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Finanzmathematik 1: Diskrete Modelle - Reinhold Kainhofer

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Einführung in die<br />

<strong>Finanzmathematik</strong>: <strong>Diskrete</strong> <strong>Modelle</strong><br />

Skriptum zur Vorlesung (Teile <strong>Kainhofer</strong>)<br />

<strong>Reinhold</strong> <strong>Kainhofer</strong><br />

FAM, TU Wien<br />

Mai 2007


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Das Ein-Perioden-Modell 1<br />

1.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />

1.2 Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.2.1 dominierende Handelsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.2.2 Lineare Preismaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

1.2.3 Gesetz des eindeutigen Preises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

1.2.4 Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

1.3 Risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß (Martingalmaß) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

1.4 Bewertung von Contingent Claims . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

1.4.1 Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

1.5 Vollständige Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

1.5.1 Unvollständige Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

1.6 Risiko und Ertrag (Return) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

1.7 Optimale Portfolios, Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

1.7.1 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

2 Wh. Wahrscheinlichkeitstheorie 21<br />

3 Mehr-Perioden-Modell in diskreter Zeit 22<br />

4 Wh. Martingaltheorie 23<br />

5 Capital Asset Pricing Model (CAPM) 24<br />

6 Das Binomialmodell 25<br />

6.1 Beschreibung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

6.1.1 Das Cox-Ross-Rubinstein (CRR) Modell als Spezialfall . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

6.2 Arbitrage-Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

6.3 Bepreisung im Binomialmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

6.4 Europäische Call-Option im Binomialmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

6.5 Verteilung des Maximums im Binomialmodell (Reflection Principle) . . . . . . . . . . . . 30<br />

6.5.1 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

7 Markov <strong>Modelle</strong> 33<br />

7.1 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

8 Grenzübergang im Binomialmodell: Das Black-Scholes Modell 37<br />

8.1 Schwache Konvergenz, zentraler Grenzwertsatz in schwacher Formulierung . . . . . . . . . 37<br />

8.2 Reskalierung des Binomialmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

8.3 Die Black-Scholes-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

8.3.1 Ableitung der Black-Scholes-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

9 Amerikanische Optionen im diskreten Modell 42<br />

9.1 Die Snell-Envelope (Snell’sche Einhüllende) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

9.2 Zerlegung von Supermartingalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

9.3 Anwendung auf Amerikanische Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

9.4 Zusammenhang der Preise von Amerikanischen und Europäischen Optionen . . . . . . . . 46<br />

i


INHALTSVERZEICHNIS ii<br />

9.4.1 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

10 Optimale Portfolios und Martingalmethoden 47<br />

10.1 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

Stichworte zum Inhalt der Lehrveranstaltung 50<br />

Anhang 52


Kapitel 1<br />

Das Ein-Perioden-Modell<br />

1.1 Definitionen<br />

(Dieses Kapitel hält sich zu einem großen Teil an Kapitel 1 des Buches [Pli97])<br />

Das Ein-Perioden-Modell ist ein simples Modell, das aber trotzdem die meisten Begriffe, Effekte und<br />

grundlegenden Gedanken der <strong>Finanzmathematik</strong> gut darstellen lässt.<br />

Definition 1.1. Das Ein-Perioden-Modell besteht aus<br />

1. Start- und Endzeitpunkt t0 und t1, üblicherweise t0 = 0 und t1 = 1. Handel ist nur zu t0 und<br />

t1 möglich<br />

2. Endlicher Ereignisraum Ω, |Ω| = k < ∞<br />

Ω = {ω1, . . . , ωk}<br />

ω ∈ Ω beschreibt den allgemeinen Marktzustand zu t1<br />

3. Wahrscheinlichkeitsmaß P mit P(ωi) > 0∀ωi ∈ Ω<br />

4. Bankkonto-Prozess B = (Bt) t=0,1 , B0 = 1, B1 ist Zufallsvariable ( risikolose Anlage“), B1 > 0<br />

”<br />

<br />

5. Preisprozess S = (St) t=0,1 mit St = S (1)<br />

t , . . . , S (N)<br />

<br />

t , N < ∞. Es existieren N risikobehaftete<br />

t 00<br />

Anlagen ( ” Assets“), S (n)<br />

t<br />

S (n)<br />

0<br />

bekannt, die Preise S (n)<br />

1<br />

t<br />

Preisentwicklung Bankkonto 11<br />

B11r B 01<br />

ist der Preis der n-ten Anlage zur Zeit t. Zu t = 0 sind die Preise<br />

Immer positiv<br />

jedoch nicht-negative Zufallsvariablen (S (n)<br />

1 (ω))<br />

r<br />

1<br />

0<br />

t 00<br />

n<br />

S0 Preisentwicklung Asset n<br />

Ω 1<br />

Ω 2<br />

Ω 3<br />

Ω 4<br />

PΩ 1<br />

PΩ 2<br />

PΩ 3<br />

PΩ 4<br />

Abbildung 1.1: Entwicklung des Bankkontos und eines Assets n im Einperiodenmodell.<br />

1<br />

t11 n<br />

S1 Ω1<br />

n<br />

S1 Ω2<br />

n<br />

S1 Ω2<br />

n<br />

S1 Ω3<br />

n<br />

S1 Ω4


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 2<br />

Bemerkung 1.1. Bt ist meist fest-verzinst gewählt, typischerweise positiv: r = B1 − B0 = B1 − 1.<br />

Definition 1.2 (Handelsstrategie). Eine Handelsstrategie H = (H0, . . . , HN) beschreibt ein Portfolio,<br />

das von t0 bis t1 gehalten wird. H ist durch die zu t = 0 bekannten Daten bestimmt (d.h. auch<br />

zu t = 0 ist H keine Zufallsvariable ). H0 ist der Investitionsbetrag ins risikolose Asset, Hn die<br />

Anzahl der Anteile an Wertpapier n (zum Preis S (n)<br />

t ).<br />

Bemerkung 1.2. Alle Hi können positiv oder negativ sein 1<br />

Definition 1.3 (Wertprozess). Der Wertprozess V = (Vt) t=0,1 beschreibt den Wert des Portfolios<br />

H zu jedem Zeitpunkt:<br />

N<br />

Vt = H0Bt +<br />

n=1<br />

HnS (n)<br />

t , t = 0, 1<br />

Definition 1.4 (Gewinnprozess). Der Gewinnprozess G beschreibt die Wertänderung des Portfolios<br />

H für jeden Zeitschritt (d.h. im Ein-Perioden-Modell von t0 bis t1):<br />

G = H0 · r +<br />

N<br />

n=1<br />

Hn<br />

<br />

S (n)<br />

t1<br />

− S(n)<br />

t0<br />

<br />

<br />

Bemerkung 1.3. Es gilt V1 = V0 + G, d.h. Wertänderungen geschehen nur durch Änderung der Kurse der<br />

Wertpapiere, nicht durch Kapital von außen.<br />

Preisänderungen werden oft nur relativ zum Bankkonto betrachtet ( ” Um wie viel ist das Wertpapier<br />

besser als das Bankkonto?“), d.h. man kann auch den Wert des Bankkontos als Geldeinheit benutzen.<br />

Dies führt zu den diskontierten Prozessen:<br />

Definition 1.5 (diskontierte Prozesse).<br />

• diskontierter Preisprozess <br />

S = St<br />

S (n)<br />

t<br />

• diskontierter Wertprozess <br />

V = Vt<br />

• diskontierter Gewinnprozess G =<br />

Damit gilt auch V1 = V0 + G.<br />

t=0,1<br />

mit<br />

∆Sn<br />

= S (n)<br />

t /Bt, n = 1, . . . , N, t = 0, 1<br />

t=0,1<br />

mit<br />

Vt = Vt/Bt = H0 +<br />

Gt = Gt/Bt =<br />

N<br />

n=1<br />

<br />

Gt mit<br />

t=0,1<br />

N<br />

n=1<br />

Hn<br />

Hn S (n)<br />

t , t = 0, 1<br />

<br />

S (n)<br />

t1 − S (n)<br />

<br />

t0 , t = 0, 1<br />

1 Das bedeutet, dass Short-selling bzw. Schulden bei der Bank zulässig sind. Short-selling ist der Verkauf von Wertpapieren,<br />

die man noch gar nicht hat. Vergleichbar ist dies mit der Aufnahme eines Kredits bei der Bank.


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 3<br />

Beispiel 1.1. k = 2 Marktzustände, N = 1 risikobehaftetes Asset, Zins r = 1<br />

9 . Die Kursentwicklung<br />

verhält sich:<br />

B0 = 1 B1(ω) = 1 + 1 10<br />

=<br />

9 9<br />

S0 = 5 S1(ω1) = 20<br />

3<br />

S0 = 5<br />

S1(ω1) = 20<br />

3 /10<br />

= 6<br />

9<br />

S1(ω2) = 40<br />

9<br />

S1(ω2) = 40<br />

9 /10 = 4<br />

9<br />

Damit ergeben sich für eine Handelsstrategie H = (H0, H1) die Werte zu t0 = 0 und t1 = 1 sowie der<br />

Gewinn als<br />

V0 = V0 = 1 · H0 + 5H1<br />

V1(ω) = 10<br />

9 H0 + H1S1(ω)<br />

G(ω) = 1<br />

9 H1 + (S1(ω) − S0)H1<br />

Dies definiert uns also für jeden Marktzustand ω ∈ Ω eine Gleichung.<br />

V1 = H0 + H1 S1(ω)<br />

G(ω) = H1( S1(ω) − S0)<br />

Bemerkung 1.4. ω sind die möglichen Marktzustände zu t = 1. Deren tatsächliche Wahrscheinlichkeiten<br />

sind nicht näher gegeben (werden aber – wie wir später sehen werden – auch gar nicht zur Preisfestlegung<br />

eines Derivats benötigt)!<br />

Bemerkung 1.5. Unser erstes Ziel ist nun, für eine gegebene Verpflichtung V1(ωi) (z.B. ein abgeschlossener<br />

Vertrag oder ein sonstiges Derivat, das abhängig vom Marktzustand Leistungen bietet) eine Handelsstrategie<br />

H = (H0, H1, . . . , HN) zu finden, die zum Zeitpunkt t = 1 in jedem Marktzustand ωi genau den<br />

Wert V1(ωi) hat. Wenn wir nun zu t = 0 den Betrag V0 in dieses Portfolio investieren, können wir exakt<br />

die nötigen Zahlungen tätigen. Insofern ist also V0 ein fairer Preis bzw. der momentane Wert von V zum<br />

Zeitpunkt t = 0.<br />

Bemerkung 1.6. Wenn man obiges Beispiel betrachtet, sieht man, dass wir für die Bestimmung von H0<br />

und H1 für die beiden Assets aus den V1 genau zwei mögliche Zustände haben, wobei jeder Zustand ωi<br />

eine Gleichung definiert. Insbesondere haben wir zwei Gleichungen für zwei Variablen und können i.A.<br />

ein eindeutiges derartiges Portfolio bestimmen:<br />

V1(ω1) = H0 + H1S (1)<br />

1 (ω1)<br />

V1(ω2) = H0 + H1S (1)<br />

1 (ω2)<br />

Die Lösung kann daher als eine Linearkombination der Portfoliowerte zu t = 1 dargestellt werden kann:<br />

H0 =<br />

H1 =<br />

1<br />

S (1)<br />

1 (ω1) − S (1)<br />

1 (ω2)<br />

V1(ω1)<br />

(−1)<br />

+<br />

S<br />

<br />

(1)<br />

1 (ω1) − S (1)<br />

1 (ω2)<br />

V1(ω2)<br />

<br />

a0,1<br />

1<br />

S (1)<br />

1 (ω2)<br />

<br />

1<br />

1 −<br />

S (1)<br />

1 (ω1) − S (1)<br />

1 (ω2)<br />

<br />

<br />

V1(ω1)<br />

<br />

(−1)<br />

+<br />

(S (1)<br />

1 (ω1) − S (1) (1)<br />

1 (ω2))S 1 (ω1)<br />

V1(ω2)<br />

<br />

a1,1<br />

Damit berechnet sich der momentane Wert dieses Portfolios, das genau V1 generiert, durch:<br />

V0 = H0 + H1S (1)<br />

0 = a0,1 V1(ω1) + a0,1 V1(ω2) + S (1)<br />

0 a1,1 V1(ω1) + S (1)<br />

0 a1,2 V1(ω2)<br />

<br />

= a0,1 + S (1)<br />

0 a1,1<br />

<br />

V1(ω1) + a1,1 + S<br />

<br />

(1)<br />

0 a1,2<br />

<br />

V1(ω2) = EQ[<br />

<br />

V ]<br />

=:q1<br />

Naïv würde man erwarten, dass der faire Preis einfach E[ V ] beträgt, wobei die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten<br />

für die Marktzustände ωi benutzt werden. Obige Gleichung zeigt allerdings, dass der<br />

a1,2<br />

=:q2<br />

a0,2


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 4<br />

momentane Preis zwar auch als Erwartungswert der diskontierten Preise zu t = 1 bestimmt werden<br />

kann, allerdings bezüglich einer anderen Wahrscheinlichkeitsverteilung, die lediglich von den Kursen der<br />

am Markt verfügbaren Assets S (n)<br />

t für t = 0, 1 abhängen, nicht aber von den Wahrscheinlichkeiten der<br />

Marktzustände!<br />

Die grundlegende Idee der <strong>Finanzmathematik</strong> ist jene, dass ein gegebener Claim durch geeignete Kombinationen<br />

von vorhandenen Assets dargestellt werden kann – die replizierende Handelsstrategie – und<br />

dadurch der Preis bereits bestimmt ist. Damit ist in jedem Fall genau das nötige Kapital zu t = 1<br />

vorhanden und es besteht kein Risiko, unabhängig davon, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein<br />

Marktzustand angenommen wird. Daher wird dieses durch den Markt (und durch die Annahme, dass<br />

keine risikolosen Gewinne möglich sein sollen) bestimmte Wahrscheinlichkeitsmaß auch risikoneutrales<br />

”<br />

Maß‘ genannt. Mehr dazu jedoch später.<br />

Beispiel 1.2. Betrachte nun den Markt aus Beispiel 1.1 mit k = 3 Zuständen, wobei im zusätzlichen<br />

Zustand der Preisverlauf S1(ω3) = 30/9 und S1(ω3) = 3 lautet. Alle Definitionen und Gleichungen sind<br />

gleich wir oben, lediglich eine neue dritte Gleichung für ω3 kommt hinzu:<br />

ω3 : V1(ω3) = 10<br />

9 H0 + 30<br />

9 H1<br />

G(ω3) = 1<br />

9 H0 − 5<br />

3 H1<br />

V1(ω3) = H0 + 3H1<br />

G(ω3) = H0 − 2H1<br />

Damit haben wir 3 Gleichungen (von ω1, ω2, ω3) für 2 Variablen (H0, H1) bei vorgegebenem G oder G.<br />

Übungsbeispiel 1.1. N = 2 risikobehaftete Assets, k = 3 Zustände. Stelle Gleichungen für V , V , G und<br />

G auf!<br />

1.2 Arbitrage<br />

Idee. Der Markt soll keine Gelegenheit für einen risikolosen Gewinn bieten.<br />

1.2.1 dominierende Handelsstrategien<br />

Definition 1.6. Eine Handelsstrategie H ist dominierend, wenn es eine Handelsstrategie ¯ H gibt mit<br />

V0 = ¯ V0, aber V1(ω) > ¯ V1(ω)∀ω ∈ Ω.<br />

Lemma 1.1. Eine dominierende Handelsstrategie existiert dann und nur dann, wenn eine Handelsstrategie<br />

H existiert mit V0 = 0 und V1(ω) > 0∀ω ∈ Ω.<br />

Beweis. =⇒ Sei H dominierend. Die Handelsstrategie H = H − ¯ H erfüllt V0 = 0 und V1(ω) > 0∀ω ∈ Ω.<br />

⇐= Die HS H dominiert die HS ¯ H = (0, 0) für alle ω ∈ Ω.<br />

Lemma 1.2. Eine dominierende Handelsstrategie existiert dann und nur dann, wenn eine Handelsstrategie<br />

existiert mit V0 < 0 und V1(ω) ≥ 0∀ω ∈ Ω.<br />

Beweisskizze. Betrachte die Handelsstrategie H, die das vorige Lemma erfüllt. Konstruiere eine neue<br />

Handelsstrategie ¯ Hn = Hn, n = 1, . . . , N und ¯ H0 = − N − δ mit δ = minω G(ω) > 0. Diese<br />

(n)<br />

n=1 HnS 0<br />

erfüllt die Behauptung des Lemmas. Für die andere Richtung verschiebt man H0 um V0 und hat damit<br />

die dominierende Handelsstrategie.


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 5<br />

Interpretation. Zwei Investitionen (Portfolios) haben denselben Anfangspreis V0, die eine hat aber in<br />

jedem Fall einen höheren Endwert. Damit könnte man einen Anteil des niedrigeren Portfolios verkaufen<br />

und das Kapital in das bessere Portfolio investieren. In jedem Fall bleibt ein risikoloser Gewinn übrig.<br />

1.2.2 Lineare Preismaße<br />

Definition 1.7 (lineares Preismaß). Ein lineares Preismaß ist ein nicht-negativer Vektor π =<br />

(π(ω1), π(ω2), . . . , π(ωN)) mit<br />

V0 = Eπ[ V1] = <br />

π(ω) V1(ω) = <br />

ω∈Ω<br />

ω∈Ω<br />

π(ω) V1(ω)<br />

B1(ω) ∀Handelsstrategien<br />

Korollar 1.3. Wenn ein lineares Preismaß existiert, gibt es keine dominierende Handelsstrategie.<br />

Beweis. Angenommen, es existiert eine dominierende Handelsstrategie H, d.h. V0 = ¯ V0 und V1(ω) ><br />

¯V1(ω)∀ω ∈ Ω, woraus V 1(ω) > ¯ V 1(ω) folgt. Damit erhalten wir den Widerspruch<br />

V 0 = <br />

π(ω) V 1(ω) > <br />

π(ω) V 1(ω) = V 0 = ¯ V 0 .<br />

ω<br />

ω<br />

Die strikte Ungleichung im Beweis gilt allerdings nur, da wir an eine dominierende Handelsstrategie die<br />

relativ starke Forderung gestellt haben, dass sie in jedem Marktzustand strikt mehr als die dominierte<br />

Handelsstrategie liefert. Der Fall, dass π = (0, 0, . . . , 0) gilt, ist trivial, da dann nach Definition immer<br />

V0 = 0 gelten würde und zum anderen gar nicht möglich, wenn man z.B. die Handelsstrategie H = (H0 ><br />

0, 0, . . . , 0) betrachtet, die nur in das risikolose Asset investiert.<br />

Bemerkung 1.7. π ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß.<br />

Beweis. Dies ist einfach zu sehen, indem man ein Portfolio H = (1, 0, . . . , 0) mit H0 = 0 betrachtet,<br />

welches zu t0 den Wert V0 = 1 und unabhängig vom Marktzustand zu t = 1 immer den Wert V1(ω) = 1<br />

hat. Damit folgt<br />

1 = V0 = <br />

π(ω) · 1 = <br />

π(ω)<br />

Zusammen mit der Nicht-Negativität folgt die Behauptung.<br />

ω<br />

Lemma 1.4. Ein Vektor π ist ein lineares Preismaß dann und nur dann, wenn π ein Wahrschein-<br />

lichkeitsmaß auf Ω ist mit S (n)<br />

0<br />

= Eπ[ S (n)<br />

1 ] = <br />

ω π(ω) S (n)<br />

1 (ω) für n = 1, . . . , N.<br />

Es genügt also, dass (1.7) nur für alle N Assets erfüllt ist, um zu garantieren, dass die Gleichung für jedes<br />

beliebige Portfolio erfüllt ist. Dies ist relativ klar, da ein beliebiges Portfolio als Vektor betrachtet ja nur<br />

eine Linearkombination der Portfolios (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0) ist, die jeweils nur das i-te Asset beschreiben.<br />

