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Referat Prof. Dr. F. Nieslony (PDF, 302.2 KB) - Jena

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(bildungspolitische) Mängellage: THESE 2<br />

Formulieren wir es einmal pointiert: Allein die schulische SELEKTION scheint bei uns zu<br />

funktionieren – wie uns die vergleichenden internationalen und nationalen Studien gezeigt<br />

haben. Zur Realisierung übergeordneter Qualifikations- und Erziehungsziele in unserer<br />

WISSENSGESELLSCHAFT bedarf es jedoch grundsätzlicher struktureller Veränderungen und<br />

Innovationen. Um es zu positionieren: Ohne radikale Überwindung des dreigliedrigen,<br />

hochselektiven Schulsystems in deutschen Landen perpetuieren wir die institutionalisierte<br />

Chancen-Ungleichheit, schöpfen so die Begabungsreserven über Generationen nicht aus und<br />

schreiben die tendenziellen Verarmungsprozesse weiter fort.<br />

In diesem Diskussionsprozess befinden wir uns derzeit. Ob es zu mehr als schulischem<br />

Flickwerk kommen wird, muss sich vielerorts noch zeigen. Es ist – verfolgt man die Debatten<br />

um die Einführung der Ganztagsschule – allerdings zu vermuten. Einige Stadtstaaten und<br />

Bundesländer experimentieren – teils offen-, meistens halbherzig. Der jüngste Schulstreit in der<br />

Hamburger Bürgerschaft ist ein drastisches Beispiel. Und in NRW streitet man um die Verlängerung<br />

zum Abitur. Deutlich wird bei alldem: BILDUNG für alle in einer Schule für alle – übrigens<br />

eine Forderung der Französischen Revolutionspädagogik – war immer eine Machtfrage und ist<br />

immer noch vielfach von Traditionsinteressen geleitet. Hierzu historische Belege anzuführen,<br />

würde beim Studium der deutschen Schulgeschichte nicht schwer fallen. Diesen Pfad möchte<br />

ich aber nicht weiter beschreiten.<br />

Für uns thematisch bedeutsamer ist vielmehr, die "bildungspolitische Mängellage" – wie ich es<br />

nenne – als FOLIE für unsere weitere Argumentation zu nehmen: "Fördern" statt "Auslese" – so<br />

hat es der Deutsche Bildungsrat bereits 1968 bei der Einführung der integrierten Gesamtschule<br />

genannt – "Integration" statt "Selektion" – so oder ähnlich nennen es viele fachliche und<br />

fachpolitische Stellungnahmen und Beschlüsse (u.a. der GEW-Hauptvorstand bereits 1994; die<br />

Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, AGJ, 1999; der Deutsche Verein, 2000; KMK und JMK in<br />

der Reaktion auf die PISA-Studie in den sog. "Leipziger Thesen", 2002 usw. – die Aufzählung ist<br />

willkürlich und unvollständig!).<br />

Aus der sozialpädagogischen Perspektive ist es besonders die INTEGRATIONSFUNKTION der<br />

Schule, die hier interessiert. So kann nach all den Diskussionen, die nach TIMSS, PISA, IGLU<br />

usw. folgten, aus der sozialpädagogischen Ecke gefragt werden: Kann denn eine Schule – die<br />

im internationalen Wettbewerb staatlicherseits neuerdings hoch subventioniert wird und um<br />

Spitzenplätze in der Leistung kämpft – überhaupt noch erziehen, fördern, integrieren?<br />

Vor diesem – zugegebener Maßen nur angedeuteten – Hintergrund vertrete ich die Meinung,<br />

dass eine moderne Schule heute nur noch multiprofessionell arbeiten kann, will sie<br />

erzieherische, qualifikatorische fördernde und integrative Ansprüche glaubwürdig einlösen. Um<br />

es einmal bildhaft und ebenfalls verkürzt zu formulieren: "INTERDISZIPLINÄR" (oder:<br />

"MULTIPROFESSIONELL") in der Schule zu arbeiten würde im IDEALFALL bedeuten, dass<br />

Lehrkräfte mit Psychologen, Logopäden, Ergo- und anderen Therapeuten und – nicht zuletzt –<br />

mit Sozialpädagogen, also Schulsozialarbeitern, unter einem Dach zusammenwirken. Jawohl –<br />

"unter einem Dach"! Und nicht in einem Netzwerk fakultativer Unzulänglichkeiten, in dem<br />

unterschiedliche <strong>Prof</strong>essionen für mehrere Schulen zuständig sind und in denen die<br />

Schülerinnen und Schüler nur minutenweise gefördert werden können.<br />

Dass so etwas möglich ist, erfahren wir – bis jetzt – nur, wenn wir über unsere nationalen<br />

Grenzen schauen – wenn wir sehen, wie andere Länder ihren Schulalltag gestalten.<br />

Wenn ich mit Skepsis von der "Halbherzigkeit" länderbezogener Schulreformen gesprochen<br />

habe, dann ist – neben der ideologischen Behauptung, dass sich die gegliederten Schulformen<br />

über Jahrzehnte bewährt haben – ein Blick auf die Bildungsinvestitionen interessant. Die

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