />
einen nicht geringen Teil der Jugend nur wie ein schriller, aber alternder Vogel, der versucht, den<br />
eigenen Jugendunsinn unters Volk – Verzeihung – unter die Bevölkerung zu bringen. Einstmals, als<br />
die Grünen noch authentisch auftraten, schien das Leben tatsächlich eine einzige Dauerparty mit<br />
lauter bunten Vögeln zu sein. Doch jede Party geht einmal zu Ende. Heute lassen manche Grünen-<br />
Politiker Erinnerungen an Lucy aus den Peanuts aufkommen, die – ihr Leben betrachtend – hysterisch<br />
„Ich will nur Höhepunkte!“ schreit.<br />
Ebenso bröckelnde Fassade der grünen Oligarchen ist der Name der Partei. Die Erhaltung der<br />
natürlichen Umwelt unserer Heimat liegt vielen Jugendlichen am Herzen und so dient der<br />
vorgebliche Naturschutzgedanke den Grünen quasi als Knusperhäuschen, um diesen Teil der<br />
idealistischen Jugend anzulocken und für ihre Ziele einzuspannen. Tatsächlich spielt – jedenfalls<br />
sobald man die kommunale Ebene verläßt – der Umweltschutz im grünen Parteiprogramm<br />
mittlerweile eine marginale Rolle. Eine Demo für die Teilnahmeberechtigung von transsexuellen<br />
SchwarzafrikanerInnen beim Maibaumkraxeln im niederbayerischen Hintermoosing läßt den grünen<br />
Veteranen noch mal vom Rollstuhl springen, die Schönheit der Donauauen kennt er allenfalls von<br />
seinem Abreißkalender in seiner biederen Stadtwohnung. Die echten Naturschützer haben die Partei<br />
längst verlassen.<br />
„Ihhhhhhhhhhhh, da ist ein Naziiiiiiiiiiiiii! Naziiiiiiiiiiiii! Naziiiiiiiiiiii!“<br />
Jugendliche, die sich für den Umweltschutz engagieren wollen, sollten sich andere Betätigungsfelder<br />
als eine grüne Jugendorganisation suchen. Beim grünen Nachwuchs sind andere Qualitäten als<br />
Begeisterung für die Natur gefragt. Aufstiegschancen bemessen sich nach der Lautstärke, in der man<br />
das Wort „Nazi“ schreien kann. „Naziiiiiii! Naziiiiiiiiiii! Naziiiiiiiii!“<br />
438
Ob man eine Eiche von einem Plastikbonsai unterscheiden kann, ist nebensächlich. Wer sich also<br />
nicht nur zum metaphorischen Waldgänger geboren fühlt, sondern sich aktiv für die Erhaltung der<br />
natürlichen Umwelt unserer Heimat einsetzen will, ist in der Bündischen Jugend oder einer<br />
unpolitischen Naturschutzorganisation tausendmal besser aufgehoben, als bei den infantilen Greisen<br />
einer Partei, die Begeisterung für die Natur durch Antifakeule und Gutmenschengesäusel ersetzt<br />
haben.<br />
439
Kluge Bescheidenheit und Politik der Skepsis:<br />
Anmerkungen zum Philosophen Michael Oakeshott<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Freitag, den 14. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Wohl kein anderer als der britische Philosoph Michael Oakeshott (1901-1990) hat so sehr bewiesen,<br />
daß jener vermeintlich für immer Wohlstand verbürgender Grundkonsens so genannter „westlicher<br />
Demokratien“ eine destruktive Grundhaltung in sich birgt, die durch ein Mehr an Skepsis hinsichtlich<br />
dessen, was mit politischen Mitteln bewirkt werden kann, ausgeglichen werden müsse. In der<br />
deutschen Literatur sind die Schriften Oakeshotts leider schwer zu finden. Umso begrüßenswerter ist<br />
es nunmehr, daß beim Verlag Edition Antaios eine erste einführende Arbeit von Till Kinzel zu diesem<br />
Philosophen erschienen ist.<br />
Moral der Höflichkeit<br />
Oakeshott steht in seinem Denken – so betont Till Kinzel – allen Bestrebungen fern, eine politische<br />
Korrektheit durchzusetzen oder mit ihr gewisse Fragen krampfhaft mit dem Hammer lösen zu wollen.<br />
Auch der scheinliberalen Einhegung des politischen Diskurses durch Gesinnungswächter und den von<br />
ihnen alimentierten Denunzianten stand er zutiefst skeptisch gegenüber. Gleichzeitig manifestiert er<br />
damit die wichtige Rolle, die dem politischen Philosophen und seiner Wissenschaft zukommt. Dieser<br />
nämlich besitzt mehr und bedeutsameres als nur Meinungen, die sich auf Tagesfragen beziehen. Er<br />
verfügt jenseits jeglicher Korrumpierbarkeit über die hintergründige Analyse des politischen<br />
Handelns, über eine umfassendere Sicht, über eine gleichsam „ostentative Unaufgeregtheit“. Diese<br />
steht in der Tat der heute in der Politik längst üblich gewordenen Hysterie mit ihrem Kult der Wut<br />
und Trauer gegenüber und setzt ihr eine Moral der Höflichkeit entgegen. Diese speist sich aus<br />
Nüchternheit und Skepsis. Kinzel versäumt es dabei nicht zu verdeutlichen, daß dies gerade die<br />
elementaren charakterlichen Versatzstücke eines konservativen aber auch dezidiert philosophischen<br />
und damit parteilich unabhängigen Menschen sind. Zugleich erhellt sich damit, daß es sich bei<br />
Oakeshott eben nicht um eine banale Spielart des britischen Commonsense-Konservatismus handelt<br />
und er wohl auch in Deutschland nicht als herkömmlicher Konservativer gesehen werden darf.<br />
Blick für die konkrete Situation<br />
Es ist die „Politik der Zuversicht", wie Oakeshott sie nennt, die das Gerüst der politischen Moderne<br />
bilde und entgegen seiner denkenden Nüchternheit an grenzenloses Wachstum und<br />
Problemlösungspotential glaube. Vor allem aber steht mit diesem Buch Oakeshotts Grundthese im<br />
Raum, daß politische Philosophie eben nicht dazu da sei, die Vorgaben von Parteien zu erfüllen,<br />
deren Programme auszuarbeiten oder – sinngemäß – in Kooperation mit der „Bundeszentrale für<br />
politische Bildung“ der volkspädagogischen Bürgereinlullung zuzuarbeiten. Vielmehr ist politische<br />
Philosophie der Aufruf, selbst zu denken, sich auf die Frage nach den wirklichen und nicht medial<br />
inszenierten Gefährdungen politischer Ordnung zu konzentrieren um zu verdeutlichen, daß es<br />
philosophisch nicht opportun ist, aus dem politischen Gegner plötzlich den „Feind“ zu machen oder<br />
den politischen Gegner in seinem Reflexionsprozess jenseits irgendwelcher Tabus plötzlich als<br />
„verwirrt“ abzutun. Soll ja schon mal vorgekommen sein. – Alles viel zu naiv und unaufrichtig, würde<br />
Oakeshott sagen. Er nämlich würde heute gewiss zustimmen, wenn wir beherzigen, daß die<br />
reflektierte Skepsis des Konservativen folgendes verlangt: Den Blick für die Situation, für sanfte, aber<br />
rechtzeitige Anpassungen der äußeren Ordnung an gesellschaftliche und geistige Veränderungen.<br />
440
Politische Skepsis und Tatkraft<br />
Es handelt sich für Oakeshott wohlgemerkt nicht um eine bestimmte politische Position oder<br />
Richtung, sondern um einen inhaltlich offenen Stil politischen Denkens und Handelns. Er prangert<br />
deshalb zu Recht die Begierde an, regieren zu wollen oder jedes Parteiprogramm im Hinblick auf<br />
potentielle Wählerstimmen in der Sprache der absoluten Zuversicht abzufassen. Im Gegenteil. Er<br />
fordert das Lebensrecht der von ihm beschriebenen politischen Philosophie ein und stellt damit ein<br />
britisches Äquivalent zum deutschen Politikwissenschaftler und Initiator einer deutschen<br />
„Philosophie der Selbstbehauptung“ (zuletzt 20<strong>07</strong>) Bernard Willms dar. Beide nämlich warnten davor<br />
zu ignorieren, daß Leben immer Negation bedeuten kann, entgegen menschlicher Zuversicht<br />
verlaufen kann und geistiger Selbstbehauptung bedarf. Es geht bei Oakeshott also um eine politische<br />
Skepsis gepaart mit denkender Tatkraft. Die Lebensführung des Menschen erfordere es damit auch<br />
nicht wie mit Marx (10. Feuerbachthese), die Welt zu verändern. Vielmehr sei es – eben viel<br />
bescheidener – nötig, allein unser eigenes Verständnis der Welt, unsere Auffassungen zu verändern<br />
und zu hinterfragen. Dabei ist dem Philosophen alles Wissen ohne Tabus bedeutsam. Es gibt keine<br />
strategische oder ideologische Ausgrenzung von Fakten oder Begriffen, sondern es wird integral<br />
gedacht und erwägt. Philosophie ist nach Oakeshott die Erfahrung selbst, die der Betrachtung der<br />
Modi menschlicher Seinsweisen offen steht, d.h. konkrete Situationen und nicht durch Bedürfnisse<br />
