Machen Medien Schule? 4/06 - Bildungsdirektion - Kanton Zürich
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Fokus<br />
Volksschule<br />
Mittelschule<br />
Berufsschule<br />
Weiterbildung<br />
Agenda<br />
Service<br />
Podium<br />
Portrait<br />
Wenn Du nicht singen kannst, wirst Du<br />
eben Notenständer, dann kannst Du das.<br />
Bildungsstandards sind nichts als Rhetorik! würde der<br />
Philosoph Friedrich Nietzsche sagen. Aber nein, würden wir<br />
ihm entgegnen und ihn auf die Debatten verweisen, die nach<br />
dem schlechten Abschneiden in der PISA-Studie bei uns<br />
ebenso wie in Deutschland entbrannt sind. Ziel der Wortgefechte:<br />
Die <strong>Schule</strong>n müssen besser werden. Nur wie? Für die<br />
einen sind diese Standards hilfreich, nützlich und sinnvoll.<br />
Das Antidot heisst für sie HarmoS, das nationale Projekt, das<br />
die Entwicklung von verbindlichen Kompetenzvorgaben in<br />
zentralen Bildungsbereichen anvisiert. Jeweils am Ende des<br />
2., 6. und 9. Schuljahres sollen diese Vorgaben gemessen<br />
Herr Herrmann, brauchen wir Bildungsstandards?<br />
Nein. Was man braucht, sind Messlatten, von denen man<br />
weiss, dass sie zu überspringen sind. Wenn man eine solche<br />
Messlatte nicht hat, das weiss man aus der Trainingslehre des<br />
Sports, kann man nicht trainieren. Wenn man kein Ziel hat,<br />
kann man nicht wissen, über welche Messlatte man springen<br />
muss. Aber diese Messlatten müssen so konstruiert sein, dass<br />
von den vielen Potenzialen, die die einzelnen Schüler haben,<br />
jeder Schüler seine Messlatte findet, weil er sonst unter- oder<br />
überfordert ist. Die Unterforderten leisten nicht das, was sie<br />
könnten, und die Überforderten haben eine ständige Entmutigungskarriere<br />
in der <strong>Schule</strong>. Daraus resultiert, was Pestalozzi<br />
schon gesagt hat: Vergleiche nie ein Kind ausser mit sich<br />
selbst. Ich habe es einmal anders formuliert: Jedes Kind muss<br />
das Recht haben, sein eigener Standard zu sein.<br />
Aber die <strong>Schule</strong> kann doch nicht Bildungsstandards für jedes<br />
einzelne Kind bereit halten?<br />
Doch. Das haben wir früher mit der Notenskala von eins bis<br />
sechs getan, indem wir gesagt haben: Das kannst du gut, das<br />
kannst du nicht so gut, das kannst du gar nicht und das ist<br />
78 Schulblatt des <strong>Kanton</strong>s <strong>Zürich</strong> 4/20<strong>06</strong><br />
werden, in der Erstsprache, den Fremdsprachen, der Mathematik<br />
und in den Naturwissenschaften. Für die andern sind<br />
Standards Schikanen in einer sich zunehmend unmenschlich<br />
gebärdenden <strong>Schule</strong>, welche Schüler auf ein paar wenige<br />
messbare Kompetenzen reduziert. Auch im nördlichen<br />
Nachbarland wird die Diskussion kontrovers geführt. Als<br />
pointierter Verfechter einer <strong>Schule</strong> ohne Standards hat sich<br />
Ulrich Herrmann, ehemaliger Leiter des Seminars für Pädagogik<br />
an der Universität Ulm, hervorgetan. Als Diskussionsbeitrag<br />
zu den Bildungsstandards hier das Interview, das die<br />
Bildungsplattform bildungsclick.de mit ihm geführt hat.<br />
verbesserungsbedürftig. Das ganze Problem ist nur ein Sekundärproblem<br />
der Versetzungsordnung, nämlich mit der «Chance»<br />
sitzen zu bleiben. Wenn wir das nicht hätten, sondern hätten<br />
– wie noch im 19. Jahrhundert – eine einfache Zertifizierung,<br />
die da sagt «die Leistungen in Latein sind verbesserungsbedürftig,<br />
weil er faul ist. Die Leistungen in Deutsch sind sehr<br />
gut, weil er sehr schöne Aufsätze schreibt und in Mathematik<br />
muss er mehr üben, dann hat er mehr Rechensicherheit»,<br />
dann wäre doch völlig klar – auch für den «Abnehmer» – was<br />
jemand kann oder was jemand nicht kann.Wir haben uns angewöhnt,<br />
aus unserer <strong>Schule</strong> ein Selektionsinstrument für<br />
das Scheitern von jungen Menschen zu machen. Junge Menschen,<br />
die an Dingen scheitern, für die sie unter Umständen<br />
gar nichts können.<br />
Wie sieht eine <strong>Schule</strong> aus, in der es dieses Scheitern nicht gibt?<br />
Ich kann einige Beispiele nennen. In einer <strong>Schule</strong> drohte ein<br />
Kind zum zweiten Mal in Klasse vier sitzen zu bleiben. Das<br />
heisst: Er kommt in die Sonderschule. Die Lehrer haben aber<br />
gesagt: «Das machen wir nicht.» Und sie haben ihn in der Mitte<br />
von Klasse vier nach Klasse fünf versetzt.Wer zum Jahresende