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len Privatgesellschaften und aspiriere mit großem Ehrgeiz auf aristokratischen<br />
Umgang.<br />
Was kann ich gegen diese Feststellung an<strong>de</strong>res vorbringen, als daß sie<br />
wahr sein könnte, wenn die feudale Gesellschaft und <strong>de</strong>r aristokratische Umgang<br />
durchaus so weit wären, meiner würdig zu sein? Das Zeug dazu — und<br />
wenn Legionen von radikalen literarischen Freun<strong>de</strong>n mir <strong>de</strong>n Rücken, ja<br />
selbst das Gesicht zukehren wollten, ich bekenne es — das Zeug dazu hätten<br />
sie! Von Gna<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e, die irgendwo hinter ihrer Geburt lebt, und bliebe<br />
ihr schweißloses Dasein unberührt von einer zeitlichen Gemeinheit, die auch<br />
einen Grafen zum Verwaltungsrat macht, seinen Sohn zum Disponenten und<br />
die das Geschmeiß <strong>de</strong>r öffentlichen Meinung <strong>de</strong>n Triumph <strong>de</strong>s Fortschritts bejubeln<br />
läßt, weil <strong>de</strong>r Träger einer gutgeborenen Nase endlich eine Börsenkarte<br />
gelöst hat. Ja, ich aspiriere auf aristokratischen Umgang; aber ich, ewig unbelohnter<br />
Streber, fin<strong>de</strong> ihn allzu selten. Wenn irgendwo, ist hier <strong>de</strong>r letzte<br />
Funke Hoffnung auf eine Jugend, die ich <strong>de</strong>n Klauen <strong>de</strong>r Entwicklung entreißen<br />
möchte, wenn irgendwo könnte ich hier <strong>de</strong>n Versuch wagen, das Unerfüllbare<br />
in die Umgangssprache <strong>de</strong>s Lebens, <strong>de</strong>r Politik, ja <strong>de</strong>r Gesellschaft umzusetzen.<br />
Mir, <strong>de</strong>r weiß, daß die Empfindungen <strong>de</strong>s letzten Stallpinschers erhaben<br />
sind über <strong>de</strong>r Ausdrucksfähigkeit eines kosmisch interessierten Literaturgesin<strong>de</strong>ls,<br />
und <strong>de</strong>r von staatswegen einen Kommerzienrat zwingen möchte,<br />
<strong>de</strong>m letzten Stallknecht zu dienen, mir sollte füglich nicht verübelt wer<strong>de</strong>n,<br />
daß ich dort, wo ich vergebens aristokratischen Umgang suche, auf <strong>de</strong>mokratischen<br />
verzichte! Ich möchte nicht bis zu Wohltätigkeitsbazaren vordringen,<br />
wo Parvenüs nach unten um die Gunst von Han<strong>de</strong>lsleuten buhlen. Daß ich<br />
trotz<strong>de</strong>m hinreichend verdächtig bin, aristokratischen Umgang zu suchen,<br />
müßte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mokratische längst heraushaben: Ihn fliehe ich. Er ist die Pest,<br />
die sich <strong>de</strong>s Daseins freut und ihrem eigenen Bazillus nicht auf <strong>de</strong>r Spur ist.<br />
Sein Blick löst Welträtsel und dreht mir <strong>de</strong>n Magen um. Er analysiert mir <strong>de</strong>n<br />
Traum, in <strong>de</strong>n mein Ekel flüchtet. Er weckt mich und ich suche einen König,<br />
<strong>de</strong>r eine Bombe hätte für diesen allzu klugen Untertan. Ich weiß, was auf <strong>de</strong>m<br />
Spiel steht: Rettet unsere Seelen! Ich weiß und bekenne, und auf die Gefahr<br />
hin, fortan ein Politiker zu sein o<strong>de</strong>r gar ein Ästhet, als unwi<strong>de</strong>rrufliches Programm:<br />
daß die Erhaltung <strong>de</strong>r Mauer eines Schloßparks, <strong>de</strong>r zwischen einer<br />
fünfhun<strong>de</strong>rtjährigen Pappel und einer heute erblühten Glockenblume alle<br />
Wun<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schöpfung aus einer zerstörten Welt hebt, im Namen <strong>de</strong>s Geistes<br />
wichtiger ist als <strong>de</strong>r Betrieb aller intellektuellen Schändlichkeit, die Gott <strong>de</strong>n<br />
Atem verlegt!<br />
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