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Ein vergessenes Medium: Phonopost im Zweiten Weltkrieg (1940 ...

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48<br />

Das letzte der vier „privaten“ Tondokumente wurde am 2.9.1944 in Krakau<br />

aufgezeichnet. Es lag als einziges für diese Arbeit <strong>im</strong> Original vor: eine dünne,<br />

schwarzgefärbte Decelith-Folie (30 cm Durchmesser), mit weißem Wachsstift be-<br />

schriftet („<strong>Ein</strong> Brief an Mutti“) und auf einer Seite besprochen, auf der anderen Seite<br />

mit Musik bespielt (2.40 bzw. 3 Minuten). Teilweise erhalten ist auch der kartonierte<br />

Umschlag, mit dem die Platte am 20.9. nach Frankfurt am Main geschickt wurde; er<br />

trägt einen Absenderstempel aus dem Krakauer Regierungsgebäude („Hauptabt.<br />

Propaganda, M.-Anlage“) und einen runden Dienststempel („Generalgouvernement<br />

– Regierung“).<br />

Wie <strong>im</strong> Westen (wo seit der Invasion <strong>im</strong> Juni 1944 amerikanische und britische<br />

Truppen vorrückten), so mußte sich die Wehrmacht inzwischen auch <strong>im</strong> Osten <strong>im</strong>-<br />

mer weiter aus besetzten Gebieten zurückziehen: Die Rote Armee hatte schon <strong>im</strong><br />

August 1944 die Weichsel erreicht; gleichzeitig war Rumänien auf die Seite der Alli-<br />

ierten gewechselt; <strong>im</strong> September drangen sowjetische Truppen in die Slowakei<br />

ein 159 . Im Generalgouvernement, in den besetzten polnischen Gebieten (vgl. dazu<br />

S.44 zu Tonquelle 2), hatte die Teilräumung Galiziens bereits <strong>im</strong> März die „anarchi-<br />

stische Endphase“ der deutschen Herrschaft eingeleitet 160 – dies trug wohl dazu bei,<br />

daß <strong>im</strong> Regierungsgebäude diese private Schallplatte aufgenommen und sogar<br />

noch ihre Beförderung durch Absender- und Dienststempel sichergestellt werden<br />

konnte 161 .<br />

Tonquelle 8: Leutnant Felix Hinkel (Decelith-Folie).<br />

<br />

„Meine liebe Mutti! Wenn diese St<strong>im</strong>me Dich erreicht, dann bin ich sicher schon <strong>im</strong> Felde,<br />

/ und es ist sicher eine ganze Zeit vergangen. Meinen letzten Brief aus von<br />

der Führerreserve Nord in Peine hast Du sicher dann schon erhalten. Ich habe einen<br />

5 Tag, nachdem ich Dir diesen Brief abgeschickt habe, habe ich erfahren, daß ich<br />

versetzt werde. Nun bin ich mit vier andern Kameraden noch auf dem Wege an die<br />

Front. Gestern abend bin ich hier in Krakau angekommen und habe <strong>im</strong> Soldatenhe<strong>im</strong><br />

gut übernachtet, bin auch ganz / anständig abends zu Abend gegessen. Ich habe hier<br />

in Krakau zufällig einen alten Kameraden sitzen, den ich früher / von Rußland her ken-<br />

10 ne. Ich hab's mir natürlich nicht nehmen lassen, ihn gleich zu besuchen. Die Freude<br />

war groß. Wir haben uns ein Jahr lang nicht gesehen, und er hat es mir auch ermöglicht,<br />

daß ich hier auf dieser Platte zu Dir sprechen kann. Ich spreche hier auch zum ersten<br />

Mal ins Mikrophon und hoffe, daß / Du meine St<strong>im</strong>me wiederer / kennst. / /<br />

<br />

159 Enzyklopädie, S.631f.<br />

160 Enzyklopädie, S.485.<br />

161 Daß dabei der Nachname des Sprechers Bedeutung hatte, ist auszuschließen; mit dem Geschäftsführer<br />

der Reichskulturkammer und SS-Gruppenführer Hans Hinkel (vgl. Enzyklopädie,<br />

S.846) war er (nach Kenntnis des Verfassers) nicht verwandt.

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