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alpbacher architekturgespräche 2003 - ATP

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odenverbrauch in tirol ><br />

Fotos: U.Andres<br />

Es war also schlicht und einfach eine Machtfrage, dass nicht die meist landwirtschaftlich<br />

weniger attraktiven Gründe der oft in sich zerstrittenen und verneideten<br />

Wald- oder Agrargenossenschaften oder jene von weichenden Erben<br />

oder vom geschlossenen Hof ausbezahlter Angestellten der ÖBB zu höheren<br />

Baugrund-Ehren kamen, sondern jene der Dorfkaiser. Dazu hätte es aber nicht<br />

eine angeblich an gemeinnützigen Interessen orientierte Bürokratie gebraucht.<br />

Auch hier setzte sie sich nicht durch und auch hier, im Millionärsspiel, dürfte der<br />

Hauptgrund dafür liegen, dass die verdichtete Bauweise solange keine Chance<br />

hatte, solange sie jenen, die Geld wollten, im Verhältnis zur neuen Nachbarschaft,<br />

die sich sie damit aufhalsten, zuwenig einbrachte. Es sei nur vermerkt,<br />

dass Baudichte und Grundverbrauch erst dann zur Diskussion gestellt wurden,<br />

als sich die soziologischen Strukturen in den Dörfern und Kleinstädten merklich<br />

in Richtung Angestelltenkultur verschoben und jene den Ton anzugeben begannen,<br />

die sich aus den Schanzen ihrer bausparfinanzierten Häuschen heraus<br />

Gedanken machten, wie sie ihren Kindern zu einem vergleichbaren Glück<br />

verhelfen könnten.<br />

Und natürlich hat die Bau-Bürokratie auch nicht ästhetische Katastrophen verhindert.<br />

Damit sind weniger die tirolerischen, maurischen oder hollywoodartigen<br />

Wahnideen unserer Häuselbauer gedacht, die wohl als von den Menschenrechte<br />

garantierte architektonische Meinungsfreiheit eingeordnet werden müssen.<br />

Gemeint ist vielmehr jener aus dem Grundverkauf der dörflichen Großgrundbesitzer<br />

finanzierte touristische Alpenbarock, der in seiner mit Balkonen und<br />

postbäuerlichen Utensilien geschmückten Hässlichkeit den Boom des Tiroler<br />

Tourismus begleitete und dort, wo dieser Tourismus noch eine Zukunft haben<br />

soll, um viel Geld rückgebaut werden muss, weil eine derartige Zusammenballung<br />

alpinen Kitsches inzwischen nicht nur dem dümmsten Gast, sondern vor<br />

allem einer gebildeteren Hoteliers-Nachfolgegeneration auf die Nerven geht.<br />

Auch dieses Alpenbarock ist einer der Macht gegenüber niemals emanzipierten<br />

und baukünstlerisch vollkommen überforderten Bürokratie entgangen.<br />

Dies musste einmal in aller Boshaftigkeit an einem Ort festgehalten werden, an<br />

dem die Belehrung der Bevölkerung und der dirigistische Eingriff in das Leben<br />

der Menschen selten vom Prinzip her angezweifelt wird.Wie auch immer man<br />

sich im Spannungsfeld zwischen liberal-kapitalistischem und josephinischbürokratischem<br />

Wahn einordnen mag: Der gemeine Häuselbauer sollte als<br />

Beweis dafür, was alles verboten werden muss, damit nicht noch Schlimmeres<br />

passiert, aus den Akten der Gerichtsverhandlung heraus oder als Feindbild<br />

zurück genommen werden. Denn die schlimmsten Sünden, die er in Verwirklichung<br />

seines Menschenrechts begangen zu haben scheint, sind weniger ihm, als<br />

vielmehr jenen anzulasten, die ein privilegiertes Leben als Priesterklasse des<br />

Baugeschehens zubringen und demgemäß gegen alles, was nicht der reinen<br />

Lehre entspricht, mit hohem theoretischen Aufwand vorgehen.<br />

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