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Sonderheft 2012 - Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie

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Kommentar<br />

Mit den beiden erwähnten Untersuchungen<br />

liegen nun erstmals<br />

Ergebnisse aus Phase-III-Studien mit<br />

Patienten neuroendokriner Pankreastumoren<br />

vor, die nach modernen<br />

Responsekriterien ausgewertet wurden.<br />

Welcher Substanz im konkreten<br />

Einzelfall effektiver ist, bleibt schwer<br />

zu sagen. Ein Problem der Sunitinib-<br />

Studie ist sicher, dass sie wegen eines<br />

statistisch signifikanten Unterschieds<br />

im progressionsfreien Überleben<br />

vorzeitig abgebrochen wurde.<br />

Es ist zu bedenken, dass im Idealfall<br />

eine langfristige Therapie notwendig<br />

ist und dabei mögliche Nebenwirkungen<br />

doch Probleme machen<br />

können. Aus diesem Grund und weil<br />

zum Teil die Tumoren sehr langsam<br />

wachsen, ist die Indikation in jedem<br />

Einzelfall streng zu stellen.<br />

Nebennierenkarzinom<br />

Das Nebennierenkarzinom ist der<br />

seltenste der genannten Tumoren.<br />

Aktuell geht man davon aus, dass es<br />

jährlich ca. 80–120 Neuerkrankungen<br />

in Deutschland gibt (Fassnacht<br />

et al. 2011a). Im lokalisierten Stadium<br />

ist die komplette Resektion<br />

zweifelsfrei die Therapie der Wahl.<br />

Ob hier<strong>für</strong> zwingend eine offene<br />

Adrenal ektomie erforderlich ist, wird<br />

seit der Veröffentlichung von 3 relativ<br />

großen, retrospektiven Studien<br />

zu diesem Thema heftig diskutiert<br />

(Brix et al. 2010, Miller et al. 2010,<br />

Porpiglia et al. 2010). Während eine<br />

Studie aus den USA, die 17 laparoskopische<br />

Operationen mit 71 durchgeführten<br />

offenen Adrenalektomien<br />

verglich, behauptet, dass minimal<br />

invasive Operationen das rezidivfreie<br />

Überleben verkürzen, wird dies<br />

weder in der italienischen (18 bzw.<br />

25 Patienten) noch in der deutschen<br />

Studie (35 und 117 Patienten) bestätigt.<br />

Bei den europäischen Arbeiten<br />

ist die Prognose beider Gruppen<br />

(auch nach multivariater Adjustierung)<br />

jeweils vergleichbar.<br />

In einer weiteren retrospektiven<br />

Studie des <strong>Deutsche</strong>n Nebennierenkarzinom-Registers<br />

wurde bei 283<br />

Patienten die Wertigkeit einer<br />

Lymphadenektomie im Rahmen der<br />

Erstoperation untersucht (Reibetanz<br />

et al. 2011). Hierbei zeigte sich, dass<br />

sowohl das rezidivfreie als auch das<br />

Gesamtüberleben in der Gruppe der<br />

lymphadenektomierten Patienten<br />

(n = 47) signifikant besser war als in<br />

der Kontroll gruppe (HR 0,54; 95 %<br />

CI: 0,29–0,99; p = 0,049).<br />

Kommentar<br />

Die 3 retrospektiven Arbeiten<br />

lassen keine endgültige Antwort zur<br />

Frage des besten Operationsverfahrens<br />

des lokalisierten Nebennierenkarzinoms<br />

zu. Dennoch erscheint es<br />

gerechtfertigt, dass Patienten mit einem<br />

Nebennierentumor unklarer<br />

Dignität und ohne Hinweise auf eine<br />

lokale Invasivität, laparoskopisch<br />

operiert werden. Die Daten zur Studie<br />

der Lymphadenektomie legen allerdings<br />

nahe, bei Erstoperation des<br />

Nebennierenkarzinoms die lokoregionären<br />

