23.10.2012 Aufrufe

Zu viel Bürokratie - Caritas NRW

Zu viel Bürokratie - Caritas NRW

Zu viel Bürokratie - Caritas NRW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ständig<br />

gegenhalten<br />

Hartz IV und die <strong>Bürokratie</strong><br />

Von Manfred Wieczorek<br />

gibt man in eine Internet-Suchmaschine die Begriffe<br />

Hartz IV und <strong>Bürokratie</strong> ein, stößt man schon bei den<br />

ersten Treffern auf kuriose und absurd erscheinende<br />

Beispiele einer ausufernden <strong>Bürokratie</strong>. So soll<br />

Deutschlands dickster Hartz-IV-Bescheid 75 Seiten<br />

stark sein und ein halbes Pfund gewicht auf die<br />

Waage bringen. Auf immerhin neun Seiten brachte<br />

es ein Bescheid, weil die <strong>Zu</strong>verdienstgrenze um zwei<br />

Cent überschritten wurde. Auch dass es für einen<br />

Hartz-IV-Empfänger nicht egal ist, ob das Duschwasser<br />

mit Strom oder über die Heizungsanlage<br />

erwärmt wird, findet man schnell heraus.<br />

In Deutschland, könnte man einwenden, sind die Dinge<br />

eben geregelt. Für alle Eventualitäten gibt es Regeln,<br />

Verfahren oder Kennziffern, die festlegen, wie etwas<br />

zu handhaben ist. Doch offenbar ist längst nicht alles<br />

eindeutig, tun sich immer neue Lücken und Ausnahmen<br />

auf, gibt es Härtefallklauseln, Mehraufwand oder Sonderbedarfe.<br />

Im letzten Jahr gab es die 50. Reform der<br />

Hartz-Gesetze. Jede noch so kleine Reform setzt in der<br />

Verwaltung eine ganze Welle notwendiger Veränderungen<br />

in Bewegung. Leistungsbescheide, Eingangsbestätigungen,<br />

Rechtsbelehrungen und <strong>viel</strong>es mehr müssen<br />

geändert werden. Vieles bleibt fehlerhaft oder vage,<br />

dann entscheiden die Gerichte.<br />

Beim Berliner Sozialgericht geht an einem Arbeitstag<br />

durchschnittlich alle 16 Minuten eine Klage im <strong>Zu</strong>sammenhang<br />

mit Hartz IV ein. Mitte des letzten Jahres<br />

summierte sich die Klagewelle auf 100 000 Verfahren,<br />

und ein Ende ist nicht abzusehen. Etwa jeder zweite<br />

Kläger bekommt Recht, doch bis es so weit ist, dauert<br />

es seine Zeit. Längst haben <strong>viel</strong>e im undurchdringlich<br />

wirkenden Dschungel aus Paragrafen und Regelsätzen<br />

aufgegeben.<br />

„Und wenn man nicht ständig gegen hält ...“, so heißt<br />

eine Studie der Wissenschaftlerin Marlies Mrotzek im<br />

Auftrag des Industrie- und Sozialpfarramtes (ISPA)<br />

des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und<br />

Wattenscheid über die Erfahrungen von Frauen und<br />

Männern, die Hartz IV beziehen. Schon der Titel macht<br />

deutlich, worauf es in dieser Lebenssituation ankommt<br />

– nicht nur, aber eben auch im Kampf mit und durchaus<br />

auch mal gegen die <strong>Bürokratie</strong>. Der der Studie zugrunde<br />

liegende Fragebogen gab auch die Möglichkeit<br />

zu anonymen persönlichen Stellungnahmen. Es mag<br />

nicht erstaunen, dass diese Möglichkeit genutzt wurde,<br />

um auch mal Dampf abzulassen, und die Kritik an<br />

den Behörden teilweise sehr harsch ausfällt. Doch es<br />

ist erschreckend, wie <strong>viel</strong> an Wut, aber auch tiefer Frustration<br />

und Resignation über vermeintliche oder echte<br />

<strong>Bürokratie</strong> deutlich wird. c<br />

Dieser Obdachlose kampiert<br />

auch bei Schnee im<br />

Zelt. Vielleicht fehlen ihm<br />

Kraft und Nerven für die<br />

Auseinandersetzung mit<br />

der Hartz-IV-<strong>Bürokratie</strong>.<br />

Foto: Pohl / LAG Freie<br />

Wohlfahrtspflege<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 4/11 9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!