24.10.2013 Aufrufe

Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 9, HEFT 4, 1996<br />

nerschaft gegen die kommerzielle<br />

sexuelle Ausbeutung von Kindern"<br />

(Konferenztext) nehmen,<br />

wird man erst in den nächsten<br />

Jahren beurteilen können. Der<br />

Generalberichterstatter des Kongresses,<br />

Vitit Muntarbhorn, ordnete<br />

den Aktionsplan als 'Checkliste'<br />

ein, in der nur Mindeststandards<br />

festgehalten sind.<br />

Vertreterinnen des Südens vermißten<br />

in Stockholm eine klare<br />

Aussage zur Armutsbekämpfung.<br />

Armut, so ihr Argument,<br />

ist eine Hauptursache für sexuelle<br />

Ausbeutung. Der Armutsaspekt<br />

rückte während der Stockholmer<br />

Konferenz tatsächlich ein<br />

wenig in den Hintergrund. Die<br />

Morde an den Mädchen in Belgien<br />

ließen den 'Südaspekt' - zumindest<br />

in der öffentlichen Berichterstattung<br />

- in den Hintergrund<br />

treten. Obwohl nach<br />

Schätzungen internationaler Experten<br />

die Mehrzahl der zwei Millionen<br />

minderjährigen Prostituierten<br />

Mädchen sind, wird diesem<br />

Aspekt in den offiziellen Dokumenten<br />

ebenfalls keine besondere<br />

Aufmerksamkeit geschenkt.<br />

Der medienwirksame Erfolg der<br />

Kampagne erklärt sich auch aus<br />

dem Tatsache, daß es sich hier<br />

um ein 'Skandalthema' handelt,<br />

denn 'Sex and Crime' garantieren<br />

immer ein starkes Medieninteresse.<br />

Da sich die Kampagne<br />

gegen einen 'unsichtbaren Gegner'<br />

richtet (Befürworter des sexuellen<br />

Mißbrauchs treten nicht<br />

öffentlich in Erscheinung), fällt<br />

es relativ leicht, Zustimmung zu<br />

den Kampagnenzielen zu finden.<br />

Die Öffentlichkeit reagierte auf<br />

die Berichte über sexuellen Mißbrauch<br />

mit großer Empörung.<br />

Und in dieser Empörung wird<br />

auch eine gewisse Hilflosigkeit<br />

und Ohnmacht deutlich. Auf der<br />

einen Seite ist das öffentliche Interesse,<br />

die Empörung und das<br />

Medienspektakel, eine notwendige<br />

Voraussetzung, um Kampagnen<br />

erfolgreich zu inszenieren.<br />

Auf der anderen Seite ist es in<br />

einer emotional aufgeladenen Situation<br />

schwierig, differenzierte<br />

Positionen in die öffentlichen<br />

Debatten einzuspeisen. Wer die<br />

zum Teil dramatisch hochgerechneten<br />

und widersprüchlichen<br />

Dunkelziffern über das Ausmaß<br />

sexueller Ausbeutung von Kindern<br />

bezweifelt, setzt sich schnell<br />

des Verdachtes aus, das Thema<br />

bagatellisieren zu wollen. Um es<br />

noch einmal zu betonen: Das Erzeugen<br />

von Betroffenheit in der<br />

Öffentlichkeit ist eine elementare<br />

Voraussetzung für erfolgreiche<br />

Kampagnenarbeit. Eine ganz andere<br />

Frage ist aber, welche paradoxen<br />

Folgen die mediale Inszenierung<br />

in der Öffentlichkeit hinterläßt.<br />

In einem TAZ-Kommentar<br />

hieß es jüngst: „Was als Sexmit-Kindern<br />

derzeit die Gemüter<br />

aufwühlt, besitzt alle Merkmale<br />

einer Moralpanik. Am Anfang<br />

stehen die wirklich schlimmen<br />

Tatsachen - Entführung, sexuelle<br />

Gewalt, fahrlässige Tötung.<br />

Tatsachen also, die immer und<br />

überall existieren können. Die<br />

Panik besteht in einer maßlosen<br />

Erregung des Kollektivbewußtsein.<br />

Maßlos deshalb, weil ein<br />

Schreckensgemälde omnipräsenter<br />

Gefahr heraufbeschworen<br />

wird. [...] Alle Sicherheit wird<br />

zuschande, einzig das Lynchen<br />

verspricht noch Gerechtigkeit.'"'<br />

Zwar sind im öffentlichen Diskurs<br />

über den sexuellen Mißbrauch<br />

von Kindern nicht nur<br />

Forderungen nach Lynchjustiz<br />

laut geworden. Feststellbar ist<br />

aber eine gewisse Ratlosigkeit.<br />

Patentrezepte sind nicht greifbar,<br />

Lösungen nur in kleinen Schritten<br />

denkbar. Das aber steht im<br />

krassen Gegensatz zu den Erwartungen,<br />

die eine sensibilisierte Öffentlichkeit<br />

an die politischen Entscheidungsträger<br />

adressiert.<br />

Daß breite Medienpräsenz noch<br />

keine Mobilisierung garantiert,<br />

Empörung nicht zum konkreten<br />

Handeln führen muß, hat nicht<br />

nur diese Kampagne gezeigt. Der<br />

Pressesprecher von terre des hommes,<br />

Christian Ramm, faßt die<br />

Erfahrungen während und nach<br />

Beendigung des Weltkongresses<br />

so zusammen: „Wir haben in den<br />

letzten Jahren viel in die Kampagne<br />

investiert. Unsere Medienresonanz<br />

war sehr gut. Wir haben<br />

in der Außendarstellung darauf<br />

hingewiesen, daß Interessierte<br />

durch Spenden oder aktive Mitarbeit<br />

die Kampagnenarbeit und<br />

Projekte gegen sexuellen Mißbrauch<br />

unterstützen können. Wir<br />

konnten aber trotz guter Medienberichterstattung<br />

keinen Spendenzuwachs<br />

oder andere Unterstützungsankündigungenverzeichnen."<br />

Bleibt zu hoffen, daß die Trägerorganisationen<br />

auch in den<br />

nächsten Jahren genügend materielle<br />

und personelle Ressourcen<br />

aufbringen können, um den Um-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!