Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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WfKMmmm.<br />
Das Prinzip der Autonomie hatte<br />
zu Anfang das größte Gewicht<br />
innerhalb der Bewegung. Während<br />
es in dieser Zeit hauptsächlich<br />
lokale Frauengruppen mit losen<br />
Kontakten untereinander gab,<br />
entstanden in einer zweiten Phase<br />
mehr und mehr autonome<br />
Frauenprojekte wie z.B. Frauenbuchhandlungen,Frauengesundheitszentren<br />
oder Frauenhäuser.<br />
Seit Anfang der achtziger Jahre<br />
läßt sich eine größere Bereitschaft<br />
zur Mitarbeit in bestehenden<br />
Institutionen und die Forderung<br />
nach neuen Einrichtungen<br />
wie z.B. Frauenlehrstühlen feststellen.<br />
Auch geben sich die<br />
Gruppen innerhalb der Frauenbewegung<br />
festere Strukturen. So<br />
nehmen viele die Rechtsform eines<br />
eingetragenen Vereins an<br />
oder gründen Bundeszentralen,<br />
wie etwa den 'Mütterzentren<br />
Bundesverband'.<br />
Die Arbeitsweise war anfangs<br />
grundlegend anders als beim DF,<br />
da das Ziel ja nicht in Mitwirkung<br />
und Machtgewinn im bestehenden<br />
System bestand, sondern<br />
in einer Umwandlung des<br />
Systems. Protestaktionen und<br />
Demonstrationen gehören zum<br />
Repertoire, aber auch die Arbeit<br />
in Selbsterfahrungsgruppen und<br />
Projekten, um in einzelnen Bereichen<br />
ein Stück Autonomie zu<br />
erhalten. Mit der Organisationsstruktur<br />
hat sich in den letzten<br />
Jahren auch die Arbeitsweise gewandelt,<br />
hin zu mehr Mitarbeit<br />
im bestehenden politischen System<br />
und zu einem selbstbewußten<br />
Umgang mit den Möglichkeiten,<br />
die dieses zur Verfügung<br />
stellt. Die Frage heißt nicht mehr<br />
Autonomie oder Institutionalisie<br />
FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 9, HEFT 4, 1996<br />
rung; vielen Frauen ist heute beides<br />
wichtig, und beide Strategien<br />
werden innerhalb der Neuen<br />
Frauenbewegung verfolgt.<br />
1983 traten erstmals Gruppen der<br />
Neuen Frauenbewegung den<br />
Landesfrauenräten bei. Die Autonomen<br />
mußten dazu einen eingetragenen<br />
Verein gründen.<br />
1990 traten der Deutsche Journalistinnenbund<br />
sowie das Netzwerk<br />
'pömps' und 1993 'Frauen<br />
in Naturwissenschaft und Technik'<br />
dem Frauenrat bei. Auf der<br />
Mitgliederversammlung des DF<br />
im Oktober 1994 wurden die<br />
Aufnahmeanträge des Frauenverbands<br />
'Courage', des 'Mütterzentren<br />
Bundesverbandes e.V.' und<br />
der 'Arbeitsgemeinschaft deutscher<br />
Frauen- und Kinderschutzhäuser'<br />
diskutiert. Eine Entscheidung<br />
wurde auf die nächste Mitgliederversammlung<br />
vertagt. Der<br />
Vorstand wurde beauftragt, neue<br />
Kriterien für eine Aufnahme zu<br />
formulieren und der Mitgliederversammlung<br />
vorzulegen. 2<br />
Aktionsbezogene<br />
punktuelle Kontakte<br />
Am Beispiel des Frauenstreiktags<br />
1994 läßt sich zeigen, welche<br />
Schwierigkeiten und Mißverständnisse<br />
zwischen den verschiedenen<br />
frauenbewegten Richtungen<br />
existieren. Das 'Superwahljahr'<br />
1994 sollte nach dem Willen<br />
vieler Frauen, die den Eindruck<br />
hatten, daß die Wiedervereinigung<br />
auf Kosten der Frauen<br />
stattgefunden habe, als „Jahr der<br />
weiblichen Gegenwehr" (Informationen<br />
für die Frau 1993) in<br />
die Geschichte eingehen. Das Ergebnis<br />
war indessen ambivalent.<br />
Zwei Großveranstaltungen fanden<br />
Anfang März mit unterschiedlicher<br />
Konzeption statt: am<br />
5. März 1994 die vom DF organisierte<br />
Großdemonstration in<br />
Bonn unter dem Motto 'Frauen<br />
bewegen das Land' und am 8.<br />
März der 'Frauenstreiktag', der<br />
von örtlichen Streikkomitees in<br />
den Städten getragen wurde. Der<br />
Erfolg beider Veranstaltungen<br />
war eher gering. 15.000 Frauen<br />
nahmen an der Großdemonstration<br />
in Bonn teil. Zum Frauenstreiktag<br />
zog Ingrid Müller-<br />
Münch die traurige Bilanz:<br />
„Doch alles in allem blieb die<br />
Aktion auf ein kleines Häufchen<br />
Nimmermüder beschränkt, [und]<br />
so verlief die Sache denn ziemlich<br />
im Sande" (Müller-Münch<br />
1994: 3). Wieso kam es nicht zu<br />
einer gemeinsamen und somit<br />
schlagkräftigeren Veranstaltung?<br />
Auf der Mitgliederversammlung<br />
des DF 1992 wurde die Frage<br />
einer Veranstaltung im 'Superwahljahr'<br />
1994 diskutiert. Vorgeschlagen<br />
wurde ein Frauenstreik.<br />
Widerstand gegen diese<br />
Form von Protest kam laut Hanne<br />
E. Pollmann, Geschäftsführerin<br />
des DF, zunächst von den<br />
stark konservativ orientierten Mitgliedsverbänden,<br />
denen diese<br />
Form zu provokativ war. Die<br />
zweite Gruppe, die sich dagegen<br />
aussprach, waren die Gewerkschaftsfrauen,<br />
mit der Begründung,<br />
Streik sei ein Mittel des<br />
Arbeitskampfes. Die Mitgliederversammlung<br />
beschloß daher<br />
statt eines Streiks eine Großdemonstration.<br />
3<br />
Die ursprüngliche Idee des Frauenstreiks<br />
wird einer Arbeitsge-