16.10.2012 Aufrufe

Blaue Narzisse - Onlineartikel 2006/07

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Edwin Erich Dwinger: „ ...Und Gott schweigt ?“<br />

Geschrieben von: Johannes Schüller<br />

Montag, den 03. April <strong>2006</strong> um 01:00 Uhr<br />

Bis heute ist die Entwicklung Deutschlands und Europas in den 20er und 30er Jahren im öffentlichen<br />

Gespräch geblieben. Tatsächlich war diese Zeit prägend für die weitere politische und soziale<br />

Entwicklung. Um so interessanter ist es, Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen.<br />

Edwin Erich Dwinger ist ein solcher. 1915 meldet er sich freiwillig zum Dienst in der deutschen<br />

Armee, wenige Tage später gerät er jedoch bereits an der Ostfront in russische Kriegsgefangenschaft.<br />

Es folgen Lagerinternierungen und Ernteeinsätze. Dwinger wird auch in den Strudel hinabgerissen,<br />

der Rußland lange Zeit prägen sollte: den russischen Bürgerkrieg (1918-1924). Um zu überleben,<br />

kämpft er auf weißer Seite gegen die rote Armee und wird damit unmittelbar Zeuge der Bestialitäten,<br />

die beide Seiten am Gegner und der Zivilbevölkerung verüben. Erst 1921 kann er in seine deutsche<br />

Heimat zurückkehren. In den folgenden Jahren entwickelt sich Dwinger zum Kommunisten,<br />

beeindruckt von der Aufbauleistung und dem Sendungsbewußtsein der jungen Sowjetunion. Bedingt<br />

durch die Machtübernahme Hitlers emigriert er 1933 in die Sowjetunion. Die Machthaber führen ihm<br />

ein glänzendes Reich vor, in dem Fortschritt und Menschlichkeit regieren. Dwinger will nun die<br />

Stätten seiner Kriegsgefangenschaft in der Ukraine besuchen und den neuen Reichtum alter<br />

Bekannter sehen. Doch sobald er die vorgegeben „Potemkinschen Dörfer“ und Musterfabriken<br />

verlässt, stößt er auf ein Bild des Grauens: Hungernde, als politisch verdächtigt Internierte und ein<br />

endloses Elend zeigen ihm das wahre Gesicht der jungen Sowjetunion. Gespräche mit den Opfern der<br />

Hungersnöte verdeutlichen dem jungen Kommunisten das gigantische Ausmaß einer unglaublichen<br />

Mißwirtschaft und die zahlreichen Opfer des politischen Terrors, durch welchen in der Geschichte<br />

der Sowjetunion insgesamt circa 35Millionen Menschen umkommen sollten. Schwer enttäuscht<br />

kehrt Dwinger nach Deutschland mit dem Resümee<br />

"Ich war Kommunist"<br />

zurück. Doch trotzdem behielt er seinen Glauben an das russische Volk, dass er einst kennengelernt<br />

hat. Zuletzt findet dies unter anderem Niederschlag in seiner Denkschrift gegen die<br />

nationalsozialistische Ideologie vom Untermenschen:<br />

"Der russische Mensch" aus dem Jahre 1941.<br />

41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!