mitteilungen der residenzen - Residenzen-Kommission - GWDG
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Adel <strong>der</strong> Provinz als Folie zur Ausbildung einer eigenen politisch-kulturellen Rolle<br />
diente. Obwohl o<strong>der</strong> gerade weil Gueidan ein Aufsteiger war, benutzte er damit eine<br />
Bildsprache, die typisch für den Schwertadel war.<br />
Im abschließenden Kommentar warf Ronald G. ASCH noch einmal die Frage nach<br />
dem adligen „Eigensinn“ auf. Tatsächlich habe sich <strong>der</strong> Adel rechtlichen, moralischen<br />
und religiösen Normen durchaus unterworfen und sie für die eigenen Zwecke genutzt,<br />
gleichzeitig aber auch deutlich gemacht, daß er in gewisser Weise über diesen Normen<br />
zu stehen beanspruchte. Auch deshalb blieb beispielsweise das Verhältnis zwischen<br />
Adel und Fürsten wie auch zwischen Adel und Staat stets ambivalent. Die Geschichte<br />
des Adels sei auch nicht ausschließlich die Geschichte seines Nie<strong>der</strong>gangs.<br />
Die Palette adliger Handlungsmöglichkeiten blieb auch mit dem Beginn <strong>der</strong> staatlichen<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung vielfältig. Adlige Netzwerke bestanden und bestehen weiterhin<br />
fort. Ihre Geselligkeit war geprägt von geistreicher Konversation und Verspieltheit anstatt<br />
pedantischer Gelehrsamkeit. Es ging darum, Sprezzatura zu demonstrieren, jene<br />
elegante Lässigkeit, die schon Castiglione in seinem Cortegiano empfohlen hatte. Der<br />
Adlige hatte in Kunst und Wissenschaft Dilettant zu sein und sollte sich keinesfalls<br />
spezialisieren, so daß er an<strong>der</strong>e Fähigkeiten verkümmern lassen müßte. Letztlich<br />
konnten daher Adlige viele verschiedene Rollen einnehmen. Dazu gehörten <strong>der</strong> mittelalterliche<br />
Ritter, <strong>der</strong> Höfling, <strong>der</strong> Connaisseur, <strong>der</strong> Gutsbesitzer, <strong>der</strong> Offizier, <strong>der</strong> Kolonialverwalter<br />
und last but not least <strong>der</strong> Gentleman. Eine Aufgabe, die sich dem Adel<br />
immer wie<strong>der</strong> neu stellte, war die Umwandlung von ökonomischem und sozialem in<br />
kulturelles Kapital. Dabei stellte vom Adel in Auftrag gegebene Kunst manchmal<br />
weniger seine tatsächliche politische Macht dar, als daß sie das Fehlen <strong>der</strong>selben kompensieren<br />
sollte. Die Kunst war aber gerade das Medium, in dem <strong>der</strong> Adel als Idee<br />
und kulturelles Ideal sein politisches Ende überlebte.<br />
Christian Kühner und Michael Strauß, Freiburg i.Br. ∗<br />
∗ Christian Kühner, M.A., Michael Strauß, Graduiertenkolleg 1288 „Freunde, Gönner, Getreue“,<br />
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Werthmannplatz, KG IV, D-79085 Freiburg, E-Mail:<br />
kuehner@gmx.li; michael.strauss@geschichte.uni-freiburg.de.<br />
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