Finanzmathematik 1: Diskrete Modelle - Reinhold Kainhofer
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KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 15<br />
Bemerkung 1.14. In einem vollständigen Markt ist also jeder CC X bepreisbar mit einem eindeutigen<br />
RNM, und jeder CC X ist durch eine HS H erreichbar, deren Wert zu t = 0 genau dem Preis des<br />
CC entspricht. In einem unvollständigen Markt gibt es jedoch mehrere RNM, die aufgrund des letzten<br />
Lemmas für die nicht erreichbare CCs X auch unterschiedliche Preise liefern! Wenn also keine replizierende<br />
Handelsstrategie mehr existiert, ist auch der Preis nicht mehr eindeutig. Alle Preise, die als EQ[ X] für<br />
ein Q ∈ M bestimmt wurden, sind jedoch faire Preise in dem Sinn, dass dann Arbitrage ausgeschlossen<br />
ist, wenn konsistent dasselbe Maß Q benutzt wird.<br />
1.5.1 Unvollständige Märkte<br />
In einem unvollständigen Markt existieren also i.A. keine eindeutigen Preise mehr. Allerdings können wir<br />
Schranken für faire Preise auf zwei verschiedene Arten angeben:<br />
1. Auch wenn wir einen CC nicht exakt erzeugen können, können wir Handelsstrategien betrachten,<br />
die in jedem Marktzustand mehr oder gleichviel ( ” Superhedging“) bzw. immer weniger oder gleich<br />
viel ( ” Subhedging“) wert sind. Der eindeutige Preis jeder dieser Handelsstrategien ist eine obere<br />
(untere) Schranke für den Preis des CC, da es ansonsten Arbitragemöglichkeiten gibt.<br />
2. Die Menge aller EQ[ X] für Q ∈ M ist die Menge aller fairen Preise (in dem Sinn, dass keine Arbitrage<br />
möglich ist).<br />
Aus dem ersten Zugang ergibt sich folgende Definition<br />
Definition 1.17 (Schranken für den faire Preise in unvollständigen Märkten).<br />
<br />
Obere Schranke für Preis: V+(X) = inf EQ[ <br />
Y ] : Y ≥ X, Y erreichbar<br />
<br />
Untere Schranke für Preis: V+(X) = inf EQ[ <br />
Y ] : Y ≥ X, Y erreichbar<br />
Die Schranken für die fairen Preise von nicht erreichbaren Claims werden also durch Vergleich mit allen<br />
erreichbaren Claims bestimmt. Wie folgendes Lemma zeigt, liefert dieser Zugang tatsächlich scharfe<br />
Schranken für die Preise und führt zu denselben Schranken wie der zweite Zugang über EQ[ X]:<br />
Lemma 1.15 (o.B.). Ist M = ∅, so gilt für jeden Contingent Claim X:<br />
<br />
V+(X) = sup EQ[ <br />
X] : Q ∈ M<br />
<br />
V−(X) = inf EQ[ <br />
X] : Q ∈ M<br />
Ein erreichbarer Claim Y ≥ X, der nie weniger liefert, hat also jedenfalls keinen geringeren Preis als er<br />
durch das risikoneutrale Bewertungsprinzip für den nicht erreichbaren Claim X bestimmt ist.<br />
Beispiel 1.18 (Fs. Beispiel 1.2). Die Menge der RNM war M = (λ, 2 − 3λ, −1 + 2λ)|λ ∈ <br />
1 2<br />
2 , 3 . Der<br />
Claim X = (30, 20, 10) ist nicht erreichbar, da X1 − 3X2 + 2X3 = −1 = 0 gilt.<br />
Aus dem risikoneutralen Bewertungsprinzip ergeben sich Preise EQ[ X] = λ 9<br />
9<br />
10 ·30+(2−3λ) 10 ·20+(−1+<br />
2λ) 9<br />
10 · 10 = −9λ + 27. Insbesondere ergibt sich wegen λ ∈ <br />
1 2<br />
2 , 3 für die fairen Preise p ein Intervall von<br />
p ∈ ]21, 22.5[. Obiges Lemma sagt nun, dass<br />
V−(X) = inf EQ[<br />
λ X] = 21 V+(X) = sup EQ[ X] = 22.5<br />
Diese beiden Schranken werden tatsächlich von erreichbaren Sub- und Superhedging-Strategien angenommen:<br />
• Y = (30, 50<br />
3 , 10) erfüllt Y ≥ X und hat einen Wert von V (Y ) = 21 = V−(X).<br />
• Y = (30, 20, 15) erfüllt Y ≤ X und hat einen Wert von V (Y ) = 22.5 = V+(X).<br />
λ