Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Beispiel darzutun, wie oberflächlich und rückständig das Urteil<br />
über die Presse auch bei jenen ist, die durch ihre politische Stellung<br />
verpflichtet wären, sich über Wesen und Verbreitung <strong>de</strong>r heimischen<br />
Presse etwas besser zu informieren.<br />
Hier spricht ein ruhiges Selbstbewußtsein, das sich begnügen kann, auf<br />
die Leistung zu verweisen. Dieser Stolz läßt verwun<strong>de</strong>rlich erscheinen, daß<br />
das Neue Wiener Journal nicht vor allem in Spanien aufliegt. Aber wahrscheinlich<br />
liegt <strong>de</strong>n Spaniern die Neue Freie Presse stark auf. Auf <strong>de</strong>m Saturn<br />
liegt noch keins von bei<strong>de</strong>n auf, wiewohl das Pathos <strong>de</strong>s Rotzes bereits zu <strong>de</strong>n<br />
Sternen schlägt.<br />
* * *<br />
MAN SOLLT'S NICHT FÜR MÖGLICH HALTEN<br />
Der Saal war mit Stu<strong>de</strong>nten dicht gefüllt, die <strong>de</strong>m Gange <strong>de</strong>r Prüfung<br />
aufmerksam folgten. Die erste Frage an <strong>de</strong>n Erzherzog richtete<br />
Baron Ludwig Lang aus Nationalökonomie, sodann stellte<br />
Professor Bela Föl<strong>de</strong>s Fragen aus <strong>de</strong>r Finanzlehre, auf welche <strong>de</strong>r<br />
Erzherzog präzise Antworten erteilte. Schließlich stellte Professor<br />
Karl Chmetty Fragen aus <strong>de</strong>m Staatsrechte. Unter an<strong>de</strong>rm fragte<br />
er: »Wer übt die Gesetzgebung auf <strong>de</strong>m Gebiete <strong>de</strong>s ungarischen<br />
Staates?« Der Erzherzog antwortete: »Der ungarische Reichstag<br />
und <strong>de</strong>r König.« Die zweite Frage war, ob ein Gesetz gegen <strong>de</strong>n<br />
Willen <strong>de</strong>s Magnatenhauses in Ungarn zustan<strong>de</strong>kommen könne.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Erzherzog auch diese Frage beantwortet hatte, erhielt<br />
er noch die Frage, wer die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Magnatenhauses<br />
von seiten <strong>de</strong>r römisch—katholischen Kirche sind. Dann stellte<br />
Professor Chmetty die Frage an <strong>de</strong>n Erzherzog und zugleich auch<br />
an die bei<strong>de</strong>n Kandidaten, was geschehen wür<strong>de</strong>, wenn die gemeinsame<br />
Armee ein Land erobern wür<strong>de</strong>, und wohin dieses Land<br />
gehören wür<strong>de</strong>. Im ersten Moment glaubte man im Auditorium,<br />
daß diese Frage ausschließlich <strong>de</strong>m Erzherzog gelte, <strong>de</strong>r etwas<br />
verwirrt schien. Doch <strong>de</strong>r neben ihm sitzen<strong>de</strong> Kandidat gab die<br />
Antwort. Der Erzherzog erhielt dann noch die Frage, was unter<br />
<strong>de</strong>r Pragmatischen Sanktion zu verstehen sei, worauf er erwi<strong>de</strong>rte,<br />
es bestehen diesbezüglich zwei Meinungen. Die eine geht dahin,<br />
daß sie ein Grundvertrag ist, die an<strong>de</strong>re, daß sie ein Grundgesetz<br />
ist, Die Prüfungskommission zog sich dann zurück, und als<br />
sie wie<strong>de</strong>r erschien, verkün<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> Professor Chmetty,<br />
daß <strong>de</strong>r Erzherzog mit einstimmiger Auszeichnung approbiert<br />
wor<strong>de</strong>n sei.<br />
Es scheint eine Spannung geherrscht zu haben, als ob man einen Bankierssohn<br />
ausschließlich nach häuslichen Angelegenheiten, wie zum Beispiel<br />
nach <strong>de</strong>m Betrugsparagraphen gefragt hätte. Der Erzherzog hätte auf die Frage<br />
nach <strong>de</strong>m eroberten Land antworten sollen: Es gehört immer dorthin, wo<br />
die dümmeren Fragen gestellt wer<strong>de</strong>n. Aber dies Staunen <strong>de</strong>r Demokratie<br />
darüber, daß ein Erzherzog staatsrechtlich so gut präpariert sein kann wie einer<br />
ihrer jungen Pollacks, <strong>de</strong>r nur bei beson<strong>de</strong>rs heiklen Fragen für ihn einspringt,<br />
verdient wirklich die Aufhebung <strong>de</strong>r Verfassung und somit eine<br />
gründliche Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Fragen bei <strong>de</strong>r nächsten Prüfung eines Erzherzogs.<br />
68