und Gesinnungen reduzierte Halbwahrheiten betrachtet. Oakeshott selbst lebte auch nach seinen<br />
Maximen: Er befreite sich gleichsam in der Manier eines Dandys von jedem praktischen Interesse<br />
und vertrat eine Wissenschaft jenseits staatlich alimentierter Profit- und Prestigemaximierung,<br />
jenseits medial abverlangten Begriffschrotts.<br />
Bescheidenheit und Unabhängigkeit<br />
Kinzel malt das Bild eines Philosophen, der „Ja“ sagt zur Welt, wie wir sie vorfinden und sich nicht der<br />
Hybris einer vermeintlichen Abschaffung aller Übel preisgibt. Das Leben ist ein Dilemma und als<br />
Aufgabe soll es dies auch bleiben. Jegliche politische Absicht und parteipolitische Beeinflussung<br />
beinhaltet schon immer eine gefährliche Reduzierung, eine Vereinfachung des Lebens als komplexes<br />
Geschehen. Damit bleibt Politik als Tagesgeschäft notwendig mittelmäßig und defizitär, weswegen<br />
der politische Philosoph seinen eigenen Weg gehen muß. Philosophie ist aber gerade deshalb keine<br />
weltentfremdete Flucht vor der Realität, sondern die realistische Instandsetzung des Konkreten.<br />
Kinzel meint: „Der Idealismus, wie ihn Oakeshott versteht, wie ihn aber auch die deutsche<br />
philosophische Tradition verstanden hat, ist deshalb eine Form des konkreten Denkens.“ Vortrefflich<br />
ergibt sich bei aufmerksamer Lektüre anhand der Philosophie Oakeshotts ein Bild, das aufzeigt, wie<br />
es möglich ist, philosophisch konservativ zu sein und trotzdem ganzheitlich zu denken, Hegel zu<br />
mögen, in die Zukunft zu denken und trotzdem eine auf das „Hier und Jetzt“ bezogene Haltung an<br />
den Tag zu legen. Hilfreich ist dabei, daß abschließend die Elemente eines modernen Konservatismus<br />
beschrieben werden. Das Vertraute dem Unbekannten vorziehen, das Gegenwärtige dem Möglichen,<br />
das Ausreichende dem Überflüssigen. Zugleich aber betrachtet der Konservative als bescheidener<br />
Mensch nach Oakeshott den Glauben an die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen als Flucht<br />
vor der Komplexität. Er setzt ihr eine Skepsis entgegen, die sich gerade aufgrund ihrer Bescheidenheit<br />
für keine Macht einspannen läßt.<br />
Das Projekt der Zukunft<br />
Siebzehn Jahre nach seinem Tod bietet das vorliegende Buch über Michael Oakeshott eine geeignete<br />
Einführung mitsamt zahlreicher Anstöße und Bezüge zur Gegenwart. In Zeiten der politischen<br />
Machtkonzentration, des Verschwindens vermittelnder Gewalten, des Ausbaus eines weit<br />
verzweigten Exekutiv-Apparates mitsamt seiner Ministerialbürokratie, der Nutzung neuester<br />
441
Techniken zur Kontrolle und Überwachung sowie in Zeiten ausgeprägten medialen Stumpfsinns sollte<br />
eine „Politik der Skepsis“ und die „kluge Bescheidenheit“ ein wichtiges Projekt des deutschen<br />
Konservativen bleiben, denn: „Alles Leben ist notwendigerweise unvollkommen; es ist voller<br />
Möglichkeiten, doch karg an Gewissheiten.“ (Oakeshott)<br />
Till Kinzel: Michael Oakeshott. Philosoph der Politik, 112 Seiten, broschiert, Edition Antaios,<br />
Schnellroda, 20<strong>07</strong>, ISBN: 978-3-935063-09-8.<br />
442
Das Kreuz mit dem Kreuz<br />
Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />
Sonntag, den 16. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Pfarrer Jürgen Fliege ist wahrscheinlich nicht der einzige, der das Kreuz am liebsten nicht nur aus<br />
Schulen und Gerichtssälen, sondern auch aus Kirchen verbannt sähe. Nicht nur, daß ein zu Tode<br />
gequälter Mann, der an ein Stück Holz genagelt ist, nicht besonders angenehm oder erhebend ist. Die<br />
Vorstellung von einem „Sühneopfer“ Christi am Kreuz ist doch – milde gesagt – eine etwas veraltete<br />
Vorstellung, wenn nicht ein „Horror-Angebot“ (Fliege). Was ist das auch für eine merkwürdige<br />
Theorie: Gott wollte die Menschen strafen, weil sie von ihm abgefallen sind, doch Christus erklärte<br />
sich bereit, sich an unserer Stelle bestrafen zu lassen, so daß Gott uns laufen ließ?<br />
Man mag diese und ähnliche Vorstellungen für antiquiert, unschön und grausam halten, aber sie<br />
haben gegenüber den Gegenentwürfen von Fliege und Co. einen entscheidenden Vorteil: Sie nehmen<br />
das Christentum ernst. Wenn die ganze Sache mit dem Kreuzestod Jesu in Wirklichkeit nur ein großes<br />
Mißverständnis oder eine üble Gemeinheit der römischen Machthaber war, was bleibt dann noch<br />
vom Christentum? Ein paar gut gemeinte moralische Ratschläge? Selig die Friedfertigen, die<br />
Sanftmütigen, die Barmherzigen? Das ist alles nicht falsch, aber es ist nicht vollständig. Wenn schon<br />
die moralischen Lehren Jesu das Zentrum des Christentums sein sollen, dann bitteschön auch alle:<br />
„Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.“<br />
„Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen.“ „Wer zu seinem Bruder sagt: Du Narr!, der ist<br />
des höllischen Feuers schuldig.“<br />
Unerfüllbare ethische Forderungen<br />
Meint irgend jemand im Ernst, nach solchen Vorschriften gerecht leben zu können? Meint er<br />
wirklich, Jesus habe uns entlastende und liberale Lehren gebracht? Jesus war kein Liberaler, so wie er<br />
kein Pazifist war, kein Marxist oder sonst etwas, das man im 19. und im 20. Jahrhundert in ihn<br />
hineingelesen hat. Seine ethischen Forderungen sind unerfüllbar. Wer behauptet, Jesus habe uns<br />
durch neue ethische Forderungen von der Last des Gesetzes befreit und uns gerecht gemacht, der<br />
kennt offensichtlich das Neue Testament nicht. In solche und ähnliche Fallen tappt man, wenn man<br />
das Kreuz Christi beiseite schiebt. Es ist nämlich der Kern des Christentums.<br />
Also muß man als Christ doch dieser brutalen und unmenschlichen Lehre folgen, daß Gott unser Blut<br />
verlangt, und sich nur durch das Blut Christi versöhnen läßt? Muß man also erst einmal an eine<br />
Theorie glauben, bevor man Christ werden kann? Nein. Eine Theorie ist ja dazu da, um eine Sache zu<br />
erklären, um ein Bild zu geben. Nicht der Theorie muß man glauben, sondern der Sache, die sie<br />
erklärt. Diese „Sache“ ist im Christentum: Der Tod Christi versöhnt uns mit Gott und gibt uns die<br />
Möglichkeit zu einem Neubeginn. Sein Tod hat die Sünde getötet und damit auch den Tod selbst.<br />
Erklärungen dieses Kerns sind immer nur Hilfsmittel und dürfen mit der Sache nicht verwechselt<br />
werden. Deshalb ist die Theorie vom zornigen, blutdurstigen Gott, der sich durch Christi Blut hat<br />
besänftigen lassen, nicht das Christentum. Der Kreuzestod und seine erlösende Wirkung hingegen<br />
schon. Aber wie sollen wir uns die Sache denn dann vorstellen? Wieso sollte ein Unschuldiger<br />
bestraft werden, und damit die Schuldigen erlösen?<br />
Der Mensch hat Schulden bei Gott.<br />
Vielleicht sollte hier weniger von Bestrafung im Sinne des Strafgesetzbuches als vielmehr von Schuld<br />
im Sinne von Schulden die Rede sein. Wenn wir Schulden haben und ein andere begleicht sie für uns,<br />
443
dann ist daran nichts Irritierendes mehr. Aber, so könnte man fragen, wenn Gott uns die Schulden<br />
erlassen will, dann könnte er es doch einfach tun? Wozu mußte Christus erst sterben? Das erkennen<br />
wir, wenn wir näher betrachten, welche Schulden es denn sind, die der Mensch bei Gott gemacht<br />
hat.<br />
Er ist, wie die Tradition sagt, in Sünde gefallen, was nichts anderes sagt, als daß er sich selbst zu Gott<br />
machen wollte. Er wollte so tun, als käme er allein zurecht, als gehöre er sich selbst. Das einzige, was<br />
uns da heraushilft, ist Reue und Buße. Wir sind Rebellen gegen Gott, die die Waffen niederlegen<br />
müssen. Das Problem ist, daß wir das nicht können. Denn um wahrhaft bereuen zu können, müßten<br />
wir alle unsere Schlechtigkeit verurteilen, und das können wir nicht – aufgrund unserer<br />
Schlechtigkeit. Der einzige, der das könnte, wäre vollkommen. Und das ist Gott. Gott aber kann nicht<br />
leiden und sterben.<br />
Wenn Gott Mensch werden würde, …<br />
