Anwaltsblatt 2000/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag
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Der aktuelle Beitrag<br />
Präsident Dr. Klaus Hoffmann<br />
Der Wandel<br />
Aus Anlass des Anwaltstages <strong>2000</strong> präsentierte<br />
sich die österreichische Rechtsanwaltschaft<br />
der Öffentlichkeit in einer neuen<br />
Weise. Für manchen kam dies überraschend.<br />
Der allergrößte Teil der Öffentlichkeit reagierte<br />
zustimmend. Viele anerkennende<br />
Worte wurden gefunden. Gratuliert wurde<br />
auch in offener Sitzung.<br />
All denen, die die eindrucksvolle Eröffnungssitzung<br />
gestaltet haben, sei nochmals in aller<br />
Form und in kollegialer Anerkennung gedankt.<br />
Dieser Dank soll sich aber auch auf jene<br />
erstrecken, die in den Kommissionen des Anwaltstages<br />
<strong>2000</strong> Aufgaben übernommen und<br />
Beiträge geleistet haben. Insgesamt meine<br />
ich, ist es der Rechtsanwaltschaft gelungen,<br />
einen besonderen Anwaltstag zu gestalten.<br />
Es wäre sicher zu wenig, nur anerkennende<br />
Worte für eine Veranstaltung zu finden, ohne<br />
sich mit den Themen, Vorschlägen und Aussagen<br />
zu befassen und diese in die Überlegungen<br />
der Standespolitik, der Kammerorganisation<br />
und schließlich auch der Gestaltung<br />
der Arbeit des Österreichischen <strong>Rechtsanwaltskammertag</strong>es<br />
einzubeziehen.<br />
Aus Anlass des Anwaltstages wurde einer<br />
guten Tradition folgend neben Fragen, die<br />
den Stand an sich betreffen und seine Organisation,<br />
ein Sachthema angesprochen. Das<br />
Thema des Festvortrages – gehalten von Frau<br />
Univ.-Ass. Dr. Brigitta Jud – „Entwicklung des<br />
Pflichtteils- und des Anrechnungsrechtes“ war<br />
von hoher Qualität, umfassend informativ<br />
und wegen seines klaren Aufbaus, obwohl<br />
die Rechtsprobleme durchaus schwierig sind,<br />
für den aufmerksamen Zuhörer leicht verständlich.<br />
Das behandelte Thema war Ausgangspunkt<br />
für eine Arbeitssitzung, die unter dem<br />
Titel „Ist Pflichtteilsrecht noch zeitgemäß?“<br />
stand. Sowohl die Beiträge vom Podium als<br />
auch die engagierten Beiträge der Teilnehmer<br />
zeugen von der Aktualität des in einem<br />
besonderen Spannungsfeld der Auffassungen<br />
stehenden Themas. Ich bin sicher, dass es gelungen<br />
ist, entscheidende Anregungen für ein<br />
langfristiges Reformvorhaben zu geben.<br />
In den beiden anderen Arbeitssitzungen ging<br />
es um das Berufsbild des Rechtsanwaltes, die<br />
Entwicklung des Standesrechtes und die<br />
Organisation der Selbstverwaltung. Aus den<br />
Beiträgen der eingeladenen Referenten wurde<br />
deutlich, dass sich das Berufsbild des Rechts-<br />
Österreichisches<br />
A N W A L T S B L A T T<br />
anwaltes, wie schon wiederholt angemerkt,<br />
in Umbruch befindet. Es ist nicht mehr so, wie<br />
ich vor Jahren sagte, und – wie ich meine –<br />
auch belegen konnte, dass das Berufsbild aus<br />
damaliger Sicht nach wie vor dasselbe sei,<br />
allerdings in einem neuen Rahmen. Die Veränderungen<br />
in der Gesellschaft, die Schnelligkeit<br />
der Vorgänge durch die modernen<br />
Kommunikationsmittel, aber auch die zunehmende<br />
Internationalisierung der Berufsausübung<br />
haben zu Veränderungen geführt und<br />
lassen weitere Veränderungen erwarten. Das<br />
Berufsbild ist tatsächlich im Wandel.<br />
Der Rechtsanwaltsstand ist – von den Bedürfnissen<br />
der Standesangehörigen her gesehen –<br />
nicht mehr ein einheitlicher. Er wird daher<br />
auch von der Öffentlichkeit unterschiedlich<br />
gesehen und bewertet, je nachdem in welchem<br />
Bereich der Rechtsanwalt tätig ist. Über<br />
die Landesgrenzen hinaus, international tätige<br />
Rechtsanwaltsgesellschaften suchen in<br />
immer rascherer Abfolge die Zusammenarbeit<br />
mit ausländischen Rechtsanwaltsgesellschaften<br />
durch Kooperationen und zunehmend<br />
