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<strong>de</strong>s Plagiats beschuldigte — in Wien habe schon jemand durch die<br />
gleiche Behandlung seines Kraushaares endlich die heiß ersehnte<br />
Beachtung <strong>de</strong>r Kaffeehauswelt errungen.<br />
Wie das Berliner Tageblatt will, ich halt' still.<br />
* * *<br />
» ... Eine Vorlesung Karl Kraus' gehört zu <strong>de</strong>n ganz seltenen Erlebnissen,<br />
die die Ödigkeit einer Vortragsaison zu geben hat. Ich<br />
kenne junge Menschen, die diesem Abend entgegenfiebern und<br />
die vor Erregung zittern, wenn sie seine Stimme hören, und <strong>de</strong>ren<br />
Träume ihn als eine wun<strong>de</strong>rbare Erscheinung, aus leuchtend<br />
weißem Marmor gehauen o<strong>de</strong>r als fanatischen Mönch mit weißen,<br />
gereckten Armen, erschauen. Man sage nicht: 'Ich bitt Sie, die<br />
jungen Leute — !' Damit kommt man <strong>de</strong>r Tatsache dieser tiefen<br />
Einwirkung nicht auf <strong>de</strong>n Grund. Ich kenne junge Menschen, die<br />
Hymnen an Karl Kraus dichten, und <strong>de</strong>nen sein Werk so sehr Erlebnis<br />
gewor<strong>de</strong>n ist, daß ihre eigene Produktion bloße Reproduktion<br />
und Reflex seines Wesens wur<strong>de</strong>. Beeinflussung, wenn sie<br />
einen gewissen Grad übersteigt, ist peinlich für <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r sie ausübt,<br />
wie für <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r ihr erliegt. Aber peinlicher als jene Ehrlichen,<br />
die unehrlich sind aus Schwäche, die ein Größerer überrannte,<br />
und die nichts dafür und nicht an<strong>de</strong>rs können, sind die Unehrlichen,<br />
die auch an<strong>de</strong>rs können und die sich nur zeitweise eine<br />
Satyrmaske vor das Feuilletonistengesicht bin<strong>de</strong>n und ihren Stil<br />
unnötig echauffieren ... «<br />
Nur scha<strong>de</strong>, daß die Ehrlichen, wenns mir zu peinlich wird, dieselben<br />
sind wie die Unehrlichen, daß jene auch an<strong>de</strong>rs als nicht an<strong>de</strong>rs können und<br />
daß die ehrliche wie die unehrliche Schwäche dasselbe Feuilletonistengesicht<br />
trägt.<br />
* * *<br />
Allerorten schreiben jetzt die Übel, die ich meine, meinen Stil. Weil ich<br />
sage, daß die Welt untergeht, sagen es die Symptome auch und, wenn ich<br />
auch das sage, so schlagen sie mich mit meinem Stil. Vor <strong>de</strong>m Eintritt in eine<br />
Redaktion wird gefun<strong>de</strong>n, daß die Welt untergeht. Wenn dann alles in Ordnung<br />
ist, bin ich das letzte Übel dieser Welt. Solange noch »gekämpft« wird,<br />
bedient man sich meiner übertreiben<strong>de</strong>n Art, die aus einer Mücke einen Elefanten<br />
macht, nur mit <strong>de</strong>m Unterschied, daß ich auch die falsche Optik nachweise,<br />
die aus einem Elefanten eine Mücke gemacht hat, und zumeist so<br />
kleinlich bin, aus einem Bazillus einen Elefanten zu machen. Typisch ist <strong>de</strong>r<br />
folgen<strong>de</strong> Aufschrei:<br />
Einen Dichter als Korrespon<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s B. T. nach London verschickt.<br />
E. L. be<strong>de</strong>utet Emil Ludwig; be<strong>de</strong>utet ein Wundmal <strong>de</strong>r<br />
Zeit. Man schnei<strong>de</strong>t aus <strong>de</strong>r Haut eines Dichters ein Korrespon<strong>de</strong>ntenzeichen,<br />
und <strong>de</strong>r Dichter hält still; und die Zeit hält<br />
still. Blutrote Kreuze stan<strong>de</strong>n einst vor Krieg und Pest am prophetischen<br />
Himmel. Die Zeit, die im Zeichen <strong>de</strong>s Geldverkehrs steht,<br />
hat seltsame Male, <strong>de</strong>n Untergang zu kün<strong>de</strong>n. — — — Hilf Himmel,<br />
noch nicht vier Wochen beim Metier und schon ein alter<br />
Schmock? — — — Die Presse, die sichs leisten kann, läßt sich von<br />
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