Ein vergessenes Medium: Phonopost im Zweiten Weltkrieg (1940 ...
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rieren sie die „Schallfolien“, zum andern übersehen sie, daß die Aufnahmeplatten<br />
noch Anfang der 40er Jahre das Magnetband überflügelten, wo sie entsprechend<br />
ihren Eigenschaften genutzt wurden: als weiche Wachsplatte für hochwertige Auf-<br />
nahmen <strong>im</strong> Rundfunkhaus, aber eben auch als widerstandsfähige „Folie“ für häufi-<br />
ges Abspielen und den mobilen <strong>Ein</strong>satz.<br />
Noch vor der nationalsozialistischen „Gleichschaltung“ des Rundfunks (1933/34)<br />
erkannten und nutzten die künftigen Machthaber bereits die Möglichkeiten des Me-<br />
diums Aufnahmeplatte. Goebbels, der spätere Reichsminister für Volksaufklärung<br />
und Propaganda, berichtet in einem „Tagebuch“ unter dem 15.4.1932, man habe „ei-<br />
nen neuen Trick erfunden“, weil Reichskanzler Brüning sich einer öffentlichen Dis-<br />
kussion mit ihm verweigere 146 :<br />
„Wir haben deshalb seine Königsberger Rede, die über Rundfunk ging, auf Platten<br />
aufnehmen lassen. Wir lassen diese Platten eingangs unserer Versammlung <strong>im</strong> Sportpalast<br />
laufen und bügeln ihn daraufhin zusammen, daß er einfach hingeschmettert<br />
wird. Das Publikum rast vor Begeisterung. Das war ein Bombenerfolg.“<br />
Nach 1933 wurde die Herstellung von Tonspeichern für den Rundfunk „besonders<br />
dringend gefordert“, um aktuelle Reden, Veranstaltungen oder Konzerte vor der<br />
Sendung aufnehmen zu können 147 (natürlich erleichterte das auch Kontrolle und <strong>Ein</strong>-<br />
griffe durch die Zensur). Darin spiegelte sich das besondere Interesse der National-<br />
sozialisten am <strong>Medium</strong> Rundfunk, „das Goebbels rasch zu einem der wichtigsten In-<br />
strumente der Propaganda ausbaute“ 148 , das er aber ebenso gezielt, vor allem wäh-<br />
rend des Kriegs, als Unterhaltungs- und Ablenkungsmedium einsetzte. Allein 1936<br />
wurden in Berlin „rund 10.000 Schallplatten in den wichtigsten Weltsprachen“ aufge-<br />
nommen, um die Olympischen Spiele zu dokumentieren 149 ; fast alle erhaltenen Re-<br />
den des „Dritten Reichs“ stammen von Wachsplatten oder „Schallfolien“ 150 .<br />
Die Kriegsberichter nahmen in den ersten Kriegsjahren Frontberichte teils schon<br />
mit tragbaren, batteriebetriebenen Magnetophonen auf, teils weiterhin mit den übli-<br />
chen Aufnahmeplatten (in den ersten 14 Kriegsmonaten 20.000 Stück, also etwa<br />
Werner Ludwig: Schallplatte/Tonband, S.281 (in: Kritische Stichwörter zur Medienwissenschaft,<br />
hg. von Werner Faulstich, München 1979).<br />
146 Joseph Goebbels: Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei (1934; aber als „Tagebuch“ wohl nicht <strong>im</strong>mer<br />
authentisch); zit. nach Ansgar Diller: Rundfunkpolitik <strong>im</strong> Dritten Reich, München 1980, S.24.<br />
147 Bruch: Von der Tonwalze, Kap.30.<br />
148 Winfried Ranke: Propaganda, S.42 (in: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. von Wolfgang<br />
Benz u.a., München 1997).<br />
149 Pohle: Der Rundfunk, S.418.<br />
150 Bruch: Von der Tonwalze, Kap.31.