durch Zusammenschlüsse. Die begonnene<br />
Entwicklung führt zu immer größeren<br />
Einheiten und damit zu „Rechtsanwaltsunternehmen“,<br />
die anwaltliche Dienstleistung<br />
grenzüberschreitend, ja weltweit anbieten.<br />
Neben diesen zunehmend international tätig<br />
werdenden Rechtsanwaltsgesellschaften gibt<br />
es jene, die den Rechtsanwaltsberuf nach wie<br />
vor für das Inland ausüben. Das sind jene,<br />
die die Versorgung mit rechtsanwaltlicher<br />
Beratung und Vertretung in allen Angelegenheiten<br />
für jedermann in Österreich sicherstellen.<br />
Sie dienen durch ihre Tätigkeit in ihrem<br />
jeweiligen Bereich in besonderer Weise der<br />
Rechtsstaatlichkeit in unserem Land.<br />
Nun will ich nicht einer Kluft zwischen den<br />
Gruppen das Wort reden. Wer mich kennt,<br />
weiß, dass ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit<br />
die Solidarität im Stand anspreche<br />
und als unverzichtbar bezeichne. Sich den<br />
Realitäten zu verschließen, wäre allerdings<br />
ein Fehler.<br />
Um beiden Gruppen gerecht zu werden, ist<br />
es Aufgabe der Standespolitik, zum einen<br />
bestmögliche Organisationsformen für die<br />
Berufsausübung zur Verfügung zu stellen und<br />
anderseits die wirtschaftliche Basis für die<br />
Ausübung des Berufes nicht nur zu erhalten,<br />
6 2 . J a h r g a n g , N o v e m b e r 2 0 0 0 , H e f t 1 1<br />
sondern breiter zu machen. Internationalisierung,<br />
Kommunikation über die Elektronik und<br />
die Abläufe im Gerichtsbetrieb (Ladungen,<br />
Schriftsatzwechsel uäm) haben Investitionen<br />
erfordert und die Übernahme von Kosten<br />
gebracht. Um in der Zukunft aktuell zu bleiben,<br />
werden ständig Anpassungen zu erfolgen<br />
haben, die Geld kosten. Dieser Aufwand<br />
muss verdient werden und darf das Ergebnis<br />
nicht schmälern, sondern sollte, um gerechtfertigt<br />
zu sein, die Produktivität und damit den<br />
Unternehmenserfolg steigern. Es wird daher<br />
auch über den Tarif zu sprechen sein.<br />
Will die Standespolitik dieser Entwicklung<br />
gerecht werden, dann hat sie nach bester<br />
Möglichkeit dafür zu sorgen, dass dem<br />
Rechtsanwalt seine Tätigkeitsbereiche erhalten<br />
und neue Tätigkeitsbereiche erschlossen<br />
werden. Dass dies auch im Wettbewerb mit<br />
anderen zu geschehen hat, ist offenkundig.<br />
Immer dann, wenn der Wettbewerb härter<br />
wird, muss umso engagierter aufgetreten werden.<br />
Das ist in Bezug auf rechtsanwaltliche<br />
Dienstleistung nicht anders. Die Anwaltschaft<br />
wird sich zunehmend an den Regeln und<br />
Vorgängen in der Wirtschaft zu orientieren<br />
haben. Gleichzeitig gilt es aber, die Grundfesten<br />
des Berufes – nämlich Vertrauenswürdigkeit,<br />
Kliententreue, Verschwiegenheit und<br />
Sachkompetenz – zu erhalten.<br />
Richtig wurde schließlich in einer weiteren<br />
Arbeitssitzung erkannt, dass auch ein Wandel<br />
in der Organisation der Autonomie der<br />
Rechtsanwaltschaft erforderlich ist. Wie immer<br />
in solchen Diskussionen wurden auch<br />
geradezu revolutionäre Gedanken formuliert.<br />
Nach meiner Auffassung ist es durchaus möglich,<br />
mit einigen wenigen Änderungen die<br />
Schlagkraft der Standesorganisationen zu<br />
verbessern. Das kann schon dadurch gelingen,<br />
den jeweiligen Einheiten die erforderliche,<br />
insbesondere personelle, Ausstattung<br />
zur Verfügung zu stellen und andererseits im<br />
Sinne einer vernünftigen „Geschäftsverteilung“<br />
Aufgaben so zuzuordnen, dass Überschneidungen,<br />
Doppelgleisigkeiten und Wiederholungen<br />
vermieden werden. Auch dieser<br />
Wandel ist notwendig. Dem Notwendigen<br />
sollte entsprochen werden.<br />
Der Anwaltstag <strong>2000</strong> war ein Erfolg. Er<br />
sprach die Zukunft und notwendige Veränderungen<br />
an.<br />
AnwBl AnwBl <strong>2000</strong>/<strong>11</strong> <strong>2000</strong>/<strong>11</strong> 641 641