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Menschenrechte und Wirtschaft - Forschungsjournal Soziale ...

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DIE UNTERSCHIEDLICHEN KLASSEN DER MENSCHENRECHTE<br />

chen Weise faktisch gewährt. Aber es scheint,<br />

<strong>und</strong> das macht den Unterschied zur Situation<br />

zu Beginn des Jahrh<strong>und</strong>erts aus, nicht mehr<br />

möglich, Ungleichbehandlung <strong>und</strong> Privilegierung<br />

gegenüber einer Weltöffentlichkeit überzeugend<br />

zu begründen. Insofern geraten alle<br />

Staaten, in denen die politischen <strong>Menschenrechte</strong><br />

der Bürger nicht beachtet werden, extern<br />

<strong>und</strong> zunehmend auch intern unter Legitimationsdruck.<br />

Diese Klasse der <strong>Menschenrechte</strong> sind von<br />

vomherein sowohl auf negative als auch auf<br />

positive Pflichten seitens der Staates bezogen.<br />

Sie regeln die politischen Rollen, in denen die<br />

Bürger sich bei der Schaffung eines durch<br />

Recht kontrollierten Staates anerkennen müssen.<br />

In dem Augenblick, wo die Rechtsetzung<br />

selbst <strong>und</strong> die Schaffung der politischen Gewalten<br />

nicht mehr von einer von den Bürgern<br />

unabhängigen Autorität gestiftet werden, sind<br />

es die Bürger selbst oder in ihrer Gesamtheit<br />

das jeweilige Volk, von denen oder von dem<br />

die Regierungsgewalt ausgeht. Wenn also keine<br />

externen Autoritäten mehr Anerkennung finden<br />

(weil Begründungen mit Bezug auf Tradition,<br />

Gott gegebene Staatsmacht, wirtschaftliche<br />

Opportunität oder kommunistische Ideologie<br />

etc. zunehmend erschüttert sind), dann<br />

ist es nahe liegend, die politische Selbstgesetzgebung<br />

so zu regeln, dass alle in gleicher<br />

Weise daran beteiligt sind. Die Allgemeine Erklärung<br />

fordert aber nicht unmittelbar, dass<br />

die politische Gewalt demokratisch ausgeübt<br />

werden soll, sondern sie fordert nur, dass die<br />

Einzelnen als gleichgestellte Bürger dabei mitwirken<br />

können. Es ist daher ein eigenes Problem,<br />

ob die <strong>Menschenrechte</strong> Demokratie als<br />

notwendige Bedingung fordern <strong>und</strong> ein weiteres<br />

Problem, ob Demokratie die <strong>Menschenrechte</strong><br />

impliziert <strong>und</strong> sie also in einer Demokratie<br />

eo ipso garantiert sind. Letzteres <strong>und</strong><br />

ersteres scheint problematisch zu sein. Beides<br />

hängt mit der positiv-rechtlichen Fassung der<br />

23<br />

HAUPTBEITRÄGE<br />

<strong>Menschenrechte</strong> zusammen. Aus einer moralischen<br />

Perspektive hingegen können es freilich<br />

nur gleiche Rechte sein, die alle sich wechselseitig<br />

bei der Schaffung von Recht <strong>und</strong> politisch<br />

bindenden Entscheidungen einräumen.<br />

Die moralische Wertschätzung der Selbstbestimmung<br />

bezieht sich hier auf die Regelung<br />

gemeinsamer Selbstbestimmung, man kann<br />

auch - mit Habermas - von politischer oder<br />

öffentlicher Autonomie sprechen (Habermas<br />

1992: 112ff). Hier kommt dem Recht auf Gewissensfreiheit<br />

eine entscheidende Bedeutung<br />

zu. Versteht man es nämlich als das gleiche<br />

Recht einer jeden Person, zu den öffentlichen<br />

Fragen Stellung zu nehmen, so ist es als Recht<br />

auf Meinungsfreiheit die konstitutive Bedingung<br />

dafür, dass die normative Unterstellung<br />

sinnvoll gemacht werden kann, von der jede<br />

demokratische öffentliche Meinungsbildung<br />

sich leiten lassen muss: dass in ihr die Meinungen<br />

aller gleichberechtigt <strong>und</strong> unparteilich<br />

zur Geltung müssen kommen können. Denn<br />

eine unterlegene Minderheit kann nur annehmen,<br />

dass sie die Chance zur Mehrheit behält,<br />

wenn sie unterstellen kann, dass sie ihre Meinung<br />

auch weiterhin öffentlich zu Gehör bringen<br />

kann (Lohmann 1998b).<br />

Günther (1992) hat gezeigt, dass sich dieses<br />

Recht auf Stellungnahme zunächst in einem<br />

umfassenden <strong>und</strong> f<strong>und</strong>amentalen Sinne moralisch<br />

begründen lässt, nämlich als ein Recht<br />

eines jeden auf Teilnahme an kommunikativen<br />

Verständigungsprozessen. Als ein solches moralisch<br />

begründetes Recht transzendiert es alle<br />

sozialen <strong>und</strong> politischen Institutionen. Es ist<br />

gewissermaßen ein Recht aller, bei allem mitzureden<br />

<strong>und</strong> mitzumischen, aber es ist als ein<br />

nur moralisch aufgefasstes Recht eben ohne<br />

gesicherte Durchsetzungsmacht. Will man dieses<br />

moralisch begründete Recht daher faktisch<br />

absichern, so muss eine positive Rechtsordnung<br />

geschaffen werden. Daraus folgt, dass<br />

das Recht auf unbeschränkte Stellungnahme

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