Was ist die Lösung? Wenn Gott selbst Mensch würde, dann könnte er leiden und sterben – weil er<br />
Mensch ist – und er könnte wahrhaft bereuen, seinen Eigenwillen aufgeben – weil er Gott wäre. Und<br />
wenn wir Menschen nun am Tod dieses Wesen teilhaben könnten, dann wären wir erlöst.<br />
Dies ist eine andere Art, den stellvertretenden Kreuzestod Jesu und seine erlösende Wirkung für uns<br />
Menschen zu erklären. Es ist aber nicht die Sache selbst. Sie findet man vielleicht in solchen<br />
Erklärungen, vielleicht in der eigenen Bibellektüre, vielleicht in den Sakramenten. Aber man findet sie<br />
jedenfalls nicht in dem, was Pfarrer Fliege sagt.<br />
444
„Unser Potenzial muss erst einmal im vorpolitischen Raum reifen und weiter<br />
wachsen.“<br />
Geschrieben von: BN-Redaktion<br />
Dienstag, den 18. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
André F. Lichtschlag ist Herausgeber der libertären Zeitschrift eigentümlich frei, die nächstes Jahr<br />
ihren zehnten Geburtstag feiern wird. Lichtschlag tritt mit seiner Zeitschrift für konsequenten<br />
Kapitalismus ein und hält wenig von der angepassten FDP. Im Interview mit <strong>Blaue</strong><strong>Narzisse</strong>.de spricht<br />
er über die Gründzüge des Libertarismus, Schnittmengen zwischen Libertären und Konservativen und<br />
über das Potenzial dieser beiden Milieus.<br />
<strong>Blaue</strong><strong>Narzisse</strong>.de: Herr Lichtschlag, was es bedeutet, ein Libertärer zu sein?<br />
Lichtschlag: Libertäre sind konsequente Liberale. Dreh- und Angelpunkt des Liberalismus ist das<br />
Recht auf Privateigentum, welches Libertäre ohne Wenn und Aber achten. Drei Beispiele: Wenn ich<br />
ein Bild male, dann haben Sie nicht das Recht, es mir wegzunehmen. Wenn ich das Bild an Sie<br />
verkaufe und wir beide einen Preis für dieses Geschäft finden, dann hat kein Dritter das Recht, uns<br />
dies zu verbieten oder Teile des Betrags beim Kauf oder nachher zu konfiszieren. Das gilt für alle<br />
Produkte und selbstverständlich auch für den Staat, der nicht das Recht hat, unseren kleinen privaten<br />
Handel mit einer Mehrwert- oder Einkommenssteuer zu belegen. Nehmen wir als drittes Beispiel,<br />
dass Sie etwas produzieren. Sagen wir, Sie malen ein Hakenkreuz auf die Wand Ihres Hauses. Auch<br />
hier ist Ihr Privateigentum unbedingt zu achten und kein Libertärer würde auf die Idee kommen, dies<br />
zu verbieten. An dieser Stelle sehen Sie, dass die Konzentration auf ein vermeintlich ökonomisches<br />
Prinzip auch für persönliche Freiheitsrechte wie die Meinungsfreiheit eine Grundvoraussetzung ist.<br />
Ist Libertarismus damit nur ein radikaler Liberalismus?<br />
Das Wort „libertär“ wurde zunächst in den USA von den klassischen, radikalen und Anarcho-Liberalen<br />
gebraucht, da dort die Bedeutung des Wortes „liberal“ leider in ihr Gegenteil verkehrt wurde. In<br />
Amerika bedeutet „liberal“ soviel wie „sozialdemokratisch“. In Deutschland haben wir heute ein<br />
anderes Problem, dass nämlich dank jahrzehntelangen Bemühens der FDP das Wort „liberal“ für gar<br />
nichts mehr steht oder nur noch für reinen Opportunismus. Auch hierzulande hat sich deshalb das<br />
Wort „Libertäre“ teilweise durchgesetzt. Im angelsächsichen Sprachraum werden Erzliberale auch oft<br />
als „Konservative“ bezeichnet oder ordnen sich selbst so ein. Auch diese Entwicklung wird im<br />
deutschen Sprachraum inzwischen nachgeholt. Der Herausgeber des liberalen Schweizer<br />
Wochenmagazins „Weltwoche“ schreibt, dass echte Liberale und Libertäre heute längst als<br />
„Konservative“ firmieren.<br />
Wenn es keinen Staat mehr gäbe, würden wahrscheinlich auch Nationen als kollektive<br />
Identitätsstifter nicht mehr lange existieren. Können Sie sich nicht mit der Idee der Nation<br />
identifizieren?<br />
Mir persönlich ist das fremd. Ich kann mit der nationalen Kategorie gar nichts anfangen. Das Gerede<br />
von der Nation erscheint mir das Opium fürs Volk zu sein, mit dem die herrschende Politklasse ihre<br />
Untertanen ruhig hält. Zumindest in anderen Ländern. Deutschland ist da momentan noch ein<br />
Sonderfall.<br />
Ist aber nicht die radikale Ablehnung von Staatlichkeit nur eine Utopie, die niemals Realität werden<br />
kann?<br />
445
Ich glaube, dass es sehr wichtig ist und zu großem Erkenntnisgewinn führt, wenn man seine Utopie –<br />
nennen wir es ruhig so – zu Ende denkt. Das erleichtert es dann, einzelne reale Schritte auf dem Weg<br />
dahin zu bewerten. Alles, was die privaten Eigentumsrechte stärkt, ist in diesem Sinne richtig, alles<br />
was sie schwächt, ist falsch.<br />
Und wie – wenn nicht auf politischem Wege – kann man private Eigentumsrechte stärken?<br />
Ich glaube, dass politisches Engagement immer in großer Gefahr steht, in die falsche Richtung zu<br />
wirken. Weil Macht immer korrumpiert. Dennoch kann und sollte man es auch auf politischem Wege<br />
versuchen.<br />
Gilt für Sie der Freiheitsbegriff nur auf das Individuum bezogen und nicht auf Kollektive wie Völker?<br />
Ja, weil persönliche Kategorien bei Kollektiven völlig unsinnig sind. Schauen Sie: Manch einer würde<br />
eine Sezession Bayerns von Deutschland unterstützen. Er möchte also – kollektivistisch gesprochen –<br />
Freiheit für das bayrische Volk. Andere fühlen sich als Deutsche in Bayern und sind vehement<br />
dagegen. Ebenfalls aus vermeintlich nationalen Motiven. Und Dritte wollen als Franken Freiheit für<br />
das fränkische Volk. Los von Bayern und Deutschland! Immer, wenn auch nur ein Individuum anders<br />
denkt als die Masse, macht das Kollektivdenken keinen Sinn mehr. Es sei denn, Sie denken radikal<br />
demokratisch, also dass die Mehrheit immer recht hat. Auch das ist natürlich problematisch, etwa im<br />
Bayern-Beispiel. Da ist dann die Frage: Welche Mehrheit wovon? Ganz abgesehen davon ist die<br />
demokratische Idee grundsätzlich pervers, wenn man sie zu Ende denkt. Wenn die Mehrheit<br />
entscheidet, jeden Andersdenkenden zu ermorden, dann ist das aus demokratischer Sicht<br />
vollkommen in Ordnung. Ich gehe da lieber von unveräußerlichen individuellen Rechten aus. Diese<br />
Rechte sind Abwehrrechte und keine Rechte im Sinne von „Freiheit wozu?“, da das Rechte auf Kosten<br />
Dritter wären. Nach dieser sozialdemokratischen Freiheitsidee ist ein Hund im Zwinger, der jeden Tag<br />
sein Essen hingestellt bekommt, „frei“. Und ein Wolf in der Wildnis wäre „unfrei“. Jedes Kind merkt,<br />
dass hier die Freiheitsidee ins Gegenteil verkehrt wird.<br />
In Ihrem Magazin eigentümlich frei tauchen immer wieder auch rechte Autoren und Interviewpartner<br />
wie Dieter Stein oder Ellen Kositza auf. Was hat Sie dazu veranlasst, Ihr Themen- und<br />
Meinungsspektrum nach rechts auszuweiten?<br />
Was heißt überhaupt „rechts“ und „links“? Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn hat „links“ – verkürzt<br />
aufgezählt – so definiert: „Materialismus, messianische Rolle einer Gruppe wie Volk, Rasse oder<br />
Klasse, Zentralismus, Totalitarismus, staatliche Kontrolle von Erziehung und Unterricht,<br />
Versorgungsstaat, Militarismus, Antiliberalismus, Freiheitshass, Antitraditionalismus, Gleichschaltung<br />
der Massenmedien, Abschaffung oder Relativierung des Privatbesitzes, Verfolgung und Kontrolle der<br />
Glaubensgemeinschaften, Hass, Verherrlichung des Durchschnitts, Populismus und Uniformismus,<br />
Berufung auf das demokratische Prinzip, ideologische Wurzel in der französischen Revolution,<br />
Einsetzung von Säkular-Riten als Religionsersatz, Anfeuerung von Massenhysterien, Freiheit vom<br />
Gürtel abwärts, alles für den Staat, alles durch den Staat, nichts gegen den Staat, Politisierung des<br />
gesamten Lebens, Totalmobilmachung des Neids im Interesse von Partei und Staat.“ Das Fehlen oder<br />
das Gegenteil dieser Prinzipien, so Kuehnelt-Leddihn, sei „rechts“. Demnach war Hitler eher ein<br />
Linker. Dafür sprechen auch noch andere Beobachtungen, in Kürze erscheint dazu in unserem<br />