Interpretation (Definition des linearen Preismaßes). Der Wert V0 zum Zeitpunkt t = 0 entspricht genau<br />

dem Erwartungswert des Preises zu t = 1 unter dem Wahrscheinlichkeitsmaß π. Das heißt, wir benutzen<br />

nicht die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten, sondern andere, die risikolosen Gewinn ausschließen.<br />

1.2.3 Gesetz des eindeutigen Preises<br />

ω


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 6<br />

Definition 1.8. Das Gesetz des eindeutigen Preises gilt, wenn es keine zwei Handelsstrategien H<br />

und ¯ H gibt, sodass V1(ω) = ¯ V1(ω)∀ω ∈ Ω gilt, aber V0 = ¯ V0.<br />

Anschaulich bedeutet dies, dass zwei Anlagen / Portfolios, die zu t = 1 in jedem Zustand dasselbe<br />

auszahlen, auch gleich viel Wert sein sollen zum Zeitpunkt t = 0.<br />

Bemerkung 1.8. Wenn es keine zwei verschiedenen Handelsstrategien gibt, die dieselben Auszahlungen<br />

leisten (etwa weil die durch V1(ωi) bestimmte Handelsstrategie immer eindeutig ist wie im Beispiel 1.1),<br />

ist das Gesetz des eindeutigen Preises trivialerweise automatisch erfüllt!<br />

Lemma 1.5. Wenn keine dominierenden Handelsstrategien existieren, gilt das Gesetz des eindeutigen<br />

Preises. Die Umkehrung gilt i.A. nicht.<br />

Beispiel 1.3 (Gesetz des eindeutigen Preises nicht erfüllt). Betrachte einen Markt mit k = 2 Zuständen<br />

und N = 1 risikobehaftetem Asset, sowie r = 1. Es sei<br />

S0 = 10 S1(ω1) = S1(ω1) = 12<br />

In diesem Fall ist S1 und damit auch V1(ω) = 2H0 + 12H1 konstant auf Ω, also quasi risikolos.<br />

⇒ beliebig viele HS (H0, H1), um V1 = λ (λ fix gewählt) zu erzeugen, jede hat unterschieden Preis V0.<br />

⇒ kein eindeutiger Preis<br />

Beispiel 1.4 (Gesetz des eindeutigen Preises, aber dominierende Handelsstrategie existiert).<br />

Betrachte einen Markt mit k = 2 Zuständen und N = 1 risikobehaftetem Asset, sowie r = 1. Es sei<br />

Das GS für die HS H lautet<br />

S0 = 10 S1(ω1) = 12 S1(ω1) = 8<br />

V1(ω1) = 2H0+12H1<br />

V1(ω2) = 2H0+ 8H1<br />

und besitzt eine eindeutige Lösung für jedes X = (V1(ω1), V1(ω2)). Damit ist die Handelsstrategie H<br />

eindeutig und auch der Preis V0 eindeutig.<br />

Betrachte nun allerdings die Handelsstrategie H = (10, −1), also 10 Geldeinheiten am Bankkonto, ein<br />

Asset short:<br />

V0 = 10 · 1 − 1 · 10 = 0<br />

V1(ω1) = 2 · 10 − 12 · 1 = 8<br />

V1(ω2) = 2 · 10 − 8 · 1 = 12<br />

Damit gilt für die HS H = (10, −1), dass V0 = 0, aber V1(ω) > 0∀ω. Damit dominiert H die Handelsstrategie<br />

(0, 0) und der Markt lässt dominierende Handelsstrategien zu.<br />

1.2.4 Arbitrage<br />

Definition 1.9. Eine Arbitrage-Möglichkeit ist eine Handelsstrategie H mit<br />

• V0 = 0<br />

• V1(ω) ≥ 0∀ω ∈ Ω<br />

• ∃ω ∈ Ω : V1(ω) > 0 (oder alternativ E[V1] > 0, da π(ω) > 0∀ω ∈ Ω)


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 7<br />

Definition 1.10 (Alternative Definition von Arbitrage). Eine Arbitrage-Möglichkeit ist eine<br />

Handelsstrategie H, sodass eine weitere Handelsstrategie H existiert mit<br />

• V0 = V0<br />

• V1(ω) ≥ V1(ω)∀ω ∈ Ω<br />

• ∃ω ∈ Ω : V1(ω) > V1(ω) (oder alternativ E[V1] > E[ V1], da π(ω) > 0∀ω ∈ Ω)<br />

Bemerkung 1.9. Die Existenz von Arbitrage ist nach beiden Definitionen äquivalent, da Definition 1.9<br />

nur der Spezialfall H = 0 von Definition 1.10 ist, und andererseits die HS H − H die Bedingungen von<br />

Definition 1.9 erfüllt. Wenn es also eine Arbitrage-Möglichkeit im Sinn von Definition 1.9 gibt, dann auch<br />

im Sinn von Definition 1.10 und umgekehrt.<br />

Interpretation. Arbitrage bedeutet einen risikolosen Gewinn. Insbesondere besteht ohne Kapitel (V0 = 0)<br />

eine Chance auf einen Gewinn in zumindest einem möglichen Marktzustand, aber es ist kein Verlust<br />

möglich. In eine derartige Investitionsmöglichkeit würden alle am Markt (beliebig viel, da kein Kapital<br />

nötig ist) investieren. Daher ist die Nicht-Existenz der Möglichkeit eines risikolosen Gewinnes das<br />

Grundprinzip der <strong>Finanzmathematik</strong>. Außerdem würde aufgrund der starken Nachfrage nach den Marktprinzipien<br />

der Preis steigen und die Arbitrage doch wieder verschwinden.<br />

Lemma 1.6. Wenn es eine dominierende Handelsstrategie gibt, existiert eine Arbitrage-Möglichkeit.<br />

Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.<br />

Beweis. Die Handelsstrategie ¯ H dominiere H. Dann erfüllt H = ¯ H − H alle Bedingungen für eine<br />

Arbitrage-Möglichkeit.<br />

Beispiel 1.5 (Arbitrage, aber keine dominierende Handelsstrategie). k = 2 Zustände, N = 1 risikobehaftetes<br />

Asset, r = 0, S0 = 10, S1(ω1) = 12, S1(ω2) = 10.<br />

• H = (−10, 1) ist eine Arbitrage-Möglichkeit, weil V0 = −10+1·10 = 0, aber V1(ω1) = −10+12 = 2<br />

und V1(ω2) = −10 + 10 = 0.<br />

• π = (0, 1) ist ein lineares Preismaß, daher existiert keine dominierende Handelsstrategie.<br />

Bemerkung 1.10. Der Zustand ω2, der im letzten Beispiel die Arbitrage liefert, wird durch π(ω2) = 0<br />

wieder kompensiert und wirkt sich daher nicht auf V0 aus.<br />

Korollar 1.7. H ist eine Arbitrage-Möglichkeit dann und nur dann, wenn (a) G ≥ 0, (b) E[ G] > 0<br />

und (c) V0 = 0.<br />

Beweis. Simples Übungsbeispiel.<br />

1.3 Risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß (Martingalmaß)<br />

Frage. Wann gibt es keine Arbitrage-Möglichkeit?<br />

Wie wir in Beispiel 1.5 gesehen haben, verhindert die Existenz eines linearen Preismaßes zwar die Existenz<br />

von dominierenden Handelsstrategien, nicht jedoch die Existenz von Arbitrage. Die Analyse des Beispiels<br />

zeigte uns, dass π(ω2) = 0 zur Folge hatte, dass der Arbitrage erlaubende Zustand ω2 sich nicht auf die<br />

Martingaleigenschaft auswirkt. Um diesen Fall also zu verhindern, werden wir nun zusätzlich fordern,<br />

dass jeder Zustand wirklich positive Wahrscheinlichkeit besitzt.


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 8<br />

Märkte ohne Arbitrage<br />

Märkte ohne dominierende Handelsstrategien<br />

Märkte, in denen Gesetz des eindeutigen Preises gilt<br />

Abbildung 1.2: Klassifikation und Hierarchie von Marktmodellen<br />

Definition 1.11. Ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q auf Ω heißt risikoneutrales Maß (RNM), wenn<br />

(a) Q(ω) > 0∀ω ∈ Ω<br />

(b) EQ[∆S (n) ] = 0 (bzw. EQ[S (n)<br />

1 ] = S (n)<br />

0 ) für n = 1, . . . , N ( ” Martingaleigenschaft“)<br />

Interpretation. Der momentane Preis S (n)<br />

0<br />

ist – wie auch schon bei linearen Preismaßen – der beste<br />

(Momenten-)Schätzer für den Preis zu t = 1. Außerdem hat ein risikoneutrales Maß dieselben Nullmengen<br />

(nämlich keine in unserem Fall) wie die ursprünglichen Wahrscheinlichkeiten, d.h. P ∼ Q.<br />

Die entscheidende Eigenschaft ist, dass Q(ω) > 0∀ω ∈ Ω bzw. Q ∼ P.<br />

Theorem 1.8. Es existiert keine Arbitrage-Möglichkeit dann und nur dann, wenn ein risikoneutrales<br />

Maß Q existiert.<br />

Der Beweis dieses Satzes läuft z.B. über lineare Programmierung, würde aber den Rahmen hier sprengen.<br />

Bemerkung 1.11. Ein risikoneutrales Maß ist i.A. nicht eindeutig, wichtig ist nur die Existenz mindestens<br />

eines RNM. Ist das RNM eindeutig, ist der Markt vollständig und jeder beliebige Claim kann durch ein<br />

Portfolio erreicht werden, wie später gezeigt werden wird.<br />

Beispiel 1.6 (Fs. von Beispiel 1.1; eindeutiges RNM). S0 = 5, S (1)<br />

1 (ω1) = 6, S (1)<br />

1 (ω2) = 4. Das RNM Q<br />

wird definiert durch die Martingalbedingung einerseits und die Tatsache, dass Q ein Wahrscheinlichkeitsmaß<br />

ist. Das entsprechende Gleichungssystem lautet also<br />

5 =6Q(ω1)+4Q(ω2)<br />

1 = Q(ω1)+ Q(ω2)<br />

Dessen Lösung ist Q(ω1) = Q(ω2) = 1<br />

2 , wodurch Q = <br />

1 1<br />

2 , 2 ein RNM ist und daher keine Arbitrage in<br />

diesem einfachen Markt möglich ist.<br />

Beispiel 1.7 (Fs. von Beispiel 1.2; RNM nicht eindeutig). Der Markt besteht wie im letzten Beispiel aus<br />

einem Asset, jedoch wird noch ein dritter Marktzustand ω3 beobachtet mit S (1)<br />

1 (ω3) = 3. Das Gleichungssystem<br />

lautet nun<br />

5 =6Q(ω1)+4Q(ω2)+3Q(ω3)<br />

1 = Q(ω1)+ Q(ω2)+ Q(ω3)


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 9<br />

Dessen Lösung ist Q(ω2) = 2−3Q(ω1) und Q(ω3) = −1+2Q(ω1). Damit ist also Q = (λ, 2 − 3λ, −1 + 2λ)<br />

für jedes λ ∈ <br />

1 3<br />

1<br />

2<br />

2 , 2 ein RNM (Die Werte λ = 2 und λ = 3 müssen ausgeschlossen werden, da sonst<br />

Q(ω2) = 0 oder Q(ω3) = 0 gilt und Q dann kein RNM mehr ist!). Damit haben wir ein (nicht eindeutiges)<br />

RNM gefunden und der Markt lässt keine Arbitrage zu.<br />

Beispiel 1.8 (kein RNM, obwohl N = 2 und k = 3 und LPM). Betrachte einen Markt mit N = 2 risikobehafteten<br />

Assets und k = 3 Marktzuständen, sowie einen Zins von r = 1<br />

9 . Die Kurse entwickeln sich<br />

nach folgender Tabelle:<br />

S (n)<br />

0<br />

= S (n)<br />

0<br />

S (n)<br />

1<br />

S (n)<br />

1<br />

n ω1 ω2 ω3 ω1 ω2 ω3<br />

1 5 20/3 20/3 40/9 6 6 4<br />

2 10 40/3 80/9 80/9 12 8 8<br />

Das Gleichungssystem für ein risikoneutrales Maß lautet also<br />

5 = 6Q(ω1)+6Q(ω2)+4Q(ω3)<br />

10 =12Q(ω1)+8Q(ω2)+8Q(ω3)<br />

1 = Q(ω1)+ Q(ω2)+ Q(ω3)<br />

und besitzt die Lösung Q = <br />

1 1<br />

2 , 0, 2 . Dies ist zwar ein lineares Preismaß, aber nicht echt positiv, also<br />

kein risikoneutrales Maß. Damit ist in diesem Markt Arbitrage möglich, z.B. durch H = (0, 2, −1) im<br />

Zustand ω2.<br />

Beispiel 1.9 (kein RNM, kein LPM). Der Markt sei wie im letzten Beispiel 1.8, jedoch soll der Zustand<br />

ω3 nicht existieren. Das GS ist damit<br />

5 = 6Q(ω1)+6Q(ω2)<br />

10 =12Q(ω1)+8Q(ω2)<br />

1 = Q(ω1)+ Q(ω2)<br />

Damit haben wir drei (nicht linear abhängige) Gleichungen für 2 Variablen, weshalb keine Lösung existiert.<br />

Damit gibt es kein RNM in diesem Markt und es ist Arbitrage möglich. Es gibt nicht mal ein LPM, da<br />

auch dieses obiges Gleichungssystem erfüllen müsste!<br />

1.4 Bewertung von Contingent Claims<br />

Definition 1.12 (Contingent Claim). Ein Contingent Claim (CC, ” bedingte Forderung“) X ist<br />

eine Zahlung zu t1 = 1, deren Höhe vom Marktzustand ωi abhängt. Zum Zeitpunkt t = 0 betrachtet<br />

ist X eine Zufallsvariable.<br />

Definition 1.13 (erreichbarer CC). Ein CC ist erreichbar (attainable, marketable), wenn eine<br />

Handelsstrategie H existiert (das ” replizierende Portfolio“) mit V1(ωi) = X(ωi)∀ωi ∈ Ω. Man sagt<br />

dann, dass H den CC X erzeugt.<br />

Beispiel 1.10. Betrachte einen Markt mit N = 2 Assets und k = 3 Zuständen sowie einen Zins von r = 0.<br />

Die Preisentwicklung sei<br />

S (1)<br />

0 = 5 S (1) 1 (ω1) = 3 S (2) 0 = 5 S (2) 1 (ω1) = 7<br />

S (1)<br />

1 (ω2) = 5 S (2) 1 (ω2) = 5<br />

S (1)<br />

1 (ω3) = 7 S (2) 1 (ω3) = 3


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 10<br />

Betrachte nun einen CC X(ω1) = X(ω2) = X(ω3) = 5. Gesucht ist damit die Handelsstrategie H =<br />

(H0, H1, H2) mit<br />

5 =H0B0+H1 S (1)<br />

1 (ω1)+H2 S (2)<br />

1 (ω1) =1H0+3H1+7H2<br />

5 = =1H0+5H1+5H2<br />

5 = =1H0+7H1+3H2<br />

Die Lösung ist H0 = 5 − 10H2 und H1 = H2, insbesondere also H = (5 − 10λ, λ, λ). Mögliche Portfolios<br />

zur Replizierung sind z.B. H = (5, 0, 0) (nur Investition ins Bankkonto) oder H = (0, 1 1<br />

2 , 2 ) (nur in<br />

risikobehaftete Assets). Das replizierende Portfolio ist also i.A. nicht eindeutig (der Preis jedoch schon,<br />

auch in diesem Fall!)<br />

Beispiel 1.11. Ändere im letzten Beispiel nun S (2)<br />

1 (ω3) = 5 und X(ω3) = 7. Das GS lautet nun<br />

ω1 : 5 =5H0+3H1+7H2<br />

ω2 : 5 =5H0+5H1+5H2<br />

ω3 : 7 =5H0+7H1+5H2<br />

und besitzt die Lösung H0 = −1, H1 = H2 = 1. Die Handelsstrategie H = (−1, 1, 1) ist insbesondere in<br />

diesem Fall eindeutig, da die Koeffizientenmatrix vollen Rang besitzt.<br />

Frage. Was ist der (faire) Preis p eines erreichbaren CC X zum Zeitpunkt t = 0?<br />

Man sieht leicht, dass es eine Arbitrage-Möglichkeit gibt, wenn p = V0 gilt:<br />

p > V0: Verkaufe einen Claim zum Zeitpunkt t0 = um p, investiere V0 ins replizierende Portfolio, welches<br />

genau die nötige Auszahlung abdeckt. Die Differenz p − V0 kann als risikoloser Gewinn eingestreift<br />

werden.<br />

p < V0: Verfahre genau umgekehrt (Investiere in Claim und gehe einmal das replizierende Portfolio short).<br />

Wenn p = V0, existiert keine Arbitrage mit der replizierenden Handelsstrategie H. Die Frage ist jedoch,<br />

ob eine solche replizierende Handelsstrategie überhaupt existiert. Mehr dazu im Abschnitt 1.5.<br />

Lemma 1.9. Sei Q ein risikoneutrales Maß. Dann gilt für jede Handelsstrategie H:<br />

Beweis. V0<br />

V0 = EQ[ V1]<br />

Def. G<br />

= EQ[ V1 − G] = EQ[ N V1] − EQ n=1 Hn∆ <br />

Sn = EQ[ V1] − N n=1 Hn EQ[∆ Sn] = EQ[<br />

<br />

=0<br />

V1]<br />

Das Gesetz des eindeutigen Preises ist also für alle Claims sicher erfüllt, für die eine replizierende Handelsstrategie<br />

existiert. Mit anderen Worten: Jede Handelsstrategie, die den Claim erzeugt, hat denselben<br />

Preis, vorausgesetzt es existiert ein risikoneutrales Maß.<br />

Bemerkung 1.12. Aus V0 = EQ[ V1] folgt nun die Arbitrage-Freiheit: Wenn es nun einen Zustand ω ∈ Ω<br />

gibt mit V1(ω) > V0, dann muss es auch einen Zustand ¯ω ∈ Ω geben, sodass V1(¯ω) < V0. Wenn also die<br />

Möglichkeit auf einen Gewinn besteht, muss es ebenso die Möglichkeit eines Verlustes geben.<br />

Lemma 1.10. Wenn das Gesetz des eindeutigen Preises erfüllt ist, dann ist der faire Preis des<br />

Contingent Claims X mit replizierendem Portfolio H zum Zeitpunkt t = 0 genau der Wert des<br />

replizierenden Portfolios zu t = 0:<br />

V0 = H0B0 +<br />

N<br />

n=1<br />

HnS (n)<br />

0


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 11<br />

Theorem 1.11 (Risikoneutrales Bewertungsprinzip). Ist das Ein-Perioden-Modell arbitragefrei,<br />

dann ist der Wert eines Contingent Claims X zu t = 0 gegeben durch EQ[X/B1], wobei Q ein<br />

beliebiges risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß ist.<br />

Beweis. Folgt sofort aus Lemma 1.9.<br />

Beispiel 1.12 (von früher). Es sei r = 1<br />

9 , S0 = 5, S1(ω1) = 20<br />

3 , S1(ω2) = 40<br />

9 . Also S1(ω1) = 6 und<br />

S1(ω4) = 4. Als risikoneutrales Maß haben wir bereits Q(ω1) = Q(ω2) = 1<br />

2 bestimmt.<br />

Betrachte einen Claim X mit X(ω1) = 7 und X(ω2) = 2. Nach obigem Theorem ist der Preis dieses<br />

Claims<br />

V0 = EQ[ X<br />

B1<br />

] = 1<br />

2<br />

· 7<br />

10<br />

9<br />

+ 1<br />

2<br />

· 2<br />

10<br />

9<br />

= 81<br />

= 4.05<br />

20<br />

Die replizierende Handelsstrategie H bestimmt sich folgendermaßen, indem V1 = V0 + G benutzt wird:<br />

X(ωi)/B1(ωi) = V1(ωi) = V0 + G(ωi) = 4.05 + H1∆ S1(ωi) für i = 1, 2.<br />

Wir haben also 2 Gleichungen, die beide denselben Wert für H1 liefern:<br />

ω1 :7 · 9 81<br />

=<br />

10 20 + H1 · 1 ⇒ H1 = 45<br />

= 2.25<br />

20<br />

ω2 :2 · 9 81<br />

=<br />

10 20 + H1 · (−1) ⇒ H1 = 81 36 45<br />

− = = 2.25<br />

20 20 20<br />

Die Tatsache, dass beide Gleichungen denselben Wert für H1 liefern ist nicht weiter verwunderlich, immerhin<br />

wurde V0 so bestimmt. Insofern war die Benutzung der zweiten Gleichung nur als Kontrolle<br />

notwendig. H0 ergibt sich nun als<br />

4.05 = V0 = H0 + H1S0 = H0 + 2.25 · 5 ⇒ H0 = 81 225 −144<br />

− = = −7.2<br />

20 20 20<br />

Der Claim X ist also durch die Handelsstrategie H = (−7.2, 2.25) erreichbar.<br />

Als Kontrolle können wir den Wert dieser Handelsstrategie zu t = 0 und zu t = 1 berechnen:<br />

t = 0 : V0 = −7.2+ 2.25 · 5 =4.05<br />

t = 1 : ω1 : V1(ω1) =−7.2 · 10 20<br />

+2.25 ·<br />

9 3 =7<br />

ω2 : V1(ω2) =−7.2 · 10 40<br />

+2.25 ·<br />

9 9 =2<br />

Der faire Preis dieses Claims X muss nun nach obigem Theorem genau V0 sein, ansonsten wäre ein<br />

risikoloser Gewinn möglich.<br />

Definition 1.14 (Zustands Claim, Zustandspreis). Für ω ∈ Ω wird der Contingent Claim X,<br />

der nur im Zustand ω genau 1 Geldeinheit auszahlt, in allen anderen Zuständen jedoch nichts, also<br />

<br />

1 für ω = ω<br />

X(ω) =<br />

0 sonst,<br />

als Elementar-Claim“ bzw. Zustands-Claim“ des Zustandes ω bezeichnet. Sein Preis (wenn er<br />

” ”<br />

erreichbar ist) ist<br />

EQ[X/B1] = <br />

Q(ω)X(ω)/B1(ω) = Q(ω)/B1(ω)<br />

ω∈Ω<br />

und wird als Zustandspreis für ω ∈ Ω bezeichnet.<br />

Der Preis V0 jedes Contingent Claims kann als Linearkombination der Payoffs X(ω) mit den Zustandspreisen<br />

als Gewichten dargestellt werden (da die Zustandspreise genau die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten<br />

beinhalten).


