Spielzeitheft THEATER BIELEFELD 2013/14 STADT LAND FLUSS
Spielzeitheft THEATER BIELEFELD 2013/14 STADT LAND FLUSS
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Liebe freundinnen<br />
und freunde<br />
deS theaterS,<br />
Stadt, Land, Fluss – mit diesem vertrau-<br />
ten Dreiklang werden, nach der Familie,<br />
wesentliche Koordinaten des menschlichen<br />
Seins beschrieben. Mit ihnen steht unsere<br />
Gesellschaft, und in ihr das Individuum, in<br />
beständiger Wechselwirkung: am liebsten<br />
beoabachtend und gestaltend, aber vielfach<br />
auch verharrend, treibend oder gar hadernd.<br />
Je nach individueller Disposition entdecken<br />
wir uns in dieser Prozesshaftigkeit der Interaktionen<br />
immer wieder neu.<br />
In der vor uns liegenden Spielzeit<br />
<strong>2013</strong>/<strong>14</strong> künden zwei sehr große und ambitionierte<br />
Projekte zum 800-jährigen Jubiläum<br />
von der engen und lebendigen Beziehung<br />
unseres Theaters zu seiner Stadt. Angekommen<br />
im 21. Jahrhundert, ist jedoch gerade<br />
der Lebensraum »Stadt« in seiner Gestaltung<br />
auch grundsätzlich auf den Prüfstand geraten.<br />
Insbesondere drängt uns die strukturelle<br />
Finanzkrise in den Kommunen die Frage auf,<br />
was an Lebensqualität von einer Stadt zu<br />
erwarten, zu fordern ist, insbesondere wenn<br />
sie im Wettbewerb mit den sauberen und<br />
bequemen virtuellen Welten einen echten<br />
Lebens- und Erlebnisraum entgegenstellen<br />
soll. Was ist unverzichtbar? Was fehlt uns in<br />
unserer Stadt? Was macht unsere Stadt<br />
unverwechselbar?<br />
»Städte laSSen Sich<br />
an ihrem GanG erkennen<br />
wie menSchen.«<br />
Robert Musil,<br />
Der Mann ohne Eigenschaften<br />
Die Versuchung ist groß! Mit ein paar<br />
Mausklicks lassen sich Freunde finden, zigund<br />
hundertfach; Einkäufe sind in der digitalen<br />
Welt ein Kinderspiel, ebenso das Unterhaltungsprogramm<br />
zu Hause. Je mehr wir<br />
allerdings dieser Versuchung nachgeben,<br />
desto mehr entziehen wir uns selbst das ureigenste<br />
Fundament: den lebenswerten Raum<br />
und die Möglichkeit der Selbstvergewisserung<br />
in sozialen Erfahrungen von Angesicht<br />
zu Angesicht.<br />
Aber darüber hinaus ist Stadt als<br />
Gemeinwesen auch gewichtiger Impulsgeber<br />
in einem heterogenen Geflecht von identitätsstiftenden<br />
Regionen, die sich ihre Eigenheiten<br />
oft über Jahrhunderte hinweg erhalten<br />
haben, allen politischen Irrungen und<br />
Wirrungen zum Trotz. Denken Sie beispielsweise<br />
nur an die unterschiedlichen Wurzeln<br />
der Landstriche von OstWestfalenLippe, die<br />
sich unter dem Dach von »OWL«, zu einem<br />
regionalen Bündnis formiert haben. Gerne<br />
schmunzeln wir über Befindlichkeiten, registrieren<br />
aber auch, wie sie Bemühungen zur<br />
Einigung erschweren können. Einigkeit<br />
herrscht aber insbesondere in einem zuweilen<br />
spannungsgeladenen Verhältnis zur sogenannten<br />
Rhein-Ruhr-Schiene. In diesem<br />
Zusammenhang verweist man nicht nur gerne<br />
auf den zweiten Teil im Namen unseres Bundeslandes<br />
Nordrhein-Westfalen, sondern<br />
pocht auch auf eine Gleichbehandlung.<br />
man kann in einem GroSSen<br />
land etwaS anpflanzen,<br />
daS wichtiGer iSt alS<br />
Baumwolle – toleranz!<br />
Tennessee Williams<br />
Aber gerade diese Heterogenität ist es,<br />
die wir als Herausforderung begreifen, zu der<br />
wir uns bekennen müssen; und das nicht nur<br />
rückblickend, sondern insbesondere auch<br />
gestalterisch mit Blick in die Zukunft, wenn<br />
die Menschenströme einer globaliserten Welt<br />
unser Land noch bunter, noch bereichernder<br />
machen werden. Durchlässigkeit, Offenheit<br />
und Veränderung. Diese Anforderungen der<br />
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Zukunft sind nicht leicht zu fassen und verursachen<br />
durchaus auch Unbehagen, aber sie<br />
zeugen ebenfalls von der enormen Vielfalt<br />
der Optionen – wie sie ein Flusslauf an 365<br />
Tagen im Jahr aufzuweisen vermag. Veränderung<br />
als Horizonterweiterung. Veränderung<br />
als Gewinn. Vielleicht üben gerade deshalb<br />
Städte an großen Flüssen einen so unwiderstehlichen<br />
Reiz aus.<br />
eS iSt unmöGlich,<br />
zweimal in denSelBen fluSS<br />
zu SprinGen.<br />
Heraklit<br />
Stadt, Land, Fluss. In diesem Sinne soll<br />
der Dreiklang in dieser Spielzeit neue Begegnungen,<br />
neue Erfahrungen mit sich bringen,<br />
breit aufgefächert. Seien Sie abenteuerlustig!<br />
Gehen Sie mit uns auf Entdeckungsreise.<br />
Ich lade Sie herzlich dazu ein.<br />
Ihr Michael Heicks<br />
Intendant