Buchverlag ein Buch von Josef Schüßlburner, der geistesgeschichtlich nachweist, dass der<br />
Nationalsozialismus nichts als ein Zweig des Sozialismus war. Und wenn wir uns die Aufzählung Ritter<br />
Kuehnelt-Leddihns anschauen, wissen wir auch, warum selbst Mainstreammedien unsere heutige<br />
Herrschaftskaste bis hin zur CDU intuitiv richtig als „links“ einordnen. Wenn das alles so ist, dann bin<br />
446
ich gerne ein Rechter. Dazu kommt wie schon gesagt, dass die Begriffe „konservativ“ und „libertär“<br />
heute nicht nur in den USA teilweise synonym verwandt werden.<br />
Im Zusammenhang mit Meinungsfreiheit hat sich eigentümlich frei nicht gescheut, sogar heiße Eisen<br />
wie den Geschichtsrevisionismus zu thematisieren.<br />
Sie wissen wahrscheinlich, dass sich viele amerikanische Libertäre auch mit Revisionismus<br />
beschäftigen, etwa mit der Revision der offiziellen Geschichtsschreibung über den angeblichen<br />
amerikanischen Bürgerkrieg, der in Wirklichkeit ein aggressiver Krieg des Nordens gegen den Süden<br />
war. Die Sklavenbefreiung wurde erst im Nachhinein als angebliches Motiv entdeckt, um später die<br />
imperialistische Invasion zu legitimieren. Es gilt in Deutschland seit 1968 das Dogma, dass<br />
Deutschland unter dem angeblichen „Rechten“ Hitler die schlimmsten Verbrechen der Geschichte<br />
begangen habe. Von diesem Dogma der angeblichen „Einzigartigkeit“ – und von dem Tabu, Hitlers<br />
Verbrechen überhaupt mit anderen zu vergleichen – leben die roten Sozialisten, die jedoch nicht<br />
davor zurückschrecken, Stalins oder Pol Pots Verbrechen zu kaschieren. Dazu muss man wissen, dass<br />
kaum ein Rechter nach dem Krieg wirklich Hitler verehrt hat, dass aber die meisten Linken Pol Pot,<br />
Mao oder Stalin zumindest eine Zeitlang begeistert hinterherliefen. Und sie versuchen sich und ihre<br />
Schuld reinzuwaschen, indem sie den Popanz des größten Verbrechers der Weltgeschichte vor sich<br />
hertragen. Sie schränken dabei sogar die Freiheit der Forschung ein und verhindern den freien<br />
Meinungsaustausch zum Thema. Um so mehr wird es ihnen eines Tages um die Ohren fliegen, wenn<br />
viele Menschen am Ende doch erfahren, dass es ganz so einfach und schwarzweiß nicht war, wie uns<br />
die offizielle Geschichtsschreibung beigebracht hat.<br />
Wer hat mehr geirrt, die Achtundsechziger oder deren Vätergeneration?<br />
Eine interessante Frage! Schauen wir uns die Ausgangssituation an. Dort: Weltwirtschaftskrise,<br />
Versailler Vertragsbürden, Bedrohungsempfinden durch den Bolschewismus. Hier: Wohlstand wie nie<br />
zuvor, Schutz und Freiheit durch die USA garantiert. Dann dort der Irrtum, in großer Not dem<br />
viertgrößten Massenmörder der Geschichte nachgelaufen zu sein. Hier der Irrtum, ohne Not einem<br />
oder mehreren der drei größten Massenmörder der Geschichte hintergelaufen zu sein. Dort nach<br />
dem Irrtum Abkehr vom Sozialismus sowie tatkräftiger und mühsamer Aufbau des Landes und<br />
Schaffung von Werten. Hier nach dem Irrtum Leben wie die Made im Speck, immer mehr<br />
Sozialismus, steter Verbrauch der Substanz. Dort am Ende Übergabe einer positiven Bilanz und eines<br />
Landes, in dem Menschen an sich selbst glauben. Hier am Ende Übergabe eines bankrotten<br />
Wohlfahrtsstaats mit Menschen, denen man eingeredet hat, sie hätten ein Recht, auf Kosten Dritter<br />
zu leben. Und das Vererben einer unbezahlbaren Rechnung an die Nachfolgegeneration. Ja, es ist<br />
schwer zu entscheiden, wer mehr danebenlag.<br />
Was spricht dafür, dass im Internet gerade eine aus Libertären und Konservativen bestehende APO<br />
2.0 heranwächst?<br />
Erstens: Die Bilanz der Sozialisten aller Parteien und ihrer Politik. Und zweitens: Die <strong>Blaue</strong> <strong>Narzisse</strong><br />
und vieles andere mehr! Vieles ist heute in Bewegung. Schauen Sie sich die unzähligen Initiativen,<br />
Parteien, Medien und Grüppchen des rotgrünen Spektrums Ende der 70er Jahre an, die vielen K- und<br />
Ö-Gruppen, die taz, der Pflasterstrand, Konkret, die Ökodörfer, -magazine und -läden. Vergleichbar<br />
wächst da auch heute einiges im konservativ-libertären Bereich heran, nicht zuletzt im Internet.<br />
Denken Sie an die Graswurzelbewegung für Ron Paul. Am Ende werden sich auch hier diejenigen<br />
Projekte durchsetzen, die über die ursprüngliche Szene hinauswachsen. Die anderen werden<br />
irgendwann wieder verschwinden oder ein ungewollt belustigendes Freakdasein fristen, ähnlich wie<br />
447
die auch heute noch bestehenden kommunistischen Splittergruppen, sei es die Volksfront von Judäa<br />
oder auch die Judäische Volksfront.<br />
Herr Lichtschlag, vielen Dank für das Gespräch!<br />
448
Götz Kubitschek: Provokation<br />
Geschrieben von: Markus Betz<br />
Dienstag, den 18. Dezember 20<strong>07</strong> um 13:11 Uhr<br />
Die Provokation von Götz Kubitschek ragt aus der zweiten Kaplaken-Staffel, der „Sondervergütung“<br />
für Konservative des Verlags Edition Antaios, besonders hervor und kann schon jetzt mit Fug und<br />
Recht dem Kanon konservativer Pflichtlektüre zugerechnet werden. Der Leiter des Instituts für<br />
Staatspolitik nimmt den Leser mit auf einen abenteuerlichen Denkweg, der in vier Texten, vom „wir“<br />
über das „ihr“ und „ich“ schließlich zum „du“ führt.<br />
„Lasst uns, wenn wir uns treffen, niemals harmlos über das Harmlose reden.“ Mit diesem Leitspruch,<br />
den Kubitschek seinen Essays voranstellt, wird die Voraussetzung für ein gewinnbringendes Lesen<br />
desselben deutlich: Es gelte die Krise, in der unsere Nation steckt, erst einmal wahr- und<br />
ernstzunehmen, ja sie willkommen zu heißen. „Denn wer in der Krise steckt, der ringt noch, der hat<br />
noch nicht aufgegeben ...“ Wer zur Einsicht komme, dass die multikulturelle Gesellschaft kein<br />
friedfertiges, buntes Fest ist, sondern bereits Symptome des Vorbürgerkriegs aufweist, „wird vor der<br />
Frage stehen, ob er sich wehrt oder verschwindet.“ Wer sich für ersteres entscheidet, komme an der<br />
Provokation nicht vorbei, da sie oft das einzige Mittel der Schwachen sei: als Zuspitzung der Begriffe,<br />
als gezielter Verstoß gegen das Regelwerk der Harmlosigkeit und des Konsensdiskurses, als<br />
Konfrontation des an Störungen nicht gewohnten Polit-Establishments mit seinen Leichen im Keller.<br />
Provokation als Kampfmittel der Konservativen<br />
Wer nun in Kubitscheks Aufforderung zum „Zündeln am Holzstoß“ eine Anstiftung zum rechten<br />
Aktivismus oder gar zur gewalttätigen Radikalisierung sieht, wird beim Weiterlesen eines besseren<br />
belehrt. Vom Posten des Aktivisten soll der politisch erwachende junge Mensch auf den Posten des<br />
Gärtners versetzt werden. Den Utopien als „Verschiebebahnhöfe in die Zukunft“ (Armin Mohler, der<br />
als Vordenker gewürdigt wird) wird die Einsicht entgegen gestellt, dass das Leben in seiner<br />
Vielgestaltigkeit nicht beherrschbar und berechenbar sei, sondern vor allem gehegt – in der<br />
doppelten Bedeutung von „geschützt“ und „begrenzt“ – werden müsse, so wie es der Gärtner<br />
praktiziere. Dazu gehöre zuallererst, „im eigenen Geviert für Ordnung zu sorgen und mit dem was<br />
man sagt, nicht allzu weit von dem entfernt zu sein, was man tut und wagt.“ Das eigene Leben zu<br />
führen, statt sich gehen zu lassen als gelebte Praxis des Rechten.<br />
„Des Kaisers neue Kleider“<br />
Davon ausgehend gäbe es natürlich auch die rechte Sicht auf das „Große und Ganze“ und Zeiten, in<br />
denen dieses so aus den Fugen gerät, wo die ganze Persönlichkeit in die Waagschale geworfen<br />
werden müsse. Als Beispiel dient Stauffenbergs Attentat. In solchen Zeiten nehme der Gärtner seinen<br />
bereitstehenden Knüppel oder das Schwert zur Hand und werde zum Krieger, zum Provokateur.<br />
Dabei freue er sich auf den Tag, da er wieder pflanzen und mit dem Kämpfen aufhören kann. Immer<br />
