Das Konzern-Nachrichtenmagazin - Asklepios
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Management<br />
»Lauter und redlich werde ich<br />
bewahren meine Kunst!«<br />
Der Chefarzt der Urologie an der Klinik Barmbek über den Eid des Hippokrates<br />
sehr regelmäßig werden Ärzte an den<br />
eid des hippokrates erinnert, und ihr tun<br />
wird daran gemessen. Mit dem eid wird<br />
der anspruch an ein hohes ethos und<br />
selbstloses handeln verbunden. Keine andere<br />
weltliche Berufsgruppe wird in diesem<br />
Maße in die Pflicht genommen. in<br />
einer zeit schneller technischer und wissenschaftlicher<br />
fortschritte steht die Medizin<br />
in der tat vor erheblichen ethischen<br />
Konflikten.<br />
Es scheint gerechtfertigt, den Eid<br />
nicht nur historisch zu sehen, sondern<br />
prospektiv als ethisches Leitbild.<br />
Der Hamburger Medizinhistoriker<br />
Charles Lichtenthaeler sieht ihn gemeinsam<br />
mit dem Dekalog und der Bergpredigt<br />
ASKLEPIOS intern 32/2007<br />
als eines der höchsten Zeugnisse abendländischer<br />
Ethik – Grund genug, den Eid des<br />
Hippokrates vertiefend zu betrachten.<br />
Es ist nicht mit Sicherheit geklärt, ob<br />
der Eid von Hippokrates selbst stammt. In<br />
wissenschaftlichen Arbeiten wird kontrovers<br />
diskutiert, ob er aus seiner Feder hervorgeht,<br />
oder ob er ihm nur zugeschrieben<br />
werden kann (Eid des Hippokrates versus<br />
hippokratischer Eid). Dazu müssen die nur<br />
vage bekannten Lebensdaten von Hippokrates<br />
selbst in Zusammenhang mit stilistischen<br />
und inhaltlichen Merkmalen<br />
gesetzt werden. Erkenntnisse von Lichtenthaeler<br />
lassen zu, die Datierung des<br />
Eides, die zwischen dem sechsten Jahrhundert<br />
vor und dem ersten Jahrhundert<br />
nach Christus liegen soll, auf die Zeit zwi-<br />
schen 420 und 400 v. Chr. einzugrenzen<br />
und folglich mit der Lebenszeit von Hippokrates<br />
(geboren ca. 460 v. Chr.) in Einklang<br />
zu bringen.<br />
Es handelt sich um einen sogenannten<br />
promissorischen Eid, bei dem man sich auf<br />
etwas verpflichtet, was man in Zukunft zu<br />
tun oder zu lassen gedenkt. Im Gegensatz<br />
zu einem assertorischen Eid, der sich auf<br />
das Gewesene bezieht. Unklar ist, wann<br />
der Eid geschworen wurde, vor oder nach<br />
der Ausbildungszeit. Es gibt viele Argumente<br />
dafür, dass der Eid vor der Ausbildung<br />
geschworen wurde, um den Schüler<br />
auf Werkstattgeheimnisse zu verpflichten.<br />
Der Schwur nach der Ausbildung ist erst<br />
als Ausdruck universitärer Riten nach dem<br />
Mittelalter aufgekommen. In Deutschland<br />
jedenfalls wird von keinem Arzt geschworen<br />
– im Gegensatz zu anderen Ländern.<br />
Die meisten Ärzte in Deutschland haben<br />
den Eid noch nicht einmal gelesen.<br />
Der Text ist ein Meisterstück georgianischer<br />
Kunstprosa. Gliederung, rhetorische<br />
Figuren und Einzelbeispiele sind<br />
literaturhistorische Höhepunkte. Kompositorisch<br />
geschickt ist die zentrale Aussage<br />
als fünfter der neun Paragraphen in den<br />
Mittelpunkt des Eides gestellt:<br />
»Lauter und redlich werde ich bewahren<br />
meine Kunst!«<br />
Die acht anderen Paragraphen, die diese<br />
zentrale Aussage umranken, beschäftigen<br />
sich umfassend mit allen Aspekten der<br />
ärztlichen Tätigkeit und haben dialektisch<br />
gesehen auch heute noch Bestand. Es geht<br />
um Umgangsformen, Vertragsregelungen,<br />
Diätetik und Pharmakologie, Chirurgie,<br />
Geburtenregelung und Sterben, Schweigepflicht,<br />
Umgang mit Untergebenen, Gefahren,<br />
die vom Arzt selbst ausgehen und<br />
den Wunsch nach einem guten Ruf.<br />
Der Eid mag dem Buchstaben nach<br />
veraltet sein. Inhaltlich ist er brandaktuell,<br />
und alle nachfolgenden Eidesformeln,<br />
wie beispielsweise das Genfer Arztgelöbnis<br />
von 1948, das vom Weltärztebund verabschiedet<br />
wurde, wirken im Vergleich wie<br />
ein verflachtes Plagiat.<br />
Prof. Dr. Andreas Gross