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AKADEMIE -REPORT - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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Neben der Erkenntnis, dass hinter der<br />

Front Himmlers Einsatzgruppen von<br />

SD, SS und der Polizei ihr mörderisches<br />

Handwerk betrieben, denen mehrere<br />

hunderttausend Zivilisten, zumeist<br />

jüdische Kinder, Frauen und Männer,<br />

zum Opfer fielen, war es die <strong>für</strong> die<br />

Militärs um Tresckow seit November<br />

1942 als unumstößlich geltende Gewissheit,<br />

dass der Krieg definitiv verloren<br />

war, die sie zur Tat drängte.<br />

Noch in der Rückschau erinnert sich<br />

Philipp von Boeselager aber sehr lebhaft<br />

an das Gefühl der Einsamkeit und<br />

der inneren Zerrissenheit, das ihn quälte.<br />

Außer mit den wenigen Mitverschwörern<br />

„konnte man mit niemandem<br />

über die Pläne sprechen“. Immer<br />

wieder fragte er sich, ob er mit seiner<br />

Entscheidung <strong>für</strong> einen Putsch richtig<br />

lag. Doch die charismatische Persönlichkeit<br />

von Tresckows, seines „väterlichen<br />

Freundes“, vermittelte ihm die<br />

Überzeugung, richtig zu handeln,<br />

zumal er bei mehreren Besuchen im<br />

Führerhauptquartier in der Wolfschanze<br />

das „niedrige Niveau jener Leute<br />

dort“ erlebt hatte. Hitlers graue Eminenz,<br />

Reichsleiter Martin Bormann,<br />

empfand er als „eine widerliche Type“.<br />

Zutiefst deprimiert, wie gleichgültig<br />

den dortigen militärischen Führern das<br />

Schicksal der Soldaten an der Front<br />

war, kehrte er an seinen Stationierungsort<br />

zurück, hinfort mehr denn je von<br />

der Dringlichkeit, Hitler zu beseitigen,<br />

überzeugt.<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 4/2004<br />

Im Frühjahr 1943 plante Henning von<br />

Tresckow mehrere Attentate. Doch alle<br />

schlugen fehl, auch das Pistolenattentat<br />

am 13. März 1943. Bei einem Frontbesuch<br />

in Smolensk sollten Hitler und<br />

Himmler beim gemeinsamen Essen im<br />

Casino durch Pistolenschüsse mehrerer<br />

Offiziere, darunter auch von Boeselager,<br />

aus dem Weg geräumt werden.<br />

Jeder der Offiziere wusste, wo er sitzen<br />

und auf wen der Beiden er zielen<br />

Philipp von Boeselager: „Es war <strong>für</strong> uns unvorstellbar, dass der Staat<br />

systematisch Unrecht beging.“ Rechts im Bild Landtagspräsident Alois<br />

Glück. Fotos: Schröder<br />

sollte. Doch Himmler sagte zuvor ab,<br />

und der wankelmütige Feldmarschall<br />

von Kluge stoppte die Aktion im letzten<br />

Augenblick, weil er einen Bürgerkrieg<br />

zwischen SS und der Wehrmacht<br />

be<strong>für</strong>chtete.<br />

Sprengstoff <strong>für</strong> mehrere<br />

Bomben<br />

Wenig später übernahm von Boeselager<br />

ein Regiment in einem neu aufgestellten<br />

Reserveverband, den sein Bruder<br />

Georg von Boeselager befehligte<br />

und den er im Auftrag von Tresckows<br />

<strong>für</strong> einen späteren Einsatz zur Absicherung<br />

des geplanten Staatsstreiches<br />

nach Berlin beordern sollte. Unter<br />

größter Geheimhaltung der wahren<br />

Absichten der Verschwörer wurden in<br />

diesem Truppenteil neue Waffen,<br />

Funkgeräte und vielerlei Sprengstoffe<br />

einschließlich moderner Zünder getestet.<br />

So konnte der junge Offizier unbemerkt<br />

britischen Sprengstoff bei-<br />

seite schaffen, den er im Auftrag von<br />

Tresckows dessen Vertrauten im Oberkommando<br />

des Heeres, General Stieff,<br />

überbrachte. In seinem Privatkoffer<br />

transportierte von Boeselager Sprengstoff<br />

und Zünder <strong>für</strong> zehn Bomben;<br />

mehrere Monate blieb der Koffer in<br />

Verwahrung eines engen Mitarbeiters<br />

von General Stieff, Hans von Herwarth<br />

– er wurde später Botschafter der Bundesrepublik<br />

– bis jener kurz vor dem<br />

20. Juli Claus von Stauffenberg den<br />

Sprengstoff <strong>für</strong> zwei Bomben aushändigte.<br />

Mitte Juli 1944 erfuhr von Boeselager,<br />

dass das Attentat auf Hitler im<br />

Führerhauptquartier Wolfschanze verübt<br />

werden sollte. Von seinem Bruder<br />

Georg erhielt er den Befehl, sich mit<br />

1200 Mann seines Reiterregiments zu<br />

einem Sammelpunkt nach Brest-Litowsk<br />

aufzumachen, um von dort nach<br />

Berlin zur Absicherung des Umsturzes<br />

zu fliegen. „Wir sollten im Reichssicherheitshauptamt<br />

Himmler festnehmen<br />

und in der Wilhelmstraße Goebbels<br />

und seinen Pressechef.“ Am späten<br />

Nachmittag des 20. Juli traf jedoch<br />

bei ihm eine Code-Nachricht ein –<br />

„Alles in die alten Löcher“ –, die verklausulierte<br />

Mitteilung über den gescheiterten<br />

Aufstand in Berlin und dem<br />

Befehl zur Front zurückzukehren. Ein<br />

Tag später nahm sich Henning von Tresckow<br />

an der Front mit einer Granate<br />

das Leben.<br />

Patriotische Pflicht<br />

Monatelang zutiefst verstört und deprimiert<br />

versah Philipp von Boeselager<br />

seinen Dienst an der Front, bis er<br />

zum Oberkommando des Heeres versetzt<br />

wurde; sein Bruder fiel kurze Zeit<br />

später. Keiner der von der Gestapo<br />

verhafteten Mitverschwörer hatte die<br />

beiden Brüder verraten. Seinen Widerstand<br />

gegen Hitler hatte er als patriotische<br />

Pflicht verstanden. Sein Fazit:<br />

„Die Männer des 20. Juli wollten<br />

Deutschland retten, nicht den Krieg<br />

gewinnen.“ �<br />

Jürgen Weber<br />

(Siehe Presseschau Seite 30)<br />

Mein Weg zum 20. Juli<br />

Die Einsamkeit des Widerstands<br />

Baron Philipp Freiherr von Boeselager<br />

Kostenlose Broschüre erhältlich<br />

beim Bayerischen Landtag und<br />

bei der <strong>Akademie</strong><br />

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