magazine - Das Virtuelle Fahrzeug
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Im Interview: Dr. Michael Paulweber, AVL<br />
Trends im Bereich ITS<br />
VVM: Welche Forschungsbereiche, Trends und<br />
Herausforderungen sehen Sie mittelfristig bis<br />
2017 als relevant an?<br />
Paulweber: Die “Instrumentation and Test Systems“<br />
(ITS) Division der AVL List GmbH ist der<br />
größte unabhängige Hersteller von Mess- und<br />
Testsystemen, die in der Automobilindustrie in<br />
Forschung, Entwicklung und Qualitätsprüfung<br />
von Antriebssträngen und deren Komponenten<br />
wie Verbrennungsmotoren, Batterien, eMotoren,<br />
Getrieben, Kupplungen eingesetzt werden.<br />
In ITS Research & Technology beschäftigen<br />
wir uns mit zukunftsweisenden Ideen und<br />
Trends, um für die Automobilindustrie innovative<br />
Messinstrumente und Testeinrichtungen zu<br />
entwickeln, die sie für ihre Projekte in 3 bis 7<br />
Jahren brauchen werden.<br />
Als wichtigsten Forschungsbereich erachte ich<br />
die Mess- und Testherausforderungen, die mit<br />
alternativen Antriebsstrangkonzepten („Powertrain“)<br />
und den zugehörigen Komponenten derzeit<br />
neu entstehen. Die Einführung der neuen<br />
Powertrain-Konzepte in den <strong>Fahrzeug</strong>en wird<br />
von der Notwendigkeit einer signifikanten Verbrauchssenkung<br />
und CO 2 -Reduktion getrieben,<br />
um unseren Nachkommen eine lebenswerte<br />
Welt zu erhalten. Ein Bespiel sind die neuartigen<br />
Messaufgaben, die mit der Einführung<br />
hybrider Antriebssysteme entstanden sind.<br />
Hybrid-Systeme sind eine Kombination von<br />
Verbrennungskraftmaschinen oder Brennstoffzellen<br />
mit Batterien als schnelle elektrische<br />
Speicher, Elektromotoren als (zusätzliche) Antriebe.<br />
Dabei können verschiedenste Kombinationen<br />
aus den Komponenten gebildet werden.<br />
Hybride Antriebsstränge sind daher wesentlich<br />
komplexer als herkömmliche Antriebskonzepte,<br />
sie erfordern unter anderem das genaue Messen,<br />
Regeln und Testen von mechanischen,<br />
thermischen, chemischen und elektrischen<br />
Größen.<br />
Um diese Komplexität beherrschen zu können,<br />
bieten funktions- und modellbasierte Entwicklungsmethoden<br />
vielversprechende Ansätze, die<br />
die bis jetzt getrennten Simulations- und Testaufgaben<br />
zusammenwachsen lassen. Damit<br />
entsteht ein projektübergreifender einheitlicher<br />
Entwicklungsprozess, in dem Anforderungen<br />
in funktionellen Modellen abgebildet werden.<br />
Damit kann die Systemarchitektur neuer Fahr-<br />
zeuge entwickelt werden. Die Modelle können<br />
aber auch zur Testfallgenerierung eingesetzt<br />
werden. Modelle werden auch in Verifikation<br />
und Validierung dazu verwendet, noch fehlende<br />
<strong>Fahrzeug</strong>komponenten zu simulieren, um die<br />
real vorhandenen Teile unter möglichst wirklichkeitsnahen<br />
Bedingungen testen zu können.<br />
Ein wichtiger Aspekt ist die Abstraktion und<br />
Harmonisierung von Entwicklungsschritten im<br />
Entwicklungsprozess eines Antriebsstrangs.<br />
Sie ist eine Voraussetzung, dass generalisierte<br />
Modelle in verschiedenen Stufen der Entwicklung<br />
(im V-Prozess) verwendet werden können.<br />
Ein anderer wesentlicher Gesichtspunkt<br />
ist die Reduktion der Entwicklungszeit in der<br />
<strong>Fahrzeug</strong>industrie. Wesentlich besser automatisierte<br />
Test- und Optimierungswerkzeuge zum<br />
Finden optimaler Einstellungen der Steuergeräteparameter<br />
helfen dieses Ziel zu erreichen.<br />