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 12<br />

1.4.1 Optionen<br />

• Call-Optionen: Eine Call-Option gibt dem Käufer das Recht (aber nicht die Pflicht), das Asset<br />

zum festgelegten Preis K zum Zeitpunkt t1 zu kaufen. Ist der Aktienkurs höher, wird er dies tun, das<br />

Asset sofort wieder verkaufen und die Differenz als Gewinn einstreifen, ansonsten wird er die Option<br />

nicht ausüben und sie ist wertlos. Der Payoff ist also für N = 1 genau X(ω) = (S1(ω) − K) + =<br />

max(0, S1(ω) − K) für gegebene Konstante K (Ausübungspreis, ” exercise price“, ” strike price“),<br />

teilweise auch mit e bezeichnet.<br />

Wenn X erreichbar ist, gilt<br />

EQ[X/B1] = <br />

Q(ω)[S1(ω) − K]/B1(ω)<br />

ω∈Ω ′<br />

wobei Ω ′ = {ω ∈ Ω : S1(ω) ≥ K} nur jene Zustände beinhaltet, in denen die Option einen Gewinn<br />

abwirft.<br />

Beispiel 1.13. Betrachte eine Option auf das Asset von Beispiel 1.1: r = 1<br />

9 , K = 5.<br />

<br />

5/3, ω = ω1<br />

Der Payoff ist also X(ω) =<br />

und damit gilt EQ[X/B1] =<br />

0, ω = ω2<br />

1 5 9<br />

2 · 3 · 10<br />

den Wert der Option, falls sie erreichbar ist.<br />

= 3<br />

4<br />

= 0.75 für<br />

Ist X nun durch ein Portfolio erreichbar? Die Handelsstrategie wird wieder bestimmt durch X(ω) =<br />

V1(ω) = H1B1 +H1S1(ω), wobei die Lösung genau H0 = −3 und H1 = 0.75 beträgt. H = (−3, 0.75)<br />

erzeugt also X und daher ist X erreichbar und man kann das Kapital von 0.75 so investieren, dass<br />

in jedem Zustand exakt das nötige Kapital zur Verfügung steht.<br />

• Put-Option: : Eine Put-Option gibt dem Käufer das Recht (aber nicht die Pflicht), das Asset<br />

zum festgelegten Preis K zum Zeitpunkt t1 zu verkaufen. Ist der Aktienkurs niedriger als K, wird<br />

er dies tun, die nötige Aktie am Markt um den billigeren Aktienkurs kaufen und die Differenz als<br />

Gewinn einstreifen, ansonsten wird er die Option nicht ausüben und sie ist wertlos. Der Payoff ist<br />

also für N = 1 genau X(ω) = (K − S1(ω)) + = max(0, K − S1(ω)) für gegebene Konstante K. Die<br />

Put-Option kann exakt gleich behandelt werden wie die Call-Option.<br />

Beispiel 1.14 (Fortsetzung von Beispiel 1.2; nicht jeder Claim ist erzeugbar). Betrachte einen allgemeinen<br />

CC mit X = (X1, X2, X3) ∈ R 3 . Existiert hierfür immer eine Handelsstrategie, die diesen Claim<br />

erzeugt? Dafür haben wir ein Gleichungssystem mit 3 Gleichungen, je eine pro Zustand ωi:<br />

ωi : H0B1(ωi) + H1S (1)<br />

1 (ωi) = X(ωi) = Xi<br />

Dieses Gleichungssystem aus drei Gleichungen für zwei Variablen hat i.A. keine Lösung. Eine Lösung<br />

existiert insbesondere nur dann, wenn die Gleichungen linear abhängig sind, was der Fall ist für X1 −<br />

3X2 + 2X3 = 0. Derartige Claims sind erreichbar, alle anderen sind nicht erreichbar. Insbesondere heißt<br />

dies, dass nicht jeder Claim erreichbar ist in diesem Modell (wo wir mehr als ein risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß<br />

haben).<br />

Bisher hatten wir immer vorausgesetzt, dass eine replizierende Handelsstrategie existiert, damit wir den<br />

Preis festlegen können.<br />

1.5 Vollständige Märkte<br />

Wenn ein risikoneutrales Maß existiert (was gleichbedeutend ist mit der Absenz von Arbitrage), können<br />

wir den Preis V0 eines CC bestimmen als Erwartungswert bezüglich eines risikoneutralen Maßes Q.<br />

Wenn ein Claim erreichbar ist, so muss insbesondere für jede replizierende Handelsstrategie derselbe<br />

Preis herauskommen, also alle Erwartungswerte bezüglich aller risikoneutralen Maße übereinstimmen.<br />

Die Frage ist nun, wann ein CC überhaupt erreichbar ist, bzw. in welchen Fällen es ohnehin nur ein<br />

eindeutiges risikoneutrales Maß gibt.


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 13<br />

Definition 1.15 (Vollständigkeit von Märkten). Ein Markt ist vollständig, wenn jeder CC erreichbar<br />

ist durch eine Handelsstrategie. Sonst heißt er unvollständig.<br />

Sei X nun ein Contingent Claim in einem Marktmodell mit N Assets und k Zuständen in Ω. Das Problem<br />

der Bestimmung einer replizierenden Handelsstrategie H ist ein lineares Gleichungssystem X = A·H mit<br />

⎛<br />

B1(ω1) S<br />

⎜<br />

A = ⎜<br />

⎝<br />

(1)<br />

1 (ω1) S (2)<br />

1 (ω1) . . . S (N)<br />

1 (ω1)<br />

B1(ω2) S (1)<br />

1 (ω2) S (2)<br />

1 (ω2) . . . S (N)<br />

⎞<br />

⎟<br />

1 (ω2) ⎟<br />

.<br />

. . . ..<br />

⎟<br />

. ⎠ .<br />

B1(ωk) S (1)<br />

1 (ωk) S (k)<br />

1 (ωk) . . . S (N)<br />

1 (ωk)<br />

Der Contingent Claim X ist erreichbar, wenn X = A · H zumindest eine Lösung besitzt. Der Markt ist<br />

vollständig, wenn X = A · H für jedes X eine Lösung besitzt, wozu ˜ k ≤ N nötig ist mit ˜ k ≤ k der Anzahl<br />

der linear unabhängigen Zeilen von A. Andererseits ist das Modell nur dann arbitragefrei, wenn ˜ k ≥ N.<br />

Folgendes Lemma ist also aus dieser Argumentation heraus sofort ersichtlich.<br />

Lemma 1.12. Ist das Marktmodell arbitragefrei, so ist es genau dann vollständig, wenn die Anzahl<br />

der Zustände ωi der Anzahl ˜ k der linear unabhängigen Vektoren (B, S (1)<br />

1<br />

Beispiel 1.15 (Fs. Beispiel 1.1). Die Matrix A =<br />

Beispiel 1.16 (Fs. Beispiel 1.2). A = ⎝<br />

⎛<br />

10<br />

9<br />

10<br />

9<br />

10<br />

9<br />

20<br />

3<br />

40<br />

9<br />

10<br />

3<br />

⎞<br />

<br />

10<br />

9<br />

10<br />

9<br />

20<br />

3<br />

40<br />

9<br />

, . . . , S(n)<br />

1 ) entspricht.<br />

<br />

hat vollen Rang, der Markt ist vollständig.<br />

⎠ hat Rang 2, aber k = 3. Der Markt ist nicht vollständig.<br />

Das RNM in diesem Beispiel war Q = (λ, 2 − 3λ, −1 + 2λ) mit λ ∈] 1 2<br />

2 , 3 [. Insbesondere ergibt sich für<br />

alle RNM Q(λ) derselbe Preis EQ[X/B1] = λ 9<br />

10X1 + (2 − 3λ) 9<br />

10X2 + (−1 + 2λ) 9<br />

10X3 = 9<br />

10 (2X2 − X3) +<br />

9<br />

10λ(X1 − 3X2 + 2X3) genau dann unabhängig vom Wert von λ, wenn X1 − 3X2 + 2X3 = 0, also der<br />

Claim überhaupt erreichbar ist, wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben. Alle nicht erreichbaren<br />

Claims haben keinen eindeutigen Preis!<br />

Beispiel 1.17. Betrachte nun Beispiel 1.1 mit einem zusätzlichen Asset: S (2)<br />

0 = 54, S(2) 1 (ω1) = 70 und<br />

S (2)<br />

1 (ω2) = 50. Das Maß Q = <br />

1 1<br />

1 9<br />

1 9<br />

2 , 2 <br />

ist noch immer ein RNM (54 = 2 · 10 · 70 + 2 · 10 · 50). Die<br />

10 20<br />

Koeffizientenmatrix A = 9 3 70<br />

10 40 erfüllt nun RgA = 2 = k. Damit ist der Markt vollständig.<br />

9 9 50<br />

Allerdings ist das replizierende Portfolio nicht eindeutig (jedes replizierende Portfolio hat aber denselben<br />

Anfangswert!).<br />

Definition 1.16 (Menge alle risikoneutralen Maße). Die Menge aller risikoneutralen Maße<br />

wird mit M bezeichnet.<br />

Bemerkung 1.13. Nach unserer Grundvoraussetzung der Absenz von Arbitrage gilt auf alle Fälle M = ∅.<br />

Theorem 1.13. Die folgenden Aussagen sind äquivalent:<br />

1. Das Modell ist vollständig.<br />

2. Für jeden CC X gilt: EQ[X/B1] hat für alle Q ∈ M denselben Wert.<br />

3. M enthält genau ein risikoneutrales Maß (|M| = 1).


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 14<br />

Beweis.<br />

1.⇒2. Nach Voraussetzung enthält M mindestens ein RNM. Nach der Argumentation des letzten Abschnittes<br />

muss für jeden erreichbaren Claim der Anfangswert V0 = EQ[X/B1] aller erzeugenden<br />

Handelsstrategie übereinstimmen, sonst ist Arbitrage möglich.<br />

2.⇒1. Betrachte einen nicht erreichbaren CC X und ein RNM Q ∈ M. Wir werden uns nun ein RNM Q<br />

konstruieren, sodass Qb Q [X/B1] = EQ[X/B1] gilt.<br />

Dass X nicht erreichbar ist, bedeutet, dass A · H = X keine Lösung besitzt. Das Farkas-Lemma<br />

[Far02] aus der linearen Optimierung (siehe Anhang) sagt für diesen Fall jedoch aus, dass<br />

∃π : π · A = 0, δ = π · X > 0 .<br />

Definieren wir nun Q(ωk) = Q(ωk)+λπkB1(ωk), so gilt für genügend kleines λ > 0, dass Q(ωk) > 0.<br />

Es ist nun nicht mehr sehr schwer zu zeigen, dass Q ein RNM ist:<br />

1. Q(ωi) > 0<br />

2. <br />

k Q(ωk) = <br />

k Q(ωk) + λπ · B1(ωk) =<br />

<br />

=0, da B1 die<br />

1. Spalte von A<br />

<br />

k Q(ωk) = 1.<br />

3. Die Martingalbedingung ist ebenfalls erfüllt, wie aus der Martingalbedingung für Q und dem<br />

Farkas-Lemma sofort folgt:<br />

EQ S (n)<br />

1<br />

<br />

= Q(ωk) S (n)<br />

1 (ωk) = <br />

Q(ωk)S (n)<br />

1 (ωk)/B1(ωk)<br />

k<br />

k<br />

= <br />

Q(ωk)<br />

k<br />

S (n)<br />

1 (ωk) + λ <br />

πkB1(ωk)<br />

k<br />

S(n) 1 (ωk)<br />

B1(ωk)<br />

<br />

=0, da S (n)<br />

1<br />

die n. Spalte von A<br />

= <br />

Es muss nun nur noch gezeigt werden, dass EQ[X/B1] = Eb Q [X/B1] gilt:<br />

EQ[X/B1] = <br />

Q(ωk)X(ωk)/B1(ωk) = <br />

Q(ωk)X(ωk) + λ <br />

πkX(ωk)<br />

k<br />

3.⇒2. Diese Implikation ist trivial, da nur ein einziges RNM in M existiert.<br />

B1<br />

k<br />

k<br />

Q(ωk) S (n)<br />

1 (ωk) = S (n)<br />

0<br />

k<br />

<br />

=δ<br />

<br />

= Eb Q [X/B1] +<br />

<br />

λδ > Eb Q [X/B1]<br />

>0<br />

2.⇒3. Seien Q und Q zwei RNM mit Q = Q, d.h. ∃ωk ∈ Ω : Q(ωk) = Q(ωk). Betrachte nun den<br />

Contingent Claim X(ω) = 1 {ω=ωk}B1(ωk)<br />

<br />

X<br />

EQ = B1(ωk)<br />

B1(ωk) Q(ωk) = Q(ωk) = Q(ωk) = B1(ωk)<br />

B1(ωk) <br />

X<br />

Q = Eb Q .<br />

Damit (und weil Q keine Nullmengen besitzt) kann es also nur ein eindeutiges Martingalmaß Q<br />

geben: |M| = 1<br />

Aus dem Beweis der Äquivalenz des ersten und zweiten Punktes des Theorems sieht man außerdem sofort<br />

folgendes Lemma:<br />

Lemma 1.14. Ein CC X ist dann und nur dann erreichbar, wenn für jedes RNM Q der Erwartungswert<br />

EQ[X/B1] denselben Wert annimmt.<br />

B1


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 15<br />

Bemerkung 1.14. In einem vollständigen Markt ist also jeder CC X bepreisbar mit einem eindeutigen<br />

RNM, und jeder CC X ist durch eine HS H erreichbar, deren Wert zu t = 0 genau dem Preis des<br />

CC entspricht. In einem unvollständigen Markt gibt es jedoch mehrere RNM, die aufgrund des letzten<br />

Lemmas für die nicht erreichbare CCs X auch unterschiedliche Preise liefern! Wenn also keine replizierende<br />

Handelsstrategie mehr existiert, ist auch der Preis nicht mehr eindeutig. Alle Preise, die als EQ[ X] für<br />

ein Q ∈ M bestimmt wurden, sind jedoch faire Preise in dem Sinn, dass dann Arbitrage ausgeschlossen<br />

ist, wenn konsistent dasselbe Maß Q benutzt wird.<br />

1.5.1 Unvollständige Märkte<br />

In einem unvollständigen Markt existieren also i.A. keine eindeutigen Preise mehr. Allerdings können wir<br />

Schranken für faire Preise auf zwei verschiedene Arten angeben:<br />

1. Auch wenn wir einen CC nicht exakt erzeugen können, können wir Handelsstrategien betrachten,<br />

die in jedem Marktzustand mehr oder gleichviel ( ” Superhedging“) bzw. immer weniger oder gleich<br />

viel ( ” Subhedging“) wert sind. Der eindeutige Preis jeder dieser Handelsstrategien ist eine obere<br />

(untere) Schranke für den Preis des CC, da es ansonsten Arbitragemöglichkeiten gibt.<br />

2. Die Menge aller EQ[ X] für Q ∈ M ist die Menge aller fairen Preise (in dem Sinn, dass keine Arbitrage<br />

möglich ist).<br />

Aus dem ersten Zugang ergibt sich folgende Definition<br />

Definition 1.17 (Schranken für den faire Preise in unvollständigen Märkten).<br />

<br />

Obere Schranke für Preis: V+(X) = inf EQ[ <br />

Y ] : Y ≥ X, Y erreichbar<br />

<br />

Untere Schranke für Preis: V+(X) = inf EQ[ <br />

Y ] : Y ≥ X, Y erreichbar<br />

Die Schranken für die fairen Preise von nicht erreichbaren Claims werden also durch Vergleich mit allen<br />

erreichbaren Claims bestimmt. Wie folgendes Lemma zeigt, liefert dieser Zugang tatsächlich scharfe<br />

Schranken für die Preise und führt zu denselben Schranken wie der zweite Zugang über EQ[ X]:<br />

Lemma 1.15 (o.B.). Ist M = ∅, so gilt für jeden Contingent Claim X:<br />

<br />

V+(X) = sup EQ[ <br />

X] : Q ∈ M<br />

<br />

V−(X) = inf EQ[ <br />

X] : Q ∈ M<br />

Ein erreichbarer Claim Y ≥ X, der nie weniger liefert, hat also jedenfalls keinen geringeren Preis als er<br />

durch das risikoneutrale Bewertungsprinzip für den nicht erreichbaren Claim X bestimmt ist.<br />

Beispiel 1.18 (Fs. Beispiel 1.2). Die Menge der RNM war M = (λ, 2 − 3λ, −1 + 2λ)|λ ∈ <br />

1 2<br />

2 , 3 . Der<br />

Claim X = (30, 20, 10) ist nicht erreichbar, da X1 − 3X2 + 2X3 = −1 = 0 gilt.<br />

Aus dem risikoneutralen Bewertungsprinzip ergeben sich Preise EQ[ X] = λ 9<br />

9<br />

10 ·30+(2−3λ) 10 ·20+(−1+<br />

2λ) 9<br />

10 · 10 = −9λ + 27. Insbesondere ergibt sich wegen λ ∈ <br />

1 2<br />

2 , 3 für die fairen Preise p ein Intervall von<br />

p ∈ ]21, 22.5[. Obiges Lemma sagt nun, dass<br />

V−(X) = inf EQ[<br />

λ X] = 21 V+(X) = sup EQ[ X] = 22.5<br />

Diese beiden Schranken werden tatsächlich von erreichbaren Sub- und Superhedging-Strategien angenommen:<br />