wieder gelte es zu erkennen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, an dem wir nicht mehr zusehen,<br />
zuhören und danebenstehen dürfen, sondern den Satz aussprechen: „Der Kaiser ist nackt!“<br />
Welche Alternative gibt es für den Konservativen zu Zynismus, Resignation oder naserümpfendem<br />
Mitfunktionieren? Es bleibe die Möglichkeit eine Spur zu hinterlassen, ein Beispiel zu setzen, das<br />
Nachahmer mobilisiert. Das „Ich nicht“ des Provokateurs multipliziere sich so zum „Wir auch nicht“.<br />
Der Autor ruft seine Leser auf, „den festen Grund zu bilden, auf dem man im Sumpf stehen kann,<br />
eine Widerstandsinsel, ein Wegweiser für diejenigen zu sein, die etwas vom Anderssein verstehen.“<br />
449
Wann ist Provokation angemessen?<br />
Die drängenden Fragen für denjenigen, der anders sein will, lauten also: Wie sorge ich im eigenen<br />
Geviert für Ordnung und bringe das, was ich sage, mit meinem Tun in Einklang? Wo gibt es in<br />
meinem Leben Situationen, in denen ich nicht mehr danebenstehen werde, sondern provoziere?<br />
Götz Kubitschek, Provokation, Band 6 der Reihe Kaplaken, 80 Seiten, kartoniert mit Fadenheftung,<br />
8,00 €, Schnellroda: Edition Antaios 20<strong>07</strong><br />
450
Der neue Mensch<br />
Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />
Dienstag, den 18. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Wer vom „neuen Menschen“ spricht, von einer neuen, besseren Welt und einem neuen, besseren<br />
Leben, der gilt schnell als unverbesserlicher Träumer, wenn nicht als Kommunist. Der Träumer<br />
glaubt, wenn nur jeder Einzelne seinen Teil zum weltweiten Frieden beiträgt – die Waffen niederlegt,<br />
den Schwachen hilft, den Armen gibt – dann werde diese neue schöne Welt Stück für Stück kommen.<br />
Der Kommunist glaubt, wenn nur endlich die weltweite Revolution aller Unterdrückten gegen die<br />
Unterdrücker erfolgt, wenn die Unterdrücker ausgemerzt sind und es nur noch eine einzige Klasse<br />
von Menschen gibt, in der allen alles gehört, dann sei die neue Welt da, in der es alles im Überfluß<br />
gibt, nur kein Leid, keinen Krieg, keine Ausbeutung mehr.<br />
Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß der von der Realität enttäuschte Träumer immer<br />
Gefahr läuft, zum Kommunisten zu werden, der die neue Welt mit Gewalt herbeiführen will. Mit<br />
Recht ist auch auf die unvorstellbare Blutspur hingewiesen worden, die der Kommunismus in der<br />
Geschichte hinterlassen hat. Bedeutet das aber, daß alles am Kommunismus und alles an dem, was<br />
der Träumer will, falsch, schlecht und böse ist? Das Böse ist nichts Selbständiges, sondern ist das<br />
verdorbene Gute. Was aber ist das Gute, das der Kommunismus verdorben hat?<br />
Kommunismus und Christentum: Gemeinsamkeiten und Unterschieden<br />
Die Antwort finden wir im Christentum. Auch hier gibt es den Glauben an den neuen Menschen, an<br />
die neue Welt, die die Christen das Reich Gottes nennen. Auch die Christen glauben, daß es in dieser<br />
Welt kein Leid, keinen Krieg, ja nicht einmal mehr den Tod geben wird. Aber, und das ist der<br />
wichtigste Unterschied zum Kommunismus, die Christen glauben an eine wirkliche neue Welt und<br />
nicht nur an eine rhetorische. Das Reich Gottes ist nicht bloß die perfektionierte oder reparierte<br />
Welt, in der wir leben, sondern sie ist vollkommen neu. Und es ist nicht der Mensch, der sie<br />
herbeiführen kann – das kann nur Gott.<br />
Der Kommunismus kann eingereiht werden in die vielen Versuche des Menschen, aus eigener Kraft<br />
den Sündenfall rückgängig zu machen. Der echte Kommunist erkennt ja durchaus, daß der Mensch<br />
ein Mängelwesen ist, daß „das Trachten des menschlichen Herzens böse ist von Jugend auf“ (Gen<br />
8,21). Aber er hält das ganze sozusagen für ein technisches Problem und meint, wenn man nur die<br />
richtigen Hebel umlege, die Erziehung umstelle, die Umverteilung organisiere, dann werde alles<br />
wieder in Ordnung kommen. Der Kommunist verkennt das wahre Wesen des Sündenfalls und seine<br />
Ursache: Die Auflehnung des Menschen gegen Gott. Alles Leid, alles Übel und das Böse haben hier<br />
ihre Ursache, und weil der Mensch nicht aus eigener Kraft zurück kann, kann er die neue Welt auch<br />
nicht selbst herbeiführen.<br />
Es ist schon viel, wenn man das erkannt hat und dann versucht, die wacklige Ordnung, die in dieser<br />
Welt möglich ist, zu bewahren, zu stärken oder wiederaufzurichten. Aber das ist noch nicht alles.<br />
Denn den neuen Menschen gibt es tatsächlich: Jesus Christus. Die Christen glauben nun, daß wir<br />
Anteil haben können, an dem neuen Leben, das in Christus erschienen ist. „Jesus hat das Reich<br />
Gottes gepredigt, gekommen ist die Kirche“, so hat es immer wieder spöttisch geheißen. Doch so<br />
falsch ist das nicht: Wenn auch die Kirche – die Gemeinschaft der Gläubigen – als Institution in der<br />
Welt notwendigerweise unvollkommen ist, so ist sie es doch, die die Botschaft Christi weitergibt. Sie<br />
verkündet, was Gott um unsertwillen in Christus getan hat und was er noch mit uns vor hat. Sie ist es,<br />
die es uns ermöglicht, Anteil zu haben am neuen Menschen Christus.<br />
451
Die Hoffnung, Gott möge die neue Welt herbeiführen<br />
Und weil wir wissen, daß nichts in dieser Welt vollkommen ist, und daß jede Art von Ordnung, jede<br />
Institution, die dauerhaft Bestand hat, eine große Leistung darstellt, deshalb werden wir die Kirche<br />
nicht verachten, weil sie nicht das Reich Gottes herbeiführt, weil sie nicht einmal so tut, als könnte<br />
sie es. Christen sind keine Kommunisten. Sie wissen, daß wir mehr können als bloß unsere<br />
Unvollkommenheit zu verwalten, weil Christus uns den Weg geebnet hat. Aber sie wissen auch, daß<br />
nur Gott die neue Welt herbeiführen kann. Das Warten darauf nennen die Christen Hoffnung.<br />
452
Politically Incorrect im Fadenkreuz des WDR<br />
Geschrieben von: Florian Gerstenhauer<br />
Freitag, den 21. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Aufgabe, die „Grundversorgung“ der Bevölkerung mit<br />
Rundfunk sicherzustellen. Das bedeutet, daß eine flächendeckende Rundfunkversorgung<br />
gewährleistet sein muß, die inhaltlich ausgewogen ist. Alle relevanten gesellschaftlichen Strömungen<br />
sind angemessen zu berücksichtigen. Die Entstehung von – so das Bundesverfassungsgericht<br />
wörtlich: „Meinungsmacht“ sei zu verhindern. Dem Bürger solle vielmehr durch neutrale,<br />
wahrheitsgemäße Berichterstattung und ein vielseitiges Meinungsspektrum seine eigene, freie<br />
Meinungsbildung ermöglicht werden. Die derzeitige Berichterstattung des WDR über das Weblog<br />
Politically Incorrect zeigt jedoch, daß die Öffentlich-Rechtlichen weit entfernt von diesem hehren Ziel<br />
sind.<br />
Derzeit berichtet der WDR auf seiner Internetseite über das Weblog Politically Incorrect (PI), das sich<br />
der verbalen Bekämpfung des Islam gewidmet hat. Licht und Schatten liegen dort dicht beieinander;<br />
einerseits gibt es vorzüglich recherchierte Skandalmeldungen, die sonst kaum zu finden sind,<br />
andererseits finden sich Billigenten wie: Das Sparschwein werde aus Rücksicht auf Muslime<br />
abgeschafft, oder: Aldi führte eine ‚Pizza Halal’ von geschächtetem Fleisch im Sortiment (was<br />
rechtlich verboten wäre). Daß auf Politically Inocrrect auch verbale Ausfälle unterster Schublade<br />
geduldet werden, rundet den zwiespältigen Gesamteindruck ab. Das Grundanliegen – Existenzangst<br />
gegenüber dem Islam – ist jedenfalls aller Ehren wert.<br />
WDR wahrt nur seine formale Neutralität, aber wer hinter die Fassade<br />
schaut …<br />
In seiner Berichterstattung legt der WDR vordergründig Wert auf formale Neutralität: Was zu<br />
kritisieren ist, wird kritisiert. Der sprachliche Stil bleibt dabei etwas hinter der Häme zurück, die man<br />
von Typen wie Stefan Niggemeier, einem der einflußreichsten Kritiker von PI, gewöhnt ist, und in<br />
zwei Teilen werden Argumente gegen PI und dann die Verteidigung dargestellt. Also ein<br />
