alpbacher architekturgespräche 2003 - ATP
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Dienstleistungsbetrieben (z.B. Post) die Mindeststandards einer wohnortnahen<br />
Grundversorgung nicht mehr in allen Räumen gesichert werden können (vgl.<br />
Stiens/ Picks 1998, S. 421).<br />
Klaus Kunzmann, der sehr pointiert acht räumlich-funktionale Raumtypen<br />
skizziert hat (vgl. Kunzmann 2001, S. 214 -220), verweist auf verschiedene soziale<br />
Lebenssituationen von Menschen, die sich räumlich um bestimmte Nutzungsfunktionen<br />
konzentrieren und so zu einer regionalen sozialen Ungleichheit<br />
beitragen können.<br />
Beispielsweise führt er die so genannte knowledge-city an: Universitätsstandorte<br />
auf der grünen Wiese, die zunehmend um Technologie- und Scienceparks<br />
ergänzt werden und allmählich um Wohngebiete und Infrastrukturen für<br />
die Wissensarbeiter/innen werden. Oder die Regionen für wohlhabenden<br />
Bildungsbürger/innen und Aussteiger/-innen, “Arcadia” genannt: reizvolle<br />
Landschaften, in denen gestresste Städter/-innen die Naturnähe suchen und<br />
neue Nutzungen in alten landwirtschaftlichen Gehöften einführen.Weiterhin<br />
typisiert er die attraktiven Vorstädte deutscher Stadtregionen als www.suburbia,<br />
in denen die einkommensstärkeren Haushalte mit Kindern den (Kosum)-<br />
Ton angeben und die Kommunalpolitik bestimmen.<br />
Und als “Kap der chinesischen Hoffnung” subsumiert er die suburbanen<br />
Räume, in denen die funktionalen Nutzungen der Stadtregion konzentriert sind,<br />
die diese zur Ver- und Entsorgung brauchen: Müllentsorgungs- und<br />
Abwasserbehandlungsanlagen, usw. Hier sind in der Regel diejenigen zu hause,<br />
ohne die diese Einrichtungen nicht funktionieren würden.Von Trassen zerschnitten<br />
nehmen diese Räume am Rand der Stadt alle diejenigen Haushalte und<br />
Aktivitäten auf, die in anderen Stadtquartieren nicht willkommen sind oder dort<br />
nicht realisiert werden können, weil Grundstückspreise zu hoch und Mieten zu<br />
teuer sind. Dort sind Handlungsräume informeller und ethnischer Ökonomien<br />
verortet. Diese Räume sind Teil der Zwischenstadt, quasi die Kehrseite der<br />
Medaille, und sollten entsprechend in den Debatten mitbedacht werden.<br />
Für den Diskurs über die Zwischenstadt folgt aus der Zusammenschau typisierter<br />
Raumprofile und angedeutete unterschiedlicher Lebenssituationen, dass die<br />
Polarisierung der Gesellschaft und die immer größer werdenden sozialen<br />
Ungleichheiten auch auf stadtregionaler Ebene spürbar werden. Die suburbanen<br />
Räume sollten somit nicht mehr ausschließlich über ihre Nutzungsfunktionen<br />
differenziert werden, sondern sind zunehmend auch über die dort vorhandenen<br />
Milieus bzw. Lebensstile gekennzeichnet. Es bilden sich unterschiedliche<br />
“Adressen” oder Profile dieser Räume heraus, die unterschiedliche Bevölkerungsgruppen<br />
und Lebensstile anziehen. Daher wird es nicht mehr ausreichen,<br />
die fachlichen Debatten um soziale Stadterneuerungsstrategien lediglich auf<br />
Quartiersebene zu führen. Diskussionen über soziale Ungleichheit müssen auch<br />
im regionalen Kontext geführt werden, um raumplanerische Maßnahmen ableiten<br />
zu können.<br />
Nachdem damit auf der großräumigen Ebene das Spektrum der Lebenswirklichkeiten<br />
in der Zwischenstadt angerissen wurde, soll nun der Frage nach der<br />
Alltagsorganisation nachgegangen werden.<br />
Alltagsorganisation und Lebensformen<br />
in der Zwischenstadt<br />
Ein Großteil der räumlichen Lebensqualität wird durch die Bewältigung des<br />
Alltags bestimmt:Wo kaufe ich ein und bringe die Kinder zur Schule, wie weit<br />
< <strong>alpbacher</strong> <strong>architekturgespräche</strong> <strong>2003</strong>: nachlese ><br />
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