• Y = (30, 50<br />

3 , 10) erfüllt Y ≥ X und hat einen Wert von V (Y ) = 21 = V−(X).<br />

• Y = (30, 20, 15) erfüllt Y ≤ X und hat einen Wert von V (Y ) = 22.5 = V+(X).<br />

λ


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 16<br />

1.6 Risiko und Ertrag (Return)<br />

Definition 1.18. Für ω ∈ Ω und Q ∈ M wird EQ[ X] = Q(ω)/B1(ω) für X(ω) = 1 {ω=bω} als<br />

Zustandspreis des Zustands ω bezeichnet.<br />

Definition 1.19. Der Return eines Assets ist definiert als die ZV, die den relative Wertzuwachs<br />

beschreibt<br />

Rn = S(n) 1 − S(n) 0<br />

S (n)<br />

0<br />

, n = 1, . . . , N R0 := r = B1 − B0<br />

Lemma 1.16. Ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q mit Q(ω) > 0∀ω ∈ Ω ist genau dann ein RNM, wenn<br />

<br />

Rn − R0<br />

EQ<br />

= 0, n = 1, . . . , N<br />

1 + R0<br />

Beweis.<br />

S (n)<br />

1<br />

⇒ EQ<br />

− S (n)<br />

0<br />

S(n) 1<br />

=<br />

(n)<br />

− B1S 0<br />

B1<br />

<br />

∆ S (n)<br />

= S (n)<br />

0 EQ<br />

= (1 + Rn)S (n)<br />

<br />

Rn − R0<br />

1 + R0<br />

0<br />

(n)<br />

− (1 + R0)S 0<br />

1 + R0<br />

B0<br />

= S (n) Rn − R0<br />

0<br />

1 + R0<br />

Bemerkung 1.15. Bei deterministischer Zinsrate R0(ω) = r folgt sofort, dass EQ[Rn] = EQ[R0] = r<br />

äquivalent ist zur Tatsache, das Q ein RNM ist.<br />

1.7 Optimale Portfolios, Zulässigkeit<br />

Problem: Bestimmung der optimalen Handelsstrategie nach subjektiven Kriterien.<br />

Definition 1.20 (Nutzenfunktion). Eine Nutzenfunktion U : R × Ω → R ist eine Funktion, die<br />

für alle ω ∈ Ω<br />

1. für w ↦→ U(w, ω) differenzierbar,<br />

2. konkav ( ” risikoavers“) und<br />

3. streng monoton steigend ist.<br />

U(w, ω) bezeichnet den subjektiv empfundenen Nutzen des Betrages w im Zustand ω, wobei nicht absolute<br />

Werte Bedeutung haben, sondern nur der Vergleich zweier oder mehrerer möglicher Werte relevant ist.<br />

U beschreibt also, wie ich subjektiv den Betrag w bewerte. Die Konkavität von U bedeutet, dass die<br />

Steigung – also die Nutzenänderung desselben Betrages – bei geringen Beträgen höher ist als bei hohen<br />

Beträgen (Für jemanden, der bereits 10 Mio. e besitzt, ist 1 e keine so große Verbesserung wie für<br />

jemanden, der nur sehr wenig Kapital besitzt). Die strenge Monotonie hat die nahe liegende Bedeutung,<br />

dass ein höherer Betrag immer mehr Nutzen hat als ein geringerer Betrag.


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 17<br />

Die Kenngröße, um die Auswahl eines Portfolios zu optimieren ist nun der erwartete Nutzen des Endwertes:<br />

EU(V1) = <br />

P(ω)U(V1(ω), ω)<br />

ω∈Ω<br />

Bemerkung 1.16. Oft wird angenommen, dass der Nutzen eines Betrages w nicht vom Marktzustand ω<br />

abhängig ist, also U(w, ω) = U(w).<br />

Bemerkung 1.17. Der erwartete Nutzen muss bezüglich der tatsächlich eintretenden Wahrscheinlichkeiten<br />

bestimmt werden! Als Daumenregel kann man sich merken:<br />

• Geht es um die Bestimmung des Preises (der sich ja aufgrund der No-Arbitrage Bedingung aus den<br />

Preisen der am Markt verfügbaren Assets ergibt), ist ein risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß Q<br />

für den Erwartungswert zu benutzen. Hierfür werden die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten P der<br />

einzelnen Marktzustände gar nicht benötigt!<br />

• Geht es jedoch um tatsächliche Auszahlungen, ist sehr wohl das tatsächliche Wahrscheinlichkeitsmaß<br />

P zu benutzen.<br />

Definition 1.21. H bezeichne die Menge aller Handelsstrategien.<br />

Problem 1 (Optimales Portfolio-Problem). Sei ν ∈ R das Anfangskapital. Gesucht ist die Handelsstrategie<br />

H ∈ H mit<br />

max<br />

H∈H EU(V1) (1.1)<br />

unter V0 = ν (1.2)<br />

Problem 2 (Alternative Formulierung des Optimalen Portfolio-Problems). Mit den Definitionen<br />

V1 = B1 <br />

V1 = B1 · V0 + <br />

G sowie durch Einsetzen der Nebenbedingung in die Hauptbedingung<br />

ergibt sich eine alternative Formulierung<br />

max<br />

H∈H E<br />

<br />

N<br />

U B1 · (ν + Hi∆ S (n) <br />

)<br />

(1.3)<br />

Lemma 1.17. Wenn (1.1) oder (1.3) eine Lösung besitzt, gibt es keine Arbitrage-Möglichkeit (und<br />

damit ein RNM). Äquivalent dazu ist die Aussage: Existiert eine Arbitrage-Möglichkeit, hat (1.1)<br />

keine Lösung und der Nutzen kann beliebig erhöht werden.<br />

Beweis. Wir werden die zweite Formulierung beweisen. Sei H optimal und H eine Arbitrage-Möglichkeit.<br />

Betrachte die Handelsstrategie ¯ H = H + H:<br />

ν +<br />

N<br />

¯Hn∆ S (n) N<br />

= ν + Hn∆ S (n) N<br />

+ Hn∆ S (n)<br />

N<br />

≥ ν + Hn∆ S (n)<br />

n=1<br />

n=1<br />

i=1<br />

n=1<br />

<br />

≥0<br />

Die Ungleichung ist wegen der Definition einer Arbitrage-Möglichkeit H für mindestens ein ω ∈ Ω strikt,<br />

was einen Widerspruch zur Optimalität von H darstellt.<br />

n=1


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 18<br />

Betrachten wir nun zum Abschluss noch den Zusammenhang zwischen Optimaler Handelsstrategie und<br />

einem risikoneutralen Maß.<br />

Lemma 1.18. Ist H mit Wert Vt eine Lösung von (1.1) oder (1.3), so ist<br />

ein risikoneutrales Maß.<br />

Q(ω) = P(ω)B1(ω)U ′ (V1(ω), ω)<br />

E [B1U ′ (V1)]<br />

Beweis. Aus der Extremalbedingung 1. Ordnung erhalten wir<br />

0 ! = ∂<br />

<br />

N<br />

E U B1 · ν + Hi∆<br />

∂Hn<br />

i=1<br />

S (n)<br />

<br />

= <br />

P(ω)U ′<br />

<br />

N<br />

B1(ω) · ν +<br />

ω∈Ω<br />

i=1<br />

= ∂ <br />

∂Hn<br />

Hi∆ S (n) (ω)<br />

ω∈Ω<br />

<br />

P(ω)U<br />

, ω<br />

<br />

<br />

B1(ω) ·<br />

<br />

ν +<br />

B1(ω)∆ S (n) (ω) = E<br />

N<br />

Hi∆ S (n) <br />

(ω) , ω<br />

i=1<br />

<br />

U ′ (V1)B1∆ S (n)<br />

.<br />

Andererseits folgt aus der Martingalbedingung für ein risikoneutrales Maß:<br />

<br />

0 = EQ ∆ S (n)<br />

= <br />

Q(ω)∆ S (n) (ω) (1.4)<br />

ω∈Ω<br />

Durch Koeffizientenvergleich können wir wir also die Beziehung<br />

Q(ω) = a · P(ω)U ′ (V1(ω))B1(ω)<br />

isolieren, wobei wir die Normierungkonstante a noch bestimmen müssen. Insgesamt ergibt sich damit in<br />

Abhängigkeit von der Wahl von U für das risikoneutrale Maß:<br />

Q(ω) = P(ω)U ′ (V1(ω))B1(ω)<br />

E [U ′ (V1)B1]<br />

Definition 1.22 (zulässiges Marktmodell). Ein Marktmodell ist zulässig, wenn ∃U : R × Ω → R<br />

und ein Startkapital ν, sodass<br />

1. w ↦→ U(w, ω) für alle ω konkav und streng monoton steigend ist und<br />

2. das Portfolio-Problem (1.1) eine Lösung besitzt.<br />

Theorem 1.19 (Zusammenhang von Zulässigkeit und RNM). Ein Marktmodell ist zulässig<br />

dann und nur dann, wenn ein risikoneutrales Maß existiert.<br />

Beweis.<br />

⇒ Wurde schon durch obiges Lemma 1.18 gezeigt.<br />

⇐ Sei Q ∈ M ein risikoneutrales Maß. Wir konstruieren uns nun eine Nutzenfunktion U(w, ω) und ein<br />

Startkapital ν, sodass (1.1) eine Lösung besitzt. Wähle ν beliebig und setze<br />

U(w, ω) = w ·<br />

Q(ω)<br />

P(ω)B1(ω) .


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 19<br />

Diese Funktion ist für jede Wahl von ω linear in w und damit sowohl differenzierbar in w, streng<br />

monoton steigend in w (Q > 0), als auch konkav in w und somit eine Nutzenfunktion.<br />

Wir werden nun zeigen, dass der erwartete Nutzen unabhängig von der Wahl der Handelsstrategie<br />

immer ν ist und somit diese Konstante auch die Lösung des Optimierungsproblems (1.1) darstellt.<br />

Nimm dazu eine beliebige Handelsstrategie H ∈ R N .<br />

<br />

N<br />

E U B1 · (ν + Hi∆ S (n) <br />

) = <br />

<br />

N<br />

P(ω)B1(ω) · ν + Hi∆ S (n) <br />

Q(ω)<br />

(ω)<br />

P(ω)B1(ω)<br />

i=1<br />

ω∈Ω<br />

i=1<br />

= ν +<br />

N<br />

n=1<br />

Hn EQ[∆ S (n) ]<br />

<br />

=0, weil Q RNM<br />

= ν<br />

Beispiel 1.19. Betrachte ein (vollständiges) Marktmodell mit N = 2, k = 3 und r = 1<br />

9 . Die Assets haben<br />

folgende Entwicklung:<br />

Das RNM ergibt sich aus S (n)<br />

0<br />

n S (n)<br />

0<br />

S (n)<br />

1 (ω1) S (n)<br />

1 (ω2) S (n)<br />

1 (ω3)<br />

1 6 6 8 4<br />

2 10 13 9 8<br />

= EQ[ S (n)<br />

1 ]:<br />

6 = 6Q(ω1)+ 8Q(ω2)+ 4Q(ω3)<br />

10 = 13Q(ω1)+ 9Q(ω2)+ 8Q(ω3)<br />

1 = Q(ω1)+ Q(ω2)+ Q(ω3)<br />

Dieses Gleichungssystem hat die Lösung Q = <br />

1 1 1 , , .<br />

3 3 3<br />

Als Beispiel sehen wir uns nun die exponentielle Nutzenfunktion U(w) = − exp(−w) an mit U ′ (w) =<br />

exp(−w). Das optimale Portfolio für diese Wahl der Nutzenfunktion ergibt sich aus der Bedingung 0 =<br />

E[U ′ (V1)B1∆ S (n) ], bzw. dem Gleichungssystem<br />

n = 1 : 0 = P(ω1)e<br />

n = 2 : 0 = P(ω1)e<br />

10 − 9<br />

10 − 9<br />

(ν+3H2) 10<br />

9<br />

(ν+3H2) 10<br />

9<br />

10 −<br />

· 0 + P(ω2)e 9 (ν+2H1−H2) 10<br />

10 −<br />

· 3 − P(ω2)e 9 (ν+2H1−H2) 10<br />

9<br />

9<br />

10 −<br />

· 2 − P(ω3)e 9 (ν−2H1−2H2) 10<br />

9<br />

· 2<br />

10 −<br />

· 1 − P(ω3)e 9 (ν−2H1−2H2) 10<br />

· 2<br />

9<br />

Dieses Gleichungssystem ist nun nicht mehr linear und kann nicht analytisch, sondern nur nummerisch<br />

gelöst werden.<br />

1.7.1 Übungsaufgaben<br />

Bsp. 1.1) Betrachte ein Ein-Perioden-Modell mit zwei risikobehafteten Wertpapieren und drei möglichen<br />

Marktzuständen (N = 2, K = 3, Zins r = 1<br />

9 ):<br />

S0 = 5, S1(ω1) = 20<br />

3 , S2(ω1) = 70<br />

9<br />

Betrachte eine Call-Option auf Wertpapier 1:<br />

S1(ω2) = 40<br />

9 , S2(ω2) = 40<br />

9<br />

S1(ω3) = 30<br />

9 , S2(ω3) = 20<br />

9<br />

Vt=1(ωi) = (S1(ωi) − K) + , K = 35<br />

9<br />

Finde die Handelsstrategie H = (H0, H1, H2), die diesen Claim erzeugt. Was ist der momentane<br />

Wert dieser Option?<br />

Führe selbiges auch mit Aktie 2 durch!<br />

Wenn konstant Vt=1(ωi) = 10 ausbezahlt werden sollen, wie viel ist dieser Vertrag wert?


KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL 20<br />

Bsp. 1.2) Zeige: H ist eine Arbitrage-Möglichkeit ⇐⇒ a) G ∗ (ω) ≥ 0 ∀ ω ∈ Ω und b) E[G ∗ ] > 0.<br />

Bsp. 1.3) Sei r konstant und P0 und C0 die Preise der Put- und Call-Option mit demselben Strike-Preis<br />

K.<br />

Zeige, dass entweder beide erreichbar sind oder beide nicht. Zeige in ersterem Fall (mittels<br />

risikoneutraler Bewertung), dass die Put-Call-Parität gilt:<br />

C0 − P0 = S0 − K<br />

1 + r


Kapitel 2<br />

Wh. Wahrscheinlichkeitstheorie<br />

• W-Raum, σ-Algebra, W-Maß, ZV, Ereignis, Messbarkeit, endliche σ-Algebren<br />

• absolut stetige Maße, äquivalente Maße, Radon-Nikodym<br />

• Stochastische Prozesse: Filtrierungen, adaptierte Prozesse<br />

21


Kapitel 3<br />

Mehr-Perioden-Modell in diskreter<br />

Zeit<br />

• Marktmodell: Bankkonto (Numéraire), Asset-Preise, Annahmen<br />

• Handelsstrategien: Wert des Portfolios, selbst-finanzierend<br />

• Diskontierung<br />

• Bewertungsfunktionale: erreichbare Gewinne, Gesetz des eindeutigen Preises<br />

• Dualität Bewertungsfunktionale und Preis (Hahn-Banach, Trennungssatz für Beweis)<br />

• Arbitrage-Freiheit<br />

• Satz von Dalang, Morton, Willinger: äquivalente Bedingungen zu Arbitrage-Freiheit<br />

• vollständige Märkte<br />

22


Kapitel 4<br />

Wh. Martingaltheorie<br />

• Bedingte Erwartungen, Eigenschaften<br />

• stochastischer Kern<br />

• Martingale, Doob’sche Zerlegung, Bayes’sche Formel<br />

• Stoppzeiten, Optimal Stopping Theorem, gestoppte Prozesse<br />

23


Kapitel 5<br />

Capital Asset Pricing Model<br />

(CAPM)<br />

• Sharpe-Ratio<br />

• Portfolio-Optimierungsproblem, Varianz-Optimierung, Mean-variance Effizienz<br />

• Nutzen-Optimierung, duales Optimierungsproblem, Nutzen-indifferente Preise<br />

24


Kapitel 6<br />

Das Binomialmodell<br />

6.1 Beschreibung des Modells<br />

Definition 6.1 (Assets im Binomialmodell).<br />

1. Bankkonto (risikolos): B0 = 1, Bt = e rt Bt−1 mit rt ∈ R für t = 1, . . . , T<br />

2. risikobehaftete(s) Asset(s) (Stock/Aktie): S0 > 0 (konstant) und für t = 1, . . . , T :<br />

<br />

ut · St−1, wenn Xt = 1 ( up“)<br />

St =<br />

”<br />

dt · St−1, wenn Xt = 0 ( down“)<br />

”<br />

mit Konstanten 0 < dt < ut und Bernoulli-Zufallsvariablen X1, . . . , XT .<br />

Zu den Zeitpunkten 0, 1, . . . , T teilen sich alle bisher gleich verlaufenden Pfade in je zwei Klassen auf, die<br />

einen, die nun nach oben springen, während die anderen nach unten springen. Damit erhält man jeweils<br />

eine Information mehr zu 1, . . . , T , beschrieben durch die Filtration F0 = {∅, Ω} ⊂ F1 ⊂ F2 ⊂ · · · ⊂ FT .<br />

Jedes Atom der Filtration Ft wird dabei jeweils in zwei Atome von Ft+1 geteilt. Folgendes Bild kann das<br />

schön verdeutlichen:<br />

S0<br />

u0<br />

d0<br />

<br />

u1<br />

d1<br />

<br />

<br />

u2<br />

d2<br />

u2<br />

d2<br />

F1<br />

F2 F3<br />

<br />

u1<br />

d1<br />

<br />

<br />

u2<br />

d2<br />

u2<br />

d2<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

u0u1u2u3S0<br />

<br />

<br />

u0u1d2d3S0<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

d0d1d2d3S0<br />

Die Beschreibung der Pfade erfolgt durch {0, 1}-wertige Zufallsvariablen: Seien X1, . . . , XT {0, 1}-wertige<br />

Zufallsvariablen mit P(X1 = x1, . . . , XT = xT ) > 0 für alle (x1, . . . , xT ) ∈ {0, 1} T . Der Vektor ω =<br />

25


KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL 26<br />

(x1, . . . , xT ) beschreibt dann einen Pfad im Baum, wobei xi = 1 ein Schritt nach oben und xi = 0 ein<br />

Schritt nach unten bedeutet. Insgesamt gibt es daher |Ω| = 2 T Pfade.<br />

6.1.1 Das Cox-Ross-Rubinstein (CRR) Modell als Spezialfall<br />

Definition 6.2 (Cox-Ross-Rubinstein Binomialmodell). Das Binomialmodell von Cox, Ross<br />

und Rubinstein ist der Zeit-homogene Spezialfall des Binomialmodells, in dem ut = u∀t und dt = d∀t,<br />

sowie rt = r mit e rt = (1 + R)∀t gewählt wird.<br />

Aus dem Binomialbaum mit 2 T verschiedenen Endwerten zum Zeitpunkt T wird damit ein Gitter ( ” Binomial<br />

lattice“, manchmal auch als ” Recombining binomial tree“ bezeichnet) mit T + 1 verschiedenen<br />

Endwerten zum Zeitpunkt T . Ein Pfad kann nun beschrieben werden durch einen modifizierten Bernoulli-<br />