ausgewogener Bericht?<br />
Daß ausgerechnet der linke Journalist Stefan Niggemeier zum Zeugen gegen PI aufgerufen wird, ist<br />
verdächtig, hatte doch Niggemeier vor einigen Monaten in einer üblen Schmähschrift ausgerechnet<br />
in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gegen PI gehetzt.<br />
… bemerkt, daß bestimmte Meinungsgruppen von der Pluralität<br />
ausgeschlossen werden.<br />
Weiter wird gegen PI ins Feld geführt, es leugne den Unterschied zwischen Islamismus und normalem<br />
Islam. Daß selbst ehemalige Muslime genau diesen Unterschied leugnen, wird dem Leser<br />
vorenthalten: So stellt der „Zentralrat der Ex-Muslime“, eine Gruppe, der viele Dissidenten aus<br />
islamischen Ländern angehören, die in Deutschland Zuflucht gefunden und sich ehrbare Existenzen<br />
aufgebaut haben, sehr deutlich heraus, daß der Islam als solcher mit westlichen Werten unvereinbar<br />
sei. Daß nicht ein einziges islamisch dominiertes Land dieser Erde westlichen<br />
Menschenrechtsstandards genügt, verschweigt der WDR ebenfalls.<br />
Weiter heißt es, PI-Chef Stefan Herre arbeite mit der Jungen Freiheit zusammen, die – und hier<br />
beruft man sich auf den NRW-Verfassungsschutz – versuche, rechtsextreme Positionen ins<br />
bürgerliche Lager zu überführen. Diese ominöse „Neue Rechte“ soll so diffus sein, daß man sich nicht<br />
auf ein konkretes Feindbild beschränken muß, andererseits aber sei sie so straff organisiert, daß sie<br />
453
gefährlich werden kann. Daß eine derartige Strömung also existiere und planvoll und absichtlich<br />
„rechtsextremistische Ansichten salonfähig mache“, wird als gesicherte sozialwissenschaftliche<br />
Erkenntnis hingestellt. Daß andererseits islamische Kräfte, die hier eine Moschee nach der anderen<br />
bauen, planvoll das tun, was im Koran gefordert wird, nämlich islamische Strukturen stärken, um<br />
daraus Herrschaftsansprüche abzuleiten, ist in den Augen des WDR eine „Verschwörungstheorie“.<br />
Mehr als nur eine Verschwörungstheorie<br />
Selbstverständlich ist PI auch gefährlich: In vielen Weblogs, auch bei großen Tageszeitungen, fänden<br />
sich „Versatzstücke“ von PI. Das beweist aber nur, daß ein nicht übersehbarer Teil der Bevölkerung<br />
diesbezüglich Äußerungsdrang verspürt; eigentlich wäre es Aufgabe des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks – also des WDR – auch diese Bürger zu bedienen. Statt dessen wird das Warnen vor<br />
islamischen Herrschaftsansprüchen Privaten überlassen – zum Beispiel eben PI. Und das, obwohl<br />
diese Sorgen und Ängste – das PI-Motto lautet: „Islamophob und stolz darauf“ – angesichts einer<br />
völlig ungeklärten Einstellung der großen Muslimverbände zu Koranversen, die etwa zur Gewalt und<br />
Abgrenzung gegen Juden und Christen aufrufen, keinesfalls aus der Luft gegriffen sind.<br />
Der Staatsrechtslehrer Professor Murswiek hat bereits vor 10 Jahren, auf der<br />
Staatsrechtslehrertagung 1997, darauf hingewiesen, daß ein Staat, der den Bürger fürsorglich<br />
erdrückt, mindestens ebenso unfreiheitlich wirken kann, wie ein offen totalitärer Staat (die Rede<br />
Murswieks wurde von Alexander von Stahl im JF-Prozeß vor dem BVerfG zitiert; sie ist überaus<br />
lesenswert und kann in jeder juristischen Hochschulbibliothek nachgeschlagen werden: „Staatliche<br />
Warnungen, Wertungen, Kritik als Grundrechtseingriffe“, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1997, S.<br />
1021 ff.).<br />
Unterschwellige Propaganda im WDR<br />
Im vorliegenden WDR-Bericht haben wir genau diesen Fall: Formal betrachtet geht es ruhig und<br />
besonnen zu, „audiatur et altera pars“. Jedoch wird durch die Anordnung der Argumente, scheinbar<br />
beiläufige Hinweise und Unterschlagung von Informationen dem Leser ein bestimmter Blickwinkel<br />
vorgegeben. Insofern ist der Beitrag ein regelrechtes Lehrstück für unterschwellige Propaganda. Ob<br />
sein Verfasser dies absichtlich getan hat oder im Vollgefühl seiner Zugehörigkeit zu den Guten glaubt,<br />
einen formal ausgewogenen Artikel verfaßt zu haben, kann man nur raten. Davon, daß der öffentlichrechtliche<br />
Rundfunk seinen Programmauftrag erfüllt, kann jedoch keine Rede sein: Das Vertreten<br />
islamkritischer Positionen wird nach wie vor ausschließlich von Privaten gewährleistet.<br />
454
Die Weihnachtsgeschichte<br />
Geschrieben von: Benjamin Hasselhorn<br />
Freitag, den 21. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Pünktlich zu den größeren christlichen Feiertagen strahlen vor allem die Privatsender<br />
Filmdokumentationen aus, die dem historischen Jesus jenseits des Jesus der Evangelien auf die Spur<br />
kommen wollen. Jesus, so eine RTL-Sendung zum vorletzten Osterfest, sei zum Beispiel gar nicht in<br />
Bethlehem geboren, wie im Neuen Testament behauptet, sondern in Nazareth. Überhaupt sei die<br />
ganze Weihnachtsgeschichte eine nachträgliche Erfindung der Evangelisten. Dazu paßt, daß die<br />
Mehrheit der Deutschen laut einer kürzlich angestellten Umfrage die Weihnachtsgeschichte des<br />
Lukas für ein schönes Märchen hält.<br />
Nun gehört gerade dieser Teil des Lukasevangeliums zwar zu den eher kunstvoll gestalteten, aber<br />
wenn man schon ein Märchen hören will, dann gibt es doch zahllose Autoren, die bessere und<br />
schönere Märchen geschrieben haben als ausgerechnet der Historiker Lukas, der sein Evangelium<br />
nach eigenem Bekunden ausdrücklich auf der Grundlage aller zur Verfügung stehenden Quellen als<br />
Tatsachenbericht abgefaßt hat. Dennoch hat man die Glaubwürdigkeit der Geburtsgeschichten bei<br />
Lukas und Matthäus immer wieder bestritten. Der Titel „Gottes Sohn“ sei für Jesus erst nach seinen<br />
Lebzeiten in Gebrauch gekommen, als die Christen mit der griechischen Philosophie und Literatur in<br />
Kontakt gekommen seien, und so sei die nachträglich erfundene „Jungfrauengeburt“ eine Imitation<br />
heidnischer Legenden. Alexander der Große beispielsweise wurde dadurch gezeugt, daß Zeus in<br />
Gestalt einer Schlange mit der Ehefrau Philipps von Makedonien Ehebruch trieb.<br />
Schon hier sollte man aufmerken: Im Neuen Testament ist nicht von einem Ehebruch Gottes mit<br />
Maria gegen Josef die Rede. Gott schläft nicht in Menschen- oder Tiergestalt mit Maria, sondern<br />
Jesus entsteht im Mutterleib Marias durch den Heiligen Geist. Diese Erklärung soll keine Gynäkologen<br />
zufriedenstellen, sondern steht in der Tradition des Alten Testaments, daß ein Prophet Gottes von<br />
Mutterleib an ausgewählt ist. Jesus ist aber nicht nur ausgewählt, sondern ganz durch den Heiligen<br />
Geist entstanden und überbietet damit die Propheten.<br />
Gegen den Bericht im Matthäusevangelium ist oft eingewendet worden, daß Matthäus sich aus den<br />
Messiasprophezeiungen des Alten Testaments eine Geburtsgeschichte gebastelt habe. In Jesaja 7<br />
wird die Geburt eines Sohnes, der „Gott mit uns“ genannt werden soll, durch eine Jungfrau<br />
angekündigt. In Micha 5 heißt es außerdem, der Fürst und Hirte Israels werde aus Bethlehem<br />
kommen. Nun gibt es aber gar keine Hinweise darauf, daß diese und andere Prophezeiungen des<br />
Alten Testaments zur Zeit Jesu üblicher Weise auf den erwarteten Messias bezogen wurden. Ist es<br />
nicht wahrscheinlicher, daß Matthäus nach den Ereignissen die heiligen Schriften danach<br />
durchforstete, ob sie angekündigt worden waren, als daß er sich wahllos ein paar Zitate<br />
zusammensuchte und eine Lügengeschichte daraus bastelte?<br />
Der eigentliche Grund dafür, daß die Weihnachtsgeschichte allenfalls noch als Märchen anerkannt<br />
wird, ist, daß die berichteten Ereignisse mit dem rationalistischen, reduktionistischen,<br />
positivistischen Weltbild nicht übereinstimmen. An eine Jungfrauengeburt konnte man vor 2000<br />
Jahren vielleicht noch glauben, aber heute doch nicht mehr! Aber stimmt das? Wußte man zur Zeit<br />
Jesu einfach noch nicht, wie Kinder entstehen? Laut Lukas wunderte sich Maria über die<br />
