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Glashütten des Spätmittelalters im Isergebirge - Nemo

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nur die Walen, und die alte He<strong>im</strong>at Rübezahlens. Es gibt nichts Böseres als die Wälder! Es war Winter<br />

1918, und ich kam auf den Schneeschuhen he<strong>im</strong> von Schreiberhau. Der Schnee ward mürbe, alles<br />

Wachsen half nichts mehr; am Pferdelochwege packte es mich für fünf Minuten; ich stand, — das Stehen<br />

tat so wohl, man ruht so gut aus — nach fünfzehn Kilometern Schneeschuh ruht man gerne aus. Ich<br />

dachte: nur einmal sitzen dürfen! Nur für drei Minuten! — Ich hab‘ mich aufgerissen, und ich hab‘ dann<br />

noch versucht, den kürzesten Weg quer über den Michelsbaudenplan zu nehmen. Da hinten verriet der<br />

Wald mich! Wo die Spuren liefen, kam eine Blöße — auf der Blöße hatte es geweht, die Spur war fort —<br />

ich fand sie nicht mehr wieder — ich bin zuletzt nur auf das Wolfsnest zu gefahren, und traf am hintersten<br />

letzten Hause der Iser in das Dorf. Als ich zu Hause ankam, brach ich in der Tür zusammen; an meinen<br />

Füßen war kein heiler Fetzen Haut geblieben; sie waren nur rohes Fleisch. Am andern Morgen aber<br />

wachte ich auf, da heulte ein eisiger Schneesturm schon seit Stunden übers Dorf; er hätte den Müden ohne<br />

Erbarmen meter¬hoch verweht. So ist der Wald.<br />

Und er ist dennoch gut! Wenn man die letzten gebahnten Wege hinter sich gelassen hat, und nichts ist<br />

mehr als die unendliche Weite über einem, ein Gipfelmeer vom Kemnitz- bis zum Wel¬schen Kamme, —<br />

die letzten Bäume unter der sturmumtosten Höhe ducken sich, sie Weichen zurück, der Rücken <strong>des</strong> Berges<br />

dehnt sich hoch, liegt tief <strong>im</strong> wilden Schwingel. Und dann kommt der Wind, ein sachter Wälderwind, und<br />

er streicht hin durchs Gras; die dürren Halme singen eine klippende Melodie, und nichts ist da als die<br />

unendliche süße Einsamkeit. Weit über das Land her fahren die Wolken: weiße Segelschiffe. Ihr Schatten<br />

eilt an den blauenden Wälderrücken hin. An einem Hange quillt der Rauch von einem Feuer.<br />

Wie gut es ist, dies alles einmal sehen zu dürfen! Wie gut es ist zu wissen, daß die Wälder sind und<br />

sirrender Schwingel und die weißen weiten Wege, und die Zygänen spielen um ihre Rasenborde!<br />

Fern — zwischen den Bäumen — leuchtet unten eine kleine Wiese. Ich weiß sie längst. Ich suchte sie ja<br />

seit vielen Jahren, sie scheint von hier in einem freundlichen smaragdenen Grün, und mitten auf dieser<br />

Wiese ist es wie ein Gärtchen. Ein wilder Garten —wie ihn manchmal die Gebirgler treffen, ihn einmal<br />

treffen und in ihrem Leben nicht mehr wiederfinden; verhutzelte Äpfel stehen da, die zu Weihnachten erst<br />

reifen. So sehe ich diesen Garten, drüben in den Bäumen, hundertmal. Wer aber hinabgeht, dem verwirren<br />

sich alle Wege. Er geht und geht — und kommt doch niemals zu dem Garten. Und wird von diesem<br />

Baume niemals einen Apfel pflücken.<br />

Der Wald will seine letzten Märchen ganz für sich behalten.<br />

Wie er die Menschen hält. Wer einmal seine Wasser trank, die eisigkühl und süß sind und nach<br />

Wälderrauschen schmecken, der kommt sein Leben lang aus seinem Zwange nicht los. Und er vergeht vor<br />

He<strong>im</strong>weh, wenn er ausgetrieben wurde.<br />

Und trotzdem ist er der strenge Zwingherr dieser Menschen. Er nährte sie wohl, denn er gab ihnen Arbeit:<br />

Holzfällen und Holzrücken [das ist das Abfahren <strong>des</strong> gefällten auf den großen Hörnerschlitten. Im Walde<br />

sichelten die Iserweiber auch das harte Gras, mit dem sie die Kühe sommers fütterten, denn das bissel<br />

»Wiesewachs«, das ist das auf den Planen unterm Hause gedeihende Gras, blieb für den Winter, wurde <strong>im</strong><br />

Juli und August zu Heu gemacht; erst wenn das eingebracht war, wagten die Leute auszutreiben; da<br />

läuteten die Herden, — jede Kuh trug ihre Schelle, und das »Weedooh« der Hirten füllte das dunkelgrüne<br />

Tal, — bis sie hinaus und in den hohen Schwingel treiben durften. Der Wald war nicht nur Arbeitsort und<br />

Futterstelle; er regelte auch ihre Zeit: das Frühjahr ging dann an, wenn sich zu Anfang Mai die<br />

Wälderwege öffnen wollten — er schloß sie mit Schnee und Kälte, wenn Martini kam. Der Wald ging in<br />

ihr Blut; er rüttelte sie erregend auf, wenn aus den Dickichten in der Dämmerung die Hirsche treten —Und<br />

sie waren grausam, hart und böse wie der wilde Wald. Im Harrachsdorfer Wildzaun hielten sie einen<br />

weißen Hirschen. Da sind drei von der Iser ausgegangen, ihn zu holen. Die Jäger sind aber stets auf ihrer<br />

Hut gewesen; wie die drei Wilderer kamen, schossen sie den einen an. Wie die Ertappten nun nach Hause<br />

fliehen wollten, da konnte der Schwerverwundete schließlich nicht mehr mit. Drauf spricht der eine von<br />

den beiden, die ihn schleppen, zum zweiten: »Hör, du, Gustav! Geh du ein bissel vor!« Und wie sie sich<br />

dann nach einem Weilchen wieder finden und dieser fragt: »Wo ist denn unser Kamerad?« — kriegt er zur<br />

Antwort: »Der verrät uns weiter nicht.« Da hat er den Ange¬schossenen doch schnell totgemacht und hat<br />

den Kopf beiseite —unter einen großen Wurf — begraben. Ein Wurf, das ist der Wurzelboden einer<br />

ausgebrochenen Fichte, wenn sie den mit¬n<strong>im</strong>mt und wie einen Teller in die Höhe hält. Der mir das Stück<br />

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