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14 FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 9, H~rT 4. 1906<br />

ebensowenig erfaßt werden können wie die<br />

Beziehungen innerhalb des Ökosystems.<br />

(4) Das utopische Denken verstand sich von<br />

Anfang an als eine normative Herausforderung<br />

gegenüber dem Wertesystem der bestehenden<br />

Gesellschaft. Ihm stellten sie die ethischen<br />

und philosophischen Prämissen der<br />

Gründung ihrer idealen Gemeinwesen gegenüber.<br />

In gleicher Weise fordert die Umweltwissenschaft<br />

eine neue Ethik, die sich am<br />

Ausgleich mit der Natur orientiert, anstatt sie<br />

dem Interesse der Schaffung unbegrenzten<br />

quantitativen Reichtums zu unterwerfen.<br />

Um nicht mißverstanden zu werden: Es geht<br />

mir nicht darum, das Utopie und Umweltwissenschaft<br />

versöhnende Modell von Moos und<br />

Brownstein als verbindliche Perspektive für die<br />

Lösung der Strukturprobleme des 21. Jahrhunderts<br />

hinzustellen. Gezeigt werden sollte vielmehr<br />

etwas ganz anderes: Wie einerseits die<br />

szientifische Umwelttheorie ohne die Orientierung<br />

an einem utopischen Entwurf umweltund<br />

sozial verträglicher Zukunftsszenarien über<br />

die Fortschreibung von bestehenden Entwicklungstrends<br />

nicht hinauskäme, so verlöre die<br />

Utopie ohne die positiven Erkenntnisse der<br />

Umweltwissenschaft ihren Bezug zur Realität:<br />

Sie bliebe bloßes Phantasieprodukt, das keine<br />

ernsthafte Aufmerksamkeit verdiente. Sicher ist<br />

aber auch, daß die Verkürzung der Antizipation<br />

von Zukunft auf eine empirisch-quantitativ<br />

verfahrende Prognostik ebenfalls eine Sackgasse<br />

darstellt. Denn was wäre für die Bewältigung<br />

der Problemlagen des 21. Jahrhunderts<br />

gewonnen, wenn mit der Forderung Hans Jonas'<br />

ernst gemacht würde, auf utopische Szenarien<br />

überhaupt zu verzichten? Ein solches<br />

Verdikt liefe nicht nur auf den Ausfall kommunikativer<br />

Funktionen der Utopie hinaus,<br />

„eine breite und differenzierte gesellschaftliche<br />

Diskussion über die anstehenden Probleme,<br />

über Wege zu ihrer Lösung, über hierfür<br />

gerechtfertigte Opfer und hierzu notwendige<br />

Anstrengungen in Gang zu setzen" (Burckart<br />

Lutz). Darüber hinaus würde der Mensch, wie<br />

schon Karl Mannheim betonte, „mit dem Aufgeben<br />

der verschiedenen Gestalten der Utopie<br />

den Willen zur Geschichte und damit den Blick<br />

in die Geschichte" verlieren. Träte aber dieser<br />

Fall ein, so müßte die Bewältigung der Probleme<br />

des 21. Jahrhundert scheitern, noch bevor<br />

auch nur der Versuch unternommen worden<br />

wäre, ihnen durch konstruktive Antworten gewachsen<br />

zu sein.<br />

Richard Saage ist Professor für Politikwissenschaft<br />

an der Martin-Luther-Universität in<br />

Halle-Wittenberg.

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