Ankündigung der Geburt ihres Sohnes, weil sie doch noch von keinem Mann wisse. Und nach<br />
Matthäus wollte Josef seine Verlobte heimlich verlassen, als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr.<br />
455
Beide waren sich also über die Naturgesetze durchaus im Klaren. Sie akzeptierten die<br />
Schwangerschaft Marias als ein Wunder.<br />
Geschichten, in denen solch ein Wunder angekündigt wurde, hat es aber nicht nur im Alten<br />
Testament gegeben, sondern auch in den heidnischen Religionen. Im Hirtengedicht des römischen<br />
Dichters Virgil heißt es:<br />
Endzeit ist schon da, sibyllinischen Sanges Erfüllung;<br />
Groß aus Ursprungsreine erwächst der Jahrhunderte Reigen.<br />
Schon kehrt wieder die Jungfrau, kehrt wieder saturnische Herrschaft.<br />
Schon wird neu entsandt ein Sproß aus himmlischen Höhen.<br />
Seit der Geburt nur des Knaben, mit dem die eiserne Weltzeit<br />
Gleich sich endet und rings in der Welt eine goldene aufsteigt.<br />
In der Geburt Jesu erfüllt sich nach dem Verständnis der Evangelisten sowohl die jüdische als auch<br />
die heidnische Hoffnung auf den Erlöser. Die Geburt dieses Erlösers von einer Jungfrau ist keine<br />
Anspielung auf satirische Götterlegenden der Griechen, sondern bringt das Wunderbare dieser<br />
Geburt zum Ausdruck: Es handelt sich bei dem Knaben um Gottes Sohn, den König, den Herrscher,<br />
den Retter der Welt.<br />
Natürlich hat er die Welt an Weihnachten noch nicht gerettet. Er ist noch nicht gestorben und<br />
auferstanden von den Toten. Er hat unsere Sünden noch nicht getilgt, uns noch keinen Neuanfang<br />
ermöglicht und das Kommen des Reiches Gottes noch nicht angekündigt. Aber: Seine Geburt hat in<br />
uns die Hoffnung auf all das geweckt. Die wunderbaren Aspekte der Weihnachtsgeschichte sind<br />
daher auch kein bloßer Zierrat, keine stimmungsvolle Poesie für die kerzenlichterfüllte Kirche an<br />
Heiligabend und keine Zutat zum schönen Märchen von Jesu Geburt, sondern sie sind Hinweise<br />
darauf, daß hier – im Stall in Bethlehem vor über 2000 Jahren – der Erlöser tatsächlich geboren<br />
wurde.<br />
Christ, der Retter ist da!<br />
Wer das versucht zu begreifen, der geht vielleicht nicht mehr nur der Stimmung wegen an<br />
Weihnachten in die Kirche, damit sich das Essen und das Auspacken der Geschenke auch irgendwie<br />
nach Weihnachten anfühlen. Vielleicht spürt er etwas von dem Ernst des Weihnachtsfestes, das ja<br />
immer das heidnische unter den christlichen Festen gewesen ist, und vielleicht murmelt er bei den<br />
Weihnachtsliedern nicht mehr nur unhörbar mit und lächelt nicht mehr spöttisch über diejenigen, die<br />
in „Stille Nacht“ laut und überzeugt singen: Christ der Retter ist da!<br />
456
Oswald Spengler intim: Haß, Schmerz und Ekel<br />
Geschrieben von: Daniel Bigalke<br />
Samstag, den 22. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Oswald Spengler (1880-1936) war besonders sensibel für soziale und kulturelle Entwicklungen in<br />
Deutschland. Sein Kulturpessimismus umschließt die Dekadenz und das Spätzeitbewusstsein seiner<br />
Zeit, die gespannte Beziehung zwischen Geist, Macht und Modernitätskrise. Es ist bezeichnend, daß<br />
seine Lebensphilosophie völlig außerhalb der „professionellen“ Wissenschaft entstand, sich von den<br />
Schalthebeln der Macht abkehrte, um sich einer verdeckten und immer einflussreicheren Stellung im<br />
vorpolitischen Wirkungsgefüge zuzuwenden. Spenglers Enttäuschungen kehrten sich gegen die<br />
Kultur und deren offizielle Repräsentanten in Politik und Medien. Ursache dessen war die<br />
Zwiespältigkeit des Lebens in einer Übergangszeit der parallelen Erneuerung von Kunst und Kultur.<br />
Man kann von Innerlichkeitskult sprechen oder von einem inneren Egotismus, wie ihn der<br />
französische Philosoph Stendhal prägte. Spenglers eigene Tragödie als Mensch, als Einsamer und<br />
Fremdling, ist ein Phänomen seiner Zeit.<br />
Lange waren schriftliche, zugängliche Quellen diesbezüglich kaum vorhanden oder nur über Umwege<br />
findbar. Sie erforderten den Besuch des Spengler-Archivs in München, dessen viele Manuskripte<br />
Spenglers erster Biograph Anton Mirko Koktanek für seine einmalige Biographie Oswald Spengler in<br />
seiner Zeit (1968) studierte und zitierte. Dort stößt man begeistert auf die bisher noch unbekannten<br />
aus extrem persönlicher Perspektive geschriebenen Fragmente namens „Eis-heauton“, die uns<br />
Koktanek in Permanenz als „Bekenntnisse“ Spenglers präsentiert. (Vgl. ebd., S. XXIV) Der Leser selbst<br />
konnte sie aber bisher nicht aus erster Hand nachprüfen. Diese Aufzeichnungen treten bei Koktanek<br />
unter „EH – Eis heauton, inedited“ – also unveröffentlicht – auf.<br />
Spengler in persönlichen Notizen<br />
Deshalb kommt es einer Sensation gleich, diese autobiographischen Aufzeichnungen in Buchform<br />
nunmehr vor sich liegen zu haben. Spenglers Schwester ordnete diesen Nachlaß – gewissenhafter als<br />
ihr Nietzsche-Äquivalent – und übertrug ihn mit einer Schreibmaschine. Es handelt sich dabei um<br />
genau jene „Eis heauton“-Notizen, die zwischen 1913-1919, den Jahren vor dem großen Ruhm<br />
Spenglers, aufgeschrieben wurden. Hier also haben wir im Lilienfeld-Verlag die vollständige Ausgabe<br />
der originalen Transkriptionsfassung von Spenglers „Eis-heauton“-Fragmenten vorliegen. Man muß<br />
nicht mehr ins Münchner Spengler-Archiv reisen. „Eis heauton“ – „An sich selbst“ – ist mit seinen<br />
transkribierten 145 handschriftlichen Aufzeichnungen damit erstmals als Buch publiziert. Spengler<br />
knüpft an Mark Aurel zwölf im Zeltlager an der Donau geschriebenen Bücher an, welche damals<br />
bereits Aurels gleichnamige Selbstbetrachtungen "eis heauton" beinhalteten. Aurels Grundgedanke<br />
war: Der Herrscher (Kaiser) ist der Diener der Menschheit. Er ist von göttlicher Weltvernunft berufen<br />
und setzt seine sittliche und geistige Überlegenheit für das Allgemeinwohl ein.<br />
Konservative Kulturkritik und überlegener Weitblick<br />
Und wahrlich, so persönlich aber auch geistig überlegen und „deutungsgewaltig“ (Botho Strauß) wie<br />
nie zuvor tritt dem Leser Spengler im vorliegenden Buch gegenüber. Diese autobiographischen<br />
Fragmente stellen ein synthetisches Kompendium von individueller Psychologie und konservativer<br />
Kulturkritik in höchster Konsequenz und Schärfe dar. Spengler richtet sich gegen korrumpierte<br />
Massenmedien, soziale Barbarei, einwandernde Proletarier und Unterschichten, wucherndes<br />
Finanzkapital, blinde Umweltzerstörung und zweckentfremdete Technik. Zugleich trifft man aber auf<br />
einen verunsicherten, furchtsamen und bindungsunfähigen Mann, dessen Urgefühl die Angst ist und<br />
457
der seit seiner Kindheit geprägt wurde von einem strengen und verständnislosen Vater: „…gehetzt,<br />
gepeinigt von einer unbestimmten grenzenlosen Angst, (…), wie ein verirrtes Stück Bewußtsein in<br />
einer fremden unendlichen Welt.“ Interessant ist, wie Spengler seine Angst an vielen Stellen<br />
gewissermaßen wiederholend seinem Leser vorträgt, sie als treibende Kraft des Denkens markiert:<br />
„Angst, eine Wohnung zu mieten, einen Brief zu öffnen, einen Laden zu betreten. Angst vor Weibern<br />
– sobald sie sich ausziehen." Spengler erscheint hier nicht als der gnadenlose und selbstbewußte<br />
Philosoph des Untergangs. Vielmehr offenbart er die individualpsychologischen Motive seiner<br />
spezifischen Philosophie: „Immer wieder das Gefühl, minderwertig zu sein.“ „Ekel vor allem, was ich<br />
gemacht habe, vor mir selbst, vor meiner Unfähigkeit.“ Selbstzweifel und Selbsterhebung sind hier<br />
also dicht beieinander. Auf den ersten Blick scheinen sich auch Anmaßung und Überheblichkeit in<br />
diesen Texten die Hand zu reichen. Bei genauer Lektüre aber und vorausgesetzter ernsthafter<br />
Kenntnis des kompletten Hauptwerkes „Der Untergang des Abendlandes“ (1918/1922) erscheinen<br />
