Zu viel Bürokratie - Caritas NRW
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Mangel, Überforderung<br />
und harte Strafen<br />
22<br />
Studie bietet ersten gesamtüberblick über die konfessionelle<br />
Heimerziehung nach dem Krieg<br />
Die oft problematischen <strong>Zu</strong>stände in der konfessionellen Heimerziehung haben<br />
die leitungen der jeweiligen Einrichtungen und die Aufsichtsorgane passiv<br />
zugelassen. Zwischen 1949 und 1972 wurden Kinder und Jugendliche in der<br />
Heimerziehung meist nur unzureichend gefördert, sie erlitten <strong>viel</strong>fach Demütigungen<br />
und wurden oft auch Opfer von Misshandlungen und Missbrauch. Mangelhafte<br />
äußere Bedingungen, der damals vorherrschende rigide Erziehungsstil<br />
sowie das persönliche Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter haben zu den traumatisierenden<br />
Erfahrungen <strong>viel</strong>er Heimkinder beigetragen.<br />
Die Ergebnisse der Studie<br />
erscheinen im Herbst<br />
als Buch. Eine ausführliche<br />
<strong>Zu</strong>sammenfassung<br />
unter http://aktuell.ruhruni-bochum.de/pm2011/<br />
pm00163.html.de<br />
caritas in <strong>NRW</strong> · 4/11<br />
Das sind die zentralen Ergebnisse des ersten Gesamtüberblicks<br />
zur konfessionellen Heimerziehung in der<br />
jungen Bundesrepublik Deutschland bis in die 70er-<br />
Jahre hinein. Die Bochumer Wissenschaftler Prof. Dr.<br />
Wilhelm Damberg (Katholisch-Theologische Fakultät<br />
der RUB) und Prof. Dr. Traugott Jähnichen (Evangelisch-Theologische<br />
Fakultät) stellten nach drei Jahren<br />
Forschung die Ergebnisse der Untersuchung vor. Die<br />
Ergebnisse machen es unumgänglich, den „Heimkinderstatus“<br />
zu entstigmatisieren, heißt es in der Studie.<br />
Helfen könne dabei vor allem eine Offenlegung der<br />
Akten. Den Betroffenen von einst solle heute bei Bedarf<br />
therapeutische Hilfe sowie in zahlreichen Fällen<br />
materielle Unterstützung geboten werden. Auch eine<br />
weitere, nicht nur individuelle Aufarbeitung der Heimerziehung<br />
sei notwendig.<br />
Teils drakonische Strafen<br />
Personalmangel und Überforderung, lange Arbeitszeiten,<br />
schlechte Entlohnung, fehlende Anerkennung, das<br />
Wegschauen der Bevölkerung und <strong>viel</strong>es mehr: Die Liste<br />
an Ursachen und Gründen für das Fehlverhalten von<br />
Heimpersonal ist lang. Das entschuldigt jedoch nicht<br />
teils drakonische Strafen und Demütigungen als „Erziehungsstil“<br />
in <strong>viel</strong>en Heimen – etwa Essensentzug,<br />
Isolierung in „Besinnungszimmern“, das Abschneiden<br />
der Haare bis hin zu körperlicher Züchtigung und Misshandlung.<br />
<strong>Caritas</strong> heute<br />
Die Studie wurde in<br />
einem gemeinsamen<br />
Projekt unter der<br />
Leitung der Professoren<br />
Dr. Wilhelm<br />
Damberg (Katholische<br />
Theologie /<br />
Kirchengeschichte)<br />
(Foto: Ruhr-Uni)<br />
und Dr. Traugott Jähnichen (Evangelische Theologie / Christliche<br />
Gesellschaftslehre) von den Historikern Dr. Bernhard Frings<br />
und Dr. Uwe Kaminsky erstellt.<br />
Versagen, Schuld – aber auch vereinzelt großes<br />
Engagement<br />
„Die Leitungen der jeweiligen Einrichtungen wie auch<br />
die kirchlichen Aufsichtsorgane haben die oft problematischen<br />
<strong>Zu</strong>stände gekannt oder hätten sie zumindest<br />
genau kennen können“, so die Bochumer Forscher. In<br />
den kirchlichen Heimen gab es sowohl „Fälle eklatanten<br />
Versagens und großer Schuld“ als auch „ein überdurchschnittliches<br />
Maß an Engagement der Mitarbeitenden“.<br />
Mit Blick auf die einzelnen Handelnden sei<br />
daher stets ein sehr sorgfältig abwägendes Urteil notwendig,<br />
so die Autoren der Studie. „Die Komplexität<br />
der damaligen Verhältnisse beruhte eben auch auf dem<br />
Umstand, dass niemals nur kirchliche Träger oder staatliche<br />
Instanzen allein für das Wohl der Kinder und Jugendlichen<br />
verantwortlich waren, sondern immer beide“<br />
– was sich aber nicht zum Vorteil der Kinder ausgewirkt<br />
habe.<br />
Mit Ausnahme der religiösen Erziehung zeigen sich<br />
keine signifikanten Unterschiede zwischen kirchlichen<br />
Heimen, Heimen in der Trägerschaft anderer Wohlfahrtsverbände<br />
oder öffentlichen Heimen. „Insofern<br />
spiegeln die kirchlichen Heime weithin das Maß der seinerzeit<br />
geltenden Normalität wider, was allerdings den<br />
kirchlichen Selbstanspruch deutlich unterschreitet.“ b