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im Familienkreise aufgetischt wer<strong>de</strong>n. Und da die Geschichte kein frem<strong>de</strong>s<br />

Privatinteresse berührt, mag sich das Gelächter zweier Greise, <strong>de</strong>m die Gattin<br />

<strong>de</strong>s einen assistiert, sogar in die Öffentlichkeit fortpflanzen. Diese hat sich im<br />

Laufe <strong>de</strong>r journalistischen Dinge genügend abgehärtet, um sich durch solche<br />

Anekdoten das Bild eines Bühnenlieblings nicht stören zu lassen, <strong>de</strong>ssen gefeierten<br />

Durst bis in seine Anfänge zu verfolgen, sie am En<strong>de</strong> nicht verpflichtet<br />

wäre. Erzählte er's nicht selbst, so wäre es vielleicht sogar eine witzige<br />

Fußnote in <strong>de</strong>r Biographie einer Falstaff—Natur. Im Neuen Wiener Journal es<br />

zu lesen, ist unangenehm und weil es so beglaubigt ist, ist es so zweifelhaft.<br />

Aber weil es nur geschmacklos ist, ist es auch harmlos. Wenn ein Kind Durst<br />

hat, gehört zwar die Mutter dazu, aber keine an<strong>de</strong>re Frau. Wächst es heran<br />

und kommt ins Engagement und will nicht nur trinken, son<strong>de</strong>rn auch lieben,<br />

so berührt die diesbezügliche Information auch frem<strong>de</strong>, außerfamiliäre Interessen.<br />

Die Frau, die dazugehört, muß sich die Preisgabe <strong>de</strong>s gemeinsamen Erlebnisses,<br />

und wäre <strong>de</strong>r Vertrag auch verjährt, nicht gefallen lassen, und<br />

umso weniger, wenn sie tot ist. Die Mitteilung, daß Bernhard Baumeister mit<br />

Kolleginnen niemals festere Verhältnisse gehabt habe, mag als ein wichtiger<br />

und in seiner allgemeinen Fassung würdiger Aufschluß hingehen. Daß er einmal,<br />

nur ein einzigesmal »hängen blieb«, in<strong>de</strong>m er sich in Schwerin in eine<br />

»interessante Dreißigerin, eine Dame aus <strong>de</strong>m Chor, eine Jüdin« verliebte,<br />

mag <strong>de</strong>m Ju<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m er es erzählt, und jenen, die es lesen, als ein Beweis gelten,<br />

daß sein prinzipieller Antisemitismus aus einem Punkte zu kurieren war.<br />

Es mag hingehen, <strong>de</strong>nn wir erfahren keinen Namen und die Enthüllung eines<br />

»ernsten Verhältnisses« gibt keine Dame <strong>de</strong>m sittlichen Werturteil <strong>de</strong>r Leser<br />

<strong>de</strong>s Neuen Wiener Journals preis. Von da ab jedoch wer<strong>de</strong>n die Memoiren be<strong>de</strong>nklich:<br />

Von da ab blieb er auf seiner Hut vor ernsteren Kulissenliebschaften,<br />

er war nicht gera<strong>de</strong>zu unerbittlich »unkollegial« gegen hübsche<br />

Kolleginnen, die durchaus nach seiner Freundlichkeit begehrten,<br />

über einen leichten Flirt durfte es aber nie hinauskommen<br />

... Eine Kraftprobe seiner Nichtdauerfähigkeit, seiner Entschlossenheit<br />

zum Nichtsichhaltenlassen und zum kurz<br />

episodistischen Behan<strong>de</strong>ln solcher Herzenszwischenfälle hat er<br />

wohl, als Burgschauspieler schon, in Berlin gegeben, wo die Lockung<br />

zum längeren »Hängenbleiben« in recht gefährlicher Gestalt<br />

sich an ihn heranmachte. Die Gestalt war keine an<strong>de</strong>re als<br />

die, <strong>de</strong>ren Zauberbann von gar vielen verspürt wur<strong>de</strong>, vorher und<br />

nachher, die Gestalt von Charlotte Wolter. Die vulkanische Tragödin,<br />

im Leben ein Vulkan wie auf <strong>de</strong>r Bühne, war damals, nach ihren<br />

unmerkbaren und nur von Laube wahrgenommenen Anfängen<br />

in Wien, am Berliner Viktoriatheater engagiert, wo sie als Hermione<br />

im »Wintermärchen« ihre erste große Offenbarung bot und <strong>de</strong>n<br />

von <strong>de</strong>r Natur abnormal geformten Weiberhasser Hermann Hendrichs,<br />

<strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Frauen »vergötterten« Liebhaberhel<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>s Berliner 'Hofschauspiels, <strong>de</strong>rmaßen entzückte, daß er ihr, obschon<br />

sie ein Weib war, einen Kuß gab. »Das wird <strong>de</strong>r größte Triumph<br />

meines Lebens bleiben« — sagte die Wolter in belustigtem<br />

Hochgefühl —, »Hendrichs hat mich geküßt!«<br />

Das ist eine Pikanterie für sich, aber schließlich gehört die Körperbeschaffenheit<br />

eines Mannes im publizistischen Zeitalter <strong>de</strong>s Herrn Maximilian<br />

Har<strong>de</strong>n nicht zu <strong>de</strong>n Dingen <strong>de</strong>s Privatlebens, son<strong>de</strong>rn zu <strong>de</strong>n erweislich wahren<br />

Tatsachen, die die Öffentlichkeit angeben. Was aber diese noch immer<br />

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