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1-2013 - Public Security

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Zwar besteht in NRW vom Besoldungsrecht her<br />

die Möglichkeit, den Anwärtern einen zusätzlichen<br />

Aufschlag von 35 % zu zahlen, doch nur<br />

sehr wenige Städte machen davon Gebrauch.<br />

Außerdem muss festgestellt werden, dass es<br />

mit den Beförderungsmöglichkeiten nicht zum<br />

Besten steht, auch dies ein Grund dafür, dass<br />

sich der Ansturm auf einen Ausbildungsplatz<br />

bei der Berufsfeuerwehr in Grenzen hält.<br />

Nicht vergessen werden dürfen in diesem<br />

Zusammenhang die über den Brandschutz hinausgehenden<br />

und ebenfalls unverzichtbaren<br />

Leistungen von Berufs- wie von Freiwilligen Feuerwehren<br />

bei Krisenlagen aller Größenordnungen<br />

einschließlich Naturkatastrophen. Selbst in<br />

Städten mit Berufsfeuerwehren reichen bei<br />

größeren Schadensereignissen deren Kräfte erfahrungsgemäß<br />

zur Schadensbewältigung meistens<br />

nicht aus, so dass auf die Kapazitäten der<br />

Freiwilligen Feuerwehren und auf andere Hilfsorganisationen<br />

zurückgegriffen werden muss.<br />

Noch bedrohlicher erscheint die Lage in den<br />

meisten Landkreisen, in denen der gesamte Bereich<br />

der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr auf<br />

dem ehrenamtlichen Engagement in den entsprechenden<br />

Organisationen fußt. Deswegen<br />

führen Nachwuchsprobleme hier zwangsläufig<br />

zu einer Bedrohung der gesamten Gefahrenabwehr<br />

in den jeweiligen Gebietskörperschaften.<br />

Schon in Heft 1/2011 von „<strong>Public</strong> <strong>Security</strong>“<br />

hatte Björn Stahlhut als Grundsatzreferent im<br />

Team Rettungsdienst des DRK-Generalsekretariats<br />

im Hinblick auf die erwartbar prekäre Nachwuchslage<br />

bei den Rettungsdiensten hingewiesen<br />

und die Gründe genannt, die auch auf die<br />

Freiwilligen Feuerwehren und andere Hilfsorganisationen<br />

sowie darüber hinaus auf weitere Institutionen<br />

wie Kirchen, Sozialdienste und sogar<br />

Vereine zutreffen. Mit der 2011 erfolgten Aussetzung<br />

der Wehrpflicht war und bleibt der Wegfall<br />

aller Ersatzdienste verbunden, und dabei geht<br />

es um ein jährliches Defizit an Personal in fünfstelliger<br />

Höhe. Im Bereich Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe sind die ersten Auswirkungen<br />

bei den Freiwilligen Feuerwehren, den<br />

Rettungsdiensten und beim THW bereits erkennbar<br />

und geben hinreichend Anlass zur Sorge.<br />

Ein nicht zu unterschätzendes Reservoir für<br />

diverse ehrenamtliche Dienste boten in der Vergangenheit<br />

Schüler und Studierende, doch gerade<br />

hier sind die jüngsten bildungspolitischen<br />

Maßnahmen nicht ohne nachteilige Wirkungen<br />

für freiwilliges Engagement geblieben. Die Reduzierung<br />

der gymnasialen Schulzeit von 9 auf<br />

nur noch acht Jahre schränkt bei vielen<br />

Schülern aufgrund des komprimierten Lernstoffs<br />

die freie Zeit für umfangreichere außerschulische<br />

Aktivitäten ebenso ein wie die an<br />

den deutschen Universitäten eingeführten Bachelor-<br />

und Masterstudiengänge mit ihren verkürzten<br />

Studienzeiten.<br />

Darüber hinaus gibt es einen deutlichen Unterschied<br />

zwischen Bereitschaft zum Engage-<br />

Nicht nur bei Bränden ist man auf die Hilfe der freiwilligen Helfer angewiesen<br />

