Referat Prof. Dr. F. Nieslony (PDF, 302.2 KB) - Jena
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Das heißt aber: Alles bleibt beim Alten, in der Mittagspause essen wir gemeinsam<br />
und dann kommt "die Tante" (pardon: oder "der Onkel") vom Förderverein, spielt<br />
mit den Kindern "Mensch ärgere dich nicht", und nach dem gemeinsamen<br />
Fußballspiel können wir nach Hause gehen. Mutti freut sich, weil ich meine<br />
Schulaufgaben schon mit sozialpädagogischer Betreuung gemacht habe.<br />
Hier mutiert die Ganztagsschule zur Betreuungsschule – so etwas wollen und<br />
brauchen wir nicht.<br />
In der FACHDISKUSSION stand bei der Unterscheidung der verschiedenen<br />
FORMEN der Ganztagsschule immer die Orientierung am Lebens- und Lernrhythmus<br />
der Kinder im Vordergrund. Bereits 2001 formulierte die Gewerkschaft<br />
Erziehung und Wissenschaft (GEW):<br />
"Ganztägige Öffnung bedeutet nicht die Ausdehnung des Vormittagsunterrichts auf<br />
den ganzen Tag. Ganztagsschulen sollen Lern- und Lebensorte sein, die den<br />
starren Vormittagsunterricht im 45-Minuten-Takt überwinden, Lernprozesse<br />
rhythmisieren, außerschulische Lernorte und Freizeitaktivitäten einbeziehen,<br />
alternative Lernformen wie Projektlernen und altersgemischte Lern- und<br />
Freizeitgruppen ermöglichen, selbstständige und eigenverantwortliche<br />
Lernprozesse fördern, zusätzliche Interessensgebiete erschließen sowie Stütz-<br />
und Fördermaßnahmen anbieten. Zusatzangebote von Eltern, Vereinen, Kirchen<br />
und Betrieben sind Teil des pädagogischen Konzepts. Ganztagsschulen brauchen<br />
eine klare auf Integration, Chancengleichheit und Vielfalt zielende pädagogische<br />
Ausrichtung. Sie dürfen nicht zur Vertiefung von Aussonderung und zu sozialer<br />
Entmischung führen". 14<br />
Damit habe ich – verkürzt – deutlich gemacht, was ich unter einer modernen<br />
Schule verstehe. In der "gebundenen" FORM steht diese Ganztagsschule zur<br />
Debatte: Ohne einen multiprofessionellen Ansatz ist sie nicht zu verwirklichen!<br />
SCHULSOZIALARBEIT ist ein hier strukturell verankertes "eigenständiges<br />
Dienstleistungsangebot der Jugendhilfe am Ort Schule" (Frankfurter Kommentar<br />
2009, SGB VIII). Sie ist integrierter Bestandteil des gesamten Schullebens.<br />
SCHULSOZIALARBEIT wird damit zu einem zentralen Element der Bildungsdebatte.<br />
Im Kontext eines modernen umfassenden Bildungsverständnisses – der<br />
GANZTAGSBILDUNG – wird davon ausgegangen, dass sowohl die formelle und<br />
nichtformelle wie auch die informelle Bildung von gleicher Bedeutung sind.<br />
BILDUNG hat also viele ORTE; sie findet nicht exklusiv nur in der Schule statt.<br />
Hier hat der 12. Kinder- und Jugendbericht eine Weichenstellung vorgenommen,<br />
die nach der 1. Bildungskatastrophe in den 60er Jahren uns heute in der 2.<br />
Bildungsreformphase die Chance eröffnet, ein altes Schulwesen einem modernen<br />
Bildungsverständnis anzupassen.<br />
GANZTAGSBILDUNG geht davon aus – folgt man dem Handbuch der Ganztagsbildung<br />
von Hans-Uwe Otto und Thomas Coelen 15 –, dass dieses Bildungsverständnis<br />
von gleichberechtigten Institutionen – der Jugendhilfe und Schule –<br />
gemeinsam verwirklicht werden wird. Gemeinsam heißt also hier: etwas NEUES<br />
schaffen!<br />
Vor diesem Hintergrund beziehe ich mich im Weiteren auf den BEREICH der<br />
Jugendhilfe – insbesondere der SCHULSOZIALARBEIT, verlasse also argumentativ<br />
den schulischen Bereich und seine institutionellen und organisatorischen<br />
Voraussetzungen zur Realisierung dieses modernen Bildungsverständnisses.<br />
14 Ausbau des Ganztagsangebotes – Vorrangige Aufgabe. Beschluss des Hauptvorstandes<br />
der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom 23. Juni 2001, S. 2/3.<br />
15 Coelen, Th./Otto, H.-U. (Hg), 2008: Grundbegriffe Ganztagsbildung. Das Handbuch (VS<br />
Verlag für Sozialwissenschaften), Wiesbaden.