Lymphknoten mit zu entfernen.<br />

Wichtig erscheint jedoch, dass<br />

die Operation solcher Tumoren an<br />

Fazit <strong>für</strong> die Praxis<br />

● In den letzten Jahren wurden<br />

große Fortschritte in der Behandlung<br />

endokriner Tumoren erzielt.<br />

● Sunitinib und Everolimus wurden<br />

erfolgreich in Phase-III-Studien<br />

bei neuroendokrinen Pankreastumoren<br />

getestet und sind inzwischen<br />

in Deutschland zugelassen.<br />

Falls Vandetanib <strong>für</strong> das medulläre<br />

Schilddrüsenkarzinom auf Basis<br />

der positiven Phase-III-Studie auch<br />

eine Zulassung erhält, sind innerhalb<br />

von 12 Monaten mehr Medikamente<br />

<strong>für</strong> endokrine Tumoren<br />

zugelassen worden als in den letzten<br />

30 Jahren insgesamt.<br />

● Beim radiojod-refraktärem, differenziertem<br />

Schilddrüsenkarzinom<br />

gibt es sehr vielversprechende Daten<br />

aus Phase-II-Studien über mehrere<br />

Multi-Tyrosinkinase-Hemmer.<br />

Die Rekrutierung <strong>für</strong> die Phase-III-<br />

Studie zu Sorafenib ist abgeschlossen.<br />

Bis zum Vorliegen erster Daten<br />

einem spezialisierten Zentrum erfolgen<br />

sollte. Als Richtgröße werden<br />

hier 20 Adrenalektomien pro Jahr<br />

angesehen.<br />

Nach der großen retrospektiven<br />

Arbeit von Terzolo et al. 2007 empfehlen<br />

der Großteil der europäischen<br />

Zentren auch nach der kompletten<br />

Tumorresektion eine adjuvante Therapie<br />

mit Mitotane. Die aktuelle Untersuchung<br />

des <strong>Deutsche</strong>n Nebennierenkarzinom-Registers<br />

zeigt aber,<br />

dass die Prognosen bei Patienten im<br />

Tumorstadium II, die prospektiv<br />

nachverfolgt wurden (n = 31) deutlich<br />

besser sind (5-Jahres-Überleben<br />

> 90 %; Fassnacht et al. 2010) als es<br />

die retrospektiven Serien bisher beschrieben<br />

haben. Aus diesem Grund<br />

ist auch der Profit der nebenwirkungsbehafteten<br />

Mitotane-Therapie<br />

nicht unumstritten. Um dies zu<br />

klären, läuft seit Beginn 2011 die<br />

pro spektive randomisierte ADIUVO-<br />

Studie (Mitotane vs. „nur“ Nachbeobachtung)<br />

bei Patienten mit vermeintlich<br />

relativ niedrigem Rezidivrisiko.<br />

Patienten, die sich hier<strong>für</strong><br />

erscheint eine Off-Label Behandlung<br />

mit Pazopanib oder Sorafenib gerechtfertigt,<br />

wenn der Einschluss in<br />

eine klinische Studie nicht möglich<br />

ist. Die Kosten müssen von der<br />

Krankenkasse vorab genehmigt<br />

werden.<br />

● Beim Nebennierenkarzinom zeichnet<br />

sich aktuell eine Modifikation<br />

der Operationsstrategie ab, so dass<br />

alle Patienten mit Verdacht auf ein<br />

Nebennierenkarzinom an einem<br />

spezialisierten Zentrum operiert<br />

werden sollten.<br />

● Bei fortgeschrittenem Nebennierenkarzinom<br />

ist die Chemotherapie<br />

der Wahl die Kombination aus Etoposid,<br />

Doxorubicin, Cisplatin und<br />

Mitotane.<br />

● Die wichtigste Botschaft am<br />

Schluss: Generell sollten Patienten<br />

mit diesen seltenen Erkrankungen<br />

möglichst im Rahmen von klinischen<br />

Studien behandelt werden.<br />

<strong>Endokrinologie</strong> Informationen <strong>2012</strong>; <strong>Sonderheft</strong><br />

9<br />

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