Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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LUSE^H FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 9, Hi n 4. 1996<br />
lerlei Möglichkeiten, ihre eigenen<br />
Vorstellungen einzubringen.<br />
Die Stars der Konferenz waren<br />
Lester M. Salamon und Helmut<br />
K. Anheier von der Johns<br />
Hopkins University, die in einer<br />
Sonderveranstaltung ein Paper<br />
mit dem vielversprechenden Titel<br />
'Explaining the nonprofit sector:<br />
a cross-national analysis'<br />
präsentierten. Es ging vor allem<br />
darum, anhand der Daten einer<br />
vergleichenden internationalen<br />
Studie, durchgeführt unter Leitung<br />
von Salamon und Anheier,<br />
verallgemeinerungsfähige Aussagen<br />
über die je nach Land differierende<br />
Struktur und Zusammensetzung<br />
des Dritten Sektors, vor<br />
allem aber über seinen Umfang<br />
und seine ökonomische Bedeutung<br />
sowie seine Finanzierung,<br />
abzuleiten.<br />
Salamon und Anheier, die in<br />
Mexiko auch ihr neuestes Buch<br />
'The emerging Sector' vorstellten,<br />
verkörpern den dominierenden<br />
Blick auf den Nonprofit-Sektor:<br />
Wie kann die Größe eines<br />
Phänomens mit gewichtiger ökonomischer<br />
Bedeutung in einem<br />
bestimmten Land erklärt werden?<br />
Welche politischen Regime oder<br />
Wertorientierungen führen eher<br />
zum Wachstum des Sektors? Für<br />
eine kritische Aneignung des<br />
Phänomens etwa unter Fragestellungen,<br />
wie sich denn in den letzten<br />
Jahren die Art und Weise gesellschaftlicherAuseinandersetzungen<br />
verschoben haben, wie<br />
die Durchsetzung einer Marktrationalität<br />
sich auf andere gesellschaftliche<br />
'Sektoren' auswirkt<br />
oder welche Bedeutung 'der'<br />
Nonprofit-Sektor für die<br />
(Ent-)Demokratisierung gesellschaftlicher<br />
Verhältnisse hat,<br />
bleibt da kein Platz. Allerdings<br />
muß positiv herausgestellt werden,<br />
daß die präsentierten Forschungsergebnisse<br />
durch Ko-Referentlnnen<br />
einer heftigen, aber<br />
konstruktiven Kritik unterzogen<br />
wurden.<br />
Hie und da klang auch Kritik an<br />
der starken US-Hegemonie der<br />
in Mexiko-Stadt repräsentierten<br />
Dritte Sektor-Forschung an, die<br />
sich recht wenig mit ökonomischen<br />
oder soziologischen Theorien<br />
auseinandergesetzt hätte. Die<br />
Dominanz westlicher Forscherinnen<br />
(über zwei Drittel der ISTR-<br />
Mitglieder kommen aus den<br />
USA, Kanada und Westeuropa)<br />
und deren Themensetzung insgesamt<br />
wurde dann noch einmal in<br />
der Abschlußversammlung der<br />
Konferenz vor allem von den lateinamerikanischenForscherinnen<br />
betont. Diese Dominanz<br />
habe sich schon in der Konferenzsprache<br />
ausgedrückt, die vorwiegend<br />
Englisch gewesen sei.<br />
In diesem Zusammenhang wurde<br />
dann der Austragungsort für<br />
die 3. ISTR Konferenz in Genf/<br />
Schweiz kritisiert, weil die geographische<br />
Ungleichverteilung<br />
dadurch eher verstärkt werden<br />
würde.<br />
Wie auf internationalen Konferenzen<br />
wohl üblich, stand die<br />
Präsentation von Papers im Vordergrund.<br />
Dies führte zu einer<br />
Präsentationsflut und zu einem<br />
run auf Papiere, zwischen denen<br />
kaum Zusammenhänge hergestellt<br />
wurden und die vielmehr<br />
nebeneinander stehen blieben.<br />
Auch dies wurde in der kritischen<br />
Schlußdebatte angesprochen. Bei<br />
der nächsten Konferenz sollte<br />
eher auf Qualität denn auf Quantität<br />
Wert gelegt werden. Die empirischen<br />
Ergebnisse waren zentral,<br />
wodurch eine Debatte über<br />
die theoretisch-analytische Herangehensweise<br />
oder gar über die<br />
impliziten Annahmen, welche<br />
Rolle der Dritte Sektor oder dessen<br />
Organisationen denn nun in<br />
den verschiedenen Gesellschaften<br />
spielen könnten, unmöglich<br />
wurde - und ob des vollen Programms<br />
und der knappen Zeitplanung<br />
offensichtlich auch nicht<br />
vorgesehen war.<br />
Eine etwas bissige Vermutung<br />
könnte auch lauten, daß individuelle<br />
wissenschaftliche Karrieren<br />
in einem dynamischen Forschungsfeld<br />
eher Gemeinsamkeiten<br />
'nach innen' und vermeintlich<br />
scharfe Abgrenzungen 'nach<br />
außen' fördern. Unter den Bewegungsforscherinnen<br />
oder den<br />
Theoretikerinnen der Zivilgesellschaft<br />
dürfte das nicht viel anders<br />
sein. Da ist die fehlende Begriffsklärung<br />
eher günstig. Denn<br />
vielfältige und unreflektierte Bezugsmöglichkeiten<br />
auf Konzepte<br />
wie die 'Bewegungsforschung',<br />
die 'Zivilgesellschaft'<br />
oder eben den 'Dritten Sektor'<br />
schaffen Gemeinsamkeiten und<br />
gegenseitige Verweise, die herzustellen<br />
bei genauerer gesellschaftstheoretischer<br />
Einordnung<br />
der Ansätze kaum möglich wäre.<br />
Ein eher ständisches Verbandsverständnis,<br />
schon bei der Eröffnung<br />
schimmerte das durch, rekurriert<br />
dann konsequenterweise<br />
auf ein 'Wir', das einen fruchtbaren<br />
methodischen oder theore-