Prozess ( ” T -facher Münzwurf“): {Xt, t = 1, . . . , T } ist ein stochastischer Prozess, wobei die X1, . . . , XT<br />

unabhängige Bernoulli-Zufallsvariablen auf {0, 1} mit P(X1 = 1) = P(X2 = 1) = · · · = 1−P(X1 = 0) = p.<br />

u<br />

d<br />

Su<br />

Suuu<br />

Suuuu = u 4 S0<br />

N4 = 4<br />

Suu Suuud = u 3 dS0 N4 = 3<br />

Suud<br />

S0 Sud Suudd = u 2 d 2 S0 N4 = 2<br />

Sd<br />

u<br />

d<br />

u<br />

d<br />

u<br />

d<br />

u<br />

d<br />

u<br />

d<br />

Sudd<br />

Sdd Suddd = ud 3 S0 N4 = 1<br />

Sddd<br />

Sdddd = d 4 S0<br />

N4 = 0<br />

Bemerkung 6.1. Die Reihenfolge, in der die up- und down-Bewegungen vor sich gehen, ist für den Wert<br />

des Prozesses irrelevant. Insbesondere ist Sud = Sdu.<br />

Wahrscheinlichkeitsmaß für Pfad ω = (x1, . . . , xT )<br />

Definiere den Zählprozess Nt(ω) = X1(ω) + · · · + Xt(ω), der die Anzahl der Sprünge nach oben zählt.<br />

Insbesondere charakterisiert er auch den Wert des Pfades zum Zeitpunkt t und damit die Position im<br />

Gitter, unabhängig vom Verlauf des Pfades bis zum entsprechenden Punkt. Es gilt:<br />

E[Nt] = E[Xi] = tp V ar[Nt] unabh.<br />

= V arXi = tp(1 − p)<br />

Man sieht nun, dass für t = 1, . . . die Verteilung von Nt gegeben ist durch:<br />

<br />

t<br />

P(Nt = n) =<br />

p<br />

n<br />

<br />

#Pfade<br />

n (1 − p) t−n<br />

, n = 0, 1, . . . , t<br />

<br />

n mal nach oben,<br />

(t − n) mal nach unten<br />

mit Nt = n<br />

Lemma 6.1. Die Verteilung von Nt, die auch die Verteilung der Werte St des Assets zu t beschreibt,<br />

ist die Binomialverteilung:<br />

P(Nt = n) = P(Xt = S0u n d t−n <br />

t<br />

) = p<br />

n<br />

n (1 − p) t−n


KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL 27<br />

Bemerkung 6.2. Der Prozess kann zum Zeitpunkt t nur t + 1 verschiedene Werte annehmen!<br />

6.2 Arbitrage-Überlegungen<br />

Lemma 6.2. Aus der ” No-Arbitrage“-Bedingung ergibt sich:<br />

dt < e rt < ut ∀t = 1, . . . , T . (6.1)<br />

Das risikoneutrale Maß im Binomialmodell ist eindeutig und besitzt die Form<br />

qt = ert − dt<br />

ut − dt<br />

Übungsbeispiel 6.1. Wenn (6.1) nicht erfüllt ist, gib eine Arbitrage-Strategie an!<br />

Betrachte nun den diskontierten risikobehafteten Preisprozess<br />

St = St<br />

Bt<br />

=<br />

St−1ute −rt wenn Xt = 1,<br />

St−1dte −rt wenn Xt = 0,<br />

Beweis. Wenn ein Martingalmaß Q existiert für S0, . . . , ST (und damit keine Arbitrage möglich ist), dann<br />

gilt für t = 1, . . . , T<br />

St−1 = EQ[ St|Ft−1]<br />

und nach Division durch das Ft−1-messbare St−1 weiter<br />

<br />

1 = EQ<br />

St<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Ft−1<br />

<br />

= ute −rt Q(Xt = 1|Ft−1)<br />

<br />

St−1<br />

=qt<br />

+dte −rt Q(Xt = 0|Ft−1)<br />

<br />

=1−qt<br />

Aufgelöst nach qt ergibt dies das eindeutig bestimmte risikoneutrale Maß<br />

qt = ert − dt<br />

ut − dt<br />

(6.2)<br />

= ute −rt qt + dte −rt (1 − qt) .<br />

Dies ist nur ein RNM mit qt ∈ ]0, 1[, wenn obige Ungleichungen dt < e rt < ut erfüllt sind.<br />

Bemerkung 6.3. Im CRR Modell ergibt sich für die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit eines Sprungs nach<br />

oben<br />

(1 + R) − d<br />

q = .<br />

u − d<br />

Das Martingalmaß für einen Pfad ω mit n Sprüngen nach oben ist Q(ω) = qn (1−q) t−n , das Martingalmaß<br />

für den Wert St ist<br />

Q(St = S0u n d t−n <br />

t<br />

) = q<br />

n<br />

n (1 − q) t−n , n = 0, 1, . . . , t<br />

Bemerkung 6.4. Da qt = Q(Xt = 1|Ft−1) = Q(Xt = 1) unabhängig vom bisherigen Verlauf und dem<br />

Wert Xt−1 – insbesondere also unabhängig von Ft−1 – ist, folgt<br />

Q(X1 = x1, . . . , XT = xT ) = Q(X1 = x1) · . . . · Q(XT = xT )∀x1, . . . , xT ∈ {0, 1}<br />

durch iteriertes Bedingen. D.h. die X1, . . . , XT sind unabhängige Bernoulli-Zufallsvariablen (nicht notwendigerweise<br />

identisch verteilt) unter Q!<br />

Bemerkung 6.5. Wenn (6.1) gilt, ist das Martingalmaß eindeutig und das Marktmodell daher vollständig.<br />

Es gibt also kein arbitragefreies unvollständiges Binomialmodell.


KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL 28<br />

6.3 Bepreisung im Binomialmodell<br />

Idee. Sei h : Ω → R ein Contingent Claim zur Zeit T , der FT = σ(X1, . . . , XT )-messbar ist. Dann sind<br />

die arbitragefreien diskontierten Preise gegeben durch EQ[h/BT |Ft] und die nicht diskontierten Preise<br />

durch<br />

<br />

h <br />

= EQ e −(rt+1+···+rT<br />

<br />

) <br />

h<br />

Ft für t = 0, 1, . . . , T .<br />

BtEQ<br />

BT<br />

Ft<br />

Bemerkung 6.6. Das Modell könnte erweitert werden auf stochastische Ft−1-messbare dt, ut und rt, die<br />

(6.1) erfüllen. Die Unabhängigkeit der X1, . . . , XT unter Q geht dabei aber eventuell verloren.<br />

Beispiel 6.1 (CRR Modell, Preisdynamik im Binomialbaum). Sei T = 3, S0 = 80, u = 1.5, d = 0.5,<br />

pu = 0.6, pd = 0.4 und R = 0.<br />

Betrachte eine Europäische Call-Option mit Ausübungszeitpunkt T = 3 und Ausübungspreis K = 80.<br />

Der Payoff ist also<br />

hT = max(ST − K, 0) = (ST − K) + .<br />

Der Binomialbaum für den Preisverlauf St der Aktie sieht folgendermaßen aus:<br />

180<br />

270 hT = 190<br />

120 90 hT = 10<br />

80 60<br />

40 30 hT = 0<br />

20<br />

10 hT = 0<br />

Die Bestimmung des Preises Π(t) zu Zeitpunkten t < T erfolgt durch Rückwärtsinduktion aus Π(T |FT ) =<br />

hT mittels risikoneutralen Maßes Q, qu = qd = 1<br />

2 :<br />

z.B.Π(t = 2|S2 = 180) = 1 1<br />

· 190 + · 10 = 100<br />

2 2<br />

Damit ergibt sich die Preisstruktur der Option als Replizierendes Portfolio durch Vorwärtsinduktion:<br />

80 27.5<br />

120 52.5<br />

40 2.5<br />

Beginne bei t = 0. Gesucht ist (x1, y1), sodass<br />

180 100<br />

60 5<br />

20 0<br />

x1+ 80y1 =27.5 (Preis zu t = 0)<br />

270 hT = 190<br />

90 hT = 10<br />

30 hT = 0<br />

10 hT = 0<br />

x1+120y1 =52.5 (Preis zu t = 1, X1 = 1 (up) )<br />

x1+ 40y1 = 2.5 (Preis zu t = 1, X1 = 0 (down) )


KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL 29<br />

Dieses redundante Gleichungssystem von drei Gleichungen für (x1, y1) besitzt die eindeutige Lösung<br />

x1 = −22.5, y1 = 0.625. Der Preis (rechte Seite des GS) wurde genau so bestimmt, dass diese Gleichungen<br />

eine Lösung besitzen.<br />

Analog kann nun zu jedem Zeitpunkt t − 1 das Portfolio (xt, yt) ausgehend von der momentanen Position<br />

im Gitter bestimmt werden:<br />

− 45<br />

2<br />

<br />

5 , 8<br />

27.5<br />

<br />

85 95 − 2 , 120<br />

<br />

5 1 − 2 , 8<br />

2.5<br />

52.5<br />

(−80, 1)<br />

<br />

1 −5, 6<br />

Proposition 6.3. Betrachte einen Claim X = Φ(ST ). Dieser kann durch ein selbstfinanzierendes<br />

Portfolio erreicht werden. Bezeichne Vt(k) den Wert am Knoten (t, Nt<br />

rekursiv bestimmt werden<br />

= k). Dann kann Vt(k)<br />

<br />

VT (k) = Φ<br />

T<br />

<br />

(0, 0)<br />

0<br />

100<br />

S0 u<br />

t=1<br />

Xt<br />

t d 1−Xt<br />

t<br />

Vt(k) = e −rt [qu,tVt+1(k + 1) + qd,tVt+1(k)]<br />

mit dem Martingalmaß Q aus (6.2). Das replizierende Portfolio (xt, yt) ist gegeben durch<br />

xt(k) = e −rt [utVt(k) − dtVt(k + 1)] /(ut − dt)<br />

yt(k) = 1<br />

[Vt(k + 1) − Vt(k)] /(ut − dt)<br />

St−1<br />

6.4 Europäische Call-Option im Binomialmodell<br />

Betrachte ein Wertpapier im CRR Modell, d.h. seien rt = r, ut = u und dt = d konstant (unabhängig von<br />

t) und bezeichne Nt = t n=1 Xt die Anzahl der up“-Bewegungen bis zum Zeitpunkt t. Der Aktienkurs<br />

”<br />

beträgt damit St = S0uNt dt−Nt , der diskontierte Aktienkurs ist St = St/Bt = e−rtS0uNt dt−Nt .<br />

Unter Q hat Nt (und damit auch St bzw. St) eine Binomial-Verteilung<br />

Q St = S0u k d t−k <br />

t<br />

= q<br />

k<br />

k (1 − q) t−k , k ∈ {0, . . . , t} , t = 1, . . . , T .<br />

Der betrachtete Claim sei eine europäische Call-Option mit Ausübungspreis K zum Zeitpunkt T , der<br />

Payoff lautet also h = (ST − K) + . Nach der bisherigen Theorie ist der arbitragefreie Preis C0 von h zum<br />

Zeitpunkt t = 0 gegeben durch<br />

C0 = EQ<br />

<br />

e −rT (ST − K) +<br />

= EQ<br />

ST − e −rT <br />

+<br />

K .<br />

5<br />

190<br />

10<br />

0<br />

0


KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL 30<br />

Die Option ist ” in the money“ genau dann, wenn<br />

ST ≥ K ⇔ S0u NT d T −NT ≥ K ⇔<br />

Der Wert der Option beträgt damit<br />

C0 = e −rT<br />

T<br />

n=nk<br />

<br />

u<br />

NT d<br />

≥ K<br />

S0d T ⇔ NT ≥ nk =<br />

<br />

S0u n d T −n − K <br />

T<br />

q<br />

n<br />

n T −n<br />

(1 − q)<br />

<br />

log(K/S0dT <br />

)<br />

log(u/d)<br />

Bemerkung 6.7. Die rekursive Berechnung wie im letzten Abschnitt und die direkte Berechnung über den<br />

gesamten Erwartungswert sind aufgrund der Linearität des Erwartungswerts äquivalent.<br />

6.5 Verteilung des Maximums im Binomialmodell (Reflection<br />

Principle)<br />

Betrachte den Spezialfall u · d = 1, d.h. ” up“ und ” down“ heben sich genau auf, womit der Aktienkurs<br />

sich vereinfacht zu<br />

St = S0u 2Nt−t .<br />

Definiere YT = max {St : t = 0, 1, . . . , T } mit Werten aus S0, S0u, . . . , S0u T als das Maximum des<br />

Kurses bis zum Zeitpunkt T .<br />

Ziel. Unser Ziel ist nun die Bestimmung der Verteilung von YT , also P(YT ≥ S0u i ) = P(2Nt − t ≥<br />

i für ein i) für i = 0, 1, . . . , T .<br />

Bei der Bestimmung dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung werden wir einen sehr nützlichen Trick, das<br />

” Reflection Principle“ anwenden, welches uns eine Bijektion zwischen Pfaden liefert, die an einem bestimmten<br />

Level gespiegelt sind. Dasselbe Prinzip kann auch z.B. für die Bestimmung des Maximums der<br />

Brown’schen Bewegung benutzt werden.<br />

Lemma 6.4 (Verteilung des Maximums im Binomialgitter). Das Maximum Yt eines Pfades<br />

im Binomialgitter besitzt die Verteilung<br />

P(Yt ≥ S0U i ) =<br />

mit n ∗ = min i ∈ R, i ><br />

T<br />

T +i<br />

<br />

T +i<br />

T −i<br />

p 2 (1 − p) 2<br />

<br />

2<br />

<br />

=0, wenn T + i ungerade<br />

<br />

T +i<br />

2 .<br />

+<br />

T<br />

n=n ∗<br />

<br />

T pn T −n T +i−n n−i<br />

(1 − p) + p (1 − p)<br />

n<br />

<br />

Beweis. Betrachte alle Pfade, die S0u i erreichen und definiere τi = min {t : 2Nt − t = i} als den ersten<br />

Zeitpunkt, zu dem S0u i erreicht wird. Nach Voraussetzung gilt τi ≤ T . Wähle i = 0, . . . T fix und betrachte<br />

drei disjunkte Fälle für den Endzeitpunkt:<br />

1. 2NT − T = i (nur möglich, wenn i = T, T − 2, T − 4, . . . )<br />

2. 2NT − T > i<br />

3. 2NT − T < i, aber Yt ≥ S0u i<br />

Bei Fall 1 und 2 erreicht der Pfad automatisch S0u i . Die Verteilung des Maximums kann daher zerlegt<br />

werden in<br />

P(2Nt − t ≥ i für ein i) = P(2NT − T = i) + P(2NT − T > i) + P((2NT − T < i) ∧ (τi ≤ T ))<br />

Die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Terme lassen sich getrennt bestimmen:


KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL 31<br />

1. P(2NT − T = i) = P NT = 1<br />

2 (i + T ) = T T +i<br />

T −i<br />

T +i p 2 (1 − p) 2 , wenn i = T, T − 2, T − 4, . . . ,<br />

2<br />

ansonsten 0<br />

2. P(2NT − T > i) = T<br />

n=n ∗<br />

T<br />

n<br />

<br />

n T −n ∗ T +i<br />

p (1 − p) mit n = min i ∈ R, i > 2<br />

3. Dieser Fall ist komplizierter, da aus der Bedingung für T nicht auf das Maximum geschlossen<br />

werden kann. Allerdings werden wir feststellen, dass eine Dualität mit den Pfaden aus Fall 2 besteht,<br />

insbesondere eine Bijektion zwischen den Pfaden in 2 und 3:<br />

Betrachte also einen beliebigen Pfad P ∗ in 3. Er erreicht nach Definition den Wert S0u i , weshalb<br />

τi < T gilt. Der Pfad P , der bis zu τi mit P ∗ übereinstimmt und ab dann an S0u i gespiegelt ist<br />

(siehe Grafik 6.1), erfüllt 2NT − T > i und liegt daher in 2. Außerdem ist er eindeutig (also die<br />

Abbildung injektiv). Auf dieselbe Art können wir jedem Pfad aus Fall 2 einen Pfad aus Fall 3<br />

zuweisen, womit wir eine Bijektion zwischen Fall 2 und 3 haben. Insbesondere hat Fall 2 gleich viele<br />

Pfade wie 3.<br />

Τi<br />

1 2 3 4 5<br />

Abbildung 6.1: Das Reflektionsprinzip: Ab der Stoppzeit τi wird der Pfad am Level S0u i gespiegelt. Damit<br />

erhalten wir eine Bijektion zwischen Pfaden in 2 und 3.<br />

Betrachte nun einen Pfad aus 2 mit NT = n ≥ n ∗ . Seine Wahrscheinlichkeit ist p n (1 − p) T −n und<br />

es gibt T<br />

derartige Pfade, die bei n enden. Sein Partnerpfad aus 3 endet bei NT = T + i − n<br />

n<br />

(symmetrisch unter der Schranke (T +i)/2) und hat daher die Wahrscheinlichkeit pT +i−n (1−p) n−i .<br />

Auch hier gibt es genau T<br />

n verschiedene derartige Pfade wegen der Dualität.<br />

Damit erhalten wir die Wahrscheinlichkeiten<br />

<br />

T<br />

P((2NT − T < i) ∧ (NT = T + i − n) ∧ (τi < T )) = p<br />

n<br />

T +i−n (1 − p) n−i<br />

T<br />

<br />

T<br />

P((2NT − T < i) ∧ (τi < T )) = p<br />

n<br />

T +i−n (1 − p) n−i<br />

n=n ∗<br />

Insgesamt erhalten wir also genau den Ausdruck im Lemma.<br />

Die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Maximums wird z.B. benötigt für<br />

• Knock-Out/-In Optionen: Dieser Typ von Optionen zahlt nichts (oder nur dann) aus, wenn der<br />

Kurs irgendwann eine bestimmte Schranke über- oder unterschreitet.<br />

• Lookback-Optionen: Payoff h ist abhängig vom Maximum (oder Minimum) des Kurses in einem<br />

Zeitintervall. Z.B. das Recht, zu T die Aktie zum höchsten Kurs YT bis zu diesem Zeitpunkt zu<br />

verkaufen. Für die Bewertung wird damit die genau Verteilung des Maximums sowie des Kurses<br />

benötigt.


KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL 32<br />

6.5.1 Übungsaufgaben<br />

Bsp. 6.1) Lookback-Option im CRR-Modell mit Payoff X = (YT − K) + (Call) mit YT = max0≤t≤T St.<br />

Benutze u · d = 1 und bepreise diese Option.<br />

Hinweis: Die Verteilung unter dem risikoneutralen Maß hat dieselbe Verteilung wie die tatsächlichen<br />

Wahrscheinlichkeiten, lediglich mit q statt p.<br />

Bsp. 6.2) Knockout-Option im CRR-Modell: Bepreise eine Option mit Strike K und Knockout-Barriere<br />

H, K < H, S0 < H, mit Payoff<br />

<br />

(St − K)<br />

X =<br />

+ wenn YT < H<br />

0 sonst


Kapitel 7<br />

Markov <strong>Modelle</strong><br />

Dieser Abschnitt hält sich in groben Zügen an [Pli97] und [Sch02], für tiefer gehende Theorie zu Markov-<br />

Ketten, siehe [Wil91].<br />

Sei (E, E) der Zustandsraum (messbar) und (Ω, F, {Ft} t∈I , P) mit I ⊆ R ein filtrierter Wahrscheinlichkeitsraum.<br />

Definition 7.1. Ein adaptierter stochastischer Prozess {Xt}, Xt : Ω → E, ist ein Markov-Prozess<br />

bezüglich der Filtration {Ft} t∈I , wenn<br />

P (Xt+1 = j|Ft = σ(X1, . . . , Xt)) = P (Xt+1 = j|Xt) ∀j ∈ E, ∀t ∈ I .<br />

(⇔ P (Xt+s = j|Ft) = P (Xt+s = j|Xt) ∀s<br />

(⇔ ∀s, t ∈ I, s < t : P (Xt ∈ F |Fs) = P (Xt ∈ F |Xs) P-f.s.∀F ∈ E) (7.1)<br />

Bemerkung 7.1. Die Relation (7.1) wird Markov-Eigenschaft genannt.<br />

Interpretation. Die Zukunft Xt hängt von der Vergangenheit (Fs) s≤t nur durch den momentanen Zustand<br />

Xs ab, nicht durch den gesamten bisherigen Verlauf σ(X1, . . . , Xs).<br />

Definition 7.2 (homogener bzw. stationärer Markovprozess). Ein Markov-Prozess heißt homogen<br />

oder stationär, wenn<br />

P (Xt+u ∈ F |Xt) = P (Xs+u ∈ F |Xs) ∀s, t ∈ I∀u .<br />

Die Übergangswahrscheinlichkeiten für einen Zeitschritt können dann als Matrix P dargestellt werden<br />

mit Einträgen<br />

P(i, j) = P(Xt+1 = j|Xt = i), i, j ∈ E .<br />

Die Übergangswahrscheinlichkeiten für n Zeitschritte ergeben sich als die Einträge der n-ten Matrixpotenz<br />

von P: Pi,j(n) = (P n ) i,j .<br />

Beispiel 7.1. Der Random Walk Sn = Y1 + Y2 + · · · + Yn = Sn−1 + Yn mit (Yi)i∈R unabhängige identisch<br />

verteilte Zufallsvariablen ist ein (homogener) Markovprozess.<br />

Lemma 7.1. Die Markoveigenschaft (7.1) ist äquivalent zu EP[g(Xt)|Fs] = EP[g(Xt)|Xs] P-f.s. für<br />

alle E-messbaren Funktionen g : E → R, die beschränkt oder nicht-negativ sind.<br />

33


KAPITEL 7. MARKOV MODELLE 34<br />

Beweisskizze.<br />

⇐ Trivial: g = 1F ∀F ∈ E<br />

⇒ Standard-Methode: für charakteristische Funktionen nach Vor. erfüllt ⇒ für einfache Funktionen<br />

(Treppenfunktionen) durch Linearität des Erwartungswerts erfüllt.<br />

Für beschränkte, messbare g : E → R existiert eine Folge von einfachen Funktionen (gn) n∈R mit<br />

gn∞ ≤ g und gn → g punktweise. Wegen der dominierten Konvergenz folgt dann<br />

EP[g(Xt)|Fs]<br />

dom.<br />

Konv.<br />

Markov<br />

= lim EP[gn(Xt)|Fs] = lim<br />

n→∞ n→∞ EP[gn(Xt)|Xs]<br />

dom.<br />

Konv.<br />

= EP[g(Xt)|Xs)] P-f.s.<br />

Bei nicht-negativem g benutze stattdessen monotone Konvergenz, allgemeine g lassen sich schließlich<br />

als Differenz zweier nicht-negativer Funktionen darstellen.<br />

Bemerkung 7.2. Die Markov-Eigenschaft für R d -wertige Prozesse ist komponentenweise definiert.<br />

Lemma 7.2. Sei Xt : Ω → R, t ∈ I ⊂ R, ein Markov-Prozess. Dann gilt für alle E ⊗ E-messbaren<br />

h : E × E → R, die beschränkt oder nicht-negativ sind, für s, t ∈ I, s < t:<br />

(vergleiche (3.35) in Pliska [Pli97])<br />

EP[h(Xs, Xt)|Fs] = EP[h(Xs, Xt)|Xs] P-f.s. (7.2)<br />

Beweis. Sei zuerst h(x, y) = f(x)g(y) mit f, g : E → R beschränkt und E-messbar:<br />

EP[h(Xs, Xt)|Fs] = EP[f(Xs)g(Xt)|Fs] = f(Xs)EP[g(Xt)|Fs] = f(Xs)EP[g(Xt)|Xs] = E[f(Xs)g(Xt)|Xs]<br />

Sei nun H = {h : E × E → R|h ist E ⊗ E-messbar, beschränkt und erfüllt (7.2)}. H erfüllt:<br />

1. H ist ein Vektorraum.<br />

2. H enthält alle h(x, y) = f(x)g(y) mit f, g : E → R beschränkt und E-messbar (insbesondere<br />

h = 1F ×G mit F, G ∈ E)<br />

3. Wenn {hn} n∈R ⊂ h beschränkt und nicht-negativ mit hn ↗ h, dann gilt h ∈ H (über monotone<br />

Konvergenz).<br />

Wegen dem Theorem über monotone Klassen (siehe Anhang) enthält H daher alle beschränkten, E ⊗ Emessbaren<br />

h : E × E → R. Daher wegen 3 auch alle nicht-negativen h, die E ⊗ E-messbar sind.<br />

Bemerkung 7.3. Die Verallgemeinerung auf d Dimensionen erfolgt durch komponentenweise Betrachtung.<br />

Theorem 7.3. Sei der Preisprozess S0, . . . , ST ein Markov-Prozess unter P (mit E = R d ) und<br />

arbitragefrei. Dann existiert ein äquivalentes Maß Q ∼ P, sodass S0, . . . , ST ein Q-Martingal ist,<br />

sowie ein Markov-Prozess unter Q.<br />

Bemerkung 7.4. Die Existenz eines äquivalenten Martingalmaßes folgt aus der Arbitragefreiheit. Dieser<br />

Satz sagt aus, das die Markov-Eigenschaft auch unter einem äquivalenten Martingalmaß erhalten bleibt.<br />

Beweis. Die Existenz eines Q ′ ∈ M ∞ t folgt nach Dalang-Morton-Willinger.<br />

Definiere ZT = dQ ′ /dP und Zt = EP[ZT |Ft]. Für jedes A ∈ Ft gilt<br />

Q ′ (A) = EP[1AZT ] bed.EW<br />

= EP [1AE[ZT |Ft]] = EP[1AZt]<br />

Dies bedeutet, dass Zt eine Dichte von Q ′ | bezüglich P| ist.<br />

Ft Ft<br />

Da Q ′ <br />

Zt+1 <br />

∼ P, gilt ZT > 0 P-f.s. und EP Ft = Zt<br />

1<br />

Zt EP[Zt+1|Ft].<br />

<br />

Zt <br />

Konstruktion von Q ∼ P: Definiere dt = EP Zt−1<br />

St, <br />

St−1 für t = 1, . . . , T .<br />

Betrachte Y0 = Z0 und Yt = Z0d1 · · · · · dt für t = 1, . . . , T . Dann:


KAPITEL 7. MARKOV MODELLE 35<br />

1. dt > 0 f.s., daher auch Yt > 0 f.s. ∀t = 1, . . . , T<br />

2. dt ist Ft-messbar, daher auch Yt ∀t = 1, . . . , T<br />

3. EP[dt+1|Ft] Def<br />

<br />

Zt+1 <br />

= EP EP <br />

Zt<br />

St+1, <br />

<br />

St <br />

<br />

<br />

Ft<br />

<br />

EP<br />

EP [Zt+1/Zt| Ft]<br />

<br />

= 1<br />

Z<br />

EP[Zt+1|Ft]<br />

t Mart.<br />

= 1<br />

Z Zt=1<br />

t<br />

=h( e St, e St+1)<br />

<br />

St = 1. Daher gilt<br />

Lem. 7.2<br />

<br />

Yt+1 <br />

EP <br />

Yt<br />

Ft <br />

dt+1<br />

<br />

= EP[h( St, St+1)| St]= 1EP[Zt+1/Zt| St] bed.EW<br />

=<br />

<br />

= 1 ,<br />

weshalb Yt ein P-Martingal ist und daher EP[YT ] = EP[Y0] = EP[Z0] = 1 erfüllt.<br />

Insgesamt wird also durch dQ<br />

dP = YT ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q mit Q ∼ P definiert.<br />

Martingaleigenschaft von ( S0, . . . , ST ) bezüglich Q:<br />

EQ[ St+1|Ft] Bayes<br />

= EP[Yt+1 St+1|Ft]<br />

EP[Yt+1|Ft]<br />

<br />

=Yt<br />

eSt+1 ist <br />

eSt+1-mb<br />

= EP EP<br />

= EP[ St| St] = St.<br />

Zt+1<br />

Zt<br />

Yt+1<br />

= EP<br />

Yt<br />

<br />

dt+1<br />

<br />

St+1Ft<br />

<br />

<br />

<br />

St, <br />

<br />

St+1 St<br />

= EP<br />

Lemma mit<br />

h( e St, e St+1)=<br />

dt+1 e St+r<br />

= EP<br />

<br />

Zt+1 St+1<br />

Zt<br />

<br />

dt+1 St+1| St<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

1<br />

St = EP EP[Zt+1<br />

Zt<br />

<br />

<br />

St+1|Ft] <br />

<br />

<br />

<br />

St<br />

Bayes<br />

= EQ ′ [ e St+1|Ft] Q′ -Mart.<br />

= e St<br />

Markov-Eigenschaft von ( S0, . . . , ST ) bezüglich Q: Sei g : R d → R beschränkt und messbar.<br />

EQ[g( St+1|Ft] Bayes<br />

= EP[Yt+1g( St+1)|Ft]<br />

= EP[dt+1g(<br />

EP[Yt+1|Ft]<br />

<br />

St+1) |Ft]<br />

<br />

Lemma<br />

= EP[dt+1g( St+1)| St] = . . .<br />

Yt<br />

=:h( e St, e St+1)<br />

· · · = EQ[g( St+1)| St]<br />

Korollar 7.4. Der Preis im Zustand F ∈ E hängt nicht von der Vergangenheit ab, sondern nur vom<br />

momentanen Zustand:<br />

Def. MM <br />

St = EQ<br />

St+s<br />

ME <br />

Ft = EQ<br />

St+1<br />

<br />

<br />

∀t, s<br />

<br />

gesamter<br />

bish. Verlauf<br />

St<br />

<br />

Knoten im<br />

Baum/Gitter<br />

Beispiel 7.2. Das Binomialmodell ist ein Spezialfall des Markov-Modells.<br />

Bemerkung 7.5 (Faktormodell). Obige Eigenschaften gelten nur für deterministischen Zins rm. Ist das<br />

Bankkonto nicht deterministisch, sondern stochastisch, ist St i.A. keine Markovkette mehr (auch wenn<br />

Bt ein Markov-Prozess ist!).<br />

Mögliche Lösung in diesem Fall: Marktmodell mit zugrunde liegendem Faktorprozess X (Markov-Prozess),<br />

von dem das Bankkonto abhängt (z.B. Preise aller relevanten Wertpapiere).<br />

1 Da σ( e St) ⊂ σ( e St, e St+1)


KAPITEL 7. MARKOV MODELLE 36<br />

Das Bankkonto ist dann definiert durch ft : Rk → R, ft(Xt) = Bt, wobei Xt ein entsprechender Sample-<br />

Pfad aus Ω ist. Ebenso sind die Wertpapiere in Abhängigkeit vom Markov-Prozess X definiert: S (n)<br />

t =<br />

S (n)<br />

t (Xt), wobei S (n)<br />

t nun nicht unbedingt ein Markov-Prozess sein muss.<br />

S (n) ist nun der Quotient zweier Funktionen des Markov-Prozesses Xt, aber nicht unbedingt selbst ein<br />

Markov-Prozess. Nun kann analog wie im Satz vorgegangen werden: X (und nicht S) ist ein Markov-<br />

Prozess unter Q und damit<br />

S (n)<br />

<br />

t = EQ<br />

S (n)<br />

t+s|Ft = EQ[ S (n)<br />

t+s|Xt] ∀n, t, s .<br />

Beispiel 7.3. Sei gt(x) = S0u x d t−x , dann ist im Binomialmodell St = gt(Nt), wobei Nt ein Markov-<br />

Prozess ist. St ist stationär, weil die Übergangswahrscheinlichkeiten konstant sind (mit X1, . . . , XT i.i.d.):<br />

⎧<br />

⎪⎨ p, wenn j = su<br />

P(St+1 = j|St = s) = 1 − p,<br />

⎪⎩<br />

0,<br />

wenn j = sd<br />

sonst<br />

Wenn u = 1<br />

d (anderenfalls liefert eine up und eine down-Bewegung nicht wieder denselben Wert und die<br />

Anzahl der möglichen Zustände ist zeitabhängig), dann gibt es 2T + 1 mögliche Zustände.<br />

Martingalbedingungen für Q: Es ist St = S0uNt dt−Nt /(1 + R) t .<br />

EQ[ St+1| St] = EQ[S0u Nt+1 d t+1−Nt+1 /(1 + R) t+1 | St] = EQ[S0u Nt+Xt+1 d t−Nt+1−Xt+1 /(1 + R) t+1 | St]<br />

Nt ist<br />

eSt-mb. u<br />

= S0<br />

Ntdt−Nt = St<br />

1 + R<br />

(1 + R) t EQ[u Xt+1 d 1−Xt+1 /(1 + R)| St] iid.<br />

= St/(1 + R)EQ[u Xt+1 d 1−Xt+1 ]<br />

<br />

<br />

(1 + r) − d − (1 + R)<br />

u + du =<br />

u − d u − d<br />

St<br />

Das Binomialmodell ist also ein Markov-Modell.<br />

Alternativ kann das Binomialmodell auch als ein Faktormodell mit dem Faktorprozess Nt angesehen<br />

werden:<br />

EQ[ St+1|Nt] = St<br />

7.1 Übungsaufgaben<br />

Bsp. 7.1) Betrachte das Binomialmodell als Spezialfall eines Faktormodells und zeige, dass E[ St+1|Nt] =<br />

St.


Kapitel 8<br />

Grenzübergang im Binomialmodell:<br />

Das Black-Scholes Modell<br />

8.1 Schwache Konvergenz, zentraler Grenzwertsatz in schwacher<br />

Formulierung<br />

Sei (S, d) ein metrischer Raum und S seine Borel-σ-Algebra.<br />

Definition 8.1 (schwache Konvergenz). Eine Folge (µn) n∈R von Wahrscheinlichkeitsmaßen auf<br />

(S, S) konvergiert schwach gegen ein Wahrscheinlichkeitsmaß µ, wenn<br />

<br />

lim<br />

n→∞<br />

fdµn = fdµ für alle beschränkten, stetigen f : S → R.<br />

Notation. µn<br />

w<br />

−→ µ<br />

S<br />

S<br />

Theorem 8.1 (zentraler Grenzwertsatz, o.B.). Seien {Xn} n∈R ⊂ L 2 (Ω, F, P) unabhängige,<br />

identisch verteilte Zufallsvariablen. Definiere Sn = X1 + . . . Xn. Die Verteilung von<br />

Gn = SN − E[Sn]<br />

√ , n ∈ R<br />

V arSn<br />

konvergiert schwach gegen die Standard-Normalverteilung auf (R, B). D.h. für alle beschränkten,<br />

stetigen Funktionen f : R → R gilt<br />

lim<br />

n→∞ E[f(Gn)]<br />

<br />

= f(x) 1 1 − √ e 2<br />

2π x2<br />

dx .<br />

R<br />

w<br />

Lemma 8.2. Sei (S, d) ein metrischer Raum, µn −→ µ und f : S → R stetig (aber nicht unbedingt<br />

beschränkt).<br />

1. Wenn ∀ε > 0∃Mε > 0 mit<br />

<br />

sup |f|dµn ≤ ε ,<br />

n∈R |f|>Mε<br />

dann gilt f ∈ L1 <br />

(S, S, µ) und limn→∞ S fdµn = <br />

S fdµ.<br />

37


KAPITEL 8. GRENZÜBERGANG IM BINOMIALMODELL: DAS BLACK-SCHOLES MODELL 38<br />

2. Wenn ein messbares ϕ : [0, ∞) → [0, ∞) existiert mit<br />

ϕ(x)<br />

lim<br />

x→∞ x<br />

dann gilt 1 auch für f.<br />

= ∞ und sup<br />

n∈R<br />

<br />

ϕ(|f|)dµn < ∞ ,<br />

S<br />

Definition 8.2. Sei (S, d) ein metrischer Raum mit Borel-σ-Algebra S. Eine Folge von Zufallsvariablen<br />

Xn : Ω → S, n ∈ R ist schwach konvergent gegen die Zufallsvariable X : Ω ′ → S, wenn<br />

die Verteilungen µn = PX −1<br />

n , n ∈ R, schwach gegen µ = P ′ X −1 konvergieren, wobei (Ω ′ , F ′ , P ′ ) ein<br />

anderer Wahrscheinlichkeitsraum sein kann.<br />

8.2 Reskalierung des Binomialmodells<br />

Ziel. Skalierung des Binomialmodells auf m Schritte der Länge T/m, T > 0, und Grenzübergang m → ∞,<br />

was zu einem stetigen Modell führt.<br />

Betrachte ein Binomialmodell mit:<br />

1. Zinsrate rm: e rT = (e rm ) m ⇒ rm = rT<br />

m<br />

2. Schritt nach oben: um = e rT<br />

m<br />

<br />

1 + α<br />

<br />

T<br />

m<br />

ist also proportional zur Wurzel aus dem Zeitschritt, √ ∆t.<br />

3. Schritt nach unten: Wähle β ∈ 0, <br />

m<br />

T und dm = e rT<br />

m<br />

<br />

mit geeignetem α > 0. Die Größe des Schrittes α T/m<br />

<br />

1 − β<br />

<br />

T<br />

m .<br />

Das Martingalmaß Q dieses Binomialmodells mit m Schritten, in dem die X1, . . . , Xm unabhängige,<br />

identisch verteilte Bernoulli-Variablen sind, lautet<br />

Q(Xi = 1) = q = erm − dm<br />

um − dm<br />

Notation. σ = √ αβ wird Volatilität genannt.<br />

e<br />

=<br />

rmβ erm (α + β)<br />

<br />

T<br />

m<br />

<br />

T<br />

m<br />

= β<br />

α + β<br />

für i = 1, . . . , m<br />

Insgesamt haben wir also 4 Parameter α, β, q und σ, von denen 2 frei wählbar sind.<br />

Wenden wir nun eine Taylor-Approximation auf log um und log dm an:<br />

log um<br />

dm<br />

log um = rT<br />

m<br />

log dm = rT<br />

m<br />

<br />

T<br />

+ α<br />

m<br />

<br />

T<br />

− β<br />

m<br />

= log um − log dm = (α + β)<br />

1 T<br />

− α2<br />

2 m<br />

1 T<br />

− β2<br />

2 m<br />

<br />

1<br />

+ O<br />

m3/2 <br />

<br />

1<br />

+ O<br />

m3/2 <br />

<br />

T 1 2 2<br />

− α − β<br />

m 2<br />

<br />

T 1<br />

+ O<br />

m m3/2


KAPITEL 8. GRENZÜBERGANG IM BINOMIALMODELL: DAS BLACK-SCHOLES MODELL 39<br />

Betrachte den diskontierten Aktienpreis nach m Schritten der Größe T<br />

m :<br />

Sm = S0 e −rT<br />

<br />

(e−rm )m<br />

u Nm<br />

m d m−Nm<br />

m = S0e −rT <br />

exp<br />

einfügen<br />

= S0e −rT exp<br />

Nm −<br />

Nm<br />

<br />

= P log<br />

Xi<br />

um<br />

+ m log dm<br />

dm<br />

E[Nm]<br />

<br />

mq<br />

mq(1 − q)<br />

<br />

√ Var Nm<br />

<br />

=:N<br />

<br />

∗ m ... ZV<br />

<br />

√ um<br />

m q(1 − q) log + mq log<br />

dm<br />

<br />

(△)<br />

um<br />

<br />

+ m log dm<br />

dm<br />

<br />

()<br />

Die einzelnen Terme berechnen sich durch Einsetzen der Definitionen und der Taylor-Approximation zu<br />

