Glashütten des Spätmittelalters im Isergebirge - Nemo
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Holzformen eingestampft und dann, vor Regen geschützt, an der Luft getrocknet. Die Arbeit ging mit<br />
jener geruhsamen Betriebsamkeit vor sich, die unserem nervös hastenden Zeitalter so nützlich wäre.<br />
Woher der alte Herr wohl seinen feuerfesten Ton zu den Steinen bezogen haben mag? Nun — am Fuße<br />
<strong>des</strong> Riesengebirges gibt es Lagerstätten genug davon, und die am Quirl aufgefundenen Bruchstücke der<br />
alten Ofensteine mit anklebenden Glasresten zeigen, daß er gar kein schlechter war.<br />
Langsam wächst der Ofen, nach dem alten Risse hergestellt, den uns Agricola umständlich beschreibt. Er<br />
ist in einer Rundung von etwa 8 Fuß Durchmesser angelegt und gleicht einem großen Bienenkorbe, der <strong>im</strong><br />
Innern durch zwei wasserrechte Böden in drei Kammern annähernd gleicher Höhe abgetrennt wird. Die<br />
Böden werden von Bogen getragen, deren Schub nach außen durch sechs rippenartige Verstärkungen <strong>des</strong><br />
Außenmantels aufgefangen wird. Alles ist bescheiden in seinen Abmessungen. Nur die unterste,<br />
naturgemäß größte Kammer, in welche die Hände der rußigen Burschen fortwährend trockene Scheite<br />
Kienholz hineinwerfen, ist für ihren Zweck als Feuerraum unsinnig groß. Außerdem ermangelt letzterer<br />
jeglichen Rostes. Der Brennstoff liegt frei auf dem tennenartigen, mit Ton ausgeschlagenen Boden-. Da<br />
der Luftzutritt nur mangelhaft ist, verbrennt das Holz nur unvollkommen und verbreitet beizenden Qualm,<br />
der dem Wanderer von Ferne den Standort der Hütte kennzeichnet.<br />
Die Flamme schlägt durch eine runde Öffnung in den Mittelraum und umspült die dort aufgestellten<br />
Häfen, in denen das Glas geschmolzen wird.<br />
Dazu kam noch, daß die Gläser äußerst weich eingestellt und mit der selbstgemachten Pottasche<br />
abgeschmolzen wurden. Dann läßt sich freilich gut schmelzen und außerdem wird das Hafenmaterial sehr<br />
geschont. Ein abseits in einer Furche liegender alter Hafenkranz mit anhängenden grünlichen Glasresten<br />
war fast gar nicht abgefressen, sondern ganz scharfkantig.<br />
Die oberste Abteilung <strong>des</strong> Ofens diente als Kühlraum. Er nahm tönerne Kühltöpfe auf, in welche die<br />
Glasmacher die fertige Ware legten, damit sie langsam erkaltend ihre inneren Spannungen verloren.<br />
Von diesem Ofen, den ich mir <strong>im</strong> Geiste leicht aus den Bruchstücken rekonstruieren konnte, war<br />
allerdings kein Stein mehr auf dem anderen. Aber Proben der Gläser lagen vieltausendfach umher,<br />
allerdings durchweg in kleinen Stückchen von Erbsen- bis Bohnengröße. Wahrscheinlich wurden die<br />
größeren Bruchstücke sorgsam zusammengeklaubt, um <strong>im</strong>mer wieder aufs neue eingeschmolzen zu<br />
werden.<br />
Die Farbenskala, über welche die alte Hütte verfügte, war gar nicht so arm, wie ich es bei dem sog.<br />
Waldglase vorausgesetzt hatte. Vorab fand ich mehr als ein Dutzend verschiedener Nuancen von Grün,<br />
die aber alle als Verunreinigungen durch Eisen aufzufassen sind. Durch Kupfer grüngefärbte Stücke<br />
vermochte ich nicht aufzufinden.<br />
Dafür aber Bröckchen von citrinfarbigem, feurigem Glase. Zu Gefäßen ausgearbeitete, muß dieses Glas<br />
sich wunderhübsch ausgenommen haben. Wenn dieser gelbliche Stich beabsichtigt war und nicht von<br />
zufälliger Be<strong>im</strong>ischung kleiner Mengen von Rinde oder dergl. zum „Gemenge“ herrührt, so legt er<br />
Zeugnis ab für einen feinen Farbensinn <strong>des</strong> alten, längst vermoderten Schmelzers. Ferner fand ich mehrere<br />
Proben von Manganviolett und ein oder zwei kleine Bruchstücke eines Krystallglases von hohem<br />
Lichtbrechungsvermögen. Letztere Glasart ist, wenn überhaupt auf der Hütte ausgearbeitet, jedenfalls aus<br />
weither bezogenen Scherben zusammengeschmolzen worden. Ein Glas von dieser Schönheit und<br />
Lauterkeit konnten die alten Herren denn doch nicht hervorbringen. Um die Sammlung voll zu machen,<br />
entdeckte ich auch noch einige Stückchen eines stark opalisierenden Beinglases. Reste eines mit<br />
Kobaltoxyd gefärbten bleuen Glases hingen an einem Brocken von einer Art grobkörnigem Dina-steine.<br />
Dieser war augenscheinlich aus der Wölbung in den Schmelzhafen mit dem blauen Glase gefallen,<br />
welches ihn gewissermaßen kandierte. Ärgerlich hatte der Glasmacher den Eindringling entfernt und bei<br />
Seite geworfen. Fast ein halbes Jahrhundert später fiel er mir in die Hände.<br />
Leider waren alle meine Bemühungen, eine Probe der fertigen Erzeugnisse selbst, wenn auch nur in<br />
zertrümmertem Zustande aufzufinden, vergeblich. Was ich gefunden und was mir einige Tage später von<br />
der Leitung <strong>des</strong> Riesengebirgs-Museums zu Hirschberg in entgegenkommender Weise übersandt wurde,<br />
sind lediglich Stückchen von Bodenglas aus den Häfen, Heerdglas und jene kleinen, länglich birnförmigen<br />
Gebilde, die der Glasmacher von dem Posten an der Pfeife abzieht, um diesen die gewünschte Größe zu<br />
geben.<br />
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