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Ein vergessenes Medium: Phonopost im Zweiten Weltkrieg (1940 ...

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Sinne (innerhalb des gesamten „Erfahrungsbereichs der Welt“ <strong>im</strong> Umkreis des Men-<br />

schen) erweitern und miteinander verbinden (S.1090ff) 94 . Vielleicht wird sogar „die<br />

Utopie einer phonographischen Wechselwirkung“ zwischen dem „Weltinnenraum“<br />

des Dichters und dem „Weltaußenraum“ angedeutet, eine Art wechselseitiger<br />

„écriture automatique“ (wie Segeberg mit dem Blick auf Rilkes Ding-Gedichte fest-<br />

stellt 95 ).<br />

2. 2. DAS MASSENMEDIUM SCHELLACKPLATTE<br />

Während Edison das Verlangen der Käufer nach bespielten Walzen anfangs völlig<br />

unterschätzt hatte und deshalb erst spät darauf reagierte, war die Schellackplatte<br />

von vornherein als Massenmedium konzipiert. Sie konnte den Wachszylinder dank<br />

einiger wesentlicher Vorteile verdrängen: Ihre ebene Oberfläche ließ sich leichter<br />

vervielfältigen als die gekrümmte Walzenoberfläche; ihre flache Form und geringere<br />

Empfindlichkeit erleichterten Transport und Aufbewahrung; aufgrund ihres härteren<br />

Materials war sie dauerhafter und vor allem öfter abspielbar. Allerdings war die<br />

Schellackplatte nur in einem komplizierten Prozeß industriell herzustellen – für indi-<br />

viduelle (geschäftliche oder private) „Selbstaufnahmen“ mußte man auf andere Ma-<br />

terialien zurückgreifen; Massenmedium und individuelles Speichermedium fielen nun<br />

also auseinander. Die Entwicklung der Schellackplatte soll <strong>im</strong> folgenden nur skizziert<br />

werden, soweit es zum Verständnis der Aufnahme-Schallplatten erforderlich ist.<br />

Schon der Brief, den Charles Cros <strong>im</strong> April 1877 bei der Pariser Akademie hin-<br />

terlegte, enthielt den Vorschlag, Töne auf einer rotierenden Scheibe aufzuzeichnen<br />

(vgl. Kap. 2.1.1.). Edison entwickelte in dieser Zeit seinen „Embossy Telegraph“ mit<br />

zwei rotierenden Platten (vgl. Kap. 2.1.2.). <strong>Ein</strong> Jahr später, nach der Erfindung des<br />

Metallfolien-Phonographen, ließ er in England eine Variante seines Aufzeichnungs-<br />

prinzips patentieren, bei der Kupferfolie auf einem Plattenteller (statt auf der gerillten<br />

94 Vgl. Rilkes Vortrag „Moderne Lyrik“ (1898; Bd 5/S.384). – Rilke „feiert“ also nicht das „weiße Rauschen<br />

am Grund aller Medien“ (so Kittler: Aufschreibesysteme, S.323; Grammophon, S.72); vielmehr<br />

erwartet er ja ein Signal, eine „Ton-Folge“ (der vom Verlag gewählte irreführende Titel „Ur-<br />

Geräusch“ mißfiel Rilke; er hatte „Exper<strong>im</strong>ent“ vorgeschlagen; vgl. Bd 6/S.1494f/Anm. des Hg.).<br />

95 Segeberg: Literatur, S.288ff.

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