(△) = √ <br />

<br />

β α<br />

T 1<br />

T 1<br />

m<br />

(α + β) − (α + β)(α − β) + O<br />

α + β α + β<br />

m 2 m m3/2 = <br />

√T 1 T 1<br />

αβ − (α − β) √ + O<br />

2 m m<br />

σ<br />

Insgesamt also<br />

() = mq log um<br />

+ m log dm = mq log um + m(1 − q) log dm<br />

dm<br />

mq log um = rT q + qα √ T m − α2<br />

<br />

1<br />

qT + O √m<br />

2<br />

m(1 − q) log dm = rT (1 − q) − β(1 − q) √ T m − 1<br />

2 β2 <br />

1<br />

(1 − q)T + O √m<br />

Sm = S0 exp(−rT ) exp<br />

− T<br />

2<br />

<br />

N ∗ <br />

√T 1<br />

mσ −<br />

2<br />

α 2 q + β 2 (1 − q) + O<br />

<br />

T 1<br />

(α − β) √ + O<br />

m<br />

<br />

1<br />

√m<br />

m<br />

<br />

+ rT + √ T m (qα − β(1 − q))<br />

<br />

= S0 exp N ∗ mσ √ <br />

1<br />

T 1 + O √m + √ <br />

αβ βα<br />

T m − −<br />

α + β α + β<br />

<br />

=0<br />

T<br />

2 α β<br />

2 α + β + β2 <br />

α<br />

α + β<br />

<br />

=αβ α+β<br />

α+β =σ2<br />

<br />

1<br />

+O √m<br />

<br />

= S0 exp N ∗ mσ √ <br />

1<br />

T 1 + O √m − T<br />

2 σ2 <br />

1<br />

+ O √m<br />

Nach dem zentralen Grenzwertsatz gilt N ∗ m<br />

√<br />

∗<br />

T Nm Außerdem gilt N ∗ mσ √ <br />

1 T O √m<br />

1 + O √m<br />

Insgesamt<br />

N ∗ mσ √ T<br />

<br />

1 + O<br />

Sm<br />

w<br />

−−−−→<br />

m→∞ W1 ∼ N (0, 1). Daher<br />

w<br />

−−−−→<br />

m→∞ WT ∼ N (0, T ) .<br />

2<br />

L ,P<br />

−−−−→ 0 und daher<br />

m→∞<br />

1<br />

√m<br />

<br />

+ O<br />

<br />

1 w<br />

√m −−−−→<br />

m→∞ σWT<br />

w<br />

−−−−→<br />

m→∞ S0<br />

<br />

exp σWt − 1<br />

2 σ2 <br />

T<br />

Korollar 8.3. Der diskontierte Preis zur Zeit t im skalierten Binomialmodell mit m Zeitschritten der<br />

Größe T<br />

m konvergiert schwach (bzw. in der Verteilung) gegen die geometrische Brown’sche Bewegung<br />

S0 exp σWt − 1<br />

2σ2 T zur Zeit T .<br />

(8.1)


KAPITEL 8. GRENZÜBERGANG IM BINOMIALMODELL: DAS BLACK-SCHOLES MODELL 40<br />

8.3 Die Black-Scholes-Formel<br />

Konvergenzsätze auf Europäische Call-Option angewendet:<br />

Mit µm = Q S −1<br />

m und µ = P ′ S0 exp σWT − 1<br />

2 σ2 T −1 haben wir gerade µm<br />

w<br />

−→ µ gezeigt für m → ∞.<br />

Wenn f(x) = x − e−rT K +<br />

(Payoff des Calls), x ∈ R, die Bedingungen des Punktes 2 des Lemmas 8.2<br />

erfüllt, dann ist:<br />

C (m) = EQ<br />

Sm − e −rT <br />

+<br />

K =<br />

+ −rT<br />

x − e K dµm<br />

<br />

R<br />

Preis im Binomialmodell<br />

w<br />

−−−−−−−→<br />

Lemma 8.2<br />

<br />

+ −rT<br />

x − e K dµ = EP ′<br />

<br />

S0 exp σWT − 1<br />

2 σ2 <br />

T − e −rT <br />

+<br />

K<br />

<br />

Call-Optionspreis im Modell mit geom. BB<br />

R<br />

f ist stetig, aber unbeschränkt. Allerdings erfüllt es die Bedingungen des Punktes 2 von Lemma 8.2 mit<br />

messbarem ϕ(x) = x2 , welches auch ϕ(x)<br />

x = x → ∞ erfüllt.<br />

<br />

<br />

ϕ(|f|)dµm = f<br />

R<br />

R<br />

2<br />

<br />

≤x2 2 2<br />

dµm ≤ EQ Sm = EQ S0e −2rT u 2Nm<br />

m d 2m−2Nm<br />

m<br />

= S 2 0e −2rT<br />

m<br />

u 2n<br />

m d 2m−2n<br />

<br />

m<br />

m q<br />

n<br />

n (1 − q) m−n<br />

n=0<br />

<br />

Binomialvert. unter Q<br />

<br />

=(qu2 m +(1−q)d2 m )m wegen Binomialformel<br />

⎛ 2 = S 2 0e −2rT ⎝qe 2rT<br />

m<br />

<br />

T<br />

1 + α<br />

m<br />

+ (1 − q)e 2rT<br />

⎞<br />

2<br />

m<br />

T<br />

m 1 − β ⎠<br />

m<br />

= S 2 0e −2rT e 2rT<br />

<br />

β<br />

T T<br />

1 + 2α + α2 +<br />

α + β<br />

m m<br />

α<br />

m T T<br />

1 − 2β + β2<br />

α + β<br />

m m<br />

= S 2 <br />

2 T T m<br />

α + β + α β m + αβ2 m<br />

0<br />

(α + β) m = S 2 <br />

0 1 + T<br />

m αβ<br />

<br />

σ2 m ↗m→∞ S0 exp σ 2 T =: L < ∞<br />

Damit ist also das Lemma 8.2, Punkt 1, anwendbar und das Black-Scholes-Modell ergibt sich tatsächlich<br />

als Grenzwert des Binomialmodells.<br />

8.3.1 Ableitung der Black-Scholes-Formel<br />

Im Modell mit geometrischer Brown’scher Bewegung ist die Option in the money“ ⇔<br />

”<br />

<br />

S0 exp σWT − 1<br />

2 σ2 <br />

T<br />

≥ e −rT K ⇔ σWT − 1<br />

2 σ2 T ≥ log K/(e rT S0) ⇔ WT ≥ − √ T d2


KAPITEL 8. GRENZÜBERGANG IM BINOMIALMODELL: DAS BLACK-SCHOLES MODELL 41<br />

mit d2 = 1<br />

σ √ <br />

− log<br />

T<br />

e−rT K<br />

S0<br />

− √ T d2<br />

1 − 2σ2 <br />

T = 1<br />

σ √ <br />

log<br />

T<br />

S0<br />

e−rT 1 − K 2σ2 T . Daher gilt<br />

C = EP ′<br />

<br />

S0 exp σWT − 1<br />

2 σ2 <br />

T − e −rT <br />

+<br />

K<br />

∞ <br />

= S0 exp σy − 1<br />

2 σ2 <br />

T − e −rT + <br />

1<br />

K √ exp −<br />

2πT 1 y<br />

2<br />

2 <br />

dy<br />

T<br />

<br />

<br />

x =<br />

= <br />

<br />

y<br />

√<br />

T<br />

dx = dy<br />

<br />

∞<br />

<br />

= S0<br />

<br />

√ T<br />

−d2<br />

<br />

<br />

= <br />

z = σ√ <br />

T − x<br />

<br />

dz = −dx = S0<br />

<br />

1<br />

√ exp σx<br />

2π √ T − 1<br />

d2+σ √ T<br />

mit d1 = d2 + σ √ T = 1<br />

σ √ S0 log<br />

T e−rT 1 + K 2σ2 T .<br />

<br />

N (0,T )<br />

2 σ2T − 1<br />

2 x2<br />

<br />

dx −<br />

<br />

=− 1<br />

2(x−σ √ T) 2<br />

∞<br />

<br />

1<br />

√ exp −<br />

−∞ 2π 1<br />

2 z2<br />

<br />

dz −Ke<br />

<br />

Φ(d1)<br />

−rT Φ(d2)<br />

−rT 1 x2 −<br />

Ke √ e 2 ds<br />

−d2 2π<br />

<br />

Ke−rT (1−Φ(−d2))=Ke−rT Φ(d2)<br />

Ergebnis 1 (Black-Scholes-Formel). Der Preis einer europäischen Call-Option im Black-Scholes Modell<br />

ist<br />

C = S0Φ(d1) − Ke −rT Φ(d2)<br />

mit<br />

d1 = 1<br />

σ √ <br />

T<br />

d2 = 1<br />

σ √ T<br />

log<br />

<br />

log<br />

S0<br />

e−rT 1<br />

−<br />

K<br />

2 σ2 <br />

T<br />

S0<br />

e−rT 1<br />

+<br />

K 2 σ2T Bei dieser Formel ist nicht so sehr der genaue Wert von d1 und d2 (symmetrisch um log<br />

vielmehr die allgemeine Form interessant.<br />

<br />

.<br />

S0<br />

e −rT K<br />

!), als


Kapitel 9<br />

Amerikanische Optionen im<br />

diskreten Modell<br />

Dieses Kapitel richtet sich zu einem großen Teil nach Lamberton und Lapeyre [LL96].<br />

Definition 9.1 (Amerikanische Optionen). Eine amerikanische Option mit Ausübungszeitpunkt<br />

T ∈ R kann zu jedem Zeitpunkt t ∈ {0, 1, . . . , T } ausgeübt werden. Der Payoff zu t ist Zt, wobei<br />

{Zt} t∈{0,...,T } ein nicht-negativer, (Ft) t∈{0,...,T } -adaptierter Prozess ist.<br />

Beispiel 9.1.<br />

1. Amerikanische Call-Option, Strike K, Payoff Zt = (St − K) +<br />

2. Amerikanische Put-Option, Strike K, Payoff Zt = (K − St) +<br />

Ziel. Zusätzlich zur Bestimmung des fairen Preises wie bei Europäischen Optionen (die nur zu einem<br />

fixen Zeitpunkt T ausgeübt werden konnten), stellt sich bei amerikanischen Optionen auch die Frage<br />

nach dem optimalen Zeitpunkt der Ausübung (als Stoppzeit; zu t muss entschieden werden können, ob<br />

die Option jetzt ausgeübt werden soll).<br />

Betrachte den Preis {Ut} 0≤t≤T der Option, basierend auf dem Payoff {Zt} 0≤t≤T . Zum Zeitpunkt T ist<br />

der Preis trivialerweise gleich dem Payoff:<br />

UT = ZT<br />

Sei Q ∈ M∞ t ein Martingalmaß. Dann ist BT −1EQ[UT /BT |FT −1] ein fairer Preis zum Zeitpunkt T − 1<br />

des Payoffs (zu T ). Allerdings hat man zum Zeitpunkt T − 1 auch die Wahl, die Option gleich auszuüben,<br />

wenn dies zu einem besseren Ergebnis führt. Daher ergibt sich also der Preis zu T − 1 der Option als<br />

<br />

<br />

UT −1 = max<br />

ZT −1<br />

<br />

Ausübung zu T − 1<br />

<br />

UT <br />

, BT <br />

−1EQ<br />

BT<br />

FT −1<br />

<br />

warten<br />

Induktiv erhält man aufgrund derselben Argumentation für jeden Zeitpunkt t = 0, 1, . . . , T − 1 den Preis<br />

<br />

Ut+1 <br />

Ut = max Zt, BtEQ <br />

Bt+1<br />

Ft<br />

Ergebnis 2. Für den diskontierten Preis Ut = Ut/Bt einer amerikanischen Option mit diskontiertem<br />

Payoff Zt = Zt/Bt gilt<br />

UT = ZT<br />

<br />

Ut = max Zt, EQ<br />

42<br />

<br />

<br />

Ut+1<br />

Ft<br />

<br />

.


KAPITEL 9. AMERIKANISCHE OPTIONEN IM DISKRETEN MODELL 43<br />

9.1 Die Snell-Envelope (Snell’sche Einhüllende)<br />

Definition 9.2 (Snell’sche Einhüllende). Sei {Zt} t≤T ein adaptierter Prozess. Die Snell’sche<br />

Einhüllende (Envelope) {Ut} t≤T ist definiert durch<br />

Ut =<br />

<br />

Zt, wenn t = T<br />

max {Zt, E [Ut+1|Ft]} für t ∈ {0, . . . , T − 1}<br />

Lemma 9.1. {Ut} t≤T ist das kleinste P-Supermartingal, das {Zt} t≤T dominiert.<br />

Beweis. • Da nach Definition Ut ≥ Zt ∀t ≤ T gilt, ist U dominierend.<br />

• Weiters gilt nach Definition Ut ≥ E[Ut+1|Ft], womit U ein Supermartingal ist.<br />

• Sei nun {Vt} t≤T ein dominierendes Supermartingal von {Zt} t≤T . Wir werden induktiv zeigen, dass<br />

V das Supermartingal U dominiert. Es ist nach Definition VT ≥ ZT = UT . Wenn Vt+1 ≥ Ut+1,<br />

dann gilt<br />

Vt<br />

Super-<br />

Mart.<br />

≥ E[Vt+1|Ft] ≥ E[Ut+1|Ft] f.s.<br />

Vt ≥ Zt<br />

⎫<br />

⎬<br />

⎭ Vt ≥ max (Zt, E[Ut+1|Ft]) = Ut<br />

Damit dominiert nach Rückwärtsinduktion Vt also Ut und {Ut} t≤T ist das kleinste Supermartingal,<br />

das Z dominiert.<br />

Lemma 9.2. τ0 = inf {t ≥ 0 : Ut = Zt} ist eine Stoppzeit und die gestoppte Folge {Ut∧τ0} t≤T ist ein<br />

Martingal.<br />

Beweis. a) Da UT = ZT gilt, ist τ0 wohldefiniert und τ0 ∈ {0, . . . , T } ∀ω ∈ Ω. Es ist weiters {τ0 ≤ t} =<br />

t<br />

n=0 {Zn = Un} ∈ Ft∀t ∈ {0, . . . , T }, womit τ0 eine Stoppzeit ist.<br />

b) Für die Martingaleigenschaft schreibe für t ∈ {0, . . . , T }<br />

U τ0<br />

t+1 = Ut+1∧τ0 = U0<br />

t+1<br />

+<br />

<br />

Hj (Uj − Uj−1) ,<br />

wobei Hj = 1 {τ0≥j}. Beachte, dass {τ0 ≥ j} = Ω/ {τ0 ≤ j − 1} ∈ Ft−1, d.h. Hj ist vorhersagbar.<br />

Da Ut > Zt auf {τ0 ≥ t + 1}, gilt Ut = E[Ut+1|Ft] f.s. zu diesen Zeiten. Daher ist<br />

Da Ht+1 Ft-messbar ist, gilt<br />

j=1<br />

U τ0 τ0<br />

t+1 − Ut = Ht+1 (Ut+1 − Ut) = Ht+1 (Ut+1 − E[Ut+1|Ft]) .<br />

E U τ0<br />

t+1<br />

und U τ0<br />

t ist ein Martingal.<br />

τ0<br />

− U <br />

t Ft = Ht+1 E [Ut+1 − E[Et+1|Ft]| Ft] = 0<br />

<br />

=0<br />

Bemerkung 9.1. Seit τ : Ω → I eine Stoppzeit mit I = {0, . . . , T } oder I = N. Dann gilt:<br />

1. Wenn {Xt}t∈I adaptiert ist, dann ist auch {X τ t }t∈I adaptiert.


KAPITEL 9. AMERIKANISCHE OPTIONEN IM DISKRETEN MODELL 44<br />

2. Wenn {Xt}t∈I ein Martingal ist, dann ist auch {X τ t }t∈I ein Martingal.<br />

3. Wenn {Xt}t∈I ein Sub-/Supermartingal ist, dann ist auch {X τ t }t∈I ein Sub-/Supermartingal.<br />

Definition 9.3. Für T ∈ R, 0 ≤ t ≤ T sei Tt,T die Menge der Stoppzeiten mit Werten aus<br />

{t, . . . , T }.<br />

Definition 9.4. Eine Stoppzeit τ ∈ T0,T heißt optimal für die adaptierte Folge {Zt} t≤T , wenn<br />

E[Zτ0 |F0] = sup τ∈T0,T E[Zτ |F0] f.s.<br />

Korollar 9.3. Die Stoppzeit τ0 = inf {τ ≥ 0|Uτ = Zτ } ist optimal für {Zt} t≤T und U0 = E[Zτ0 |F0]<br />

f.s.<br />

Beweis.<br />

U0 = U τ0<br />

0<br />

Mart. τ0 = E[UN |F0]<br />

Def.<br />

Stoppz.<br />

= E[Uτ0 |F0] = E[Zτ0 |F0] f.s.<br />

Seit τ ∈ T0,T eine Stoppzeit. Dann ist U τ ein Supermartingal (Bew: Übung) und daher<br />

U0 ≥ E[U τ N|F0] = E[Uτ |F0] ≥ E[Zτ |F0] ⇒ τ0 ist optimal<br />

Bemerkung 9.2. Verallgemeinerung: Für n ∈ {0, . . . , T } ist τn = inf {n ≤ τ ≤ T : Uτ = Zτ } eine optimale<br />

Stoppzeit für {Zt} t≤T mit Un = E[Zτn |Fn].<br />

Theorem 9.4. Eine Stoppzeit τ ist optimal für die adaptierte Folge {Zt} t≤T mit Snell’scher Envelope<br />

{Ut} t≤T dann und nur dann, wenn Zτ = Uτ f.s. und {U τ t } 0≤t≤T ein Martingal ist.<br />

Beweis.<br />

⇐ U0 = U τ Mart. τ<br />

0 = E[UT |F0] = E[Uτ |F0] . Da U0 = E[Zτ0|F0] mit τ0 optimal, ist auch τ eine optimale<br />

Stoppzeit.<br />

⇒ Z.z. Zτ = Uτ : Sei τ optimal. Dann gilt E[Zτ |F0]<br />

Zτ ≤ Uτ f.s. folgt Zτ = Uτ f.s.<br />

Z.z. U τ t ist ein Martingal: Da U τ t ein Supermartingal ist, gilt<br />

Daraus folgt<br />

Super-<br />

Mart.<br />

≥ U0. Daher gilt E[Zτ |F0] = E[Uτ |F0] und wegen<br />

U0 ≥ E[Uτ∧t|F0] ≥ E[Uτ∧T |F0] = E[Uτ |F0] = U0 f.s.<br />

E[Uτ∧t|F0] = E[Ut|F0] = E[E[Uτ |Ft]|F0] f.s.<br />

Da Uτ∧t ≥ E[Uτ |Ft] f.s. (Supermartingal), gilt nun insgesamt Uτ∧t = E[Uτ |Ft] und U τ t ist ein<br />

Martingal.<br />

9.2 Zerlegung von Supermartingalen


KAPITEL 9. AMERIKANISCHE OPTIONEN IM DISKRETEN MODELL 45<br />

Lemma 9.5 (Doob’sche Zerlegung). Jedes Supermartingal {Ut} t≤T hat die eindeutige Zerlegung<br />

Ut = Mt − At<br />

mit einem Martingal {Mt} und einem nicht-fallenden, vorhersagbaren Prozess {At} mit A0 = 0.<br />

Beweis. Für t = 0 gilt M0 = U0, A0 = 0. Definiere nun rekursiv<br />

<br />

⇒ Mt+1 − At+1 = Mt − At + Ut+1 − Ut = Ut+1<br />

Mt+1 = Mt + Ut+1 − E[Ut+1|Ft]<br />

At+1 = At + (Ut − E[Ut+1|Ft])<br />

Wie leicht zu sehen ist, ist Mt+1 ein Martingal und At+1 ist nicht fallend, weil {Ut} t≤T ein Supermartingal<br />

ist.<br />

Sei nun Ut = Mt − At, t ∈ {0, . . . , T } eine andere Zerlegung. Dann ist Mt = Mt − Mt = At − At ein<br />

vorhersagbares Martingal mit M0 = 0.<br />

Da vorhers.<br />

Mt = E[ Mt|Ft−1] Mart.<br />

= Mt−1, ist Mt = 0 für alle t und die Zerlegung ist eindeutig.<br />

Theorem 9.6. Die größte optimale Stoppzeit τmax für einen adaptierten Prozess {Zt} t≤T ist<br />

