alpbacher architekturgespräche 2003 - ATP
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ist das Produkt des seit der Industriellen Revolution mit der Entfaltung der<br />
Produktivitätskräfte gewachsenen Reichtums im Zusammenwirken mit Transporttechniken,Telematik<br />
und Systemdifferenzierungen.<br />
Die allein in den letzten fünfzig Jahren versechsfachte private Kaufkraft wurde<br />
“angelegt” in verschiedenen Bereichen, die sich ganz unterschiedlich, aber in<br />
der Summe prägend auf die Stadtstruktur auswirken: Diese stadtprägenden<br />
Anlagebereiche finden sich z.B. Im Konsum mit der Folge wachsender Einzelhandelsflächen;<br />
in privater Fläche mit der Folge einer Verdreifachung der spezifischen<br />
privaten Flächen pro Einwohner, in einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit<br />
mit der Folge eines, auf den Verlauf des Lebens bezogenen<br />
verdoppelten frei verfügbaren Zeitbudgets 5 , in existentieller Absicherung,<br />
unabhängig von Nachbarn und Familie, in Form gesamtgesellschaftlicher Versicherungen;<br />
und nicht zuletzt in Mobilität: In Industriegesellschaften gibt es inzwischen<br />
mehr als ein Auto auf zwei Einwohner! Kurz, der Reichtum hat die Fläche<br />
der “Alten Stadt” gesprengt, die Standortwahl befreit und die Aktionsräume<br />
ausgeweitet!<br />
Keinem der Gesamtplanungsversuche und Leitbilder, wie sie seit mehr als<br />
hundert Jahren versucht werden, ist es wirklich gelungen, für diese Kräfte, über<br />
einzelne ordnende Korrekturen und Fragmente, die die jeweils zeittypischen<br />
Leitbilder spiegeln, hinaus, einen wirksamen Ordnungsrahmen durchzusetzen:<br />
Zwischenstadt im ganzen ist das unbeabsichtigte Produkt unzähliger, jeweils für<br />
sich zwar rationaler, aber untereinander räumlich nicht oder nur unzureichend<br />
koordinierter Einzelentscheidungen, die, außer durch ihre eigenen Interessen<br />
gelenkt, keine Perspektive auf den größeren Raum richteten. Die Entwicklung<br />
der Zwischenstadt als ein Stadtland, wie sie kürzlich in der Schweiz genannt<br />
wurde 6 oder als Siedlungs-Archipel, wie O. M. Ungers sie bezeichnet hat, scheint<br />
quasi naturwüchsig – kontingent zu verlaufen.<br />
Ein Stadtland mit Eigenschaften kommt in die Jahre<br />
Dabei haben sich im ungeplanten Zusammenwirken der unzähligen, jeweils in<br />
ihrem eigenen Bezugssystem rationalen Einzelentscheidungen bestimmte<br />
charakteristische Merkmale herausgebildet 7 :<br />
• Zwischenstadt hat eine fraktale Struktur, die durch das randsuchende<br />
Siedlungsverhalten vieler Haushalte zu erklären ist: Haushalte suchen im<br />
Rahmen Ihres Budgets nach Wohnorten, in denen sie gleichzeitig unmittelbare<br />
Nähe zur offenen Landschaft, gute Nahversorgung und Zugang über regionale<br />
Verkehrsnetze zum regionalen Arbeitsmarkt haben 8 .<br />
• Zwischenstadt ist geprägt durch Funktionssysteme, z.B.Verkehr,Versorgung,<br />
Produktion, aber auch Wohnen und Landwirtschaft – die sich nach der Befreiung<br />
aus der erzwungenen Enge der Alten Stadt – jeweils nur Ihrer Eigenlogik<br />
folgend entwickelt und differenziert haben und in Ihrer Summe betrachtet,<br />
einen dysfunktionalen Wirrwarr bilden 9 .<br />
• Zwischenstadt weist einen großen Artenreichtum an Pflanzen und Tieren auf,<br />
die in der randmaximierenden fraktalen Struktur, in den ‚Wärmeinseln‘ der<br />
Bebauung und im reichen Nahrungsangebot der Gärten und des Abfalls gute<br />
neue Lebensbedingungen finden 10 .<br />
• Zwischenstadt wird ermöglicht durch die veränderten Zeitbudgets vieler<br />
Bewohner, in denen durch Verkürzung der Arbeitszeiten und Verlängerung des<br />
aktiven Lebens die freiverfügbaren Lebenszeiten stark zugenommen haben.<br />
< <strong>alpbacher</strong> <strong>architekturgespräche</strong> <strong>2003</strong>: nachlese ><br />
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