DER BIEBRICHER - Gerich
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30 <strong>DER</strong> <strong>BIEBRICHER</strong> / DEZEMBER 2009<br />
Demokratisches Engagement ausgezeichnet<br />
Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille (v.l.): Ministerpräsident Roland Koch, Hans-Jochen Vogel<br />
und Bernhard Vogel.<br />
In einem Festakt verlieh Ministerpräsident<br />
Roland Koch am<br />
Hessischen Verfassungstag, dem<br />
1. Dezember, die Wilhelm-Leuschner-Medaille<br />
an Bernhard und<br />
Hans-Jochen Vogel. Im Biebricher<br />
Schloss hob Koch in seiner<br />
Laudatio auf die Brüder, die sich<br />
in unterschiedlichen Parteien<br />
engagierten, besonders die Bedeutung<br />
der Demokratie hervor.<br />
„Nicht ich habe mich um Hessen<br />
verdient gemacht, sondern Hessen<br />
hat sich um mich verdient gemacht“,<br />
unterstrich Bernhard Vogel<br />
in seiner Dankesrede, der sein<br />
Bruder in diesem Punkt gänzlich<br />
zustimmte. Beide wurden in Göttingen<br />
geboren, verbrachten ihre<br />
Schulzeit jedoch im hessischen<br />
Gießen.<br />
Hans-Jochen Vogel studierte<br />
nach seiner Rückkehr aus der<br />
Kriegsgefangenschaft Rechtswissenschaften<br />
und trat 1950<br />
der SPD bei. 1960 wurde er zum<br />
Oberbürgermeister Münchens<br />
gewählt. Später war Vogel Bundesjustizminister,<br />
danach Regierender<br />
Bürgermeister von Berlin.<br />
1983 wurde er Vorsitzender der<br />
SPD-Bundestagsfraktion und<br />
Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl,<br />
1987 SPD-Parteivorsitzender.<br />
Vogel war bis 2000<br />
Vorsitzender des Vereins „Gegen<br />
Vergessen – Für Demokratie“,<br />
der sich gegen Antisemitismus<br />
und gesellschaftlichen Extremismus<br />
wendet. Er habe den Synagogenbrand<br />
von der Schule aus<br />
mit ansehen müssen, so Vogel im<br />
Biebrich Schloss, deshalb sei ihm<br />
dieses Thema besonders wichtig.<br />
Er appellierte an die Gesellschaft,<br />
stets den Grundkonsens zu wahren<br />
und den Wertordnungen von<br />
Verfassung und Grundgesetz<br />
Raum zu geben. Die heutigen<br />
Herausforderungen würden mit<br />
Zuversicht leichter zu bewältigen<br />
sein, als mit herunterhängenden<br />
Mundwinkeln. Schließlich habe<br />
Deutschland seit 1949 eine Erfolgsgeschichte<br />
geschrieben, die<br />
er sich als Kriegsgefangener nie<br />
hätte vorstellen können.<br />
Sein jüngerer Bruder Bernhard,<br />
Mitglied der CDU, war unter anderem<br />
von 1976 bis 1988 Ministerpräsident<br />
von Rheinland-Pfalz<br />
und von 1992 bis 2003 Ministerpräsident<br />
Thüringens. 1972<br />
wurde Bernhard Vogel zum Präsidenten<br />
des Zentralkomitees der<br />
deutschen Katholiken gewählt.<br />
Vogel war im Bundesvorstand der<br />
CDU und deren Parteivorsitzender.<br />
Seit 2001 ist Bernhard Vogel<br />
zum zweiten Mal Vorsitzender<br />
der Konrad-Adenauer Stiftung.<br />
Er appellierte an die Jugend im<br />
Land, Partei zu ergreifen und sich<br />
im Gemeinwesen zu engagieren.<br />
„Es lohnt sich, ins Gelingen verliebt<br />
zu sein und nicht ins Scheitern“,<br />
sagte er und ermutigte zur<br />
Aktivität: „Wenn ihr uns kritisiert,<br />
dann geht hin und macht es besser,<br />
als wir es getan haben.“<br />
Musikalisch untermalt wurde<br />
der Festakt im Biebricher Schloss<br />
durch Mitglieder des Landessymphonieorchesters<br />
Hessen.<br />
Wilhelm-Leuschner-<br />
Medaille<br />
Die 1964 durch den damaligen<br />
Hessischen Ministerpräsidenten<br />
Georg August<br />
Zinn ins Leben gerufene<br />
Auszeichnung erinnert an<br />
den früheren Hessischen Innenminister,<br />
Gewerkschafter<br />
und überzeugten Demokraten<br />
Wilhelm Leuschner, der<br />
1944 als Widerstandskämpfer<br />
hingerichtet wurde. Mit<br />
der Medaille werden Persönlichkeitenausgezeichnet,<br />
die sich aus dem Geist<br />
Leuschners hervorragende<br />
Verdienste für und um die<br />
demokratische Gesellschaft<br />
sowie ihre Einrichtungen erworben<br />
haben.<br />
(sst)<br />
SUSANNE STAUß