ment und tatsächlichem aktiven Einsatz für eine<br />

gute Sache: Der bislang jüngste, vom Bundesministerium<br />

für Familie, Senioren, Frauen<br />

und Jugend im Jahr 2009 veröffentlichte<br />

Überblick über Freiwilliges Engagement in<br />

Deutschland hatte auf Basis einschlägiger Untersuchungen<br />

festgestellt, dass 49 % der Jugendlichen<br />

sich ehrenamtlich irgendwie gern<br />

einbringen wollen, dies aber nur 35 % wirklich<br />

tun.<br />

Doch selbst wenn es gelingen könnte, diesen<br />

Wert erheblich zu steigern, wären damit die<br />

Probleme für die Nachwuchsgewinnung bei Feuerwehren,<br />

Rettungsdien-sten und anderen Hilfsorganisationen<br />

noch längst nicht behoben.<br />

Schon in der Ausbildung für diese ehrenamtlichen<br />

Tätigkeiten geht es um den Erwerb unverzicht-barer<br />

fachlicher Kompetenzen, die in der<br />

Folge auch intensiviert und erweitert werden<br />

müssen. Die hierfür erforderlichen Weiterbildungsmaßnahmen<br />

in Gestalt von Kursen und<br />

Übungen lassen sich aber nicht in allen Fällen<br />

im Rahmen von Wochen-endveranstaltungen absolvieren.<br />

Länger dauernde Lehrgänge setzen<br />

bei den Freiwilligen jedoch die Bereitschaft der<br />

jeweiligen Arbeitgeber voraus, sie für den<br />

benötigten Zeitraum freizustellen. Ein solches<br />

Verständnis und Entgegenkommen hält sich bei<br />

den meisten Betrieben und auch bei Verwaltungen<br />

mittlerweile doch sehr in Grenzen.<br />

Was ist zu tun? Erste Vorschläge reichen<br />

von zusätzlichen finanziellen Anreizen in Form<br />

von Bonussystemen und „Ehrenrenten“ bis zu<br />

sachwerten Vergünstigungen in den Kommunen,<br />

lösen aber keineswegs die strukturellen<br />

Probleme wie die weniger verfügbare Zeit für ein<br />

ehrenamtliches Engagement oder wie die Frage<br />

nach der erforderlichen Zustimmung der Arbeitgeber.<br />

Hinzu kommen die Auswirkungen des demographischen<br />

Wandels in unserer Gesellschaft.<br />

In den nächsten Jahren werden immer<br />

mehr Angehörige der sog. Baby-Boomer Generation,<br />

d.h. der Jahrgänge 1950 bis 1965, in<br />

Rente gehen. Das bedeutet nicht nur einen Verlust<br />

an Erfahrungswissen, sondern im Zusammenhang<br />

mit den Problemen bei der Nachwuchsgewinnung<br />

eine gravierende Gefährdung<br />

der Funktionsfähigkeit von Einsatzkräften und<br />

Stäben aller Ebenen im Bevölkerungsschutz.<br />

Ja, es brennt bei der Feuerwehr und nicht<br />

nur dort. Wo sind Ideen und realistische Lösungsvorschläge?<br />

Es ist höchste Zeit, die Probleme<br />

konkret anzugehen. Dazu sind alle aufgerufen,<br />

und damit eben auch die letztlich von<br />

den allfälligen Gefahren betroffenen Bürger. Es<br />

reicht nicht, den „Experten vom Bevölkerungsschutz“<br />

die Arbeit an Konzepten und Maßnahmen<br />

zu überlassen und auf Ergebnisse zu warten.<br />

Jeder darf und muss sich engagieren, und<br />

alle sollten akzeptieren, dass es dafür auch der<br />

Bereitstellung erheblicher finanzieller Mittel bedarf.<br />

Gefahrenabwehr kostet einiges, und das<br />

gilt in besonderer Weise schon für die Prävention.<br />

Hierzu zählen neben Beschaffung und Bereitstellung<br />

geeigneten Materials vor allem<br />

ideelle wie finanzielle Investitionen im Personalbereich<br />

für Ausbildung, Übung und die Sicher-stellung<br />

der erforderlichen Kapazitäten<br />

durch erfolgreiche Nachwuchsgewinnung.<br />

Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif, und<br />

wirkungsvolle ehrenamtliche Arbeit lässt sich<br />

mit Lob und Appellen allein nicht garantieren.<br />

Wie hieß es vor vielen Jahren in einer bekannten<br />

Werbeaktion? „Es gibt viel zu tun. Packen<br />

wir es an!“ Dieser Forderung kann man sich nur<br />

anschließen. ➛<br />

Der Autor:<br />

Prof. Dr. phil.<br />

habil. Volker<br />

Schmidtchen<br />

ist Institutsleiter<br />

und<br />

Wissenschaftlicher<br />

Direktor von<br />

Firmitas - Institut<br />

für Wirtschafts-<br />

und<br />

Sicherheitsstudien.<br />

PUBLIC SECURITY 2-2012/1-<strong>2013</strong> 29

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