Auch hier ist ein firmenübergreifender Einsatz<br />
von Entwicklungs- und Testmethoden mit den<br />
dazu benötigten Funktions- und Simulationsmodellen<br />
einer der Schlüssel zum Erfolg.<br />
Der rasche Einzug der Fahrerassistenzsysteme<br />
und der zunehmende Einfluss von Internet und<br />
Unterhaltungselektronik in modernen <strong>Fahrzeug</strong>en<br />
führt zu ähnlichen Herausforderungen.<br />
Car-2-Car und Car-2-Infrastructure Kommunikation<br />
erlauben eine effizientere Nutzung des<br />
kostbaren Platzes auf den Straßen besonders<br />
in den Megacities. Großer Forschungsbedarf<br />
besteht hier in Teststrategien, um Regel- und<br />
Steuersysteme und -algorithmen in diesen sehr<br />
komplexen und sich dynamisch dauernd verändernden<br />
Netzwerken entwickeln zu können.<br />
VVM: Welche besonderen Kompetenzen und<br />
Fähigkeiten sind dabei wichtig?<br />
Paulweber: Die wichtigsten Technologiefelder<br />
zu den Forschungsthemen sind (Nano-)Physik,<br />
Elektrochemie und Verfahrenstechnik für die<br />
Entwicklung präziserer Sensoren für Batterien,<br />
Umrichter, eMotoren, Brennstoffzellen, Katalysatoren,<br />
Verbrennungsmotoren, in der Mess-<br />
und Steuergeräteentwicklung Embedded Software<br />
Engineering , model based development,<br />
Simulation und Modellbildung, Anforderungsmanagement<br />
sowie moderne Testtechnologien.<br />
Dazu kommt Internettechnik kombiniert mit<br />
Steuergeräte-Know-How, Testmethoden.<br />
VVM: Welches Potential sehen Sie für das ViF<br />
in diesem Umfeld? Welche Randbedingungen<br />
sind zu beachten?<br />
Paulweber: Potential für das ViF sehe ich vor<br />
allem in forschungs- und vorentwicklungsrelevanten<br />
Aspekten, da das COMET Konzept<br />
in sehr guter Weise die Zusammenarbeit von<br />
Forschern im ViF mit unterschiedlichen Automobilfirmen<br />
an schwierigen praxisrelevanten<br />
und zukunftsweisenden Forschungsthemen<br />
mit einer interessanten Förderquote erlaubt.<br />
Die Evaluierung potentieller Konzepte und die<br />
Untersuchung von technologischen Risiken<br />
sind dabei besonders wichtig. Die Erstellung<br />
von Prototypen samt dem zugehörigen Know-<br />
How-Transfer in die Industrie ist bedeutsam,<br />
aber auch die entstehende Kommunikation mit<br />
Experten aus unterschiedlichen Firmen im Automotive<br />
Bereich hat sich als essentiell herausgestellt.<br />
Besonders beim Know-How-Transfer<br />
kann ich mir eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit<br />
zwischen dem ViF und AVL vorstellen.<br />
Natürlich ist auch der Kontakt mit anderen<br />
Universitäten und Forschungsinstituten wichtig,<br />
um die Kompetenzen auf einer breiten Basis<br />
auszubauen.<br />
VVM: Welche Alleinstellungsmerkmale sehen<br />
Sie am ViF bzw. welche sollen verstärkt aufgebaut<br />
werden?<br />
Paulweber: <strong>Das</strong> ViF hat großes Wissen in Simulationsmodellen<br />
für Komponenten eines Gesamtfahrzeug,<br />
aber auch in der Co-Simulation<br />
und in <strong>Fahrzeug</strong>netzwerken aufgebaut. Daneben<br />
ist in den letzten Jahren wichtiges Wissen<br />
in der funktionsorientierten Modellierung entstanden.<br />
Zu nennen sind aber sicher auch Spezialfelder<br />
wie Sicherheit, Elektrik/Elektronik,<br />
Batterie, Material, NVH, Energiemanagement,<br />
HVAC, Verbrennung. ■<br />
Dr. Michael Paulweber<br />
ist Director Global ITS<br />
Research & Technology<br />
der AVL List GmbH.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Industrie-Partner<br />
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