Menschenrechte und Wirtschaft - Forschungsjournal Soziale ...
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LITERATUR<br />
Leidenschaft Recherche<br />
„Ein weißer Pick-Up des Schlachthofs verfolgt<br />
mich eine halbe St<strong>und</strong>e lang über die Landstraßen<br />
um Brentwood. Der Ladewagen fährt sogar<br />
mehrere R<strong>und</strong>en im Kreisverkehr mit 10 Meter<br />
Abstand hinter mir her. Erst auf der Autobahn<br />
Richtung London gelingt es mir, den Pick-Up<br />
<strong>und</strong> seinen bulligen Fahrer loszuwerden." Udo<br />
Lielischkies vom ARD-Studio Brüssel auf den<br />
Spuren der englischen Fleischmafia. Eher die<br />
Ausnahme vom Journalisten-Alltag.<br />
Die meisten Berichterstatter sitzen meistens im<br />
Büro. Und recherchieren - im engeren Wortsinn<br />
- auch per Telefon kaum. Recherchierender Journalismus,<br />
das ist keine Tautologie, sondern eine<br />
Seltenheit: Fast zwei Drittel der Berichte beruhen<br />
hierzulande auf Öffentlichkeitsarbeit, fand der<br />
Schweizer Publizist Rene Grossenbacher heraus.<br />
Im übrigen decken sich viele Artikel mit<br />
Agenturmeldungen, wieRobertBoyles.Deutschland-Korrespondent<br />
von The Times, beobachtet.<br />
Wer Grossenbacher <strong>und</strong> Boyles zu Zeugen ruft,<br />
ist selbst passionierter Reporter <strong>und</strong> Medienkritiker:<br />
Thomas Leif hat „Leidenschaft: Recherche"<br />
herausgegeben, einen schmalen Sammelband<br />
mit breitem Spektrum. In 34 Beiträgen<br />
sprechen Journalisten <strong>und</strong> Publizisten von Leid<br />
<strong>und</strong> Leidenschaft ihres Berufs, erzählen die<br />
Geschichten ihrer „Skandal-Geschichten <strong>und</strong><br />
Enthüllungs-Berichte" (Untertitel). Folie dieser<br />
Reportagen aus der Medien weit ist die deutsche<br />
Misere des investigativen Journalismus, die Leif<br />
einleitend belegt.<br />
Von der SPD-Wahlkampfzentrale american style,<br />
„Kampa", über die unzähligen „Wir haben<br />
verstanden!"-Strategien der Konzerne bis hin<br />
zu NGO-Kampagnen, die Spenden <strong>und</strong> Empörung<br />
gezielt mit kleinen Kindern <strong>und</strong> niedlichen<br />
Tieren mobilisieren - die Sparringpartner der<br />
Journalisten in der öffentlichen Arena sind längst<br />
keine Amateure mehr. Dabei haben deutsche<br />
Redaktionen der Professionalisierung im PR-<br />
FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 12, HEFT 1,1999<br />
Bereich immer weniger entgegenzusetzen. Die<br />
Konkurrenz der Medien untereinander drückt<br />
das Niveau. Neuheit geht oft genug vor Inhalt,<br />
„Köpfe" werden dargestellt, nicht Strukturen erklärt,<br />
<strong>und</strong> anstatt Geschichten zu erzählen, werden<br />
, Pakten, O-Töne <strong>und</strong> Atmo" krude collagiert.<br />
Zeitungen <strong>und</strong> Illustrierte spicken beim Leitmedium<br />
Femsehen, TV-Magazine auf dem Presse-<br />
Boulevard, <strong>und</strong> als seien die Redaktionen Punk-<br />
Bands, rufen die Medienmacher, härter, schneller,<br />
lauter. ,pnthüllt" wird, wo der Volkszorn sicher,<br />
Objektivität nur im Wege ist. Davon abgesehen<br />
überimmt man, was politische <strong>und</strong> private Medienmaschinen<br />
m<strong>und</strong>gerecht auswerfen. In dieser<br />
Hinsicht sind die Mächtigen, die soviel zu verbergen<br />
wie repräsentieren haben, in dem Kampf um<br />
Quote <strong>und</strong> Auflage der lachende Dritte.<br />
Leif macht für die, Jiandstellung der Recherche<br />
in Deutschland" auch verantwortlich, daß die<br />
Medien zwar jede Menge Meinungsjournalisten,<br />
aber wenig Rechercheure beschäftigten,<br />
der Leitartikel mehr geschätzt würde als die<br />
Enthüllungsstory. Das Problem dürfte abernicht<br />
nur bei Auswahl <strong>und</strong> Ausrichtung der Top-<br />
Journalisten liegen. Besonders anfällig für die<br />
Inszenierungen der Öffentlichkeitsarbeiter ist<br />
wohl die wachsende Zahl „fester freier" Journalisten:<br />
Ohne Redakteursvertrag respektive Kontinuität<br />
im Ressort entbehren viele der notwendigen<br />
Kontakte, Handarchive <strong>und</strong> Hintergr<strong>und</strong>wissen,<br />
um den herrschenden Zeitdruck auszugleichen.<br />
Schließlich gibt es jene Mediengestalten, die<br />
keine Not kennen, weil sie Anpassung zur Tugend<br />
erklären: „Die Presse braucht Dich <strong>und</strong> du<br />
brauchst die Presse. Zum Beispiel für ein neues<br />
Image", zitiert Thomas Leif exemplarisch Ulla<br />
Kock am Brink.<br />
Jedoch, so sagen uns Journalisten in ihren versammelten<br />
Beiträgen, wir können auch anders.<br />
Der Band liefert das making of von Zwick-<br />
Affäre <strong>und</strong> BSE-Skandal (Oliver Merz, Udo