Referat Prof. Dr. F. Nieslony (PDF, 302.2 KB) - Jena
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(strukturelle) Hintergründe: THESE 1<br />
Zur Einlösung individueller Voraussetzungen an der schulischen Teilhabe gibt es – wie in jeder<br />
Kulturgemeinschaft – Hindernisse und Hürden. Und der Zugang zu einer bildungspolitischen<br />
Problemdarstellung beginnt meistens mit einer Analyse der Zugangsvoraussetzungen für die<br />
Teilhabe an Bildungsgütern. Damit möchte ich Sie allerdings verschonen. Wir können jedoch<br />
andererseits die Augen nicht vor individuellen und strukturellen Gegebenheiten verschließen,<br />
denen sich junge Menschen ausgesetzt sehen. Es sind "andere" Kinder einer "anderen"<br />
Generation in einer "anderen" Schule, mit denen sich die Soziale Arbeit auseinander zu setzen<br />
hat:<br />
Die gesellschaftlichen Arrangements und mit ihnen die Schülergenerationen haben sich verändert.<br />
Individuelle, moderne Lebensbedingungen konfligieren nicht selten mit den Voraussetzungen<br />
an den gesellschaftlichen Errungenschaften teilhaben zu können. Was aber sind das für<br />
Veränderungen, mit denen junge Menschen heute konfrontiert sind, die sie von anderen<br />
Generationen unterscheiden und die als Rahmenbedingungen das individuelle Lernen<br />
manifestieren?<br />
Es geht bei dieser Auseinandersetzung also um die strukturellen Bedingungen des Lernens, die<br />
eine umfassende BILDUNG zu beeinflussen in der Lage sind.<br />
"Wandel der Normalitätsvorstellungen"<br />
Das, was früher oft unvorstellbar war, ist heute "normal". Aufgabe von Sozialpolitik, also auch von<br />
Jugendhilfe, ist es, "Normalität" zu sichern. Das Verständnis von Normalität orientiert sich immer<br />
weniger an gemeinsamen Werten, religiösen Bindungen oder kulturellen Traditionen. Die Lebenslagen<br />
junger Menschen sind in hohem Maße von deren Pluralisierung gekennzeichnet, wie sie schon der 8.<br />
Jugendbericht sehr differenziert beschreibt. Diese Vervielfältigung von Möglichkeiten bietet Chancen,<br />
setzt Jugend aber auch unter <strong>Dr</strong>uck. Vor dem Hintergrund dieser breiten Möglichkeiten muss sich<br />
Jugend nämlich auch entscheiden. Mit Individualisierung wird dieser Zuwachs an Selbstverantwortung<br />
beschrieben, der zugleich mehr Handlungs- und Wahlfreiheit als früher einräumt und zu Entscheidungen<br />
von weit reichender Bedeutung zwingt, ohne dass Jugend häufig weiß, woraufhin sie sich<br />
entscheiden soll. Der Verlust der alten Sicherheiten und Werte wie des schützenden Milieus führt zu<br />
Unsicherheit, Ohnmacht, Orientierungslosigkeit und Vereinsamung.<br />
"Wandel der familialen Verhältnisse"<br />
Die Familie ist immer weniger die Basis für die eigene Zukunft. Familie verändert sich, zerfällt, formiert<br />
sich in wechselnden Zusammensetzungen neu. Dazu gehören Phänomene der Vereinzelung,<br />
Verinselung und Vereinsamung von Kindern durch Geschwisterlosigkeit, des Fehlens mehrerer<br />
Bezugspersonen und der Verlust ganzheitlicher Erfahrungen. Die Erlebnisse von psychischer,<br />
physischer und sexueller Gewalt gegen Kinder kennzeichnen ebenso die Situation vieler Familien heute<br />
wie die wachsende Armut, insbesondere in kinderreichen Familien.<br />
"Wandel der Erwerbssituation"<br />
Arbeit ist das zentrale Medium der sozialen Integration und Grundlage der wesentlichen sozialen Sicherungssysteme<br />
unserer Gesellschaft. Normalität und Erwerbstätigkeit wären also synonym zu sehen.<br />
Mit dem Steigen der Arbeitslosigkeit, dem Anwachsen von Armut, der Unsicherheit des Übergangs vom<br />
Jugend- ins Erwachsenenleben sinkt die sozialintegrative Kraft der traditionellen Berufsbiographie. Der<br />
<strong>Dr</strong>uck in der Schule wächst. Mit "Qualifikationsparadox" wird eine Situation beschrieben, in der auf die<br />
Entwertung von schulischen Qualifikationen mit vermehrten Qualifikationsanstrengungen reagiert wird,<br />
die immer weniger Garantien geben.<br />
"Wandel der institutionellen Bedingungen"<br />
Mit dem Bild der "Risikogesellschaft" werden die vielfältigen gesellschaftlichen Bedrohungen bezeichnet,<br />
die Kinder und Jugendliche heute ängstigen: kriegerische Auseinandersetzungen, terroristische<br />
Bedrohungen, ökologische Katastrophen usw. Untersuchungen einschlägiger Jugendforschungsinstitute<br />
weisen nach, dass die Zukunftsängste von Kindern enorm gestiegen sind und ihr Heranwachsen