die vorliegenden Fragmente aber nicht als Partitur von unterschiedlichen Seufzern und Klagelauten,<br />
wie leichtfertig moniert wurde, sondern vielmehr als das ernstzunehmende subjektive Phänomen<br />
eines Menschen in seiner Zeit, das über einen einmaligen Weitblick verfügte und sich dessen in<br />
tragischer Selbstreflexion bewußt war: „Dieser Blick ist die eigentlich philosophische Gabe.<br />
Philosophische Fachwissenschaft ist philosophischer Unsinn.“<br />
Das persönliche Opfer des Philosophen<br />
Die vorliegenden Fragmente bilden den psychischen Hintergrund Spenglers als Lehrer des heroischen<br />
Realismus, der zugleich gepeinigt von Angst und Ekel den gegenwärtigen Zustand seiner Zeit<br />
überwinden wollte. Mehr noch, es gibt sogar im „Untergang des Abendlandes“ direkt präsente<br />
Versatzstücke von Spenglers emotioneller Lage, so wenn in diesem Hauptwerk von „Weltangst“ und<br />
„Weltsehnsucht“ als Urgefühle einer jeden Kultur die Rede ist.<br />
Spengler opferte viel an Freude und Wohlergehen für die Originalität seiner Philosophie, zu der hin er<br />
sich nahezu durchlitt. Und so führt auch nichts an den Fakten vorbei: Wir haben Fragmente eines<br />
geistigen Machtmenschen vorliegen, der aus Schwächen besteht, aus Ekel und Phobien,<br />
Gegenwartsverachtung und Menschenscheu, Verzagtheit und Wirklichkeitsflucht: „Die Einsamkeit in<br />
meiner Zeit, dieser ekelerregenden Zeit, hat das Opfer verlangt.“ Anderseits trifft man aber auch auf<br />
energische Sentenzen der Hoffnung: „Ich habe schon als Kind immer die Idee in mir getragen, ich<br />
müsste eine Art Messias werden. Eine neue Sonnenreligion stiften, ein neues Weltreich, ein<br />
Zauberland, ein neues Deutschland, eine neue Weltanschauung. Das war zu 9/10 der Inhalt meiner<br />
Träume.“<br />
Selbstverachtung birgt immer auch Selbsterhebung in sich<br />
Spengler gelingt es immer wieder, seine tragische Größe in Szene zu setzen, Zerrissenheit und<br />
zielstrebige Einheit zu synthetisieren und damit die eigenen Symptome als zu lösende Symptome der<br />
Krise seiner Zeit zu verstehen, an denen man stets auch zu zerbrechen droht. Davon zeugt auch das<br />
einzige überlieferte Gedicht Spenglers, welches sich im vorliegenden Buch befindet. Das<br />
Zusammenspiel von Selbstverachtung und Selbsterhebung, der Prozeß des Aufrichtens eines immer<br />
wieder aus subjektivem Verhängnis selbst zu Boden Stürzenden – dies sind die Kernelemente von<br />
Spenglers autobiographischen Fragmenten. Sie verdeutlichen auch das Schicksal des Deutschen der<br />
Nachkriegszeit. Verstoßenheit und Angst werden zum Zeichen der Auserlesenheit gegen die<br />
geistlose, weil (offenbar) nicht leidende Mittelmäßigkeit der Zeit, gegen das parlierende<br />
„Literatengeschmeiß“.<br />
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Sensible Kulturkritik und kämpferischer Pragmatismus<br />
Das Nachwort von Gilbert Merlio, Autor der Spengler-Monographie „Oswald Spengler – Témoin de<br />
son temps“ (1982), ist dabei sehr erhellend. Es verdeutlicht die charakterliche Struktur Spenglers<br />
anhand seines Werkes. Merlio liefert abschließend ein treffliches Stichwort zur methodischen<br />
Bezeichnung von Spenglers Tagebucheinträgen. Die „Doppelte Vexation“ sei der bezeichnende<br />
Terminus für deren Grundcharakter. Treffender ließe sich nicht bilanzieren, denn gemeint ist damit<br />
das wohl im charakterlichen Durchschnitt der Gegenwart kaum noch findbare Phänomen, geistiger,<br />
optimistischer, kämpfender Pragmatiker zu sein, der zugleich sensibler, leidender und sein Leiden<br />
gezielt sublimierender Kulturpessimist ist. Eine strategische Verknüpfung von Eigenschaften also, die<br />
alle berechtigt sind und ausgelebt werden können. „Ich bin nie zufrieden gewesen mit dem, was ich<br />
geschrieben habe.“ So dachte Spengler über sich. Diese Unzufriedenheit hat ihn zur Höchstform<br />
getrieben. Er hat sich gequält und die Erkenntnisse seiner Arbeiten müssen den Leser auch heute<br />
quälen.<br />
Oswald Spengler: Ich beneide jeden, der lebt - Die Aufzeichnungen "Eis heauton" aus dem Nachlaß,<br />
Gebunden, Lilienfeld Verlag, 20<strong>07</strong>, 120 Seiten, ISBN: 3940357022 [Titel anhand dieser ISBN in Citavi-<br />
Projekt übernehmen] .<br />
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Ein 17jähriger Grieche und ein 20jähriger Türke<br />
Geschrieben von: Michael Schulz<br />
Freitag, den 28. Dezember 20<strong>07</strong> um 01:00 Uhr<br />
Das Überwachungsvideo zeigt die Tat.In München wurde in einem U-Bahnhof ein Rentner grundlos<br />
zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt. Täter waren ein 17jähriger Grieche und ein<br />
20jähriger Türke. Obwohl bereits klar war, dass es sich um Ausländer handelt, war davon in der<br />
„heute“-Sendung des ZDF vom 22.12.20<strong>07</strong> keine Rede. Man konnte es nur vermuten, da der<br />
interviewte Polizeikommissar davon sprach, dass der Rentner als „scheiß Deutscher“ beschimpft<br />
wurde. Es ist bezeichnend, dass der Fall keinen medialen Aufschrei über Ausländerkriminalität<br />
auslöste. Man muss fast froh sein, dass der Fall überhaupt bekannt wurde, denn in der „Tagesschau“<br />
des gleichen Tages wurde der Fall noch nicht einmal erwähnt.<br />
Was ist passiert?<br />
Dank der Kameraüberwachung der Bahnhöfe konnte die Gewalttat genau dokumentiert werden.<br />
Nach Aussage von Zeugen wies der Rentner die Gewalttäter in der U-Bahn darauf hin, dass das<br />
Rauchen verboten sei und forderte sie auf die Zigaretten auszumachen. Statt sich in die öffentliche<br />
Ordnung einzufügen, bespuckten sie ihn und beschimpften ihn als „scheiß Deutschen“. Daraufhin<br />
entfernte sich der Mann. Als er ausstieg, folgten ihm die Ausländer.<br />
Die Überwachungskamera hielt fest, wie sie den Bahnsteig entlang stürmten und einer der beiden<br />
den Rentner in der Vorhalle aus vollem Lauf durch einen Faustschlag zu Boden schlug. Anschließend<br />
traten sie den wehrlosen Mann mehrere Male ins Gesicht und an den Oberkörper. Der<br />
Polizeikommissar berichtete, dass „einer ca. 10 Meter Anlauf nahm, um noch einmal mit voller<br />
Wucht dem Rentner ins Gesicht zu treten.“<br />
Bereits am Tag danach konnten die Täter festgenommen werden, da sie vor der Tat einem Passanten<br />
sein Handy geklaut hatten. So konnten sie geortet werden. In der Vernehmung zeigten die beiden<br />
keinerlei Reue. Weil der Rentner sie angesprochen habe, „wäre das halt so passiert“.<br />
Bedeutung für die Gesellschaft<br />
Dieser Fall macht deutlich, wie gescheitert die Einwanderungspolitik ist. Die Brutalität, Hinterlistigkeit<br />
und Respektlosigkeit der beiden Ausländer lässt vermuten, dass in den ausländischen<br />
Parallelgesellschaften, die sich in deutschen Städten gebildet haben, keinerlei Werte, Moral oder<br />
sonstige Normen wie z.B. Respekt vor dem Alter, existieren. Hier ist es sicherlich demnächst im<br />
wahrsten Sinne des Wortes tödlich, weiterhin auf Toleranz und Integration zu setzen. Denn Toleranz<br />
führt nur zu mehr Gewalt und Integration ist weder bei den Ausländern noch bei den Deutschen<br />
erwünscht. Das einzige, was hier helfen würde, wäre der vom französischen Staatspräsidenten<br />
erwähnte Hochdruckreiniger. Sicherlich hat diese Äußerung auch zu seinem Wahlsieg beigetragen.<br />
Und die Medien?<br />
Bei Zusammenstößen zwischen Deutschen und Ausländern sind die Medien immer dabei – zumindest<br />
wenn die deutsche Seite die Täterseite ist. Die Tagesschau hält es an diesem Tag nicht für notwendig<br />
den Münchner Fall zu erwähnen, statt dessen stürzen sich alle auf einen kleinen Zwischenfall in<br />
Dresden. Dort hatte eine Gruppe Rechtsextremer nach einem Diskobesuch zwei Sudanesen leicht<br />
verletzt.<br />
Die Medien haben kein Interesse an einem Fall wie in München, es ist Alltag. Und der Alltag kommt<br />
nicht in die Nachrichten.<br />
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