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Menschenrechte und Wirtschaft - Forschungsjournal Soziale ...

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ALS DIE HOFFNUNG GEHEN LERNTE v<br />

bei uns zu gründen. Noch 1961 erhielt sie ihren<br />

jetzigen Namen. Später entstand in Hamburg,<br />

<strong>und</strong> zwar durch die Initiative einer Benenson-Kollegin,<br />

ein zweites Zentrum um Hajo<br />

Wandschneider <strong>und</strong> Dirk Börner. Im April<br />

1966, auf unserer ersten Jahresversammlung<br />

im Evangelischen Gemeindezentrum Köln, fanden<br />

wir zusammen.<br />

Die ersten Jahre waren nicht leicht. Unsere<br />

Eintragung in das Vereinsregister erfolgte wenige<br />

Tage vor dem Mauerbau, einem neuen<br />

Höhepunkt des Kalten Kriegs. Die Allgemeine<br />

Erklärung der <strong>Menschenrechte</strong> war weithin<br />

unbekannt - die beiden deutschen Staaten gehörten<br />

nicht der UNO an - der Begriff <strong>Menschenrechte</strong><br />

gehörte damals noch nicht zum<br />

Sprachgebrauch. Eine Organisation, die für verfolgte<br />

Kommunisten <strong>und</strong> Antikommunisten, für<br />

Atheisten wie für Gläubige eintrat - so etwas<br />

hatte es bisher nicht gegeben.<br />

Ein indischer Gewerkschafter fuhr nach Ostberlin,<br />

um dort Nachforschungen über politische<br />

Gefangene in der DDR anzustellen. ,Gut<br />

so!' Ein Geistlicher <strong>und</strong> eine Juristin aus Großbritannien<br />

kamen als Beobachter zu Prozessen<br />

gegen Mitglieder <strong>und</strong> Funktionäre der verbotenen<br />

KPD <strong>und</strong> sprachen sich gegen ihre Inhaftierung<br />

aus. .Unerhört!' In den Augen vieler<br />

B<strong>und</strong>esbürger gab es .berechtigte' <strong>und</strong> .unberechtigte'<br />

politische Gefangene, .schlechte',<br />

sprich kommunistische, <strong>und</strong> ,gute', sprich antikommunistische<br />

Diktaturen. Das NATO-Mitglied<br />

Portugal galt als Eckpfeiler der freien<br />

Welt; man hielt es für ungehörig, Salazar zu<br />

kritisieren. Wer das dennoch tat, sollte doch<br />

gefälligst dahin gehen, wo er hingehöre, nach<br />

.drüben', in die ,Zone'.<br />

Bald kam der Verdacht auf, wir seien eine der<br />

vielen Mitläufer- oder Tarnorganisationen, die<br />

Kommunisten in aller Welt für sich tätig werden<br />

ließen, gesteuert von der Stasi oder gar<br />

ESSAY<br />

vom KGB. Diese wiederum argwöhnten, wir<br />

handelten im Auftrag des Secret Service oder<br />

der CIA. Der Staatssicherheitsdienst kam zu<br />

dem Ergebnis, „dass amnesty international eine<br />

Organisation ist, die objektiv einen nachrichtendienstlichen<br />

Charakter trägt <strong>und</strong> deren Ergebnisse<br />

dazu geeignet sind, die gegen die sozialistischen<br />

Staaten gerichtete Tätigkeit der<br />

imperialistischen Länder u.a. Feindorganisationen<br />

zu unterstützen." In der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

hingegen gerieten amnesty-Mitglieder, die<br />

in Hannover eine Demonstration gegen die Folter<br />

anmelden wollten, in die Akten des Verfassungsschutzes.<br />

Bis Gerd Rüge 1964 als ARD-Korrespondent<br />

nach Washington umzog, prägte er das Profil<br />

der deutschen amnesty-Sektion. Er organisierte<br />

1963 einen internationalen amnesty-Kongress<br />

in Königswinter <strong>und</strong> besorgte große Spenden,<br />

die London Delegationsreisen nach Ghana<br />

<strong>und</strong> Portugal ermöglichten.<br />

Ich gründete 1962 die erste deutsche Gruppe<br />

<strong>und</strong> bemühte mich, auch andere Bürger dazu<br />

anzuspornen. Mitte der 60er Jahre waren wir<br />

immer noch nicht mehr als dreißig, vierzig<br />

Leute. Eine, zwei, höchstens drei Personen bildeten<br />

noch nicht einmal zwanzig Gruppen, deren<br />

Initatoren ich heute noch im Schlaf aufzählen<br />

kann. Jeder kannte jeden <strong>und</strong> auch fast<br />

alle Gefangenen, die wir betreuten. Ortsnamen<br />

von Rohleber, Lechenich, Ebnet <strong>und</strong> Langen<br />

klangen vertraut in unseren Ohren, weil es dort<br />

eine unserer Gruppen gab, <strong>und</strong> angesichts von<br />

Autobahnabfahrten rief ich freudig: ,Oh, hier<br />

geht's zur Gruppe 11!'<br />

Was verband die Gründergeneration? Wir hatten<br />

noch die Nazizeit erlebt. Einige von uns<br />

hatten begeistert ,Heil' geschrien, andere waren<br />

ins Exil getrieben worden. Familienangehörige<br />

gehörten zu den Tätern, andere zu den<br />

Opfern. Gerd Ruges Schwiegervater hatte sich

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