τmax =<br />

mit der Doob’schen Zerlegung Zt = Mt − At.<br />

Beweis.<br />

<br />

T, wenn AT = 0<br />

inf {t|At+1 = 0} sonst<br />

1. A ist vorhersagbar ⇒ τmax ist eine Stoppzeit (folgt aus der Definition)<br />

2. Aτmax = 0 ⇒ U τmax = M τmax ⇒ Die gestoppte Schnell’sche Einhüllende ist ein Martingal<br />

3. Optimalität: Zu zeigen ist Uτmax = Zτmax f.s.<br />

Es gilt<br />

Uτmax =<br />

T −1<br />

T −1<br />

1 {τmax=j}Uj + 1 {τmax=T }UT = 1 {τmax=j} max {Zj, E[Uj+1|Ft]} + 1 {τmax=T }UT<br />

j=0<br />

j=0<br />

Nach der Definition ist Mt − At+1 = Mt − At − Ut + E[Ut+1|Ft] = E[Ut+1|Ft], sowie Aj+1 > 0 in<br />

der Menge {τmax = j} = {Aj = 0, Aj+1 > 0}. Daher<br />

E[Uj+1|Fj] = Mt − At+1 < Mt = Mt − At = Ut<br />

Def. von<br />

=⇒<br />

Snell Env. Ut = Zt<br />

T −1<br />

⇒ Uτmax = 1 {τmax=j}Zj + 1 {τmax=T }ZT = Zτmax<br />

j=0<br />

4. τmax ist die größte Stoppzeit: Annahme, es gäbe eine Stoppzeit τ ≥ τmax mit P(τ > τmax) > 0.<br />

Dann gälte<br />

E[Uτ ] = E[Mτ ] − E[Aτ ] = E[U0] − E[Aτ ] < E[U0] .<br />

<br />

>0<br />

Damit wäre {Ut} t≤T kein Martingal und aufgrund dieses Widerspruchs ist τmax die größte Stoppzeit.<br />

(9.1)


KAPITEL 9. AMERIKANISCHE OPTIONEN IM DISKRETEN MODELL 46<br />

9.3 Anwendung auf Amerikanische Optionen<br />

<br />

Die diskontierten Preise Ut sind die Snell’sche Einhüllende der diskontierten Payoffs<br />

<br />

Zt . Nach der<br />

Doob’schen Zerlegung ist Ut = Mt − At für t = 0, . . . , T .<br />

Die letzten beiden Abschnitte liefern uns nun Schranken für die optimale Ausübungszeit der Amerikanischen<br />

Option: Die Option soll zwischen τ0 = min 0 ≤ t ≤ T | Ut = <br />

Zt und τmax = T für AT = 0 bzw.<br />

<br />

τmax = min 0 ≤ t ≤ T | At+1 > 0, <br />

At = 0 ausgeübt werden (optimale Stoppzeit).<br />

Bemerkung 9.3. Wichtig für das Hedgen von Amerikanischen Optionen ist die Tatsache, dass der gestoppte<br />

Prozess ein Martingal ist (da At = 0 für t ≤ τ). Dafür existiert nun eine Handelsstrategie H, die<br />

den Payoff erzeugt und damit zum Hedgen benutzt werden kann.<br />

9.4 Zusammenhang der Preise von Amerikanischen und Europäischen<br />

Optionen<br />

Da bei Amerikanischen Optionen im Vergleich zu Europäischen Optionen mehr Ausübungszeitpunkte<br />

möglich sind, der Zeitpunkt T aber auch immer erlaubt ist, kann der Preis einer Amerikanischen<br />

Option nicht kleiner sein als der Preis einer Europäischen Option mit denselben zugrunde liegenden<br />

Werten. Andererseits werden wir aber gleich sehen, dass es sehr wohl Fälle gibt, wo diese zusätzlichen<br />

Ausübungsmöglichkeiten keine Verbesserung im Vergleich zur Europäischen Option liefern. Dies ist etwa<br />

bei Standard Call-Optionen der Fall.<br />

Lemma 9.7. Seien {Ut} t≤T die Preise einer Amerikanischen Option mit Payoff {Zt} t≤T und {Ct}<br />

die Preise einer Europäischen Option mit Payoff ZT zum Zeitpunkt T .<br />

Dann gilt Ut ≥ Ct f.s. ∀t = 0, . . . , T und aus Ct ≥ Zt∀t folgt Ut = Ct∀t f.s.<br />

Beweis. Sei Q ein Martingalmaß.<br />

<br />

<br />

Ut ist ein Q-Supermartingal, Ct ist ein Q-Martingal und UT =<br />

CT = ZT . Daher gilt Ut ≥ E[ UT |Ft] = E[ CT |Ft] = Ct∀t f.s.<br />

Wenn Ct ≥ Zt, so auch Ct ≥ Zt, das Martingal Ct dominiert also Zt. Da Ut das kleinste Supermartingal<br />

ist, das Zt dominiert, gilt Ut ≤ Ct, gemeinsam mit der ersten Aussage des Lemmas also Ut = Ct.<br />

Lemma 9.8. Sei das Bankkonto {Bt} eine deterministische, nicht fallende Folge. Dann sind die<br />

Preise einer Europäischen und einer Amerikanischen Call-Option äquivalent.<br />

Beweis. Sei Q ein Martingalmaß. Der Payoff zur Zeit t ist Zt = (St − K) + . Damit<br />

+<br />

Ct = EQ[ ST − K/BT |Ft] ≥ EQ[ ST − K/BT |Ft] Mart.maß<br />

= St − K/BT<br />

BT determ.<br />

Daher ist Ct ≥ St − KBt/BT ≥ St − K sowie Ct ≥ 0, insgesamt also Ct ≥ (St − K) + . Der Beweis folgt<br />

nun unmittelbar aus dem vorigen Lemma 9.7<br />

Bemerkung 9.4. Die Äquivalenz der Preise von Europäischen und Amerikanischen Optionen bei deterministischem<br />

Zins gilt nur für Call-Optionen, bei Put-Optionen gilt sie z.B. nicht mehr!<br />

9.4.1 Übungsaufgaben<br />

Bsp. 9.1) Sei τ : Ω → I eine Stoppzeit mit I = {0, . . . , T } oder I = N. Zeige:<br />

(a) Ist {Xt}t∈I adaptiert, dann ist auch {X τ t }t∈I adaptiert.<br />

(b) Ist {Xt}t∈I ein Martingal, dann ist auch {X τ t }t∈I ein Martingal.<br />

(c) Ist {Xt}t∈I ein Sub-/Supermartingal, dann ist auch {X τ t }t∈I ein Sub-/Supermartingal.


Kapitel 10<br />

Optimale Portfolios und<br />

Martingalmethoden<br />

Großteils nach Pliska [Pli97, Kap. 5.2 und 5.4]<br />

Betrachte eine Nutzenfunktion u(w, ω) : R × Ω → R (differenzierbar, konkav, streng monoton steigend).<br />

Das Anfangskapital ν sei gegeben.<br />

Problem 3. Finde eine selbstfinanzierende Handelsstrategie H mit Anfangswert V0 = ν mit<br />

max E[u(VT )] = <br />

P(ω)u(VT (ω), ω)<br />

ω∈Ω<br />

unter V0 = ν, H ∈ H<br />

Problem 4 (äquivalente Formulierung).<br />

max E[u(BT (ν + GT ))]<br />

unter H ∈ H − p (vorhersagbare Handelsstrategie in R T )<br />

Definition 10.1. Die Menge aller mit dem Anfangskapital ν erreichbaren Kapitale sei Wν =<br />

W ∈ R k : ∃H ∈ H mit V0 = ν <br />

Bemerkung 10.1. Ist das Modell vollständig, so gilt Wν = W ∈ R k |EQ[W/BT ] = ν .<br />

Problem 5 (alternative Formulierung).<br />

max Eu(W )<br />

unter W ∈ Wν<br />

Die Lösung von Problem 5 erfolgt z.B. mittels Lagrange-Multiplikator:<br />

<br />

W<br />

max Eu(W ) − λEQ = max E u(W ) − λ<br />

BT<br />

W<br />

<br />

Q<br />

= max<br />

BT <br />

P<br />

=:L<br />

<br />

<br />

<br />

W (ω)<br />

P(ω) u(W (ω)) − λL(ω)<br />

BT (ω)<br />

ω∈Ω<br />

47


KAPITEL 10. OPTIMALE PORTFOLIOS UND MARTINGALMETHODEN 48<br />

Die Bedingung erster Ordnung liefert für jedes ω ∈ Ω: u ′ (W ) = λL/BT . Sei nun u := (u ′ ) −1 die Inverse<br />

von u ′ . Dann ist das optimale W gegeben durch:<br />

<br />

W (ω) = u λ L(ω)<br />

<br />

∀ω ∈ Ω .<br />

BT (ω)<br />

Der Wert von λ wird nun so bestimmt, dass EQ [W/BT ] = ν = EQ[u(λL/BT )/BT ].<br />

Bemerkung 10.2. Aus W (ω) kann die Handelsstrategie H leicht rückgerechnet werden.<br />

Beispiel 10.1 (Exponentielle Nutzenfunktion). Die Exponentielle Nutzenfunktion ist definiert als u(W ) =<br />

a − bc exp(−W/c) mit a, b, c ∈ R, b, c > 0.<br />

<br />

λL<br />

ν = EQ u /BT = EQ<br />

BT<br />

optimales Kapital:<br />

u ′ (W ) = b exp(−W/c) ⇒ u(x) = −c log x<br />

b<br />

W = u (λL/BT ) = −c log λL<br />

L<br />

= −c log<br />

BT b BT<br />

<br />

λL<br />

L<br />

−c log /BT = −cEP log<br />

BT b<br />

BT<br />

L<br />

+ log<br />

BT<br />

λ<br />

<br />

b<br />

<br />

L<br />

= −cE log<br />

BT<br />

L<br />

<br />

λ L<br />

− c log E<br />

BT<br />

b BT<br />

− c log λ<br />

b<br />

= −c log L<br />

optimaler erwarteter Nutzen:<br />

⎛ <br />

<br />

ν L<br />

L<br />

c + E BT<br />

E[u(W )] = a − bcE exp ⎝−<br />

BT<br />

E<br />

Beispiel 10.2 (logarithmische Nutzenfunktion).<br />

Nutzenfunktion: u(W ) = log W , u ′ (W ) = 1<br />

1<br />

W , u(x) = x<br />

<br />

1<br />

1<br />

Bedingung für λ: ν = EQ λL ⇒ λ = ν EQ<br />

<br />

1 1<br />

L = ν E<br />

<br />

optimales Kapital W = u(λL/BT ) = BT<br />

λL<br />

= νBT<br />

L<br />

1<br />

L<br />

<br />

Q<br />

=<br />

<br />

P<br />

=L<br />

1<br />

ν<br />

L<br />

BT<br />

BT<br />

+<br />

log L<br />

BT<br />

optimaler Nutzen E [u(W )] = E [log W ] = E [log ν + log BT − log L] = log ν − E<br />

10.1 Übungsaufgaben<br />

<br />

<br />

L ν + cE BT<br />

⎞<br />

⎠<br />

E<br />

L<br />

BT<br />

<br />

log L<br />

<br />

BT<br />

<br />

L log BT<br />

Bsp. 10.1) Finde explizite Formeln für das optimale Kapital und den optimalen Nutzen unter der quadratischen<br />

Nutzenfunktion u(w) = α + βw − w 2 /2, β > 0.<br />

Bsp. 10.2) Betrachte das CRR-Binomialmodell mit konstanten Faktoren u, d und Zins r und den tatsächlichen<br />

Wahrscheinlichkeiten p.<br />

Bei Benutzung der logarithmischen Nutzenfunktion u(w) = ln w bestimme:<br />

(a) das optimale erreichbare Kapital W ,<br />

(b) den optimalen Nutzen Eu(w),<br />

(c) die Handelsstrategie (H0, H1), die W erzeugt.<br />

Hinweis: L(ω) = Q(ω)<br />

P (ω) =<br />

q<br />

p<br />

n 1−q<br />

1−p<br />

T −n<br />

wegen der Binomialverteilung.<br />

Bsp. 10.3) Betrachte das CRR-Binomialmodell mit konstanten Faktoren u, d und Zins r und den tatsächlichen<br />

Wahrscheinlichkeiten p, sowie die quadratische Nutzenfunktion u(w) = βw − w 2 /2.


KAPITEL 10. OPTIMALE PORTFOLIOS UND MARTINGALMETHODEN 49<br />

(a) Zeige, dass für das optimale Kapital gilt<br />

W (ω) = β +<br />

(1 + R) T ν − β<br />

[q 2 /p + (1 − q) 2 /(1 − p)] T<br />

mit n = Nt der Anzahl der Bewegungen nach oben.<br />

(b) Zeige, dass<br />

Eu(w) = β2<br />

2 −<br />

Hinweis: Benutze die Binomialformel!<br />

q<br />

p<br />

(1 + R) T ν − β 2<br />

n T −n<br />

1 − q<br />

1 − p<br />

2 [q2 /p + (1 − q) 2 . T<br />

/(1 − p)]


Stichworte zum Inhalt der<br />

Lehrveranstaltung<br />

Das Ein-Perioden-Modell<br />

1. Definitionen<br />

- Modell, Handelsstrategie, (diskontierter) Wert-, Preisprozess<br />

- Arbitrage, dominierende Handelsstrategie<br />

- lineares Preismaß, Zusammenhang zu dom. HS, Gesetz des eindeutigen Preises<br />

2. Risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß (Martingalmaß)<br />

- No-Arbitrage Theorem<br />

3. Bewertung von Contingent Claims - attainable CC, replizierendes Portfolio<br />

- Risikoneutrales Bewertungsprinzip, Beispiele: Optionen<br />

- Elementar-Claims, Zustandspreise, Linearität des Preises<br />

4. Vollständigkeit<br />

- Zusammenhang mit Eindeutigkeit des RNM<br />

- unvollständige Märkte: Schranken für Preis, Sub-/Superhedging<br />

5. Optimale Portfolios, Zulässigkeit<br />

- Nutzenfunktionen<br />

- Zusammenhang mit “No Arbitrage”, explizite Form eines RNM<br />

Wh. Wahrscheinlichkeitstheorie<br />

- W-Raum, σ-Algebra, W-Maß, ZV, Ereignis, Messbarkeit, endliche σ-Algebren<br />

- absolut stetige Maße, äquivalente Maße, Radon-Nikodym<br />

- Stochastische Prozesse: Filtrierungen, adaptierte Prozesse<br />

Mehr-Perioden-Modell in diskreter Zeit<br />

- Marktmodell: Bankkonto (Numéraire), Asset-Preise, Annahmen<br />

- Handelsstrategien: Wert des Portfolios, selbst-finanzierend<br />

- Diskontierung<br />

- Bewertungsfunktionale: erreichbare Gewinne, Gesetz des eindeutigen Preises<br />

- Dualität Bewertungsfunktionale und Preis (Hahn-Banach, Trennungssatz für Beweis)<br />

- Arbitrage-Freiheit<br />

- Satz von Dalang, Morton, Willinger: äquivalente Bedingungen zu Arbitrage-Freiheit<br />

- vollständige Märkte<br />

Wh. Martingaltheorie<br />

- Bedingte Erwartungen, Eigenschaften<br />

- stochastischer Kern<br />

50


STICHWORTE ZUM INHALT DER LEHRVERANSTALTUNG 51<br />

- Martingale, Doob’sche Zerlegung, Bayes’sche Formel<br />

- Stoppzeiten, Optimal Stopping Theorem, gestoppte Prozesse<br />

Capital Asset Pricing Model (CAPM)<br />

- Sharpe-Ratio<br />

- Portfolio-Optimierungsproblem, Varianz-Optimierung, Mean-variance efficient<br />

- Nutzen-Optimierung, duales Optimierungsproblem, nutzen-indifferente Preise<br />

Das Binomialmodell<br />

- Definition des Modells, Assets, Entwicklung (Baum, Gitter)<br />

- Cox-Ross-Rubinstein Modell<br />

- No Arbitrage Bedingungen<br />

- Bepreisung, Bestimmung des replizierenden Portfolios<br />

- Europäische Call-Option<br />

- Verteilung des Maximums eines Pfades (Reflection Principle)<br />

Markov <strong>Modelle</strong><br />

- Definition Markov-Prozesse, Markov-Eigenschaft<br />

- Erhaltung der Markov-Eigenschaft unter äquiv. Martingalmaßen<br />

- Faktormodell bei stochastischem Zins<br />

Grenzübergang Binomialmodell zu Black-Scholes<br />

- Schwache Konvergenz, zentraler Grenzwertsatz<br />

- Reskalierung des BM: Taylor-Approximation, Grenzübergang<br />

- Black-Scholes Formel für Europäische Calls, Herleitung<br />

Amerikanische Optionen<br />

- Definition<br />

- Snell’sche Einhüllende (Envelope)<br />

- optimale Stoppzeit, Zusammenhang mit Snell’scher Envelope<br />

- Zerlegung von Supermartingalen (Doob’sche Zerlegung), Anwendung auf Am. Optionen<br />

- Zusammenhang der Preise von Europ. und Am. Optionen<br />

Optimale Portfolios und Martingalmethoden


Anhang<br />

Das Farkas-Lemma, heutzutage hauptsächlich in der linearen Optimierung benötigt, stammt ursprünglich<br />

aus dem Artikel [Far02].<br />

Lemma 10.1 (Farkas-Lemma, [Far02]). Für jede reelle Matrix A und jeden reellen Vektor b ist<br />

von beiden Systemen<br />

stets genau eines lösbar.<br />

Ax = b, x ≥ 0 y t A ≥ 0, y t b > 0<br />

Theorem 10.2 (Satz über monotone Klassen, [Wil91, Thm. 3.14]). Sei H eine Klasse von<br />

beschränkten Funktionen aus einer Menge S nach R, die folgende Eigenschaften erfüllt:<br />

(i) H ist ein Vektorraum über R,<br />

(ii) die konstante Funktion 1 liegt in H und<br />

(iii) wenn (fn) eine Folge von nicht-negativen Funktionen in H ist mit fn ↗ f für eine beschränkte<br />

Funktion f auf S, dann gilt auch f ∈ H.<br />

Dann gilt: Wenn H die Indikatorfunktion jeder Menge eines π-Systems I (unter endlicher Durchschnittsbildung<br />

abgeschlossene Familie von Teilmengen von S) enthält, dann enthält H jede beschränkte,<br />

σ(I)-messbare Funktion in S.<br />

Theorem 10.3 (Monotone Konvergenz, [Wil91, Thm. 5.3]). Sei (fn) eine Folge von Σ-messbaren<br />

Funktionen mit fn ↗ f. Dann gilt<br />

<br />

<br />

µ(fn) ↗ µ(f) ≤ ∞ bzw.<br />

fn(s)µ(ds) ↗ f(s)µ(ds) .<br />

Theorem 10.4 (Dominierte Konvergenz, [Wil91, Thm. 5.9]). Sei (fn) eine Folge von Σmessbaren<br />

Funktionen und f Σ-messbar mit fn(s) → f(s) für alle s ∈ §. Wenn die Folge (fn)<br />

durch ein g ∈ L 1 (S, Σ, µ) + mit µ(g) < ∞ dominiert wird,<br />

dann gilt µ (|fn − f|) → 0 bzw.<br />

µ(fn) → µ(f) bzw.<br />

|fn(s)| ≤ g(s), ∀s ∈ S, ∀n ∈ R,<br />

52<br />

<br />

S<br />

S<br />

<br />

fn(s)µ(ds) →<br />

S<br />

S<br />

f(s)µ(ds) .


ANHANG 53<br />

Theorem 10.5 (Satz von Bayes). Seien P und Q zwei äquivalente Wahrscheinlichkeitsmaße auf<br />

(Ω, F), G ⊂ F eine sub-σ-Algebra von F, S ∈ L1 (Ω, F, Q) und f := dQ<br />

dP . Dann gilt EP[f|G] > 0 f.s.<br />

und<br />

EQ [X| G] = EP [Xf|G]<br />

f.s.<br />

EP[f|G]


Literaturverzeichnis<br />

[Far02] Julius Farkas. Theorie der einfachen Ungleichungen. Journal für die Reine und Angewandte<br />

Mathematik, 124(1):1–27, 1902. http://dz-srv1.sub.uni-goettingen.de/contentserver/<br />

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